114 53 30MB
German Pages 276 Year 1979
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 364
Kabelkommunikation und Verfassung Das privatrechtliche Unternehmen im „Münchner Pilotprojekt“
Von
Walter Schmitt Glaeser
Duncker & Humblot · Berlin
WALTER SCHMITT GLAESER
Kabelkommunikation und Verfassung
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 364
Recht
Kabelkommunikation und Verfassung Das privatrechtliche Unternehmen im „Münchner Pilotprojekt"
Von
Prof. Dr. Walter Schmitt Glaeser
D U N C K E R
&
H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Hechte vorbehalten © 1979 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1979 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04454 1
Vorwort I m Februar 1974 wurde von der Bundesregierung eine unabhängige „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems" (KtK) unter dem Vorsitz von Professor Dr. Eberhard Witte eingerichtet. Sie hatte den Auftrag, Vorschläge für einen wirtschaftlich vernünftigen und gesellschaftlich wünschenswerten Ausbau des Telekommunikationssystems der Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. Seit die Kommission knapp zwei Jahre später, i m Dezember 1975, ihren „Telekommunikationsbericht" vorgelegt hat, geriet die Medienpolitik wieder verstärkt i n Bewegung. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, daß der relativ leicht verständliche, ebenso prägnante wie informative Bericht es erstmals einer breiten Öffentlichkeit ermöglichte, das weit gespannte Problemfeld des Telekommunikationssystems und seine eminente Bedeutung für die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung i n der Bundesrepublik zu überblicken oder doch wenigstens einigermaßen abschätzen zu können. Stimulierender noch als dies aber hat der Vorschlag der Kommission bewirkt, Pilotprojekte (Modellversuche) durchzuführen, die unter anderem dem Ziel dienen sollen, die noch offenen Fragen des Bedarfs, verschiedene Möglichkeiten seiner Deckung durch bekannte und neue Inhalte, die Akzeptanz und die Nutzungsintensität durch die Teilnehmer sowie die Bereitschaft zur Übernahme von Investitionsaufgaben und Preisen für laufende Dienstleistungen zu klären. Die Aktivitäten scheinen freilich mehr auf eine Verhinderung als auf eine Förderung der Durchführung dieser Modellversuche zu gehen. So dauerte es nahezu drei Jahre, bis sich die Ministerpräsidenten der Länder i m M a i 1978 zu einem Grundsatzbeschluß durchringen konnten. Danach sollen vier Pilotprojekte eingerichtet werden. Als Standorte sind derzeit vorgesehen Berlin, Ludwigshafen-Mannheim, Dortmund und München. Konkretes aber ist bis heute nicht geschehen — i m vierten Jahre nach Vorlage des KtK-Telekommunikationsberichts. Das ist nicht nur deswegen bedauerlich, w e i l die Kommissionsempfehlungen inzwischen bereits i n nicht wenigen Bereichen durch die rasante technische Weiterentwicklung zum Teil überholt sind. Noch bedauerlicher sind die Ursachen der Verzögerung, die Ratzke i n der F A Z vom 11. November 1978 ebenso polemisch wie treffend m i t dem Satz kennzeichnet: „Die Pilotprojekte jedoch gerieten zu Politprojekten . . . " Dabei geht es unter anderem zwar, aber doch in erster Linie, u m einen alten Streit, der durch die
6
Vorwort
erheblichen Fortschritte i m Bereich der Kommunikationstechnologien neue Aktualität gewonnen hat und i n den nächsten Jahren endgültig entschieden werden muß, wobei die Pilotprojekte eine zentrale Rolle spielen können: Es ist der Streit u m das Oligopol bzw. das regionale Monopol öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und die Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen. Die Auseinandersetzung wurde schon bislang nicht immer nur m i t sachlichen Argumenten geführt. Immerhin aber hatten die Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols lange Zeit und i n mancherlei Hinsicht das Fernsehurteil des BVerfG von 1961 (E 12, 205 ff.) und die dieses Urteil i m wesentlichen bestätigende Mehrwertsteuerentscheidung desselben Gerichts aus dem Jahre 1971 (E 31, 314 ff.) auf ihrer Seite. I m Gegensatz zur Presse, so konstatiert das Gericht, müsse i m Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch m i t Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben. Diese „Sondersituation i m Bereich des Rundfunkwesens" erfordere besondere Vorkehrungen zur V e r w i r k lichung und Aufrechterhaltung der i n A r t . 5 GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks und eines der diesem Zweck dienlichen M i t t e l sei das Prinzip, nach dem die bestehenden Rundfunkanstalten aufgebaut sind. Spätestens seit dem Telekommunikationsbericht der K t K ist aber nun endgültig fraglich geworden, ob die vom BVerfG angenommene faktische Situation noch besteht. Vor allem die neuen Möglichkeiten der Kabeltechnik, aber z.B. auch der Ausbau der Satellitentechnik, haben den Engpaß der herkömmlichen Frequenzbeschränkungen i m wesentlichen überwunden und auch das Kostenargument kann nicht mehr m i t gleicher Stringenz gewichtet und muß jedenfalls differenzierter gesehen werden. Die veränderte faktische Situation hat auch i n rechtlicher, insbesondere verfassungsrechtlicher Hinsicht Beachtung zu finden und zu neuen Überlegungen zu führen. Von besonderer Brisanz sind hierbei die geplanten Pilotprojekte. Ihrem Modellcharakter entsprechend werden sie nicht nur i n gesellschaftspolitischen, wirtschaftlichen u n d technischen, sondern ebenso i n rechtlichen Belangen weichenstellende Bedeutung gewinnen. Wenn auch die Pilotprojekte bislang noch wenig durchgezeichnet sind, so läßt sich doch schon eine starke Tendenz zur Aufrechterhaltung des Status quo, sprich: des Oligopois bzw. regionalen Monopols der anstaltlich-pluralistischen Rundfunkorganisation erkennen. Die bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben i n diesem Bestreben mächtige politische Kräfte, insbesondere die Gewerkschaften, SPD und FDP, auf ihrer Seite. Vornehmliches
Vorwort
gemeinsames Ziel ist die Verhinderung privater Rundfunkunternehmen auch für die Zukunft, was nicht zuletzt i m Hinblick auf die schon weit fortgeschrittene „Privatisierung" des Rundfunks und anderer Telekommunikationssysteme i n den europäischen Nachbarländern, i n den USA, Kanada und Japan zumindest eigenartig anmutet. Anlaß für die hier vorgelegte Abhandlung ist das i. S. des Berichts der K t K geplante Pilotprojekt „Breitbandkabel-Kommunikation" m i t dem Standort i n München. Sie gibt ein Gutachten wieder, das der Verfasser auf Anregung der Pressevereinigung für Neue Publikationsm i t t e l e.V. erstellt hat. I m Vordergrund der Überlegungen stehen verfassungsrechtliche Probleme, wobei die Frage der Zulassung privater Inhaltsverantwortung und darüber hinaus privatrechtlicher Trägerschaft (z.B. und vor allem von Presseunternehmen) für Textübertragungssysteme (Bildschirmtext, Videotext, Kabeltext) sowie für Hörfunk und (lokales) Kabelfernsehen die zentrale Rolle spielen wird. Neben dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland muß die Verfassung des Freistaates Bayern beachtet werden, insbesondere die spezifische Regelung i n A r t . I l i a Abs. 2 S a t z l BV, wonach „Rundfunk . . . i n öffentlicher Verantwortung und i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben" wird. Diese landesverfassungskräftige Festschreibung der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft ist einzigartig, bis dato also ein ausschließlich „bayerisches Problem". Das könnte nun freilich anders werden, wenn die Initiative der schleswig-holsteinischen SPD Erfolg hätte oder gar Schule machte. Wie Hermann A. Griesser i m Rheinischen Merkur vom 9. Februar 1979 berichtet, hat die SPDFraktion i m schleswig-holsteinischen Landtag Ende Januar 1979 einen Gesetzesentwurf eingebracht, i n dem eine Änderung der Landessatzung (Verfassung) vorgeschlagen wird, die — ähnlich dem A r t . I l l a Abs. 2 B V — zum Ziel hat, das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem landesverfassungskräftig festzuschreiben. Auch aus diesem Grund muß dem A r t . l i l a Abs. 2 B V verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere auch seine Vereinbarkeit m i t der Bundesverfassung geprüft werden. Bayreuth, M a i 1979 Walter Schmitt Glaeser
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
17
Α. Problemansatz
17
Β . Der Telekommunikationsbericht u n d seine Pilotprojekte I. II. III. IV. V.
*...
18
Die gesellschaftspolitische Bedeutung u n d die Frage des Bedarfs Die technischen Zukunftsperspektiven Gegenstand u n d Formen der Telekommunikation Organisationsform Z a h l der Pilotprojekte
19 20 20 23 26
C. Insbesondere: Das Münchner Pilotprojekt
27
D. Zusammenfassung u n d Auswertung
33
I. Die neuen Übertragungskapazitäten I I . Die neuen Einsatzmöglichkeiten I I I . Die weichenstellende F u n k t i o n des Pilotprojekts E. Die Einteilung der kabelgebundenen Telekommunikationsformen I. Informationsverteildienste I I . Informations- Abrufdienste u n d Dialogverkehr I I I . Materialisierte Teletexte
33 35 36 37 38 40 42
Erster Teil Das privatrechtliche Unternehmen i m Bereich kabelgebundener Informationsverteildienste Vorbemerkung
43 43
1. Kapitel:
Kabelgebundene Informationsverteildienste und Rundfunkbegriff
46
1. Abschnitt:
Die zwei Seiten des Rundfunkbegriffs
46
A . Die fernmelderechtliche Seite des Rundfunks
46
B. Die kulturell-rechtliche Seite des Rundfunks
47
2. Abschnitt:
48
Die Begriffsneutralität
der Verbreitungstechnik
A . K a b e l - F u n k als R u n d - „ F u n k "
48
B. K a b e l - F u n k als „ R u n d " - F u n k
51
nsverzeichnis
2. Kapitel:
1. Abschnitt:
Die einfach-gesetzliche Rechtslage im Rundfunkwesen und die besondere Situation in Bayern
54
Problemeingrenzung
54
2. Abschnitt:
Die Träger von Rundfunkunternehmen nach den Landesrund f unkgesetzen A . Rechtliche u n d faktische „Monopole" f ü r öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen I. Die rechtliche Lage i m Bereich des N D R I I . Die rechtliche Lage i m Bereich des SWF I I I . Die rechtliche Lage i n den übrigen Sendebereichen
3. Abschnitt:
öffentlich-rechtliche grammverantwortung BV
59 Rundfunkfrei-
Trägerschaft und privatrechtliche Prounter Geltung des Art. Ili a Abs. 2
A. Die rechtstechnische Konstruktion
59 60 63
65 65
B. Die Vereinbarkeit privatrechtlicher Programmverantwortung m i t A r t . 111 a Abs. 2 B V I. II. III. IV.
56 56 57 57
B. Die bayerische Besonderheit: A r t . I l i a Abs. 2 B V I. Verfassungskräftige Verankerung der „formellen heit" I I . Die Entstehungsgeschichte der Verfassungsnorm I I I . E i n Kompromiß ohne rechtlichen Sinn?
55
67
Der W o r t l a u t des A r t . l i l a Abs. 2 B V als Interpretationsansatz Der „traditionelle" Streitpunkt Die Finalität des A r t . I l i a Abs. 2 B V Privatrechtliche Programmverantwortung u n d Rundfunkfreiheit
67 68 70 72
Hauptergebnisse des 1. u n d 2. Kapitels u n d der weitere Gang der U n t e r suchung
82
3.Kapitel:
Die Vereinbarkeit des Art. l i l a BV mit dem Grundgesetz
85
1. Abschnitt:
Die Kollisionsnormen
86
der Art. 31, 142 GG
A . Die grundgesetzlichen Kollisionsnormen u n d das Verhältnis zwischen A r t . I l i a B V u n d A r t . 12 Abs. 1 GG 86 B. Die grundgesetzlichen Kollisionsnormen u n d das Verhältnis zwischen A r t . I l i a B V u n d A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG 87 2. Abschnitt:
Die Vereinbarkeit GG
des Art. Ill
a BV mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2
A. A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält keine Einrichtungsgarantie für öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen B. Die tendenzielle Entsubjektivierung des Grundrechts auf Rundfunkfreiheit I. Z u m Beispiel: Die Konzeption von Stern I I . Das flexible Organisationsmodell des Bundesverfassungsgerichts I I I . Die „Sondersituation i m Rundfunkwesen" ist keine Normalsituation
91 92 93 94 96 99
nsverzeichnis
11
I V . Das Mißtrauen gegen den privaten Unternehmer u n d der Glaube an die Neutralität öffentlich-rechtlicher Hundfunkanstalten 102 C. Faktische Situation i m Rundfunkwesen u n d die rechtlichen Folgen . . 109 I. Grundsatz: Die Veränderung der faktischen Situation f ü h r t zu einer Veränderung der rechtlichen Situation I I . Die Beurteilung der faktischen Situation I I I . Die Beurteilung der rechtlichen Situation I V . Zwischenergebnis D. Die Präponderanz der subjektivrechtlichen (individuell-rechtlichen) Seite der Rundfunkfreiheit I. Die subjektivrechtliche Seite der Rundfunkfreiheit als Ausgangspunkt I I . Die Rundfunkbetriebsfreiheit I I I . Die Rundfunkgründungsfreiheit I V . Die Bedeutung der objektivrechtlichen Seite der Rundfunkfreiheit
109 111 117 136 140 140 142 143 149
E. Die kabelgebundenen Informationsverteildienste — eine neue Epoche i n der Rundfunkgesetzgebung 153 I. Die privatwirtschaftliche Rundfunkstruktur als „natürliche" ganisationsform der Rundfunkfreiheit I I . Gesetzgeberisches Ermessen u n d verfassungsrechtliches Maß I I I . Die Prüfungspflicht des Gesetzgebers 3. Abschnitt:
Die Vereinbarkeit
des Art. lila
Or-
153 156 160
BV mit Art. 12 Abs. 1 GG 163
A . Rundfunkunternehmer als Beruf i m Sinne des A r t . 12 Abs. 1 GG
164
B. Die „Konkurrenz" zwischen A r t . 12 Abs. 1 u n d A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G 167 C. E i n generelles u n d absolutes Verbot privatrechtlicher Rundfunkunternehmen ist m i t A r t . 12 Abs. 1 G G nicht vereinbar 170 D. I m übrigen: Prüfungspflicht des Gesetzgebers
174
Hauptergebnisse des 3. Kapitels
175
Zweiter
Teil
Das privatrechtliche Unternehmen im Bereich der Informationsabrufdienste, des Dialogverkehrs und der materialisierten Teletex te Vorbemerkung
179 179
1. Kapitel:
Informationsabrufdienste, Dialogverkehr, Teletexte und Rundfunkbegriff
1. Abschnitt:
Informationsabrufdienste
und Rundfunkbegriff
materialisierte
182 182
A . Die Informationsabrufdienste i m Umfeld neuer Kommunikationstechniken 182 B. I n d i v i d u a l k o m m u n i k a t i o n — Massenkommunikation — Selektionsbefugnis 185 C. Die Selektionsbefugnis als entscheidendes K r i t e r i u m
186
nsverzeichnis
2. Abschnitt:
Dialogverkehr
und Rundfunkbegriff
3. Abschnitt:
Materialisierte
Teletexte
189
und Rundfunkbegriff
A. Das Wesen der materialisierten Teletexte u n d ihre formen
190 Anwendungs-
190
B. Insbesondere: die Faksimile-Zeitung
190
Hauptergebnisse des 1. Kapitels
193
2. Kapitel:
Die neuen Telekommunikationstechniken in verfassungsrechtlicher Sicht 194
1. Abschnitt:
Der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs.l Satz 2 GG und des Art. Ill a BV beschränkt sich auf den „klassischen Rundfunkbegriff' 194
2. Abschnitt:
Die Dominanz
der privatrechtlichen
Unternehmen
196
Hauptergebnisse des 2. Kapitels
199
Dritter
Teil
Das privatrechtliche Unternehmen als Teilnehmer am „Münchner Pilotprojekt"
201
Vorbemerkung 1. Kapitel: 1. Abschnitt: 2. Abschnitt:
201
Der Modellversuch i m Bereich des Rundfunks Die grundsätzliche Geeignetheit des Modellversuchs sis gesetzgeberischer Prüfungspflicht Die normative Ausgestaltung des Modellversuchs
204 als Ba-
204 207
A. Die grundgesetzliche Pflicht auf Zulassung privatrechtlicher Unternehmen 207 B. Die wesentlichen Hegelungskomplexe I. II. III. IV. V. VI.
212
Rechtsform der Träger Notwendigkeit, Voraussetzung u n d Umfang einer Konzession A u s w a h l der Bewerber Programmrichtlinien Staatsaufsicht Finanzierung
C. Der unmittelbare „Durchgriff" Abs. 1 G G
auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 u n d A r t . 12
212 212 213 215 216 216 217
2. Kapitel:
Der Modellversuch i m Bereich anderer Funkdienste, die nicht Rundfunk sind 218
1. Abschnitt:
Technischer Zusammenhang, wirtschaftliche trachtung und rechtliche Einheit
2. Abschnitt:
Besonderheiten dellversuchs
bei der normativen
Hauptergebnisse des 1. u n d 2. Kapitels
Ausgestaltung
Gesamtbedes Mo-
218 221 223
nsverzeichnis
13
3. Kapitel:
Zur Durchsetzung des Anspruchs privatrechtlicher nehmen auf Teilnahme am Modellversuch
1. Abschnitt:
Durchsetzungsmöglichkeiten jektgesetzes
bei Vorliegen
eines
UnterPilotpro-
225 226
A . Die Verbindlichkeit des A r t . l i l a Abs. 2 B V f ü r den (einfachen) L a n desgesetzgeber 226 B. Die Möglichkeit der Änderung oder Aufhebung des A r t . I l i a Abs. 2 BV 227 C. Die gerichtlichen Klagemöglichkeiten
228
I. Popularklage unmittelbar gegen A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 B V I I . Die Klagemöglichkeiten gegen ein Pilotprojektgesetz 2. Abschnitt:
Durchsetzungsmöglichkeiten gesetzes
Zusammenfassung
bei Fehlen
eines
229 230
Pilotprojekt232 235
Literaturverzeichnis 249 Anhang 1: Überarbeitetes Modell aufgrund der Besprechung der Chefs der der Rundfunkkommission der Länder angehörenden Staats- u n d Senatskanzleien v o m 5. M a i 1978 259 Anhang 2:
Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage der Veranstaltung privater Rundfunksendungen u n d des Rundfunkbegriffs v o m 29. A p r i l 1975 265
Abkürzungsverzeichnis AfP AöR ARD Bad.-Württ.Gesbl. BAnz. BayBS BayRuFuG
= = = = = =
=
BayVBl. BayVerfGH BayVerfGHG
=
BB BFH BGBl. Brem.GBl. BV
=
BVerfG BVerfGE
=
=
= = =
= =
=
BVerfGG
=
BVerwG BVerwGE
=
Difu Drs. DÖV DVB1. epd EvStLK FAG
=
FAZ GG GHz GVB1. GV.NW
=
= = = = =
= =
==
=
= =
Archiv für Presserecht Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen R u n d funkanstalten der Bundesrepublik Deutschland Gesetzblatt f ü r Baden-Württemberg Bundesanzeiger Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Bayerisches Rundfunkgesetz i. d. F. v. 26.9.73, GVB1. S. 563 Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerisches Gesetz über den Verfassungsgerichtshof i. d. F. v. 26.10. 62, GVB1. S. 337 Der Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Verfassung des Freistaates Bayern v. 2.12.46, BayBS I S. 3 Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des B u n desverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz i. d. F. v. 3. 2. 71, B G B l . I S. 105 Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des B u n desverwaltungsgerichts Deutsches I n s t i t u t f ü r Urbanistik Drucksache Die öffentliche V e r w a l t u n g (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt Evangelischer Pressedienst (Zeitschrift) Evangelisches Staatslexikon. 2. Aufl. (1975) Gesetz über Fernmeldeanlagen i. d. F. v. 17. 3. 77, BGBl. I S. 459, ber. S. 573 Frankfurter Allgemeine Zeitung Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland V. 23. 5. 49, BGBl. S. 1, BGBl. I I I 100 - 1 Giga-Hertz Gesetz- u n d Verordnungsblatt (des jeweiligen L a n des) Gesetz- u n d Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen
Abkürzungsverzeichnis
GVRS hessRuFuG JöR JuS JZ kbit/s KtK MW NDR NJW OVG RGBl. Reg.Bl. Rh.-Pf. RuF RVO SDR SFB StAnz. StW SWF TDM UFITA UKW VG VGH V G H n.F.
VOP WDStRL wib WDR ZDF ZfP ZRP ZV+ZV
15
= Gesetz Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen i m Saarland i. d. F. v. 1. 8.68, A m t s bl. S. 558 = Gesetz über den Hessischen Rundfunk v. 2.10.48, GVB1. S. 123 = Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Neue Folge) = Juristische Schulung (Zeitschrift) = Juristenzeitung = K i l o - b i t j e Sekunde = Kommission f ü r den Ausbau des technischen K o m munikationssystems = Mittelwelle = Norddeutscher Rundfunk = Neue Juristische Wochenschrift = Oberverwaltungsgericht = Reichsgesetzblatt = Regierungsblatt = Rheinland-Pfalz = Rundfunk u n d Fernsehen (Zeitschrift) = Reichs Versicherungsordnung i. d. F. v. 15.12. 24, RGBl. I S. 779 = Süddeutscher Rundfunk = Sender Freies B e r l i n = Staats-Anzeiger (des jeweiligen Landes) = Steuer u n d Wirtschaft (Zeitschrift) = Südwestfunk = time division m u l t i p l e x = Archiv f ü r Urheber-, F i l m - , F u n k - u n d Theaterrecht = Ultra-Kurz-Welle = Verwaltungsgericht = Verwaltungsgerichtshof = Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen V e r waltungsgerichtshofs (Teil I) m i t Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (Teil I I ) u. a. Neue Folge = Verwaltungswesen, Organisation, Personalwesen (Zeitschrift) = Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer = Woche i m Bundestag (Zeitschrift) = Westdeutscher Rundfunk = Zweites Deutsches Fernsehen = Zeitschrift f ü r P o l i t i k = Zeitschrift f ü r Rechtspolitik = Zeitungs-Verlag u n d Zeitschriften-Verlag (Zeitschrift)
Einleitung Α. Problemansatz I m Mittelpunkt der rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Überlegungen steht die Frage der Zulassung privater Inhaltsverantwortung und darüber hinaus privatrechtlicher Trägerschaft (ζ. B. und vor allem von Presseunternehmen) für Textübertragungssysteme (Bildschirmtext, Videotext, Kabeltext) sowie für Kabelrundfunk. Es geht dabei nicht darum, ob der Gesetzgeber berechtigt ist, Privaten die Veranstaltung derartiger Telekommunikationsdarbietungen zu gestatten. Eine solche Berechtigung ist dem Grundsatz nach heute, vor allem i n der Rechtsprechung, sogar für die Veranstaltung von Rundfunksendungen i m wesentlichen unbestritten. Es geht vielmehr um die Frage, ob und inwieweit Private zu derartigen Veranstaltungen von Verfassungs wegen zugelassen werden müssen, der Gesetzgeber also dazu verpflichtet ist oder das Grundgesetz gar einen unmittelbaren Anspruch auf die Gründung und den Betrieb von privatrechtlichen Telekommunikationsunternehmen einräumt. Zur Terminologie ist vorweg anzumerken, daß der Ausdruck „Kabelrundfunk" sowohl den kabel- bzw. drahtgebundenen Hörrundfunk als auch den Fernsehrundfunk umfaßt; dies entspricht dem traditionellen Sprachgebrauch, nachdem allgemein zum Begriff „Rundfunk" auch das Fernsehen gerechnet w i r d 1 . Unbestritten sind Hörfunk und Fernsehen juristisch gleich zu behandeln. Schließlich muß von Anfang an deutlich gemacht werden, daß es i m folgenden keineswegs schlechthin und allgemein u m die Zulassung von Privaten als Telekommunikationsveranstalter geht. I m Vordergrund steht vielmehr die Frage nach der Zulassung Privater i m Rahmen eines Pilotprojekts, also i m Rahmen eines zeitlich und örtlich begrenzten Experiments. Bevor daher auf Rechtsfragen eingegangen ι Vgl. etwa BVerfGE 12, 205/226 ff., 259 ff.; Demme, Kabel-Fernsehen, S. 20; Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 15; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S.22, 49 ff.; Rudolf, Zulässigkeit, S. 12f. m. ζ. N. — I m H i n b l i c k auf die kabelgebundene Verbreitung von Fernsehprogrammen w i r d allerdings häufig auch n u r von „Kabelfernsehen" gesprochen: vgl. etwa Lieb, Kabelfernsehen, S. 28, F N 5. 2 Schmitt Glaeser
Einleitung
18
werden kann, muß zunächst Klarheit darüber geschaffen werden, was es m i t dem Modellversuch bzw. dem Münchner Pilotprojekt auf sich hat. Es w i r d sich allerdings erweisen, daß das allgemeine Problem der öffentlich-rechtlichen Struktur des deutschen Rundfunkwesens und die Zulassung privatrechtlicher Veranstalter, von dem m i t Recht gesagt wird, daß es gegenwärtig wohl zu den umstrittensten Fragen des Rundfunkrechts gehöre 2 , nicht ausgespart bleiben kann und die notwendige Basis aller spezieller Überlegungen zur Lage des Modellversuchs darstellt. Die derzeitige Organisationsstruktur des Rundfunkwesens ist eine rechtliche und faktische Gegebenheit, aus der die Modellversuche bzw. das Münchner Pilotprojekt gleichsam herauswachsen und ohne deren prinzipielle Berücksichtigung eine gründliche Beurteilung des Pilotprojekts nicht möglich wäre. Daher müssen auch die allgemeinen Probleme der Struktur des deutschen Rundfunkwesens i n den Grundzügen und soweit sie für das Pilotprojekt Bedeutung besitzen, aufbereitet und kritisch gewürdigt werden. Dabei werden allein schon die sehr zahlreichen Literaturäußerungen zu umfangreichen Darlegungen zwingen und sogar insgesamt den nahezu größten Teil der Untersuchungen beanspruchen. B. D e r Telekommunikationsbericht und seine Pilotprojekte
Die Durchführung von Pilotprojekten der Breitbandkabel-Kommunikation wurde von der „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems" (KtK) vorgeschlagen. I h r Bericht — Telekommunikationsbericht — wurde i m Dezember 1975 der Bundesregierung vorgelegt. Die Kommission hatte den Auftrag, Vorschläge für einen wirtschaftlich vernünftigen und gesellschaftlich wünschenswerten Ausbau des Telekommunikationssystems der Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. Der Bericht enthält Feststellungen und Empfehlungen zu diesem umfangreichen Problemfeld, das vom Fernsprechen über alle Formen der Text- und Datenkommunikation bis hin zum Rundfunk reicht. Was die hier interessierende Breitbandkabel-Kommunikation betrifft, so konnte sich die Kommission nicht entschließen, ihre allgemeine Einführung zu empfehlen, w e i l insofern derzeit ein ausgeprägter und dringender Bedarf fehle und neue Inhalte erst der Entwicklung bedürften. Die Kommission hat lediglich die Durchführung von Pilotprojekten (Modellversuchen) vorgeschlagen. Nach Auffassung der Kommission 3 sollen sie grundsätzlich dem Ziel dienen, „die noch offenen 2 Vgl. etwa Stern / Bethge, Rundfunk, S. 15.
öffentlich-rechtlicher
und
privatrechtlicher
19
Telekommunikationsbericht und Pilotprojekte
Fragen des Bedarfs, verschiedene Möglichkeiten seiner Deckung durch bekannte und neue Inhalte, die Akzeptanz und die Nutzungsintensität durch die Teilnehmer sowie die Bereitschaft zur Übernahme von Investitionsausgaben und Preisen für laufende Dienstleistungen zu klären. Darüber hinaus ist die Trägerschaft und die Organisation von Breitbandverteilnetzen Gegenstand der alternativen Prüfung i n Pilotprojekten. Schließlich sind technische Alternativen, insbesondere i n der Gestaltung des Rückkanals, i m Verlauf des Pilotprojekts zu variieren." I . Die gesellschaftspolitische Bedeutung und die Frage des Bedarfs
Die Kommission geht davon aus, daß ein „bedarfsgerechter weiterer Ausbau der Versorgung m i t Rundfunk und anderen Telekommunikationsformen i n Breitbandverteilnetzen m i t Rückkanal . . . gesellschaftlich positiv zu bewerten" ist 4 . Diese Feststellung beruht i m wesentlichen auf folgenden legungen 6 :
Über-
„Ebenso wie die Presse erfüllen H ö r f u n k u n d Fernsehen eine entscheidende gesellschaftspolitische F u n k t i o n i n der demokratischen Gesellschaft, indem sie f ü r die Transparenz der politischen, gesellschaftlichen u n d wirtschaftlichen U m w e l t des Bürgers sorgen. Das dezentralisierte Rundfunksystem ist gesellschaftspolitisch ebenso erwünscht w i e die publizistische Vielfalt der Presse. Zusätzliche Kommunikationsinhalte können den Zugang zu K u l t u r u n d Bildung, zur gesundheitlichen A u f k l ä r u n g u n d zur Information über Freizeitmöglichkeiten öffnen, u n d zwar unabhängig davon, ob diese Telekommunikationsformen Rundfunk oder zusätzliche Nutzungsformen des Breitbandverteilnetzes sind. Solche Angebote sind durchaus geeignet, den Informationsgrad des einzelnen Bürgers zu erhöhen. Dies g i l t insbesondere für Behinderte, K r a n k e u n d alte Personen . . . Diese sozialen Prädikate gelten nicht n u r für Rundfunkprogramme, sondern auch für Informationsabruf u n d Dialog m i t der Zentrale und schließlich für die Informationserfassung."
Die von der K t K bei der vorstehenden Feststellung® vorgenommene Einschränkung liegt darin, daß der Ausbau bedarfsgerecht sein sollte. Würde sich nämlich herausstellen, daß ein Bedarf fehlt, so müßte der Ausbau zu Lasten der Allgemeinheit und damit zu Lasten der öffentlichen Haushalte geschehen. „Die Kommission" — so heißt es i n dem Bericht 6 — „konnte jedoch den Grad des gesellschaftlich Erwünschten nicht so hoch einstufen, daß eine Versorgung der Bevölkerung m i t zusätzlichen Breitband-Angeboten auch ohne kaufkräftige Nachfrage gerechtfertigt erscheint". Weil die Kommission nun einerseits einen 3 4 5 β 2*
KtK-Telekommunikationsbericht, KtK-Telekommunikationsbericht, KtK-Telekommunikationsbericht, KtK-Telekommunikationsbericht,
S. 123. S. 118/F 48. S. 117 f. S. 118/F 48.
20
Einleitung
entsprechenden Bedarf gegenwärtig nicht feststellen konnte, andererseits aber mehrere — wenn auch noch wenig ausgeprägte — Hinweise für ein zukünftiges Anwachsen des Bedarfs bzw. für die Möglichkeit seiner Weckung durch heute noch unbekannte Telekommunikationsformen ausmachte, hält sie eine völlige Untätigkeit ebenfalls für ausgeschlossen und sie empfiehlt daher zunächst die Durchführung von Pilotprojekten (Modellversuche) mit Breitband-Kabelsystemen 7. I I . Die technischen Zukunftsperspektiven
Der gleichsam „technische" Hintergrund gerade auch des Pilotprojekts insbesondere i m Hinblick auf noch unbekannte Telekommunikationsformen w i r d von der K t K i n Kapitel 5 („Das aktuelle Problemfeld") beschrieben. Die derzeitige Situation sei durch „eine derartige Beschleunigung i m technischen Fortschritt charakterisiert, daß praktisch Innovationssprünge auftreten, die wesentliche Weichenstellungen verlangen". Hingewiesen w i r d 8 — auf die rasche Entwicklung der Mikroelektronik, die i n der Nachrichtentechnik die wirtschaftliche Ausbildung erweiterter oder neuer Telekommunikationsformen ermöglicht ; — auf die optische Nachrichtentechnik, die die Übertragung großer Informationsmengen über Lichtleiter (Glasfasern) erlauben w i r d ; — auf die Entwicklungsimpulse, die von der Kabeltechnik und von der Rundfunkempfangstechnik ausgehen; — auf die Möglichkeit, Breitbandverteilsysteme m i t einem sog. Rückkanal auszustatten, der die Übertragung von Informationen vom Teilnehmer zur Zentrale gestattet. I I I . Gegenstand und Formen der Telekommunikation
Wenn die Pilotprojekte auf Breitband-Kabelsysteme bezogen werden, so geht es hierbei um Telekommunikationsformen i n BreitbandVerteilnetzen. Modellversuche m i t Breitbandvermittlungsnetzen hat die K t K nicht empfohlen 9 . Sie hat sich lediglich dafür ausgesprochen, die „Forschung, Entwicklung und Erprobung neuer Technologien zur Übertragung und Vermittlung von Breitbandsignalen, einschließlich der erforderlichen Endgeräte" intensiv zu fördern 1 0 . 7 KtK-Telekommunikationsbericht, β KtK-Telekommunikationsbericht, » KtK-Telekommunikationsbericht, io KtK-Telekommunikationsbericht,
S. 118 f./E 9. S. 49 ff. S. 127 ff. S. 133/E 17.
Telekommunikationsbericht und Pilotprojekte
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Bei den Breitbandverteilnetzen, die Gegenstand der Modellversuche sein sollen, geht es u m neu zu schaffende oder aus den Gemeinschaftsantennenanlagen heraus weiterzuentwickelnde Breitbandkabelnetze m i t Baumstruktur. Zur Ergänzung sind Fernseh-Rundfunksatelliten, das terrestrische Rundstrahlfernsehen i m Zwölf-GHz-Bereich und audiovisuelle Speicherverfahren i n die Betrachtung einzubeziehen 11 . M i t ein Grund für die Empfehlung der Pilotprojekte war offensichtlich die Tatsache, daß die Zahl der bereits bestehenden Gemeinschaftsantennenanlagen und der von ihnen versorgten Wohneinheiten relativ groß ist. Mitte 1975 gab es bereits 5 500 Gemeinschaftsantennenanlagen m i t mehr als 100 Anschlüssen. Davon haben cirka 90 Anlagen eine Kapazität von mehr als 1 000 Wohneinheiten. Weniger als 10 °/o dieser großen Anlagen versorgten zu diesem Zeitpunkt mehr als 10 000 Wohneinheiten 12 . Bei dieser Sachlage ist die Feststellung überzeugend, daß sich auch „ohne zusätzliche kommunikationspolitische Impulse . . . der Rundfunkempfang m i t Hilfe der Gemeinschaftsantennenanlagen weiter verbreiten" w i r d und es einer Standardisierung des Kabelnetzes und der Anschlüsse bedarf, u m einen möglichen künftigen Zusammenschluß zu überregionalen Kabelnetzen nicht auszuschließen 13 . Den „gravierenden Entwicklungsimpuls" sieht die Kommission jedoch nicht i n der Rundfunkempfangstechnik: „ E r w i r d vielmehr dadurch ausgelöst, daß die Breitband-Kabelverteilsysteme eine Kapazität besitzen, die von den zur Zeit drahtlos empfangbaren Rundfunkprogrammen allein nicht ausgelastet wird. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, aus bestehenden oder neu errichteten Gemeinschaftsantennenanlagen durch Einspeisung zusätzlicher Rundfunkprogramme echte Kabelfernsehsysteme zu entwickeln 1 4 ." Die Kommission geht von folgender Definition aus: „Kabelfernsehen bedeutet die Verteilung von Rundfunkprogrammen (Fernsehen u n d Hörfunk) über Kabelsysteme, i n denen neben den ortsüblich empfangbaren Programmen weitere am Ort drahtlos normalerweise nicht empfangbare — oder neue — Programme übertragen w e r d e n 1 5 . "
Z u den weiteren am Ort normalerweise nicht empfangbaren Programmen bzw. zu den neuen Programmen gehören „einmal die Programme weiter entfernter Rundfunkanstalten, aber auch die (ortsüblich n KtK-Telekommunikationsbericht, S. 106. 12 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 47 f.; vgl. auch Anlageband 7 zum KtK-Telekommunikationsbericht („Organisation von Breitbandverteilnetzen"), S. 16 ff. ι» KtK-Telekommunikationsbericht, S. 106/F 35. 14 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 107. is KtK-Telekommunikationsbericht, S. 107/F 36.
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Einleitung
oder nicht ortsüblich) empfangbaren vorhandenen Programme, die zeitversetzt, wiederholt oder geändert übertragen werden, sowie die ζ. B. lokal oder regional neu hergestellten Programme, die i n die Anlage eingespeist werden. Unter rundfunkrechtlichem Aspekt bietet sich statt des Begriffs Kabelfernsehen der umfassendere Ausdruck Kabelrundfunk an 1 4 ." Wichtig ist, daß — wie die Kommission feststellt — bei der Errichtung neuer Breitband-Kabelverteilernetze von vornherein die technische Möglichkeit eines Rückkanals vom Teilnehmer zur Kabelrundfunk-Zentrale berücksichtigt werden kann. Das Netz w i r d damit in beiden Richtungen nutzbar („Interaktives Fernsehen"). Dadurch ergeben sich nach Ansicht der Kommission folgende Telekommunikationsformen: „Breitbandverteilnetze m i t Rückkanal erlauben die Informationsverteilung, den Informationsabruf, die Informationserfassung und einen begrenzten Dialog zwischen Teilnehmer und Zentrale 1®." Die Informationsverteilung w i r d i n dem Bericht i n diesem Zusammenhang nicht analysiert 17 . Ob i n diesen Bereich auch die Textübertragungssysteme, z.B. Videotext 1 8 , die Faksimile-Zeitung 1 9 und Spezialangebote (Sportberichte, Verkehrsinformationen, Straßenzustandsberichte, Veranstaltungskalender etc.) gehören, w i r d noch zu prüfen sein. Z u den i m übrigen angesprochenen Telekommunikationsformen stellt die Kommission einschränkend fest, daß sich i n den zur Zeit konzipierten Systemen der Rückkanal lediglich zur schmalbandigen (die Übertragung von Bewegtbildern ausschließenden) Telekommunikation eigne. Damit sei die aktive Kommunikationsrolle des Teilnehmers auf die Aufgabe von Ton-, Text- und Datensignalen begrenzt. Allenfalls lasse sich eine technische Möglichkeit vorsehen, daß einige wenige Teilnehmerendeinrichtungen zur Abgabe von Bewegtbildernachrichten (Dezentralisiertes Studio) benutzt werden können. I n dem Bericht der K t K heißt es dann weiter 2 0 : „ I m m e r h i n ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, zusätzliche Telekommunikationsformen zu entwickeln, die über das Kabelfernsehen hinausgehen. Während i m reinen Verteilsystem die Zentrale bestimmt, welche Inhalte über die Kanäle verbreitet werden u n d die Teilnehmer lediglich aus dem so fixierten Inhaltsangebot auswählen können, eröffnen Abrufsysteme dem einzelnen Teilnehmer i n gewissem Maß Beteiligungs- u n d ZugriffsKtK-Telekommunikationsbericht, S. 108/F 38. Insofern k a n n auf Anlageband 7 zum KtK-Telekommunikationsbericht („Organisation von Breitbandverteilnetzen"), S. 52 ff., verwiesen werden. Dazu KtK-Telekommunikationsbericht, S. 101 f. 19 Dazu KtK-Telekommunikationsbericht, S. 100 f. 20 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 108 f. 17
Telekommunikationsbericht u n d Pilotprojekte
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möglichkeiten i m Hinblick auf die Informationsinhalte. Die M i t w i r k u n g der Teilnehmer reicht von der beurteilenden Reaktion auf eine laufende Sendung bis h i n zum aktiven Zugriff auf einen Programmspeicher . . . Die I n f o r mationsinhalte müssen nicht Rundfunkprogramme i m heute üblichen Sinne sein, sondern können Inhalte von Bibliotheken, Bildbanken u n d Datenbanken sein. Sofern das Breitbandverteilnetz — i n umgekehrter Richtung — als I n f o r mationserfassungssystem genutzt w i r d , können die verschiedenen Formen des Fernwirkens u n d des Fernerfassens von (schmalbandigen) Ton-, T e x t und Datensignalen v e r w i r k l i c h t werden. Das System k a n n der bürgernahen Verwaltung, dem N o t - u n d Unfalldienst sowie der dezentralen M i t w i r k u n g an Willensbildungsprozessen nutzbar gemacht werden. Die Nutzungsformen i m einzelnen sind i n der Realität noch nicht hinreichend ausgeprägt u n d erprobt. Der Dialog zwischen dem Teilnehmer u n d der Zentrale f ü h r t zur Benutzung der Kanäle i n beiden Richtungen. Es handelt sich u m ein k o m munikatives Wechselspiel des Fragens u n d Antwortens. Entsprechende Endeinrichtungen beim Teilnehmer u n d rechnergestützte zentrale Einrichtungen i n der Kabelfernseh-Zentrale ergänzen die Möglichkeiten des Netzes u n d sind auf die Nutzungsformen zuzuschneiden. Der Teilnehmer kann aus der Rolle des passiven Konsumenten verteilter Informationen heraustreten u n d i n einem Dialogprozeß kommunizieren. Beispiele für diese Nutzungsform von Breitbandverteilnetzen sind Auskünfte, Lehrprogramme, Gesundheitsberatung, Reservierungen u n d Warenbestellungen . . . Auch m i t Bezug auf Dialoge gilt die Aussage, daß die praktischen Nutzungsformen bisher weder profiliert noch erprobt sind." D e r B e r i c h t g e h t auch noch k u r z a u f die v o r a l l e m i n d e n U S A t e i l weise b e r e i t s p r a k t i z i e r t e N u t z u n g s f o r m v o n B r e i t b a n d v e r t e i l n e t z e n ein, die u n t e r d e n B e g r i f f e n A b o n n e n t e n - oder M ü n z f e r n s e h e n ( P a y - T V ) b e k a n n t g e w o r d e n i s t 2 1 . A u ß e r d e m w e r d e n die b e r e i t s oben als E r g ä n zung zu den Breitband-Kabelverteilnetzen erwähnten Fernseh-Rundf u n k s a t e l l i t e n 2 2 , das terrestrische R u n d s t r a h l f e r n s e h e n 2 3 u n d die a u d i o v i s u e l l e n S p e i c h e r v e r f a h r e n 2 4 beschrieben. I V . Organisationsform Z u r F r a g e der O r g a n i s a t i o n u n d z u d e n R a h m e n b e d i n g u n g e n f ü r z u k ü n f t i g e B r e i t b a n d v e r t e i l n e t z e s t e l l t die K o m m i s s i o n e i n l e i t e n d f e s t 2 5 : „Obgleich die vorstehende Empfehlung der Kommission zunächst nicht vorsieht, daß eine bundesweite Verkabelung zu einem Breitbandverteilnetz erfolgt, muß doch bereits heute die grundsätzliche Frage nach der Träger21
KtK-Telekommunikationsbericht, KtK-Telekommunikationsbericht, 2 3 KtK-Telekommunikationsbericht, 24 KtK-Telekommunikationsbericht, 2 5 KtK-Telekommunikationsbericht, 22
S. 109. S. 111 f. S. 112. S. 113 f. S. 119.
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Einleitung
schaft, der organisatorischen Strukturierung und den rechtlichen Rahmenbedingungen gestellt werden. Denn die empfohlenen Pilotprojekte könnten i m Falle eines positiven Experimentierergebnisses weitere Teilverkabelungen nach sich ziehen u n d schließlich i n ein bundesweites Netz münden. Deshalb muß von vornherein beachtet werden, welche Organisation von Breitbandverteilnetzen empfehlenswert ist."
Die Kommission sieht aber keine Möglichkeit, die Probleme i n den von i h r angedeuteten Dimensionen uneingeschränkt zu behandeln. Dies gilt vornehmlich für die Frage der rechtlichen Rahmenbedingungen. „Die Kommission" — so heißt es i n dem Bericht 2® — „ist sich bewußt, daß sie sich i n ihren Feststellungen und Empfehlungen gegenüber medienpolitischen Fragen Zurückhaltung aufzuerlegen hat. Denn verfassungsrechtlich liegt die Gesetzgebungskompetenz i m medienpolitischen Bereich bei den Ländern, soweit keine spezielle Bundeskompetenz begründet ist . . . Da die Kommission von der Bundesregierung eingesetzt ist und die Länder lediglich durch zwei Kommissionsmitglieder (sowie durch zwei ständige Vertreter und weitere sechs Sachverständige) vertreten sind, liegt das Schwergewicht der Kommissionsarbeit auf der Seite der Netzkompetenz." Feststellungen und Empfehlungen beschränken sich daher auch i m wesentlichen auf Fragen der Breitbandverteilnetze. Vorgeschlagen w i r d die Trennung von Netz- und Programmverantwortung i m Sinne einer Netzneutralität 2 7 sowie die Erarbeitung eines technischen Rahmenplans für ein bundesweites Breitbandverteilnetz, u m sicherzustellen, daß alle entstehenden Teil- und Versuchsnetze i n Richtung auf ein gemeinsames, kompatibles, die zukünftige technoökonomische Entwicklung förderndes Netz errichtet werden 2 8 . I m Hinblick auf die spezifische Situation der Durchführung von Pilotprojekten w i r d auf hohe Flexibilität u n d auf möglichst breit angelegte Experimentiermöglichkeiten Wert gelegt. Dementsprechend soll die Frage der Netzträgerschaft pluralistisch gelöst werden. Die entschiedene Mehrheit der Kommission stellt darauf ab, „den Innovationsprozeß durch i n Konkurrenz stehende unterschiedliche Netzträger zu fördern und damit außerdem die wirtschaftlichste Organisationsform zu finden". Für die Einbeziehung privater und kommunaler Träger spricht nach Ansicht der Kommission auch die Tatsache, „daß von diesen Seiten her die Initiative zum Errichten und Betreiben von Breitbandverteilnetzen i n Form von Gemeinschaftsantennenanlagen entfaltet wurde" 2 9 . Als Netzträger werden vorgesehen die Deutsche Bundespost, Gemeinden bzw. deren Eigenbetriebe und Privatunternehmungen 2 9 . 2β KtK-Telekommunikationsbericht, S. 120 f. 27 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 119 f./E 10. 28 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 122/E 11.
Telekommunikationsbericht und Pilotprojekte
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Sorgen bereitet der Kommission eine befürchtete Nichtausnutzung technischer Möglichkeiten. Zutreffend erscheint die Annahme, „daß ein Bedarf des Teilnehmers i m Sinne einer kaufkräftigen Nachfrage nur dann entstehen wird, wenn die Nutzungsinhalte wesentlich über die zur Zeit drahtlos empfangbaren Rundfunkprogramme hinausgehen" 30 . Eine wesentliche Vermehrung dieser Programme läßt sich allein durch zusätzliche Einspeisung von allen i n der Bundesrepublik ausgestrahlten Dritten Programmen nicht erreichen. Weitere Programme aber sind nicht i n Sicht. Die Kommission stellt fest: „Der augenblickliche Stand der Diskussion läßt nur wenige zusätzliche Nutzungsinhalte erkennen, die geeignet wären, Breitbandverteilnetze attraktiv werden zu lassen und kostendeckende Preise zu erreichen: Rundfunkprogramme m i t lokalem und kommunalem Bezug, Videotext, Video-Einzelbild sowie einige Formen des Fernmessens (z.B. des Energieverbrauchs) 30 ." Angesichts dieser Sachlage lockert die Kommission ihre gerade in Rechtsfragen i m Hinblick auf die Länderkompetenzen geübte Zurückhaltung: „Die Pilotprojekte sollen also einerseits die Akzeptanz und das Nutzungsverhalten der Teilnehmer testen; andererseits jedoch auch neuartige Nutzungsinhalte erschließen. I m Rahmen der zeitlich (auf etwa fünf Jahre) begrenzten Pilotprojekte sollen rechtliche Wege gefunden werden, die zur Klärung der Realisierungsfähigkeit und Ertragsfähigkeit neuer Telekommunikationsformen beitragen. Nach Vorliegen dieser Ergebnisse — jedenfalls vor einer Gesamtverkabelung des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland — ist die rechtliche Situation allerdings durch entsprechende politische Entscheidungen möglichst eindeutig zu klären. Die notwendigen Grundsatzentscheidungen sind m i t allen Beteiligten, insbesondere m i t den Ländern und den Gemeinden abzustimmen 31 ." Trotz der auferlegten medienpolitischen Zurückhaltung fühle sich — wie es i n dem Bericht weiter heißt — die Kommission zu diesen Aussagen veranlaßt, „ w e i l das Schicksal der Vorschläge zum Netzbereich nicht unabhängig vom A n gebot und wirtschaftlichen Erfolg neuartiger Nutzungsinhalte ist. Es w i r d sich kein Träger für das Errichten und Betreiben von Breitbandverteilnetzen finden lassen, wenn er befürchten muß, über die Lösung von Abschattungsproblemen hinaus kaum einen Nutzen erzielen zu können. Es wäre auch kaum zu verantworten, wenn die Kommission eine Erhöhung der Anzahl von Breitbandverteilkanälen vorschlagen 2» KtK-Telekommunikationsbericht, S. 123. so KtK-Telekommunikationsbericht, S. 124. 3* KtK-Telekommunikationsbericht, S. 124 f.
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Einleitung
wollte und dabei unterstellte, keine medienpolitische Wirkung ausgelöst zu haben 32 ." Das ist i m übrigen nicht der einzige Hinweis der Kommission auf die Notwendigkeit eines reichhaltigen Programmangebotes verbunden m i t der mehr oder minder deutlichen Anregung, die Rechtslage in den Ländern zu überdenken. Weitere Hinweise finden sich unter verschiedenen Perspektiven an mehreren Stellen des Berichts 33 . Dahinter steht natürlich die Frage nach der Inhaltsverantwortung Privater, auch von Presseunternehmen 34 , denn es geht um nichts anderes als um attraktive Vielfältigkeit, die erfahrungsgemäß nur der freie M a r k t privater Konkurrenzen zu liefern vermag. Tatsächlich w i r d allein die Zulassung Privater als Programmgestalter genügend und genügend attraktive Programme auf die letzten Endes vorgesehene Verteilkapazität der Kabel von maximal dreißig Kanälen mit Fernsehbandbreite 35 bringen können. V. Zahl der Pilotprojekte
Der KtK-Telekommunikationsbericht geht davon aus, daß drei bis vier Pilotprojekte durchgeführt werden müssen, um die notwendige Grundlage für die nach Durchführung der Versuche anstehenden Entscheidungen verfügbar zu haben. Gerade i m Hinblick auf die Pilotprojekte der Breitbandkabel-Kommunikation betont die Kommission, „daß durch solche Testmaßnahmen nicht die zukünftige Entwicklung vorweggenommen werden soll, sondern die notwendigen Informationen und Einsichten geschaffen werden, die später die Grundlage von weiterreichenden Entscheidungen sein werden" 3 6 . I n ihrer Sitzung vom 11. Mai 1978 haben sich die Ministerpräsidenten der Länder auf die Durchführung von vier Pilotprojekten i m Sinne des KtK-Telekommunikationsberichts geeinigt. Der Beschluß hat folgenden Wortlaut: 32 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 125. 33 KtK-Telekommunikationsbericht, etwa S. 1191: „ . . . Die genannten Rechtsgrundlagen (Rundfunkgesetze, F AG, Τ WG) bedürfen jedoch i m H i n blick auf die Ausweitung der Kommunikationsformen der Überprüfung u n d Weiterentwicklung . . . " ; S. 121: „ . . . die Erhöhung der Anzahl von Breitband verteilkanälen w i r k t . . . anregend und legt politische Entscheidungen der Länder nahe." Vgl. auch S. 122/E 52. 34 Dazu vor allem KtK-Telekommunikationsbericht, S. 121 f. 35 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 122/E 11. E i n Fernsehkanal entspricht dreihundert Hörfunkkanälen: Anlageband 7 zum K t K - T e l e k o m m u nikationsbericht („Organisation von Breitbandverteilnetzen"), S. 39. 36 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 137.
Insbesondere: Das M ü n c h n e r
Pilotprojekt
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„Die Länder der Bundesrepublik Deutschland betrachten die einheitliche Grundstruktur des Rundfunkwesens i n der Bundesrepublik Deutschland als ein wertvolles Gut. Die Ministerpräsidenten setzen daher ihre diesbezüglichen bisherigen Bemühungen fort, indem sie einen befristeten Versuch m i t B r e i t bandkabel i m Sinne des Berichts der Kommission f ü r den Ausbau des technischen Kommunikationssystems durchführen u n d auswerten. Sie bringen i n die Verhandlungen m i t dem B u n d vier Projekte m i t den Standorten Berlin, Ludwigshafen-Mannheim, Nordrhein-Westfalen (Köln oder Wuppertal; neuerdings ist Dortmund als Standort vorgesehen) u n d München ein. A n der Durchführung der Pilotprojekte sind Rundfunkanstalten, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und eine öffentlich-rechtliche Anstalt beteiligt, wobei auch private Veranstalter bei der Erprobung der ,neuen Medien* auf der Grundlage des von Rheinland-Pfalz m i t Schreiben v o m 24. A p r i l 1978 übermittelten Modells für ein Kabelfernseh-Pilotprojekt i n privater Programmträgerschaft (Stand: 12. A p r i l 1978) i n der geänderten Fassung v o m 5. M a i 1978 zugelassen werden. Die Ministerpräsidenten bekräftigen ihre Auffassung, daß auch die Netzträgerschaft i n Pilotprojekten alternativ getestet werden sollte. Die Ministerpräsidenten stimmen überein, daß während der Versuchsphase weitere Pilotprojekte n u r i n den genannten Organisationsformen durchgeführt werden sollen. Die Ministerpräsidenten beauftragen die Chefs der Staats- und Senatskanzleien, die weiteren Entscheidungen über die Durchführung der P i l o t projekte, insbesondere über die Frage der Programminhalte u n d der gesamten Finanzierung (Programm u n d Technologie) einschließlich der rechtlichen Zulässigkeit u n d Zweckmäßigkeit der Mitfinanzierung solcher Projekte aus dem Rundfunkgebührenaufkommen vorzubereiten. Die Chefs der Staats- u n d Senatskanzleien der Länder, die Pilotprojekte durchführen, werden beauftragt, m i t dem B u n d die erforderlichen Verhandlungen zu führen." C. Insbesondere: Das Münchner Pilotprojekt Die Überlegungen zum Pilotprojekt i n München sind noch nicht w e i t gediehen. I h r d e r z e i t i g e r S t a n d ( D e n k m o d e l l ) e r g i b t sich aus e i n e m Schreiben des B a y e r i s c h e n M i n i s t e r p r ä s i d e n t e n a n d e n P r ä s i d e n t e n des B a y e r i s c h e n L a n d t a g s v o m 8. J u n i 1978 ( N r . A I I 6 — 45065 — 2 — 295 a), i n d e m es u. a. h e i ß t : „a)
Versuchszweck
Das K a b e l f e r n s e h e n soll d a r a u f h i n u n t e r s u c h t w e r d e n , I n s t r u m e n t a r i u m g e f ü h r t w e r d e n k a n n , das n i c h t n u r unser heutiges R u n d f u n k p r o g r a m m a u f g e n o m m e n w i r d , den Teilnehmer kreativitätsanregend, individualisierend nikationsfördernd w i r k t .
ob es als e i n rezeptiv w i e sondern a u f und kommu-
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Einleitung
aa) I n einem wesentlich stärkeren Maße als bisher sollen die vielfältigen Möglichkeiten programmlicher Gestaltung zum Tragen kommen. Aus diesem Grund sollen möglichst alle ernst zu nehmenden Interessenten an dem Versuch teilnehmen können. Dabei sollte Vorsorge getroffen werden, daß k u l t u r - und gesellschaftspolitische Veranstaltungen den ihnen angemessenen Raum einnehmen können. bb) Einer Vermassung des Angebots soll dadurch entgegengewirkt werden, daß dem Teilnehmer eine reiche Vielfalt an Spezialprogrammen angeboten wird, aus dem er für sein individuelles Bedürfnis selbsttätig und kritisch auswählen kann. cc) Es soll untersucht werden, ob der Teilnehmer, durch besondere Angebote auf allen denkbaren Gebieten angeregt, mittels eines Rückkanals auch zur Nutzung von Dialogmöglichkeiten geführt werden kann. b) Finanzielle
Beteiligung
der Teilnehmer
Da auch Kabelkommunikationsnetze sich dereinst wirtschaftlich selbst tragen müssen und die Kosten entscheidend von der Vielfalt und Ausgestaltung der angebotenen Nutzungsinhalte (Dienste) abhängen, ist es sinnvoll, zunächst i n einem zeitlich und räumlich begrenzten Rahmen einen repräsentativen Publikumsquerschnitt nach „Bedarf und Bedürfnis" zu fragen. M i t der K t K w i r d dabei unter Bedürfnis der allgemeine Wunsch des Publikums nach bestimmten Kommunikationsdiensten ohne Rücksicht auf konkrete Realisierungen und Kosten verstanden, während Bedarf das Bedürfnis m i t kaufkräftiger Nachfrage, m i t Finanzierungsbereitschaft des Publikums ist. Unerläßlich ist daher, daß der Teilnehmer die zusätzlichen Dienste des Pilotprojekts i n der Regel nur entgeltlich i n Anspruch nehmen kann, da nur daraus letztlich auf eine dauerhafte Akzeptanz geschlossen werden kann; die technische Einrichtung des Rückkanals ermöglicht dabei sogar die Zuordnung des Entgelts zu den i m einzelnen i n Anspruch genommenen Teilen des Gesamtangebots. Andererseits soll der Teilnehmer am Pilotprojekt nur testgerecht finanziell belastet werden; d.h. die verhältnismäßig wenigen Teilnehmer können und sollen nicht kostendeckend Entgelte entrichten müssen, sondern nur solche Gebühren, die bei einer künftigen allgemeineren Entwicklung von einem ungleich größeren Publikum verlangt werden müßten, um den dann entstehenden, hochrechenbaren Aufwand zu decken.
Insbesondere: Das M ü n c h n e r
c) Beauftragung
Pilotprojekt
29
des Bayerischen Rundfunks
Für Bayern besteht i n A r t . I l l a B V hinsichtlich des Rundfunkwesens eine Sonderregelung, wonach Rundfunk nur i n öffentlicher Verantwortung und öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben werden kann. Die Organisation privaten Rundfunks scheidet daher hier schon aus verfassungsrechtlichen Gründen aus. Das Pilotprojekt stellt gerade i n seiner Anfangsphase für die öffentliche Hand bzw. die A l l gemeinheit besonders hohe Anforderungen i n finanzieller Hinsicht. Dazu kommt die Schwierigkeit, geeignetes und erfahrenes Personal schon für die Vorbereitung und den Beginn des Betriebs zur Verfügung zu haben, das außerdem nur auf Zeit (Dauer des Versuchs) eingestellt werden kann. Auch aus finanziellen und zeitlichen Gründen ist beabsichtigt, die Trägerschaft für das i n München anzusiedelnde Pilotprojekt dem Bayerischen Rundfunk zu übertragen, der über erfahrenes Personal, umfangreiches Material einschließlich Leistungsschutz und Urheberrechte und ein technisches Potential verfügt. Auch das ZDF soll i n geeigneter Weise an dem Pilotprojekt beteiligt werden. Die Gespräche darüber sind i m Gang. Das ZDF w i l l seine Vorstellungen indes erst noch bekanntgeben. d) Beteiligung
von anderen Programmveranstaltern
Dies kann und darf jedoch nicht bedeuten, daß der Bayerische Rundfunk selbst das gesamte Programmangebot des Projekts herstellt. Es gehört vielmehr auch zu den Aufgaben des Projekts, die Zusammenarbeit eines öffentlich-rechtlichen Trägers m i t anderen Einrichtungen und Unternehmen zur Bereitstellung bestimmter, dafür geeigneter Programme und Dienste zu erproben, soweit diese es wünschen. Schließlich soll anderen potentiellen Programmveranstaltern i m verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen die Möglichkeit geboten werden zu erproben, i n welcher Weise sie selbst zur Herstellung eines Programmes i n der Lage sind und dieses vom Publikum angenommen wird. So ist beabsichtigt, insbesondere den Kabeltext zeitungs- und zeitschriftenspezifischen Inhalts ins Programm aufzunehmen. Vorverhandlungen m i t den Verbänden der bayerischen Zeitungs- und Zeitschriftenverleger sind angelaufen. Damit soll dem Anliegen der Presse auf angemessene Beteiligung an der Kabelkommunikation, soweit verfassungsrechtlich möglich, entsprochen werden. Der Selbstdarstellung gesellschaftlich relevanter Gruppen und Einrichtungen soll i n zusätzlich zu produzierenden lokalen Testprogrammen von Hörfunk und Fernsehen ein besonderer Raum geboten wer-
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Einleitung
den, sei es durch Integration entsprechender Sendungen in das allgemeine Programmschema, sei es durch das Angebot eines offenen Kanals für Jedermann', der sich der vorgehaltenen Technik i m Rahmen der Verfassung und des Rundfunkgesetzes bedienen w i l l . Welche dieser Alternativlösungen längerfristig dann gewählt wird, muß auch dem Maß des feststellbaren Interesses vorbehalten bleiben; gegebenenfalls können diese Alternativen auch additiv geboten werden, wenn ein entsprechend breites und nachhaltiges Interesse besteht. I n besonderem Maße sollen lokale Aktivitäten jeglicher A r t i n die zusätzlichen Programme und sonstigen Dienste i n geeigneter Weise eingebunden werden. Dies gilt für private Unternehmungen ebenso wie für kommunale und staatliche Einrichtungen (private Produzenten, Theater, Museen, Orchester, Volkshochschule, Schulen, Hochschulen, Akademien). Es w i r d noch zu prüfen sein, ob Gegenstand des Tests auch eine Untersuchung der W i r k u n g von Werbung auf andere Medien sein kann. Gegebenenfalls w i r d es sich anbieten, die lokale Presse an der Gestaltung des Tests angemessen zu beteiligen. e) Projektkommission Da die Breitband-Kabelkommunikation zunächst i n Pilotprojekten (Modellversuchen) erprobt werden soll, sind Vorkehrungen zu treffen, um aus dem Versuchsbetrieb wissenschaftliche und praktische Aussagen zu gewinnen, die bei der späteren politischen Entscheidung, ob und wie Breitband-Kabelkommunikation genutzt werden soll, die erforderlichen Unterlagen bieten. Die Zielsetzung und Gestaltung der Pilotprojekte ist Gegenstand politischer Entscheidungen der Länder (Verantwortung für die Organisation des Rundfunks, für K u l t u r und Bildung) und des Bundes (Verantwortung für die technische Ausgestaltung des Kommunikationsnetzes, konkurrierend zu den Ländern auch Verantwortung für das Recht der Wirtschaft). Die Ausgestaltung des Pilotprojekts sollte auch nach Vorlage der endgültigen Konzeption nicht während der gesamten Laufzeit festgelegt bleiben, sondern sich während der Erprobungszeit verändern und entwickeln. Die Breitbandkabelnetze und ihre Nutzung könnten also während der Durchführung der Pilotprojekte auch i n anderen Alternativen genutzt werden. Zu Beginn können sich weder die privaten Haushaltungen noch der Rundfunk, die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung hinreichend klar vorstellen, welcher Gebrauch von
Insbesondere: Das M ü n c h n e r
Pilotprojekt
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den neuen Kommunikationschancen insgesamt gemacht werden wird. Das Modell dient auch dem Zweck, Möglichkeiten und Grenzen der Bedarfsweckung zu erkunden. Dazu muß das Pilotprojekt je nach dem sich ergebenden Bedarf fortschreitend geändert werden können. Dies entspricht auch dem Vorschlag der K t K , die als Aufgabe der Pilotprojekte vor allem die Ermittlung des Bedarfs i m Sinne der Akzeptanz des Kommunikationsangebots vorgesehen hat. Es ist daher daran gedacht, für die Laufzeit des Pilotprojektes eine Projektkommission einzurichten, die aufgrund begleitender Untersuchungen den Beteiligten Anregungen geben und Wünsche der Länder oder des Bundes hinsichtlich der Ausgestaltung des Versuchs i n geeigneter Weise erörtern kann. Die Projektkommission soll aus Fachleuten gebildet und i m Interesse ihrer Arbeitsfähigkeit so klein wie möglich gehalten werden. Versorgungsgebiet Nach den Vorstellungen der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK) sollen i n das Pilotprojekt etwa 10 000 Privathaushalte einbezogen werden. Nach Ansicht der Kommission sind die Standorte so zu wählen, daß die Einbeziehung aller zu einem repräsentativen Querschnitt gehörenden Bevölkerungsgruppen gewährleistet ist. Dabei sollte insbesondere auf folgende Kriterien geachtet werden: Soziale Schichtung, Einkommen, Alter, Siedlungsstruktur (Einbeziehung von A l t - und Neubaugebieten). Für die Bestimmung eines Versorgungsgebietes i n München nach Größe und geographischer Lage wurden dabei folgende Voraussetzungen überlegt: — Einbeziehung aller zu einem repräsentativen Querschnitt gehörenden Bevölkerungsgruppen. Die von der K t K genannten Kriterien wurden durch die statistischen Kenngrößen Lebensalterstruktur, Schulbildung, Stellung i m Erwerbsleben und Ausländeranteil präzisiert. — I m Versorgungsgebiet sollten neben den privaten Haushalten auch Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, der sozialen Infrastruktur und der gewerblichen Wirtschaft liegen. — Das Versorgungsgebiet sollte aus zusammenhängen.
finanziellen
Gründen räumlich
— Das Versorgungsgebiet müßte ca. 50 000 Wohneinheiten umfassen, da wegen der ungesicherten Akzeptanz nur von einer geringen
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Einleitung
Anschlußquote (20 °/o) ausgegangen werden kann. Ein Anschlußzwang soll ausgeschlossen sein. Das unter Beachtung dieser Voraussetzungen bisher vorgesehene Versorgungsgebiet umfaßt folgende Teile der Landeshauptstadt München: — Das innerstädtische Altbaugebiet Isarvorstadt-Deutsches Museum (Stadtbezirk 12), i n dem sich u. a. das Deutsche Patentamt, das zukünftige Europäische Patentamt und das Deutsche Museum m i t Kongreßsaal befinden, — den Stadtbezirk 16 (Au) m i t Altbau- und Neubaubereichen, sowie Verwaltung und Wirtschaftsbetrieben, — die südlichen Teile von Haidhausen (Stadtbezirk 14) m i t dichtbebautem Altbaugebiet, die als Sanierungsgebiete i m Sinne des Städtebauförderungsgesetzes erklärt sind; hier w i r d auch das zukünftige Kulturzentrum der Landeshauptstadt errichtet werden, — Teile von Ramersdorf (Stadtbezirk 30) m i t Einfamilienhausbestand, sozialem und freifinanziertem Wohnungsbau sowie Industrie- und Gewerbebetrieben und — Neuperlach (Stadtbezirk 30) als großes zusammenhängendes Neubaugebiet m i t Verwaltungseinrichtungen und Gewerbebetrieben. Das Gebiet umfaßt einen Bereich von etwa 46 000 Haushalten. Es sind alle zu einem repräsentativen Querschnitt gehörenden Bevölkerungsgruppen einbezogen. Bei der Auswahl des Gebietes wurde darauf geachtet, daß die Bevölkerung der Landeshauptstadt München i n repräsentativer Weise erfaßt wird. Dabei wurden insbesondere diejenigen Merkmale herangezogen, die auf möglicherweise unterschiedliches Verhalten der betreffenden Bevölkerungsgruppen i m Bereich Telekommunikation hinweisen. I n dem genannten Gebiet erscheint es möglich, unterschiedliches telekommunikationsspezifisches Verhalten zu testen. Die Struktur der ausgewählten Teilräume für sich entspricht jeweils typischen Gebieten einer Großstadt (Sanierungsgebiet, Neubau- und Mietwohnungen, Villengebiete usw.). Die Sozialstruktur der ausgewählten Teilräume insgesamt stimmt sehr gut m i t der Struktur der Gesamtstadt überein. Auch bezüglich der Bausubstanz und der Wohnformen handelt es sich um eine repräsentative Auswahl für München. g) Kosten Die anfallenden Kosten für die Durchführung des Pilotprojektes Bayern bemessen sich nach Programmumfang und Programminhalt
Zusammenfassung u n d Auswertung
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des Pilotprojekts. Die Frage der Programminhalte der vier vorgesehenen Pilotprojekte ist ebenso wie die Frage der gesamten Finanzierung Gegenstand der weiteren gemeinsamen Entscheidungen der Länder bzw. der Verhandlungen m i t dem Bund. Dabei muß davon ausgegangen werden, daß die vier Pilotprojekte gerade auch wegen der hohen Kosten von allen Ländern und dem Bund gemeinsam getragen werden. Für das Pilotprojekt München hat der Bayerische Rundfunk auf der Grundlage des dargestellten Denkmodells Kostenschätzungen durchgeführt, die je nach Ausgestaltung des Modells und der Anzahl der Kanäle bei den einmaligen technischen Investitionen zwischen ca. 20 Mio. D M bis 40 Mio. D M und bei den jährlichen Programm« und Betriebskosten zwischen ca. 40 und 120 Mio. D M betragen." D . Zusammenfassung und Auswertung I . Die neuen Übertragungskapazitäten
Bei dem Münchener Pilotprojekt m i t Breitbandkabeln geht es, wie auch bei den anderen Modellversuchen, u m eine neue Form der K o m munikationstechnik m i t erheblicher medienpolitischer Bedeutung. I m Gegensatz zum drahtlosen Rund-Funk, der i m Hinblick auf die Ausbreitungsmöglichkeit seiner Ausstrahlungen eigentlich „grenzenlos" ist 3 7 , w i r d die kabelgebundene Telekommunikation nur auf ein begrenztes Gebiet bezogen sein. Dafür unterliegt die Kabelkommunikation i m Gegensatz zum drahtlosen Rundfunk nicht der naturgegebenen Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Frequenzbereiche; sie ist dort tendenziell „grenzenlos", wo es u m die Anzahl paralleler Informationsangebote geht 3 8 . Was die weitere Entwicklung anbetrifft, so werden sich die Verbreitungsmöglichkeiten schnell und wesentlich vermehren. Insofern genügt der Hinweis auf die Feststellung der Kommission, die derzeitige Situation sei durch „eine derartige Beschleunigung i m technischen Fortschritt charakterisiert, daß praktisch Innovationssprünge auftreten, die wesentliche Weichenstellungen verlangen" 3 9 . Was die gegenwärtigen Verbreitungsmöglichkeiten über Kabel betrifft, so sind m i t den bestehenden Gemeinschaftsantennenanlagen nicht nur Weichen gestellt 40 . Ihre erhebliche Zahl gibt bereits heute echte 37 Eckert, Der Rundfunk als Führungsmittel, S. 24. 38 Lieb, Kabelfernsehen, S. 20. 3» KtK-Telekommunikationsbericht, S. 49. Vgl. etwa auch Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 17 f.: „ . . . die Z a h l der übertragbaren Kanäle i n nicht allzu ferner Z u k u n f t unvorstellbare Dimensionen annehmen w i r d . " 3 Schmitt Glaeser
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Einleitung
zusätzliche Übertragungskapazitäten i m regionalen und lokalen Bereich 41 . Über diese Kanäle können geleitet werden — ortsüblich empfangbare Programme; — am Ort normalerweise (drahtlos) nicht empfangbare Programme vor allem von weiter entfernteren Rundfunkanstalten; hierbei ist an das sog. Dritte Programm, an den Sender der DDR und an ausländische Programme zu denken; — ortsüblich oder nicht ortsüblich empfangbare vorhandene Programme, die zeitversetzt, wiederholt oder geändert übertragen werden; — regional oder lokal neu hergestellte Programme. A n dieser Stelle muß dann auch noch daran erinnert werden, daß eine technisch realisierbare und wirtschaftlich mögliche Ergänzung der Kapazität des Kabelverteilnetzes über Fernseh-Rundfunksatelliten und das terrestrische Rundstrahlfernsehen i m Frequenzbereich von 11,7 bis 12,5 GHz erfolgen kann, wobei allein der Fernseh-Rundfunksatellit vier zusätzliche (drahtlose) Übertragungsmöglichkeiten für Fernsehprogramme eröffnet 42 . Für den Modellversuch w i r d von der Kommission empfohlen, die Verteilkapazität der Kabel auf maximal dreißig Kanäle m i t Fernsehbandbreite auszulegen, wobei ein Fernsehkanal 300 Hörfunkkanälen entspricht 35 . Wieviele Kanäle i m Münchner Projekt tatsächlich ausgelegt werden, ist noch nicht entschieden. Die Zahl w i r d auch davon abhängen, m i t wieviel Programmen man glaubt rechnen zu können. Und dies wiederum w i r d davon abhängen, ob man auch Private als verantwortliche Programm- und Aussagegestalter zuläßt. A u f jeden Fall kann das Pilotprojekt seine eigentliche Aufgabe, die zukünftige Entwicklung insbesondere i m Bereich der Kabelkommunikation modellhaft vorzubereiten und zu testen, nur dann erfüllen, wenn es die durch die Kabelleitung ermöglichten erheblichen Verteilkapazitäten i n angemessenem Umfange nützt; die als maximal angegebene Zahl von dreißig Kanälen ist hierbei eine Richtgröße, die nicht wesentlich unterschritten werden sollte.
40 Z u r Situation i n anderen Ländern, vor allem zum „Kabelfernsehen" i n den USA, vgl. etwa Lieb, Kabelfernsehen, S. 22 ff. m. w. N. 41 Z u r Situation i n der Bundesrepublik Deutschland: Lieb, Kabelfernsehen. S. 24 ff. 42 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 111 f.
Zusammenfassung und Auswertung
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Π . Die neuen Einsatzmöglichkeiten
M i t der Zahl der Verbreitungsmöglichkeiten rücken auch die Einsatzmöglichkeiten der Medien i n neue Dimensionen. Ihre Vielfalt erhöht sich und es werden neue, vom bisherigen Erscheinungsbild des Rundfunks erheblich abweichende Kommunikationsformen und -inhalte denkbar 4 3 . Für die Breitbandverteilnetze m i t Rückkanal nennt die Kommission neben der Informationsverteilung die Informationserfassung, den Informationsabruf und den begrenzten Dialog zwischen Teilnehmer und Zentrale 4 4 . I n den Bereich der Informationsverteilung gehört in erster Linie die Verteilung der herkömmlichen Rundfunkprogramme (Hörfunk und Fernsehen). Der Informationsabruf ermöglicht vor allem Zugriffe auf Informationsinhalte; dies kann sich auf herkömmliche Rundfunkprogramme (ζ. B. Spielfilme) beziehen, aber auch auf andere Programmspeicher und Datenbanken, Bildbanken oder Bibliotheken. I n einem gewissen Rahmen ermöglicht das Abrufsystem auch Beteiligungsformen, so jedenfalls ζ. B. die beurteilende Reaktion auf laufende Sendungen. Das Informationserfassungssystem ermöglicht ζ. B. die Fernüberwachung von Häusern durch Polizei und Feuerwehr, von Spielplätzen, das Ablesen des Stromzählers. Völlig neue Funktionsbereiche ermöglicht der Rückkanal i m Hinblick auf ein „interaktives Fernsehen" i. S. eines Dialogs zwischen Teilnehmer und Zentrale. Die Nutzungsformen reichen von bloßen Auskünften über die Reservierung von Warenbestellungen, Bankbuchungen bis h i n zur Gesundheitsberatung und zu Lehrprogrammen. Diese Zusammenstellung der möglichen Nutzungsformen ist keineswegs abschließend. Sie dürfte aber die Vielfältigkeit der neuen Inhalte, die ζ. T. erst der Entwicklung bedürfen, hinreichend deutlich machen. Gerade die Entwicklung neuer Inhalte soll Aufgabe der Modellversuche sein 45 . Die Vielfältigkeit der Einsatzformen, die auch Heterogenität bedeutet, w i r d sich i m Laufe des Versuchs eher noch erweitern und die Akzente können sich verlagern. Vor allem i m Hinblick auf die Akzeptanz muß man sich bemühen, die vermittelten Inhalte so attraktiv wie möglich zu gestalten und an den Wünschen der Teilnehmer auszurichten. Änderungen sind daher auch von vornherein 43 Anlageband 2 zum KtK-Telekommunikationsbericht („Technik u n d K o sten bestehender u n d möglicher neuer Telekommunikationsformen"); Ratzke, Netzwerk der Macht, S. 20 ff.; Lieb, Kabelfernsehen, S. 20. 44 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 108/F 38. 4 5 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 119/E9.
3·
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Einleitung
eingeplant4®. Dies alles kann zu neuen, heute noch nicht vorhersehbaren Nutzungsarten führen. Vor allem die ohnehin beabsichtigte Variierung der Gestaltung des Rückkanals w i r d m i t ziemlicher Sicherheit heute noch nicht vorstellbare Kommunikationsformen initiieren. Läßt sich somit schon für den Modellversuch vorweg keine abschließende Liste möglicher Einsatzformen erstellen, dann gilt dies natürlich um so mehr für die zukünftige Entwicklung der Telekommunikation überhaupt, für die anhand der Modellversuche die notwendigen Informationen und Einsichten geschaffen werden sollen. I I I . Die weichenstellende Funktion des Filotprojekts
Die durch das Pilotprojekt geschaffenen Informationen und Einsichten sollen nach Auffassung der Kommission „später die Grundlage von weiterreichenden Entscheidungen sein" 4 7 . Der Modellversuch bekommt damit weichenstellende Funktion. I m Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten ist daher auch unter Buchst, e 4 8 ausdrücklich betont, daß beim Münchener Pilotprojekt „Vorkehrungen" zu treffen sind, „ u m aus dem Versuchsbetrieb wissenschaftliche und praktische Aussagen zu gewinnen, die bei der späteren politischen Entscheidung, ob und wie Breitband-Kabelkommunikation genutzt werden soll, die erforderlichen Unterlagen bieten". Bei dieser Sachlage dürfte die Feststellung realistisch sein, daß Entwicklungen y die im Modellversuch unberücksichtigt bleiben, insgesamt auf absehbare Zeit kaum eine Chance haben werden, im Bereich der Telekommunikation Beachtung und Förderung zu finden. I n Konsequenz dieser Erkenntnis legt die Kommission für die Durchführung der Pilotprojekte auch großen Wert auf hohe Flexibilität und auf breit angelegte Experimentiermöglichkeiten. Dies zeigt sich beispielhaft bei der Frage der Netzträgerschaft 49 . Auch das Münchener Pilotprojekt soll offenbar auf eine möglichst breite Grundlage gestellt werden. Sehr deutlich w i r d dieses Bestreben bei den Ausführungen i m Briefe des Bayerischen Ministerpräsidenten unter Buchst, d 5 0 . Was für die technische Seite der Entwicklung gilt, gilt i m wesentlichen ebenso für die rechtliche. Wirklichkeit und Norm können nicht isoliert voneinander gesehen werden; ihre Wechselbezüglichkeit ist 4 « Siehe auch das Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten Buchst, e (Einleitung, C.). 47 KtK-Telekommunikationsbericht, S. 137. 48 Siehe Einleitung, C. 4 » KtK-Telekommunikationsbericht, S. 123. ßo Siehe Einleitung, C.
unter
Einteilung der Telekommunikationsformen
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hier von besonderer Bedeutung. Auch für die rechtlichen Komponenten der Mediensituation wird der Modellversuch weichenstellende Wirkungen haben. Wie erheblich diese W i r k u n g sein kann, zeigt das Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten (Buchst, c) 50 . Die derzeitige Rechtsstruktur i n Bayern, die zu einer (faktischen) Monopolstellung für den Bayerischen Rundfunk geführt hat, soll i h m nun auch die Monopolstellung beim Modellversuch bringen, und zwar nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. A r t . l i l a Abs. 2 BV), sondern auch deswegen, weil er „über erfahrenes Personal, umfangreiches Material einschließlich Leistungsschutz und Urheberrechte und ein technisches Potential verfügt". Sollte es wirklich dazu kommen, daß der Modellversuch (abgesehen von einer Beteiligung des ZDF) ausschließlich i n der Trägerschaft des Bayerischen Rundfunks durchgeführt wird, so w i r d für die absehbare Zukunft jede andere als diese A r t einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft, insbesondere die privatwirtschaftliche Struktur von Telekommunikationssystemen ausgeschlossen sein. Der rechtliche Rahmen, insbesondere die rechtliche Organisationsstruktur des Pilotprojekts, hat also nicht nur Bedeutung für den Modellversuch. Die i n dieser H i n sicht für das Pilotprojekt getroffenen Entscheidungen werden Vorentscheidungen für die Zukunft sein, die sich i m wesentlichen nicht mehr werden korrigieren lassen. Das muß dazu führen, daß die Erwägungen zur Organisationsstruktur und andere Rechtsfragen nicht allein auf dem Boden der momentanen tatsächlichen und rechtlichen Situation erfolgen. Gerade auch die Rechtsstrukturen des Modellversuchs müssen so angelegt sein, daß sie eine sinnvolle Entwicklung der Telekommunikationssysteme fördern und insbesondere alle rechtlichen Hemmnisse vermeiden, die aus nicht mehr existierenden oder bald überwundenen tatsächlichen Gegebenheiten erwuchsen und daher keine Berechtigung mehr haben. E. Die Einteilung der kabelgebundenen Telekommunikationsformen Die vorstehenden Darlegungen haben deutlich werden lassen, daß es ausgeschlossen ist, auch nur einigermaßen abschließend alle technischen und inhaltlichen Varianten der Kabelkommunikation aufzulisten, die i m Rahmen des Münchner Pilotprojekts getestet werden (könnten). Eine i n diesem Sinne vollständige rechtliche Kategorisierung ist nicht zu leisten 51 . Das ist aber auch nicht erforderlich. Für die 51 So auch Lieb, S. 21: „ D i e unabsehbare Vielzahl der künftigen F u n k tionsbereiche läßt eine allgemeinverbindliche rechtliche Kategorienbüdung noch nicht zu."
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Einleitung
hier anstehende Rechtsfrage der Zulassung Privater zu einer selbstverantwortlichen inhaltlichen Aussage- und Programmgestaltung bei drahtgebundenen Textübertragungssystemen und beim Kabelrundfunk genügen als Bezugsprojekte die wesentlichen, heute schon möglichen und für eine absehbare Zukunft realistisch denkbaren Einsatzformen kabelgebundener Kommunikationssysteme. A u f technische Feinheiten kann dabei verzichtet werden. Es kommt lediglich darauf an, auf der Grundlage des KtK-Telekommunikationsberichts die modernen kabelgebundenen Telekommunikationstechniken i n groben Umrissen insoweit zu beachten, als sie neue Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen und damit auch den juristischen Streit u m die Zulassung Privater als selbstverantwortliche Telekommunikationsveranstalter, respektive als Rundfunkunternehmer, ausgelöst haben. I m folgenden geht es also u m eine typisierende Einteilung der kabelgebundenen Telekommunikationsformen, an der sich die weiteren Untersuchungen ausrichten werden 5 2 . I . Informationsverteildienste
Hierbei gehört vor allem der Kabelrundfunk (Fernsehen und Hörfunk), dessen technische Besonderheit gegenüber dem drahtlosen Rundfunk zunächst darin liegt, daß auch die Strecke zwischen Sender und Antenne verkabelt ist 5 3 . Wie w i r sahen 54 , führt diese technische Anlage zur Möglichkeit paralleler Informationsangebote, deren Zahl technisch tendenziell unbegrenzt ist. A l l e i n vom Inhalt her muß sich der Kabelrundfunk dagegen nicht oder nicht wesentlich vom Programm des herkömmlichen Rundfunks unterscheiden. Es handelt sich dann auch hier u m Verteilung von Information, u m „Einbahn"-Kommunikation von der Zentrale zu den Teilnehmern. Daher kann man beim Kabelrundfunk i n der Regel auch davon ausgehen, daß Massenkommunikation vorliegt. Dies gilt ebenso für die Verteilung von Teletexten. I m Anschluß an Ratzke 5 5 w i r d der Begriff Teletext als Oberbegriff für „jegliche Form von Textübermittlung" verwendet, „die elektronisch übermittelt, auf dem Bildschirm signalisiert und entweder verteilt, abgerufen oder i m Dialogsystem vermittelt w i r d " . Zutreffend weist Ratzke 5 5 zwar darauf hin, daß man streng genommen unter „Teletext" die englische Version 52 Vgl. zum folgenden auch Ratzke, i n : ders. (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 13 ff. 53 Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 15 f. 54 Einleitung, D., I. 55 I n : ders. (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 13.
E i n t e i l u n g der
Telekommunikationsformen
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von „Videotext" versteht. Da sich in England jedoch für „Teletext" die beiden Begriffe „Ceefax" und „Oracle" eingebürgert hätten, könnte man den freigewordenen Begriff „Teletext" ohne Gefahr der V e r w i r rung als Oberbegriff für alle Systeme der geschilderten A r t benutzen. Der Τ eletext-V erteildienst kann breitbandig und schmalbandig verlaufen. Zur Form der schmalbandigen Übermittlung gehören die Systeme „Ceefax", „Oracle" und „Antiope" 5 6 . Damit werden Übertragungsformen angesprochen, die sich der Austastlücke des normalen Fernsehsignals bedienen. Vom KtK-Telekommunikationsbericht (S. 101 f.) w i r d auch der Videotext zu dieser A r t von Teletext-Verteildiensten gerechnet. Dagegen sollen das Video-Einzelbild, der B i l d schirmtext und das Fernsprech-Einzelbild zu jenen Telekommunikationsformen gehören, die dem Teilnehmer Abrufmöglichkeiten eröffnen. Schließlich findet sich i n diesem Zusammenhang auch noch die Bezeichnung „Bildschirmzeitung", womit deutlich gemacht werden soll, daß diese A r t des Teletextes alle Merkmale einer Zeitung (Presse) erfüllen kann 5 7 . Die breitbandige Übermittlung von Teletexten w i r d als „(Einfacher) Kabeltext" bezeichnet; sie bietet besonders vielseitige Möglichkeiten. So können ζ. B. i n einem einzigen Kabelkanal auf der Bandbreite eines Fernsehprogrammes nahezu unbegrenzt Informationen übertragen werden. Während i n der Austastlücke des Fernsehbilds 58 nur maximal 100 Seiten je Magazin innerhalb erträglicher Abrufdauer (etwa V2 M i nute) auf den Bildschirm gerufen werden können, sind beim Kabeltext pro Kabelfernsehkanal mindestens 200 Magazine à 100 Seiten abrufbar 5 9 . Gerade das Phänomen „Teletexte" macht deutlich, daß die Begriffe, die mehr unter technischen Gesichtspunkten gebildet wurden und weniger auf juristische Kategorien Rücksicht nehmen, als Ansatzpunkte und Verständigungsformen für juristische Klärungsversuche wenig hilfreich sind. So ist Kabelrundfunk i n dem Moment nicht mehr nur Verteil-Information, i n dem er m i t einem Rückkanal versehen wird, und i n den Begriff der Teletexte gehören ohnehin von Anfang an auch der Abrufdienst und der Dialogverkehr; daher mußte auch verdeut56 Dazu etwa Edgar F. S. 24 ff. 57 Vgl. Ratzke, i n : ders. 58 Dazu Edgar F. Scholz, S. 34 f. 5» Vgl. auch Ratzke, i n : ebenda, S. 84 ff.
Scholz, i n : Ratzke (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 77 ff. i n : Ratzke (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 23 ff., ders. (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 15; Witte,
40
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lichend von Teletext-Verteildienst gesprochen werden. Auf diese technischen Möglichkeiten und ihre Variationsbreite soll und muß aber für die rechtliche Beurteilung keine Rücksicht genommen werden. Insbesondere sind „Videotext" oder „Bildschirmtext" keine Termini, die als Rechtsbegriffe fungieren können. „Kabelrundfunk" w i r d i m folgenden nur i n seiner Verteilfunktion gesehen, wobei allerdings ein Rückkanal, der lediglich primitive Beurteilungsreaktionen des laufenden Programmes ermöglicht („ja", „nein", „gut", „mittel", „schlecht") außer Betracht bleiben kann, weil er am Verteilcharakter nichts wesentliches ändert. I I . Informations- Abrufdienste und Dialogverkehr
Abrufdienst und Dialogverkehr können hier zusammen behandelt werden, w e i l sie sich nur graduell, nicht aber substanziell unterscheiden. I n beiden Fällen handelt es sich i n einem weiteren Sinne u m Individualkommunikation, wobei auch sie unter den Oberbegriff „Teletexte" einzustellen sind. U m sie vom Teletext-Verteildienst zu unterscheiden, sollte man hier m i t der Verbindung „Teletext-Abrufdienst" und „Teletext-Dialogverkehr" arbeiten. Sowohl die Abrufdienste wie auch der Dialogverkehr sind „zweiseitig" angelegt, nicht selten Zweibahn-Kommunikationsdienste und können breitbandig sowie schmalbandig übermittelt werden. 1. Teletext-Abrufdienste umfassen den Kabeltextabruf (breitbandig) sowie Bildschirmtexte, Viewdata, Tictac (schmalbandig). Abrufdienste sind bereits i n Benutzung. So berichtet Edgar F. Scholz 60 z. B. von dem Reuter-Monitordienst/Großbritannien als einem computisierten System, das zur Real-Time-Übermittlung von Geldkursen und Nachrichten i n der ganzen Welt entwickelt wurde: Durch Aufstellen von Kompakt-Video-Terminals haben Abonnenten sofortigen Zugang zu den letzten Börsenkursen, Eurodepositen und anderen Kursen, notiert bei den leitenden Banken und Geldinstituten, sowie zu M a r k t informationen aus dem Reuter-Angebot. Ein Teletextübermittlungssystem auf Abruf ist auch Viewdata; hier w i r d der private Fernsehempfänger über ein Zusatzgerät m i t dem Fernsprechapparat verbunden, von dem aus durch Wählen bestimmter Rufnummern die gewünschten Informationen (auch Einzelbilder; „Fernsprech-Einzelbild e r " e i ) auf den Bildschirm geholt werden. Der Umfang der abrufbaren Daten hängt allein von der vorhandenen Speicherqualität ab, ist also theoretisch unbegrenzt. Der individuelle Charakter dieses Abrufen I n : Ratzke (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 36 f. « Dazu KtK-Telekommunikationsbericht, S. 103 f.
E i n t e i l u n g der
Telekommunikationsformen
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systems ergibt sich vor allem aus der Möglichkeit individueller Identifikation des fragenden Teilnehmers m i t Hilfe der numerischen Tastatur des Bedienungsgeräts, so daß sowohl die individuelle Belastung einzelner Teilnehmer für die Entnahme kostenpflichtiger Informationen wie auch eine Beschränkung des Zuganges zu bestimmten Informationen auf einen speziellen Teilnehmerkreis möglich ist 6 2 . Der von der K t K verwendete Begriff Bildschirmtext 63 und das i n den USA entwickelte TV-phone bezieht sich i m wesentlichen auf das gleiche Abruf system. 2. Der Teletext-Dialog ν erkehr ist dadurch charakterisiert, daß der Teilnehmer m i t der Zentrale und, i n einer höher entwickelten technischen Stufe, sogar m i t jedem anderen, an das System angeschlossenen Teilnehmer über Bildschirm schriftlich kommunizieren kann. Der Dialogverkehrdienst umfaßt über die breitbandige Vermittlung den sog. Individualkabeltext, schmalbandig die nicht nur abruf-, sondern auch dialogfähigen Viewdata bzw. Bildschirmtexte oder das französische „tictac". Hierher gehören natürlich vor allem die Systeme, die i m Lehrbereich eingesetzt werden, wie ζ. B. das System „teleclass" 64 . Aber auch andere (Sonder-)Nutzungen des Zweiweg-Kabelfernsehens wären gerade auch i m Rahmen des Pilotprojekts zu erproben und bedürfen daher hervorgehobener Beachtung. Z u nennen wäre hier vor allem ein Dialogdienst zur Behebung von Mängeln i m Verhältnis Bürger — Verwaltung, vornehmlich i m Bereich der kommunalen Dienstleistungen m i t starker Personenorientierung. So hat das Difu i m Rahmen seiner Mitarbeit i n der Interdisziplinären Arbeitsgruppe „Kabelkommunikation Berlin" zur wissenschaftlichen Vorbereitung und Begleitung von Pilotprojekten zum Zweiweg-Kabelfernsehen vom Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik den Auftrag bekommen, die Auswirkung von Kabelfernsehsystemen auf das Verhältnis des B ü r gers zu den kommunalen Institutionen und Diensten i n einer Vorstudie zu untersuchen. I n Difu-Berichte 4/78 — 32 heißt es hierzu u.a.: „ D a es auf manchen Gebieten der Leistungsverwaltung nicht ausreicht, Programme anzubieten u n d es den Betroffenen zu überlassen, ob sie von den Angeboten Gebrauch machen wollen, können neue Techniken mithelfen, die Bevölkerung über ihre Leistungsansprüche zu informieren sowie i n anderen Fällen f ü r eine aktive Mitarbeit zu interessieren. Die Gemeinde bietet zahlreiche Dienste u n d Leistungen an, ζ. B. auf den Gebieten der Erwachsenenbildung, der Jugendpflege, des Freizeitwesens, der sozialen Betreuung, die n u r dann ihren Sinn erfüllen, w e n n der Personenkreis, dem 62
Edgar F. Scholz, i n : Ratzke (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 19 ff. KtK-Telekommunikationsbericht, S. 103 u n d Anlageband 4 zum K t K Telekommunikationsbericht („Neue Telekommunikationsformen i n bestehenden Netzen"), S. 138 sowie Kartzow, Media-Perspektiven 1977, S. 441 ff. 64 Ratzke, i n : ders. (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 15 f. 63
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Einleitung
sie angeboten werden, ein aktives und dauerndes Interesse aufbringt. Hierfür sind neuartige Wege der Ansprache u n d M i t w i r k u n g erforderlich." I I I . Materialisierte Teletexte
Ein wichtiges und wesentliches Merkmal aller Arten von Teletexten einschließlich der Teletexte i m Verteildienst ist die Möglichkeit, daß die visualisierte Bildschirminformation jederzeit auf Wunsch ausgedruckt, d. h. materialisiert werden kann 6 5 . Ein Sonderfall dieses „Fernkopierens" ist die sog. Faksimile-ZeitungDie „Zeitung" w i r d hier elektronisch übermittelt und beim Empfänger auf einem Bogen Papier wiedergegeben. Erhebliche Beachtung findet die Heim-Faksimile-Zeitung, d. h. die Übertragung von Zeitungsseiten zum privaten Haushalt. Um vernünftige Werte für die Ubertragungsdauer zu erhalten, bedarf es der Bereitstellung von Kanälen m i t großer Bandbreite, ζ. B. von 64-kbit/s-PCM-Verbindungen oder von getrennten Kanälen i n einem Kabelfernsehnetz. Weil der Ausdruck in der Regel nur auf teuerem Spezialpapier möglich ist, verursacht diese A r t der Materialisierung der Telekommunikation noch relativ hohe Kosten. Sie ist daher auch für eine Massenanwendung noch nicht reif. I m Rahmen des Modellversuchs w i r d man aber auf ihre Erprobung nicht verzichten können, weil es sich um eine (neue) Form der Telekommunikation handelt, die sicher großen Anklang finden w i r d ; denn sie verbindet die Vorteile des Rundfunks m i t denen der Zeitung.
65 66
Ratzke, i n : ders. (Hrsg.), Die Bildschirmzeitung, S. 16. Dazu auch KtK-Telekommunikationsbericht, S. 100 f.
ERSTER T E I L
Das privatrechtliche Unternehmen i m Bereich kabelgebundener Informationsverteildienste Vorbemerkung Das Münchner Pilotprojekt ist nur eine Station auf dem Wege der technischen und rechtlichen Gesamtentwicklung der kabelgebundenen Telekommunikationssysteme und es kann daher auch nur i m Rahmen dieser Gesamtentwicklung gesehen und beurteilt werden. Der Modellversuch ist Ende und Anfang zugleich, er ist ein Brückenschlag von der Gegenwart i n die Zukunft. W i r müssen daher — u m i m B i l d zu bleiben — „festen Boden" i n der Gegenwart gewinnen, damit die Weichen für die Zukunft richtig gestellt werden können. Dabei soll es zunächst um den Bereich der kabelgebundenen Informationsverteildienste gehen, also um „Einbahn"-Kommunikation. Die Informations-Abrufdienste und der Dialogverkehr i m Zweiten Teil abzuhandeln. I m Bereich der kabelgebundenen Informationsverteildienste ergeben sich — wie schon dargestellt 1 — hinsichtlich der Nutzungsart zwischen dem herkömmlichen drahtlosen Rundfunk und dem drahtgebundenen Kabelrundfunk sowie anderen Informationsverteildiensten insofern keine Unterschiede, als i n jedem Fall eine „Einweg"-Verteilung von der Zentrale zu den Teilnehmern erfolgt. Auch der Übertragungsinhalt impliziert keine rechtlichen Differenzierungen. Es muß insofern gleichgültig sein, ob die Aussagen und Programme i n einer Kombination aus Wort (Ton), Schrift und B i l d bestehen, oder nur Worte, nur Texte (ζ. B. aus Datenbanken) oder nur Bilder (ζ. B. aus Bildbanken) übermittelt werden. M i t dem BVerfG 2 ist vielmehr darauf abzustellen, ob „Massenkommunikation" vorliegt bzw. ein Massenkommunikationsmittel, durch das „Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen und diese öffentliche Meinung mitgebildet w i r d " . Diese M i t w i r k u n g an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich nach Ansicht des BVerfG 2 „keineswegs auf die Nachrichtensendungen, politischen Kom1 Siehe Einleitung, E, I. 2 BVerfGE 12, 205/260; vgl. etwa auch BayVerfGH,
V G H n.F. 30, 92 f.
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I.Teil: Private Unternehmen und
Informationsverteildienste
mentare, Sendereihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; Meinungsbildung geschieht ebenso i n Hörspielen, musikalischen Darbietungen, Übertragungen kabarettistischer Programme bis hinein i n die szenische Gestaltung einer Darbietung. Jedes Rundfunkprogramm w i r d durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben, insbesondere soweit es u m die Entscheidung darüber geht, was nicht gesendet werden soll, was die Hörer nicht zu interessieren braucht, was ohne Schaden für die öffentliche Meinungsbildung vernachlässigt werden kann, und wie das Gesendete geformt und gesagt werden soll." I n diesem Sinne spricht man auch i m Hinblick auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG von einer „umfassenden Programmgestaltungsfreiheit" 3 , Unterschiedlich ist aber die Verbreitungstechnik, also die fernmeldetechnische Verfahrensart der Verbreitung der Programme. Während der drahtlose Rundfunk i m Hinblick auf die Ausbreitungsmöglichkeiten seiner Ausstrahlung gleichsam „grenzenlos" ist und sich daher für überregionale Programm Verteilung anbietet, ist der Kabelrundfunk i n seinem Übermittlungsradius eher begrenzt und eignet sich daher vornehmlich für regionale und lokale Programmverteilung. Dafür ist der Kabelrundfunk auf Grund seiner Leitungskapazität dort tendenziell „grenzenlos", wo es um die Anzahl paralleler Informationsangebote geht 4 . Die Verbreitungstechnik hat rechtliche Bedeutung. Auf jeden Fall spielt sie — wie noch zu zeigen sein w i r d — eine Rolle für die A r t der rechtlichen Organisationsstruktur des i n Betracht stehenden Lebenssachverhalts der Informationsverteildienste bzw. für die Überlegung, wie eine diesbezügliche Freiheitsgarantie gesetzlich gewährleistet werden kann 5 . Hier soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob die A r t der Verbreitungstechnik (drahtlos oder drahtgebunden) auch rechtliche Bedeutung besitzt für den Rechtsbegriff „Rundfunk", der eine relativ ausführliche normative Behandlung erfahren hat 6 . Präziser formuliert lautet die Frage: Unterfallen auch die kabelgebundenen Informationsverteildienste dem Rundfunkbegriff m i t der Folge, daß die für den Rundfunk geltenden Normen auch auf sie Anwendung finden? 3 Vgl. etwa Rudolf, Zulässigkeit, S. 18 f.; Rupert Scholz, JuS 1974, S.300; Lieb, Kabelfernsehen, S. 167, jeweils m. w. N. 4 Siehe Einleitung, D, I . 5 Insofern k a n n vorläufig global auf BVerfGE 12, 205/261 verwiesen w e r den. 6 Die materialisierten Teletexte (siehe Einleitung, Ε, I I , 3) bleiben hier auch insoweit außer Betracht, als sie über Verteildienste v e r m i t t e l t werden. Dazu Zweiter Teil.
I . T e i l : Private Unternehmen u n d Informationsverteildienste
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Der damit angesprochene Problemkreis ist schon so häufig und so ausführlich behandelt worden, daß sich — jedenfalls für seinen „ K e r n bereich" — kaum mehr neue Argumente werden finden lassen. Ich kann mich daher kurz fassen.
1. Kapitel
Kabelgebundene Informationeverteildienste und Rundfunkbegriff 1. Abschnitt
Die zwei Seiten des Rundfunkbegriffs Das Gesamtphänomen „Rundfunk" hat begrifflich zwei Seiten: die fernmelderechtliche und die kulturell-rechtliche 7 . Sie beziehen sich auf je verschiedene Zuständigkeitsbereiche. A . D i e fernmelderechtliche Seite des Rundfunks
Die fernmelderechtliche Seite des Rundfunks gehört zum „Fernmeldewesen" i. S. des A r t . 73 Nr. 7 GG und damit zur ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes. I h m steht auch ausschließlich das Recht zu, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben und die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen zu verleihen 8 . Zur fernmelderechtlichen Seite des Rundfunks bzw. zum Fernmeldewesen gehören nach dem Fernsehurteil des BVerfG 9 nur die technischen Vorgänge des Sendens der Rundfunkdarbietungen: „Fernmeldewesen ist ein technischer, am Vorgang der Übermittlung von Signalen orientierter Begriff. Das Fernmeldewesen hat es m i t den Fernmeldeanlagen, also m i t technischen Einrichtungen zu tun, m i t deren Hilfe Signale ,in die Ferne* gemeldet oder übermittelt werden . . . Das . . . Massenkommunikationsmittel Rundfunk ist nicht Teil, sondern B e nutzer' der Einrichtungen des Fernmeldewesens." Daher gehört auch die sogenannte Studiotechnik nicht zum Fernmeldewesen. „Das Fern7 Die Bezeichnung „kulturell-rechtliche Seite" bzw. „kulturell-rechtlicher Rundfunkbegriff" stammt von Lerche, Rundfunkmonopol, S. 14. Vgl. etwa auch Ossenbühl, D Ö V 1972, S. 298 f.; Lieb, Kabelfernsehen, S. 29; Paptistella, D Ö V 1978, S. 496 ff. Das BVerfG (E12, 205/229) spricht v o n Rundfunk als einem (auch) „ k u l t u r e l l e n Phänomen". 8 Siehe §§ 1, 2 F A G . — Sehr ausführlich zur Frage der Bundeskompetenz i m Rundfunkwesen: Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 261 ff. m. ζ. N. » BVerfGE 12, 205/226 f. Vgl. i n diesem Zusammenhang auch BVerfGE 46, 120/139 ff.
1. A b s c h n . : D i e z w e i S e i t e n des R u n d f u n k b e g r i f f s
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meldewesen beginnt erst m i t der Übermittlung der sendefertigen Tonund Bildsignale vom Rundfunkstudio zu einem oder mehreren Sendern . . . ; es umfaßt sodann die Ausstrahlung der Sendung und die sich etwa daran anschließenden technischen Vorgänge bis zum Empfang der Sendung." B. D i e kulturell-rechtliche Seite des Rundfunks
Die kulturell-rechtliche Seite des Rundfunks unterfällt keiner speziellen Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes und unterliegt daher entsprechend der Zuständigkeitsvermutung der A r t . 30, 70 ff. und Art. 83 ff. GG der Gesetzgebungskompetenz der Länder 1 0 . Nach dem Fernsehurteil des BVerfG 1 1 hat der Bund insbesondere nicht die Befugnis, „die Organisation der Veranstaltung und die innere Organisation der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln oder Vorschriften i n Bezug auf die Sendungen zu erlassen. Die von A r t . 5 GG geforderte gesetzliche Normierung der i n ihm zur Sicherung der Rundfunkfreiheit enthaltenen Leitgrundsätze, und zwar sowohl i n materiellrechtlicher als auch i n organisatorischer Hinsicht . . . , fällt i n die Gesetzgebungskompetenz der Länder." Der Schwerpunkt der Problematik liegt beim kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriff. Zutreffend betont etwa Lieb 1 2 , es sei weniger bedeutsam, „ob die leitungsgebundene Fernübermittlung von Programmen der sich aus § 1 Abs. 1 F A G i n Verbindung m i t A r t . 123 Abs. 1, 124 und 73 Nr. 7 GG ergebenden Fernmeldehoheit des Bundes unterliegt; die Brisanz liegt vielmehr i n der Frage, ob das Kabelfernsehen durch die ländergesetzlichen Regelungen erfaßt w i r d und damit den Organisationsgeboten unterliegt, die für die üblicherweise drahtlos ausgestrahlten Rundfunkveranstaltungen gelten". I n diesen Bereich gehört die verfassungsrechtliche Problematik der „Rundfunkfreiheit" 1 3 , 10 Vgl. auch BVerfGE 6, 309/354; E 12, 205/229; sehr eingehend zur Länderkompetenz i m Rundfunkwesen: Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 278 ff. — Die Bundesrundfunkanstalten („Deutsche Welle" u n d „Deutschlandfunk"; s. Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts v. 29. Nov. 1960, BGBl. I , 862) sowie die Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen" (Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts „Zweites Deutsches Fernsehen" v o m 6. J u n i 1961, v e r öffentlicht etwa i n Bayern m i t Bek. v. 16.7.1962, GVB1. S. 111) u n d die damit zusammenhängenden Besonderheiten können hier unbeachtet bleiben. Vgl. etwa Lerche, Z u m Kompetenzbereich des Deutschlandfunks, passim; Osseribühl, Rundfunkfreiheit u n d Finanzautonomie des Deutschlandfunks, passim; Mallmann, J Z 1963, S. 350 ff. 11 BVerfGE 12, 205/225; siehe auch S.248f. 12 Kabelfernsehen, S. 29; vgl. auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 15.
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I . I . K a p . : Informationsverteildienste
und
Hundfunkbegriff
die Auslegung des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG insbesondere, aber auch ζ. B. des A r t . l i l a Abs. 2 B V als bayerische Besonderheit. Dies darf allerdings nicht dazu führen, die fernmelderechtliche Seite des Rundfunks i n ihrer Bedeutung für den kabelgebundenen Informationsverteildienst zu unterschätzen. So hat vor allem Lerche 14 die enge Verzahnung der beiden begrifflichen Aspekte des Rundfunks betont und deutlich gemacht, daß die primäre Problematik des Drahtfunks gerade dort zu suchen ist, wo diese Verzahnung liegt: „Denn einmal kann auch für den kulturellen Bereich die technische Seite, die i m Begriff des ,Funks' stets mitklingt, nicht völlig ausgespart werden, und umgekehrt bezieht sich auch der technische Bereich gerade auf den ,Rund'-Funk, also auf ein Element des Allgemeinen, des öffentlichen." Interessant w i r d diese Erkenntnis vornehmlich i m Hinblick auf die Tatsache, daß kabelgebundene Informationsverteilung i n ihrem Übermittlungsradius begrenzt und eher für regionale und lokale Programmverteilung geeignet ist. Bei der Frage, ob kabelgebundene Informationsverteilung „Rundfunk" ist, müssen daher beide Seiten der Gesamterscheinung Rundfunk Berücksichtigung finden.
2. Abschnitt
Die Begriffsneutralität der Verbreitungetechnik A. Kabel-Funk als Rund-„Funk" Die ganz herrschende Meinung geht davon aus, daß die Verbreitungstechnik grundsätzlich begriffsneutral ist, und zwar sowohl i m Hinblick auf den fernmelderechtlichen als auch und insbesondere i m Hinblick auf den kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriff 1 5 . Dabei w i r d vor allem auf den Text unter-verfassungsrechtlicher Normen hingewiesen. Für die fernmelderechtliche Seite des Rundfunks als Funkdienst i. S. des Fernmeldewesens ist die Legaldefinition des Begriffs der „Funkanlage" 13 BVerfGE 12, 205/249. Rundfunkmonopol, S. 15; ebenso Lieb, Kabelfernsehen, S. 29 f.; vgl. auch Demme, Kabel-Fernsehen, S. 18 ff. 15 Vgl. etwa Lerche, Rundfunkmonopol, S. 15 ff.; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 195 zu A r t . 51; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 21 ff.; Lieb, Kabelfernsehen, insbes. S. 31 ff. u n d S. 53 ff.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 8 ff.; Ossenbühl, D Ö V 1972, S. 299; Schwandt, D Ö V 1972, S. 299; Schwandt, D Ö V 1972, S. 695 ff.; Rudolf I Meng, Breitbandkommunikation, S. 24; Paptistella, D Ö V 1978, S. 497 ff.; O V G Münster v. 24.9.76, DÖV 1978, S.519f. — a. A . Demme, Kabel-Fernsehen, passim. Vgl. auch H. u. J. Sengelmann, i n : Hufen (Hrsg.), P o l i t i k u n d Massenmedien, S. 20. 14
2. A b s c h n . : D i e B e g r i f f s n e u t r a l i t ä t
der Verbreitungstechnik
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i n § 1 Abs. 1 Satz 2 F A G von Bedeutung, der den „Drahtfunk" ausdrücklich m i t einschließt: „Funkanlagen sind elektrische Sendeeinrichtungen sowie elektrische Empfangseinrichtungen, bei denen die Übermittlung oder der Empfang von Nachrichten, Zeichen, Bildern oder Tönen ohne Verbindungsleitungen oder unter Verwendung elektrischer, an einem Leiter entlang geführter Schwingungen stattfinden kann 1 6 ." Für die kulturell-rechtliche Seite des Rundfunks steht die verfassungsrechtliche Bestimmung des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG i m Vordergrund, deren Wortlaut freilich über die Verbreitungstechnik und damit über die Zuordnung des kabelgebundenen Rundfunks zum „Rundfunk" nichts aussagt. L i e b 1 7 hat aber anhand einer ausführlichen Analyse der historischen und sprachlichen Entwicklung des Rundfunkbegriffes dargetan, „daß der Parlamentarische Rat bei der Erarbeitung des Grundgesetzes, speziell bei der Verwendung des Ausdrucks ,Rundfunk 4 , ein Rundfunkwesen vor Augen hatte, das den Drahtfunk als eine der Möglichkeiten zur Programmübermittlung einbezog". Damit werde auch das „Kabelfernsehen, da keine entgegenstehenden Einschränkungen genannt worden sind, durch A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfaßt" i e . A u f der einfachgesetzlichen Ebene sind die Aussagen hinsichtlich des kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriffs freilich weniger eindeutig wie zur feramelderechtlichen Seite: — Einige Länderrundfunkgesetze treffen überhaupt keine Aussagen zum Übermittlungsverfahren, so ζ. B. das Gesetz über die Errichtung u n d die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Radio Bremen" v. 22.11. 1948 (Brem.GBl. S. 225) i. d. F. v. 18.2.1975 (Brem.GBl. S. 97) oder das Gesetz Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen i m Saarland (GVRS) v. 2.12.1964 (Amtsbl. S. 1111) i. d. F. v. 1.8.1968 (Amtsbl. S. 558). — Andere Rundfunkgesetze der Länder sind i m Hinblick auf die Verbreitungsart der Sendungen so w e i t gefaßt, daß jedenfalls die T e x t i n t e r pretation nichts erbringt; das g i l t vor allem f ü r das Gesetz über die E r richtung u n d die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische R u n d f u n k " (Bayerisches Rundfunkgesetz — BayRuFuG) v. 10.8.1948 (BayBS I I , S. 635) i. d . F . v. 26.9.1973 (GVB1. S. 563). Gem. A r t . 2 BayRuFuG ist Aufgabe des Bayerischen Rundfunks „die Veranstaltung u n d V e r m i t t l u n g von Sendungen i n Wort, Ton u n d B i l d über die von i h m betriebenen Anlagen". Nicht sehr v i e l präziser sind die diesbezüglichen Formulierungen i m Gesetz Nr. 1096 Rundfunkgesetz „Süddeutscher Rundfunk" (SDR) v. 21.11.1950 (Reg.Bl. 1951 S. 1), i m Gesetz über die Errichtung einer Rundfunkanstalt „Sender Freies B e r l i n " (SFB) v. 12.11. 16 Z u den Einzelheiten siehe insbes. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 15 ff.; Lieb, Kabelfernsehen, S. 31 ff., jeweils m. w. N. Kabelfernsehen, S. 55 ff. Lieb, Kabelfernsehen, S. 92; vgl. etwa auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 21 u n d Paptistella, D Ö V 1978, S. 499. Z u m gleichen Ergebnis f ü r den Rundfunkbegriff des A r t . I l l a B V k o m m t BayVerfGH, V G H n.F. 30. 92.
4 Schmitt Glaeser
50
I . I . K a p . : Informationsverteildienste
und
Hundfunkbegriff
1953 (GVB1. S. 1400) i. d. F. v. 5.12.1974 (GVB1. 1975 S. 146) oder i m Gesetz über den Hessischen Rundfunk v. 2.10.1948 (GVB1. S. 123) i. d. F. v. 12. 5. 1970 (GVB1.1 S. 341). — I n einigen Länderrundfunkgesetzen w i r d dagegen die drahtgebundene Verbreitung als Übermittlungsart ausdrücklich erwähnt: I m Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) v. 16.4.1955 zwischen den Ländern Niedersachsen (GVB1. 1955, S. 167), Schleswig-Holstein (GVB1. 1955, S. 92) u n d Hamburg (GVB1. 1955, S. 197) ist i n § 3 Abs. 1 Satz 2 festgelegt, daß der N D R die „erforderlichen Anlagen des Hörfunks u n d des Fernsehfunks zu errichten u n d zu betreiben, sowie die Anlagen des Drahtfunks zu versorgen" hat. I m Staatsvertrag über den Südwestfunk (SWF) v. 27. 8.1951 zwischen dem L a n d Baden-Württemberg (als Rechtsnachfolger der ehemaligen Länder Baden u n d Württemberg-Hohenzollern) u n d dem Lande Rheinland-Pfalz i. d. F. v. 27. 2.1959/16. 3.1959 (Bad.-Württ. GesBl. S. 56, Rh.-Pf. GVB1. S. 109) w i r d i n § 3 Abs. 3 bestimmt: „Aufgabe des Südwestfunks ist die . . . Verbreitung von Nachrichten . . . unter Benutzung elektrischer Schwingungen, die ohne Verbindungsleitungen oder längs eines Leiters (Drahtfunk) übermittelt werden." (Vgl. auch A r t . 2 Abs. 2 Satz 2 Satzung des Südwestfunks v. 20. 6.1952, BAnz. Nr. 138 S. 157, i. d. F. v. 7. 6.1974, BAnz. 1975 Nr. 24 S. 7.) Schließlich bestimmt das Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk K ö l n " v. 25.5.1954 (GVB1. S. 151) i. d. F. v. 9. 7.1974 (GV.NW. S. 251) i n § 3 Abs. 1 Satz 2: Die Anstalt „betreibt u n d errichtet . . . die . . . erforderlichen Anlagen des H ö r r u n d funks u n d des Fernsehens; sie versorgt die Anlagen des Drahtfunks" 19.
Ist damit die gesetzliche Lage auch nicht völlig eindeutig, so w i r d man der herrschenden Meinung doch jedenfalls i m Ergebnis insofern zustimmen müssen, als Informationsverteildienste nicht schon allein deswegen aus dem Rechtsbegriff Rund-„Funk" herausfallen, wenn und w e i l sie mittels Kabel verbreitet werden. Auch „Kabel"-Funk ist in diesem Sinne (Rund-)Funk. Bestätigt w i r d das Ergebnis auch durch den Staatsvertrag über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens (Rundfunkgebührenstaatsvertrag) v. 5.12.1974 20 , der i n Art. 1 sehr präzise bestimmt: „Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller A r t i n Wort, i n Ton und i n B i l d unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters Dieser Definition sollte nach dem Willen der (vertragschließenden) Länder offensichtlich Allgemeinverbindlichkeit zukommen, und zwar gerade auch i m Sinne einer authentischen Interpretation der diesbezüglichen Begriffsbestimmungen i n älteren Verträgen und Gesetzen 21 . Vgl. i m übrigen Lieb, Kabelfernsehen, S. 94 ff. 20 Vgl. z.B. Bayern: GVB1. 1975, S. 77. 21 I m einzelnen dazu vor allem Lerche, Rundfunkmonopol, S. 20 f. ; Lieb, Kabelfernsehen, S. 92 ff.; vgl. auch Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation,
2. A b s c h n . : D i e B e g r i f f s n e u t r a l i t ä t
der
Verbreitungstechnik
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Β. Kabel-Funk als „Rund"-Funk Problematisch ist die Begriffsneutralität der Verbreitungstechnik eher bei der Frage, ob Drahtfunk auch „Rund"-Funk ist. Hier w i r d die von Lerche 22 angesprochene „Verzahnung" des kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriffs m i t der technischen Seite bedeutsam, w e i l die kabelgebundene Informationsübermittlung i n ihrer „Ausstrahlung" anders als beim drahtlosen Funk nicht unbegrenzt ist, sondern — jedenfalls für die absehbare Zukunft — aus technischen Gründen ein sehr v i e l begrenzteres „Sendegebiet" hat, auf lokale, allenfalls regionale Programmverteilung beschränkt bleibt und auf einen i n diesem Sinne „bestimmten" Personenkreis zielt. Damit w i r d fraglich, ob auch die kabelgebundene Informationsverteilung das für den Rundfunk wesentliche Merkmal der Allgemeinheit aufweist. Die h. M. bejaht dies. Das Phänomen „Allgemeinheit", sowohl i m Rundfunkgebührenstaatsvertrag (Art. 1) als auch i n Länderrundfunkgesetzen 23 als Wesensmerkmal des Rundfunkbegriffs angeführt, w i r d nach heute nahezu unbestrittener Auffassung als „beliebige Öffentlichkeit" (Lerche) verstanden. Rundfunk ist danach ein Informationsmittel, das sich — vor allem i m Gegensatz zu jeder A r t von Sonderfunkdiensten (Polizei-, Wirtschafts-, Hochseefunk) — nach dem Willen des Veranstalters an eine unbestimmte Vielzahl von Personen richtet, die durch keine bestimmten Merkmale materieller A r t untereinander bzw. m i t dem Veranstalter verbunden sind 2 4 . Darauf, wie groß diese „Vielzahl" von Personen ist, ob der Adressatenkreis von seiner Zahl her groß oder klein ist, soll es ebenso wenig ankommen wie auf die territoriale Begrenzung des Sendegebiets m i t den damit zusammenhängenden Beziehungen der Menschen untereinander durch die räumliche Nähe (Nachbarschaft, Wohnanlage, gemeinsamer Saal, Hotel, Fabrik, Flughafengebäude u. a.). Hier zeigt sich auch der Bezug zu dem anderen Merkmal des Rundfunkbegriffs, der „Verbreitung". Es kommt nicht darauf an, ob es sich um bundesweite, regionale oder nur lokale S. 32; Schwandt, D Ö V 1972, S. 694; Paptistella, DÖV 1978, S. 499 sowie die Begründung zu A r t . 1 des Vertrages (Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 7/3574) : „ D e m Rundfunkbegriff (bisher: § 1 Abs. 1 des Staatsvertrags) wurde bei unveränderter Beibehaltung seines Wortlautes ein eigener A r t i k e l gewidmet, u m deutlich zu machen, daß er i m gesamten Rundfunkbereich Geltung hat." 22 Rundfunkmonopol, S. 15. 23 Vgl. etwa § 3 Nr. 1 hessRuFuG; § 3 Abs. 1 Staats vertrag über den N D R ; § 1 Rundfunkgesetz SDR. 24 Lieb, Kabelfernsehen, S. 113 ff. (zusammenfassende Definition: S. 170); Lerche, Rundfunkmonopol, S. 22 ff.; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 44 ff.; Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 32 ff.; Schwandt, D Ö V 1972, S. 694 ff.; Stammler, A f P 1975, S. 742 ff.; Paptistella, DÖV 1978, S.499f.; OVG Münster v. 24. 9. 76, DÖV 1978, S. 519 ff. i*
5 2 I . I . K a p . :
Informationsverteildienste
und
undfunkbegriff
Verbreitimg handelt; sie muß nur für die Allgemeinheit bestimmt sein, sich auf einen „Ausschnitt" aus der beliebigen Öffentlichkeit richten 2 5 . Vor allem i m Hinblick auf das K r i t e r i u m der Allgemeinheit w i r f t der Rundfunkbegriff der h. M., wie er hier i n aller Kürze skizziert wurde, zahlreiche Probleme auf. Besonders deutlich w i r d dies bei den Kriterien der „gemeinsamen Merkmale" des Adressatenkreises, die einmal unschädlich sein und ein andermal dazu führen sollen, daß man nicht mehr von einer Allgemeinheit des Adressatenkreises sprechen kann. Warum z.B. Sendungen für die Belegschaft eines Unternehmens erst dann nicht mehr als Rundfunk bewertet werden dürfen, wenn der Programminhalt, auf den es ja grundsätzlich nicht ankommen soll, die Belegschaftsmitglieder als solche (ζ. B. bei werksinternen Informationen) ansprechen 26 , w i l l nicht ohne weiteres einleuchten. I n keiner Weise überzeugend sind insofern die Entscheidungen des V G Düsseldorf 27 und des OVG Münster 2 8 , wonach ein KrankenhausKabelfunk Rundfunk sein soll. Folgt man der h. M., so kann kein Zweifel daran bestehen, daß Drahtfunk auch „Rund"-Funk ist. Dieses Ergebnis soll an dieser Stelle nicht weiter problematisiert, sondern — trotz erheblicher Bedenken — grundsätzlich akzeptiert werden. Die vorstehenden Darlegungen führen jedoch zu Feststellungen, die für die weiteren Überlegungen von Bedeutung sein werden: Erstens: Die Technik der drahtgebundenen Übermittlung ist zwar für sich allein gesehen für den Rundfunkbegriff unschädlich. Der Kabelfunk hat aber von seiner technischen Anlage her mehr Affinität zum „Spezial-Funk" als die drahtlose Übermittlung, weil sein „lokaler" Bezug eher zu einem spezifischen, durch besonders eingrenzende Merkmale gekennzeichneten Adressatenkreis führt 2 9 . 25 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 28 f.; Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 44; Paptistella, D Ö V 1978, S. 500; BayVerfGH, V G H n.F. 30, 92. 26 So etwa Lerche, Rundfunkmonopol, S. 29 f. 27 V o m 17. 5.1974 — 1 k 709/72. 28 V o m 24.9.76, DÖV 1978, S. 519 ff. Überzeugend vor allem die K r i t i k von Kuli, A f P 1977, S. 251 ff. 29 Vgl. auch Stammler, Kabelrundfunk, S. 10: „ . . . Der Grenzbereich w i r d dort erreicht, w o sich der Teilnehmerkreis auf Personengruppen, die nach bestimmten persönlichen Merkmalen ausgewählt sind oder auf ganz eng abgegrenzte räumliche Bereiche, etwa eine Wohnanlage oder ein Grundstück beschränkt."; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 30 f.: „Allerdings ist nicht auszuschließen . . . , daß auch das Kabelfernsehen, genauso w i e die Funksonderdienste, i n einer Weise eingesetzt w i r d , die die Beliebigkeit des Empfängerkreises entfallen läßt. Das k a n n denkbarerweise m i t einer extremen Schrumpfung des Sendegebietes Hand i n H a n d gehen, u. U. gerade dadurch nach außen
2. A b s c h n . : D i e B e g r i f f s n e u t r a l i t ä t
der Verbreitungstechnik
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Zweitens: W i r d hier die Begriffsneutralität der Verbreitungstechnik grundsätzlich akzeptiert und bedeutet dies, daß die rechtliche Bewertung von Informationsübermittlung als Rundfunk (im fernmelderechtlichen und kulturell-rechtlichen Sinne) durch die technische Verbreitungsart mittels Leiter oder Kabel nicht berührt wird, so hat dies konsequenterweise aber auch zu bedeuten, daß (gleichsam umgekehrt) nicht alles, was über Kabel vermittelt wird, auch Rundfunk sein muß30. Diese Erkenntnis ist zwar trivial, w i r d aber i n ihrer grundlegenden Bedeutung durchweg zu wenig erkannt. A u f sie ist i m Zweiten Teil zurückzukommen, i n dem es um kabelgebundene Individualkommunikation geht. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß auch kabelgebundene Informationsverteildienste grundsätzlich dem Rundfunkbegriff zugerechnet werden. Auf sie finden damit die für den Rundfunk geltenden Normen Anwendung. Die rundfunkrechtlichen Vorschriften müssen daher i m folgenden insoweit behandelt werden, als sie für die Frage der Zulassung privater Unternehmen als Rundfunkveranstalter von Bedeutung sein können.
erkennbar werden . . . Eine andere, derzeit nicht aktuelle Frage ist es, ob etwa der Gesetzgeber selbst durch Festlegung bestimmter räumlicher M i n dest-Daten dieses Indiz zu einem normativen M e r k m a l erstarken lassen kann. Die begriffliche K l a r h e i t w ü r d e dadurch i n der Tat gewinnen." so Vgl. hierzu Lieb, Kabelfernsehen, S. 104 f.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 10, F N 17.
2. Kapitel
Die einfach-gesetzliche Rechtslage i m Rundfunkwesen und die besondere Situation i n Bayern
1. Abschnitt
Problemeingrenzung Das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, steht gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 F A G ausschließlich dem Bund zu. Der Oberbegriff „Fernmeldeanlagen" umfaßt auch die Funkanlagen, zu denen — wie dargelegt — gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 FAG auch der Kabelfunk gehört. Gem. § 2 Abs. 1 F A G kann die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen verliehen werden. Zuständig für derartige Konzessionen ist gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 F A G der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen oder die von i h m hierzu ermächtigten Behörden, i. e. die Deutsche Bundespost. Bei der Entscheidung über die Lizenzerteilung handelt es sich u m eine Ermessensentscheidung. Sie kann (daher) m i t Bedingungen versehen werden, die sich wegen der gegenständlich beschränkten Gesetzeskompetenz des Bundes allerdings nur auf den sendetechnischen Bereich beziehen dürfen. Unzulässig sind vor allem Bedingungen hinsichtlich der Organisation der Veranstaltung von Rundfunksendungen und des Inhalts der Sendungen. Derartige Regelungen sind allein Sache des Landesgesetzgebers 31. Keine Verleihungsbedingung i m Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 F A G ist das Verlangen der Bundespost, daß der Antragsteller die durch das jeweilige Landesrecht geforderten Voraussetzungen für den Betrieb eines Rundfunkunternehmens erfüllt. Eine derartige „Bedingung" ist nicht nur zulässig; sie w i r d durch den Verfassungsgrundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, der vom BVerfG (gerade auch) für den Bereich des Rundfunkwesens betont w i r d 3 2 , gefordert. Andern-
3i BVerfGE
12, 205/238 f.
2. A b s c h n . : T r ä g e r v o n R u n d f u n k u n t e r n e h m e n
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falls könnte der Bund die rundfunkrechtlichen Kompetenzen der Länder faktisch unterlaufen 33 . Die besondere Problematik beginnt m i t der Frage, ob dieser Konsens m i t den landesrechtlichen Regelungen auch dann erforderlich ist, wenn das Landesrecht verfassungswidrig ist; konkreter: wenn der durch das Landesrecht verfügte Ausschluß privater Rundfunkunternehmen gegen Normen der Landesverfassung oder/und des Grundgesetzes verstößt 34 . Die Richtung der weiteren Überlegungen ist damit hinreichend deutlich vorgezeichnet. Die fernmelderechtliche Seite des Rundfunks braucht im wesentlichen nicht mehr erörtert zu werden. Es geht um den Rundfunk i m kulturell-rechtlichen Sinne, u m die i n der Kompetenz des Landesgesetzgebers stehenden Regelungen für die Veranstalter und für die Veranstaltung von Rundfunksendungen. I m Vordergrund der Betrachtung hat hierbei die i n Bayern geltende Rechtslage zu stehen.
2. Abschnitt
Die Träger von Rundfunkunternehmen nach den Landesrundfunkgesetzen I n der Bundesrepublik Deutschland gibt es neun regionale Rundfunkunternehmen, die sämtlich Mitglieder der A R D sind (ARD-Landesrundfunkanstalten); daneben ist vor allem die überregionale Fernsehanstalt ZDF zur Veranstaltung eines bundeseinheitlichen „zweiten" Fernsehprogramms zu erwähnen 35 . Alle Rundfunkanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts m i t dem Recht der Selbstverwaltung 36 . Private Rundfunkunternehmen gibt es derzeit nicht. Lediglich im saarländischen Rundfunkgesetz ist die Möglichkeit eröffnet, Konzessionen an Rundfunkveranstalter privaten 32 BVerfGE 12, 205/239 f., 249 f., 254 f. 33 Ausführlich dazu Rudolf, Zulässigkeit, S. 47 ff. 34 Vgl. Rudolf, Zulässigkeit, S. 47 ff.; Rudolf/Meng, Breitbandkommunikation, S. 25 f. 35 Zutreffend betont Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 341 f., daß f ü r das Z D F ein „staatlicher Betriebsvorbehalt" insofern gilt, als „ein »zweites Fernsehprogramm' — nach dem ZDF-Staatsvertrag ein bundeseinheitliches Fernsehvollprogramm — . . . naturgemäß bei Beauftragung eines Unternehmens n u r von diesem Unternehmen u n d keinem anderen veranstaltet w e r den" kann. — Z u weiteren, hier nicht näher zu berücksichtigenden R u n d f u n k unternehmen i n der Bundesrepublik vgl. Herrmann, S. 26 f.
56
I . 2. K a p . : E i n f a c h - g e s e t z l i c h e R e c h t s l a g e i m
Rundfunkwesen
Rechts zu erteilen (§§ 38 ff. GVRS) 37 . Diese Möglichkeit ist aber bislang nicht realisiert worden.
A. Rechtliche und faktische „Monopole" für öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen I . Die rechtliche Lage i m Bereich des N D R
Für den NDR besteht ein gesetzlich ausdrücklich normiertes Monopol. § 3 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrages über den NDR bestimmt: „Dem NDR sind das ausschließliche Recht und die Pflicht vorbehalten, i n den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Freie und Hansestadt Hamburg (Sendegebiet) die hierfür erforderlichen Anlagen des Hörrundfunks und des Fernsehfunks zu errichten und zu betreiben, sowie die Anlagen des Drahtfunks zu versorgen 38 ." Das BVerfG 5 9 hat § 3 Abs. 1 des Staatsvertrages bzw. die Zustimmungsgesetze der Länder zu diesem Vertrag insoweit wegen Widerspruchs zur Fernmeldehoheit des Bundes für verfassungswidrig und nichtig erklärt, als damit dem NDR das ausschließliche Recht vorbehalten wird, sendetechnische Anlagen des Hörrundfunks und des Fernsehfunks zu errichten und zu betreiben. I m übrigen aber, soweit sich also die Monopolisierung auf die Programmveranstaltungen bezieht, seien die Zustimmungsgesetze m i t dem Grundgesetz vereinbar. Eine derartige Monopolisierung widerspreche weder den Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes 40 , noch stehe es „unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten" (des Jahres 1961) i m Widerspruch zu A r t . 5 GG 4 1 ,
3« Vgl. etwa A r t . 1 Abs. 1 BayRuFuG; § 1 Abs. 1 hessRuFuG; § 1 Abs. 1 Staatsvertrag über den NDR. — Z u r Organisation vgl. etwa Jank, R u n d f u n k anstalten; Brack, Organisation. 37 Dazu etwa Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 343 m. w. N. 38 Vgl. auch A r t . 3 Abs. 1 der Satzung des N D R v o m 2. 3.1956 i. d. F. v o m 29.10.1973. 39 BVerfGE 12, 205/207, 223 ff., 243. 40 BVerfGE 12, 205/240. « BVerfGE 12, 205/262. Vgl. etwa auch Rudolf, Zulässigkeit, S.36ff.; Badura, Verwaltungsmonopol, S. 181; Krause-Ablaß, D Ö V 1962, S. 251. — Daß es sich beim Rundfunk-„Monopol" i n Wahrheit (im Hinblick auf die Bundesrundfunkanstalten u n d das ZDF) eher u m ein „Oligopol" handelt, hat schon Lerche (Rundfunkmonopol, S. 13) betont. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei diesem „Monopol" u m k e i n echtes Verwaltungsmonopol handelt, w e i l das Rundfunkmonopol — worauf ζ. B. auch Rupert Scholz (JuS 1974, S. 304) aufmerksam macht — „allein auf staatlichem Organisationsvor-
2. A b s c h n . : T r ä g e r v o n R u n d f u n k u n t e r n e h m e n
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I I . Die rechtliche Lage im Bereich des SWF
Nicht eindeutig ist die rechtliche Regelung für den SWF. §4 des Staatsvertrages über den SWF bestimmt: „Die vertragschließenden Länder werden im Sendegebiet keine weiteren Rundfunkanstalten, Funkhäuser und Rundfunkstrahlungsanlagen fester oder beweglicher A r t errichten." § 2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung des SWF 4 2 lautet: „Ausschließlicher Zweck des Südwestfunks ist die alleinige funkversorgung i m Sendegebiet."
Rund-
Lerche 43 w i l l i n diesen Vorschriften eine „ausdrückliche monopolistische Regelung" zugunsten des SWF sehen. Rudolf 4 4 verneint demgegenüber ein derartiges (rechtliches) Monopol. Während § 4 des Staatsvertrages nur die vertragschließenden Länder binde und damit Dritte nicht daran hindere, weitere Rundfunkanstalten zu errichten, enthalte A r t . 2 Abs. 2 der Satzung zwar eine Monopolisierung für den SWF; da die Satzung aber „ n u r untergesetzliches Recht darstellt, besteht eine vom Landesgesetzgeber beschlossene Monopolstellung des Südwestfunks als einziger Rundfunkträger i m Sendegebiet nicht". Folgt man der Auffassung von Rudolf, so kann für den SWF (nur) ein faktisches Monopol angenommen werden, weil i n dem betreffenden Sendegebiet tatsächlich kein anderer Rundfunkträger existiert. I I I . Die rechtliche Lage in den übrigen Sendebereichen
Die übrigen Landesrundfunkgesetze enthalten keinen ausdrücklichen Betriebsvorbehalt bzw. kein Monopol für die jeweilige Rundfunkanstalt oder überhaupt für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten 45 . Aber auch i m Geltungsbereich dieser Landesrundfunkgesetze besteht mangels anderer Rundfunkunternehmen ein faktisches Monopol der behalt u n d nicht, w i e es bei Verwaltungsmonopolen sonst üblich ist, auf staatlichem Funktionsvorbehält aufbaut". Zutreffend betont Rupert Scholz jedoch auch: „Nachdem sich das organisationsrechtliche Verwaltungsmonopol hier aber ebenfalls als tatsächliche Berufssperre auswirkt, ist der Rückgriff auf die Grundsätze zum allgemeinen (funktionsrechtlichen) Verwaltungsmonopol berechtigt." 42 V o m 20. J u n i 1952 (BAnz. Nr. 138 S. 157) i. d. F. v o m 7. J u n i 1974 (BAnz. 1975 Nr. 24 S. 7). 43 Rundfunkmonopol, S. 12; ebenso Badura, Verwaltungsmonopol, S. 181 f. 44 Zulässigkeit, S.37f.; ders., N J W 1972, S. 1292. 45 Siehe allerdings die Regelung i n §37 GVRS f ü r sonstige R u n d f u n k anstalten des öffentlichen Rechts, die nach Abs. 2 dieser Bestimmung nur errichtet werden sollen, „soweit ihre Aufgaben nicht v o m Saarländischen Rundfunk erfüllt werden können".
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jeweiligen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 46 . Darüber hinaus ist zu beachten, daß das BVerfG 4 7 „besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der i n Art. 5 GG gewährleisteten Freiheit" fordert, die „allgemein verbindlich zu sein haben und daher durch Gesetz zu treffen sind". Derartige Gesetze existieren — sieht man von der saarländischen Regelung in §§ 38 ff. GVRS ab — bisher nur i n bezug auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Für Rundfunkunternehmen anderer Art, nämlich des privaten Rechts, bestehen keine gesetzlichen Regelungen. Aus dem Fehlen gesetzlicher Regelungen bzw. dem Mangel einer gesetzlichen Zulassung könnte auf das Fehlen der gesetzlichen Zulässigkeit geschlossen werden. Das wiederum würde bedeuten, daß in allen Ländern (mit Ausnahme des Saarlandes) auch die kabelgebundenen Informationsverteildienste allein von den (derzeit existierenden) öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erbracht werden dürfen 4 8 . Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung soll, soweit sie sich auf die einfachgesetzliche Rechtslage i m Rundfunkwesen bezieht, nicht bestritten werden. Auf die Frage, ob die einfachgesetzliche Rechtslage auch (noch) der heutigen Verfassungsrechtslage entspricht und ob gleiches schließlich auch für die Pilotprojekte bzw. den Münchner Modellversuch gilt, w i r d später einzugehen sein. Auch im Bayerischen Rundfunkgesetz ist kein ausdrücklicher Betriebsvorbehalt für den Bayerischen Rundfunk oder überhaupt für eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt normiert* 9. Als einzige Landesverfassung enthält jedoch die Bayerische Verfassung i n Art. l i l a Abs. 2 eine i n Einzelheiten gehende rundfunkorganisationsrechtliche Bestimmung. Die Vorschrift, die erst 1973 i n die Verfassung aufgenommen wurde, lautet: „Rundfunk w i r d i n öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben. A n der Kontrolle des Rundfunks sind die i n Betracht kommenden bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu beteiligen. Der Anteil der von der Staatsregierung, dem Landtag und dem Senat i n die Kontrollorgane entsandten Vertreter darf ein Drittel nicht übersteigen. Die weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen wählen oder berufen ihre Vertreter selbst." Die Vorschrift bedarf einer genauen Analyse. 46 Vgl. Rudolf, Zulässigkeit, S. 39. 47 BVerfGE 12, 205/262 f.; E 31, 314/326. 48 Vgl. etwa Rudolf/Meng, Breitbandkommunikation, S. 45 f.; Rupert Scholz, JuS 1974, S. 300 m. w. N. 40 Auch aus A r t . 3 Nr. 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks kann nichts Gegenteiliges entnommen werden.
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Β . Die bayerische Besonderheit: A r t . I l i a Abs. 2 B V I . Verfassungskräftige Verankerung der „formellen Rundfunkfreiheit"
Auch die Verfassungen anderer Bundesländer enthalten Regelungen zur Rundfunkfreiheit. Sie beschränken sich jedoch — w i e das Grundgesetz — auf Aussagen „materieller" A r t 5 0 . Allein die Bayerische Verfassung konstituiert darüber hinaus i n A r t . I l i a Abs. 2 bestimmte Organisationsgrundsätze: Der Rundfunk w i r d danach „ i n öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben" (Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 BV); außerdem w i r d i n A r t . l i l a Abs. 2 Satz 2 B V vorgeschrieben, daß an „der Kontrolle des Rundfunks . . . die i n Betracht kommenden bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu beteiligen" sind. Art. I l l a Abs. 2 Satz 3 B V schließlich legt ein Beteiligungslimit der Regierungs-, Landtags- und Senatsvertreter i n den Kontrollorganen fest. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof 51 spricht in bezug auf diese Regelungen von „formeller Rundfunkfreiheit". Die eigentliche Besonderheit der durch A r t . I l i a Abs. 2 B V geschaffenen Situation liegt zum einen darin, daß die dort geregelten Organisationsgrundsätze Verfassungsrechtssätze sind und daher nur im qualifizierten Gesetzgebungsverfahren nach Art. 75 BV geändert werden können. Dies bedeutet vor allem die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der Mitgliederzahl des Landtags sowie Volksentscheid (Art. 75 Abs. 2 BV). Zum andern enthält A r t . l i l a Abs. 2 B V auch eine inhaltliche Besonderheit. Er begründet zwar keine verfassungsrechtliche Garantie des (nur faktisch bestehenden) Monopols des Bayerischen Rundfunks, wohl aber garantiert er in Satz 1, daß Rundfunk allein i n öffentlicher Verantwortung und i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben wird. Damit können neben Anstalten auch andere öffentlichrechtliche Organisationsformen (Stiftungen, Körperschaften) Träger des Rundfunks sein; ausgeschlossen aber ist jede Art privatrechtlicher Trägerschaft 52. M i t diesem Numerus clausus für öffentlich-rechtliche Organisationsformen geht A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 Β V über die Regelung des Bayerischen Rundfunkgesetzes hinaus. Wenig Sinn allerdings gibt der Ausschluß privatrechtlicher bzw. das Gebot öffentlich-rechtlicher Trägerschaft i n Verbindung m i t dem wei50 Vgl. etwa A r t . 8 Abs. 2 Verfassung von Berlin; A r t . 15 Abs. 5 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen; A r t . 13 Verfassung des Landes Hessen. 51 BayVerfGH, V G H n.F. 30, 95. 52 BayVerfGH, V G H n.F. 30, 95 f.; Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 65; M. Rath, A f P 1978, S. 71 f.
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teren Gebot, Rundfunk i n „öffentlicher Verantwortung" zu betreiben. Organisationseinheiten, die unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen, haben stets „ i n öffentlicher Verantwortung" zu handeln. Eindeutig wäre die Regelung in A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V dagegen dann, wenn man annehmen könnte, daß „ i n öffentlicher Verantwortung" und „ i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft" als alternative Möglichkeiten eines Rundfunkbetriebs angeboten werden sollen. Eine derartige Auslegung widerspräche jedoch dem Wortlaut der Bestimmung; denn es heißt nicht „Rundfunk w i r d i n öffentlicher Verantwortung" oder, sondern „ . . , und i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben". Der Wortlaut der Vorschrift also scheint klar, i h r Sinn aber dunkel zu sein. Bei dieser Situation liegt es nahe, nach der Regelungsabsicht des verfassungsändernden Gesetzgebers zu fragen und zu versuchen, aus der Entstehungsgeschichte der Norm und den Materialien Aufschlüsse über seine Normvorstellungen zu gewinnen, zumal die i n Betracht stehende Regelung noch relativ „jung" ist, so daß der historischen Interpretationsmethode größeres Gewicht beigemessen werden kann 6 3 . I I . Die Entstehungsgeschichte der Verfassungsnorm
A r t . I l l a B V wurde durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern v. 19. 7.1973 (GVB1. S. 389) eingefügt. Die Initiative zur Verfassungsänderung ging vom V o l k i m Wege des Volksbegehrens aus (Art. 75 Abs. 1 Satz 1, Art. 71 BV); das Volksbegehren wurde durch den Landeswahlleiter des Freistaates Bayern i n seiner Bekanntmachung v. 22. August 197254 als rechtsgültig festgestellt. Der dem Volksbegehren zugrundeliegende Entwurf eines Gesetzes über die Einführung eines A r t . I l i a in die Bayerische Verfassung 55 hatte i n dem hier interessierenden Abs. 1 Satz 1 folgenden Wortlaut: „Hörfunk und Fernsehen werden ausschließlich von öffentlich-rechtlichen A n stalten betrieben." Die Begründung lautete i n ihren wesentlichen Passagen folgendermaßen 56 : „ I n Bayern w i r d gegenwärtig der Versuch unternommen, die i n den letzten beiden Jahrzehnten gefestigte Rundfunk- und Fernsehfreiheit anzutasten und den Bayerischen Rundfunk parteipolitischen Zwecken dienstbar zu machen. Der Bayerische Senat, der Rundfunkrat u n d viele verantwortungsbewußte gesellschaftliche u n d politische Gruppen haben sich dem Versuch vergeblich widersetzt. Die Freiheit und Unabhängigkeit des Hörfunks u n d 53 Dazu Larenz, Methodenlehre, S. 315 ff. 54 StAnz. Nr. 34 v o m 25. 8.1972, S. 1. 55 Bayerischer Landtag, Drs. 7/3069, A n i . 1. 56 Bayerischer Landtag, Drs. 7/3069.
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des Fernsehens von kommerziellen und parteipolitischen Einflüssen muß deshalb nunmehr i n der Bayerischen Verfassung förmlich gewährleistet werden. Wirtschaftliche u n d politische Interessen erfüllen nicht alle Bedürfnisse des Menschen. Die vorgeschlagene Verfassungsergänzung begrenzt den Einfluß des Staates u n d der politischen Parteien i m Rundfunkrat u n d stellt klar, daß private R u n d f u n k - u n d Fernsehanstalten i n Bayern nicht zulässig sind. Dadurch soll auch das bei vielen ausländischen Stationen zu beobachtende Abgleiten der Programme i n Rohheit, B r u t a l i t ä t u n d P r i m i t i v i t ä t verhindert werden . . . "
I n ihrer Stellungnahme zum Volksbegehren 57 macht die Staatsregierung sowohl verfassungsrechtliche als auch verfassungspolitische Bedenken geltend. Sie führt u. a. aus: Eine Verfassung solle n u r die Grundfragen des staatlichen Lebens regeln. Die Ausfüllung dieses Rahmens sei Sache des Gesetzgebers. Ob der Rundfunk n u r durch öffentlich-rechtliche Anstalten oder daneben auch durch gesellschaftliche Gruppen, Körperschaften oder Private betrieben werden soll, gehöre nicht zur rechtlichen Grundordnung u n d sollte daher nicht i n der Verfassung geregelt werden. Die Monopolisierung des Rundfunks zugunsten der öffentlichen H a n d sei nicht die nach der Verfassung allein zulässige F o r m f ü r das Betreiben von Rundfunk. Böte sich bei entsprechenden sendetechnischen u n d finanziellen Gegebenheiten eine bessere Lösung, wie z.B. die zusätzliche Zulassung der interessierten gesellschaftlich relevanten G r u p pen als Veranstalter von Rundfunk an, so würde ein verfassungsrechtliches Verbot dieser als sinnvoll erkannten Regelung entgegenstehen. Außerdem könne die Schwierigkeit, die einmal verfassungskräftig getroffene Entscheidung zu ändern, von vornherein dazu führen, daß die Entwicklung sendetechnischer Möglichkeit vernachlässigt w i r d , w e i l die Zulassung als V e r anstalter von Rundfunk aussichtslos erscheint. Insoweit würde die Verfassung sogar dem technischen Fortschritt u n d einer dadurch möglichen besseren Verwirklichung des Grundrechts der Meinungsfreiheit entgegenstehen. A r t . 5 Abs. 1 GG gewährleiste nicht n u r die Freiheit der Meinungsäußerung u n d Meinungsverbreitung als solche, sondern auch die Freiheit i n der W a h l der Mittel. Das gelte auch f ü r den Rundfunk. Z w a r habe das B V e r f G i n früheren Urteilen eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisation für zulässig angesehen, das allerdings nur auf der Grundlage der damaligen sendetechnischen Gegebenheiten. Bei entsprechender Änderung der Gegebenheiten verstärke sich die Freiheit i n der Wahl der M i t t e l der Meinungsverbreitung aber i m Rundfunkbereich. I m Hinblick auf das jeder Verfassung eigene Streben nach Dauerhaftigkeit und zeitlich unbeschränkter Geltung sollte die Aufnahme einer Verfassungsbestimmung vermieden werden, bei der n u r der Zeitpunkt ihrer Kollision m i t Bundesverfassungsrecht strittig sei. Auch die Grundrechte der Bayerischen Verfassung sicherten dem einzelnen ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit. Die Meinungsfreiheit sei darüber hinaus f ü r eine freiheitliche demokratische Grundordnung „schlechthin k o n stituierend", denn ohne Freiheit der Meinungsäußerung u n d der Information sei eine Demokratie nicht denkbar. Die Meinungsfreiheit sei somit eine der Grundsatznormen der Verfassung, die i n ihrem Wesenskern einer Verfassungsänderung entzogen seien. Es ließen sich gute Gründe dafür anführen, daß ein auf Dauer angelegtes Monopol der öffentlich-rechtlichen Anstalten « Bayerischer Landtag, Drs. 7/3069, Ani. 2.
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zur Veranstaltung von Rundfunk das Grundrecht des einzelnen auf Äußerung u n d Verbreitung seiner Meinung (Art. 110 BV) i m Wesenskern berühre u n d sogar die nach A r t . 75 Abs. 1 Satz 2 B V der Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogenen demokratischen Grundgedanken verletze.
I n den drei Lesungen des Gesetzesentwurfs 58 wurde von seiten der Mehrheitsfraktion der CSU vor allem die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs bezweifelt. Von Abgeordneten der SPD und FDP wurde darauf hingewiesen, daß die ausschließliche öffentlich-rechtliche Trägerschaft von Rundfunk und Fernsehen i m Interesse der Rundfunkfreiheit unabdingbar und auch ein Kerninhalt des Volksbegehrens sei. Das Postulat der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft solle ganz eindeutig dazu dienen, jede A r t von Privatrundfunk auszuschließen. Nach den Ausschußberatungen erließ der Landtag folgenden Beschluß 59 : „Der Landtag bestreitet die Rechtsgültigkeit des Volksbegehrens zur Einführung eines Artikels 111 a (Rundfunkfreiheit) i n die Verfassung des Freistaates Bayern, weil der unterbreitete Gesetzesantrag gegen A r t i k e l 75 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung m i t A r t i k e l 110, 112 der Verfassung für den Freistaat Bayern und gegen A r t i k e l 5 des Grundgesetzes verstößt." Uber die Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens sollte daher eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs herbeigeführt werden. Für den Fall, daß der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtsgültigkeit des Volksbegehrens feststellen sollte, beschloß der Landtag, den i m Volksbegehren unterbreiteten Gesetzesantrag abzulehnen und einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen, der i n dem hier interessierenden Passus lautete: „Rundfunk darf nur i n öffentlicher Verantwortung betrieben werden." Sodann aber begannen außerhalb des Landtags „VergleichsVerhandlungen" zwischen allen beteiligten Gruppen von Anhängern und Gegnern des Volksbegehrens. A m 22. Januar 1973 führten diese Verhandlungen zu einer Einigung, die die nunmehr geltende Fassung des Art. I l l a B V beinhaltete. Für den Fall, daß sich die damals angenommene verfassungsrechtliche Ausgangslage — insbesondere i m Hinblick auf eine Erweiterung der Rundfunkfreiheit des A r t . 5 Abs. 1 GG — ändern sollte, einigte man sich darauf, daß die Beteiligten die dann gegebene Verfassungsrechtslage prüfen würden 6 0 . Nach dieser Einigung ss Vgl. Stenogr. Berichte Nrn. 7/48, 7/52. 50 Bayerischer Landtag, Drs. 7/3480.
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wurde die nunmehr geltende Fassung des A r t . I l i a B V i m Landtag m i t der nötigen Zweidrittelmehrheit beschlossen und dem Volk zum Volksentscheid vorgelegt, das die Änderung billigte. Damit ist i n Bayern 1973 Verfassungsrecht geworden, was vom Parlamentarischen Rat für das Grundgesetz bewußt abgelehnt worden war. Wie v. Mangoldt 6 1 selbst berichtet, konnte er sich schon i m Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rats m i t seinem Antrag nicht durchsetzen, für die Rundfunkträger allein die Rechtsform der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts vorzusehen. Vor allem die Abgeordneten Heuß und Süsterhenn sprachen sich dagegen aus. Sie hielten es für „falsch, die zukünftige Form des Rundfunks ein für allemal i m Grundgesetz festzulegen". Vor allem die Möglichkeit eines privaten oder kirchlichen Rundfunks sollte nicht ausgeschlossen werden 6 2 . III. Ein Kompromiß ohne rechtlichen Sinn? Auf die hier interessierende Frage, warum die ursprünglich sehr dezidiert vertretenen, unvereinbar gegensätzlichen Positionen, nämlich einerseits den Rundfunk ausschließlich m i t öffentlich-rechtlicher Trägerschaft und andererseits nur i n öffentlicher Verantwortung betreiben zu lassen, letzten Endes i m Änderungsgesetz kumulativ verbunden wurden, geben also die Entstehungsgeschichte und die Materialien keine direkte Antwort. Es war das Ergebnis der „VergleichsVerhandlungen", über die keine (für eine Verfassungsinterpretation eindeutig verwertbaren) Protokolle existieren. Die Kumulation scheint also zu jenen „Zufälligkeiten" zu gehören, die i m politischen Bereich nicht selten sind und unter der Rubrik „Kompromisse" geführt werden. Bei näherem Hinsehen aber w i r d man der Verbindung nicht jeden Sinn absprechen können. Sicher ist, daß die Mehrheit i m Bayerischen Landtag, die zunächst die Auffassung vertreten hatte, es müsse die Festlegung des Rundfunkbetriebs auf eine öffentliche Verantwortung genügen, kaum beabsichtigt haben dürfte, durch die nunmehr Verfassungstext gewordene Kumulation von öffentlicher Verantwortung und öffentlich-rechtlicher Trägerschaft die m i t der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft des Rundfunks verbundenen Folgen zu verstärken — was immer darunter verstanden werden mag. Darüber hinaus und gleichsam umgekehrt kann dagegen nicht von der Hand gewiesen werden, daß verfassungspolitisch die öffentliche Verantwortung des Rundfunks offenbar besonders betont werden sollte. Nur so läßt sich 60 Vgl. dazu den Bericht i n : A f P 1973, S. 371. « Das Bonner Grundgesetz (1953), S. 66. 62 V g l . JÖR, B d . 1, S. 86.
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überhaupt die zusätzliche Erwähnung der öffentlichen Verantwortung i n A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 B V erklären und es kann nicht ohne zwingenden Grund angenommen werden, der verfassungsändernde Gesetzgeber habe nicht bedacht, daß jede öffentlich-rechtliche Organisationseinheit ohnehin i n öffentlicher Verantwortung steht oder er habe schlicht gar nichts gedacht. Vor allem ist hier aber auch die i n den Vergleichsverhandlungen getroffene Vereinbarung zu beachten, wonach eine erneute Überprüfung der Verfassungsrechtslage für den Fall einer Veränderung der verfassungsrechtlichen Ausgangslage vorgenommen werden soll. Diese erneute Überprüfung kann sich nach allem augenscheinlich nur auf die Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft beziehen, die damit von Anfang an als revidierbar angesehen und i n ihrem verfassungspolitischen Stellenwert geringer eingeschätzt w i r d als die unbestrittene öffentliche Verantwortung der Rundfunkveranstaltung. Auch die damaligen Verfechter der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft sahen also i n dieser Rechtsform kein (unabänderliches) Dogma. Daran muß heute erinnert werden, vor allem i m Hinblick auf das anstehende Pilotprojekt und die Tatsache, daß — wie noch darzustellen sein w i r d — die technische Entwicklung seit 1973 erhebliche Fortschritte gemacht hat. Das Pilotprojekt ist ein geeigneter Anlaß, die i n den Vergleichs Verhandlungen des Jahres 1973 vereinbarte erneute Uberprüfung anzugehen. Die weiteren Ausführungen werden ergeben, daß diese Überprüfung auch verfassungsrechtlich zwingend ist. Die für die zukünftige Entwicklung i m (bayerischen) Rundfunkwesen wichtigen verfassungspolitischen Perspektiven sind i n diesem Stadium der Untersuchung aber noch zurückzustellen. Hier bleibt zunächst das Gebot öffentlich-rechtlicher Trägerschaft dominant. Ist danach eine privatrechtliche Runâîunktrâgerschaft ausgeschlossen, so verbleibt die Frage, ob und inwieweit unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft Private bei der (kabelgebundenen) Informationsverteilung „ m i t w i r k e n " können, genauer: Ob und inwieweit auch Privaten Verantwortung für Programme übertragen werden kann 6 3 . Dabei soll unterstellt werden, daß Art. l i l a Abs. 2 B V m i t den Fundamentalnormen der Bayerischen Verfassung (insbes. m i t A r t . 110 Abs. 1) vereinbar ist 6 4 . Seine Vereinbarkeit m i t dem Grundgesetz bleibt noch dahingestellt. 63
Daß Programmbeiträge v o n Privaten hergestellt u n d sodann v o m Rundfunkunternehmen ausgewählt werden können m i t der Folge, daß sie von dem Rundfunkunternehmen zu verantworten sind, ist ebenso üblich w i e hier uninteressant (vgl. dazu etwa Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 29). β4 BayVerfGH, V G H n.F. 30, 78 ff.
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3. Abschnitt
öffentlich-rechtliche Trägerschaft und privatrechtliche Programmverantwortung unter Geltung des Art. I l i a Abs. 2 BV A. Die rechtstechnische Konstruktion Privatrechtliche Programmverantwortung i m Sinne einer „privaten Inhaltsverantwortung" bedeutet ganz allgemein die Steuerung der Aussage- und Programmgestaltung durch Private, wobei sowohl (geschäftsfähige) natürliche Personen als auch juristische Personen i n Betracht kommen. Darüber hinaus sind aber auch sonstige Personengruppen, wie etwa ein nicht eingetragener Verein oder eine bürgerlichrechtliche Gesellschaft als Träger der Inhaltsverantwortung denkbar, wenn sie die erforderliche aufgabenspezifische Konsistenz, also insbesondere einen geschlossenen Mitgliederbestand haben und auf Dauer angelegt sind. Die Zusammenstellung eines Programms aus einer Vielzahl möglicher Aussagen u n d Beiträge, die „Programmgestaltung", ist „essentiell Sache der Rundfunkunternehmen" 6 5 . Hier liegt auch der verfassungsrechtliche „Nerv", gleichgültig, ob es sich u m Gestaltung i m Bereich des Rundfunks oder u m andere Telekommunikationsarten handelt. F ü r den Rundfunk setzt an diesem Punkt der verfassungsrechtliche Schutz sowohl des A r t . I l l a B V als auch des hier noch nicht zu berücksichtigenden A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG an: „ K e r n der Rundfunkfreiheit ist die Programmfreiheit 6 6 ". F ü r die Ermöglichung einer privaten Rundfunkprogrammverantwortung unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft lassen sich zwei Wege denken: — zum einen die Zulassung privatrechtlicher Inhaltsverantwortung i m Rahmen der bereits bestehenden Anstalt „Bayerischer Rundfunk". Das geltende Bayerische Rundfunkgesetz sieht keine verantwortliche Beteiligung Privater i. S. einer potentiellen „ Jedermann"Beteiligung am Betrieb und speziell auch keine private Programmverantwortung vor 6 7 . Die entsprechende Regelung könnte aber durch eine Gesetzesänderung geschaffen werden. es Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 28. 66 Osseribühl, R u F 1968, S. 392; vgl. etwa auch Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 48. 67 Die i n A r t . 4 Abs. 2 Nrn. 2 bis 5 u n d Abs. 3 B a y R u F u G vorgehaltenen Sendezeiten f ü r D r i t t e bedeuten offensichtlich keine „Jedermann"-Beteiligung 5 Schmitt Glaeser
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— zum anderen wäre es, weil auch A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 B V kein Monopol für den Bayerischen Rundfunk begründet, ebenso denkbar, daß neben dem Bayerischen Rundfunk eine weitere Organisationseinheit i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (Körperschaft, A n stalt, Stiftung) geschaffen wird, bei der kraft Gesetzes eine Programmverantwortung (auch) für Private begründet w i r d 6 8 . Die Teilnahmeberechtigung als Programmveranstalter müßte auf Antrag i n einem Konzessionsverfahren entschieden werden 6 9 . Rechtstechnisch sind beide Konstruktionen möglich. Gerade bei den hier i n Betracht stehenden Organisationsarten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen lassen sich die unterschiedlichsten Aufgabenzuweisungen und zahlreiche Organisationsvarianten feststellen 70 . A r t und Umfang der übertragenen Aufgaben und das Wie ihrer Erledigung sind vornehmlich Sache des Gesetzgebers. Die öffentlich-rechtliche Trägerschaft einer Organisation schließt auch nicht aus, daß i h r der Gesetzgeber die Konzessionierung Privater überträgt und die Aufgabe der Organe i m übrigen darauf beschränkt, die Tätigkeit der Konzessionsträger zu überwachen 71 . Nach diesem Organisationsschema ist der Entwurf eines Staatsvertrages zwischen den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur Durchführung eines Modellversuches mit Breitbandkabel (Kabelpilotprojekt) i m Raum Ludwigshafen-Mannheim konstruiert (überarbeitetes Modell auf i n diesem Sinne. Sie beruhen auf gezielter A u s w a h l (vgl. zur bundesrepublikanischen Gesamtsituation Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 29 m. ζ. N.). 68 Diese Möglichkeit sieht auch (unabhängig von der bayerischen Rechtslage) Rudolf, Zulässigkeit, S. 76 f.: „ . . . so k a n n . . . neben die jeweilige Anstalt eine weitere öffentlich-rechtliche Anstalt treten, die ihre Programme k o m merziell betreibt, d. h. Sendezeit vermietet." ββ Die Konzession ist keine Beleihung (Wolff / Bachof I I , § 1041 d, S. 454). E i n Beleihungsverhältnis oder auch n u r der Vergleich privater R u n d f u n k bzw. Programmgestalter m i t Beliehenen scheidet (entgegen Schmitz, D Ö V 1969, S. 700) schon deswegen aus, w e i l es sich bei der Konzessionierung nicht eigentlich u m die Übertragung v o n Kompetenzen oder gar u m Delegation staatlicher Aufgaben handelt. Rundfunk ist keine Staatsauf gäbe; es gibt daher auch keinen Staatsrundfunk. Vielmehr geht es hier u m eine „Sache der Allgemeinheit" (BVerfGE 31, 314/327), u m eine öffentliche Aufgabe, die n u r originär zugewiesen werden kann. Vgl. etwa Lerche, Rundfunkmonopol, S. 33; Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 59, F N 163, jeweils m. w . N. 70 I l l u s t r a t i v v o r allem Wolff / Bachof I I , §§84 ff., S. 167 ff.; §§98 ff., S. 363 ff.; §§102 f., S. 442 ff. 71 Eine ähnliche Situation findet sich ζ. B. i m Bereich der kassenärztlichen Versorgung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen u n d Kassenärztlichen B u n desvereinigungen erfüllen als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 368 k, Abs. 3 Satz 1 RVO) ihre Sicherstellungspflicht i m H i n b l i c k auf die ärztliche Versorgung (§ 368 n, Abs. 1 i. V. m. § 368 Abs. 2 RVO) durch private Ärzte, die nach einem bestimmten Verfahren als Kassenärzte zugelassen werden (§§368 a ff. RVO).
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G r u n d der B e s p r e c h u n g der Chefs der der R u n d f u n k k o m m i s s i o n d e r L ä n d e r a n g e h ö r e n d e n Staats- u n d S e n a t s k a n z l e i e n v . 5. M a i 1978; siehe Anhang 1). D a r a u f w i r d noch einzugehen s e i n 7 2 . B. D i e Vereinbarkeit privatrechtlicher Programmverantwortung m i t A r t . I l i a Abs. 2 B V Schließt d i e ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e T r ä g e r s c h a f t des R u n d f u n k u n t e r n e h m e n s f ü r sich b e t r a c h t e t u n d r e i n o r g a n i s a t i o n s r e c h t l i c h eine p r i v a t e I n h a l t s v e r a n t w o r t u n g f ü r R u n d f u n k p r o g r a m m e n i c h t aus, so k a n n n u n m e h r die e i g e n t l i c h bedeutsame F r a g e angegangen w e r d e n , ob eine solche einfach-gesetzliche K o n s t r u k t i o n auch m i t A r t . I l i a A b s . 2 B V i n E i n k l a n g z u b r i n g e n ist. M . a. W . : V e r b i e t e t A r t . l i l a A b s . 2 B V n u r eine p r i v a t r e c h t l i c h e Trägerschaft oder d a r ü b e r h i n a u s auch d i e p r i v a t rechtliche Programmverantwortung i m Rahmen einer öffentlich-rechtl i c h e n T r ä g e r s c h a f t des R u n d f u n k u n t e r n e h m e n s ? I . Der Wortlaut des Art. I l i a Abs. 2 BV als Interpretationsansatz Z u n ä c h s t i s t festzustellen, daß d e r W o r t l a u t des A r t . I l i a A b s . 2 Satz 1 B V j e d e n f a l l s n i c h t für d e n Ausschluß einer p r i v a t e n P r o g r a m m v e r a n t w o r t u n g s p r i c h t 7 3 . Das G e b o t d e r ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n T r ä g e r 72 I m Ansatz zu einer ähnlichen Organisationsstruktur k o m m t Stammler (Kabelrundfunk, S. 40 ff.) auf G r u n d der Überlegung, ob die heutige Organisationsform der Rundfunkanstalten den neuen Möglichkeiten des Kabelrundfunks m i t seiner erheblich größeren Programmkapazität noch ganz entspreche. Die technischen Möglichkeiten der über Kabel geleiteten K o m m u n i k a t i o n könnte dem der Verfassung eher entsprechenden Modell der m i t sich selbst kommunizierenden Gesellschaft entgegenkommen u n d dem B ü r ger bzw. den interessierten Gruppen Raum geben zu einer eigenständigen, gestaltenden Mitarbeit. Einen (organisatorisch) gangbaren Weg sieht Stammler darin, „unter dem Dach der öffentlich-rechtlichen Anstalt, den interessierten gesellschaftlichen K r ä f t e n Sendezeiten f ü r selbst gestaltete Programmbeiträge bzw. P r o g r a m m - M i t w i r k u n g zur Verfügung zu stellen . . . M a n hätte sich . . . vorzustellen, daß innerhalb eines geschlossenen, von dem öffentlich-rechtlichen Träger zu verantwortenden Gesamtprogramms die jeweiligen Gruppen Gelegenheit erhielten, etwa i n Diskussionssendungen oder selbst gestalteten Programmbeiträgen ihre Ansichten zu bestimmten Themen vorzutragen u n d einander gegenüberzustellen." Wenn nach dieser organisatorischen Konzeption die Gruppenprogramme auch nicht v ö l l i g autonom gestaltet werden sollen, so ähnelt die G r u n d s t r u k t u r vor allem i n Hinblick darauf, daß auch Stammler eine öffentlichrechtliche Dachanstalt vorsieht, doch dem oben skizzierten Organisationsschema. 73 Vgl. dagegen die Formulierung des (abgelehnten) Antrages durch ν . Mangoldt i n der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses am 11.1.1949, Stenogr. Protokoll, S. 41: „ Z u r Sicherung dieser Freiheit u n d der Überparteilichkeit des Rundfunks werden die Sendeanlagen durch selbständige Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben, die auch die Sendeprogramme (!) bestimmen."
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2. K a p . : E i n f a c h - g e s e t z l i c h e R e c h t s l a g e i m
Rundfunkwesen
schaft bezieht sich eindeutig auf den Betrieb des Rundfunkunternehmens („Rundfunk w i r d . . . i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben.") und der Betrieb erschöpft sich keineswegs i n der Programmgestaltung 74 . Die „institutionelle Eigenständigkeit" des Rundfunks ist daher auch ähnlich abzugrenzen wie jener der Presse, der nach Auffassung des BVerfG 7 5 „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung" reicht 76 . So bildet ζ. B. der Arbeitskreis Organisation der K t K 7 7 insgesamt vier Funktionsbereiche des Rundfunkbetriebs: Produktion; Veranstaltung; Zulassung von Veranstaltern zum Netz; Errichten und Betreiben des Netzes. Damit soll selbstverständlich nicht i n Frage gestellt werden, daß — wie oben schon betont — Kern der Rundfunkfreiheit die Programmgestaltungsfreiheit ist und insofern gerade Abs. 2 und Abs. 1 von A r t . I l l a B V auf das engste zusammenhängen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die öffentlichrechtliche Trägerschaft auf die Organisation als Ganzes bezogen ist und sie als solche private Programmverantwortung (über den Weg der Konzessionierung) nicht ausschließt. Soweit A r t . I l i a Abs. 2 B V sich i n den Sätzen 2 ff. m i t Einzelheiten der Organisationsstruktur beschäftigt, geht es allein u m die Kontrollorgane und ihre Zusammensetzung. Durch Satz 1 aber wird, wie schon wiederholt betont, nur die privatrechtliche Trägerschaft ausgeschlossen. II. Der „traditionelle" Streitpunkt A k k u r a t u m diese Gegenposition: öffentlich-rechtliche oder privatrechtlich e Trägerschaft geht es stets, wenn — zustimmend oder ablehnend — von „Privatfunk", „privatem Rundfunk" oder „Privatisierung des Rundfunks" die Rede ist 7 8 . I n erster Linie ausschlaggebend für diese A r t der Problemsicht war das Fernsehurteil des BVerfG. Eine Fernseh-GmbH stand hier i m Mittelpunkt der Erörterungen und das Gericht hatte sich m i t Anstalten des öffentlichen Rechts (als Rechtsform der existierenden Rundfunkunternehmen) einerseits und rechtsfähigen Gesellschaften des privaten Rechts andererseits zu beschäftigen 79 . Aber auch das Saarländische Rundfunkgesetz ist zu nennen, das 74 Vgl. auch M. Rath, A f P 1978, S. 71 f. 75 BVerfGE 10, 118/121. 76 Z u r Vergleichbarkeit v o n Presse u n d Rundfunk BVerfGE 12, 205/260. 77 Anlageband 7 zum KtK-Telekommunikationsbericht („Organisation v o n Breitbandverteilnetzen"), S. 33 ff.; vgl. etwa auch Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 24 ff. 78 Vgl. i n diesem Zusammenhang auch M . Rath, A f P 1978, S. 71. 7» BVerfGE 12, 205/262: „ . . . Insbesondere ist es v o n der Bundesverfassung nicht gefordert, daß Veranstalter von Rundfunksendungen n u r Anstalten
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„Private Veranstalter von Rundfunksendungen" (Abschnitt C) den „Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts" gegenüberstellt und für erstere die „Rechtsform einer Aktiengesellschaft" (§ 40 Abs. 1 GVRS) verlangt 8 0 . Auch der (verfassungsändernde) Gesetzgeber des Art. I l l a B V war offensichtlich auf diese beiden Alternativen fixiert. Insofern ist auch (sogar) die Entstehungsgeschichte der Norm aufschlußreich. So heißt es i n der Begründung des Volksbegehrens 81 : „ . . . Die vorgeschlagene Verfassungsänderung begrenzt den Einfluß des Staates . . . und stellt klar, daß private Rundfunk- und Fernsehanstalten (!) i n Bayern nicht zulässig sind . . . " Der Abgeordnete Gabert (SPD) führte i n der ersten Lesung zur Vorgeschichte des Volksbegehrens u. a. aus: „ . . . möchte ich auch darauf hinweisen, daß es genügend Ankündigungen von CSU-Abgeordneten bezüglich der Zulassung von privaten Rundfunk:- und Fernsehanstalten (!) gegeben hat." Und der sodann folgende Satz des Abgeordneten zeigt m i t aller Deutlichkeit, welche Rolle gerade die Verhinderung eines privatrechtlichen Rundfunks nach der Konstruktion des Saarländischen Rundfunkgesetzes für das Volksbegehren gespielt hat: „ I m August 1971 begann sogar zwischen dem saarländischen Ministerpräsidenten und seinem bayerischen Amtskollegen ein Gedankenaustausch über die Möglichkeiten der Einrichtung privater Rundfunkanstalten 8 2 ." Ein ähnliches B i l d ergeben die Ausführungen von Abgeordneten der Mehrheitsfraktion. Besonders deutlich w i r d dies ζ. B. bei den Darlegungen des Abgeordneten Dr. Fischer (CSU), der ausdrücklich die „öffentlichrechtliche und privatrechtliche Trägerschaft" gegenüberstellt 83 . Selbstverständlich dürfen bestimmte Formulierungen von Abgeordneten i m Rahmen einer Gesetzeslesung, gerade was die rechtliche Terminologie betrifft, nicht überbewertet werden, und es wurde auch im Laufe der Beratungen nicht selten nur von „privatem" und „öffentlichem" Rundfunk gesprochen. Die Zitate aus den Gesetzeslesungen sollten auch nur das B i l d weiter abrunden und sie bestätigen immerh i n die i m Hinblick auf den Wortlaut des A r t . l i l a Abs. 2 B V getroffene Feststellung, daß das Gebot einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft des Rundfunkbetriebs zwar eine privatrechtliche Trägerschaft, keinesfalls eine privatrechtliche Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlichrechtlichen Rundfunkorganisation ausschließt. des öffentlichen Rechts sein können. Auch eine rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts könnte Träger v o n Veranstaltungen dieser A r t sein . . . " 80 Stern / Bethge titulieren i h r die Verfassungsmäßigkeit der Einführung privater Rundfunkveranstalter i m Saarland untersuchendes Rechtsgutachten „öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk". 81 Bayerischer Landtag, Drs. 7/3069. 82 Stenogr. Bericht Nr. 7/48 v. 25.10.1972, S. 2571; vgl. auch ebd., S. 2574. 83 Stenogr. Bericht Nr. 7/48 v. 25.10.1972, S. 2578.
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Rundfunkwesen
ΙΠ. Die Finalität des Art. I l i a Abs. 2 BV U m über dieses gleichsam nur „negative" Ergebnis hinauszukommen, bedarf es der Heranziehung eines weiteren Auslegungskriteriums, nämlich der Frage nach dem Telos, dem Zweck der Regelung i n Art. l i l a Abs. 2 BV. Bei der teleologischen Interpretationsmethode geht es nicht nur um die Zweckvorstellungen des historischen Gesetzgebers, sondern auch um „das Gesetz in der ihm eigenen Vernünftigkeit" und u m die objektiven Zwecke des Rechts 84 . Was den „Willen des Gesetzgebers" bei A r t . I l l a B V betrifft, so sollte die Verfassungsänderung bzw. -ergänzung ganz eindeutig die Rundfunkfreiheit sichern — was immer man darunter verstehen mochte und mag. Dies war das eigentliche Anliegen des Volksbegehrens und dieses Ziel durchzieht auch alle Gesetzesberatungen wie ein sehr deutlich sichtbarer „roter Faden". Daß man über die A r t und Weise der Rundfunksicherung (jedenfalls zunächst) sehr unterschiedliche Vorstellungen hatte, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Ein Gravamen war die öffentlich-rechtliche Trägerschaft des Rundfunkbetriebs, wie sie dann auch in A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V ihre positiv-rechtliche Regelung fand. Der verfassungsändernde Gesetzgeber befand sich hierbei — sieht man vom Saarländischen Rundfunkgesetz ab — i n Ubereinstimmung m i t den Rundfunkgesetzen sämtlicher Bundesländer. Alle Landesrundfunkunternehmen haben die Rechtsform von rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts. Auch i n Literatur und Rechtsprechung w i r d — freilich i m Hinblick auf eine angebliche „Sondersituation i m Rundfunkwesen", auf die noch einzugehen ist — häufig die öffentlich-rechtliche Trägerschaft als die Organisationsform des Rundfunkbetriebs gewertet, die Rundfunkfreiheit am besten gewährleisten kann 8 5 . Eine prägnante Zusammenfassung der hierfür ausschlaggebenden Gründe findet sich bei Ossenbühl 86 : „Erstens dürfte hierfür die Erkenntnis u n d Überzeugung maßgeblich gewesen sein, daß die öffentlich-rechtliche Organisationsform am besten geeignet ist, jenen Effekt hervorzubringen, der m i t der institutionellen Ausdeutung der grundgesetzlichen Rundfunkfreiheit intendiert ist. K o n k r e t gesagt: Die Überzeugung, daß die grundgesetzlich geforderte gleichmäßige Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Gruppen, die Ausgewogenheit 84 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 321 ff.; BVerfGE 36, 342/362. — Zutreffend bemerkt J. H. Kaiser, Presseplanung (S. 28, F N 13): „Das Recht gelangt i n der Dimension der Zeit m i t den i h m geläufigen Kategorien der Kausalität u n d der Deduktion nicht sehr weit. Seine wesentliche Stütze ist hier die F i n a l i t ä t (Teleologie) . . . " 85 Vgl. etwa Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, insbes. S. 55 ff., 61; Lerche, Rundfunkmonopol, etwa S. 102 ff.; BayVerfG, V G H n.F. 30, 97 ff. 86 Rundfunk zwischen Staat u n d Gesellschaft, S. 41.
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des Programms und die Verhinderung von Manipulationen bei einer öffentlich-rechtlichen Organisation am besten gewährleistet erscheinen . . . Zweitens w i r d die Bedeutung der staatlichen Entscheidung für einen öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunk darin erblickt, daß die Rundfunkanstalten ihren f ü r eine sachgerechte Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzbedarf nicht durch die Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb und damit durch eine überwiegend wirtschaftliche Nutzung des Rundfunks dekken müssen, sondern daß eine von wirtschaftlichen Fragen weitgehend unabhängige Aufgabenerfüllung durch die Rundfunkanstalten möglich ist. Drittens w i r d als sicherstellen wollen, eine entsprechende sei a m besten durch leistet."
Motivation schließlich genannt, der Gesetzgeber habe daß die Rundfunkversorgung i n der Bevölkerung durch Erfüllungspflicht garantiert w i r d . Eine solche Gewähr eine öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisation gewähr-
Ohne daß es hier erforderlich wäre, auf die genannten Gründe i m einzelnen einzugehen, lassen auch sie sehr deutlich erkennen, daß die bisherigen Überlegungen, die für eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rundfunkunternehmen ausschlaggebend waren, ausschließlich am Gegenbild der privatrechtlichen Organisationsform orientiert waren und die „gemischte Organisationsform" einer privaten Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft nicht in die Betrachtung m i t einbezogen wurde. Besonders augenscheinlich w i r d dies bei dem unter drittens genannten Grund. Die fragliche Versorgungsgarantie, die durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisation „am besten" gewährleistet sein soll, w i r d durch eine privatrechtliche Inhaltsverantwortung für das Programm sicher dann nicht beeinträchtigt, wenn der Rundfunk i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben wird. Auch der Entscheidung des BayVerfGH, i n der es das Gericht abgelehnt hat, Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V wegen Verstoßes gegen Fundamentalgrundsätze der Bayerischen Verfassung (insbes. A r t . 110 BV) für verfassungswidrig zu erklären, lag offenbar die Frage der Zulässigkeit privatrechtlicher Rundfunkanstalten zugrunde 87 . 87 BayVerfGH, V G H n.F. 30, 78 ff. Besonders deutlich ergibt sich dies aus der v o m Gericht referierten Begründung des Antragstellers ( V G H n.F. 30, S. 80 ff.) sowie den Stellungnahmen des Senats (S. 82), der Staatsregierung (S. 82 ff.) u n d des Bayerischen Rundfunks (S. 85 ff.). Dort ist durchweg auf Rundfunk unternehmen bzw. -anstalten abgehoben. Terminologisch weniger eindeutig sind allerdings die begründenden Ausführungen des Gerichts selbst. E i n m a l w i r d auf Private „als Unternehmer i m Bereich des Rundfunks" abgestellt (S. 89), ein andermal ist von den „Sendemöglichkeiten" die Rede, die Privatpersonen zur Verfügung gestellt werden (S. 96), dann geht es wieder u m die „ G r ü n d u n g sowie den Betrieb nicht öffentlich-rechtlicher R u n d f u n k unternehmen" (S. 98).
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I. 2. Kap. : Einfach-gesetzliche Rechtslage i m Rundfunkwesen
IV. Privatrechtliche Programmverantwortung und Rundfunkfreiheit Bei dieser Sachlage hat es wenig Sinn, die Frage der Vereinbarkeit privatrechtlicher Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft m i t A r t . I l i a Abs. 2 B V i m Wege einer umfangreichen Auseinandersetzung m i t den bislang i n Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Auffassungen zu klären. Nachdem A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Rundfunkunternehmen vorgibt, haben sich die weiteren Untersuchungen darauf zu konzentrieren, ob eine privatrechtliche Programmverantwortung i m Rahmen dieser öffentlich-rechtlichen Trägerschaft Organisationsgebote verletzt, die für eine Verwirklichung der Rundfunkfreiheit, (inhaltsgleich) garantiert i n Art. I l i a Abs. 1 B V und A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG 8 8 unabdingbar sind. Diese Organisationsgebote hat das BVerfG i m Fernsehurteil entwickelt. Davon ist auszugehen: — einmal deswegen, weil sie, zumindest i n ihrem Kernbestand, unbestritten und i m Hinblick auf ihren entscheidungstragenden Charakter auch verbindlich sind (§ 31 BVerfGG); — zum andern deswegen, weil sie, bezogen zwar auf die damalige „Sondersituation i m Rundfunkwesen", aber unabhängig von der Ortganisationsform des Rundfunks i n öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Trägerschaft entwickelt wurden. Die Quintessenz seiner Erwägungen faßt das Gericht i n folgende Sätze 89 : „ A r t . 5 G G verlangt jedenfalls, daß dieses moderne Instrument der M e i nungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert w i r d . Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle i n Betracht kommenden K r ä f t e i n ihren Organen Einfluß haben u n d i m Gesamtprogramm zu W o r t kommen können, u n d daß f ü r den I n h a l t des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß v o n inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit u n d gegenseitiger Achtung gewährleisten."
Der Passus am Anfang des ersten Satzes „ A r t . 5 GG verlangt jedenfalls . . . " , bezieht sich auf den unmittelbar vorhergehenden Abschnitt, i n dem das BVerfG 8 9 ausführt: „ A r t . 5 GG fordert zur Sicherung der Freiheit auf dem Gebiet des R u n d funks allerdings nicht die i n den Landesrundfunkgesetzen gefundene u n d f ü r die Rundfunkanstalten des Bundesrechts übernommene Form. Insbesondere ist es von der Bundesverfassung nicht gefordert, daß Veranstalter von Rundfunksendungen n u r Anstalten des öffentlichen Rechts sein können. 88 vgl. BayVerfGH, V G H n.F. 30, insbes. S. 93 f. 8» BVerfGE 12, 205/262 f.
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Auch eine rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts könnte Träger von Veranstaltungen dieser A r t sein, w e n n sie nach ihrer Organisationsform hinreichende Gewähr bietet, daß i n i h r i n ähnlicher Weise w i e i n der öffentlich-rechtlichen Anstalt alle gesellschaftlich relevanten K r ä f t e zu W o r t k o m men, u n d die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt. Gegen eine solche Gesellschaft besteht von Verfassungs wegen kein Bedenken, wenn beispielsweise durch Gesetz eine die spezifischen Zwecke des Rundfunks, insbesondere die Erhaltung seiner institutionellen Freiheit sichernde besondere Gestaltungsform zur Verfügung gestellt u n d jede, den angegebenen Erfordernissen genügende Gesellschaft, die Rundfunksendungen veranstaltet, einer Staatsaufsicht, ähnlich etwa der Banken- oder Versicherungsaufsicht, unterworfen w i r d . "
Die Feststellung des Gerichts, daß unter den genannten Bedingungen auch rechtsfähige Gesellschaften des privaten Rechts Träger von Rundfunkveranstaltungen sein können, hat zwar — solange w i r m i t unserer Argumentation auf der Ebene des bayerischen Verfassungsrechts verbleiben — insofern keine Bedeutung, als nach Ansicht des BVerfG 8 9 „unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten" 90 es Sache des Gesetzgebers und damit erst recht des Landesverfassungs(gesetz)gebers ist, welche Organisationsform er wählt, so daß die Bestimmung des Art. l i l a Abs. 2 Satz 1 B V unberührt bleibt. Und es geht hier auch (noch) nicht um die Frage, ob (auch) i n Bayern Träger des Rundfunks eine Gesellschaft des privaten Rechts sein kann. Die Tatsache aber, daß das BVerfG (mit allgemeiner Zustimmung 9 1 ) selbst unter den damaligen technischen Gegebenheiten („Sondersituation i m Rundfunkwesen") von der Variabilität der Rechtsform im Rundfunkwesen ausgeht und auch die privatrechtliche Trägerschaft zuläßt, führt zwingend zu dem Schluß, daß die durch die in Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. Ill a Abs.l BV garantierte Rundfunkfreiheit gebotenen Organisationsstrukturen auch und erst recht dann gewahrt werden (können), wenn der Rundfunkbetrieb nicht insgesamt privatrechtlich organisiert, sondern lediglich die Steuerung des Programminhalts in privater Hand ist, im übrigen aber der Rundfunk in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben wird. Bestätigt w i r d diese Feststellung durch den bereits erwähnten Entwurf eines Staatsvertrages zwischen den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur Durchführung eines Modellversuches mit 90 d . h . den Gegebenheiten des Jahres 1961; ebenso aber noch BVerfGE 31, 314/325 ff., wobei allerdings die Frage nach der Möglichkeit mehrerer O r ganisationsformen offengelassen w i r d (S. 327). 01 Vgl. etwa Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 55 ff. m. z. N.; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat u n d Gesellschaft, S. 15; Jarass, Massenmedien, S. 241; Chr. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 11; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 102 f.; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 220 zu A r t . 51; BayVerfGH, V G H n.F. 30, 96 f.; BVerwGE 39, 165 f.
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Ι · 2. K a p . : E i n f a c h - g e s e t z l i c h e R e c h t s l a g e i m
Rundfunkwesen
Breitbandkabel (Kabelpilotprojekt) i m Raum Ludwigshafen-Mannheim (überarbeitetes Modell auf Grund der Besprechung der Chefs der der Rundfunkkommission der Länder angehörenden Staats- und Senatskanzleien v. 5. M a i 1978; siehe Anhang 1). Der Entwurf des Staatsvertrages (im folgenden m i t „ E " abgekürzt) veranschaulicht, wie eine private Inhaltsverantwortung i m Bereich der Telekommunikation unter Einschluß der Rundfunkprogramme (vgl. A r t . 11 Abs. 1 Satz 2 E) organisatorisch gestaltet werden kann. Allerdings geht es hier noch nicht um die spezifischen Probleme des (Münchner) Pilotprojekts. Die darauf bezogenen Besonderheiten fallen aber auch nicht ins Gewicht. Unabhängig von der Situation des Modellversuchs zeigt der Entwurf des Staatsvertrages exemplarisch, wie Rundfunkfreiheit auch unter privater Programmverantwortung gewährleistet werden kann. 1. Um dies deutlich zu machen, werden zunächst die wesentlichen Aussagen des Entwurfs des Staatsvertrages dargestellt und sodann mit den entsprechenden Regelungen des Bayerischen Rundfunkgesetzes in Vergleich gesetzt: (1) Der Veranstalterkreis ist grundsätzlich nicht beschränkt. Es können also „jedermann" und damit auch Private (Zivilpersonen) an dem Modellversuch als Veranstalter teilnehmen (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 E). Ausgeschlossen ist nur der „Staatsrundfunk"; gem. Art. 11 Abs. 5 E darf eine Konzession nicht erteilt werden einem Land, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband sowie einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, die m i t der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betraut ist. Prinzipiell verantwortet jeder Veranstalter sein Programm selbst (Art. 15 E). (2) Die Konzession w i r d auf Antrag erteilt (Art. 11 Abs. 1 Satz 3 E). Zuständig für die Konzessionserteilung sind das Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg und die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz gemeinsam (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 E). Bei der Konzessionsvergabe ist darauf zu achten, daß die Ausgewogenheit des Gesamtprogramms gewahrt w i r d (Art. 11 Abs. 2 Satz 5 E). Gem. A r t . 11 Abs. 3 E muß der Bewerber folgende Voraussetzungen erfüllen: — Der Bewerber muß eine geschäftsfähige natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personengruppe sein, die durch Vorlage einer Satzung oder eines sonstigen Statuts nachweist, daß sie einen geschlossenen Mitgliederbestand hat und auf Dauer angelegt ist. — Der Bewerber muß eine ausreichende haben.
finanzielle
Grundlage
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Programmerantwortung
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— Der Bewerber muß die für die Veranstaltung von Rundfunk erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen. — Der Bewerber muß die Gewähr bieten, daß er die für die Rundfunkveranstaltungen geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen dieses Vertrages und die Bestimmungen der Satzung und Richtlinien sowie die allgemein geltenden Rechtsvorschriften beachtet. Hierzu gehört auch das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit. Sofern die freien Sendezeiten nicht für alle Bewerber ausreichen, können die Staatskanzleien der Vertragschließenden einer Ausschlußfrist zur Antragstellung zustimmen, die in den Staatsanzeigern beider Länder bekanntzumachen ist. Nach Ablauf der Frist werden die freien Sendezeiten auf die ermittelten Bewerber verteilt 9 2 . Erforderlichenfalls werden die beantragten Sendezeiten anteilig gekürzt (Art. 11 Abs. 4 E). Um dem echten „Jedermann"-Prinzip möglichst nahezukommen, muß gem. Art. 12 Abs. 1 E ein offener Kanal zur Verfügung gehalten werden, den jedermann m i t Einzelgenehmigung benutzen kann. Die Programmbeiträge auf dem offenen Kanal müssen kostenlos erbracht werden. Die Einzelgenehmigung w i r d für eine einzelne, sachlich und zeitlich bestimmte Veranstaltung erteilt. Sie darf nur verweigert werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß eine der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 3 c und d, also insbesondere die Zuverlässigkeit des Antragstellers, nicht vorliegt. Beim nachträglichen Wegfall einer dieser Voraussetzungen ist die Einzelgenehmigung zu widerrufen. Das Nähere über den Zugang zum offenen Kanal und die Aufteilung der Sendezeiten hierfür regelt die Satzung. I n einem gewissen Rahmen steht der offene Kanal auch dem Staat zur Verfügung. Gem. Art. 12 Abs. 2 E haben die Regierungen der vertragschließenden Länder und ihre Gemeinden und Gemeindeverbände das Recht, ihren Aufgaben entsprechende amtliche Verlautbarungen über den offenen Kanal bekanntzugeben. Hierfür ist ihnen die erforderliche Sendezeit einzuräumen. (3) Die Art. 13 und 14 E enthalten Grundsätze für das Gesamtprogramm, die z. T. durch Satzung und Richtlinien ergänzt werden (können). Danach dienen die Programme einer unabhängigen Meinungsbildung. Das Gesamtprogramm trägt zur Bildung und Unter92 Dies entspricht dem holländischen „Säulenmodell" : dazu i n den Niederlanden", Media Perspektiven 1973, S. 207 ff.
„Rundfunk
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echtslage i m
Rundfunkwesen
haltung bei. Die Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates i. S. des Grundgesetzes, die Menschenwürde sowie die sittlichen und religiösen Uberzeugungen der Rundfunkteilnehmer sind zu achten (Art. 13 Abs. 1 E). Die Berichterstattung muß wahrheitsgetreu, sachlich und objektiv sein; Herkunft und Inhalt der zur Veröffentlichung bestimmten Nachrichten und Berichte sind sorgfältig zu prüfen. Sind für eine Sendung Tatsachenbehauptungen vorgesehen, die sich gegen eine Person oder Institution richten, so sind die Betroffenen nach Möglichkeit zu hören und deren Auffassung nicht außer acht zu lassen. Nachrichten sind von Kommentaren und Stellungnahmen zu trennen (Art. 13 Abs. 2 E). Das Gesamtprogramm darf nicht einseitig eine Regierung, eine politische Richtung oder persönliche oder wirtschaftliche Sonderinteressen begünstigen (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 E). Die Grundsätze der A r t . 13, 14 E und die sie ergänzenden Satzungsbestimmungen und Richtlinien geben den Rahmen ab, innerhalb dessen der Veranstalter sein Programm gestalten kann (Art. 15 E). (4) Gleichsam „überdacht" w i r d all dies durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts m i t dem Recht auf Selbstverwaltung, die zum Zwecke der Koordination und Überwachung des Modellversuchs von den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz errichtet werden soll (Art. 2 E). Die Organe der Anstalt sind die Rundfunkversammlung, der Vorstand und der Geschäftsführer (Art. 3 E). Die Rundfunkversammlung ist der Ort der relevanten gesellschaftlichen Gruppen (Art. 4 E). Die Zusammensetzung der Rundfunkversammlung ist i n dem Entwurf des Staatsvertrags noch nicht festgelegt. Aus A r t . 4 Abs. 2 E ergibt sich aber hinreichend deutlich, daß „Verbände und Organisationen" als Beteiligte i n Betracht stehen, so daß hier jedenfalls weder der Staat noch eine gesellschaftliche Gruppe dominieren kann. Darauf aber kommt es nach der Rechtsprechung des BVerfG und nach der allgemeinen Meinung entscheidend an 9 3 . Der Rundfunkversammlung obliegt neben der Wahl ihres Vorsitzenden und seines Stellvertreters (Art. 7 b E) sowie der Mitglieder des Vorstandes (Art. 7 b E) vor allem der Erlaß der Satzung gem. A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 E (vgl. Art. 7 c E), die näheres zur Neutralitätssicherung des Gesamtprogrammes bestimmt und gem. A r t . 7 c E kann sie auch die in A r t . 14 Abs. 2 Satz 2 E vorgesehenen Richtlinien zum Zwecke der Sicherung eines ausgewogenen Ge»3 BVerfGE 12, 205/262; Stern / Bethge, rechtlicher Rundfunk, S. 65.
öffentlich-rechtlicher
und p r i v a t -
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samtprogrammes erlassen. Außerdem überwacht sie die Einhaltung der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, der Satzungsbestimmungen und der Richtlinien nach Maßgabe dieses Staatsvertrages (Art. 7 e/Art. 17 Abs. 1 E) und sie kann Anträge auf Entzug einer Konzession und auf die Erteilung von Auflagen stellen (Art. 7 f/Art. 17 Abs. 1 E). Schließlich ist die Rundfunkversammlung zuständig für die Genehmigung des Haushaltsplanes (Art. 7 d E) und sie hat ein Anhörrecht bei der Entscheidung über Konzessionsvergaben gem. Art. 11 Abs. 2 Satz 6 E. Der Vorstand, der aus drei Mitgliedern besteht (Art. 5 Satz 1 E), bestellt gem. A r t . 8 E den Geschäftsführer, verwaltet die der A n stalt zur Verfügung stehenden M i t t e l (Art. 19 E) und erteilt die Einzelgenehmigungen für den offenen Kanal (Art. 12 E). Die Kompetenzen des Geschäftsführers beschränken sich auf die Wahrnehmung der Geschäfte der laufenden Verwaltung (Art. 6 E). (5) Die Anstalt, die einzelnen Veranstalter sowie die Inhaber von Einzelgenehmigungen unterliegen gem. A r t . 20 E der staatlichen Rechtsaufsicht. Sie w i r d von den Staatskanzleien der vertragschließenden Länder gemeinsam ausgeübt. Bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Staatsvertrages, der Satzung, der Richtlinien und der allgemein geltenden Rechtsvorschriften können die Staatskanzleien der vertragschließenden Länder Auflagen erteilen oder die Konzessionen widerrufen. Gleiches gilt, wenn eine der Voraussetzungen des A r t . 11 Abs. 3 E nachträglich wegfällt oder wenn eine Auflage nicht eingehalten wird. Der Entzug der Konzession und die Erteilung von Auflagen setzen einen Antrag der Rundfunkversammlung nicht voraus. 2. Der Vergleich des Entwurfs des Staatsvertrags mit dem Bayerischen Rundfunkgesetz (BayRuFuG) hat bei den Organen anzusetzen, die i n beiden Fällen Organe einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts sind (Art. 2 Abs. 1 E/Art. 1 BayRuFuG). Das zentrale Organ ist die Rundfunkversammlung bzw. der Rundfunkrat. Der hohe Stellenwert zeigt sich schon an Hand des jeweiligen Aufgabenkatalogs (Art. 7 E/Art. 7 BayRuFuG). Vor allem aber handelt es sich hier dabei gleichermaßen um Kollegialorgane, die als Vertreter der Allgemeinheit i m Rundfunk angesehen werden (so ausdrücklich A r t . 6 Abs. 1 Satz 1 BayRuFuG) und i n denen zur Absicherung des Binnenpluralismus alle bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind (Art. 4 E/Art. 6 BayRuFuG). Damit w i r d die Forderung des BVerfG 9 4 erfüllt, die Veranstalter »4 B V e r f G E 12, 205/262 f.
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Rundfunkwesen
von Rundfunkdarbietungen so zu organisieren, „daß alle i n Betracht kommenden Kräfte i n ihren Organen Einfluß haben und i m Gesamtprogramm zu Wort kommen können . . . " . Ein weiteres Organ ist der Vorstand (Art. 5, 7 E), der i m wesentlichen dem Verwaltungsrat i. S. des Bayerischen Rundfunkgesetzes (Art. 8 ff.) entspricht. Das Eingehen auf Einzelheiten erübrigt sich i n diesem Falle, weil seine Kompetenzen keine gewichtige Bedeutung für die Programmgestaltung besitzen. Erwähnenswert ist allerdings, daß der Vorstand gem. A r t . 8 Satz 3 E zuständig ist für die Erteilung von Einzelgenehmigungen für den offenen Kanal (Art. 12 E). Dabei geht es ebenso wie bei der i n A r t . 4 Abs. 2 Nrn. 2 bis 5 BayRuFuG getroffenen Regelung um die zur Verfügungstellung von Sendezeiten an Dritte, wobei allerdings — i m Gegensatz zur Regelung i m Bayerischen Rundfunkgesetz — der mögliche Teilnehmerkreis grundsätzlich offengehalten w i r d (Ausnahme: A r t . 12 Abs. 2 E). Durch den i n A r t . 12 Abs. 1 Satz 4 E getroffenen Verweis auf Art. 11 Abs. 3 Buchst, c und d E ist sichergestellt, daß die Genehmigung nur Bewerbern erteilt wird, die die für die Veranstaltung von Rundfunk erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen und die Gewähr bieten, daß die für die Rundfunkveranstaltungen geltenden Rechtsvorschriften beachtet werden. Darüber hinaus muß aber auch i m Hinblick auf den offenen Kanal mindestens die Ausgewogenheit des Gesamtprogramms gesichert sein. Dies wäre (unter den Gesichtspunkten: Zugang zum offenen Kanal und Aufteilung der Sendezeiten) i n der Satzung zu regeln, auf die Art. 12 Abs. 1 Satz 6 E verweist. Der entscheidende Unterschied zwischen der Organisation des Modellversuchs und der herkömmlichen Rundfunkorganisation zeigt sich beim monokratischen Organ „Geschäftsführer" bzw. „ I n t e n d a n t G e m . Art. 12 Abs. 2 BayRuFuG führt der Intendant die Geschäfte des Bayerischen Rundfunks. Er trägt die Verantwortung für den gesamten Betrieb und die Programmgestaltung. Der Geschäftsführer hat demgegenüber lediglich die Aufgabe, die „Geschäfte der laufenden Verwaltung" wahrzunehmen (Art. 6 E). Nicht zuständig ist er für die Programmveranstaltung. Sie w i r d beim Modellversuch i m Wege der Konzession i n die Verantwortung von Privaten gegeben (Art. 11 E). Hier liegt daher der Schwerpunkt des Vergleichs, wobei auf der einen Seite der Intendant, auf der anderen Seite mehrere Private stehen, von denen jeder auf „seinem" Kanal oder auf „seiner" Frequenz sein Programm macht. (Auf die Frage, wieviel Programmgestalter technisch möglich und tatsächlich zu gewinnen sind, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Es kommt lediglich auf die Vergleichbarkeit der Position des Privaten und des Intendanten im Hinblick auf die Freiheit des Rundfunks an.)
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Rahmen eines jeden (Einzel-)Programmes sind die verbindlichen Leitgrundsätze für das Gesamtprogramm, die auch den Programmverantwortlichen binden. Sie werden einerseits i n Art. I l i a Abs. 1 Satz 2 ff. BV und A r t . 4 BayRuFuG und andererseits i n Art. 13 f. E geregelt und sie entsprechen (mit unwesentlichen Abweichungen voneinander) beide augenscheinlich der Forderung des BVerfG 9 5 , „daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten". A r t . 15 E bestimmt ausdrücklich, daß die Programmverantwortung der Veranstalter i m Rahmen dieser Leitgrundsätze und der sie ergänzenden Satzungsbestimmungen und Richtlinien steht, wobei sowohl Satzung als auch Richtlinien von der Rundfunkversammlung und damit von dem Organ erlassen werden, das die „Allgemeinheit" vertritt (Art. 7 Buchst, e/14 Abs. 2 E). Auch die diesbezügliche Kontrolle, insbesondere die Überwachung der Ausgewogenheit des Gesamtprogramms, liegt in der Hand dieses Organs (Art. 7 e/14 Abs. 2 Satz 1 E). Ähnliches gilt nach A r t . 7 Abs. 3 Nr. 8 BayRuFuG für den Bayerischen Rundfunk. Die Bindung des Intendanten an die Richtlinien des Art. 4 BayRuFuG ist zwar nicht expressiv verbis vorgeschrieben, aber wohl selbstverständlich. In der Praxis sehr viel bedeutsamer als die Leitgrundsätze für das Gesamtprogramm ist die Frage, wer durch wen Programmverantwortlicher werden kann und unter welchen Umständen er der Programmverantwortung wieder verlustig geht. M i t der Person bzw. dem Personenkreis der Verantwortlichen entscheidet sich, wie Rundfunk wirklich ist. So sehr jedes Rundfunkprogramm eine Tendenz haben w i r d 9 6 , so sehr muß jeder Programmgestalter Ermessen haben und dieses Ermessen muß relativ weit sein, weil anders eine Programmgestaltung der Sache nach nicht möglich ist. Empfehlende und beratende Einwirkung (vgl. Art. 7 Abs. 3 Nr. 7 BayRuFuG) darf die Entscheidungsfreiheit nicht beeinträchtigen. Kontrolle kann immer nur Rechtmäßigkeitskontrolle sein 97 , die sich auf Grund der notwendig weiten und generalklauselartigen, i m wesentlichen m i t unbestimmten Rechtsbegriffen konturierten Leitprinzipien in der Regel allein auf Grenzüberschreitungen beziehen werden. Innerhalb dieser Grenzen kommt es auf den Programmgestalter an, auf seine Meinung von „Ausgewogenheit", von „Objektivität", von „Sachlichkeit" 98 .
»5 BVerfGE 12, 205/263. » 6 BVerfGE 12, 205/260. »7 Jank, Rundfunkanstalten, S. 82, 84 f.
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echtslage i m
Rundfunkwesen
Gem. A r t . 7 Abs. 3 Nr. 1 BayRuFuG gehört Wahl und Entlassung des Intendanten zu den Aufgaben des Rundfunkrats. Diese Regelung ist sachgerecht. Es entspricht der Bedeutung des Intendanten, daß er von dem Organ gewählt und entlassen wird, das die „Interessen der A l l gemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks" vertritt. Bedenken muß daher die Regelung i n A r t . 11 Abs. 2/20 E erwecken, wonach Konzessionserteilung und -widerruf durch die Staatskanzleien der vertragschließenden Länder (gemeinsam) erfolgt. Bei dieser Regelung kann die Gefahr eines Dirigismus (über das Vehikel der Auswahl der Konzessionsträger) zugunsten der jeweiligen Regierungspartei nicht ausgeschlossen werden. Ob damit bereits die Grenze zur verfassungswidrigen Gefährdung der Rundfunkfreiheit überschritten ist, kann dahinstehen. Es geht i n diesem Zusammenhang lediglich u m die Frage, ob auch bei privater Programmveranstaltung (unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft) Regelungen möglich sind, die den aus der Sicherung der Rundfunkfreiheit sich ergebenden Organisationsgeboten genügen. Dies ist für den hier i n Betracht stehenden Punkt ebenso zu bejahen wie für die vorhergehenden. Die Konzessionserteilung u n d i h r Widerruf kann i n die Kompetenz der Rundfunkversammlung verlegt werden. Persönliche Voraussetzungen für die Bestellung zum Intendanten sind i m Bayerischen Rundfunkgesetz (wie i n fast allen anderen Rundfunkgesetzen") nicht vorgesehen. Dagegen werden vom Konzessionsbewerber bestimmte Voraussetzungen verlangt (Art. 11 Abs. 3 E), die freilich z. T. dadurch bedingt sind, daß der Programmveranstalter des Modellversuches nicht monokratisches Organ der Anstalt ist u n d seine Programme auch finanzieren muß. Zugleich verringert die verbindliche Festsetzung der Voraussetzung auch die oben angesprochene Gefahr eines Dirigismus zugunsten der jeweiligen Regierungspartei. Bemerkenswert ist insofern ebenso die Regelung i n A r t . 11 Abs. 2 Satz 5 E, wonach bei der Vergabe von Konzessionen darauf zu achten ist, daß die Ausgewogenheit des Gesamtprogramms gewahrt wird. Diese Bestimmung zielt w o h l (ähnlich wie A r t . 11 Abs. 3 d E) insbesondere auf eventuelle „Hintermänner" des Bewerbers und seine „innere" Strukturierung. I n ihrer Zielrichtung entspricht sie den Regelungen i n A r t . 7 Abs. 3 Nrn. 2 und 3/Art. 12 Abs. 4 BayRuFuG, wonach der Rundfunkrat seine Zustimmung zu dem vom Intendanten bestimmten Stellvertreter, zur Berufung der Programmdirektoren und zur Besetzung anderer Schlüsselpositionen geben muß. 98 Die Einflußmöglichkeiten der Rundfunkgremien sollen damit nicht geleugnet, aber realistisch eingeschätzt werden. Vgl. dazu etwa auch Chr. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 23 f.; Herrmann, Fernsehen u n d H ö r f u n k , S. 331.
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Vgl. Jank, Rundfunkanstalten, S. 72 f.
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Die Abberufung des Intendanten kann nach A r t . 12 Abs. 5 BayRuFuG nur i n Fällen „grober Pflichtverletzung oder aus sonstigen wichtigen Gründen" erfolgen, wobei als grobe Pflichtverletzung „insbesondere der Mißbrauch des Rundfunks zur Verletzung der verfassungsmäßig festgelegten Grundrechte und der demokratischen Freiheiten" gilt. Die „Schwelle" w i r d also sehr hoch angesetzt; vor allem die Voraussetzung des Rundfunk-„Mißbrauchs" w i r d i m Einzelfall sehr schwer nachzuweisen sein. Es t r i t t hinzu, daß für die Abberufung eine Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Rundfunkrates erforderlich ist (Art. 12 Abs. 5 Satz 3 BayRuFuG). Praktisch bedeutet dies, daß sich ein Intendant wirklich erst zwischen so ziemlich alle Stühle gesetzt haben muß, bis er abrufreif wird. Dies bedeutet eine nahezu unangreifbare Stellung gerade des Organs, das allein für die Programmgestaltung verantwortlich ist, und dieses Organ ist zudem monokratisch strukturiert: Es ist ein Mann (oder eine Frau). Weil der Intendant durchweg kein weltanschaulicher Eunuche sein w i r d und auch nicht sein soll, heißt das nichts weniger als dies: Der Intendant w i r d i n seiner Amtszeit (Art. 12 Abs. 1 BayRuFuG: vier Jahre; Wiederwahl ist zulässig) m i t seiner Weltanschauung das Programm eines Senders entscheidend prägen. Das ergibt sich aus der Sache selbst: Programmgestaltung braucht Gestaltungsfreiheit 100 . Es ergibt sich aus den gesetzlichen Normen, die eine Überwachung der Richtlinieneinhaltung (Art. 7 Abs. 3 Nr. 8 BayRuFuG), nicht aber eine Richtlinienkompetenz des Rundfunkrates vorsieht. Es ergibt sich schließlich und vor allem aus den soeben beschriebenen Regelungen über die Abberufung, die gleichsam „von hinten her", nämlich durch eine praktisch fast absolute Absicherung des Intendanten gegen eine Abberufung, i h m eine nahezu unantastbare Stellung für seine Tätigkeit als Programmgestalter vermitteln. Die Voraussetzungen für den Widerruf einer Konzession sind demgegenüber sehr viel geringer. Die ausschlaggebende Norm des Staatsvertrages (Art. 20 Satz 3 E) lautet: „Bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Staatsvertrages, der Satzung, der Richtlinien und der allgemein geltenden Rechtsvorschriften können die Staatskanzleien . . . die Konzession widerrufen 1 0 1 ." Es ist also kein Mißbrauch verlangt, keine Grundrechtsverletzung und es gibt keinerlei formelle Besonderheiten. Der schlichte (nicht notwendig vorsätzliche oder grob fahrlässige) Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen, die Satzung, die 100 Programmgestaltung w i r d auch „beim besten W i l l e n zur O b j e k t i v i t ä t " immer „subjektiv geprägt" sein (Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 256 f.). 101 Die Bestimmung ist T e i l der Regelung staatlicher Rechtsaufsicht. I m Bayerischen Rundfunkgesetz ist eine staatliche Rechtsauf sieht positivrechtlich nicht vorgesehen, nach BayVGH (BayVBl. 1964, S. 332) aber wegen der V o r schrift des A r t . 55 Nr. 5 Satz 2 B V zu unterstellen (kritisch dazu Osseribühl, Rundfunk zwischen Staat u n d Gesellschaft, S. 45, S. 48 f.). 6 Schmitt Glaeser
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Richtlinien etc. genügt. Die Stellung der Konzessionäre ist dementsprechend schwach und sie müssen sehr viel mehr als ein Intendant bemüht sein, breite Anerkennung für ihr Programm zu gewinnen, insbesondere was die Objektivität und Ausgewogenheit betrifft. So kann abschließend festgestellt werden: Der Vergleich des Staatsvertragsentwurfs m i t dem Bayerischen Rundfunkgesetz hat erbracht, daß der Entwurf alle organisatorischen Vorkehrungen trifft, die zur Sicherung der Rundfunkfreiheit erforderlich sind. Er steht insofern in keiner Weise hinter den entsprechenden organisatorischen Bestimmungen des Bayerischen Rundfunkgesetzes zurück. Eher ist das Gegenteil der Fall: Gerade beim Vergleich zwischen der Stellung des Intendanten als organschaftlichen Träger der Programmverantwortung und der Position der privaten Programmverantwortlichen i m Modellversuch hat sich gezeigt, daß die Gefahr einer einseitigen Programmgestaltung nach den gesetzlichen Rahmenbestimmungen beim Intendanten eher größer ist.
Hauptergebnisse des 1. und 2. Kapitels und der weitere Gang der Untersuchung M i t der herrschenden Meinung sind w i r davon ausgegangen, daß kabelgebundene Informationsverteildienste „Rundfunk" i m rechtlichen Sinne sind, vor allem auch dem kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriff unterfallen, so daß die Länderrundfunkgesetze, i n Besonderheit das Bayerische Rundfunkgesetz sowie A r t . I l i a Abs. 2 B V zur A n wendung kommen. Die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen hat ergeben, daß keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen eine durch einfaches Gesetz getroffene organisationsrechtliche Ausgestaltung der kabelgebundenen Informationsverteildienste, die — etwa analog dem Entwurf des Staatsvertrags für das Pilotprojekt Mannheim/Ludwigshafen — eine privatrechtliche Programmverantwortung unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft vorsehen. Unter der Perspektive einer Absicherung der Rundfunkfreiheit sollte einer solchen privatrechtlichen Programmverantwortung sogar der Vorrang gegenüber der heute geltenden Organisationsstruktur i m (bayerischen) Rundfunkwesen eingeräumt werden. Jedenfalls würde ein (einfaches) Gesetz, das eine solche privatrechtliche Programmveranstaltung unter öffentlich-rechtlicher Trägerschaft i n Bayern einführte, m i t A r t . l i l a Abs. 2 BV vereinbar sein. Art. l i l a Abs. 2 B V verbietet dagegen jede A r t von privatrechtlicher Trägerschaft (auch) für kabelgebundene Informationsverteildienste.
Hauptergebnisse des 1. u n d 2. Kapitels
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I m folgenden ist nunmehr zu prüfen, ob der durch A r t . l i l a Abs. 2 B V verfügte Ausschluß privatrechtlicher Trägerschaft i m Bereich kabelgebundener Informationsverteildienste, die dem kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriff unterfallen, m i t dem Grundgesetz vereinbar ist. Allerdings scheint diese Prüfung überflüssig zu sein, wenn bei aller Variabilität der Rechtsform sich i n der Sache selbst doch nichts ändert, weil es allein auf die organisatorische Sicherung der Rundfunkfreiheit vor staatlicher oder sonstiger einseitiger Beeinflussung durch eine pluralistische Binnenstruktur des Rundfunkunternehmens ankommt 1 0 2 . Unter diesen Umständen böte sich i n der Tat die Erkenntnis an, „ob man angesichts der strengen, am Modellfall der gegenwärtigen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten exerzierten Voraussetzungen nicht doch von vornherein bei der bewährten, auch formell öffentlich-rechtlichen Anstalt des Rundfunks bleiben sollte" 1 0 3 . Die Frage ist aber, ob Rundfunkfreiheit nach wie vor nur durch eine pluralistische Binnenstruktur öffentlich-rechtlicher (oder auch privatrechtlicher) Rundfunkunternehmen gesichert werden kann oder ob sich heute oder i n absehbarer Zukunft nicht andere Sicherungsformen anbieten, von Bundesverfassungs wegen sogar zwingend geboten sind. Bekanntlich hat das BVerfG i m Fernsehurteil eine „Sondersituation" i m Bereich des Rundfunkwesens konstatiert, die es darin sah, daß „ i m Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch m i t Rücksicht auf den außerordentlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben m u ß " 1 0 4 . Wegen dieser Sondersituation hat das Gericht „besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der in A r t . 5 GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks" für erforderlich gehalten, und als eines diesem Zweck dienlichen M i t t e l die pluralistische Binnenstruktur bzw. eine Organisationsform bezeichnet, bei der die kollegialen Organe „faktisch i n angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt" sind 1 0 5 . Das ist i m wesentlichen nichts anderes als eine 102 Fröhler, Werbefernsehen u n d Pressefreiheit, S. 25 f.: „Die Möglichkeit, Rundfunk u n d Fernsehen durch Gesellschaften des privaten Rechts zu betreiben, schließt demnach keineswegs auch die Möglichkeit ein, den Rundfunk zu privatisieren. N u r die F o r m des Trägers von Rundfunkveranstaltungen könnte geändert werden, nicht auch seine inhaltliche S t r u k t u r . . . " i°3 Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 61 m. w . N. Ob sich freilich die gegenwärtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten w i r k l i c h „ b e w ä h r t " haben, w i r d noch zu prüfen sein. i°4 BVerfGE 12, 205/261. 105 ß V e r / G E 12, 205/261 f. 6*
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mehr oder minder gelungene Simulation des freien Marktes der Meinungen und Informationen, der idealtypisch ein M a r k t der JedermannMeinungen und damit ein Markt des „privaten Unternehmens" i m weitesten Sinne ist 1 0 6 . Vom Tatsächlichen her stellt sich daher die Frage, ob die vom BVerfG i n der Fernsehentscheidung 107 des Jahres 1961 angenommene und i m Mehrwertsteuerurteil 1 0 8 des Jahres 1971 ohne weitere Prüfung als unverändert hingenommene „Sondersituation" noch gegeben ist. Vom Rechtlichen her stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine Ä n derung der „Sondersituation" Konsequenzen für die organisatorische Sicherung der Rundfunkfreiheit hat und wie diese Konsequenzen vor allem i m Hinblick auf die pluralistische Binnenstruktur als Simulationsmodell eines freien Marktes ausehen. I n diesem Zusammenhang kann die privatrechtliche Organisationsform i m Sinne einer „materiellen Privatisierung" (Stern) des Rundfunkwesens eine andere Qualität bekommen. Wäre nämlich i m Rundfunkwesen die gleiche Konkurrenzsituation des „freien Wettbewerbs" gegeben wie i m Pressebereich, so läge die Schlußfolgerung nahe, daß dann auch i m Bereich des Rundfunks auf eine pluralistische Binnenstruktur der privaten Unternehmer verzichtet werden kann bzw. muß. Auch die Überlegungen i m folgenden Kapitel beschäftigen sich m i t der allgemeinen Situation i m Rundfunkwesen bzw. i m Bereich des kabelgebundenen Informationsverteildienstes. Die Besonderheiten des Münchener Modellversuches bleiben noch außer Betracht.
ιοβ Chr. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 11: „ A l s Träger der Rundfunkfreiheit gelten . . . die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die gewissermaßen als Statthalter f ü r die zur Zeit nicht existierenden privaten Rundfunkveranstalter angesehen werden." 107 BVerfGE 12, 205 ff. 108 BVerfGE 31, 314 ff.
3. Kapitel
Die Vereinbarkeit des Art. l i l a BV m i l dem Grundgesetz Die „Rundfunkfreiheit" 1 0 9 ist die Basis für die freiheitliche Gestaltung eines bedeutsamen Teils der sog. Massenkommunikation. Weder der knappe Ausdruck „Rundfunkfreiheit" noch die karge Regelung i n Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: „ . . . die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk (wird) gewährleistet" 1 1 0 , läßt die vielschichtigen Handlungsmodalitäten i m Bereich des Rundfunks erkennen. Gerade auf dem Felde der Kommunikation sind die personalen Verhaltensmöglichkeiten bekanntlich besonders reichhaltig 1 1 1 . Dementsprechend zahlreich sind auch die i n Betracht zu ziehenden Grundrechte, sofern man die einzelnen grundrechtlichen Verbürgungen nicht nur auf Individuen i m Sinne einer pauschalierenden Kennzeichnung (als Hausfrau, als Journalist, als Lehrer etc.), sondern auf die jeweils i n Frage stehende Rolle des Individuums bezieht 1 1 2 . Schon an anderer Stelle habe ich dargestellt, daß allein die grundrechtliche Norm des Art. 5 Abs. 1 — i n populärwissenschaftlicher Globalterminologie oft m i t der handlichen Kurzformel „Meinungsfreiheit" (ähnlich der Kurzformel „Rundfunkfreiheit") signalisiert — schon dem Wortlaut nach nicht weniger als sechs Gewährleistungen offensichtlich (mehr oder minder) verschiedener „Freiheiten" enthält: freie Meinungsäußerung, freie Meinungsverbreitung, ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen, Pressefreiheit, freie Rundfunkberichterstattung, freie Filmberichterstattung. Außerdem sieht das BVerfG auch die Freiheit der Bildung der öffentlichen Meinung als „durch A r t , 5 GG mitgarantiert" an 1 1 5 . ιοβ z u dem unterschiedlichen Gebrauch dieses Begriffs siehe Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 4 f.; hier w i r d der Begriff „Rundfunkfreiheit" als Oberbegriff f ü r die verschiedenartigen Freiheitsgewährleistungen i m Bereich des Rundfunkwesens verwendet, no A r t . 73 Nr. 7 G G k a n n hier außer Betracht bleiben, i n Dazu ausführlich Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 48 bis 173. us Vgl. H. H. Rupp, N J W 1972, S. 17 f.; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 369 ff. m. N. na W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 62 f.; BVerfG E8, 104/112; E 20, 56/98. Vgl. auch Scheuner, W D S t R L 22 (1965), S. 7: „Der i n seinen geistigen U r sprüngen eng zusammenhängende Bereich der Grundrechte des geistigen Ausdrucks hat sich heute aufgefächert."
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I . 3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . I l l a B V m i t d e m
GG
Es ist hier nicht erforderlich, diesen Ausfächerungen und Differenzierungen i m einzelnen nachzugehen. Wichtig aber ist die Erkenntnis, daß A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG zwar der Sache „Rundfunk" am nächsten steht, aber keineswegs alles grundrechtlich abdeckt, was m i t A k t i v i täten i m Rundfunkwesen zu t u n hat. Bei der i n unserem Zusammenhang vornehmlich interessierenden (privaten) Rundfunkunternehmerfreiheit kommt neben Art. 5 Abs. 1, insbesondere Satz 2 GG, vor allem noch A r t . 12 Abs. 1 GG als Absicherung der freien Berufswahl eines Rundfunkunternehmers i n Betracht 1 1 4 . Die Überprüfung der Unvereinbarkeit des Art. I l l a B V m i t dem Grundgesetz bedeutet daher eine Überprüfung dieser Norm anhand des Art. 5 Abs. 1 und des Art. 12 Abs. 1 GG.
1. Abschnitt
Die Kollisionsnormen der Art. 31,142 GG A. Die grundgesetzlichen Kollisionsnormen und das Verhältnis zwischen Art. I l l a BV und Art. 12 Abs. 1 GG I n Frage steht die Unvereinbarkeit zwischen Bundes- und Landesverfassungsrecht. A u f dieses Verhältnis findet grundsätzlich A r t . 31 GG unmittelbar Anwendung, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht. Bei dem Bundesverfassungsrecht handelt es sich — wie dargelegt — u m Grundrechtsgewährleistungen (Art. 5 Abs. 1, A r t . 12 Abs. 1 GG). A r t . l i l a B V ist eine Landesverfassungsbestimmung. Damit kommt grundsätzlich die Sonderregelung des A r t . 142 GG i n Betracht, wonach „ungeachtet der Vorschrift des A r t . 31 . . . Bestimmungen der Landesverfassungen auch insoweit i n K r a f t (bleiben), als sie i n Ubereinstimmung m i t den A r t i k e l n 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten". Nach Maunz 1 1 5 werden durch „ A r t . 142 . . . diejenigen Grundrechtsbestimmungen der Landesverfassungen erfaßt, die m i t Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes i n Korrelation stehen". Es kommt hierbei auf eine sachinhaltliche Übereinstimmung an, die nach Ansicht des Abgeordneten Dr. Laforet 1 1 6 voraussetzt, daß die ver114
Ob auch noch A r t . 2 Abs. 1 G G herangezogen werden k a n n (so Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 15 ff., 142; anders die h. M.: vgl. etwa Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 165; BVeriuGE 39, 163 u n d allgemein BVerfGE 6, 32/37; E 9, 3/11 u.std.) soll hier dahingestellt bleiben. Die Gesamtsituation würde sich dadurch nicht ändern, zumal auch A r t . 2 Abs. 1 G G auf „Unternehmerfreiheit" zielt, ιΐδ i n : M a u n z / D ü r i g / H e r z o g / S c h o l z , Grundgesetz, RdNr. 3 zu A r t . 142.
1. A b s c h n . : D i e K o l l i s i o n s n o r m e n d e r A r t . 31,142 G G
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gleichbare Grundrechtsbestimmung „den gleichen Gegenstand i m gleichen Sinne m i t gleichem Inhalt und in gleichem Umfang" regelt. Eine derartige Vergleichbarkeit scheidet i m Hinblick auf das Verhältnis zwischen A r t . 12 Abs. 1 GG und A r t . I l l a B V von vornherein aus. A r t . l i l a B V mag zwar i n seinem Abs. 2 Satz 1 auch berufsregelnden Charakter besitzen, w e i l er Private als Unternehmer i m Bereich des Rundfunks ausschließt 117 . Dabei handelt es sich aber lediglich u m eine „Nebenwirkung". Das eigentliche Ziel dieser (organisationsrechtlichen) Verfassungsbestimmung ist eine Absicherung der Rundfunkfr eiheit. Sie bezieht sich also schon auf einen anderen „Gegenstand" als A r t . 12 Abs. 1 GG. Bei dem Verhältnis zwischen A r t . I l l a B V und Art. 12 Abs. 1 GG bleibt es danach bei der unmittelbaren Anwendung des A r t . 31 GG 1 1 8 . B. Die grundgesetzlichen Kollisionsnormen und das Verhältnis zwischen Art. I l l a BV und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Die Vergleichbarkeit zwischen A r t . I l l a B V und dem A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG (als der „sachnächsten" Grundrechtsnorm) ist dagegen grundsätzlich zu bejahen. I m einzelnen ergeben sich aber Probleme: Als erstes stellt sich die Frage, ob Art. I l l a B V überhaupt unter den zeitlichen Geltungsbereich des A r t . 142 GG fällt. Aus der Formulierung nämlich, daß Bestimmungen der Landesverfassungen, die Grundrechte gewährleisten, i n K r a f t „bleiben", könnte eine Einschränkung des A r t . 142 GG auf solche Bestimmungen entnommen werden, die schon bei Inkrafttreten des Grundgesetzes i m Jahre 1949 Gültigkeit hatten 1 1 9 . A r t . l i l a B V wurde erst 1973 i n die Bayerische Verfassung aufgenommen 1 2 0 . A l l e i n aus der Formulierung läßt sich aber ein solcher Schluß nicht ziehen. Der Terminus „bleiben" ist nicht zeitlich zu verstehen; das 116 I n : 6. Sitzung des Hauptausschusses a m 19.11.1948, Stenogr. Protokoll, S. 75 (zit. nach JöR n.F. Bd. 1, S. 298). 117 So BayVerfGH, V G H n.F. 30, 89.
h 8 I n der Bayerischen Verfassung fehlt es i m übrigen an einer dem A r t . 12 Abs. 1 G G entsprechenden Regelung. Nach h. M . w i r d die Berufsfreiheit i n A r t . 101 B V mitgeschützt CBayVerfGH, V G H n.F. 30, 88 f.; Meder, Die V e r fassung des Freistaates Bayern, RdNr. 10 zu A r t . 101 m. w . N.). Daß auch nicht „gezielte" Eingriffe i n die Berufsfreiheit den A r t . 12 G G verletzen können, ist selbstverständlich: dazu etwa: BVerfGE 46, 120/137 f. m. N. ne So etwa Groß, DVB1. 1950, S. 5, 9. ι 2 0 Siehe oben Erster Teil, 2. Kap., 2. Abschn., Β , I I .
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I . 3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . I l l a B V m i t d e m
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Inkrafttreten kann sich vielmehr auf jeden beliebigen Zeitpunkt beziehen, ebenso auf einen Zeitpunkt i n der Zukunft, denn auch dann „bleibt" das Landesgrundrecht i m Verhältnis zum Bundesrecht in K r a f t (oder nicht). Vor allem aber ist kein plausibler Grund dafür zu finden, daß A r t . 142 GG nur für solche Verfassungen u n d Verfassungsbestimmungen anwendbar sein soll, die bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes galten, nicht aber etwa für die Vorläufige Niedersächsische Verfassimg vom 1. 5.1951 oder die Verfassung von Baden-Württemberg vom 19.11.1953 oder für einzelne Verfassungsbestimmungen, wie z.B. A r t . l i l a BV, die erst später i n die Landesverfassung eingefügt wurden 1 2 1 . Das Grundgesetz wollte durch A r t . 142 GG gewiß keine Sperre für Verfassungsänderungen i m Hinblick auf landesrechtliche Grundrechtsbestimmungen errichten 1 2 2 . Die erst i m Jahre 1973 erfolgte Aufnahme von A r t . l i l a i n die Bayerische Verfassung läßt ihn also nicht aus dem Anwendungsbereich des A r t . 142 GG herausfallen. Die weitere Frage ist, ob A r t . I l l a B V als eine Grundrechtsbestimmung i. S. des A r t . 142 GG bewertet werden kann. Dafür spricht zunächst einmal seine systematische Stellung i m zweiten Hauptteil der Bayerischen Verfassung, der m i t „Grundrechte u n d Grundpflichten" überschrieben ist, wobei der Terminus „Grundpflicht" nicht auf verselbständigende Abgrenzung zu „Grundrecht" zielt, sondern i. S. einer Verkoppelung von Rechten und Pflichten verstanden werden muß, wie sie auch dem Grundgesetz nicht fremd ist (vgl. etwa A r t . 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Das jeweilige Grundrecht ist i n seinem Regelungszusammenhang, ggfs. m i t den Pflichten, zu betrachten und nicht nur formal als (Grund-) Recht. Es könnte aber sein, daß A r t . I l l a B V die bloße (objektive) Gewährleistung einer Rechtseinrichtung und nicht auch die Garantie eines (subjektiven) Individualrechts enthält, worauf allein A r t . 142 GG sich bezieht12®. Die Formulierung i n der zentralen Vorschrift des A r t . I l l a Abs. 1 Satz 1 B V : „Die Freiheit des Rundfunks w i r d gewährleistet", spricht eher für ein Individualrecht, ebenso die Nähe der Bestimmung zu A r t . 110 (Meinungsfreiheit) und A r t . 111 B V (Pressefreiheit). Bedenken jedoch erweckt gerade A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 BV, wenn er den Rundfunkbetrieb allein in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zuläßt. Unbestritten aber schützt die Garantie der Rundfunkfreiheit m i n 121 Ebenso i m Ergebnis Kratzer, i n : Festschrift f ü r Laforet, S. 113; Domcke, i n : Festschrift f ü r den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, S. 313, F N 11; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 6 zu A r t . 142. * 22 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 7 zu A r t . 142. *23 Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 9 zu A r t . 142.
1. A b s c h n . : D i e K o l l i s i o n s n o r m e n d e r A r t . 31,142 G G
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destens die pluralistische Binnenstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor allem gegen jede A r t von „Staatsrundfunk" und jedenfalls insofern ist A r t . I l l a B V ein subjektives Grundrecht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt 1 2 4 , das m i t der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Daß die Bayerische Verfassung keine dem A r t . 19 Abs. 3 GG entsprechende Bestimmung besitzt, ist ohne Bedeutung. Die Zuerkennung der Grundrechtsträgerschaft erfolgt hier unmittelbar aus A r t . I l i a B V bzw. A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG 1 2 5 . A r t . l i l a B V enthält somit eine landesverfassungsrechtliche Grundrechtsbestimmung i. S. des A r t . 142 GG. Dabei kann A r t . l i l a B V nicht in seine einzelnen Regelungskomplexe „zerlegt" werden, m i t der Folge, daß nur die Bestimmung i n Abs. 1 Satz 1 eine Grundrechts-Vorschrift beinhalten würde und m i t A r t . 142 GG i n Verbindung gesetzt werden kann. Zur Grundrechtsbestimmung gehören ebenso ausgestaltende und einschränkende Regelungen der Verfassung und insbesondere Organisationsgrundsätze, wie sie A r t . I l i a Abs. 2 B V enthält. Dementsprechend ist auch die Gesamtregelung des Art. I l l a B V Gegenstand einer Uberprüfung anhand des A r t . 142 GG. A r t . 142 GG, der vor allem (auch i n Bayern) den Weg zu den Landesverfassungsgerichten ermöglichen soll 1 2 6 , enthält eine A r t „Meistbegünstigungsprinzip". Der Formulierung „auch insoweit" i n A r t . 142 GG kann entnommen werden, daß Landesgrundrechte, die gleich viel oder mehr Freiheit als Grundrechte des Grundgesetzes garantieren, weiter gelten 1 2 7 . M i t Maunz 1 2 8 w i r d man als Vergleichsparameter auf die Normelemente der zu vergleichenden Rechtssätze abheben müssen, also auf den eigentlichen rechtlichen Aussagegehalt, die Beschränkungsmöglichkeiten des Rechts 129 , die Festlegung der Grundrechtsträger (Berechtigte) und des Grundrechtsadressaten (Verpflichteter). Bei dem 124 BayVerfGH, V G H n.F. 30, 95; ebenso i m Hinblick auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G : BVerfGE 31, 314/322; Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 15 ff. m. ζ. N.; Rudolf, Zulässigkeit, S. 19 ff. m. ζ. N.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 146 ff. 125 Siehe vor allem Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 42 zu A r t . 19 Abs. I I I . Vgl. auch Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 15 f. — Unstreitig sind i m übrigen nach A r t . 120 B V auch juristische Personen legitimiert, den Schutz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs anzurufen u n d m i t h i n Grundrechte als eigene Rechte geltend zu machen (vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, RdNr. 5 v o r A r t . 98 B V m. N.). ΐ2β Vgl. JöR n.F., Bd. 1, S. 910 ff. 127 Vgl. Kratzer, i n : Festschrift f ü r Laforet, S. 116; Böckenförde / Gr awert, D Ö V 1971, S. 120 f.; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 14 zu A r t . 142; Holtkotten, i n : Bonner Kommentar, A n m . I I , 2 a zu A r t . 142. — Das g i l t ebenso f ü r solche Grundrechte i n Landesverfassungen, die das Grundgesetz nicht kennt. 128 i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 13 zu A r t . 142.
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I . 3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . I l l a B V m i t d e m
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Vergleich sind sie getrennt gegenüberzustellen. M a n w i r d Maunz 129 auch insofern zustimmen können, als nicht jede Abweichung i n den einzelnen Normelementen bereits zu einer Unvereinbarkeit führen muß. Die Perpetuierungsklausel des A r t . 142 GG entfällt aber jedenfalls dann, wenn auch nur in bezug auf ein Element eine Abweichung zuungunsten des landesverfassungsrechtlichen Grundrechtsschutzes konstatiert werden muß, durch die die Rechtseffektivität nicht unerheblich vermindert wird. Weil A r t . 142 GG darauf gerichtet ist, einen Mindeststandard zu garantieren 130 , muß eine Verminderung der Rechtseffektivität i n der Landesverfassung im Zweifel stets zur Unvereinbarkeit m i t der entsprechenden Bestimmung des Grundgesetzes führen. Bei dem i m folgenden anzustellenden Vergleich ist der Vorschrift des A r t . l i l a B V zunächst die Grundrechtsbestimmung i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG als sachnächste Grundrechtsnorm gegenüberzustellen. A u f die Bedeutung des A r t . 12 Abs. 1 GG für die Frage der freien Wahl des Berufes eines Rundfunkveranstalters w i r d erst anschließend einzugehen sein. Bei dem Vergleich zwischen Art. l i l a B V und A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG geht es u m das Normelement „Festlegung der Grundrechtsträger" 1 3 1 . Während A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG seinem Wortlaut nach ganz allgemein die „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk" gewährleistet, läßt A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 B V den Rundfunkbetrieb expressis verbis nur „ i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft" zu. Sollte sich ergeben, daß es sich hierbei um eine echte Abweichung i n dem Sinne handelt, daß A r t . l i l a B V wegen seiner Regelung i n Abs. 2 den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit enger zieht als A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG, so scheidet A r t . 142 GG aus und es kommt allein A r t . 31 GG zur Anwendung m i t der Folge, daß A r t . l i l a B V als Grundrechtsbestimmung einer Landesverfassung keine Geltung mehr beanspruchen kann 1 3 2 . Bestritten ist allerdings, ob dies die Nichtigkeit des Landesgrundrechts oder nur seine Ergänzung auf den Vollinhalt der grundgesetzlichen Regelung bedeutet. Zutreffend w i r d dieser „Ergänzungslehre" von der Modifikation des Landesgrundrechts durch das Bundesgrundrecht, vertreten etwa von Holtkotten 1 3 3 , entgegengehalten, 129 Dieses Element steht meist i m Vordergrund der Überlegungen. Vgl. etwa Kratzer, i n : Festschrift f ü r Laforet, S. 116, 119, der als Beispiel A r t . 98 B V anführt; dazu auch Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, RdNr. 1 f. zu A r t . 98; vgl. außerdem Böckenförde / Grawert, DÖV 1971, S. 121. 130 BVerfGE 1, 264 f. (Leitsatz 6). 131 A u f den „Kreis der Berechtigten" als Vergleichselement stellen auch Böckenförde / Grawert, D Ö V 1971, S. 121, ab. 132 Vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, RdNr. 7 vor A r t . 98; Böckenförde / Grawert, D Ö V 1971, S. 122.
2. A b s c h n . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . I l l a B V m i t A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G
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„daß das Landesgrundrecht nicht gleichzeitig weiter gelten und dennoch i n seinem Inhalt oder i n seiner rechtlichen Natur verändert werden kann (nicht aus einem weniger weitgehenden Landesgrundrecht ein weitergehendes Bundesgrundrecht i n der Landesverfassung werden kann)" 1 3 4 . Der Widerspruch zum Grundgesetz führt also zur Nichtigkeit der grundrechtlichen Bestimmung i n der Landesverfassung.
2. Abschnitt
Die Vereinbarkeit des Art. I l l a BV mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Die Prüfung der Vereinbarung hat sich allein auf A r t . I l i a Abs. 2 B V zu beziehen, wobei wiederum Satzl i m Vordergrund steht, weil die übrigen Regelungen i n Abs. 2 nur eine Folge der Vorschrift in Satz 1 sind. Es geht also — wie soeben erwähnt — u m das Normelement „Festlegung der Grundrechtsträger". A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V beschränkt den Kreis der Berechtigten ausdrücklich auf Rundfunkbetriebe i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, während A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG seinem Wortlaut nach keinerlei Hinweis auf eine solche Einschränkung enthält. Bei einer Vereinbarkeitsprüfung i m Rahmen des A r t . 142 GG kommt es freilich nicht auf die Formulierung bzw. auf die Übereinstimmung der zu vergleichenden Vorschriften i n ihrem Wortlaut an. Entscheidend ist der sachliche Gehalt des Freiheitsrechts und i n diesem Sinne geht es dann nicht um eine Gleichheits-, sondern u m eine Vereinbarkeitsprüfung 1 3 5 . Sie bezieht sich auf den wesentlichen Gehalt der Grundrechtsbestimmung. Es ist daher zu prüfen, ob A r t . I l l a B V i n seinem wesentlichen Gehalt m i t A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist, konkreter: ob die i n A r t . I l i a Abs. 2 S a t z l B V vorgenommene Beschränkung des Kreises der Grundrechtsträger auf Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts eine ins Gewicht fallende Verengung des freiheitlichen Gehalts der Bestimmung i m Vergleich zu A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. !33 I n : Bonner Kommentar, A n m . I I , 2 a zu A r t . 142; vgl. auch Leisner, Die bayerischen Grundrechte, S. 20 f. !3 4 So Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 15 zu A r t . 142 unt. Verweis auf Bachof, DÖV 1951, S. 588; vgl. auch Kratzer, i n : Festschrift f ü r Laforet, S. 116; Böckenförde / Grawert, DÖV 1971, S. 122. !35 Domcke, i n : Festschrift f ü r den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, S. 318; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 19 zu A r t . 142; Kratzer, i n : Festschrift f ü r Laforet, S. 115; Böckenförde / Grawert, DÖV 1971, S. 121.
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A. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält keine Einrichtungsgarantie für öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen Z u verneinen wäre eine derartige Verengung des Freiheitsbereiches i n Art. l i l a Abs. 2 B V gegenüber A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf jeden Fall dann, wenn man i n der Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Verankerung einer Einrichtungsgarantie für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sehen könnte, vergleichbar ζ. B. m i t der Garantie kommunaler Gebietskörperschaften i n A r t . 28 Abs. 2 GG oder der Institution des Berufsbeamtentums i n Art. 33 Abs. 4 und 5 G G 1 3 6 . Dann nämlich entspräche A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG der Bestimmung in A r t . I l l a Abs. 2 Satz 1 BV, der offensichtlich eine solche „institutionelle Garantie" i m klassischen Sinne 1 3 7 enthält. Soweit ersichtlich, w i r d eine institutionelle Garantie i m Sinne der Sicherung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung für die Rundfunkanstalten nicht i n Anspruch genommen 138 . Zutreffend weist Herrmann 1 3 9 darauf hin, daß der Antrag des Abgeordneten von Mangoldt i n der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats am 11.1.1949 140 nicht auf Gegenliebe gestoßen sei, zur „Sicherung der Rundfunkfreiheit" i n A r t . 5 GG zu formulieren: „ Z u r Sicherung dieser Freiheit und der Uberparteilichkeit des Rundfunks werden die Sendeanlagen durch selbständige Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben, die auch die Sendeprogramme bestimmen." Der Abgeordnete Heuß 1 4 1 meinte demgegenüber, diese „Geschichte . . . (wäre) die Vorwegnahme einer Gesetzgebung", und der Abgeordnete Süsterhenn 141 hielt es „für falsch, die zukünftige Form des Rundfunks ein für allemal i n der Verfassung festzulegen". Nach dem Hinweis auf die holländische und die amerikanische Rundfunkstruktur m i t privaten Rundfunkgesellschaften und kirchlichen Rundfunkunternehmen betonte er: „Ich w i l l nicht sagen, daß es notwendig ist, aber w i r wollen uns das nicht verbauen und nicht von vornherein i n der Verfassung etwas vorsehen, dessen Güte w i r noch nicht erproben konnten 1 4 2 ." !3β Vgl. dazu etwa BVerfGE 11, 351/363 f.; Stern, i n : Bonner Kommentar, RdNrn. 62 ff., insbes. 65, A n m . 75 ff. zu A r t . 28. 137 Carl Schmitt, Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 159. iss Z u r Konzeption von Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 22 ff. sogleich unt. B. 13® Fernsehen u n d Hörfunk, S. 123 f. 140 stenogr. Protokoll, S. 41. 141 Ebenda, S.42. 142 Ebenda, S.42 f.; ähnlich die Abgeordneten Heuß u n d Eberhard i n der 25. Sitzung des Grundsatzausschusses am 24.11.1948, Stenogr. Protokoll, S. 20 ff.
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Die Organisationsform der Rundfunkveranstalter sollte also augenscheinlich nicht i n irgendeiner Weise festgeschrieben werden 1 4 3 ; insbesondere war von Anfang an auch der private Rundfunkunternehmer i m Gespräch, und man w i r d nicht behaupten können, daß seit der Entstehung des Grundgesetzes rechtliche oder faktische Änderungen eingetreten wären, die eine Interpretation des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG dahin rechtfertigen könnten, daß er eine institutionelle Garantie für öffentlich-rechtliche Anstalten als einzig mögliche Organisationsform der Rundfunkunternehmen enthielte. Für eine derartige Interpretation spricht insbesondere auch nicht die einfach-gesetzliche Lage i m Rundfunkwesen, wonach alle Rundfunkunternehmen i n der Bundesrepublik Deutschland Anstalten des öffentlichen Rechts sind 1 4 4 . Das Grundgesetz enthält für sie auch keine unmittelbare Bestandsgarantie 145 . M i t Verneinung einer institutionellen Garantie für öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen ist freilich noch nicht gesagt, daß die Zulassung privater Rundfunkunternehmen möglich oder gar geboten ist bzw. A r t . I l i a Abs. 2 B V gegen A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, zumal das BVerfG i n Entscheidungen aus dem Jahre 1961 (Fernsehurteil) und 1971 (Mehrwertsteuerurteil) 1 4 0 die zu dieser Zeit (und auch heute) gültige einfach-gesetzliche Gestaltung des Rundfunkwesens als verfassungsgemäß angesehen hat.
B. Die tendenzielle Entsubjektivierung des Grundrechts auf Rundfunkfreiheit I m Anschluß an das Fernsehurteil des BVerfG — von Berg 1 4 7 als das „Lehrbuch des Rundfunkverfassungsrechts" bezeichnet — entwickelte sich i n Literatur und Rechtsprechung eine „Institutionalisierungswelle" großen Ausmaßes 148 . M i t Ausnahme der soeben geschilderten Konzep143 Auch bis zur Schaffung des Grundgesetzes hat sich f ü r den R u n d f u n k bereich keine Verwaltungstradition i. S. eines Verwaltungsmonopols k r a f t T r a d i t i o n gebildet, die den Ausschluß privater Rundfunkunternehmen zum Verfassungsinhalt hätte erwachsen lassen können. Überzeugend dazu Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 133 ff. m. w . N. 144 Dazu oben Erster Teü, 2. Kap., 2. Abschn. Gleiches g i l t f ü r die Bundesrundfunkanstalten „Deutsche Welle" u n d „Deutschlandfunk". Siehe §§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Gesetz über die Errichtung v o n Rundfunkanstalten des Bundesrechtes v. 29.11.1960, B G B l . I S. 862. Vgl. auch Jank, Rundfunkanstalten, S. 17. 145 Vgl. etwa Bachof, Verbot des Werbefernsehens, S. 26; Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 30, 40; Rudolf, Zulässigkeit, S. 29 f. m. N.; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 360. * 4« BVerfGE 12, 205 ff. bzw. E 31, 314 ff. 14 7 I n : Hufen (Hrsg.), P o l i t i k u n d Massenmedien. S. 73.
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tion einer institutionellen Garantie i m (klassischen) Sinne Carl Schmitts t r i f f t man eigentlich alle denkbaren Arten und Schattierungen des Phänomens des „Institutionellen" 1 4 9 , wobei man freilich nicht immer erkennt, was dabei gedacht ist. Eines allerdings w i r d durchweg sehr deutlich: Die mehr oder minder entschiedene Ablehnung jeder A r t von materieller Privatisierung des Rundfunks. Ganz allgemein t r i f f t der Vorwurf, den Bettermann 1 5 0 dem Fernsehurteil des BVerfG gemacht hat, jedenfalls auf die dem Urteil nachfolgende Literatur und Rechtsprechung zu: Die subjektive Komponente der Rundfunkfreiheit, das Individualrecht, verschwindet i m „Nebel des Institutionellen".
I. Zum Beispiel: Die Konzeption von Stern Von besonderer Bedeutung ist die Konzeption von Stern 1 5 1 . Danach enthält A r t . 5 Abs. 1 GG „auch eine institutionelle Garantie eines ebenso ,staatsfreien' wie dem bestimmenden Einfluß einzelner Gruppen entzogenen, m i t dem Recht der Selbstverwaltung versehenen Rundfunks als Träger einer der öffentlich-rechtlichen (Leistungs-)Verwaltung zugehörenden Aufgabe, gleichgültig, ob diese in den Organisationsformen des privaten oder des öffentlichen Rechts ausgeführt w i r d " 1 5 2 . N u r die Möglichkeit, danach Rundfunk auch i n der Organisationsform des privaten Rechts zu betreiben, unterscheidet diese Konzeption von der institutionellen Garantie klassischer Provenienz, und Stern n i m m t auf die institutionelle Garantie i. S. der Lehre Carl Schmitts auch ausdrücklich Bezug 1 5 3 . Offenbar auch i m Hinblick darauf, daß das BVerfG i m Fernsehurteil 1 5 4 hervorhob, die Bundesverfassung 148 Institutionelle Deutungen der Rundfunkfreiheit gab es allerdings auch schon vor dem Fernsehurteil, aber n u r vereinzelt: siehe etwa Scheuner, RuF 1955, S. 353. 149 Allgemein dazu W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 97 f. m. N. 150 DVB1. 1963, S. 42. 151
Funktionsgerechte Finanzierung, S. 22 ff. Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 38; i m Ergebnis ähnlich vor allem Lerche, Rechtsprobleme des Werbefernsehens, S. 15 f., 27. Weitere Nachweise bei Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 356, F N 6. — A u f andere neue Interpretationen der R u n d f u n k - u n d ebenso der Pressefreiheit, die den A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G jeglichen individualrechtlichen Gehalts berauben (vgl. etwa Stammler, Die Presse als soziale u n d verfassungsrechtliche Institution, insbes. S. 178 ff.; Wufka, Die verfassungsrechtlich-dogmatischen Grundlagen der Rundfunkfreiheit, insbes. S. 78 f. u. a.) braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Sie entsprechen i m wesentlichen der bekannten Konzeption Ridders (Meinungsfreiheit, i n : Die Grundrechte, Bd. I I , S. 249 ff.), die schon oft genug widerlegt wurde (dazu W. Schmitt Glaeser, AöR 97 [1972], insbes. S.85ff. m . z . N . ) . iss Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 25 ff. 152
4 B V e r f G E 12, 2 0 5 / 2 6 .
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fordere für die Veranstalter von Rundfunksendungen keineswegs die Organisationsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt und es könnte ebenso eine rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts Träger solcher Veranstaltungen sein, wollte Stern die Möglichkeit der privatrechtlichen Organisationsform nicht ausschließen. Aber es ist ein lediglich formales Zugeständnis; denn, so argumentiert Stern, das „den institutionellen Garantien eigentümliche öffentlich-rechtliche Element ist nicht i n der öffentlich-rechtlichen Form, sondern i n der öffentlichrechtlichen Aufgabenerfüllung begründet", und auch ein privatrechtlich organisierter Rundfunk nimmt Aufgaben wahr, „die materiell zum öffentlich-rechtlichen Funktionskreis der Leistungsverwaltung gehören" 1 5 5 . Konsequenterweise w i r d damit ein „Privatfernsehen i m Stile einer echten Privatautonomie und nach Maßgabe des ζ. B. für die Pressefreiheit typischen Rechts zur privatwillkürlichen und einseitig (gesellschafts-)politischen Ausrichtung" ausgeschlossen. Dabei beruft sich Stern auf die „Verfassungsrechtslage, wie sie sich nach dem Fernseh-Urteil darstellt" 1 5 6 . Und i n der Tat ist nicht abzustreiten, daß das Fernsehurteil für die privatrechtlichen Träger von Rundfunkveranstaltungen grundsätzlich die gleiche organisationsrechtliche Struktur fordert wie für öffentlichrechtliche Anstalten. So heißt es i n BVerfGE 12, 205/262 f.: „Auch eine rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts könnte Träger von Veranstaltungen dieser A r t sein, wenn sie nach ihrer Organisationsform hinreichende Gewähr bietet, daß i n i h r i n ähnlicher Weise wie in der öffentlich-rechtlichen Anstalt alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen, und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt. Gegen eine solche Gesellschaft besteht von Verfassungs wegen kein Bedenken, wenn beispielsweise durch Gesetz eine die spezifischen Zwecke des Rundfunks, insbesondere die Erhaltung seiner institutionellen Freiheit sichernde, besondere Gesellschaftsform zur Verfügung gestellt und jede, den angegebenen Erfordernissen genügende Gesellschaft, die Rundfunksendungen veranstaltet, einer Staatsaufsicht ähnlich etwa der Banken- oder Versicherungsaufsicht unterworfen wird." Unabdingbar ist danach: „Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen . . . so organisiert werden, daß alle i n Betracht kommenden Kräfte i n ihren Organen Einfluß haben und i m Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein M i n destmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten." Diese inhaltliche Mindestanforderung 155 166
Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 38, S. 36 m. N. Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 35 f.
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w i r d sodann noch m i t einem formalen Gebot verknüpft: „Das läßt sich nur sicherstellen, wenn diese organisatorischen und sachlichen Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. A r t . 5 GG fordert deshalb den Erlaß solcher Gesetze." Das Ziel dieser Organisationsstrukturen soll es sein zu gewährleisten, „daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert w i r d " . Stern kann sich jedoch nicht auf das BVerfG respektive das Fernsehurteil berufen, wenn er meint, die vom Gericht zur Absicherung eines „staatsfreien" und gesellschaftlich neutralisierten Rundfunks herausgearbeiteten Strukturprinzipien müßten als eine durch materiell öffentlich-rechtliche Momente geprägte institutionelle Garantie bewertet werden. Dabei soll hier die Grundsatzfrage offen bleiben, ob die Gewährleistung des Status quo einer Rechtseinrichtung ein essentielles 1 5 7 oder ein akzidentielles 1 5 8 Merkmal einer institutionellen Garantie darstellt. Hier genügt die Feststellung, daß die Verfestigung der vom BVerfG herausgearbeiteten Strukturprinzipien zu einer „institutionellen Rundfunkgarantie" jedenfalls (gleichsam negativ) zum verfassungskräftigen Ausschluß einer materiellen Privatisierung des Rundfunks (für die Zeit der Geltung des Grundgesetzes) führen soll. Genau das aber kann der Rechtsprechung des BVerfG nicht entnommen werden, und zwar weder dem Fernseh- noch dem Mehrwertsteuerurteil. II. Das flexible Organisationsmodell des Bundesverfassungsgerichts Der institutionelle Aspekt des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG w i r d vom BVerfG i n das Fernsehurteil 1 5 9 aus der Perspektive der NordrheinWestfalen-Entscheidung 160 eingebracht, bei der es um die Pressefreiheit ging. Diese Entscheidung ist i n sich ungereimt und dogmatisch verwirrend 1 6 1 . Eindeutig aber dürfte trotzdem sein, daß sich die „institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Infor157 So z. B. Lenz, J Z 1963, S. 345 F N 105 unt. Verw. auf M . Wolff; Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 61 zu A r t . 33: E r weist m i t Recht darauf hin, daß die Absicherung des status quo einerseits einer Fortentwicklung nicht entgegensteht, andererseits aber der „Wesensgehalt" der Einrichtung gewahrt bleiben muß. Vgl. auch ders., RdNr. 45 zu A r t . 28: „Die kommunale Selbstverwaltung an sich (!) muß hiernach erhalten bleiben." Vgl. auch BVerfGE 11, 203/215. 158 So Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 30 m. w . N.; vgl. aber ders., S. 27: „Symptomatisch f ü r den Charakter dieser institutionellen E i n richtungsgarantie ist . . . , daß der Staat gehalten ist, sie i n i h r e m Bestand zu garantieren . . . " iß» BVerfGE 12, 205/259 f. 160 BVerfGE 10, 118/121. " i Dazu W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 88 ff.
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mation bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung" 1 6 0 nicht als Konzeptionierung einer „institutionellen Garantie" der Presse deuten läßt. Auch Stern 1 6 2 hält ganz allgemein eine Einrichtungsgarantie dieser A r t für die Presse „schon wegen ihrer Domizilierung i m Privatrecht und ihrer Allergie gegenüber staatlichen Organisationsbestrebungen (Schriftleitergesetz)" für ausgeschlossen. Wenig schlüssig erscheint es freilich, wenn er dies als Begründung dafür heranzieht, daß „ f ü r die Frage, ob A r t . 5 Abs. 1 GG i n Gestalt einer institutionellen Garantie den Kernbereich von Strukturprinzipien einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung Rundfunk enthält, jeder Vergleich m i t der Presse ausscheiden m u ß " 1 6 2 . Das BVerfG jedenfalls ist grundsätzlich anderer Meinung: „Die Bedeutung des A r t . 5 GG für den Rundfunk kann nicht ohne Rücksicht auf den eben dargelegten Inhalt des A r t . 5 gewürdigt werden 1 6 3 ." Und dieser „eben dargelegte Inhalt des A r t . 5" beschäftigt sich ausschließlich m i t Pressefreiheit: „Durch A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G ist insbesondere auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse v o n der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht u n d der Meinung gewährleistet (BVerfGE 10, 118/121). Dieser Verfassungsgarantie widerspräche es, die Presse oder einen T e i l von i h r unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern. Eine Einflußnahme des Staates wäre m i t dieser verfassungsmäßigen Garantie der Pressefreiheit n u r vereinbar, w e n n sie wegen der Konkurrenz der Fülle der v o m Staat unabhängigen Zeitungen u n d Zeitschriften an dem B i l d der freien Presse substantiell nichts ändern würde."
A n diesen Ausführungen ist zweierlei von Bedeutung: — Z u m einen das Gebot der Staatsfreiheit der Presse, das später dann auch für den Rundfunk dekretiert w i r d ; — zum andern die Feststellung, daß eine Einflußnahme des Staates dann m i t der verfassungsmäßigen Garantie (!) der Pressefreiheit vereinbar wäre, wenn sich auf Grund bestimmter Umstände an dem B i l d der freien Presse i n der Substanz nichts ändern würde. Der institutionelle Aspekt w i r d damit eindeutig auf die Freiheit der Presse bezogen, nicht auf ihren „Bestand" 1 6 4 , und vor allem nicht auf bestimmte Strukturprinzipien. Die Strukturprinzipien sind M i t t e l zum Zweck der „institutionellen Freiheit" 1 6 5 und nicht der zu „institutionalisierende" Zweck selbst. Diese Konzeption hat m i t der Lehre Carl 162 Funktionsgerechte Finanzierung, S. 27. 163 BVerfGE 12, 205/260; vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 15. 164 v g l . dazu auch Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 365 ff. 1 6 5 Diesen Ausdruck verwendet das BVerfG i m Fernsehurteil (E 12, 205/261) für Presse u n d Rundfunk gleichermaßen! Vgl. auch E 31, 314/326: „ A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G gewährleistet die institutionelle Freiheit (!) des Rundfunks." 7 Schmitt Glaeser
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Schmitts von der institutionellen Garantie nichts mehr zu tun. Für i h n ist die Freiheit kein Institut 1 6 6 . Folgt man der Ansicht des BVerfG, daß ohne Rücksicht auf diese Überlegungen die Bedeutung des A r t . 5 GG für den Rundfunk nicht gewürdigt werden kann, so liegt es nahe, eine institutionelle Sicherung nur im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit anzuerkennen, die vom B V e r f G 1 6 7 i m wesentlichen i n einem Schutz vor einseitigem Dirigismus gesehen wird, nicht aber i n bestimmten Organisationsstrukturen. Dies w i r d auch durch andere Passagen des Fernsehurteils bestätigt. Nachdem das Gericht „unbeschadet einer noch zu erörternden Besonderheit des Rundfunkwesens" zahlreiche Gemeinsamkeiten von Rundfunk und Presse als „unentbehrliche moderne Massenkommunikationsmittel" auf gewiesen hat 1 6 S , kommt es auf den „Weg" zu sprechen, „auf dem diese Freiheit des Rundfunks i m allgemeinen und die der Berichterstattung durch Rundfunk i m besonderen gesichert werden muß, damit dem A r t . 5 GG Genüge getan ist". (Erst) hier, so heißt es i n der Entscheidung 169 weiter, „ w i r d die Besonderheit bedeutsam, durch die sich der Rundfunk von der Presse unterscheidet". I n seinen Überlegungen geht das Gericht dabei (unausgesprochen) von der liberalen These aus, die gebotene Vielfalt der Meinungen sei durch die Vielzahl der Meinungsträger zu garantieren. Zwar ist es nach Ansicht des Gerichts „unrichtig, daß Zeitungsverlage, Zeitungsdruckereien und Zeitungen i n beliebiger Anzahl neu begründet und unterhalten werden können". Immerhin aber existiere „innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen . . . , während i m Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch m i t Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß". Das ist der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk, der nach Ansicht des BVerfG zu einer unterschiedlichen Organisationsform der beiden Bereiche führen muß: „Diese Sondersituation i m Bereich des Rundfunkwesens erfordert besondere Vorkehrungen zur V e r w i r k lichung und Aufrechterhaltung der i n A r t . 5 GG gewährleisteten Frei-
166 Freiheitsrechte u n d institutionelle Garantien, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 160; vgl. i m übrigen W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 97 ff., w o ganz allgemein gezeigt w i r d , daß (in der Rechtsprechung des BVerfG) das „ I n s t i t u t ,freie Presse'" die objektive Seite der Freiheit ist, gleichsam das Instrument der Allgemeinheit, so, wie die subjektive Seite des Grundrechts das Instrument des einzelnen ist. i*7 BVerfGE 12, 205/262 f. 168 BVerfGE 12, 205/260 f. B V e r f G E 12, 205/261.
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heit des Rundfunks", und diese Vorkehrungen müssen letzten Endes sicherstellen, „daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird"170. Das BVerfG läßt aber offen, welche verschiedenen Arten von „besonderen Vorkehrungen" denkbar und möglich sind. Es begnügt sich i m wesentlichen m i t der Feststellung, daß ein Weg das Prinzip sein kann, nach dem die bestehenden Rundfunkanstalten aufgebaut sind: „Eines (!) der diesem Zweck (sc. der Freiheit des Rundfunks) dienlichen M i t t e l ist das Prinzip . . . m . " Das BVerfG verlangt also kein bestimmtes, sondern nur ein „dienliches" Mittel, ein Mittel bzw. eine Organisationsstruktur also, die geeignet ist, die Freiheit des Rundfunks zu sichern. Das ist ein sehr flexibles Organisationsmodell und damit wohl eher ein Gegenbild zur institutionellen Garantie. Welches M i t t e l „dienlich" ist, muß grundsätzlich i m Ermessen des Gesetzgebers stehen, der die seiner Auffassung nach geeigneten organisationsrechtlichen Strukturen und Prinzipien verbindlich zu machen hat 1 7 2 . III. Die „Sondersituation im Rundfunkwesen" ist keine Normalsituation Spätestens hier muß nun die subjektive Komponente der Rundfunkfreiheit ins Blickfeld gerückt werden, und es ist die Frage zu stellen, ob auf solche gesetzlich verordneten, ins Detail gehenden Organisationsstrukturen nicht verzichtet, der Rundfunk also dem „freien Spiel der Kräfte" überlassen werden kann. Denn die freie Entfaltung der Persönlichkeit (vgl. A r t . 2 Abs. 1 GG) ist auch i m Bereich des Rundfunkwesens ein eigenständiger Wert, und grundsätzlich kann für den Rundfunk nichts anderes gelten wie für die anderen Massenkommunikationsmittel Presse und Film, deren Struktur i m wesentlichen den privaten Initiativen der Bürger überlassen ist. I n der Fernsehentscheidung erwähnt das BVerfG zwar kurz auch die subjektive Perspektive des A r t . 5 GG 1 7 3 . Wegen der von i h m angenommenen Sondersituation i m Bereich des Rundfunkwesens beschäftigt sich das Gericht 1 7 4 damit aber nicht weiter. „Der Rundfunk ist", so heißt es i n der Mehrwertsteuerentscheidung 175 , „ . . . zu einem der mächtigsten Kommunikationsmittel und Massenmedien geworden, das 170 BVerfGE 12, 205/262. 171 BVerfGE 12, 205/261; vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 17. 172 BVerfGE 12, 205/263. 173 BVerfGE 12, 205/259: „ A r t . 5 G G enthält mehr als n u r das individuelle Grundrecht des Bürgers gegen den Staat . . . " 7*
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wegen seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Mißbrauchs zum Zwecke einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden kann". Die Sondersituation ist aber keine Dauersituation, und sie wurde vom BVerfG auch nie so aufgefaßt 176 . Allerdings scheint man sich an die Sondersituation wie an eine iVormalsituation gewöhnt zu haben. Symptomatisch ist hier schon das Mehrwertsteuerurteil des BVerfG aus dem Jahre 1971, das sich — wie Rupert Scholz 177 zutreffend bemängelt — damit begnügte, auf die rechtlichen Erkenntnisse des Fernsehurteils hinzuweisen und jede Auseinandersetzung m i t der seit 1961 auf dem sendetechnischen Gebiet eingetretenen Neuerungen unterließ. Aus diesem Grund kann dem Mehrwertsteuerurteil i n der Tat „auch nur entsprechend begrenzte Aussagekraft beigemessen werden". I m wörtlichen Sinne i n der Sondersituation „eingerichtet" haben sich die Vertreter der institutionellen Rundfunkgarantie. Vor allem unter Bezug auf die oben dargestellte Konzeption von Stern meint Herrmann 1 7 8 : „Offensichtlich spiegelt das von den genannten Autoren vertretene Verständnis einer institutionellen Garantie des Rundfunks i m wesentlichen die Organisationsprinzipien wider, die man i n der gegenwärtigen Rundfunkorganisation verwirklicht sieht und die vom BVerfG als eine der nach der Verfassung zulässigen Organisationsmöglichkeiten bestätigt worden sind. Diese Vermutung könnte leicht den Verdacht begründen, man wolle durch Aufwertung der durch frühe Landesgesetze oder Verordnungen der Militärregierungen normierten Organisationsprinzipien von der Ebene gesetzgeberischer Emanationen auf die Ebene verfassungsrechtlicher Einrichtungsgarantien die gegenwärtige Organisationsform auch gegenüber gesetzgeberischen Änderungen feien und damit i m Grundsatz zementieren; i n der Tat scheinen manche Argumentationen und Deduktionen der betreffenden 174 BVerfGE 12, 205/261. Dazu bestand auch k e i n Anlaß. Zutreffend weist ζ. B. Lerche (Rundfunkmonopol, S. 51 f.) darauf hin, daß das U r t e i l insoweit keine abschließende Entscheidung darstellt u n d die Entscheidungsformel daher auch k e i n Präjudiz gibt. 175 BVerfGE 31, 314/325. 176 BVerfGE 12, 205/262: „ . . . unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten . . . " Sehr deutlich auch BVerfGE 31, 314/326: „ I m Bereich des Rundfunks ist — jedenfalls vorerst (!) — sowohl aus technischen Gründen als auch wegen der hohen finanziellen Anforderungen . . . eine dem Pressewesen entsprechende Vielfalt v o n miteinander konkurrierenden Darbietungen nicht möglich." 1 7 7 JuS 1974, S. 301. Vgl. auch ν . Pestalozza, StW 1972, S. 82 f. 1 7 8 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 361; vgl. auch Merten, E v S t L K (1975). Sp. 1537.
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Autoren ein wenig zu stark vom Status quo beeinflußt zu sein." Hier ist die Not des Frequenzmangels zur Tugend der pluralistischen B i n nenstruktur geworden. Besonders aufschlußreich erscheint schließlich eine Argumentationsweise, die die „Beweislast" jenen zuschieben w i l l , die eine Änderung der Sondersituation m i t den entsprechenden rechtlichen Folgen behaupten 1 7 9 . Hier zeigt sich besonders deutlich, wie sehr die Sondersituation als Normalsituation empfunden, oder besser: behandelt wird, deren Veränderung (wie eine Ausnahme von der Regel) nachgewiesen werden muß. Dieser Beweislast-These liegt darüber hinaus eine prinzipielle Verkennung der Grundrechtsstruktur zugrunde, w i e sie etwa bei Schmitz 1 8 0 deutlich wird, wenn er meint: „Angesichts der außerordentlichen Bedeutung, die A r t . 5 GG i n der freiheitlichen Demokratie beizumessen ist, muß eine individuelle Betätigungsfreiheit i m Bereich des Rundfunks bereits dann zurückstehen, wenn erkennbar ist, daß eine sichere Erbringung der nach der Verfassimg gebotenen Leistung durch private Unternehmer nicht erwartet werden kann." Ein solcher Grundsatz mag für die staatliche Daseinsvorsorge und ihre Legitimation, für die er auch entwickelt wurde 1 8 1 , richtig sein. Bei der staatlichen Daseinsvorsorge handelt es sich um eine staatliche Aufgabe, und soweit das Sozialstaatsprinzip für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Grundversorgung m i t Rundfunkprogrammen zu sozialen Bedingungen fordert 1 8 2 , können hier auch die entsprechenden Bedingungen für die Erfüllung staatlicher Aufgaben Geltung beanspruchen. Das hat aber grundsätzlich nichts zu t u n m i t dem Freiheitsrecht des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG, i n dem es gerade nicht u m eine staatliche Aufgabe, sondern u m die Freiheit des Individuums, auch um die Chance der freien Betätigung als Rundfunkunternehmer geht. Hier spricht die „Beweislast" für das Individuimi, wenn man m i t dieser prozeßrechtlichen Kategorie hier überhaupt argumentieren kann. Zutreffend betont Merten 1 7 8 , daß „eine verbreitete Betrachtungsweise von unrichtigen Prämissen ausgeht: Bei der Grundrechtsträgerschaft kann die Berechtigung Privater nicht zweifelhaft sein, sondern bedarf das Recht des Staates zur Gründung und zum Betrieb von Rundfunkanstalten des Nachweises." Und dieser Nachweis muß immer wieder neu geführt werden.
!7β Typisch dafür z . B . die Argumentationsweise von Schmitz, S. 700. 180 D Ö V 1969, S. 701.
isi Siehe Schmitz, DÖV 1969, S. 701, FN 28. 182 Vgl, etwa Herrmann,
Fernsehen u n d Hörfunk, z. B. S. 346.
D Ö V 1969,
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IV. Das Mißtrauen gegen den privaten Unternehmer und der Glaube an die Neutralität öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten A n dieser Stelle drängt sich dann auch die Frage auf, wie ideal eigentlich die pluralistische Binnenstruktur der Rundfunkanstalten als Ersatz für eine fehlende „äußere" Konkurrenzlage ist. Geht man dieser Frage nach, so fällt zunächst und i n erster Linie etwas Negatives auf, nämlich eine erstaunliche Skepsis, ja ein ausgeprägtes Mißtrauen gegenüber dem Privaten als Unternehmer i m Rundfunkbereich. Erstaunlich ist dieses Mißtrauen einmal schon deswegen, weil man m i t Privaten i m Rundfunkbereich der Bundesrepublik Deutschland noch keine schlechten Erfahrungen machen konnte, der Gedanke an jede A r t von staatlich beeinflußten Rundfunkveranstaltungen dagegen, aus der Zeit des Nationalsozialismus und damit aus der jüngsten Geschichte üble Erinnerungen wecken müßte. Auch beim Fernsehurteil ging es schließlich u m die Abwehr eines „verkappten ,Staatsrundfunks' " (W. Weber) und die Gefahren heute liegen ebenso — wie noch zu zeigen sein w i r d — i n dieser Richtung, wenn allenthalben über den dominierenden Einfluß der Parteien Klage geführt wird. Erstaunlich ist das Mißtrauen gegenüber dem Privaten als Rundfunkunternehmer aber vor allem auch deswegen, weil es immerhin einen Bereich betrifft, der als Teil der Meinungsfreiheit eigentlich zum „Hausgut" des Individuums gehören sollte. Und dies nicht nur i m unmittelbaren Interesse des einzelnen 183 , sondern auch und gerade i m Interesse des Gemeinwesens, dessen Entwicklung allemal von der originellen Eigengesetzlichkeit des Individuums die notwendigen Impulse erfährt. Aber davon w i l l man immer weniger hören. Das unbezweifelbare Faktum, daß sich öffentlich Meinung heute vorwiegend „ i m Widerspruch organisierter Gruppen" und nicht mehr i n der „individuellen Diskussion räsonierender Privatleute" bildet 1 8 4 , w i r d allzu bereitwillig hingenommen, obwohl es auf der Hand liegt, daß die „Meinung" m i t ihrer Abwanderung i n organisierte Kollektive durchweg gerade jene originelle Spontaneität verliert, die sie für den freien demokratischen Staat so wertvoll und „konstituierend" macht. Der demokratische Gesetzgeber müßte daher alles tun, u m die Bedeutung der individuellen Meinung zu stärken und i h r auch als Teil des Volkswillensbildungsprozesses mehr Gewicht zu verleihen. Die Entwicklung aber geht i n die andere Richtung. Meinungsfreiheit w i r d zunehmend als „öffentliche Aufgabe" bewertet und i n institutionelle Zucht genommen. Wie weit der Prozeß einer „Insti183 R. Smend, W D S t R L 4 (1928), S. 50: Meinungsfreiheit als ein „Stück sittlich notwendiger Lebensluft f ü r den einzelnen, die Wahrheit sagen zu dürfen". 184 So Lenz, J Z 1963, S. 344 unter Verweis auf Scheuner.
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tutionalisierung großen Stils" (Dürig) schon gediehen ist, zeigt — wie ich an anderer Stelle glaube nachgewiesen zu haben 1 8 5 — nicht zuletzt die Rechtsprechung des BVerfG zur Meinungsfreiheit. Einen K u l m i nationspunkt i n dieser Hinsicht aber stellt zweifellos die Diskussion speziell u m die Rundfunkfreiheit und die A r t ihrer Sicherung dar 1 8 6 . Selbst bedeutende Schriftsteller, die über jeden Verdacht erhaben sind, unausgewogenen Extrempositionen oder einseitigen Interessen das Wort zu reden, treten dezidiert für die Beibehaltung der heute geltenden öffentlich-rechtlichen Struktur der Rundfunkanstalten ein 1 8 7 . I n bemerkenswerter Weise w i r d das Mißtrauen gegenüber privaten Rundfunkunternehmen bei Lerche i n seiner Schrift über das Rundfunkmonopol deutlich 1 8 8 . I n einer „Freigabe des Rundfunks für private Hände" sieht er „gewiß und i n jedem Fall" ein „erhebliches Wagnis" 1 8 9 und meint, die für die Rundfunkfreiheit schon bei einer öffentlichrechtlichen Anstaltsform i n der Praxis gegebenen Gefahren des Uberspielens institutioneller Sicherungen müßten sich bei einer materiellen Privatisierung des Rundfunks weiter erhöhen: „Jede Erfahrung lehrt, daß die Praxis namentlich dann, wenn sie durch kommerzielle Interessen beflügelt wird, nicht eben an Phantasiearmut leidet. Jedenfalls ist es nicht allein die gesetzgeberische Phantasie, die hier zu Buche schlägt, sondern auch der Erfindungsreichtum jener privaten Interessenten, die m i t den normativen Anforderungen konfrontiert werden würden. Die Durchsetzungskraft der verfassungsrechtlichen und gesetzgeberischen Postulate sähe sich wohl i n kaum einem anderen essentiellen Bereich des modernen Staates auf eine so harte Probe gestellt wie i n dem hiesigen 190 ." Er untermauert diese Befürchtungen m i t einer Fülle einzelner (rhetorischer) Fragen 1 9 1 : „Wie soll etwa die Gefahr der Verfälschung durch Strohmänner gebannt werden? Wie ist ein verborgener Einfluß von Werbeveranstaltungen oder Werbeträgern auf das übrige Programm praktikabel i m Zaum zu halten, zumal sich ein derartiger Einfluß u. U. i n ,stillen', ungreifbaren Formen entwickelt (,man möchte es sich von vorneherein nicht m i t ihnen verderben') und auch ausländische gesetzgeberische Normen dieser A r t i n ihrer Effizienz bekanntlich höchst zweifelhaft sind? Wie ist der Einfluß der Programm185 w. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S.60ff., insbes. S.97ff.; zur Problematik der „öffentlichen Aufgabe" i m Bereich der R u n d f u n k k o m m u n i kation vgl. etwa Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 348 ff. m. ζ. N. 186 F ü r den politischen Bereich siehe etwa die Erklärungen der SPD u n d der Gewerkschaften: epd-Kirche u n d Rundfunk Nr. 44 v. 24.11.1971, S. I f f . 187
Vgl. oben Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn. Β I. 188 v g l . etwa auch Lieb, Kabelfernsehen, S. 210 f. m. w. N. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 70, 107. 100 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 106. 191 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 107.
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lieferanten zu kontrollieren? Vor allem: Wie kann jenes Mindestmaß von Qualität erreicht werden, das angesichts der Zuordnung des Rundfunks zu den ,öffentlichen Aufgaben 4 zu fordern ist, ohne doch die Kommerzialisierung, die m i t der materiellen Privatisierung voraussichtlich verbunden sein würde, unmöglich zu machen? Wie könnte umgekehrt ein möglicher Qualitätsverlust der verbleibenden öffentlich-rechtlichen Anstalten (angesichts der Begrenztheit gerade auch der personellen Mittel) vermieden werden? Was gilt gegenüber der (lokalen) Presse? Wäre man nicht zu bedenklich weitgehenden Arrangements gezwungen? Und ferner etwa: Wie soll i n praktikabler Weise eine hinreichend unabhängige 4 Konzessionserteilung organisiert, wie die gesellschaftliche Harmonisierung m i t dem Bundesrecht gefunden werden? Etc., etc." Selbstverständlich sind diese Gefahren nicht zu unterschätzen. Aber es ist nicht ausgemacht, ob es überhaupt noch so vieler ausgeklügelter institutioneller Sicherungen bedarf w i e bei der heute geltenden Rundfunkstruktur, wenn der Rundfunk erst materiell privatisiert ist. Es ist nicht ausgemacht, ob die erforderlichen Sicherungen nicht sehr viel besser durch den M a r k t der freien Konkurrenz besorgt werden. Und i m übrigen gelten die Gefahren cum grano salis auch für die Freiheit der Presse, der das B V e r f G 1 9 2 i m Fernsehurteil immerhin die erforderliche Pluralität bescheinigt hat, wenn es feststellt, daß i n ihrem Bereich „eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert". Damit soll nicht behauptet werden, daß i m Pressebereich alles zum besten stünde. Jedenfalls hat man die Presse trotz langer und gründlicher Diskussion vor einer Konstruktion à la öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten verschont — nicht ohne Orund, w i e ich meine 1 9 3 . Ganz abgesehen aber von dem Vergleich und der Vergleichbarkeit von Presse und Rundfunk scheint m i r doch das Mißtrauen gegenüber den Privaten i n einem ungesunden Verhältnis zum Vertrauen i n die Sicherungsfunktion der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft zu stehen. Während Lerche 1 9 4 die Gefahren wenigstens offen anspricht, die auch bei öffentlich-rechtlichen Regelungen entstehen können, hat man bei anderen Vertretern 192 BVerfGE 12, 205/261. lös v g l . dazu v o r allem die überzeugenden Darlegungen v o n J. Presseplanung (siehe etwa S. 31: „Private S t r u k t u r macht frei"). solidierung der wirtschaftlichen Lage der Tageszeitungen u n d zur Verlangsamung des Trends einer Verringerung der A n z a h l v o n tionen: w i b 8/22/78 — 11/94, S. 5.
H. Kaiser, Zur Kondeutlichen Vollredak-
i®4 Rundfunkmonopol, S. 106; vgl. auch Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 53 sowie Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 331.
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der anstaltlich gesicherten Rundfunkfreiheit nicht selten den Eindruck, als würden die Gefahren für die Freiheit des Rundfunks allein von der „Privatwirtschaft" ausgehen19®. So meint z.B. Schmitz 1 9 6 , für die Sicherung des freien Meinungskampfes habe sich „bislang die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als ein notwendiges (!) und praktikables Modell erwiesen, die Sonderinteressen institutionell auszubalancieren". Auch Stern / Bethge 1 9 7 sprechen von der „bewährten . . . öffentlich-rechtlichen Anstalt des Rundfunks". Aber gerade das ist doch zunächst einmal die Frage. Würde die derzeitige Organisationsform wirklich die Rundfunkfreiheit optimal garantieren und keinerlei nennenswerte Gefahren m i t sich bringen, so könnte man zwar auch nicht darüber hinwegsehen, daß die „subjektive Seite" eines Grundrechts, das Individualrecht also, schließlich die eigentliche Bedeutung dieser verfassungsrechtlichen Garantie ausmacht 198 . Aber die objektive Seite würde besonderes Gewicht gewinnen. Nur: das (z.T. geradezu blinde) Vertrauen i n die derzeitige Organisationsform ist nicht gerechtfertigt. Dies wurde schon oft nachgewiesen. Besonders zu erwähnen sind die Abhandlungen von J a n k 1 9 9 und Chr. Starck 2 0 0 . Hier genügt es, einige wesentliche Punkte zu skizzieren: W i r können dabei auf „Motiv-Forschung" verzichten, und so mag es dahinstehen, ob das Gericht „gegen die inkriminierte Fernseh-GmbH die damals und heute noch bestehende öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisation als positives und verfassungsmäßiges Gegenbild i n möglichst helles Licht rücken" wollte 2 0 1 . Feststehen dürfte jedenfalls, daß das Licht i m Laufe der Jahre immer mehr verblaßte und das Unbehagen an der derzeitigen Rundfunkorganisation und der darauf basierenden Praxis wächst. Die Zufriedenheit m i t dem Status quo 195 w i e wenig auch öffentlich-rechtliche Anstaltsformen allein gegen Gefahren einseitiger Programmausrichtung schützen, zeigt der Novellierungse n t w u r f des Gesetzes über die Errichtung u n d die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Radio Bremen", der v o m Unterausschuß des Ständigen Fraktionsausschusses Wissenschaft u n d K u n s t der Bremer SPD form u l i e r t wurde (epd-Kirche u n d Rundfunk, Nr. 54/55 v. 19. J u l i 1978). Dazu etwa: F A Z v. 22.9.1978 („Die L i n k e bekommt i n Bremen einen P r i v a t sender"); Griesser, So w i l l die SPD das Gesetz über den Sender Bremen ändern, i n : Die Welt, Nr. 235 — 41. W. v. 9.10.1978. lee D Ö V 1969, S. 700 f. unter Verweis auf Zippelius. 197 öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 61. Vgl. etwa auch Stammler, Kabelrundfunk, insbes. S. 19 ff., 31; Ossenbühl, D Ö V 1972, S. 298. 198 Vgl. dazu W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), insbes. S. 82 ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 32 ff. 199 DVB1. 1963, S. 44 ff. 200 Rundfunkfreiheit, passim. Vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, insbes. S. 21 f. soi So Chr. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 24.
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scheint sich allmählich immer mehr auf jene Kreise zu beschränken, die selbst zu den relevanten gesellschaftlichen Gruppen gehören und tatsächlich entscheidenden Einfluß auf die Programmgestaltung ausüben können. Schon Bettermann 2 0 2 hat darauf hingewiesen, daß es ein I r r t u m ist zu glauben, allein die Neutralität würde bereits die Freiheit des Rundfunks gewährleisten: „ I m Gegenteil birgt die A r t der Neutralisierung, die das BVerfG billigt und fordert, gerade die Gefahr, daß die individuellen Meinungsäußerungen unterdrückt, behindert oder erschwert und nur noch kollektive Ansichten verbreitet werden, und zwar nur derjenigen Kollektive, die i n den Rundfunkorganen vertreten sind, während zahllose andere Gruppen ausgeschlossen sind." Die Rundfunkfreiheit, die jedenfalls idealtypisch auch die Freiheit des einzelnen i n seiner individuellen Eigenart sein soll, schrumpft hier zur Freiheit der organisierten Kollektive, die zudem noch m i t einer zumindest faktischen Monopolstellung versehen werden und damit zum „geschlossenen Kreis von Privilegierten" entarten. Weil i n diesem System nicht alle Gruppen der Gesellschaft vertreten sein können, w i r d die Entscheidung darüber, welche Gruppe „bedeutsam" genug ist, u m i n den Organen der Rundfunkanstalten Eingang zu finden, immer mehr oder minder w i l l k ü r l i c h sein, zumal alle nicht organisierten Interessen in dieser ständischen Konstruktion stets unvertreten bleiben müssen, w i l l man nicht den hier völlig inakzeptablen Weg der Fiktion gehen und sie durch die parlamentarischen Mitglieder des Rundfunkrates als vertreten ansehen 203 . Die peinliche Frage lautet also: Was macht eigentlich die Bedeutsamkeit einer Gruppe aus? Das BVerfG hat darauf keine A n t w o r t gegeben. Der Spielraum wurde genutzt. Praktisch und rechtlich entscheidet sich die Bedeutsamkeit einer Gruppe m i t ihrer Nähe zum gesetzgebenden Organ, zum Parlament als dem Gesetzgeber für die Rundfunkorganisation. I n geradezu entwaffnender Offenheit formuliert der ehemalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz K ü h n 2 0 4 , das diesbezügliche Selbstverständnis: „Das Parlament als die Repräsentation der Parteiendemokratie müßte ja auch ein anderes 202 DVB1. 1963, S. 43 ; vgl. auch Merten, E v S t L K (1975), Sp. 1539. 203 h . H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 22, k o m m t zu dem Ergebnis: „Die Verleihung von unkontrollierter bzw. unkontrollierbarer Autonomie u n d des Privilegs der Rundfunkveranstaltung an die wenigen Trägerorganisationen hat ein typisches Ergebnis gezeitigt: die Existenz von Macht ohne K o n trolle." Vgl. etwa auch Chr. Starck, ZRP 1970, S. 218; Bettermann, DVB1. 1963, S. 43. 204 Rundfunkordnung u n d bundesstaatliche Struktur, Dokumente und Meinungen, Heft 3 (1971), S. 19.
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Elektionsprinzip oder Zusammensetzungsprinzip für die Gremien beschließen, und den möchte ich sehen, der dabei über politische Möglichkeiten und politische Macht verfügt, der nicht darin auch seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen einbringen würde 2 0 5 ." Dementsprechend wurde und w i r d verfahren. Das Ergebnis überrascht dann nicht mehr weiter: So berichtet H. G. Merkel 2 0 6 , daß i m Jahre 1965 von insgesamt 512 Mitgliedern i n deutschen Rundfunk- und Fernsehräten 209 der Exekutive oder Legislative angehörten; das entspricht ca. 40 °/o. Bei insgesamt 91 Verwaltungsratsmitgliedern gehörten 62, also nicht weniger als 68 °/o der Exekutive oder Legislative an. Für das Jahr 1972 muß Chr. Starck 2 0 7 ein ähnliches B i l d konstatieren: „Von den insgesamt 367 Mitgliedern der deutschen Rundfunk- und Fernsehräte gehören 130, das sind reichlich 35 °/o, der Exekutive oder der Legislative an. Von den 90 Verwaltungsratsmitgliedern sind 49, d. h. ca. 55 °/o, Beamte, Regierungsmitglieder oder Abgeordnete." Man fragt sich, wo hier eigentlich noch die vom BVerfG geforderte „Staatsfreiheit" des Rundfunks bleibt. Nun ist es freilich richtig, daß — worauf schon Bettermann 2 0 8 hingewiesen hat — das BVerfG wohl von vornherein den Ausschluß des Staates von Presse und Rundfunk nicht so „ernst" gemeint hat, wie es i n der Literatur zuweilen behauptet w i r d 2 0 9 . I m Fernsehurteil w i r d ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine „Einflußnahme des Staates" m i t der verfassungsmäßigen Garantie der Pressefreiheit dann vereinbar wäre, „wenn sich wegen der Konkurrenz m i t der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem B i l d der freien Presse substantiell nichts ändern würde" 2 1 0 . Vor allem aber hindert nach Ansicht des Gerichts 2 1 1 A r t . 5 GG nicht, „daß auch Vertretern des Staates i n den Organen des ,neutralisierten 4 Trägers der Veranstaltungen ein angemessener Anteil eingeräumt wird". Ubersehen haben dürfte das BVerfG dabei wohl die Tatsache, daß es i n nicht wenigen Anstalten von vornherein an w i r k lich „neutralisierten" Trägern fehlt, weil die eigentlich pluralistische Struktur nur in jenen Rundfunkanstalten zu finden ist, die noch unter 205 Kühn weiß sehr wohl, was er damit sagt. So betont er an anderer Stelle (Die Parteien u n d der Rundfunk, i n : Die Freiheit des Rundfunks. Schriftenreihe der Evangelischen Akademie f ü r Rundfunk u n d Fernsehen. H e f t l , 1956, S. 109): „Die Parteipolitisierung des Rundfunks . . . ist ein ausgesprochenes Greuel u n d wäre ein Unglück für den Staat, die Gesellschaft u n2d auch f ü r den Rundfunk selbst." °e i n : Roegele (Hrsg.), Pressereform und Fernsehstreit, S. 192 f., 193 f. 2 °7 Rundfunkfreiheit, S. 22. 208 DVB1. 1963, S. 42. 20
» Vgl. etwa Lenz, J Z 1963, S. 341 f. 210 BVerfGE 12, 205/260. 2
BVerfGE
12, 2 0 5 / 2 6 .
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1.3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . I l l a B V m i t d e m
GG
der Ägide der Besatzungsmächte entstanden sind. Dagegen haben spätere Anstaltsgründungen Organisationsformen eingeführt, die das erklärte Ziel einer stärkeren Berücksichtigung politischer bzw. staatlicher Kräfte haben. Entscheidend ist hierbei vor allem, daß es keine geborene oder gesetzliche Mitgliedschaft mehr gibt, sondern die Auswahl insbesondere der Rundfunkratsmitglieder i m wesentlichen i n den Händen der Parlamente liegt. „Lupenrein" ist insofern vor allem die Organisation des Norddeutschen Rundfunks und des Westdeutschen Rundfunks K ö l n 2 1 2 . Aber selbst wenn man die Augen davor verschließt, daß es bei den Parlamentariern und Vertretern der Exekutive u m Repräsentanten des Staates, z.T. tatsächlich u m solche von politischen Parteien handelt, und das BVerfG 2 1 3 die Parteien wiederum als Staatsorgane bezeichnet, die als „integrierende Bestandteile des Verfassungsaufbaus" nicht wie „andere soziale Gebilde nur i n einer verfassungsmäßig gesicherten Position dem Staat gegenüber" stehen, so läßt sich doch kaum die Tatsache übersehen, daß sie gegenüber anderen Gruppen, wie gezeigt, eindeutig überrepräsentiert sind. Die Uberrepräsentation w i r d noch dadurch verstärkt, daß die ohnehin dominierenden Parlamentarier und Vertreter politischer Parteien auch noch wesentlichen Einfluß auf die Auswahl der übrigen Mitglieder der Kollegialorgane nehmen können und diesen Einfluß entsprechend nützen. So kommt es nicht von ungefähr, wenn J. H. Kaiser 2 1 4 feststellt, daß ip. der Praxis der Rundfunkräte sich „den politischen Parteien alles untergeordnet hat, was neben diesen noch als ,gesellschaftlich relevante Kräfte' vertreten ist". Mag diese Situationsbeurteilung auch sehr pointiert erscheinen, wenn man ζ. B. an die mächtige Gruppe der Gewerkschaft denkt, so ändert dies nichts an der Tatsache, daß die Staatsfreiheit des Rundfunks weithin ebenso zur Illusion geworden ist wie die pluralistische Ausgeglichenheit i n den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 2 1 5 und man fragt sich dann, wie bei dieser Situation im Programmbereich noch jenes Mindestmaß inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleistet sein soll, die das BVerfG 2 1 6 fordert. 212 Siehe § 8 NDR, § 8 WDR. Vgl. i m einzelnen Jank, DVB1. 1963, S. 46 ff. Vgl. auch Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 227 zu A r t . 51, der auch zu Recht betont, daß die Versuche von Lenz (JZ 1963, S. 347 ff.), die v o n Jank aufgezeigten organisatorischen Gräben einzuebnen, oder doch als gar nicht so tief auszuweisen, nicht zu überzeugen vermögen. 213 BVerfGE 1, 208/225. 214 Presseplanung, S. 35. 215 Vgl. Werner Weber, i n : Festschrift für Forsthoff, S. 484 f. sowie v. Pesta tozza , ZRP 1979, S. 27. 2BVerfGE
12, 2 0 5 / 2 6 .
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Anknüpfend an diese Forderung des BVerfG t r i f f t Forsthoff 2 1 7 eine Feststellung, die ebenso prägnant wie unverblümt die Situation kennzeichnet: „Das Ergebnis ist die Privilegierung der bestehenden Rundfunkanstalten, die durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegen den Staat abgesichert sind. So wurde aus den Rundfunkanstalten, was jeder Kundige voraussehen konnte: Nisthöhlen für Cliquen. Was unter diesen Umständen aus dem ,Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung 4 wurde, zeigen die Darbietungen." C. Faktische Situation im Rundfunkwesen und die rechtlichen Folgen I. Grundsatz: Die Veränderung der faktischen Situation führt zu einer Veränderung der rechtlichen Situation Unter diesen Umständen, die i n ihrer konkreten Gefährlichkeit für die Rundfunkfreiheit und deren weitere Entwicklung ernsthaft wohl kaum bestritten werden können, ist es unverständlich, daß die vom BVerfG aus der Sondersituation entwickelten Organisationsprinzipien, die die damalige und noch heute bestehende Organisationsform der Rundfunkanstalten stützen, nach wie vor weithin wie „Bibelstellen" behandelt werden. Es besteht aber gewiß kein Grund, die vom BVerfG zur Zeit des Fernsehurteils beschriebene Sonder situation i m Rundfunkwesen, die i m Laufe der Jahre zunehmend wie eine Normalsituation behandelt wurde, nunmehr zu einer Idealsituation aufzuwerten. Vielmehr muß es nicht zuletzt Aufgabe des Verfassungsjuristen sein, nach neuen Organisationsformen zu suchen oder doch wenigstens Korrekturen am herkömmlichen System i n die Diskussion zu bringen. I m Vordergrund der Überlegungen hat dabei die Tatsache zu stehen, daß die heutige Organisationsstruktur der Rundfunkanstalten nach wohl unbestrittener Meinung i n Rechtsprechung und Literatur die Folge einer faktischen Sondersituation ist, die „besondere Vorkehrungen" forderte. Grundsätzlich unbestritten ist auch, daß die Veränderung der Sondersituation zu der Veränderung der rechtlichen Beurteilung führen kann. So betont ζ. B. Lerche 2 1 8 : „Daß eine Vorschrift aufgrund (unterstellter) Entwicklung der Verhältnisse nachträglich m i t Der Staat der Industriegesellschaft, S. 156. Vgl. auch die grundsätzliche K r i t i k von J. H. Kaiser, Presseplanung, insbes. S. 31 ff. sie Rundfunkmonopol, S.32 unter Hinweis auf BVerfGE 12, 341/353; E 16, 130/141 ff.; E 21, 292/305; BFH 80, 356/368 ff.; 89, 422/438. Ebenso Rudolf, Zulässigkeit, S. 64 f.; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 346 f.; Merten, E v S t L K (1975), Sp. 1539 f.
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I . 3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . l l a
B V mit dem
GG
e i n e r ü b e r g e o r d n e t e n N o r m i n W i d e r s p r u c h t r e t e n k a n n , i s t n i c h t zu b e z w e i f e l n . " F ü r d e n h i e r i m M i t t e l p u n k t stehenden P r ü f u n g s g e g e n s t a n d h e i ß t das k o n k r e t : D i e Ä n d e r u n g der tatsächlichen S i t u a t i o n b z w . d e r S o n d e r s i t u a t i o n i. S. des F e r n s e h u r t e i l s k a n n d a z u f ü h r e n , daß A r t . l i l a A b s . 2 B V i n W i d e r s p r u c h zu A r t . 5 A b s . 1 S a t z l G G t r i t t , also v e r f a s s u n g s w i d r i g u n d d a m i t n i c h t i g ist. T a t s ä c h l i c h g e h e n auch Rechtsprechung u n d S c h r i f t t u m prinzipiell d a v o n aus, daß d i e v o m B V e r f G a n h a n d d e r S o n d e r s i t u a t i o n e n t w i k k e l t e n O r g a n i s a t i o n s m a x i m e n u n t e r e i n e r clausula r e b u s sie s t a n t i b u s s t e h e n 2 1 9 . D i e M e i n u n g e n t s p r i c h t ohne Z w e i f e l auch d e r A n s i c h t des B V e r f G selbst, das — w i e L e r c h e 2 2 0 b e t o n t — seine A u s f ü h r u n g e n ausd r ü c k l i c h u n t e r d e n „ V o r b e h a l t " d a m a l i g e r G e g e b e n h e i t e n u n d finanzieller Bedingungen gestellt h a t 2 2 1 . H e f t i g u m s t r i t t e n u n d i n der T a t auch f r a g l i c h ist dagegen, in welchem Ausmaß eine Ä n d e r u n g d e r S o n d e r s i t u a t i o n i m R u n d f u n k w e s e n 219
Aus dem Bereich der Rechtsprechung: BVerwGE 39, 165 f.: „ . . . Diese Voraussetzungen sind gegenwärtig (!) nicht erfüllt. Weder die Z a h l der zur Verfügung stehenden Frequenzen noch die finanzielle Lage ermöglichen ein freies Spiel der K r ä f t e i m Fernseh-/Rundfunkbereich . . . " ; OVG Münster v. 24. 9.1976, D Ö V 1978, S. 522: „ . . . Z w a r mag heute der Einsatz einer gegenüber 1961 kostengünstigeren Sendetechnik i n größerer Breite möglich u n d damit die Veranstaltung auch durch Private ohne Beeinträchtigung der institutionellen Rundfunkfreiheit sinnvoll oder gar grundrechtlich geboten (!) sein . . . " ; BayVerfGH, V G H n.F. 30, 97: „Ob es nach Durchführung der . . . K o m m u n i k a t i o n i m Kabelfernsehen möglich u n d verfassungsrechtlich geboten (!) sein w i r d , die Veranstaltung v o n Rundfunk auch Privaten . . . zu überlassen . . . , läßt sich derzeit (!) noch nicht abschließend beurteilen . . . " ; S. 98: „Es soll nicht ausgeschlossen werden, daß bei einem weiteren F o r t schreiten der technischen Entwicklung die Beschränkung der Veranstaltung von Rundfunksendungen auf öffentlich-rechtliche Träger . . . entbehrlich werden k a n n . . . Auch f ü r den Verfassungsgeber erwüchse dann die V e r pflichtung, den Fundamentalnormen der Meinungsfreiheit, der R u n d f u n k freiheit u n d dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . Rechnung zu tragen u n d die Gründung sowie den Betrieb nicht öffentlich-rechtlicher R u n d f u n k unternehmen zuzulassen . . . " Aus dem Bereich der Literatur: Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 223 zu A r t . 51; Krause-Ablaß, Publizistische Gewaltenteilung, S.3; W. Geiger, Z V + Z V , Nr. 30/31 v. 29.7.1969, S. 1351 ff.; ders., Die Z u k u n f t des Fernsehens. Verfassungsrechtliche Perspektiven zur gegenwärtigen E n t w i c k l u n g des R u n d f u n k - u n d Fernsehwesens, i n : A m Wege der Zeit, hrsg. von der Katholischen Nachrichtenagentur, Nr. 11 v. 20.6.1969, S. 2; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 360, 346 f.; Rudolf, Zulässigkeit, S. 49 f.;Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, insbes. S. 478 f.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 10 ff., 19, 46; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 161; Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 48; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 46; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 64 ff. — Weitere Nachweise bei Lieb, Kabelfernsehen, S. 200, F N 4 u n d 5. 220 Rundfunkmonopol, S. 46; vgl. etwa auch Rupert Scholz, JuS 1974, S. 305. 221 BVerfGE 12, 205/262: ausdrücklicher Hinweis auf die „gegenwärtigen technischen Gegebenheiten", vgl. auch E 31, 314/326: „jedenfalls vorerst."
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eingetreten ist und inwieweit die Änderung der faktischen (Sonder-) Situation rechtliche Relevanz besitzt bzw. nach einer Änderung der rechtlichen Strukturen i m Rundfunkbereich verlangt. I I . Die Beurteilung der faktischen Situation
Was zunächst die Beurteilung der faktischen Situation angeht, so fällt auf, daß das BVerfG die „Sondersituation i m Rundfunkwesen" nur behauptet und m i t keinem Satz begründet hat. Der Verweis auf den „Unterschied zwischen Presse und Rundfunk" und die „relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen" 222 gibt keine hinreichend klaren Anhaltspunkte. Entsprechend unpräzise verlief und verläuft auch die Diskussion. 1. Daß das BVerfG hinsichtlich der Sondersituation in technischer Hinsicht, was also den Frequenzmangel angeht, auf jede Begründung verzichtet hat, mag man noch akzeptieren. Jedenfalls zur Zeit des Fernsehurteils i m Jahre 1961 war die Zahl der Ubertragungsmöglichkeiten tatsächlich nicht groß genug, um die nötige Pluralität der Meinungen durch eine Vielzahl privater Rundfunkunternehmen zu gewährleisten. Das ist unbestritten 2 2 3 . Anders stellte sich die technische Situation bereits i m Zeitpunkt der Mehrwertsteuerentscheidung, also i m Jahre 1971, dar. Schon i m Jahre 1968 glaubt ζ. B. Herzog 2 2 4 eine grundlegende Veränderung der technischen Voraussetzungen feststellen zu können, von denen das BVerfG im Jahre 1961 ausgegangen ist: „Der modernen Fernmeldetechnik ist es heute bereits möglich und w i r d es binnen kurzer Zeit auch i n einer wirtschaftlich verwertbaren Weise möglich sein, die einzelnen Wellenbereiche so scharf voneinander abzugrenzen, daß . . . nahezu eine beliebige Vervielfachung der der Bundesrepublik zur Verfügung stehenden Wellenbereiche und folglich auch Sendemöglichkeiten möglich sein wird." Herzog steht m i t dieser Beurteilung der technischen Situation dem Grundsatz nach nicht allein. Schon kurz nach der Verkündung des Fernsehurteils hat Krause-Ablaß 2 2 5 auf die technische Möglichkeit zur Verbreitung neuer Programme auf den verfügbaren Wellen hingewiesen. Demme meint i n seiner 1969 erschienenen Schrift 2 2 6 , „daß 222 BVerfGE 12, 205/261. 223 Vgl. etwa Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 222 zu A r t . 5 I ; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 11. 224 i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 222 zu A r t . 5 I. 225 D Ö V 1962, S. 250. 22β Kabel-Fernsehen, S. 41.
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das Veranstalten eines Draht-Fernsehens i m Gegensatz zum Verbreiten eines Rundfunkprogramms nicht von der Wellenknappheit beeinflußt w i r d " , weil die „elektromagnetischen Impulse nicht durch den Äther ausgestrahlt werden, sich vielmehr längs eines Leiters ausbreiten". Die Anzahl der Träger solcher Veranstaltungen muß daher aus technischen Gründen nicht notwendig klein bleiben. 1971 faßt Rudolf 2 2 7 seine Uberlegungen i n dem Satz zusammen: „ M a n kann also davon ausgehen, daß bereits heute nicht an die Rundfunkanstalten vergebene und auch nicht von der Bundespost für ihre Sender benötigte ungenützte Frequenzen zur Verfügung stehen und i n absehbarer Zeit i n wesentlich größerem Umfang zur Verfügung stehen werden." Etwa zur gleichen Zeit führt Werner Weber 2 2 8 unter Hinweis auf Äußerungen des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs Gscheidle und zahlreicher Literaturstellen aus: „Die wesentliche Änderung der Lage, die seit dem Fernsehurteil von 1961 eingetreten ist, besteht darin, daß der ehemals technisch . . . bedingte monopolistische oder allenfalls begrenzt-oligopolistische Charakter des Rundfunks sich aufgelöst hat. Authentische Erklärungen gehen dahin, daß die technische Entwicklung zu einer ,enormen Vermehrung' der verfügbaren Sendefrequenzen geführt hat, die eine störungsfreie Parallelaussendung zahlreicher Programme ermöglicht. Diese Vermehrung bieten vor allem, aber nicht allein, das Kabelfernsehen und der 12-Giga-Hertz-Bereich sowie eine Kombination beider." Akzeptiert man diese Beurteilung, so w i r d man Rupert Scholz zustimmen müssen, wenn er kritisiert, daß sich das BVerfG i n der Mehrwertsteuerentscheidung damit begnügte, auf die rechtlichen Erkenntnisse des Fernsehurteils hinzuweisen und jede Auseinandersetzung m i t den seit 1961 auf dem sendetechnischen Gebiet eingetretenen Neuerungen unterließ. Aus diesem Grund kann dem Mehrwertsteuerurteil i n der Tat „auch nur entsprechend begrenzte Aussagekraft beigemessen werden" 2 2 9 . Die vorstehende Schilderung der technischen Situation w i r d von einem Teil der Literatur als zu optimistisch, zuweilen auch als unhaltbar bewertet. So meint ζ. B. Berg 2 3 0 zu der oben zitierten Behauptung Herzogs, die technischen Voraussetzungen hätten sich gegenüber dem Jahre 1961 227 Zulässigkeit, S. 45 ff. 228 I n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 478. Vgl. außerdem etwa Scheuner, V V D S t R L 22 (1965), S. 15; Haensel, U F I T A 50 (1967), S. 514; Merten, E v S t L K (1975), Sp. 1539 f.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 68 ff.; v.Pestalozza, ZRP 1979, S. 26 f. 229 Rupert Scholz, JuS 1974, S. 301; vgl. dazu insbes. auch v. Pestalozza, StW 1972, S. 82 f. 230 I n : Hufen (Hrsg.), P o l i t i k und Massenmedien, S. 81 ff.
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grundlegend geändert, dies sei eine „kühne Feststellung", die „einfach nicht den Tatsachen" entspreche. Auf Grund eigener Überlegungen kommt er zu dem Ergebnis: „Eine Ubersicht über die Frequenzentwicklung seit 1961 zeigt, daß die Prämissen des Fernsehurteils unverändert fortbestehen." Pessimistisch äußert sich auch Tetzner 2 3 1 , und es w i r d immer wieder darauf hingewiesen, daß die Möglichkeiten des Kabelrundfunks begrenzter sind, als es auf den ersten Blick erscheinen mag und auch die Erwartungen, die an die Erschließung des 12-GigaHertz-Bereichs geknüpft werden, zu hoch angesetzt waren 2 3 2 . Insgesamt aber w i r d — vor allem von der Rechtsprechung — nicht abgestritten, daß durch die Einsatzmöglichkeiten neuer Frequenzen und durch die technische Entwicklung der Kabelübertragung die Zahl der Rundfunkprogramme erheblich vermehrt werden kann 2 3 3 . Diese Auffassung w i r d auch durch eine jüngere Darstellung der zahlreichen und vielfältigen Sendemöglichkeiten vor allem i m Bereich des Kabelrundfunks durch Rudolf / Meng 2 3 4 bestätigt. I n einer gutachtlichen Äußerung für die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahre 1978, die auch am KtK-Bericht orientiert ist, führen sie folgendes aus: „ L ä ß t sich auf einer gewöhnlichen Telefonleitung n u r ein einziges Programm übertragen, so können über ein K o a x i a l - K a b e l — von der Kabelstärke abhängig — 1 2 - 6 0 Fernsehprogramme u n d zusätzlich etwa die gleiche Anzahl von Hörfunkprogrammen übertragen werden. A u f jedem Fernsehkanal könnten statt eines Fernsehprogramms etwa 100 Hörfunkprogramme gesendet werden. Bei Beachtung der aktuellen Verstärkertechnik u n d auch der Wirtschaftlichkeit des Verteilersystems k a n n man bei Benutzung eines Konverters den Empfang von etwa 30 Fernsehprogrammen über ein einziges Kabel möglich machen. Aus wirtschaftlichen Gründen ist allerdings bei der gegenwärtigen elektronischen Beschaffenheit der Empfangsgeräte eine A n lage v o n n u r 12 Kanälen zur Zeit das M a x i m u m . Verlegt m a n statt eines Kabels mehrere Kabel u n d läßt jedes Kabel i n eine eigene Anschlußbuchse ausmünden, so erhöhen sich bei den gegen231
I n : Hufen (Hrsg.), P o l i t i k u n d Massenmedien, S. 223 ff. So ζ. B. Stammler, Kabelrundfunk, S. 4, 12 f., 38. 233 Vgl. etwa OVG>Berlin v. 1.4.1969, D Ö V 1969, S. 714: „ . . . die Frequenzen, die i n früheren Jahren zu Ausstrahlung von Fernsehsendungen zur V e r fügung gestanden haben, inzwischen durch das Hinzutreten des V I . Bandes u m ein Vielfaches vermehrt worden sein . . . " ; OVG Münster v. 24.9.1976, D Ö V 1978, S. 522: „ . . . mag es zutreffen, daß derzeit u n d i n Z u k u n f t mehr Sendefrequenzen zur Verfügung stehen, als 1961 i m Fernseh-Urteil . . . " ; BVerwGE 39, 166: „ . . . muß aber unterstellt werden, daß neben den bisherigen Programmen sechs bis zehn weitere Programme i n B e r l i n ausgestrahlt werden könnten . . . Wenn sich also auch nach dem Fernsehurteil die Lage verbessert hat . . . " ; Stammler, Kabelrundfunk, S . 4 f f . ; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 129 ff. m. w . N. 234 Breitbandkommunikation, S. 17 f.; vgl. auch H. H. Klein, Die R u n d f u n k freiheit, S. 2 ff. 232
8 Schmitt Glaeser
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wärtigen Empfangsgeräten die Empfangsmöglichkeiten u m je 12 Fernsehprogramme je Kabel. Bei der Verlegung v o n ζ. B. 10 Kabeln könnten schon jetzt 120 verschiedene Fernsehprogramme empfangen werden. Jedoch sind auch bereits weitergehende Zukunftsperspektiven erkennbar. Die Verwendung eines Hohlleiterkabels aus Kupfer von 7 cm Durchmesser könnte die gleichzeitige Übertragung von 500 000 Telefonkanälen ermöglichen. Das entspricht einer Bandbreite von 2000 Megahertz. I m Vergleich dazu: E i n Fernsehkanal benötigt eine Bandbreite von 7 Megahertz. Die Verbreitung mittels Laser-Strahls i n einem Glasfaserkabel von 52 Mikrometern Durchmesser könnte eine Bandbreite von 100 Gigahertz umfassen. Sind hier auch noch technische Probleme zu lösen, so ist doch bereits absehbar, daß die Z a h l der übertragbaren Kanäle i n nicht allzu ferner Z u k u n f t unvorstellbare Dimensionen annehmen w i r d . Dabei sind Prognosen über die Verwendung von Nachrichtensatelliten zur Breibandübertragung i m 12-Gigahertz-Bereich überhaupt noch außer acht gelassen." 2. E i n e ä h n l i c h e L a g e e r g i b t sich b e i d e r v o m B V e r f G 2 3 5 b e h a u p t e t e n Sondersituation in finanzieller Hinsicht, also b e i d e m A r g u m e n t v o m „ a u ß e r g e w ö h n l i c h g r o ß e n finanziellen A u f w a n d " f ü r d i e V e r a n s t a l t u n g v o n R u n d f u n k d a r b i e t u n g e n . A u c h h i e r b e s c h r ä n k t sich das G e r i c h t a u f eine B e h a u p t u n g , d i e i m H i n b l i c k a u f die b e i m F e r n s e h u r t e i l i n F r a g e stehenden ü b e r r e g i o n a l e n R u n d f u n k v e r a n s t a l t u n g e n eine gewisse G l a u b w ü r d i g k e i t besitzen m a g 2 3 6 . Ebenso w e n i g k a n n a b e r das A r g u m e n t v o n d e r H a n d gewiesen w e r d e n , daß d e r K a m p f u m die P r i v a t i s i e r u n g des R u n d f u n k s beweise, daß d e r a r t i g e p o t e n t i e l l e U n t e r n e h m e r v o r h a n d e n s e i e n 2 3 7 . I m m e r h i n w u r d e n ζ. B . i n Ö s t e r r e i c h b i s z u m Jahresende 1977 b e i d e r österreichischen Post e t w a 2500 A n t r ä g e P r i v a t e r f ü r die G e n e h m i g u n g z u r E r r i c h t u n g v o n K a b e l s t a t i o n e n gestellt238. So w e n d e t sich H e r m a n n 2 3 9 gegen d i e F e s t s t e l l u n g des B V e r f G 2 4 0 , daß i m „ B e r e i c h des R u n d f u n k s . . . auch m i t Rücksicht a u f d e n außergew ö h n l i c h großen f i n a n z i e l l e n A u f w a n d f ü r d i e V e r a n s t a l t u n g v o n R u n d f u n k d a r b i e t u n g e n die Z a h l d e r T r ä g e r solcher V e r a n s t a l t u n g e n v e r h ä l t n i s m ä ß i g k l e i n b l e i b e n m u ß " . B e d e n k e n ergäben sich v o r a l l e m 235 BVerfGE 12, 205/261. 236 v g l . dazu Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 132: „Dieser Feststellung k a n n m a n zustimmen, insoweit es sich u m eine empirische Feststellung des Tatbestandes f ü r die meisten Rundfunkunternehmen i n der Bundesrepublik Deutschland handelt." 237 So etwa Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 221 zu A r t . 51; vgl. auch Rudolf, Zulässigkeit, S. 63 f.; Demme, K a b e l Fernsehen, S.42; Merten, E v S t L K (1975), Sp. 1539f. 238 Ratzke, i n : F A Z Nr. 251 v. 11.11.1978, S. 10. 239 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 132; vgl. auch Demme, Kabel-Fernsehen, S.42 f.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 13 f.; Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S.478; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 72 f. 240 B V e r f G E
12, 205/261.
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gegenüber der durch die Wörter „bleiben muß" angedeuteten Zwangsläufigkeit: „denn ein Rundfunkunternehmen kann m i t einem relativ geringen Aufwand betrieben werden, wenn das Versorgungsgebiet kleiner ist und Quantität sowie Qualität der Rundfunksendungen eingeschränkt werden." Tatsächlich w i r d gerade bei Sendern, die nur lokale oder regionale Gebiete m i t ihrem Programm erreichen, i n der Regel kein Universal-Programm geboten werden (können), das m i t den Programmen der derzeitigen Rundfunkanstalten (auch) von der Kostenseite her vergleichbar wäre. Dies w i r d auch durch eine Modellrechnung belegt, die der Arbeitskreis Technik und Kosten der K t K für die Kosten eines Lokal-Studios i n einer Großstadt aufgestellt hat 2 4 1 . Die Programmkosten werden danach auf nur D M 200,— pro Sendeminute geschätzt, wobei allerdings i m Falle eines ungünstigen Verhältnisses zwischen tatsächlichem und möglichem Programmausstoß m i t einem Gemeinkostenzuschlag von bis zu 100 % gerechnet werden muß. Bundesweite Programme kosten demgegenüber D M 2 000,—, Regionalprogramme DM700,— und Dritte Programme DM450,— pro Sendeminute. Die Investitionskosten für Grundeinrichtungen fallen mehr ins Gewicht. Sie werden auf 5,3 Mio. DM, für eine weitere Ausbaustufe auf etwa 5,2 Mio. D M und die jährlichen Personalkosten auf 4,15 Mio. D M geschätzt. Auch i m übrigen w i r d i n Zweifel gezogen, ob der finanzielle A u f wand bei Rundfunkunternehmen i m Vergleich zum Pressewesen so prinzipiell unterschiedlich ist, wie das BVerfG meint. So führt etwa Herrmann 2 4 2 m i t entsprechenden Zahlenbeispielen aus: „ E i n Hörfunkunternehmen läßt sich ζ. B. m i t weniger finanziellem Aufwand betreiben als eine mittlere Zeitung, und ein Fernsehunternehmen erfordert nicht sachnotwendig wesentlich mehr M i t t e l als der Verlag einer großen Publikums-Zeitschrift oder ein großer Buchverlag, für die die sog. Zulassungsfreiheit nicht bestritten wird." Aber auch i m Hinblick auf die Kostenseite der (Sonder-)Situation sind die Meinungen sehr geteilt. So glaubt ζ. B. Berg 2 4 3 feststellen zu müssen: „Der finanzielle Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunksendungen hat sich seit 1961 eher vergrößert. Selbst lokale Rundfunkstationen erfordern einen beträchtlichen Aufwand an Errichtungsund laufenden Betriebskosten, den sich nur wirtschaftlich starke 241 Anlageband 5 zum KtK-Telekommunikationsbericht („Kabelfernsehen"), S. 197 ff. Der Berechnung liegt das Preisniveau des Jahres 1974 zugrunde. 242 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 132 f.; vgl. etwa auch Demme, Kabel-Fernsehen, S.41ff.; Rudolf, Zulässigkeit, S.64; ders., N J W 1972, S. 1293; O V G Berlin v. 1.4.1969, D Ö V 1969, S. 714. 243 i n : Hufen (Hrsg.), P o l i t i k u n d Massenmedien, S. 83; vgl. etwa auch Ossenbühl, D Ö V 1972, S. 293 ff.
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a B V mit dem
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Gruppen erlauben können." Auch L i e b 2 4 4 meint, daß „die Zahl der Träger für die verschiedenen Erscheinungsformen des Kabelfernsehens trotz der technischen Möglichkeiten der gleichzeitigen Verbreitung einer Vielzahl von Programmen" immer noch klein bleiben muß. Das Kabelfernsehen könne auf Grund seiner technischen Gegebenheiten immer nur einen begrenzten Teilnehmerkreis erreichen. Angesichts der hohen Investitionskosten für die Studiotechnik, die Verteilnernetze sowie — wenn das Kabelfernsehen m i t den ätherausgestrahlten überregionalen Sendungen konkurrenzfähig sein soll — des großen Aufwands für Programmgestaltung, dürften Gebühreneinnahmen, selbst bei größeren Kabelnetzen, kaum eine ausreichende Finanzierungsgrundlage sein. Auch einer Finanzierung über Werbeeinnahmen seien enge Grenzen gesetzt, weil sich diese Einnahmen gleichfalls nach der Zahl der erreichten Werbeadressaten richten und, wie das Absterben der lokalen ,Heimat'-Zeitungen zeige, sei es äußerst unwahrscheinlich, daß der kommunale Raum einen ausreichenden Markt für eine größere Zahl konkurrierender Werbeträger biete. Aber selbst i n Ballungszentren m i t größerem Werbemarkt würde bei steigender Zahl konkurrierender Veanstalter, die sich durch Werbung finanzieren müßten, notwendig die Rentabilität der Kabelfernsehunternehmen sinken, zumal wenn man noch berücksichtige, daß ein großer Teil des Werbebedarfs durch die i n ihrer Werbewirksamkeit attraktiveren überregionalen Rundfunkorganisationen befriedigt werde. Stammler 2 4 5 räumt zwar ein, daß die Kosten „weitgehend variabel" seien, „ j e nach den technischen und inhaltlichen Ansprüchen, die an die Sendung gestellt werden". I n einem Rundfunksystem mit 12 oder noch mehr Kanälen würde es seiner Ansicht nach möglicherweise genügen, wenn nur ein Teil der Programme einem hohen Standard entspreche. Der Rest könne unter Umständen auch m i t Sendungen einfacher A r t bestritten werden. Für die Produktion solcher Sendungen würde „eine kleine Studio-Einrichtung, evtl. auch nur auf Mietbasis, und ein Anschluß an das Kabelnetz genügen". Spätestens hier zeige sich jedoch auch, „daß durch die Bereitstellung ausreichender technischer Sendemöglichkeiten allein das verfassungsrechtliche Problem, wie die Pluralität und Chancengleichheit i m Rundfunk und die Erfüllung seiner ,öffentlichen Aufgaben' gesichert werden kann, nicht 244 Kabelfernsehen, S. 205 f.; vgl. etwa auch Schmitz, D Ö V 1969, S. 702; OVG Münster v. 24. 9. 76, D Ö V 1978, S. 522: „ R u n d f u n k - u n d Fernsehsendungen erfordern . . . einen i m Vergleich m i t der Presse bei entsprechender Verbreitungsdichte hohen finanziellen A u f w a n d . . . " Wenig später heißt es dann allerdings i n der gleichen Entscheidung: „ Z w a r mag heute der Einsatz einer gegenüber 1961 kostengünstigeren Sendetechnik i n größerer Breite möglich (sein) . . 245 Kabelrundfunk, S. 13 f.
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zureichend zu erfassen ist". Technisch und finanziell anspruchslose „Jedermann-Sendungen" seien „ i n ihrer informationspolitischen Bedeutung und i n ihren Wirkungsmöglichkeiten m i t heutigen ,Universalprogrammen' i n keiner Weise zu vergleichen" und daher nicht konkurrenzfähig. I H . Die Beurteilung der rechtlichen Situation
M i t diesen Ausführungen Stammlers w i r d zugleich (wieder) deutlich, wie eng die Frage einer „Normalisierung" der Sondersituation m i t den rechtlichen Anforderungen zusammenhängt, die man von Verfassungs wegen an die Rundfunkdarbietungen und ihre „Pluralität", „Neutralität", „Ausgewogenheit" etc. stellen zu müssen meint. Unter dieser Perspektive w i r d die Erkenntnis relevant, daß es an einer ausreichenden Rechtstatsachenforschung fehlt 2 4 6 . Die vorstehenden Darlegungen dürften den Mangel an einer exakten Bestandsaufnahme i m technischen Bereich ebenso deutlich gezeigt haben wie das Fehlen genauer Unterlagen über die tatsächlich anfallenden Kosten. I m günstigsten Falle handelt es sich u m Schätzungen, häufig aber auch um bloße Vermutungen, manchmal eher um Wertungen. Das w i r d zwar selten offen ausgesprochen („zugegeben"), wohl aber allgemein empfunden. Dementsprechend bleibt man i m Vagen 2 4 7 , bejaht oder verneint ohne Begründung, aber dezidiert die Veränderung der Situation oder aber entscheidet alternativ, indem „vorsorglich beide Möglichkeiten (Fortbestand wie relevante Änderung der faktischen Verhältnisse) zugrundegelegt werden" 2 4 8 . Dieser zuletzt genannte Weg ist juristisch sicher einwandfrei. Er h i l f t aber kaum weiter, wenn es gilt, einen konkreten Fall zu entscheiden. I n der Situation des Entscheidungszwanges w i r d dann auch der Mangel an eindeutigen und vor allem aktuellen Daten und entsprechend überzeugender Argumentation besonders deutlich. Man kann sich dabei nicht immer des Gefühls erwehren, daß — sicher i n bester Absicht — zunächst (irgendwie) ein Ergebnis festgelegt w i r d und anschließend Fakten und rechtliche Argumente so lange aufbereitet, hin- und hergeschoben, aufeinander bezogen und angepaßt werden, bis das Ergebnis „stimmt". Diese gefühlsbezogene Vermutung ist nicht als Vorwurf gemeint. Sie soll den 246 Ebenso Ossenbühl, DÖV 1972, S. 293; Lieb, Kabelfernsehen, S.203; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 5 f.: „Eine ,Rundfunklehre 4 , die den Sachverhalt »Rundfunk* f ü r die rechtsdogmatische Würdigung aufbereitet u n d damit die rechts wissenschaftliche Erörterung fördern könnte, existiert nicht." 247 Vgl. etwa Rudolf (Zulässigkeit, S. 63): „ . . . haben sich durch die technische Entwicklung Änderungen ergeben, welche die Sonderstellung des Rundfunks gegenüber der Presse zwar (noch) nicht aufheben, aber zumindest abschwächen (!) . . . " 248 So etwa Lerche, Rundfunkmonopol, S. 11.
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Entscheidungsnotstand plastisch machen, i n dem sich der Jurist mangels hinreichend exakter aktueller Daten i m Bereich des Sachverhalts „Rundfunk" befindet. A u f diesem Hintergrund sind die folgenden Darlegungen über die rechtlichen Anforderungen zu sehen, die von Verfassungs wegen an die Rundfunkdarbietungen gestellt werden. 1. Vor allem die Rechtsprechung 249 , aber auch ein gewichtiger Teil der Literatur, halten die Veränderungen i m technischen und insbesondere i m finanziellen Bereich nicht für ausreichend, um daraus eine Gleichbehandlung des Rundfunks m i t der Presse herzuleiten bzw. eine (auch) privatrechtliche Struktur des Rundfunks für verfassungsrechtlich geboten zu erachten 250 . Die an eine „Normalsituation" i m Rundfunkwesen gestellten Anforderungen werden hierbei durchweg sehr hoch angesetzt. a) So meint das BVerwG 2 5 1 , bei dem Vergleich zwischen Rundfunkund Pressefreiheit müßte bedacht werden, „daß die Presse nicht nur aus Zeitungsverlagen, Zeitungsdruckereien und Zeitungen besteht, die das Bundesverfassungsgericht ausschließlich i n seine Erörterungen einbezogen hat . . . , sondern aus allen Erzeugnissen der Buchdruckerpresse sowie aus allen anderen, durch mechanische oder chemische M i t t e l bewirkten und zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen. . . . Durch solche Presseerzeugnisse kann unter dem Schutz des Grundrechts jede, auch die kleinste Gruppe ihre Meinung äußern und verbreiten. Das hat die sog. außerparlamentarische Opposition hinlänglich nachgewiesen und t u t es noch heute. Potentieller Herausgeber von Presseerzeugnissen kann demnach — selbst wenn man die m i t der Pressekonzentration verbundenen Gefahren i n Rechnung stellt — jeder sein, wie die Flut von Vereinszeitschriften, Flugblättern, Traktätchen und dergleichen beweist. Demgegenüber ist die Zahl der zur Ausstrahlung von Rundfunksendungen zur Verfügung stehenden Frequenzen beschränkt und w i r d es aller Voraussicht nach auch i n Zukunft bleiben, 249 BVerwGE 39, 159 ff.; O V G Hamburg v. 8.1.68, D Ö V 1968, S.178f.; OVG Berlin v. 1.4.69, D Ö V 1969, S. 713 ff.; O V G Saarland v. 25.4. 74. D Ö V 1974, S. 497 f.; O V G Münster v. 24.9.76, D Ö V 1978, S. 519 ff.; BayVerfGH, V G H n.F. 30, 78 ff. 250 Dagegen w i r d k a u m (mehr) ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber berechtigt ist, „ p r i v a t e n Fernsehsendungen unter Beachtung der Grundsätze des A r t . 5 Abs. 1 GG zu gestatten" (BVerwGE 39, 167). Vgl. auch BayVerfGH, V G H n.F. 30, 97; O V G Münster v. 24.9.76, D Ö V 1978, S. 522. Nicht deutlich w i r d dabei allerdings, ob damit eine „echte" materielle Privatisierung gemeint ist. V o r allem v o n Lerche (Rundfunkmonopol, S. 46) w i r d die A u f fassung vertreten, daß m i t Änderung der Sondersituation die Frage der Organisationsstruktur i m Rundfunkbereich wieder „offen" sei. Vgl. etwa auch Lieb, Kabelfernsehen, S. 217 ff. m. w. N. 2 5 1 BVerwGE
39,
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zumindest doch i n der Weise, daß nicht jedermann die Möglichkeit haben w i r d , solche Sendungen auszustrahlen. Unter diesen Voraussetzungen ist es daher i m Interesse des Schutzes der öffentlichen Meinungsbildung erforderlich, daß i m ausgestrahlten Rundfunk wenigstens alle gesellschaftlich relevanten K r ä f t e zu W o r t kommen können . . . Das hat das Bundesverfassungsgericht i n seinem Fernseh-Urteil . . . zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht." Bewertet m a n diese Passage isoliert von den übrigen Ausführungen i n der Entscheidung, so kann sie n u r dahin gedeutet werden, daß das B V e r w G eine Vergleichbarkeit zwischen den beiden Freiheiten erst d a n n a n n e h m e n w i l l , wenn (auch) im Rundfunkbereich potentieller Herausgeber von Programmen sein kann.
jedermann
Diese Forderung ist ganz offensichtlich überzogen; aber sie beginnt bereits Schule zu machen. So begründet der B a y V e r f G H 2 5 2 die U n vergleichbarkeit zwischen Runfunk- und Pressefreiheit i m wesentlichen m i t folgenden Sätzen: „Es ist zu beachten, daß die Z a h l der zur Ausstrahlung von Rundfunksendungen zur Verfügung stehenden Frequenzen beschränkt ist u n d es aller Voraussicht nach auch i n der Z u k u n f t bleiben w i r d . Selbst w e n n m i t Hilfe technischer M i t t e l i n der nächsten Zeit sich die auszustrahlenden Programme vermehren lassen, so jedenfalls zumindest nicht i n der Weise, daß jedermann die Möglichkeit eingeräumt werden könnte, Rundfunk- u n d Fernsehsendungen auszustrahlen 2 5 3 ." I m Sinne einer Effektuierung der Grundrechte mag ein (potentieller) „Jedermann-Rundfunk" erstrebenswert sein. Das kann aber nicht dazu führen, daß ein Grundrecht, das — aus welchen Gründen auch immer — nicht von jedem benutzt werden kann, dann auch v o n keinem benutzt werden darf. E i n solches Prinzip des „Alles oder Nichts" läge gewiß nicht i m Sinne der gebotenen Verwirklichung der Freiheit. A u f diese Weise könnte man das Grundrecht der Rundfunkfreiheit durch übermäßige Akzentuierung seiner individuellen Komponente gerade als Individualrecht strangulieren 2 5 4 . Bei A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G u n d spe252 BayVerfGH, V G H n.F. 30, 95 f. 253 vgl. auch OVG Münster v. 24.9.1976, DÖV 1978, S. 522. I m Hinblick auf die zusätzlich eröffneten Übertragungsmöglichkeiten w i r d festgestellt, daß sie nicht ausreichen, „ u m jeden Interessierten zu Sendungen m i t örtlicher, regionaler oder überregionaler (!) Reichweite beliebig instandzusetzen". Was den finanziellen A u f w a n d betrifft, so meint das Gericht: „Wie das Beispiel des Klägers zeigt, sind selbst räumlich-zeitlich beschränkte Veranstaltungen auf Investitionen und Einrichtungen angewiesen, die nicht jedermann — als eigentlichem Grundrechtssubjekt des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG — . . . möglich bzw. zugänglich sind."
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ziell bei der Rundfunkfreiheit kommt es i m Hinblick auf die Gefahr einer Monopolisierung der Rundfunkanstalten allein darauf an, ob es genügend Bürger und Bürgergruppen gibt, die von dem Grundrecht Gebrauch machen (können), genügend i n dem Sinne, daß der Rundfunk nicht einer oder zu wenigen Gruppen ausgeliefert w i r d 2 5 5 . Auch dem BVerfG 2 5 6 geht es (in der Fernsehentscheidung) ganz eindeutig nicht u m die Möglichkeit eines „Jedermann-Rundfunks". Der vergleichende Hinweis auf die Presse läßt insofern keinen Zweifel, wenn i m Hinblick darauf von einer „relativ großen Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen" gesprochen wird, während beim Rundfunk unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten (des Jahres 1961) diese „relativ große Zahl" nicht darstellbar sei. Die Sondersituation i m Rundfunkwesen besteht also darin, daß die für eine natürliche Meinungskonkurrenz erforderliche Zahl von Rundfunkveranstaltern auf Grund faktischer Gegebenheiten nicht existieren kann bzw. nicht existiert. Über die Größe der erforderlichen Anzahl macht das BVerfG nur eine indirekte Aussage, wenn es für die kollegialen Organe, bei deren Zusammensetzung der freie Meinungsmarkt simuliert wird, „Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen oder gesellschaftlichen Gruppen" verlangt. Geht man nach der Zusammensetzung der Rundfunkräte i n den verschiedenen Rundfunkanstalten, so handelt es sich hierbei um etwa zwischen zehn und fünfundzwanzig Gruppen. Das BVerwG war sich der Einstellung des BVerfG zu dieser Frage auch wohl bewußt. Das kommt einmal schon darin zum Ausdruck, daß es — unter Verweis auf die Fernsehentscheidung — selbst betont, es müßten „ i m ausgestrahlten Rundfung wenigstens alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen können" 2 5 7 . Zum anderen ergibt es sich vor allem daraus, daß das BVerwG seine Behauptung, jeder könne potentieller Herausgeber von Presseerzeugnissen sein, damit begründet, die Presse bestünde nicht nur aus „Zeitungsverlagen, Zeitungsdruckereien und Zeitungen . . . , die das Bundesverfassungsgericht ausschließlich (!) i n seine Erörterungen einbezogen hat . . . , sondern aus allen Erzeugnissen der Buchdruckerpresse sowie aus allen anderen, durch 254 Ä h n l i c h K u l i , A f P 1977, S. 254. Z u r „Utopie einer unbegrenzten Frequenzzahl" (Rupert Scholz) als Voraussetzung der Zulassung privater Rundfunkunternehmen: von Pestalozza, StW 1972, S. 83. 255 v g l . auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 69. 25β BVerfGE 12, 205/261 f. 257 B V e n ü G E 39, 165.
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mechanische oder chemische Mittel bewirkten und zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen" 2 5 8 . Diese Ausführungen des Gerichts sind aber noch aus einem anderen Grund bemerkenswert. Sie sprechen die Konkurrenzfähigkeit von Presseerzeugnissen und damit auch der Rundfunkprogramme an. Wenn das BVerwG sein Argument von der potentiellen Herausgeberschaft Jedermanns i n der Presse damit begründet, daß zur Presse nicht nur die (großen) Zeitungsverlage etc., sondern auch jede zur Verbreitung bestimmte Vervielfältigung bis hin zu „Flugblättern" und „Traktätchen" 2 5 8 gehöre, so muß daraus geschlossen werden, daß das BVerwG im Gegensatz zu der oben 2 5 9 referierten Meinung von Stammler auch technisch, finanziell und qualitativ anspruchslose „Jedermann-Sendungen" i m Rundfunk zum Rundfunkbegriff rechnet und m i t beachtet, wenn es um die Frage der Vielzahl und Vielfalt der Meinungen i m Bereich des Rundfunkwesens geht. Das ist sicher richtig. Die Tatsache, daß nicht alle Programme Universal-Programme sein werden und sein können, spricht nicht gegen eine privatwirtschaftliche Struktur der Rundfunkunternehmen und gegen die Ausstrahlung von Teil-Programmen überhaupt. Teil-Programme können jedenfalls eine gute Ergänzung zu den Universalprogrammen der bestehenden Rundfunkanstalten i m Sinne einer zusätzlichen Pluralität der Meinungen sein, und, soweit sich private Rundfunkunternehmen insgesamt auf Teilprogramme beschränken, wäre eine Verletzung des Gebots der Chancengleichheit auf keinen Fall zu befürchten. Dieses Gebot würde aber auch dann gewiß nicht automatisch zu einer Sperre für die Zulassung von privaten Rundfunkunternehmen führen, wenn von dieser Seite auch Universalprogramme angeboten werden. Chancengleichheit i m Sinne einer „Zielgleichheit" kann es im Bereich des Rundfunks dem Grundsatz nach genauso wenig geben wie i m ökonomischen Bereich. Die Problematik beginnt auch auf diesem Gebiet erst i n dem Moment, i n dem sich „Konzentrationen" bzw. einseitig gesteuerte Meinungsmonopole herausbilden, die eine verfassungsrechtlich gebotene Ausgewogenheit der Rundfunkdarbietungen insgesamt beeinträchtigen bzw. unmöglich machen. Dann müßte der Staat regulierend eingreifen, wobei gerade i n diesem Fall Subventionen für die finanziell schwächeren Unternehmen wohl eher i m Sinne eines pluralistischen und ausgewogenen Meinungsmarktes liegen dürfte als Beschneidungen der starken Unternehmungen oder gar das Verbot einer privatrechtlichen Struktur überhaupt. Rupert Scholz 260 hält sogar — analog der Rechtsprechung 258 Β Vertu GE 39, 164. 25» Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., C, I I , 2. 260 JuS 1974, S. 305. Ebenso v. Pestalozzi ZRP 1979, S. 27.
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des BVerwG zum Subventionsrecht der Privatschulen — „einen Anspruch (!) auf staatliche Subventionierung" i m Bereich des Möglichen. Darüber hinaus w i r d man nicht länger der Frage aus dem Wege gehen können, ob mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten überhaupt zur staatlichen Ordnung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts führen darf; jedenfalls für die weitere Entwicklung bedarf es hier gründlicher Überlegungen 261 . b) Zieht das BVerwG also einerseits auch Rundfunkunternehmen m i t i n seine Überlegungen über die erforderliche Vielzahl von Programmen ein, die keine Universalprogramme bieten (können), so ergibt eine Gesamtbetrachtung der Entscheidung andererseits, daß das Gericht einen „Jedermann-Rundfunk" nicht für unabdingbar verfassungsgeboten hält. Nach der Feststellung, „daß nicht jedermann die Möglichkeit haben wird", Rundfunksendungen auszustrahlen, heißt es nämlich i n der Entscheidung weiter: „Unter diesen Voraussetzungen ist es daher i m Interesse des Schutzes der öffentlichen Meinungsbildung erforderlich, daß . . . wenigstens alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen können 2 6 2 ." Aus dieser Feststellung, die m i t einem Verweis auf das Fernsehurteil des BVerfG begründet wird, folgert das BVerwG, daß dann alle relevanten Kräfte „Anspruch auf Zuteilung einer Frequenz" hätten. „Dem könnte aber nur Rechnung getragen werden", so führt das Gericht weiter aus, „wenn so viele Wellen zur Verfügung ständen, daß alle ihre Meinungen i n eigenen Rundfunkanstalten artikulieren könnten. Doch würde die theoretische Möglichkeit noch nicht einmal genügen; vielmehr müßten die gesellschaftlich relevanten Kräfte auch faktisch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können . . . Das würde aber nur dann der Fall sein, wenn diese Kräfte auch finanziell zur Ausnutzung der ihnen gebotenen Chance i n der Lage wären 2 6 2 ." Beide Voraussetzungen, die sendetechnischen und die finanziellen, sieht das Gericht als nicht gegeben an und verneint demzufolge die Möglichkeit eines „freien Spiels der Kräfte i m Fernseh-/Rundfunkbereich" 263 . Das Gericht steht m i t dieser Auffassung nicht allein. So meint Herzog 264 , es komme nicht darauf an, „ob es genügend finanzkräftige Unternehmer gibt, die das Rundfunk- und Fernsehwesen zu tragen imstande wären"; entscheidend sei vielmehr die Frage, „ob die Aufgabe, die Rundfunk und Fernsehen i n der demokratischen Gesellschaft zu erfüllen haben, seine Übertragung gerade auf diese Untersei Vgl. auch υ. Pestalozza, StW 1972, S. 83; Rupert Η . H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 72. 262 BVerioGE 39, 165. 263 B V e r i ü G E 39, 165 f f .
Scholz, JuS 1974, S. 305;
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nehmer gestattet". Und an einer anderen Stelle 2 6 5 meint er sodann, „daß auch bei einer »Privatisierung' des Rundfunk- und Fernsehwesens . . . nicht jede beliebige Einzelperson das Recht erhalten kann, derartige Unternehmen zu errichten, sondern daß dieses Recht genau jenen Rechtsträgern vorbehalten sein muß, die das BVerfG als bedeutsame politische, weltanschauliche und gesellschaftliche Gruppen' bezeichnet und als solche an der M i t w i r k u n g i n den klassischen Rundfunk- und Fernsehräten beteiligt sehen w i l l " . Herzog w i l l einer Privatisierung des Rundfunks nur dann zustimmen, „wenn sichergestellt ist, daß alle i n Betracht kommenden Gruppen nicht nur das Recht besitzen, Rundfunk· und Fernsehunternehmen zu gründen, sondern daß sie von diesem Recht auch faktisch Gebrauch machen können". Also auch Herzog stellt zusätzlich auf die faktischen Gegebenheiten ab 2 6 6 . Zunächst w i r d man feststellen müssen, daß diese Konzeption sich jedenfalls nicht auf die Fernsehentscheidung des BVerfG berufen kann, auch nicht auf einen dort angeblich zum Ausdruck kommenden „Grundgedanken" 2 6 7 . A l l e i n das Fehlen einer „äußeren" Konkurrenzsituation und dem sich daraus ergebenden natürlichen Ausgleich der Meinungen begründete die Notwendigkeit der Organisation einer „inneren" Konkurrenzsituation kraft Gesetzes m i t der Folge eines gesetzlich erzwungenen „künstlichen" Ausgleichs der Meinungen. Die für eine Notsituation konstruierte Binnenpluralität kann aber nicht als Modell für die Organisationsstruktur nach Beendigung der Notsituation bewertet werden. Tatsächlich muß es als paradox erscheinen, die in einer Notsituation gefundene Behelfskonstruktion i n die Normalsituation zu transponieren und zu behaupten, auf die Notkonstruktion könne erst dann verzichtet werden, wenn die Normalkonstruktion exakt der Notkonstruktion entspreche. Das BVerfG hat das binnenpluralistische Modell der gesellschaftlich relevanten Kräfte auch ausdrücklich unter die Rubrik „besondere Vorkehrungen" eingestellt und dieses Modell deswegen verfassungsrechtlich akzeptiert, weil i m Rundfunkwesen eine Sondersituation bestand, deren Charakteristika gerade i m Gegenbild zur „Normalsituation" i m Pressewesen entwickelt wurden, bei der solche „besonderen Vorkehrungen" nicht erforderlich sind 2 6 8 . Damit liegt der Schluß zumindest 2β4 i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 221 zu A r t . 5 I. 265 i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 230 ff. zu A r t . 51. 266 Ebenso Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S.49ff. m . w . N . — a. A. z.B. Krause-Ablaß, D Ö V 1972, S.492. 267 So aber Herzog, i n : Maunz / D ü r i g /Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 230 zu A r t . 5 I. 268 BVerfGE
12, 205/261.
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nahe, daß i m Bereich des Rundfunks die gleichen privatwirtschaftlichen Strukturen gelten wie i m Pressewesen, sobald die Sondersituation i m Rundfunkwesen entfallen ist. Gerade eine solche Schlußfolgerung aber w i r d bestritten. Stern / Bethge 2 6 9 meinen, eine derartige Konklusion basiere „auf einer undifferenzierten Gleichstellung von Presse und Rundfunk". Sie räumen zwar ein, daß das BVerfG selbst „zur Rechtfertigung des Rundfunkoligopols auf die strukturellen Unterschiede zwischen Presse und Rundfunk verwiesen" habe, „die es zuließen, die Presse dem privatnützigen freien Spiel der Kräfte unterliegenden, parteilich und parteiisch orientierten Rechtsverkehr zu überlassen, während der Rundfunk oligopolistisch gebunden sein müsse". Es habe namentlich darauf abgestellt, „daß innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiere". Aber daraus, so meinen Stern/ Bethge 2 6 9 , dürfe noch nicht geschlossen werden, „daß bei der Erschließung neuer Frequenzen und Wellen der Rundfunk ebenfalls wie die Presse i n das materielle, an kommerziellen Interessen orientierte Privatrecht unter Verzicht auf die für die innere Struktur erforderliche Pluralität und Neutralität entlassen werden dürfe". Unter anderem könne auch nicht übersehen werden, „daß die undifferenzierte Gleichstellung von Presse und Rundfunk auch deshalb erfolglos bleiben muß, weil der Rundfunk ein i n seiner Machtintensität und psychologischen Tiefenwirkung ungleich gefährlicheres Massenmedium ist als die Presse". Es unterliege keinem Zweifel, „daß die Suggestivkraft des bild- und tonmäßig artikulierten Wortes ungleich stärker ist als die des bloß geschriebenen. Gerade auch darum ist es notwendig, den Rundfunk einem spezifischen Mindestmaß an öffentlicher Verantwortung zu unterwerfen und ihn nicht der an Gewinnoptimierung orientierten und pluralistische Verantwortlichkeiten außer acht lassenden unternehmerischen Privatinitiative auszuliefern". Diese Auffassung muß konsequenterweise dazu führen, daß auch nach einem Wegfall der vom BVerfG angenommenen Sondersituation i m Rundfunkwesen auf Grund einer gleichsam „zeitlosen" Besonderheit des Massenkommunikationsmittels „Rundfunk" die pluralistische Binnenstruktur der Rundfunkunternehmen (in der Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt oder in einer privatrechtlichen Organisationsform) erhalten bleiben muß oder doch jedenfalls auch eine Privatrechtsform i m Rundfunkbereich keine „Kompetenz zur vollständigen materiellen Kommerzialisierung und Privatisierung des Rundfunks" bedeutet 270 . 269 öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S.48ff.; S.42 ff.; vgl. etwa auch Lieb, Kabelfernsehen, S. 219 ff., jeweils m. w. N.
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Sieht man einmal von der angeblichen Orientierung privater Unternehmer an der Gewinnoptimierung ab, die tatsächlich nur ein Ziel der Privatwirtschaft unter anderem i s t 2 7 1 und sieht man auch davon ab, daß privatwirtschaftliche Struktur und öffentliche Verantwortung sich gerade nicht ausschließen, so kann sicher nicht bestritten werden, daß der Rundfunk ein bedeutendes Machtmittel darstellt. Eine andere Frage aber ist es, ob der Rundfunk „auf Grund der für ihn typischen Kombination von technischer Fertigkeit und psychologischer Eindringlichkeit und infolge seiner akustisch-visuellen Intensität gefährlicher als jedes andere Massenmedium i s t " 2 7 2 . Diese Behauptung w i r d zwar häufig aufgestellt 273 , ist aber durch nichts bewiesen. Erst jüngst hat Jarass 274 wieder überzeugend dargelegt, daß gerade die empirische Forschung über die W i r k u n g der Medien nur einen bescheidenen Effekt der Medien feststellen konnte. Vor allem die Kommunikationsforschung hat „denn auch längst die ursprünglichen Thesen vom außerordentlichen Manipulationspotential der Massenmedien aufgegeben oder zumindest als unbewiesen erklärt". Bestimmte Effekte sind noch völlig ungeklärt. Dazu zählen vor allem die langfristigen Auswirkungen der Massenmedien 275 . Um so problematischer müssen dann „Feinabstimmungen" innerhalb der einzelnen Medien sein, wie etwa die Behauptung, Rundfunk sei wirkungsvoller als Presse. Wenn Stern/ Bethge 2 7 6 meinen, für das BVerfG sei zwar „weniger die Machtintensität als vielmehr das beschränkte Wellenpotential maßgebend" gewesen, das die Überantwortung der Rundfunkaufgaben an eine geringe Zahl von Rechtsträgern gestattet, aber auch für das BVerfG und der ihm folgenden Lehre sei es ersichtlich darauf angekommen „klarzustellen, daß der Rundfunk weder den staatlichen Gewalten noch den gesellschaftlichen Intermediärgewalten oder gar privaten Interessengruppierungen zur ausschließlichen oder überwiegenden Wahrnehmung ausgeliefert werden darf", so muß hier der falsche Eindruck entstehen, als sei letzten Endes doch die unvergleichliche Machtintensität des Rundfunks für diese Entscheidung ausschlaggebend gewesen. Es soll auch 270
Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 61. 271 Vgl. dazu etwa Schanz, Verhalten i n Wirtschaftsorganisationen (1978), S. 61 ff.; Kirsch, Entscheidungsprozesse, Bd. I I I : Entscheidungen i n Organisationen (1971), S. 110 ff. 272 So Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 42, 51 f. 273 v g l . etwa Lieb, Kabelfernsehen, S. 219 ff.; Ratzke, Netzwerk der Macht, S. 163 ff.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 34; Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 57. 274 Massenmedien, S. 46 ff. m. ζ. N. 275 Jarass, Massenmedien, S. 51 f. 27β öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 42 f.
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nicht bestritten werden, daß diese Machtintensität des Rundfunks für die Überlegungen des BVerfG maßgebend war. Gerade nicht entscheidend aber war für das BVerfG eine Machtintensität des Rundfunks, die angeblich gefährlicher ist als die Einflußnahme anderer Massenmedien. Vielmehr läßt sich den Ausführungen des BVerfG i m Fernsehurteil entnehmen, daß Rundfunk und Presse gleichgewichtig eingeschätz werden; so, wenn es d o r t 2 7 7 heißt: „Als Massenkommunikationsmittel gehört der Rundfunk i n die Nachbarschaft von Presse und Film. A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG nennt alle drei Massenmedien i n einem Satz." Schließlich weist H. H. K l e i n 2 7 8 zutreffend darauf hin, daß die „spezifischen Gefahren" der Rundfunkkommunikation (auch) schon deshalb nicht geeignet seien, „bei Wegfall der Sondersituation eine fortdauernde Grundrechtssperre zu begründen, weil es sich dabei durchwegs nicht u m neue Erkenntnisse handelt, sondern u m solche, die getrost auch bei denen vorausgesetzt werden dürfen, die die Rundfunkfreiheit als Grundrecht i n der Verfassung verankert haben. A n dieser Grundentscheidung des Grundgesetzes läßt sich nicht m i t dem Hinweis auf Gefahren rütteln, zu denen der Grundrechtsgebrauch führen kann." Solchen Gefahren sei „unter strikter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit durch geeignete Maßnahmen des Gesetzgebers zu begegnen . . ." 2 7 9 . c) Gewichtiger ist die Behauptung eines anderen Strukturunterschieds zwischen Presse und Rundfunk, der die Verbreitungstechnik der beiden Medien betrifft. So sind nach Herrmann 2 8 0 i n der Bundesrepublik Deutschland zwar rd. 380 Hörfunksender und rd. 260 größere oder mittlere Fernsehsender i n Betrieb, die theoretisch m i t jeweils einem eigenen Programm beschickt werden könnten. Dabei sei aber zu bedenken, daß es sich u m Gesamtzahlen der Sender i m ganzen Bundesgebiet handelt, deren Ausstrahlungsgebiete sich zwar zum Teil überlappen, die aber nicht jeden Empfänger an jedem Ort des Bun277 BVerfGE 12, 205/228. 278 Die Rundfunkfreiheit, S. 71. 27® N u r kurz erwähnt sei schließlich noch der i n diesem Zusammenhang überzeugende Hinweis v o n Stern / Bethge (öffentlich-rechtlicher u n d p r i v a t rechtlicher Rundfunk, S. 52 f.) auf die Fehlstrukturen der Presse. Sicher kann nicht bestritten werden, daß auch i m Bereich des Zeitungswesens k e i n „Idealzustand" herrscht. Das besagt aber nichts oder doch wenig. Auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind i m Hinblick auf den Meinungspluralismus alles andere als „ideal". Das ist oben (Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., Β , IV) ausführlich dargetan worden. Siehe auch Stern / Bethge (S. 53) selbst: „ D a m i t soll freilich keineswegs behauptet werden, daß die pluralistische S t r u k t u r bei allen bestehenden Rundfunkanstalten einem Idealzustand entspräche, w i e nachgerade durch allerjüngste Vorgänge dokumentiert worden ist." 280 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 129 f.
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desgebiets erreichen können. A m einzelnen Empfangsort könnte nur eine sehr kleine Zahl Fernsehsender (schätzungsweise zwischen zwei und sechs) und eine etwas höhere Zahl Hörfunksender (schätzungsweise bis zu etwa 40 Ukw-Sender und bis zu etwa 40 Mw-Sender) empfangen werden. Daß die Presse auch nicht mehr als einige hundert Verlage und Vertriebszentren aufweise und daß der Bürger i n der Regel nur aus einer begrenzten Zahl von Presseorganen wähle, dürfe nicht zur voreiligen Gleichbewertung der Tatbestände führen: „denn i m Pressebereich könnten bei Bedarf ohne technische Hindernisse neue Unternehmen aufgebaut werden; vor allem aber könnte auch der Lüneburger Bürger den ,Allgäuer Boten' regelmäßig beziehen. Diese Verbreitungen sind auf dem Gebiet des Fernsehens und weitgehend auch des Hörfunks aus technischen Gründen nicht möglich." A u f die den Rundfunk charakterisierende Unmöglichkeit der Vervielfältigung des Angebots durch Fernbezug weisen ebenso auch Schmitz 2 8 1 und L i e b 2 8 2 hin. Sie beziehen sich allerdings (auch) auf den Kabelrundfunk, während die Feststellungen Herrmanns lediglich die drahtlose Ausstrahlung betreffen. Für die über Draht verbreitete Rundfunkkommunikation beurteilt er die Situation anders. Hier sei technisch eine „grundsätzlich unbeschränkte Anzahl von Ubertragungswegen denkbar". Herrmann kommt zu dem Ergebnis: „Da Drahtfunk und Kabelfernsehen wegen ihrer Bindung an ,metallische Leiter' einen besonderen finanziellen und bau verlegungstechnischen Aufwand erfordern, w i r d durch die Möglichkeit der Drahtübertragungen die Begrenztheit der Frequenzzahlen zur drahtlosen Übertragung nicht bedeutungslos. Da aber zum Rundfunk i m Sinne der Äußerungsfreiheiten in A r t . 5 1 GG auch Drahtfunk und Kabelfernsehen gehören, bietet dieser Hinweis ein weiteres Argument gegen einen verfassungskräftigen Ausschluß einer Rundfunkunternehmerfreiheit 2 8 3 ." Die ausführlichen Zitate zur technischen Lage sollen nicht der A n fang einer erneuten Auseinandersetzung m i t der faktischen (Sonder-) Situation sein. Sie sollten lediglich deutlich machen, daß gerade die Beurteilung der Verbreitungstechnik entscheidend davon abhängt, inwieweit man bereit ist, die Massenkommunikationsmittel auch i n einem Ergänzungsverhältnis zu sehen. So w i r d der i n der Tat heute (noch) beschränkte Fernbezug von lokalen und regionalen Rundfunkprogrammen rechtlich schon dann weniger bedeutsam (insbesondere als Strukturunterschied zur Presse), wenn man — wie Herrmann 2 8 3 — wenig2
81 D Ö V 1969, S. 701 f. 282 Kabelfernsehen, S. 213.
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stens drahtlosen und drahtgebundenen Rundfunk zusammen betrachtet. Insgesamt ist fraglich, ob man das verfassungsrechtliche Problem der Vielfalt überhaupt aus der zeitlich und „technisch" provinziellen Sicht der einzelnen Massenkommunikationsarten in hartleibiger Abschottung bewerten darf. Das Fernsehurteil des BVerfG jedenfalls kann nicht als Vertreter einer derartigen „Kästchen-Perspektive" zitiert werden. I n diesem Urteil ging es u m das Verbot eines Staatsrundfunks und eines monopolisierten Rundfunks und sicher ist es m i t dem Gebot der Meinungsvielfalt nicht vereinbar, wenn auch nur ein Massenkommunikationsmittel i n den Händen von wenigen liegt. I n dem Moment aber, i n dem eine gewisse Vielfalt bei einem Massenkommunikationsmittel (technisch und finanziell) möglich wird, und es u m die Frage geht, ob eine ausreichende Vielfalt der Meinungen sichergestellt ist, muß die Tatsache Beachtung finden, daß Meinungsvielfalt nicht das Produkt eines Massenmediums, nur des Rundfunks, nur der Presse, nur des Films, oder auch nur der einzelnen Bürger oder Bürgergruppen (im Rahmen des A r t . 5 Abs. 1, A r t . 8 oder A r t . 9 GG) ist. „Das K r i terium der Vielfalt . . . gilt nur i n bezug auf die ganze Breite des Panoramas der Medien: Medien vermögen einander teilweise zu substituieren 2 8 4 ." Tatsächlich dürfte es ja wohl auch kaum jemanden geben, der nur Rundfunk hört, sich nur durch das Fernsehen oder die Zeitung informieren läßt oder seine Neuigkeiten ausschließlich vom Nachbarn bezieht. Diese Selbstverständlichkeit w i r d durch eine i m Auftrag der ARD vom Münchner Institut Infratest durchgeführte Untersuchung bestätigt, wonach i m Jahre 1970 der Bundesbürger i m Durchschnitt das politische Informationsangebot von 1,7 Medien nutzte 2 8 5 . Die Wechselbeziehung, gegenseitige Verstärkung und die gegenseitigen Korrekturmöglichkeiten der Medien untereinander muß endlich auch im Hinblick auf das Problem des lokalen Monopols beim Kabelrundfunk zur Kenntnis genommen werden. Gerade wenn man die derzeitigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten m i t ihren überregionalen Universalprogrammen bestehen läßt und die zahlreichen Hörfunksender m i t i n Betracht zieht, ist die Meinungsvielfalt schon bei relativ wenigen lokalen Fernsehprogrammen hinreichend abgesichert, zumal es schlicht 283 Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 131. 284 j . H. Kaiser, Presseplanung, S. 25 ff. m. w. N. 285 Die Untersuchung ist veröffentlicht i n Media Perspektiven 1971, Heft 9 u n d 1972, Heft 2. Auch Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 330, weist auf verschiedene Untersuchungen hin, die zeigen, daß die meisten Bürger aktuelle Tagesinformationen durch Lesen einer Zeitung oder mehrerer Zeitungen u n d Zeitschriften, durch den Empfang v o n Hörfunksendungen u n d Fernsehsendungen rezipieren. Die Summe der durch Massenmedien empfangenen aktuellen Tagesinformationen ergäbe sich also beim einzelnen Rezipienten „ i n den meisten Fällen aus Presse (Zeitungen u n d Zeitschriften) + H ö r f u n k + Fernsehen".
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unrealistisch ist anzunehmen, der Bürger würde i n erster Linie seinen Lokalfunk hören oder sehen 286 . Hinzu treten noch die Lokalzeitung bzw. die Lokalzeitungen, die überregionalen Presseerzeugnisse, der F i l m und die i n ihrer W i r k u n g nicht zu unterschätzenden lokalen „Primärgruppen" (insbesondere die Honoratioren) und die opinionleader 2 8 7 . Selbstverständlich muß immer darauf geachtet werden, daß die unterschiedlichen Informations- und Beeinflussungsinstrumente nicht i n der Hand von einigen Wenigen sind. Das gilt für den lokalen ebenso wie für den regionalen und überregionalen Bereich. Insoweit w i r d es auch immer gewisser absichernder rechtlicher Regelungen bedürfen. I n diesen Zusammenhang, und nur i n diesen, gehört i m übrigen auch d i e Frage, ob es Presseunternehmen verwehrt private Rundfunkunternehmen zu betätigen 288.
sein soll (darf), sich als Dieses i n d e r Regel u n -
ter Bezug auf einen „angeblich verfassungsschweren Grundsatz der publizistischen Gewaltenteilung 4 " 2 8 9 diskutierte Problem hat kein selbständiges Gewicht. Es betrifft zum einen die ohne weiteres zu verneinende allgemeine Frage, ob ein jedermann zustehendes Grundrecht einem bestimmten Personenkreis (sc. den Presseunternehmern) vorenthalten werden kann 2 9 0 . Und zum andern betrifft es die Frage, ob die Zulassung von Presseunternehmen als Rundfunkunternehmen die verfassungsrechtlich gebotene Vielfalt der Meinungen i m Medienbereich gefährdet. Auch diese Frage ist, so allgemein gestellt, ohne weiteres zu verneinen. M i t Recht betont H. H. K l e i n 2 9 1 : „ N u r dort, wo durch die Betätigung eines Verlegers als Rundfunkunternehmen eine konkrete (!) Gefahr für die Pluralität und die kommunikative Chancengleichheit erwachsen würde, darf der Staat m i t einem Verbot oder, was i n der Regel ausreichen wird, m i t einschränkenden Auflagen reagieren. Keinesfalls kann allein schon aus der Tatsache, daß — u m einen immerh i n denkbaren Fall zu konstruieren — ein Unternehmen sich auf verschiedenen Sektoren der Medienindustrie betätigt, also etwa als Herausgeber von Zeitungen und Zeitschriften, Produzent von Schallplatten, 286 Α. Α., aber ohne (überzeugende) Begründung: Stammler, Kabelrundfunk, S. 12; Schmitz, D Ö V 1969, S. 701; Berg, i n : Hufen (Hrsg.), P o l i t i k u n d Massenmedien, S. 84. — Siehe aber z.B. Rudolf, N J W 1972, S. 1293: „Der Erste, der privaten Rundfunk betreiben w i l l , hat bei 6 - 1 0 möglichen Programmen ohnehin kein Meinungsmonopol, w e n n i h m n u r ein K a n a l zugeteilt w i r d . . . " 287 Darauf weist auch J. H. Kaiser, Presseplanung, S. 25 f., hin. 288 Vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Lerche, Rundfunkmonopol, S. 105 u n d Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 255 f. 289 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 105. 290 Z u r Ausnahme der Grundrechtsverwirkung nach A r t . 18 GG: W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von Grundrechten, passim. 201 Die Rundfunkfreiheit, S. 82.
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Bild- und Tonkassetten, unter Umständen auch noch von Filmen, geschlossen werden, es dürfe sich auf dem Rundfunkmarkt schlechterdings nicht betätigen." Ein solches Verbot wäre gerade m i t dem Prinzip der Pluralität und dem Gebot der Chancengleichheit i m Medienbereich nicht vereinbar. Z u m Problemkreis der Verbreitungstechnik gehören noch zahlreiche weitere angebliche und z.T. auch nachweisbare Spezifika, von denen hier wenigstens noch einige erwähnt und auf rechtliche Relevanz überprüft werden sollen 292 . Da ist ζ. B. die Behauptung, daß Informationen von Rundfunkunternehmen, anders als bei Zeitungen, nicht kumulativ aufgenommen werden können, was die Effizienz mehrerer Rundfunkprogramme i m Hinblick auf die Meinungsvielfalt fragwürdig erscheinen lasse. Vordergründig stimmt das Argument, obwohl es auch Fernsehbenutzer geben soll, die die Schaltfernsteuerung vor allem dazu benützen, durch fortlaufenden Wechsel zwischen den verschiedenen Programmen gleichzeitig zwei und mehr Sendungen mitzubekommen. Technisch ist es (ohne Aufzeichnungsgerät) normalerweise tatsächlich nicht möglich, zwei oder mehr Sendungen, die in der gleichen Zeiteinheit ablaufen, kumulativ zu empfangen und voll zu rezipieren. Aber zum einen kommt es nur selten vor, daß alle Fernseh- oder/und Hörsender akkurat zur gleichen Zeit über den gleichen Gegenstand berichten und zum anderen w i r d Meinung nicht an einem Tag oder gar nur i n einer Stunde „gemacht", sondern über längere Sicht h i n gebildet, und der Bürger kann die verschiedenen Programme wechseln und er t u t es erfahrungsgemäß auch. N i m m t man die übrigen Informationsmittel, insbesondere die Presse, hinzu, so spielt die Tatsache, daß bestimmte Sendungen nicht kumulativ aufgenommen werden können, für die Frage der Meinungspluralität praktisch keine nennenswerte Rolle. Rechtliche Relevanz kann auch nicht der Tatsache beigemessen werden, daß die Auswahlmöglichkeiten bei Fernsehen und Hörfunk geringer sind als beim Lesen einer Zeitung, weil man Rundfunknachrichten nicht „durchblättern" und (nur) die interessanten Stellen rezipieren könne. Das ist eher eine Frage des Zeitbudget. Außerdem läßt sich auch beim Durchblättern einer Zeitung nicht schon auf den ersten Blick feststellen, was interessant und was nicht interessant ist und dies selbst dann nicht, wenn das jeweilige Interesse auf globale Rubriken bezogen ist, wie etwa Politik, Sport, Lokalnachrichten, Feuilleton etc. 292 Siehe vor allem die ausführlichen Darlegungen von Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 224 ff. u n d S. 320 f. m. ζ. N. Sie werden den folgenden Überlegungen i n erster L i n i e zugrundegelegt.
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Gerade ζ. B. i m Feuilleton w i r d nicht selten ganz massiv Politik gemacht. Trotzdem glaubt ζ. B. Herrmann 2 9 3 hier von „Sachzwängen" sprechen zu können, die dazu führen, daß die Chancengleichheit als oberstes Gebot der Massenkommunikation i n der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland „nicht einfach durch eine Vielzahl von Rundfunkunternehmern hergestellt oder gewahrt werden kann". Insbesondere könne die beliebige Vermehrung der Unternehmenszahlen i m Bereich der Rundfunkkommunikation aus diesen zwingenden besonderen Sachgründen nicht als geeignetes M i t t e l bezeichnet werden, um die bekannten Gefahren zu verhindern. Außerdem sei für den Bereich der Rundfunkkommunikation noch hinzuzusetzen, „daß das Demokratiegebot und das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes für den Bereich der Rundfunkkommunikation eine Grundversorgung m i t Informationen durch Fernsehen und Hörfunk gewährleisten, die allein durch eine Vermehrung der Rundfunkunternehmen nicht erreicht werden könnte". Was die vor allem aus dem Sozialstaatsprinzip hergeleitete Forderung nach einer „Grundversorgung" m i t Informationen angeht, so spielt die Frage einer „beliebigen Vermehrung der Unternehmenszahlen i m Bereich der Rundfunkkommunikation" i n der Tat keine Rolle. Wie Herrmann 2 9 4 an anderer Stelle zutreffend ausführt, kann diese Grundversorgung je nach Entscheidung des Gesetzgebers bereits m i t ein, zwei oder mehr Fernseh- oder Hörfunkprogrammen erreicht sein, so daß die Grundversorgung bereits durch die bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gesichert ist. d) Unabhängig von der technischen Situation ist auch die Behauptung des BVerwG 2 9 5 , die „ausschließliche Finanzierung durch Werbesendungen würde . . . die einseitige Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die werbenden Firmen, also durch Kreise der Industrie, des Handels und des Gewerbes zur Folge haben". Dies aber lasse sich — so meint das BVerwG — „ m i t dem i m Grundgesetz verankerten Begriff der Informationsfreiheit i n der Demokratie nicht vereinbaren". Das BVerwG geht hierbei von der Voraussetzung aus, daß „ f ü r den Verkauf der Sendungen an den jeweiligen Konsumenten . . . angesichts der i m vorliegenden Verfahren allein umstrittenen Zulassung der Ausstrahlung von jedermann zugänglichen Sendungen keine Möglichkeit" bestehe 295 . 293 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 321 f. 294 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 346. Vgl. etwa auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 79. 295 BVerwGE 39, 167. Zustimmend Stammler, Kabelrundfunk, S. 29. *
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Auch bei einer Verbreitung von Programmen über Kabel t r i f f t diese Annahme aber nicht zu. Tatsächlich ist es auch bei dieser Ubertragungsweise technisch ohne größeren Aufwand möglich, Gebühren für den Anschluß und/oder für die Nutzung zu erheben 296 . Aber selbst wenn die Programme ausschließlich über Werbeeinnahmen finanziert werden müßten, ergibt sich daraus noch keineswegs die vom BVerwG behauptete und m i t keinem Wort bewiesene „einseitige Beeinflussung" 297 . Tatsächlich ist auch nicht einzusehen — und darauf hat vor allem Rudolf 2 9 8 aufmerksam gemacht —, warum eine ausschließliche Finanzierung anders beurteilt werden muß als eine nur teilweise, wie sie immerhin bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder bei der Presse gang und gäbe ist. I n ähnliche Richtung wie das BVerwG zielt, m i t einem etwas grundsätzlicherem Ansatz, das Argument von Herrmann 2 9 9 , die Vermehrung der Unternehmenszahlen könne „deshalb nicht als Ideal der verfassungsmäßigen Ordnung erscheinen, weil ein Rundfunkunternehmen — wie ein Presseunternehmen — nur dann ,frei' schaffen kann, wenn es wirtschaftlich-finanziell gesund ist". Aus der pressepolitischen und presserechtlichen Diskussion sei bekannt, „daß kleinere Kommunikationsunternehmen viel leichter dem — verfassungsrechtlich bedenklichen — Druck der Inserenten und anderer Mächte unterliegen als größere, wirtschaftlich gesunde Unternehmen". Das ist zunächst nichts anderes als eine Behauptung, die ohne genaue Überprüfung rechtlich relevanter Tatsachen rechtlich auch keine Relevanz für sich i n Anspruch nehmen kann. A u f keinen Fall reicht eine solche (unbewiesene) Behauptung aus, um (gesetzliche) Einschränkungen des i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG (auch und vornehmlich) verankerten individuellen Grundrechts aus Rundfunkunternehmerfreiheit zu legitimieren bzw. das Grundrecht leerlaufen zu lassen. A u f dieses Problem w i r d noch ausführlich einzugehen sein. Abschließend sei hier nur konstatiert, daß sich bei der Behauptung Herrmanns wieder deut2ββ Davon geht z.B. auch Lieb, Kabelfernsehen, S.205, aus. Ebenso H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 72, sowie die Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung, i n : V G H n.F. I I , 30, 84. 297 Sehr vage insofern auch Stammler, Kabelrundfunk, S. 29: „ . . . Auch w e n n die Fälle der erfolgreichen direkten E i n w i r k u n g e n eines Inserenten auf die Redaktion eine seltene Ausnahme bilden mögen, läßt sich doch w o h l k a u m bestreiten, daß ein v o n Anzeigen abhängiges M e d i u m permanent i n seiner gesamten Redaktionsarbeit gezwungen ist, auf die Interessen der werbenden Wirtschaft Rücksicht zu nehmen. Wirtschaftlich weniger mächtige Gruppen der Gesellschaft haben diese Einflußmöglichkeiten nicht." 298 N J W 1972, S. 1293. I m Ergebnis ablehnend auch Rupert Scholz, JuS 1974, S. 305. 299 Fernsehen u n d Hörfunk. S. 320 m. w . N.
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lieh zeigt, wie wenig die Vertreter eines öffentlich-rechtlichen, anstaltlich-pluralistischen Rundfunkoligopols bei ihrer Argumentation die verfassungskräftige Tatsache beachten, daß der individuelle Gehalt des Grundrechts auch einen Wert an sich darstellt. 2. Diesen individuellen Gehalt des Grundrechts auf Rundfunkfreiheit stellt eine andere, zunehmend an Bedeutung gewinnende Meinung i n den Vordergrund ihrer Überlegungen und kommt zu dem Ergebnis, daß nach dem Wegfall der Sondersituation i m Rundfunkwesen nunmehr grundsätzlich auch der Private i n den herkömmlichen privatrechtlichen Organisationsstrukturen als Rundfunkunternehmer fungieren kann. Ein hervorragender und besonders dezidierter Vertreter dieser Konzeption ist Werner Weber. Er präzisiert das Fazit seiner Erwägungen i n folgenden Sätzen: „Nachdem die technische und wirtschaftliche Entwicklung i m Rundfunkwesens dazu geführt hat, daß, ohne die traditionellen Sendeanstalten öffentlichen Rechts zu beeinträchtigen, Sendemöglichkeiten auch einer größeren Zahl von Sendeveranstaltern aus dem privat-gesellschaftlichen Bereich bereitgehalten werden können, ist es verfassungsrechtlich unhaltbar geworden, die erwähnten grundlegenden Freiheiten beim wichtigsten Medium der Meinungsäußerung, Nachrichtengebung, Information und Kunstvermittlung weiterhin zu drosseln. Diese Abschnürung ist vom Gedanken des Schutzes der genannten Freiheiten her und zur Sicherung eines offenen demokratischen Meinungsbildungsprozesses nicht mehr zu rechtfertigen, dies am wenigsten unter der Voraussetzung, daß die Funktion der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ungeschmälert erhalten bleibt. Daraus ergibt sich, daß ernsthaften privaten Bewerbern u m den Zugang zur Veranstaltung von Rundfunksendungen dieser Zugang grundsätzlich nicht mehr versperrt werden darf und daß auch eine ,Entprivatisierung' i n Gestalt der Oktroierung einer pluralistischen Binnenstruktur' ihnen nicht als Bedingung gestellt werden kann, beides unmittelbar von Verfassungs wegen. Entgegengesetzte Regelungen wären nichtig 3 0 0 ." Der Zugang privater Bewerber als Rundfunkunternehmer öffnet sich danach unmittelbar von Verfassungs wegen, wobei Weber 3 0 1 davon eoo Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 487; vgl. auch ders., Der Staat 11 (1972), S. 82 ff.; Haensel, Rundfunkfreiheit u n d Fernsehmonopol, S. 110; W. Geiger, Z V + Z V 1969, S. 1352; υ. Pestalozzi ZRP 1979, S.27f.; ebenso offenbar Rudolf, i n : v o n Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 743 f. — I m Ergebnis ebenso Demme, Kabelfernsehen, passim, soi I n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 490, 487 ff.
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ausgeht, daß die Zulassung Privater keineswegs „auf einen rechtsleeren Raum träfe". Darüber hinaus erscheint es ihm aber als denkbar, „daß — de lege ferenda gesehen — das Auftreten ,privater Veranstalter von Rundfunksendungen' . . . der guten Ordnung und eines vernünftigen Ausgleichs unter konkurrierenden Bewerbern halber noch m i t weiteren Regelungen ausgestattet werden sollte . . . " . Das bedeute aber nicht, daß die Effektuierung der grundrechtlichen Freiheiten bis zu dem Zeitpunkt hintan gehalten werden könne, „zu dem es dem Landesgesetzgeber beliebt, jene zusätzlichen Zulassungsregelungen zu erlassen". Von den (hier nicht zutreffenden) Ausnahmen des Art. 117 GG abgesehen, „unterliegt das Wirksamsein der Grundrechte . . . nicht den Dispositionen des Gesetzgebers", weil nach Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte der A r t . 2 bis 19 GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden 3 0 2 . A u f die sich aus A r t . 1 Abs. 3 GG ergebende unmittelbare Geltung von Grundrechten beruft sich ζ. B. auch Rudolf 3 0 3 . Weil „erlaubt sein muß, was nicht verboten i s t " 3 0 4 , w i l l er jedenfalls i n den Bundesländern ohne gesetzliche Regelung eines Rundfunkmonopols jedem Bürger gem. § 2 Abs. 1 F A G die Möglichkeit eines Antrags auf Überlassung einer Kabelleitung zur Übertragung von Rundfunkdarbietungen eröffnen, ohne daß es hierfür einer Programmlizenz bedürfe 3 0 5 . I m Hinblick aber vor allem auf die zwar vermehrten, aber möglicherweise i m Verhältnis zu den Interessenten noch nicht ausreichenden Frequenzen w i r d durchweg noch eine gesetzliche Regelung als erforderlich angesehen 306 . Dem grundsätzlichen Problem der Erforderlichkeit eines rundfunkrechtlichen Organisationsgesetzes braucht hier nicht näher nachgegangen zu werden, weil das i n diesem Gutachten in Frage stehende Münchner Pilotprojekt (wie alle anderen beabsichtigten Pilotprojekte) aus naheliegenden Gründen ohne eine gesetzliche Regelung nicht denkbar ist. Problematisch allein ist die A r t und Weise dieser gesetzlichen Organisationsstrukturierung, insbesondere die Frage, ob die Regelung des Pilotprojekts (auch) private Rundfunkveranstalter von Verfassungs 302 Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 490 ff. Ebenso K u l i , A f P 1977, S. 254; vgl. auch ders., Kabelfernsehen u n d Rundfunkfreiheit, i n : rot angestrichen, Nr. 28, M a i 1976, S. 6. 303 Zulässigkeit, S. 82 m . w . N . ; ders., N J W 1972, S. 1293. 304 Rudolf, Zulässigkeit, S. 82; vgl. auch Haensel, Rundfunkfreiheit u n d Fernsehmonopol, S. 106. 305 Rudolf, Zulässigkeit, S.62ff.; ders., N J W 1972, S. 1293; Haensel, U F I T A 50 (1967), S. 528. 30β v g l . etwa Krause-Ablaß, D Ö V 1962, S.252f.; ders., D Ö V 1972, S.492; W. Geiger, A k t u e l l e r Mediendienst 1977, Heft 9 v. 3. 3.1977.
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wegen zulassen muß und wie ggfs. die Binnenstruktur dieser privaten Rundfunkunternehmen organisiert zu sein hat. Von besonderer Bedeutung ist schließlich die erst vor kurzem erschienene Schrift von H. H. K l e i n über „Die Rundfunkfreiheit". Auch er legt den ganz entscheidenden Akzent auf den individuellen Gehalt des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG, auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit als Individualrecht und seine Verstärkung durch A r t . 12 Abs. 1 GG 3 0 7 . Das Grundrecht auf Freiheit des Rundfunks ist für ihn „seif-executing". Natürlich bedürfe auch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit der normativen Umhegung, weil nur so der Staat seiner Funktionsverantwortung für den Rundfunk zu entsprechen vermöge und nicht jede rundfunkbezogene Norm müsse Eingriffscharakter haben. Soweit aber Eingriffe i n Betracht stünden, müßten sie als Eingriffe von der Verfassung gefordert sein: „Ihre konkrete Ausformung ist demgemäß auf ihre Geeignetheit und Erforderlichkeit zu prüfen 3 0 8 ." Unter Hinweis auf Werner Weber kommt es ihm vor allem auf die Erkenntnis an, daß eine Norm wie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, die Freiheit gewähren soll, paradoxerweise nicht dahin ausgelegt werden könne, „daß sie den Gebrauch eben dieser Freiheit selber inhibiert". Daraus aber ergebe sich: „Sind die vom BVerfG festgestellte Sondersituation und die gesetzliche Festlegung des Veranstaltungsmonopols der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entfallen, steht — unbeschadet des Erfordernisses einer fernmelderechtlichen Genehmigung — kraft der i n Art. 5 I, 121 GG verbürgten Rundfunkfreiheit der Zugang zum Rundfunk jedermann offen .. . 3 0 9 . " Das bedeute allerdings noch nicht, daß damit das „Wettbewerbsmodell uneingeschränkt verwirklicht werden müßte". Sicher sei nur, daß grundsätzlich „Private zu Veranstaltungen von Rundfunk zugelassen werden müssen". Daneben aber können und, für eine Übergangszeit, müssen sogar die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehen bleiben, um die Pluralität und die Chancengleichheit für Programmacher wie Rezipienten zu sichern. Die Dauer der Ubergangszeit hänge von zwei Umständen ab: „Erstens ist der vorzugsweise m i t überregionalen Programmen aufwartende, i m ganzen Bundesgebiet zu empfangende Integrationsfunk solange unentbehrlich, als nicht auch eine erkleckliche Zahl privater Programme für das gleiche Versorgungsgebiet existiert . . . Zweitens hängt die Dauer der Übergangszeit davon ab, ob es gelingt, i m Bereich des privaten Rundfunks jene Vielfalt zu etablieren, so? h . H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 32 ff. 308 h . H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 62. 309 h . ff. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 64.
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die i m Rundfunk nun einmal gegeben sein muß, u m die Prinzipien der Pluralität und Chancengleichheit zur Wirkung zu bringen. Das ist eine faktische Frage, deren Beantwortung auch vom Wollen der gesellschaftlich relevanten Kräfte beeinflußt w i r d .. . 3 1 0 . " I V . Zwischenergebnis
Die vorstehenden Überlegungen sind davon ausgegangen, daß eine Änderung der vom BVerfG angenommenen „Sondersituation i m Rundfunkwesen" zu einer Änderung der rundfunkrechtlichen Struktur führen kann. Die Frage nach dem Ausmaß dieser Änderung und danach, inwieweit die Änderung der faktischen Situation rechtliche Relevanz besitzt, hat folgendes erbracht: Das BVerfG hat i m Fernsehurteil den Rundfunkunternehmen zwar keine bestimmte Organisationsform verordnet. Es hat lediglich die anstaltlich-pluralistische Form des geltenden Rechts als eine der möglichen Organisationsstrukturen für verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet. Eine echte privatwirtschaftliche Struktur der Rundfunkunternehmen wäre aber i m Jahre 1961 vom Gericht nicht akzeptiert worden. Es Schloß zwar die privatrechtliche Form nicht aus, verlangte aber auch für diesen Fall eine pluralistische Binnenstruktur der Unternehmen 3 1 1 . Verfassungsrechtlich begründet wurde diese Konzeption allein m i t dem i n Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Schutz des Instituts „freier Rundfunk" 3 1 2 . Ein individuelles Recht auf Rundfunkfreiheit i. S. einer privaten Rundfunkgründungsfreiheit konnte wegen der Sondersituation i m Rundfunkwesen nicht i n Betracht kommen. Der Bayerische Verfassunggeber hat diesen „status quo" i n A r t . I l l a Abs. 2 B V landesverfassungskräftig fixiert, wobei er freilich noch einen Schritt weitergeht als das BVerfG, weil er m i t dem Gebot öffentlichrechtlicher Trägerschaft sogar privatrechtliche Unternehmen mit pluralistischer Binnenstruktur ausschließt. Die Sondersituation hat sich inzwischen verändert. Die technische Entwicklung vor allem i m Bereich der Breitbandkabel-Kommunikation hat die Zahl der Ubertragungsmöglichkeiten für Rundfunkprogramme erheblich erhöht. Das ist unbestritten. Einigkeit besteht i m wesentlichen auch darüber, daß die finanzielle Situation insgesamt differenzierter zu betrachten ist und jedenfalls die Kosten des Kabelrundfunks für den lokalen und regionalen Bereich nicht mehr als „außergewöhnlich groß" eingeschätzt werden können. 310 H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 79. su BVerfGE 12, 205/262. 312 BVerfGE 12, 205/259 ff.
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Trotzdem ist die Rechtsprechung und ein gewichtiger Teil des Schrifttums nach wie vor der Auffassung, daß das Oligopol der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten m i t A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang steht und die (zusätzliche) Zulassung privater Rundfunkunternehmen ohne binnenpluralistische Absicherung dieser Unternehmen verfassungsrechtlich nicht geboten erscheint. Das w i r d einmal damit begründet, daß sich die (Sonder-)Situation im Rundfunkwesen zwar verändert, aber noch nicht hinreichend „normalisiert" habe und zum anderen darüber hinaus der Rundfunk spezifische Besonderheiten auf weisen würde, die auf jeden Fall einen Vergleich m i t der Presse ausschlössen. Die Auffassung konnte schon deswegen nicht überzeugen, weil ihr die Basis einer exakten Bestandsaufnahme i n technischer und finanzieller Hinsicht fehlt. Dementsprechend unzuverlässig müssen die rechtlichen Schlußfolgerungen sein. Darüber hinaus hat sich ergeben, daß die rechtlichen Argumente durchweg widerlegbar und ζ. T. unschlüssig sind. Das bedeutet aber nicht, daß damit, gleichsam automatisch, der gegenteiligen Konzeption zugestimmt werden könnte, die für eine (auch) privatwirtschaftliche Organisationsstruktur der Rundfunkunternehmen eintritt. Auch insofern muß der Mangel an exakter Rechtstatsachenforschung beachtet werden. Hinzu t r i t t noch eine weitere Überlegung: Selbst wenn eine gründliche Rechtstatsachenforschung ein genaues Ergebnis über die Zahl der möglichen Sendefrequenzen auf überregionaler, regionaler und lokaler Ebene erbächte und auch die Kosten sich wenigstens teilweise m i t einiger Sicherheit bestimmen ließen, wäre damit noch nicht völlig zweifelsfrei ausgemacht, welche Wirkung die Zulassung (auch) privatwirtschaftlicher Rundfunkunternehmen auf die Meinungsvielfalt hätte. Zum einen lassen sich schon die Kosten immer nur „abstrakt" berechnen, weil nicht vorherzusehen ist, ob und ggfs. wie eine Vermehrung der Programme, insbesondere auch von Teilprogrammen, auf lokaler Ebene ankommen wird. Die Kosten aber sind abhängig von der Anzahl der Teilnehmeranschlüsse bzw. der Nutzung. Auch die Finanzierungsart (Werbung und/oder Gebühren) ist letzten Endes nur praktisch erprobbar und es läßt sich kaum abschätzen, welche A r t günstiger ist bzw. wie hoch die Einnahmen sein werden. Von diesen Kostenbzw. Rentabilitätsfragen w i r d aber zum anderen auch die Anzahl der Bewerber für Rundfunkunternehmen abhängen, so daß es sowohl möglich ist, daß mehr als auch daß weniger Bewerber antreten als Frequenzen und Übertragungswege zur Verfügung stehen. Weiter ist von Bedeutung, wie sich die Bewerber auf Hörfunkprogramme einer-
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seits und Fernsehprogramme andererseits verteilen, wieviel Universalprogramme und wieviel Teilprogramme und welcher A r t (Sport, Politik, Unterhaltung etc.) angeboten werden usw. usw. Definitiv wird dies alles nur die Praxis selbst beantworten 3 1 3 , und alle diese A n t worten spielen eine mehr oder minder große Rolle für die entscheidende Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Meinungsvielfalt. So könnte man sich zu der Schlußfolgerung verleiten lassen: Weil die Behauptung, eine Normalsituation i m Rundfunkwesen habe sich gebildet, ebensowenig nachgewiesen ist wie die Behauptung, eine Normalsituation habe sich nicht gebildet, beläßt man am besten alles beim Alten, sprich: bei der „bewährten" öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisation. Diese Schlußfolgerung könnte man dann noch ergänzend unterstützen m i t dem bekannten Argument von der „Startsituation" 3 1 4 , i n der sich der Kabelrundfunk befinde. I m Hinblick darauf meint z. B. Lerche 314 , auch wenn die Technik „ i n der Tat einer pluralistischen Vielfalt eine Chance böte, sich ohne weiteres zu entwickeln, so wäre dies doch stets nur eine Chance und nicht mehr". Es ist völlig richtig, wenn er eine solche Chance als für Art. 5 Abs. 1 GG nicht ausreichend bezeichnet und eine gesetzliche Steuerung fordert. Und es ist ihm auch beizupflichten, daß eine solche Steuerung „nicht nur Ermächtigung, sondern Verpflichtung des zuständigen Gesetzgebers" ist, „ w i l l er dem individuellen, überwölbenden Schutzgut des Art. 5 GG, der Sicherung von Meinungsmonopolen, gerecht werden" 3 1 5 . Für uns erhebt sich hier weniger die Frage, ob der Gesetzgeber, wenn private Rundfunkunternehmer tätig sind, die Verpflichtung hat, diese Tätigkeit entsprechend dem Art. 5 Abs. 1 GG zu regeln, sondern ob eine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, private Rundfunkunternehmer zunächst einmal überhaupt zuzulassen, obwohl noch nicht nachweisbar feststeht, daß die Sondersituation von einer Normalsituation i m Rundfunkwesen abgelöst ist. Für uns erhebt sich hic et nunc die Frage: Ist die technische Entwicklung nicht schon so weit fortgeschritten, daß die pluralistische Vielfalt bei einer privatwirtschaftichen Struktur des Rundfunkwesens eine Chance hat und muß der Staat nicht die Realisierung dieser Chance fördern? Spricht nicht sehr vieles für eine verfassungsrechtlich gebotene Zulassung privater Rundfunkunternehmer? 313 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 106; Schmitz, DÖV 1969, S. 701; Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 55; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 79 f. 314 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 35; Ossenbühl, D Ö V 1972, S. 296, F N 20. 315 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 35; vgl. auch Lieb, Kabelferrisehen, S. 211 m. w. N., der von einer „Dienstleistungspflicht" des Gesetzgebers spricht.
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Richtungsweisend erscheint insofern die 1976 von K u l i 3 1 6 entwickelte Drei-Phasen-These. Als erste Phase bezeichnet er jene des Fernsehurteils aus dem Jahre 1961, die durch eine echte Sondersituation i m Rundfunkwesen (Frequenzmangel; unerschwinglicher finanzieller Aufwand) charakterisiert sei. I n der dritten Phase werde die Sondersituation endgültig überwunden sein. Neue Frequenzen, vor allem aber die Verbreitungsmöglichkeit durch Kabelsysteme und Satellitenempfang, werden es einzelnen Bürgern ebenso wie gesellschaftlichen Gruppen erlauben, je für sich eigene Programme zu verbreiten. Den entscheidenden Akzent legt K u l i auf die zweite Phase, als einer Phase des Ubergangs, i n der w i r uns gegenwärtig befinden. Die Sondersituation sei i n Ansätzen (mehr lokal als regional) überholt, die Zahl der Verkabelungsgebiete i m Steigen begriffen und die lokalen Zentren würden aufeinander zuwachsen. Zutreffend betont er, daß alles darauf ankomme, „ob schon i n dieser Phase die Organisationsvoraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für die erste Phase aufgestellt hat, gelockert werden oder ob sie unverändert fortbestehen". Seiner Auffassung nach wäre es „sinnwidrig und m i t einem freiheitlichen Kommunikationssystem nicht zu vereinbaren, wenn die ersten schüchternen privatwirtschaftlichen Alternativen neben den Anstalten gleichfalls dem Proporz der sog. gesellschaftlich relevanten Kräfte unterworfen würden". Gewiß mag man eine „Lockerung" der Organisationsvoraussetzungen, die das BVerfG aufgestellt bzw. akzeptiert hat, nach wie vor für gefährlich halten. Man kann aber auch nicht länger mehr so tun, als wäre seit 1961 nichts geschehen. Die Frequenzzahlen haben sich vermehrt und die Verbreitungsmöglichkeiten von Rundfunkprogrammen vor allem auf regionalem und lokalem Gebiet sind durch die Entwicklung des Kabelsystems erheblich gestiegen und sie werden weiter steigen. Es gibt nicht nur Fernseh-Universalprogramme. Es gibt auch kostengünstige Teilprogramme und vor allem den m i t relativ wenig finanziellen Mitteln zu betreibenden Hörfunk. Schließlich sollten vor allem jene, die i n der Monopolisierung der Rundfunkveranstaltungen bei öffentlich-rechtlichen Trägern eine „ideale" Sicherung der Rundfunkfreiheit erkennen wollen, nicht übersehen, daß die Öffnung des Rundfunk-„Marktes" auch für privatrechtliche Unternehmen die i m Integrationsfunk angelegte Absicherung der Meinungspluralität nicht beseitigt. Denn es geht ja keineswegs um die Ersetzung der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten durch anders strukturierte Programmträger, sondern um ihre Ergänzung durch weitere (privatrechtliche) 316
Kabelfernsehen u n d Rundfunkfreiheit, i n : rot angestrichen, Nr. 28. M a i 1976, S. 6. Ähnlich H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 79 f.
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Rundfunkunternehmen und damit der Idee nach u m einen Zuwachs an Meinungspluralität. Dies alles muß bei der Beurteilung der Situation m i t beachtet werden und es muß nun auch Berücksichtigung finden, daß die Medienarten nicht mehr völlig isoliert voneinander gesehen werden können, daß sie sich gegenseitig ergänzen und teilweise substituieren. Bei dieser Sachlage ist die Alternative: ausschließliches Oligopol für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder (auch) privatwirtschaftliche Struktur i m Rundfunkwesen keine „Geschmacksfrage" mehr. Nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft liegt zumindest tendenziell eine (völlige) Öffnung der Rundfunkkommunikation für private Unternehmer i m Bereich realistischer Möglichkeit. Der Gesetzgeber muß dieser Tatsache Rechnung tragen 3 1 7 . Das Maß dieser Beachtungspflicht hängt entscheidend von dem Stellenwert ab, den das Grundgesetz der subjektiven Komponente bzw. der privaten Rundfunkgründung zuerkennt. Darauf haben sich daher die weiteren Überlegungen zu konzentrieren. D . D i e Präponderanz der subjektivrechtlichen (individuellrechtlichen) Seite der Rundfunkfreiheit I . Die subjektivrechtliche Seite der Rundfunkfreiheit als Ausgangspunkt
Das BVerfG hat keine Vorstellungen darüber entwickelt, welche organisationsrechtlichen Prinzipien gelten sollen, wenn sich die Sondersituation ändert. Auch bei der damals bestehenden Sondersituation war das BVerfG i m Fernsehurteil sehr zurückhaltend. Es hat, wie bereits ausführlich dargelegt wurde, lediglich die gegebenen einfachgesetzlichen Vorschriften als verfassungsmäßig bewertet bzw. als eine Möglichkeit angesehen, um der festgestellten (Sonder-)Situation i m Bereich des Rundfunkwesens entsprechend der Funktion des A r t . 5 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Andere organisationsstrukturelle Möglichkeiten wurden grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Diese Zurückhaltung entspricht dem verfassungsrechtlichen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Verfassungsrechtlich festgelegt ist prinzipiell nur die Funktion der Rundfunkfreiheit, nicht aber ihre Struktur. M i t welchen organisationsrechtlichen Prinzipien die Rundfunk317 v g l . dazu BVerfGE 31, 314/339 (abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck u n d Wand): „ W e n n A r t . 5 GG fordert, daß die öffentliche Aufgabe der Darbietung von R u n d f u n k - u n d Fernsehveranstaltungen staatsfrei zu erfüllen ist u n d jede nach dem Stand der Technik u n d der wirtschaftlichen Vernunft mögliche V e r w i r k l i c h u n g v o n Freiheit auf diesem Gebiet auch zu gewähren ist, dann hat der staatliche Gesetzgeber alle dazu nötigen Organisationsformen zur Verfügung zu stellen."
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freiheit verwirklicht wird, ist dem Grundsatz nach Sache des Gesetzgebers und seines Ermessens 318 . Das bedeutet allerdings nicht, daß Funktion und Struktur zwei voneinander völlig getrennte Größen wären. Die Struktur dient der Erfüllung der Funktion. Die Ermessensfreiheit des Gesetzgebers bei der Wahl des Strukturtypus besteht daher i n der Entscheidung darüber, welche Organisationsform des Rundfunks die Rundfunkfreiheit am besten sichert. Damit werden zugleich die inhaltlichen Grenzen dieser Ermessensfreiheit des Gesetzgebers deutlich. Sie liegen — vorläufig ganz allgemein formuliert — dort, wo die Organisationsstruktur die freiheitliche Funktion des Grundrechts nicht (näher) verwirklicht, sondern schwächt, minimiert oder gar verfälscht. Diese Grenze stellt das BVerfG auch i m Fernsehurteil heraus, wenn es i m Anschluß an die Darlegung verschiedener organisationsstruktureller Möglichkeiten apodiktisch feststellt: „ A r t . 5 GG verlangt jedenfalls (!), daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird." Anschließend werden daraus dann die bekannten organisatorischen Folgerungen für die Binnenstruktur der Veranstalter von Rundfunkdarbietungen gezogen 319 . Nachdem sich die Sondersituation und die damit verknüpfte „institutionelle Sicht" der Rundfunkfreiheit verändert hat, jedenfalls fraglich erscheint, ob man noch von einer rechtlich relevanten „Sonder"»Situation sprechen kann sowie tendenziell die Öffnung der Rundfunkkommunikation für private Unternehmen technisch und wirtschaftlich realistisch erscheint, muß die derzeitige einfachgesetzliche Lage i m Rundfunkwesen von der Funktion der Rundfunkfreiheit her in ihrer richtliniengebenden und grenzziehenden Wirkung für den Strukturtypus neu durchdacht werden. Dabei geht es nicht so sehr um eventuelle Korrekturen i m Rahmen der institutionellen Komponente des Grundrechts. Wichtiger ist vielmehr, wieder den Blick dafür freizubekommen, daß auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Grundrechtsbestimmung ist, die Rundfunkfreiheit eine grundrechtliche Gewährleistung darstellt und Grundrechte vornehmlich Individualrechte sind. Bei der individualrechtlichen Seite vor allem der Meinungsfreiheit, zu deren Bereich auch die Rundfunkfreiheit gehört, ist die Abwehrfunktion (Abwehr gegen staatliche Eingriffe) ebenso angesetzt wie die Funktion 318 Vgl. etwa auch Jarass, Massenmedien, S. 244 ff.; Lerche, R u n d f u n k monopol, S. 77 ff.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 23. — Allgemein zum Problem der V e r w i r k l i c h u n g der Verfassung durch das Gesetz bzw. der G r u n d rechte durch die Gesetzgebung P. Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 183 ff. und K . Hesse, Grundzüge, § 10 (S. 129 ff.), jeweils m. w. N. aie BVerfGE 12, 205/262 f.
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der politischen, der gesellschaftsrelevanten Gestaltung. Beide Funktionen entspringen dem gleichen subjektiven Recht auf Meinungsäußerung und -Verbreitung 320 . Lehrsatzmäßig prägnant formuliert das BVerfG 3 2 1 : „Die Grundrechte sollen i n erster Linie die Freiheitssphäre des einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihm insoweit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive M i t wirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern." Diese Grundrechtskonzeption w i r d auch durch die normative Struktur des „Hauptfreiheitsrechts" (Dürig) in Art. 2 Abs. 1 GG bestätigt. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen hat daher das Individualrecht „Rundfunkfreiheit" zu sein: „Es ist und bleibt . . . von grundlegender Bedeutung, daß auch für den Bereich der sog. ,Rundfunkfreiheit' das Verhältnis zwischen Bürger und Staat . . . die Grundlage der staatlichen Grundrechtsverfassung ist — so, wie es allgemein nicht anachronistisch erscheint, die erstrangige Funktion der Grundrechtsnormen auch i m demokratischen Staat in der Regelung dieses Verhältnisses und insbesondere in der Abwehr übermäßiger Eingriffe staatlicher Organe zu sehen 322 ." I I . Die Rundfunkbetriebsfreiheit
Nahezu unbestritten ist, daß A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Rundfunkbetriebsfreiheit grundrechtlich verbürgt. Dabei geht es um die Betriebsfreiheit der bestehenden
Rundfunkunternehmen
und damit um
die Grundrechtsfähigkeit von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 3 2 3 . I n der Praxis erschöpft sich heute die grundrechtliche Freiheit 320 v g l . dazu i m einzelnen W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von Grundrechten, S. 81 ff.; ders., AöR 97 (1972), insbes. S. 82 ff. jeweils m. w. N. — Gerade w e i l auch die gesellschaftliche Relevanz der Grundrechte ihre Wurzel i m subjektiven Recht hat, gebietet die „Demokratiebezogenheit*' der Rundfunkfreiheit keineswegs, w i e Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk (S. 44 f.) meinen, die „Pluralisierung u n d Equilibrierung" dieses Massenmediums „durch anteilmäßige Beteiligung der f ü r das Gemeinwesen gewichtigen Faktoren", jedenfalls nicht i. S. einer Institutionalisierung des Grundrechts. 321 BVerfGE 21, 362/369. 322 Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 10 m. w. N. Vgl. auch H. ff. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 32 ff. 323 F ü r eine Grundrechtssubjektivität der (bestehenden) öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insbesondere BVerfGE 31, 314/322 u n d Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 15 ff., 22 ff.; vgl. außerdem etwa Rudolf, Zulässigkeit, S. 19 ff.; Rudolf/Meng, Breitbandkommunikation, S. 49 u n d Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 146 ff. m. ζ. N. pro u n d contra. — Z u m Umfang der Betreibsfreiheit, die v o r allem i n einer umfassenden Programmgestaltungsfreiheit besteht, vgl. etwa BVerfGE 12, 205/260; Rudolf, Zulässigkeit, S. 18 f. sowie Lieb, Kabelfernsehen, S. 167 u n d vor allem Herrmann, S. 119 f. m. ζ. N.
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des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG i m Schutz der bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Darüber hinaus w i r d von vielen ein Grundrechtsschutz verneint, insbesondere eine grundrechtliche Garantie der freien Gründung von Rundfunkunternehmen für jedermann abgelehnt; konsequenterweise behaupten die Vertreter dieser Ansicht einen in der Verfassung angelegten entsprechenden Zulassungsvorbehalt zugunsten öffentlich-rechtlicher Rundfunkunternehmen oder doch wenigstens zugunsten von Rundfunkunternehmen m i t gesetzlich abgesicherter pluralistischer Binnenstruktur 3 2 4 . I I I . Die Rundfunkgründungsfreiheit
Das Problem ist also, ob A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG neben der Rundfunkbetriebsfreiheit für die bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch eine Rundfunkgründungsfreiheit (und eine entsprechende Betriebsfreiheit) für privatrechtliche Rundfunkunternehmen (Zulassungsfreiheit) grundrechtlich garantiert. 1. Aus der Entstehungsgeschichte des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG, i n Besonderheit der Rundfunkfreiheit, kann nichts Entscheidendes entnommen werden, zumal sich — einmal abgesehen von der „Sondersituation i m Rundfunkwesen" 3 2 5 und der Frage ihres Fortbestandes — jedenfalls die „heutigen sozio-ökonomischen Bedingungen sowohl i m Presse-, wie i m Rundfunk- und i m Filmbereich . . . teilweise grundlegend von den Vorstellungen unterscheiden, die die Verfassungsväter haben konnten" 3 2 6 . Was den Wortlaut betrifft, so fällt zwar auf, daß bei Rundfunk und F i l m i m Gegensatz zur Presse (nur) die „Berichterstattung" geschützt sein soll. Diesem qualifizierenden Merkmal w i r d aber i n Rechtsprechung und Literatur fast durchweg 3 2 7 keine Bedeutung zuerkannt 3 2 8 , oft w i r d es schlicht negiert. Zutreffend meint Jarass 329 : „Wären Rundfunk und F i l m schlechthin geschützt und nicht nur die Berichterstattung, das Auslegungsergebnis wäre nicht anders." Der Wortlaut spricht danach für eine Gleichbehandlung der Rund324 v g l . etwa Stern, Funktionsgerechte Finanzierung, insbes. S. 27 ff.; Stern l Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, insbes. S. 41 ff. ; BVerwGE 39, 159 ff.; O V G Münster v. 24.9.76, DÖV 1978, S. 519 ff.; Bay VerfGH, V G H n.F. 30, 78 ff. 325 BVerfGE 12, 205/261. 32β Jarass, Massenmedien, S. 155, F N 1. 327 a. Α. aber ζ. Β . Jarass, Massenmedien, S. 156 ff., 181 ff. 328 Vgl. insbes. BVerfGE 31, 314/325 f., sowie Demme, Kabel-Fernsehen, S. 34 ff.; Chr. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 11; Lieb, Kabelfernsehen, S. 154, jeweils m. w . N. 32β Massenmedien, S. 156.
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funkfreiheit m i t der Presse- und Filmfreiheit. Jedenfalls hat das Grundgesetz einerseits „ f ü r die Rundfunkunternehmen nicht ausdrücklich die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt festgelegt und damit andere Organisationsformen und -gründungen nicht expressis verbis ausgeschlossen" 330 und andererseits ist zu beachten, daß sowohl Presse wie F i l m privatrechtlich organisiert sind und i n beiden Fällen die Gründungs- bzw. Zulassungsfreiheit durchweg anerkannt w i r d 3 3 1 . Diese Feststellung w i r d ergänzt durch die systematische Stellung der Rundfunkfreiheit, ihr Verhältnis zur Freiheit der Presse und des Films; sie werden i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG alle zusammen gleichsam in einem Atemzug genannt. Darüber hinaus sind Rechtsfolge (die Freiheitsgewährleistung) und Einschränkungsmöglichkeiten i n A r t . 5 Abs. 2 GG für die drei Medien i n gleicher Weise geregelt. Dementsprechend stellt auch das BVerfG i m Fernsehurteil fest: „ A l s Massenkommunikationsmittel gehört der Rundfunk i n die Nachbarschaft von Presse und Film. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 nennt alle drei Massenmedien in einem Satz 3 3 2 ." Und an einer anderen Stelle der gleichen Entscheidung 3 3 3 heißt es nach einer Beschreibung der Bedeutung des A r t . 5 GG für die Pressefreiheit folgendes: „Die Bedeutung des Art. 5 GG für den Rundfunk kann nicht ohne Rücksicht auf den eben dargelegten Inhalt des Art. 5 gewürdigt werden. Unbeschadet einer noch zu erörternden Besonderheit des Rundfunkwesens gehört der Rundfunk ebenso wie die Presse zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen und diese öffentliche Meinung mitgebildet wird. Der Rundfunk ist mehr als nur ,Medium' der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter ,Faktor' der öffentlichen Meinungsbildung . . . Bei solcher Betrachtung w i r d deutlich, daß für den Rundfunk als einem neben der Presse stehenden, mindestens gleich bedeutsamen, unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmittel und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung die institutionelle Freiheit nicht weniger wichtig ist als für die Presse." Die Bedeutung der i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Garantie von Rundfunk- und Pressefreiheit w i r d also vom BVerfG, insbesondere i m Hinblick auf die „institutionelle Eigen330 Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 124. 331 Vgl. etwa für-die Presse: Löf fier, Presserecht. Kommentar. Band I (1969), S. 13, 93, 120, 129; f ü r den F i l m : Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 215 zu A r t . 5 I. 332 BVerfGE 12, 205/228. 333 B V e r G E 12, 205/260 f.
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ständigkeit" der beiden Bereiche, prinzipiell gleich bewertet. Was den Vorbehalt der „noch zu erörternden Besonderheit des Rundfunkwesens" 333 angeht, so betrifft diese Besonderheit — wie sich aus den weiteren Ausführungen des Gerichts 333 ergibt — nicht die Bedeutung des Rundfunks i m Verhältnis zur Presse i n der eigentlichen Substanz, sondern die formelle Seite der Organisation. Wortlaut und Systematik rechtfertigen demzufolge jedenfalls dem Grundsatz nach die Feststellung, daß es sich bei A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG u m eine einheitliche Grundrechtsbestimmung handelt und der grundrechtliche Schutz für die Freiheit von Presse, Rundfunk u n d F i l m prinzipiell die gleiche Funktion hat 3 3 4 . Grundsätzlich ist daher auch die Gleichbehandlung von Presse und Rundfunk gerechtfertigt 335 . Damit sind selbstverständlich zusätzliche und spezifische Funktionen sowie bestimmte Akzentuierungen bei den einzelnen Medien nicht ausgeschlossen und gerade das Fernsehurteil des BVerfG hat gezeigt, daß faktische Besonderheiten i m Bereich des Rundfunkwesens tatsächlich bis zum Ausschluß der allgemeinen Gründungsfreiheit führen können. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Ausgangsposition, daß die Rundfunkfreiheit i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG (auch) als individuelles Freiheitsrecht garantiert ist und damit „ i h r primärer und prinzipeller Rechtsträger der Private als allgemeiner Grundrechtsträger" sein muß 3 3 6 . Rechtslogisch ist die Rundfunkfreiheit des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG i n der Tat gerade auf privatwirtschaftlich strukturierte Träger bezogen: „Welchen Sinn hätte es haben sollen, den Rundfunk . . . i n den Katalog bürgerlicher Freiheitsrechte aufzunehmen, flankiert von Presse und Film, wenn dessen öffentlich-rechtliche Verfassung die einzig zulässige oder auch nur die normale Organisationsform wäre? Welchen Sinn hätte es haben sollen, die Rundfunkfreiheit unter die Grundrechte aufzunehmen, wenn Nutznießer dieser Freiheit nur eine öffentlich-rechtliche Anstalt sein könnte . . . 3 3 7 . " 2. Nun werden allerdings gegen diese hier vertretene, auf die Individualfreiheit bezogene Ausgangsposition, verschiedene Argumente vorgebracht, die i m wesentlichen darauf hinauslaufen, daß ein privates Rundfunkunternehmen
schon per se und
a priori
als
Grundrechts-
träger des Art 5 Abs. 1 Satz 2 ausscheidet Hier geht es also nicht u m 334 so grundsätzlich auch Jarass, Massenmedien, S. 164. 335 Dazu bereits oben Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., C, I I I , 1 b). 33β Rupert Scholz, JuS 1974, S. 303; vgl. etwa auch Merten, E v S t L K (1975), Sp. 1537; H. H. K l e i n , Die Rundfunkfreiheit, S.41ff.; Krause-Ablaß, DÖV 1962, S. 250 ff.; Rudolf, Zulässigkeit, S. 21 f., 66 ff.; Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 474 f., 478 ff. 337 Kuli, Kabelfernsehen u n d Rundfunkfreiheit, i n : rot angestrichen, Nr. 28, M a i 1976, S. 5. 10 Schmitt Glaeser
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die schon ausführlich diskutierte Frage, ob (auch) private Rundfunkunternehmen die erforderliche Meinungsvielfalt sichern können, sondern es geht um die Behauptung, daß eine grundrechtlich gewährleistete Rundfunkgründungsfreiheit für Private gleichsam schon i n nuce verneint werden muß. Diese Argumente können jedoch nicht überzeugen. a) Da ist ζ. B. die Konzeption von Herbert Krüger. Die in seinem Rechtsgutachten aus dem Jahre 1960 „Der Rundfunk i m Verfassungsgefüge und i n der Verwaltungsordnung" 3 3 8 entwickelten Überlegungen gehen gleichsam an die Wurzel der privaten Rundfunkunternehmerfreiheit. Seine wesentliche These: Rundfunk sei eine „unvergleichliche Möglichkeit . . . , Macht zu bilden und Macht auszuüben". Eine „Paralysierung" dieser „unwiderstehlichen" Macht durch marktwirtschaftliche Konkurrenz sei beim Rundfunk ausgeschlossen; das Machtmonopol habe allein der Staat. Der Rundfunk müsse daher unter das staatliche Machtmonopol fallen 3 3 9 . Die Auffassung Herbert Krügers ist so häufig und überzeugend widerlegt worden, daß sich nähere Ausführungen hierzu erübrigen 3 4 0 . Auch das BVerfG ist (im Fernsehurteil) den Thesen Herbert Krügers nicht gefolgt. Es hat ausdrücklich auch die privatrechtliche Organisationsform für Rundfunkveranstalter akzeptiert 3 4 1 . Rundfunk ist keine „wesentliche Staatsaufgabe" i n dem Sinne, daß Private als Rundfunkunternehmer von vornherein ausscheiden 342 . b) Auch wenn man die Rundfunktätigkeit als die Erfüllung einer „öffentlichen Aufgabe" wertet, ergibt sich daraus kein staatlicher Betriebsvorbehalt für Rundfunkunternehmen. Dies zeigt schon die Tatsache, daß das Wichtigkeitsattribut „öffentliche" Aufgabe auch anderen Massenkommunikationsmitteln, insbesondere der Presse, zugeschrieben w i r d 3 4 3 , und die Gründungsfreiheit von Presseunternehmen unbestrit338 Veröffentlicht i n : Hamburger öffentlich-rechtliche Nebenstunden. Bd. 2. 33» Herbert Krüger, Der Rundfunk i m Verfassungsgefüge u n d i n der V e r waltungsordnung, S. 146 f., 39 ff., 47 ff.; teilweise i h m zustimmend Leisner, Werbefernsehen u n d öffentliches Recht, S. 16 f. 340 v g l . etwa Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 219 zu A r t . 5 I ; Krause-Ablaß, R u F 1968, S. 400; ders., D Ö V 1962, S. 250; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, insbes. S. 126 f.; Lerche, R u n d f u n k monopol, S. 102 f. m. w. Ν . ; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 45. 341 BVerfGE 12, 205/262. 342 Herrmann , Fernsehen u n d Hörfunk, S. 125 f. hat i m übrigen nachgewiesen, daß Krüger seine These v o m staatlichen Machtregal nicht konsequent durchhält u n d später (insbesondere i n : Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien. Beiträge zum Rundfunkrecht, Heft 5, 1965, S. 100), zumindest i n der Sache davon abrückt. 343 So vor allem das BVerfG (vgl. etwa E 12, 113/128; E 20, 162/174 f.). Dazu näher W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), insbes. S. 111 ff. m. z. N.
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ten ist 3 4 4 , öffentliche Aufgabe heißt nicht (automatisch) staatliche A u f gabe. öffentliche Aufgaben können auch von Privatunternehmern wahrgenommen werden 3 4 5 . c) Kein Argument gegen das Individualrecht auf private Rundfunkfreiheit ist weiterhin die Tatsache, daß es bis heute noch nicht aktuell geworden ist bzw. noch i n keinem Fall (auch nicht i m Saarland) praktiziert wurde. „Dies lag nämlich nicht an der fehlenden Existenz eines solchen Rechts, sondern allein an dessen mangelnder Nutzbarkeit sowie an dessen spezifischen Nutzungserfordernissen. I n diesem Sinne hat man vom einstweilen ,eingefrorenen' 346 Individualrecht gesprochen, an dessen verfassungsrechtlicher Existenz und dessen Anspruchskraft bei veränderten Nutzungs- bzw. Strukturbedingungen aber m i t Recht festgehalten 347 ." Problematisch ist nur, ob und inwieweit sich das Individualrecht „auftauen" läßt. Dabei kommt es hier auf genauere Einzelheiten nicht an. Von Bedeutung ist nur, daß sich, wie dargelegt, zwar einerseits die Sendemöglichkeiten — vor allem durch die neuen technischen Entwicklungen i m Bereich des Kabelrundfunks — seit dem Fernsehurteil erheblich vergrößert haben, daß aber andererseits für die heute absehbare Zukunft die technisch und finanziell erreichbare Zahl von Sendern beschränkt bleiben wird, jedenfalls ein „JedermannRundfunk" (noch) nicht im Bereich des Machbaren liegt. d) Damit w i r d noch ein weiteres rechtstheoretisches Problem sichtbar: Gehört zum Wesen eines Individualrechts, daß es jedermann (zumindest jeder Deutsche) tatsächlich ausüben kann? Es besteht kein Zweifel daran, daß der Staat die Realisierung der Grundrechte auch i m tatsächlichen Bereich nicht hindern darf und i m Rahmen seiner (auch finanziellen) Möglichkeiten alles t u n soll, u m optimal vielen Menschen die Chance der Freiheit zu eröffnen, die grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen also für sie wirklich zu machen 348 . Das heißt aber nicht, daß ein Grundrecht nur dann rechtlich existiert, wenn es von jedermann tatsächlich realisiert werden kann: „aus der einge3 4 4 I m Hinblick auf die Wichtigkeit der der Presse zufallenden „öffentlichen Aufgabe" betont das BVerfG (E 20, 162/175), daß diese von der „organisierten staatlichen Gewalt" nicht erfüllt werden könne, die Presseunternehmen sich vielmehr „ i m gesellschaftlichen Raum frei bilden können" müssen u n d dementsprechend „nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen u n d i n privatrechtlichen Organisationsformen" arbeiten. 845 vgl. auch Rudolf, Zulässigkeit, S. 68 ff. u n d Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 135, jeweils m. w . N. Vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 56 ff. 34β Rudolf, Zulässigkeit, S. 22. 347 Rupert Scholz, JuS 1974, S. 303 m. w. N. 348 v g l . statt vieler K . Hesse, Grundzüge, § 6 I I 3 c (S. 87), § 9 I I 2 b u n d c (S. 122 ff.). 10*
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schränkten Realisierungschance folgt . . . noch keine Verneinung des Rechts selbst 3 4 9 ." Es entspricht geradezu dem Wesen der Grundrechte i n ihrem individualbezogenen Zuschnitt, daß sie nicht von allen und nicht zu jeder Zeit von allen realisiert werden (können). I m Zusammenhang m i t dem Frequenzmangel i m Rundfunkbereich weist ζ. B. Herrmann 3 5 0 m i t Recht darauf hin, daß es „Automobil- und Lokomotivfabriken sowie andere Produktionsunternehmen für größere Investitions- oder Verbrauchsgüter oder auch Bäcker, Fleischer, Schuster in einem kleinen Ort . . . nach sachlich zwingenden markttechnischen Gegebenheiten nur jeweils i n beschränkter Zahl geben (kann), ohne daß hieraus der Entzug verfassungsrechtlicher Grundfreiheiten zu folgern wäre". Gleiches gilt für den angeblich beschränkenden Effekt des „außergewöhnlich großen Aufwands" für Rundfunkdarbietungen. Selbst wenn diese Behauptung (auch heute noch) den Tatsachen entspräche, könnte es nicht zu einer Verneinung des subjektiven Rechts auf Rundfunkfreiheit a priori führen: „niemand denkt ernsthaft daran, eine verfassungskräftige Unternehmerfreiheit für die Großindustrie an der Tatsache scheitern zu lassen, daß für ein solches Unternehmen beträchtliche finanzielle M i t t e l erforderlich sind . . . " Bleibt es also dabei, daß die grundrechtliche Gewährleistung i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG i n erster Linie als Individualrecht bewertet werden muß, so ist damit natürlich noch nicht entschieden, daß die Vielfalt der Rundfunkunternehmen so groß bzw. ausreichend — vergleichbar der Situation i m Pressewesen — sein wird, daß eine echte „äußere" Konkurrenzlage hergestellt ist, die das derzeit (einfach-gesetzlich) geltende Oligopol der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten m i t dem Ersatzmodell der pluralistischen Binnenstruktur überflüssig und möglicherweise verfassungswidrig werden läßt 3 5 1 . Die Feststellung einer Präponderanz der subjektiven Komponente i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG ändert nichts am faktischen Zustand i m Rundfunkbereich. A u f dem Hintergrund der oben 3 5 2 festgestellten Tatsache, daß nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft zumindest tendenziell eine Öffnung der Rundfunkkommunikation für private Unternehmen geboten ist, ohne daß die Gefahr einer einseitigen Mein u n g s m o n o p o l i s i e r u n g besteht, verstärkt
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der vorrangige
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34» Rupert Scholz, JuS 1974, S. 303; grundsätzlich zustimmend auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 72 f. 350 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 128 f., 132. 351 Das soll nicht bedeuten, daß es derartige öffentlich-rechtliche Anstalten i n Z u k u n f t dann überhaupt nicht mehr geben dar. Eine solche Ansicht w i r d — soweit ich sehe — von niemandem vertreten. Es geht lediglich u m die Monopolisierung eines bestimmten Struktursystems. 352 Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn.. C. I V .
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wert des Individualrechts der Rundfunkfreiheit die des Gesetzgebers gegenüber diesem Individualrecht.
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Beachtungspflicht Allerdings kann
die notwendige Akzentuierung der „subjektivrechtlichen Seite" der Rundfunkfreiheit den Blick für deren „objektivrechtliche Seite", für das „ I n s t i t u t der Rundfunkfreiheit" nicht verstellen. M i t der soeben angesprochenen Gefahr einseitiger Meinungsnionopolisierung i m Rundfunkbereich, aber auch erst hier, muß diese objektivrechtliche Seite des Grundrechts m i t i n die Überlegungen eingebracht werden. Wenn das Verhältnis dieser „beiden Seiten" zueinander geklärt ist, kann endgültig darüber befunden werden, inwieweit eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers besteht, der subjektiven Rundfunkfreiheit von privaten einzelnen und privaten Gruppen i m Rahmen des Möglichen zur Verwirklichung zu verhelfen.
I V . Die Bedeutung der objektivrechtlichen Seite der Rundfunkfreiheit
Das BVerfG bringt gerade i m Hinblick auf A r t . 5 Abs. 1 GG die beiden Seiten der Grundrechte ausdrücklich i n ein Verhältnis des „Zugleich" 353 und der gegenseitigen Verstärkung 254, w o m i t das Gericht offensichtlich der vor allem von Scheuner 355 , Hesse 356 u n d Häberle 3 5 7 vertretenen Konstruktion folgt. Die Feststellung einer Parallelgeltung besagt freilich — auch wenn man sie m i t dem Gedanken der gegenseitigen Verstärkung koppelt — noch nicht viel. Entscheidend ist vor allem, ob sich die Balance zwischen der subjektivrechtlichen und der objektivrechtlichen Seite (für die sich vor allem auch P. Häberle stark engagiert) halten läßt. Ich habe bereits an anderer Stelle nachzuweisen versucht, daß dieser Balanceakt n u r gelingen kann, w e n n der eigentliche Akzent auf die subjektive Seite des Grundrechts gelegt w i r d 3 5 8 . Die Notwendigkeit dieser Akzentuierung gründet vor allem darin, daß nicht n u r die „private", sondern gerade auch die gesellschaftsrelevante Bedeutung eines Grundrechts i m Individualrecht angelegt ist. Das läßt sich i m Bereich der Meinungsfreiheit des A r t . 5 Abs. 1 GG besonders deutlich zeigen: ssa v g l . insbes. BVerfGE 20, 162/175; ebenso E12, 205/259 f. 354 vgl. insbes. BVerfGE 7, 198/205. 355 i n : Recht, Staat, Wirtschaft, Bd. I V (1953), S.93; ders., W D S t R L 22 (1965), insbes. S. 62 ff. — Speziell zur Pressefreiheit vgl. auch Dagtoglou, Wesen u n d Grenzen der Pressefreiheit, S. 12 ff. 35β Grundzüge, § 9 I I (S. 118 ff.). 357 Wesensgehaltgarantie, S. 70 ff.; vgl. etwa auch Jarass, Massenmedien, S. 130. 358 w. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), insbes. S. 101 ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 48 ff.
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Die vom B V e r f G 3 5 9 dem Grundrecht der Meinungsfreiheit zugeschriebene schlechthin konstituierende W i r k u n g ist begriffsnotwendig m i t der Meinungsäußerung verbunden. Ganz abgesehen einmal von der Wichtigkeit einer freien (politischen) Meinungsäußerung für die freiheitliche demokratische Staatsordnung überhaupt, ist Meinungsäußerung nur sinnvoll i n Verbindung m i t Meinungsempfang* 60 . Es liegt auf dieser Linie, wenn das L ü t h - U r t e i l 3 6 1 sich gegen eine Auffassung wendet, die n u r das Äußern einer Meinung, nicht aber die darin liegende oder damit bezweckte W i r k u n g auf andere schützen w i l l . I m Anschluß an Haentzschel betont das Gericht, daß es gerade der „Sinn einer Meinungsäußerung" sei, geistige W i r k u n g auf die U m w e l t ausgehen zu lassen, meinungsbildend und überzeugend auf die Gesamtheit zu wirken. So beziehe sich der Schutz des A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 „ i n erster L i n i e auf die i m Werturteil zum Ausdruck kommende eigene Stellungnahme des Redenden, durch die er auf andere w i r k e n w i l l " 3 6 2 . Es bedarf also keiner irgendwie gearteten institutionellen Auffassung vom Wesen der Meinungsfreiheit, u n d man braucht sie auch i n keinerlei neue rechtliche Dimensionen zu schieben, u m feststellen zu können, daß dieses Grundrecht mehr ist als „ein Stück sittlich notwendiger Lebensluft für den einzelnen, die Wahrheit sagen zu dürfen" 3 6 3 . Wenn man davon ausgeht, daß vernehmbare u n d vernommene Meinungen überhaupt wirksam sein können, dann ist die soziale, die konstituierende und „gruppenbildende Funktion" der Meinungsäußerung 3 6 3 i m Freiheitsgrundrecht bereits angelegt u n d gleichsam mitgeliefert 3 6 4 . Sow e i t also die Meinungsäußerungsfreiheit ein subjektives öffentliches Recht ist, hat es diesen Charakter — wie K.Hesse 3 6 5 m i t aller w ü n schenswerten Klarheit betont — „sowohl i m Sinne v o n Abwehrrechten als auch i n dem politischer Mitwirkungsrechte". Es sind jene beiden Komponenten, die „individualrechtliche" u n d die „demokratische", die aus der gleichen Wurzel, aus dem gleichen subjektiven Recht erwachsen 366 . 35» BVerfGE 7, 198/208. 360 Dazu etwa Ridder, i n : Die Grundrechte, Bd. I I (1954), S. 248. Vgl. auch H. Gröner, i n : Festschrift für Hayek, S. 230. 3βι BVerfGE 7, 198/210. 362 v g l . auch BVerwGE 7, 125/130 f.; Dürig, DÖV 1958, S. 197: „ . . . finales Grundrecht, das auf das Überzeugen anderer abzielt" ; Windsheimer, Die „ I n formation" als Interpretationsgrundlage für die subjektiven öffentlichen Rechte des A r t . 5 Abs. 1 GG, S. 97, S. 121; P. Schneider, Pressefreiheit und Staatssicherheit, S. 32 ff. 363 Smend, W D S t R L 4 (1928), S. 50. 364 Dazu vor allem Schnur, V V D S t R L 22 (1965), S. 110 f. 365 Grundzüge, §121, 5 a (S. 160), §911, 2 (S. 122f.); vgl. auch W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch und V e r w i r k u n g von Grundrechten, S. 113 f. m. w. N.
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Auch für Scheuner 367 gibt es Grundrechte, „die m i t der personalen Sphäre zugleich die freie Teilnahme des Bürgers am politischen Leben verbürgen", und er rechnet hierzu u. a. die „Freiheit der Rede". Aber auch bei ihr — so heißt es an einer anderen Stelle 3 6 8 — „treten institutionelle Züge u m so stärker in Erscheinung, wie sie aus der privaten Sphäre des Meinens i n die eines konstatierbaren allgemeinen Meinens i. S. beobachtender (demoskopischer) Feststellung oder der Formung einer offenen Auseinandersetzung um politisch-soziale Fragen, d. h. in den Bereich der ,öffentlichen Meinung' rückt". Es sei „diese Seite der Freiheit der Meinungsäußerung", die das BVerfG anspreche, wenn es sie für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend nenne. Das ist richtig beobachtet. Für das Gericht besteht die konstituierende Wirkung gerade i n der Bildung öffentlicher Meinung. Deutlich w i r d dies bereits i m ersten Parteifinanzierungsurteil 369 , noch deutlicher i m Schmid-Spiegel-Beschluß 370 und ebenso i n der letzten Entscheidung zum Problem der staatlichen Parteifinanzierung 371 : „Das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich . . . auch i n der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung, der Bildung der ,öffentlichen Meinung'." So erklärt sich dann auch, warum das Gericht die freie Bildung der öffentlichen Meinung als i n A r t . 5 GG mitgarantiert sieht 3 7 2 ; denn öffentliche Meinung ist ohne eine Meinungsäußerung, die (auch) als konstituierende Größe in politicis verstanden w i r d und dann schon durch ihre Existenz Schluß macht m i t der überspitzten Alternative „das Öffentliche ist der Staat, der Bürger ist p r i v a t " 3 7 3 , ebensowenig denkbar wie umgekehrt die konstituierende Wirkung der Meinungsäußerung ohne den Schutz der öffentlichen Meinung und ihrer freien Bildung 3 7 4 . Für diese Feststellung kommt es dabei weniger auf die In36β BVerfGE 27, 71/81. 367 W D S t R L 22 (1965), S. 3. 368 Scheuner, W D S t R L 22 (1965), S. 64 m. F N 184. 369 BVerfGE 8, 51/68. 370 BVerfGE 12, 113/125; dazu Arndt, i n : Die öffentliche Meinung, S. 16. 371 BVerfGE 20, 56/98. 372 BVerfGE 8, 104/112; E 20, 56/98. 373 Arndt, i n : Die öffentliche Meinung, S. 3. 374 Die Koinzidenz läßt sich vor allem BVerfGE 20, 56/97 f. entnehmen. — Garantiert w i r d i n A r t . 5 i m übrigen (nur) die „Freiheit der B i l d u n g " der öffentlichen Meinung (BVerfGE 8, 104/112; E 20, 56/98), nicht die „öffentliche Meinung" selbst. Das Gericht dürfte demnach die öffentliche Meinung selbst nicht als juristisch normativen Begriff werten; normativ sind n u r die i n A r t . 5 Abs. 1 genannten Freiheiten, deren Gebrauch zu einer öffentlichen Meinung führt. So gesehen unterstellt A r t . 5 die öffentliche Meinung als
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tensität und den Erfolg der Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung i m Einzelfall, j a nicht einmal auf die Bedeutung der Beiträge insgesamt an. Das eigentlich Wesentliche an der konstituierenden Bedeutung der Meinungsäußerung i n einem freiheitlich-demokratischen Staat liegt i n der Möglichkeit der M i t w i r k u n g überhaupt und i n der Möglichkeit der freien M i t w i r k u n g insbesondere. Insofern steht also die allgemeine Äußerungsfreiheit des A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf der gleichen Stufe m i t den Massenkommunikationsmitteln des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG, und insofern haben alle in A r t . 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechte die gleiche konstituierende Funktion. Die öffentliche Meinung ist also der Konzentrationspunkt, bei dem alle i n A r t . 5 Abs. 1 GG genannten und geschützten Freiheitsrechte (mit dem Ziel der Bildung öffentlicher Meinung) zusammenlaufen. Die tatsächliche Bedeutung der i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechte aber ist größer, wenngleich auch einerseits der Einfluß der Massenmedien auf die öffentliche Meinungsbildung oft überschätzt 375 und andererseits übersehen wird, daß Träger der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur die Individuen, sondern ebenso die (oft mächtigen) Interessenverbände sind. Aber auch die Interessenverbände bedürfen eben i n der Regel der Massenkommunikationsmittel, u m sich wirkungsvoll Gehör zu verschaffen, und so kommt es nicht von ungefähr, wenn die konstituierende Wirkung i n identifizierende Assoziation m i t den Rechten des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebracht wird. Wie sehr auch Scheuner 376 die öffentliche Meinungsbildung bei den „Instituten" des A r t . 5 Abs. 1 GG angesiedelt sieht, zeigt sich deutlich i n dem oben gebrachten Zitat, wonach die demokratische Komponente der allgemeinen Meinungsäußerung des A r t . 5 Abs. 1 GG „institutionelle Züge" haben soll. Damit verliert A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG aber seine Verbindung zu Satzl nicht. Was für die Presse gilt, gilt ebenso für das Massenkommunikationsmittel Rundfunk: Es ist im Prinzip nur eine besondere Spielart der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit 377. Der für die eine „soziale Größe", die i. S. des A r t . 5 „erwartungsgemäß f u n k t i o n i e r t " (Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 258 m. F N 3; vgl. auch Scheuner, W D S t R L 22, 1965, S. 20). 375 Vgl. dazu etwa Koschwitz, Begriff u n d F u n k t i o n der „öffentlichen Meinung" i m bürgerlichen u n d sozialistischen Gesellschaftssystem, i n : Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitschrift „Das Parlament"), Β 13/71, S. U f f . ; Jerschke, öffentlichkeitspflicht der Exekutive u n d I n f o r mationsrecht der Presse, S. 216 f. m. w. N. 87β W D S t R L 22 (1965), S. 3. 377 Schnur, W D S t R L 22 (1965), S. 101; W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g v o n Grundrechten, S. 118; Czajka, Pressefreiheit u n d „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 165 ff.; Friesenhahn, i n : Festgabe f ü r Kunze, S. 24f.
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Massenkommunikationsmittel notwendig erweiterte Schutz ist lediglich eine Folge der besonderen technischen M i t t e l und der erforderlichen Betriebsorganisation und nicht ein Zeichen rechtlicher Andersartigkeit. Dies aber muß zu der Erkenntnis führen, daß die objektivrechtliche Seite allein insoweit Sinn hat und gerechtfertigt ist, als das subjektive Recht den erforderlichen Umfang der Schutzgarantie nicht zu bieten vermag 378. Nur dann kann vermieden werden, daß die objektivrechtliche Seite sich unversehens i n isolierter Eigenständigkeit emanzipiert, zu einem „Institut" wird, das sich vom subjektiven Recht löst und, nunmehr völlig konsequent, als Träger einer öffentlichen Aufgabe (die an die Stelle der grundsätzlich beliebigen Individualität tritt) einen Bedeutungszuwachs erfährt, der die überindividuelle Seite insgesamt i n den Vordergrund rückt 3 7 9 . I n diesem Sinne hat die institutionelle Komponente der Rundfunkfreiheit (lediglich) eine „komplementäre Sicherungsaufgabe" 380 und m i t Recht warnt Werner Weber 3 8 1 davor, die „institutionelle Rundfunkfreiheit" absolut zu setzen und sie als Selbstzweck zu behandeln: „sie steht vielmehr nur i m Dienst der bestmöglichen Entfaltung der . . . individuellen Freiheiten. Hinter diesen haben die institutionellen Vorkehrungen m i t ihrem die Freiheiten notwendig beschränkenden Effekt zurückzutreten, wenn jener Dienst durch den Wandel der Verhältnisse entbehrlich geworden ist und sich von der Sicherung der individuellen Freiheit mehr i n deren Drosselung verkehrt hat 3 8 2 ." E. Die kabelgebundenen Informationsverteildienste — eine neue Epoche in der Rundfunkgesetzgebung I . Die privatwirtschaftliche Rundfunkstruktur als „natürliche" Organisationsform der Rundfunkfreiheit
I n der Fernsehentscheidung w i r d ein Casus zum Exemplum für eine rechtliche Lage, i n der das subjektive Grundrecht auf Rundfunk378 vgl. etwa Schnur, W D S t R L 22 (1965), S. 116 ff. m. w . N., u n d Hall / Peter, JuS 1967, S. 360. 379 Vgl. dazu i m einzelnen W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), insbes. S. 118 ff. 380 Rupert Scholz, JuS 1974, S. 303 f.; ders., Pressefreiheit u n d Arbeitsverfassung, S. 87 ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 48 ff. sei I n : Festschrift f ü r Forsthoff, S.471. 382 Die komplementäre Sicherungsfunktion der institutionellen K o m p o nente u n d i h r Verhältnis zur subjektiven Seite des Grundrechts der R u n d funkfreiheit w i r d z.B. schon i m Ansatz verkannt v o n Schmitz (DÖV 1969, S. 701) : „ D i e Gewährleistung der institutionellen Rundfunkfreiheit hat als höherrangiges Rechtsgut grundsätzlich den Vorrang vor dem subjektiven Freiheitsrecht auf eine privatwirtschaftliche Betätigung i m Bereich des Rundfunks."
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freiheit den Schutz für diese Freiheit i m erforderlichen Umfang nicht zu garantieren vermag m i t der Folge, daß die objektivrechtliche Seite des Grundrechts ihre komplementäre Sicherungsfunktion zu erfüllen hat. Es ist die „institutionelle Freiheit" des Rundfunks, i n der das BVerfG für diesen Fall jene verfassungsrechtlich gebotene Vielfalt von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Veranstaltungen anlegt, die es grundsätzlich bzw. für den „Normalfall" durch die Vielzahl der Kommunikationsträger garantiert sieht 3 8 3 . Das ergibt sich vor allem aus dem Passus, i n dem das Gericht Rundfunk und Presse miteinander vergleicht und den Unterschied zwischen beiden Kommunikationsmitteln hervorhebt, der dann letztlich die „Sondersituation i m Bereich des Rundfunkwesens" deutlich werden läßt 3 8 1 . Aus dem (positiven) Grundsatz „Vielfalt durch Vielzahl" muß sich konsequenterweise (negativ) die Folge ergeben, daß „dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert" werden darf 3 8 5 . Das Gebot der Meinungsvielfalt bzw. das Verbot der Meinungsmonopolisierung, auch in der übrigen Rechtsprechung und i n der Literatur i m wesentlichen unbestritten, ist aber gerade und eben nicht das eigentliche Produkt einer institutionell gedachten Freiheit. Das oligopolistische „geschlossene" Modell der gesellschaftlich relevanten Gruppen ist nicht mehr und nicht weniger als ein Ersatzmodell der Freiheit, geboren aus einer für grundrechtliche Lebensbereiche ungewöhnlichen Sondersituation. Die oben festgestellte Präponderanz des individuellen Rechts auf Rundfunkgründungsfreiheit w i r d ergänzt durch die Erkenntnis, daß dem Gedanken der Vielfalt durch Vielzahl das liberale ökonomische Prinzip des „offenen Marktes" zugrundeliegt, das gerade die Initiative des einzelnen zur Bedingung hat, die Meinung des einzelnen als mitgestaltenden Faktor einer öffentlichen Meinung begreift, die sich auf einem freien M a r k t bildet 3 8 6 . Seine Wurzel hat dieses Prinzip in der 383 v g l . i n diesem Zusammenhang auch Stammler, Kabelrundfunk, S. 18. 384 BVerfGE 12, 205/261. 385 BVerfGE 12, 205/262; vgl. auch Lieb, Kabelfernsehen, S.207: „ I n U m kehrung des Verfassungsgebots der Meinungspluralität i m Rundfunk verbietet somit A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG Jede vermeidbare Monopolisierung 4 (Lerche) dieses Mediums durch den Staat oder einige wenige gesellschaftliche Gruppen." Ebenso BVerfGE 31, 314/338 (abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck u n d Wand): „Jede vermeidbare Monopolisierung dieser Aufgabe ist deshalb m i t A r t . 5 GG unvereinbar . . . " 386 Dazu etwa H. Gröner, i n : Festschrift f ü r Hayek, S. 231 ff. — I m Hinblick auf die öffentliche Meinung hat Löf fier, i n : Die öffentliche Meinung, S. 20 f., i m Zusammenhang m i t dem Fernsehurteil (wieder) festgestellt, daß es sich bei dem Glauben an die segensreiche W i r k u n g der Publizität „ u m einen nicht beweisbaren Glaubenssatz der Demokratie (handelt), daß sich i m freien Geisteskampf der Meinungen am Ende das Richtige u n d Vernünftige durch-
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Freiheit des Individuums und damit in der subjektivrechtlichen Komponente des Grundrechts. Vielfalt durch Vielzahl i m Bereich des Rundfunkwesens ergibt sich unter normalen Bedingungen gleichsam automatisch m i t der subjektivrechtlichen Gewährleistung für den Bürger und für Bürgergruppen, Rundfunkunternehmen frei gründen und betreiben zu können. Dem Grundsatz nach w i r d nicht bestritten, daß die Gründungsfreiheit für Rundfunkunternehmen bzw. die privatrechtliche Organisation i m Rundfunkbereich zu der „natürlichen" Organisationsform führt, die Vielfalt durch Vielzahl bringen kann und zu der erforderlichen „publizistischen Gewaltenteilung" beiträgt. So hält es ζ. B. L i e b 3 8 7 für verfassungsrechtlich geboten, „daß eine möglichst hohe Zahl der unterschiedlichen Gruppen i m Rundfunkwesen als Veranstalter oder i m Programm miteinander konkurrieren. Denn nur i n der Artikulation und Präsentation des breiten Spektrums der unterschiedlichen Interessenstandpunkte und Meinungen w i r d der Rundfunk seiner demokratiekonstituierenden ,öffentlichen Aufgabe' t der öffentlichen Meinungsbildung gerecht." Beispielhaft sind hier auch die Ausführungen von Jarass 388 , der, orientiert am Grundsatz der „offenen Kommunikationsverfassung", eine Voraussetzung „hocheffizienter Aktualvermittlung" darin sieht, daß der „Vermittlungsprozeß von keinem mächtigen Ausgangspartner abhängig ist. Alle Ausgangspartner sollen (potentiellen) Zugang zur Aktualvermittlung haben. Das heißt in einer sich ständig verändernden Gesellschaft, daß nicht nur der Kreis der Ausgangspartner, sondern auch der Kreis der sie repräsentierenden Gruppen niemals geschlossen werden kann und darf. Neu entstehende oder bislang übersehene Gruppen müssen eine Möglichkeit des Zugangs haben". Dieses Erfordernis sieht Jarass durch „eine privatwirtschaftliche Struktur relativ gut gewährleistet", während sich nach seiner Meinung bei einer anstaltlich-pluralistischen Struktur „größere Schwierigkeiten" ergeben, weil dabei nicht immer ein „Kanon der zu beteiligenden Gruppen nötig" ist 3 8 9 . Besonders dezidiert ist hier schließlich die Auffassung von J. H. Kaiser 3 9 0 : „Private Struktur macht frei." Dieser Satz, in Analogie zu „Stadtluft macht frei" geprägt, soll ausdrücken, setzen werde. Ohne diese Überzeugung erschiene das demokratische G r u n d prinzip: die Entscheidung über das Schicksal des Staatsganzen der jeweiligen Mehrheit anzuvertrauen, als geradezu halsbrecherische K ü h n h e i t — 387 Kabelfernsehen, S. 207. 388 Massenmedien, S. 247 ff. m. w . N.; vgl. auch Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 310. 38 Jarass, Massenmedien, S. 248. Daß allerdings sowohl Jarass als auch Lieb trotz gleicher Grundkonzeption zu einem anderen Ergebnis als dem hier vertretenen kommen, muß erwähnt werden. s»» Presseplanung, S. 31.
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„welche Bedeutung der privaten Medienstruktur i n einer Gesellschafts- und Rechtsordnung zukommt, die immer mehr sub tutela juris publici gerät". Das soll nicht heißen, daß die privatwirtschaftliche Struktur i m Bereich des Rundfunkwesens eine „Idealstruktur" in dem Sinne wäre, daß sie von Verfassungs wegen unbedingt und i n jedem Falle geboten ist. Eine exemplarische Ausnahme ist gerade die Fernsehentscheidung des BVerfG. Und nach dem damaligen Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft mußte das BVerfG auch davon ausgehen, daß die privatwirtschaftliche Struktur des offenen Marktes i m Bereich des Rundfunks die gebotene Vielfalt der Meinungen nicht zu erbringen vermag, also zu einer Meinungsmonopolisierung m i t all den damit verbundenen Gefahren für die Rundfunkfreiheit führen kann. Aber eine solche Situation ist eben eine Ausnahmesituation. So sehr das Grundrecht i n erster Linie ein Individualrecht ist und speziell die Rundfunkfreiheit auch und gerade eine individuelle Rundfunkgründungsfreiheit gewährleistet, so sehr muß die Struktur der Rundfunkorganisation ihrem eigentlichen Wesen nach eine privatrechtliche Struktur sein. Beschränkungen dieser „natürlichen" Struktur aus der institutionellen Freiheitsperspektive, aus dem Gesichtspunkt der komplementären Sicherungsfunktion der institutionellen Komponente, der objektivrechtlichen Seite des Grundrechts als dem Instrument der Allgemeinheit, sind damit zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Aber die Existenz von Allgemeininteressen verringert nicht den Wert des Individualrechts. Einschränkungen müssen stest als Ausnahme gesehen und dementsprechend restriktiv behandelt werden. I I . Gesetzgeberisches Ermessen und verfassungsrechtliches Maß
Die Zulassung privater Rundfunkunternehmen ist „ohne interpositio legislatoris nicht realisierbar" 3 9 1 . Das soll hier als richtig unterstellt werden, zumal es für Pilotprojekte, die ohne gesetzliche Regelung nicht denkbar sind, unbestreitbar ist. Und auf diese Pilotprojekte, resp. das Münchner Pilotprojekt, kommt es an. A n einer solchen gesetzlichen Zulassung privater Rundfunkunternehmer fehlt es. Auch beim Münchner Pilotprojekt ist offenbar im gegenwärtigen Uberlegungsstadium nicht vorgesehen, private Programmträger m i t eigener Inhaltsverantwortung zu akzeptieren 392 . Die 391
Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher S. 95 m. w. N.; OVG Münster v. 24. 9. 76, DÖV 1978, S. 522 u. a. a»2 Einleitung, C.
Rundfunk,
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derzeit gültige einfach-gesetzliche Lage i m Bereich des Rundfunks ist dadurch gekennzeichnet, daß das subjektive Grundrecht auf Rundfunkgründungsfreiheit für den Bürger und für Bürgergruppen leerläuft. Der Gesetzgeber hat die Verfassung zu beachten. Auf jeden Fall bedarf eine Regelung, die grundrechtseinschränkend w i r k t , einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung. A r t . 5 Abs. 2 GG gibt eine solche Ermächtigung für die Einschränkung der Freiheitsgewährleistung i n Art. 5 Abs. 1 GG und damit auch der privaten Rundfunkgründungsfreiheit. Beschränkende Gesetze sind aber nur in diesem Rahmen möglich 3 9 3 . Bei einer Grundrechtseinschränkung ist vor allem zu beachten, daß ein Gesetzesvorbehalt, zumal wenn er — wie i n A r t . 5 Abs. 2 GG — qualifizierenden Charakter hat, „keine Blankovollmacht zu beliebiger Einschränkung" gibt 3 9 4 . I n ständiger Rechtsprechung hat das BVerfG betont, daß die Ermächtigung zur Grundrechtsbegrenzung i n keinem Fall von der Gewährleistung des Grundrechts gelöst werden darf, sondern stets „ i m Lichte der Bedeutung des Grundrechts" gesehen werden muß 3 9 5 . Die Berücksichtigung des Grundrechts i m Rahmen des Möglichen ist stets geboten 396 . Gerade beim Grundrecht der Meinungsfreiheit hat das Gericht besonders strenge Maßstäbe angelegt und immer wieder die grundlegende Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für den freiheitlich-demokratischen Staat und den besonderen Wertgehalt dieses Rechts hervorgehoben 397 . Speziell zum Grunrecht auf Rundfunkfreiheit führt das BVerfG 3 9 8 aus: „ . . . nach A r t . 5 Abs. 2 GG unterliegt die Veranstaltung von Rundfunksendungen den Einschränkungen, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die damit gebotene Rücksicht auf andere Rechtsgüter jedoch die Rundfunkfreiheit nicht relativieren; vielmehr sind die die Rundfunkfreiheit beschränkenden Gesetze ihrerseits i m Blick auf die Verfassungsgarantie auszulegen und gegebenenfalls selbst wieder einzuschränken, um der Rundfunkfreiheit angemessene Verwirklichung zu sichern . . . " So sehr zur „Rundfunkfreiheit" auch und vor allem die subjektive Freiheit zur 393 vgl. etwa Merten, E v S t L K (1975), Sp. 1537 f.; Rudolf, Zulässigkeit, S. 22 f., 24 ff.; Demme, Kabel-Fernsehen, S. 36; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, z. B. S. 338; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 74 ff. — Z u A r t . 5 Abs. 2 G G allgemein W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 276 ff. m. w. N. 394 κ . Hesse, Grundzüge, § 10 I I 2 (S. 135). 395 BVerfGE 7, 198/208 f.; E 12, 113/124 f.; E 13, 318/325; E 17, 108/117; E 20, 162/176 f. u. a. see BVerfGE 15, 288/295. 397 BVerfGE 7, 198/208 f. u.std. 398 BVerfGE 35, 202/223 f.
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Gründung von Rundfunkunternehmungen für Bürger und Bürgergruppen gehört, so sehr ist auch die „angemessene Verwirklichung" dieses Individualrechts „zu sichern". Unter diesen Umständen ist es verfassungsrechtlich unhaltbar, bei der heute gegebenen faktischen Situation i m Rundfunkwesen die Frage der Zulassung privater Rundfunkunternehmen schlicht i n das freie Ermessen des Gesetzgebers zu stellen. So aber verfährt das BVerwG 3 9 9 . Der Gesetzgeber, so meint es, sei zwar berechtigt, Privaten Fernsehsendungen zu gestatten, er sei dazu aber nicht verpflichtet, u. a. und insbesondere wegen der auch für den Gesetzgeber bestehenden Schwierigkeiten, einen praktikablen und verfassungsrechtlich unbedenklichen Weg für die Finanzierung zu finden. Es gehöre zwar zu den Aufgaben des Staates, den Bürgern den Empfang von Rundfunk- und Fernsehsendungen zu ermöglichen. Das sei eine A r t der modernen Daseinsvorsorge. Es stehe aber „ i m gesetzgeberischen Ermessen, i n welcher Form der Staat diese Aufgaben löst" 4 0 0 . Die Stichhaltigkeit des finanziellen Arguments wurde oben schon verneint. Hier ist dazu noch anzumerken, daß „Schwierigkeiten" allein wohl kaum ausreichen dürften, eine gesetzliche Regelung zu verweigern. I n diesem Zusammenhang ist wichtig, daß das BVerwG zwei Aspekte vermengt, die gerade i m Hinblick auf A r t und Umfang des gesetzgeberischen Ermessens streng voneinander geschieden werden müssen. Es ist die Pflicht des Staates zur Daseinsvorsorge einerseits und das Recht einzelner auf Rundfunkgründungsfreiheit andererseits. Was die staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge betrifft, w i r d es i n der Tat regelmäßig dem gesetzgeberischen Ermessen überlassen bleiben müssen, „ i n welcher Form der Staat diese Aufgaben löst". Prinzipiell gerade das Gegenteil aber gilt, wenn Individualrechte i n Frage stehen. I h r Wesen ist akkurat darin zu sehen, daß sie die von ihnen abgedeckten Lebensbereiche vor staatlichem Dirigismus schützen und es grundsätzlich dem einzelnen überlassen, ob und wie er sich betätigt, i n welcher Weise er seine Persönlichkeit entfaltet. Es ist also gerade die „Form" der „Aufgaben"-Lösung, die das Grundrecht prinzipiell in das Belieben des einzelnen stellt und dementsprechend prinzipiell dem freien Ermessen des Gesetzgebers entzieht. Auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG überläßt den Lebensbereich „Rundfunk" grundsätzlich den Bürgern und stellt dementsprechend die „Form" der Rundfunkkommuni39» BVerwGE 39, 147 f.; ebenso OVG Hamburg v. 8.1.68, DÖV 1968, S. 179 u n d BayVerfGH, V G H n.F. 30, 97. 400 Z u dieser Passage des Urteils ablehnend auch Jank, DVB1. 1972, S. 929; v.Pestalozza, A f P 1972, S.271; Rudolf, N J W 1972, S. 1293. Kritisch auch Rupert Scholz, JuS 1974, S. 305 ff.
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kation i n deren Belieben. I n diesem Sinne wurde oben die privatwirtschaftliche Struktur des Rundfunkwesens als die „natürliche" Organisationsform bezeichnet, weil nur in diesem Rahmen das subjektive Recht einzelner auf Freiheit der Rundfunkunternehmensgründung voll zur Entfaltung gebracht werden kann. W i l l der Gesetzgeber in diesem Bereich regelnd tätig werden, so steht es nicht i n seinem freien Ermessen, ob er dem subjektiven Recht auf Freiheit der Gründung von Rundfunkunternehmen Rechnung trägt oder nicht, ob er Private zuläßt oder nicht. Vielmehr hat er bei seinem Organisationsgesetz 401 die oben entwickelten Beschränkungskautelen zu beachten und i n erster Linie die Absicherung des Individualrechts auf Rundfunkgründungsfreiheit anzustreben. Unter der Perspektive einer Verwirklichung ponente des Grundrechts auf Rundfunkfreiheit Satz 2 GG bedeutet die verfassungsrechtliche seitigen Beziehungen zwischen Grundrecht und sationsgesetz auch, daß das derzeit bestehende Rundfunkoligopol sich einer Überprüfung Erforderlichkeit
(Notwendigkeit)
und
der subjektiven Komi. S. des A r t . 5 Abs. 1 Beachtung der gegen(allgemeinem) Organiorganisationsrechtliche
anhand
der Grundsätze
Verhältnismäßigkeit
zu
der stellen
hat 402. Diese in erster Linie das Polizeirecht beherrschenden, aber auch i m übrigen Verwaltungsrecht anerkannten Grundsätze, gelten ebenso i m Verfassungsrecht 403 und insbesondere für das Problem der Einschränkbarkeit grundrechtlich gewährleisteter Freiheiten. Das heißt konkret: „Insoweit staatliche Aufsicht oder gar nur staatlicher Genehmigungsvorbehalt zum Schutz der Interessen ausreichen, ist staatlicher Betriebsvorbehalt unzulässig" 404 , und zwar von Verfassungs wegen. 401 Lerche sieht allerdings i n den Organisationsgesetzen eine selbständige Rechtsschicht, die den Grundrechten unabhängig v o n ihren Schrankenvorbehalten zu eigen sei. Solche Gesetze gehörten danach nicht zu den grundrechtseingreifenden, sondern zu den grundrechtsfördernden Normen (Lerche, Verfassungsrechtliche Zentralfragen des Arbeitskampfes, 1968, S. 37 ff.; ders., Rundfunkmonopol, S. 77 ff., S. 101 f.). Rupert Scholz (Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 349 ff.) hat m. E. überzeugend dargelegt, daß dieser Auffassung jedenfalls insofern nicht gefolgt werden kann, als damit das Organisationsgesetz aus der allgemeinen Schrankensystematik herausfiele u n d zu einem Instrument uferloser Beschränkungen verfassungsgesicherter Freiheiten würde (vgl. auch Rupert Scholz, JuS 1974, S. 306; Werner Weber, Der Staat 1972, S. 90 f. sowie H. H. Klein, Die R u n d f u n k freiheit, S. 74 f.). 402 v g l . etwa auch Grund, DVB1. 1969, S.485; v. Pestalozza, A f P 1972, S. 270 f.; Schickedanz, B a y V B l . 1973, S. 147 f.; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 339 f.; Rupert Scholz, JuS 1974, S. 306; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 74 ff. 403 Dazu W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von G r u n d rechten, S. 179 f. m. w. N. 404 Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 340 f.
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Ι Π . Die Prüfungspflicht des Gesetzgebers
L i e b 4 0 5 meint, die „Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob sich der vom Grundgesetz gebotene Zustand der Meinungsvielfalt durch eine Vielzahl von eigenständigen Trägern unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Tendenz bei Einführung des Kabelfernsehens gleichsam als Produkt des Wettbewerbs herausbilden würde", sei „so groß und die Ordnung des Rundfunkwesens von so grundlegender Bedeutung für den demokratischen Staat, daß vorbeugende gesetzgeberische Maßnahmen gegen die Entstehung faktischer Meinungsmonopole nicht nur eine Ermächtigung, sondern geradezu eine ,Dienstleistungspflicht' des nach der grundgesetzlichen Kompetenzzuweisung zuständigen Landesgesetzgebers darstellen". Es kann nicht bestritten werden, daß eine „Unsicherheit" i n diesem Sinne besteht. Aber die Folgerung, die aus dieser Unsicherheit von Lieb gezogen wird, ist falsch. Sie wäre nur vertretbar, wenn ein subjektives Grundrecht auf freie Gründung von Rundfunkunternehmen nicht bestünde, die Grundrechte nicht auch Anspruchsrechte wären, und die Möglichkeit der Herstellung verfassungsrechtlich gebotener Meinungsvielfalt i m Rundfunkbereich durch eine Vielzahl privater Rundfunkunternehmer praktisch verneint werden müßte. Beides ist nicht der Fall. Die Grundrechte sind auch Anspruchsrechte 406 , ihre Anerkennung und ihre Verwirklichung steht nicht i m Belieben des Staates bzw. des Gesetzgebers. Der Rechtfertigungszwang für den Gesetzgeber w i r d u m so größer, je weiter er i n der Beschränkung geht. Der „Wesensgehalt" eines Grundrechts schließlich darf „ i n keinem Fall" angetastet werden (Art. 19 Abs. 2 GG). Es muß hier nicht entschieden werden, ob dieser Wesensgehaltsschutz sich auf die subjektivrechtliche oder objektivrechtliche Seite des Grundrechts bezieht oder auf beide. K.Hesse 4 0 7 , der die Frage „schon wegen der engen Wechselbezogenheit beider nicht i m Sinne eines Entweder-oder, aber auch nicht (!) i n dem eines Sowohl-als-auch beantworten" w i l l , läßt keinen Zweifel daran, daß — von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen — i n „aller Regel . . . auch eine Grundrechtsbegrenzung, die eine grundrechtlich gewährleistete Freiheit für den einzelnen fast oder gänzlich beseitigt, unverhältnismäßig und darum m i t A r t . 19 Abs. 2 unvereinbar sein" wird. Ob i m Bereich des grundrechtlichen Wesensgehalts m i t dem Grundsatz der 405 Kabelfernsehen, S. 210 f. 4oe Allgemein dazu H. H. Rupp, J Z 1971, S. 401 f. m. w . N. Vgl. etwa auch Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 55. 407 Grundzüge, § 1 0 I V 1 c (S. 142).
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Verhältnismäßigkeit gearbeitet werden kann, mag hier dahinstehen 408 . Entscheidend ist die Erkenntnis, daß die (nahezu) gänzliche Beseitigung einer grundrechtlichen Gewährleistung für den einzelnen in aller Regel verfassungsrechtlich unzulässig ist und nur unter ganz besonderen Umständen ausnahmsweise hingenommen werden kann. Dieses Ergebnis w i r d für die konkrete Problematik noch dadurch unterstrichen, daß durch die einfachgesetzliche Lage i m geltenden Rundfunkrecht und durch die Norm des Art. I l i a Abs. 2 B V nicht nur die i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Rundfunkgründung für den einzelnen wegen des staatlichen Betriebsvorbehalts ausgeschaltet ist, sondern darüber hinaus durch die Monopolisierung der Rundfunkveranstaltungen bei wenigen öffentlich-rechtlichen A n stalten die Informationspalette für die Rundfunkrezipienten erheblich verengt (vgl. Art. 5 Abs. 1, 2. Alternative GG) 4 0 9 und die Tätigkeitsmöglichkeiten der Rundfunkjournalisten durch die geringe Auswahl auch i m Gehalt ihrer Meinungsäußerungen beschränkt sind 4 1 0 . Wenn eine derartige absolute Zulassungsbeschränkung für private Rundfunkunternehmen, verbunden m i t den angeführten weiteren freiheitseinengenden Folgen verfassungsrechtlich (in einer „Sondersituation") überhaupt hingenommen werden kann, wovon hier i m Hinblick auf die Fernsehentscheidung und die Mehrwertsteuerentscheidung des BVerfG ausgegangen werden soll 4 1 1 , so dürfte auch unbestritten sein, m. E. ist A r t . 19 Abs. 2 G G nicht relativierbar. Dazu W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von Grundrechten, S. 211 ff., insbes. S. 215, F N 184. Auch das BVerfG hat sich wiederholt gegen eine Relativierung des Wesensgehalts der Grundrechte gewandt (vgl. etwa BVerfGE 7, 377/411). Entfällt dementsprechend das Regulativ der Verhältnismäßigkeit, so könnten Ausnahmefälle damit gerechtfertigt werden, daß zum Wesensgehalt auch die objektivrechtliche Seite (gerade wegen der Wechselbezogenheit) gehört u n d insofern also v o n der Rundfunkfreiheit noch etwas übrigbleibt (vgl. etwa BVerfGE 2, 266/285). 409 Z u m Informationsdefizit durch die Selektivfunktion des Rundfunks allgemein Heiko Faber, Innere Geistesfreiheit u n d suggestive Beeinflussung (1968), passim. Z u r Beziehung zwischen R u n d f u n k - u n d Informationsfreiheit H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 34 f., der zutreffend betont: „ U n t e r grundrechtlichem Aspekt . . . ist v o n vorrangiger Bedeutung, daß Äußerung u n d Verbreitung einer Meinung oder Information einerseits u n d deren Empfang andererseits Kehrseiten ein u n d derselben Medaille sind." Vgl. auch W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 63 ff. sowie K u l i , Kabelfernsehen und Rundfunkfreiheit, i n : rot angestrichen, Nr. 28, M a i 1976, S. 5. 410 Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S.318: „Das Vorhandensein . . . mehrerer Fernseh- u n d Hörfunkunternehmen liegt auch . . . i. S. der Einzelkommunikatoren, denen sich beim Vorhandensein mehrerer Rundfunkunternehmen größere Chancen des Arbeitsplatzwechsels bieten." Vgl. auch ders., S. 194 sowie v.Pestalozza, ZRP 1979, S.31. 411 Obwohl die Rechtsprechung des BVerfG beim Leerlauf von G r u n d rechten zunehmend sensibler u n d zugleich unduldsamer w i r d : vgl. etwa BVerfGE 33, 303/332 ff. 11 Schmitt Glaeser
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daß ein solcher Leerlauf subjektiver Rechte nur i n ganz besonderen Fällen akzeptiert werden und allein durch gewichtige Gründe verfassungsrechtlicher Qualität gerechtfertigt sein kann 4 1 2 . Diese Erkenntnis darf nicht zu einem bloßen Lippenbekenntnis degenerieren. Es muß i n aller Deutlichkeit gesehen werden, daß m i t dem subjektiven Recht auf Rundfunkgründungsfreiheit die wesentliche Funktion des Grundrechts ausgeschaltet wird. Eine solche einschneidende, die Substanz des Grundrechts treffende Beschränkung kann nur hingenommen werden, wenn anders, d. h. bei Zulassung privater Rundfunkunternehmer, die Rundfunkfreiheit insgesamt zunichte gemacht würde. M i t anderen Worten: Es genügt nicht, wie Lieb meint, daß die Unsicherheit über die Möglichkeit der Herstellung verfassungsrechtlich gebotener Meinungsvielfalt i m Rundfunkbereich durch eine Vielzahl privater Rundfunkunternehmen „groß" ist, u m damit bereits „vorbeugende" Gesetze zu rechtfertigen, die das Individualrecht liquidieren. Vielmehr muß eindeutig feststehen, daß das Gesetz der Liberalität „Vielfalt durch Vielzahl" nicht funktionieren kann, sei es, weil sich die Vielfalt — aus welchen Gründen auch immer — trotz Vielzahl nicht einstellt oder es bereits an der Vielzahl der Rundfunkunternehmen fehlt, so daß die konkrete Gefahr der Monopolisierung und einseitigen Steuerung der Rundfunkdarbietungen tatsächlich besteht. Und akkurat diese Behauptung kann heute ernsthaft nicht mehr aufgestellt oder gar bewiesen werden. Aus diesen Überlegungen läßt sich nun freilich nicht ohne weiteres i m Wege eines direkten „Durchgriffs" auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG selbst ein unmittelbarer Zulassungsanspruch Privater auf Gründung und Betrieb von Rundfunkunternehmen herleiten. Denn ein solcher Anspruch ließe — wie Rupert Scholz 413 zutreffend betont — „umgekehrt den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum zur Entwicklung eines geeigneten Organisationsmodells außer acht". Diese Überlegungen führen aber dazu, daß jene von Lieb angenommene „Dienstleistungspflicht" für die „institutionelle Freiheit" des Rundfunks zu einer „Dienstleistungspflicht" des Gesetzgebers für das Individualrecht wird. Diese Dienstleistungspflicht besteht i n einer Prüfungspflicht. Nachdem festgestellt werden konnte, daß der Stand der Technik und der w i r t schaftlichen Vernunft zumindest tendenziell eine Öffnung der Rundfunkkommunikation für private Unternehmer i m Bereich realistischer Möglichkeiten liegt, muß der Gesetzgeber prüfen, ob und inwieweit 412 Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 338, verlangt „starke Rechtfertigungsgründe". Rudolf, Zulässigkeit, S. 22, spricht v o n der „Sicherung eines überragenden Gemeinschaftsgutes", «s JuS 1974, S. 307 m. w. N.
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die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Wann und wie dies zu erfolgen hat, w i r d noch darzustellen sein. Der m i t dem Münchner Pilotprojekt geplante Modellversuch könnte ein geeigneter Weg sein. Darauf werden w i r i m Dritten Teil einzugehen haben. Die Überlegungen zur Vereinbarkeit des A r t . I l i a Abs. 2 B V m i t Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG konzentrieren sich also auf die Frage, ob der Gesetzgeber einer Prüfungspflicht gerecht wird, die ihren Rechtsgrund i n einer Dienstleistungspflicht für das Individualrecht hat und die ihm auch die Richtlinien für die A r t und Weise der Erfüllung vorgibt. Bevor darauf eingegangen werden kann, muß jedoch die Vereinbarkeit des A r t . I l i a Abs. 2 B V m i t Art. 12 Abs. 1 GG geprüft werden. Auch bei A r t . 12 Abs. 1 GG handelt es sich von seiner Anlage her u m eine Grundrechtsbestimmung, die für den privaten Rundfunkunternehmer und damit für das privatwirtschaftliche Wettbewerbsmodell i m Rundfunkwesen spricht. I m Mittelpunkt der folgenden Überlegungen muß die Frage stehen, ob A r t . 12 Abs. 1 GG das m i t A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG gefundene Ergebnis stützen kann oder vielleicht auch noch darüber hinausführt.
3. Abschnitt
Die Vereinbarkeit des Art. I l l a BV mit Art. 12 Abs. 1 GG Die Prüfung der Vereinbarkeit hat sich allein auf A r t . l i l a Abs. 2 B V zu beziehen, wobei auch hier wiederum Satz 1 i m Vordergrund der Überlegungen steht. Ging es bei der Uberprüfimg der bayerischen Verfassungsnorm an A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG u m das Problem, ob und inwieweit auch der (private) Bürger und Bürgergruppen von ihrem Individualrecht auf freie Rundfunkkommunikation i m Wege der Gründung und des Betriebs von Rundfunkunternehmen Gebrauch machen können, so geht es nunmehr darum, ob der durch A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V bewirkte Ausschluß Privater als Unternehmer i m Bereich des Rundfunks 4 1 4 m i t der i n A r t . 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung i n Einklang gebracht werden kann oder gem. A r t . 31 GG verfassungswidrig und nichtig ist. Also auch hier steht — wie bei Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG — die Frage an, wer Rundfunkunternehmer sein kann, dies aber nicht aus der spezifischen Perspektive einer Absicherung des (individuellen) Grund414 so BayVerfGH, 11*
V G H n.F. 30, 89.
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I . 3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t . I l
rechts auf Rundfunkfreiheit, punkt
grundrechtlicher
a B V mit dem
GG
sondern aus dem allgemeinen Gesichts-
Gewährleistung
der
Berufsfreiheit,
die
jede
erlaubte und sinnvolle wirtschaftliche Betätigung umfaßt 4 1 5 und sich daher grundsätzlich auch auf die Gründung und den Betrieb eines Rundfunkunternehmens bezieht. A. Rundfunkunternehmer als Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG Es wurde oben 4 1 6 nachgewiesen, daß ein privates Rundfunkunternehmen nicht schon per se und a priori als Grundrechtsträger des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausscheidet. Das Gleiche gilt für A r t . 12 Abs. 1 GG. Weder handelt es sich bei der Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen u m eine originär-staatliche i m Sinne einer „wesentlichen Staatsaufgabe" noch macht die Etikettierung der Rundfunktätigkeit als „öffentliche Aufgabe" sie zu einer „staatlichen Aufgabe" 4 1 7 . Auch die Tatsache, daß seit Bestehen des Grundgesetzes das Grundrecht der Berufsfreiheit für den Beruf des Rundfunkunternehmers noch nicht aktuell geworden ist und heute ebenso wie für die absehbare Zukunft nicht jedermann diesen Beruf w i r d ergreifen und ausüben können 4 1 8 , ist kein Argument gegen die Existenz eines solchen Rechtes per se. Eine grundsätzliche Beschränkung ergibt sich nur insofern, als der Verfassungstext expressis verbis die Berufsfreiheit allein Deutschen gewährt (sog. Deutschenrecht). Unbestritten ist auch, daß die Tätigkeit des Rundfunkunternehmers eine erlaubte Tätigkeit darstellt 4 1 9 . Es sind weder bundes- noch landesrechtliche Vorschriften ersichtlich, die eine solche berufliche Betätigung untersagen würden. Auch Art. I l i a Abs. 2 S a t z l BV ist keine Verbotsnorm i n diesem Sinne. Er schließt zwar für den bayerischen Rechtsbereich Private als Rundfunkbetreiber (nicht als verantwortliche Programmgestalter 420 ) aus, weil er Rundfunkbetrieb nur i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zuläßt. Damit aber w i r d die Betätigung als (privater) Rundfunkveranstalter nicht zu einer verbotenen beruflichen Tätigkeit. Eine andere Frage ist es, ob durch diese „Monopolisierung" der Rundfunkunternehmen bei öffentlich-rechtlichen Trägern, 415 v g l . etwa BVerfGE 7, 377/397; E 13, 97/104; E 14, 19/22; E 32, 311/316. 4ΐβ Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., D, I I I , 2. 417 vgl. etwa auch Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 98 ff.; Rupert Scholz, JuS 1974, S. 304. 418 BVerfGE 17, 269/274: „Es gibt Berufe, bei denen infolge einer spezialisierten Ausbildung oder eines der Sache nach beschränkten Betätigungsfeldes die Z a h l ihrer Angehörigen von N a t u r aus begrenzt ist." 41» Dazu allgemein BVerfGE 7, 377/397; E 32, 311/316 u.std. 420 Erster Teil, 2. Kap., 3. Abschn.
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wie sie nicht nur in Bayern, sondern — m i t Ausnahme des Saarlandes — faktisch oder rechtlich auch i n den anderen Bundesländern vorzufinden ist, die Entwicklung eines „Berufsbildes" des privaten Rundfunkunternehmers verhindert wurde m i t der Folge, daß ein derartiger Beruf nicht unter den Schutzbereich des A r t . 12 Abs. 1 GG fällt. Eine so geartete, gleichsam i n die Substanz des Art. 12 Abs. 1 GG eingeführte „Berufsbild-Lehre" 4 2 1 ist abzulehnen. Zunächst ist allerdings schon fraglich, ob es tatsächlich an dem „Berufsbild" eines privaten Rundfunkunternehmers fehlt. Abgesehen davon, daß der Rundfunk — wie Brack 4 2 2 dokumentiert — i n seiner Entstehungszeit von Privatunternehmern betrieben wurde, der Beruf des Rundfunkveranstalters i m Ausland feste Konturen gewonnen h a t 4 2 3 und das Saarländische Rundfunkgesetz (§§ 38 ff. GVRS) private Rundfunkveranstalter zuläßt, ganz allgemein also kaum von einem fehlenden Berufsbild gesprochen werden kann 4 2 4 , muß es als paradox erscheinen, i n der Monopolisierung eines Berufs einen Vorgang zu sehen, der ihm sein „Gesicht" nimmt, ein „Berufsbild" nicht enstehen läßt bzw. den Beruf zum Nicht-Beruf macht. Zutreffend betont Herrmann 4 2 5 : „ . . . I m Gegenteil kann man sagen, daß Monopolisierungsgesetze m i t dazu beitragen können, ein solches B i l d zu formen: denn soweit die Gesetze eine bestimmte Tätigkeit der öffentlichen Hand oder anderen vorbehalten, beschreiben und definieren sie sie." Die Monopolisierung eines Berufs bei öffentlich-rechtlichen Trägern verhindert also nicht die Entstehung eines Berufsbildes, sondern för421 Vgl. insbesondere Leisner, Werbefernsehen u n d öffentliches Recht, S. 139 ff. u n d dazu die überzeugende K r i t i k v o n Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 139 f.; vgl. auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 79 ff. 422 Organisation, S. 9 m. w . N. 423 Vgl. etwa Grund, DVB1. 1969, S.484; Lieb, Kabelfernsehen, S.22ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 11 f. sowie die Beiträge von Gygi, Fromont u n d Remes, i n : Die Organisation von Rundfunk u n d Fernsehen i n rechtsvergleichender Sicht. 424 Wenn Lerche (Rundfunkmonopol, S. 83) demgegenüber meint, f ü r „die E r f ü l l u n g des Tatbestandes des A r t . 12 GG k a n n n u r wesentlich sein, ob i m territorialen Geltungsbereich des zuständigen Gesetzgebers, also des j e weiligen Landesgesetzgebers, i n ein real vorhandenes, d. h. nach den sozialen Fakten greifbares Berufsbild eingedrungen w i r d oder nicht", so übersieht er, daß f ü r das Berufsbild des A r t . 12 Abs. 1 GG nicht der territoriale Bereich des Landesgesetzgebers entscheidend sein kann, w e i l ansonsten — entgegen A r t . 31 G G — der Landesgesetzgeber über die generelle Anwendbarkeit des A r t . 12 Abs. 1 G G entscheiden würde. Die Möglichkeit der Einschränkbarkeit des A r t . 12 Abs. 1 GG durch Landesgesetze ist damit nicht ausgeschlossen, ist aber eine andere Frage. Ob eine Tätigkeit ein Beruf i. S. des A r t . 12 Abs. 1 GG ist oder nicht, darf keinesfalls davon abhängig sein, i n welchem Bundesland der Grundrechtsträger lebt bzw. tätig w i r d . 425 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 142; ebenso H, H t Klein, Die R u n d f u n k freiheit, S. 44.
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dert sie. Die Frage, ob auch Private einen solchen Beruf wählen und ausüben können, ist keine Frage des Berufsbildes, sondern eine Frage der Beschränkung des Berufes für Private, entscheidet sich also nicht bei A r t . 12 Abs. 1 Satzl, sondern bei Satz 2 GG (wobei hier dahingestellt bleiben kann, bei welchem Passus des A r t . 12 Abs. 1 GG die Schranke für die hier i n Betracht stehende Berufswahl anzusiedeln ist). Aber selbst w e n n man dieser Argumentation nicht folgen wollte, muß m a n i m Ergebnis doch dazu kommen, die Tätigkeit eines privaten Rundfunkunternehmers als Beruf i. S. des A r t . 12 Abs. 1 zu bewerten. Umfaßt A r t . 12 Abs. 1 GG jede (erlaubte) sinnvolle wirtschaftliche Betätigung, so bedeutet dies, daß jede Tätigkeit i n diesem Sinne, f ü r die sich jemand geeignet hält, als „ B e r u f " ergriffen, d . h . zur Grundlage der Lebensführung gemacht werden kann. Dementsprechend w e i t muß der Begriff des Berufes, u n d damit der Schutzbereich des A r t . 12 Abs. 1 GG, gefaßt werden. Auch atypische Tätigkeiten fallen unter diesen Schutzbereich 426 . Insbesondere ist es f ü r die Qualifizierung einer Tätigkeit als Beruf nicht erforderlich, daß bereits ein bestimmtes Berufsbild existiert bzw. der Beruf von anderen schon ausgeübt w i r d 4 2 7 . A r t . 12 GG ist — wie alle Freiheitsgrundrechte — die Gewährleistung einer bestimmten Modalität der freien Persönlichkeitsentfaltung (vgl. A r t . 2 Abs. 1 GG). So sehr diese Vorschrift eine bestimme A r t der Persönlichkeitsentfaltung schützen u n d garantieren soll, so sehr muß gerade das „ W i e " dieser Entfaltung grundsätzlich i m Belieben des Individuums liegen. U n d dazu gehört bei A r t . 12 G G auch das ö f f n e n neuer Berufsfelder. A r t . 12 G G w i r d damit keineswegs zu einem „Grundrecht des A n spruchs gegenüber dem Staat auf Verschaffung aller faktisch-rechtlichen Voraussetzungen, die für irgendwelche abstrakt als Beruf vorstellbaren Tätigkeitskomplexe . . . benötigt w e r d e n " 4 2 8 . Es sollen von Staats wegen bzw. (durch eine bestimmte Verfassungsinterpretation) von Verfassungs wegen n u r keine künstlichen u n d überflüssigen Sperren gegen die natürliche u n d notwendige Fortentwicklung, aber auch Neukonstituierung von Berufen errichtet werden. «β vgl. etwa BVerfGE 7, 377/397; E 13, 97/104; E 14, 19/22. 427 Auch BVerfGE 9, 73/78 f., auf die sich Lerche (Rundfunkmonopol, S. 80 f.) vornehmlich für seine Konzeption der Berufsbildlehre beruft, besagt nichts anderes. I n dieser Entscheidung geht es u m die Frage, ob eine bestimmte „Monopolisierung" als Berufswahl- oder Berufsausübungsregelung gesehen werden muß und nicht u m die Frage der Anwendbarkeit des A r t . 12 Abs. 1 GG (wegen eines fehlenden Berufsbildes) schlechthin. 428 So Lerche, Rundfunkmonopol, S. 85.
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Schließlich kann auch die Monopolisierung einer beruflichen Tätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Trägern bzw. Anstalten, wie es bei den Veranstaltungen von Rundfunkdarbietungen der Fall ist, eine Anwendbarkeit des A r t . 12 Abs. 1 GG nicht hindern. Eine Ausnahme könnte allenfalls dann i n Betracht kommen, wenn das Monopol i m Grundgesetz verankert wäre 4 2 9 . Der einfache Gesetzgeber oder ein Landesverfassunggeber jedenfalls kann das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht (schon) dadurch prinzipiell ausschalten, daß er eine Tätigkeit, die an sich wirtschaftlicher Natur ist, ausschließlich von öffentlich-rechtlichen Anstalten wahrnehmen läßt 4 3 0 . Als Ergebnis kann also festgehalten werden, daß die Tätigkeit eines privaten Rundfunkunternehmers ein Beruf ist, und dementsprechend dem grundrechtlichen Schutz des A r t . 12 Abs. 1 GG untersteht 4 3 1 .
B. Die „Konkurrenz" zwischen Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Nach der Feststellung, daß die Gründung und der Betrieb eines privaten Rundfunkunternehmens als Beruf unter A r t . 12 Abs. 1 GG fällt, wäre normalerweise als nächstes zu prüfen, ob der i n Art. I l l a Abs. 2 Satz 1 B V verfügte Ausschluß Privater als Unternehmer i m Bereich des Rundfunks eine zulässige Beschränkung des A r t . 12 Abs. 1 GG darstellt. I m Hinblick auf die dem Problemkomplex Rundfunk sachnähere Norm des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2, die i n Abs. 2 die Beschränkungs429 vgl. BVerfGE 14, 105/111; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S.44. 480 So insbesondere auch BVerfGE 21, 245/248. I n dieser Entscheidung ging es u m ein Arbeitsvermittlungsmonopol, das i m Jahre 1949 schon etwa 20 Jahre bestand. Das Gericht stellt fest, daß das Monopol i m Grundgesetz nicht erw ä h n t sei u n d meint sodann: „Dieser (sc. der einfache Gesetzgeber) k a n n aber, was keiner näheren Erörterung bedarf, das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht lediglich dadurch ausschalten, daß er eine Tätigkeit, die an sich wirtschaftlicher A r t ist, zur hoheitlichen Aufgabe erklärt. Daher ist zu prüfen, ob das Monopol m i t den Grundrechten vereinbar ist." Vgl. auch E13, 97/105ff.; E l l , 30/39ff.; E l l , 168ff. — Auch i n der allgemeinen monopolrechtlichen L i t e r a t u r w i r d A r t . 12 Abs. 1 G G überwiegend als P r ü fungsmaßstab anerkannt: vgl. etwa Ballerstedt, Die Grundrechte I I I / l (1958), S. 82; Jesch, D Ö V 1962, S.429; Schick, D Ö V 1962, S. 932 ff.; Leisner, JuS 1962, S. 465; Hoff mann, DVB1. 1964, S. 460 ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht, S. 201 ff. 481 Ebenso Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 100 ff.; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 43 f.; Grund, DVB1. 1969, S. 484 ff.; Rudolf, Zulässigkeit, S.23f.; Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S.474f., 482 ff.; Schickedanz, B a y V B l . 1973, S. 146 ff.; Rupert Scholz, JuS 1974, S. 304; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 137.
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möglichkeiten selbst festlegt, muß aber fraglich erscheinen, ob Art. 12 neben Art. 5 GG überhaupt angewendet werden kann. Damit ist das allgemeine Rechtsproblem der Normenkonkurrenz, in Besonderheit der Normenkonkurrenz i m Grundrechtsteil des Grundgesetzes angesprochen 432 . W i r d ein und derselbe Lebenssachverhalt von mehreren Grundrechtsbestimmungen abgedeckt, so stellt sich die Frage, ob der i n diesem Lebensbereich handelnde Bürger sich nur auf die sachnächste Grundrechtsnorm berufen kann und dementsprechend auch allein aus dieser Norm die Maßstäbe für die Zulässigkeit der Grundrechtseinschränkungen entnommen werden dürfen, oder ob daneben auch die andere(n) Grundrechtsbestimmung(en) Anwendung findet m i t der Folge, daß allein die Grundrechtsnorm m i t der für den Bürger günstigsten Vorbehaltsregelung bzw. geringsten Freiheitsbeschränkung gilt. I n Anlehnung an die strafrechtliche Terminologie kann bei der ersten Alternative von einer Gesetzeskonkurrenz als Fall der „Spezialität", bei der zweiten Alternative von einem Fall der „Idealkonkurrenz" gesprochen werden. Bei Normenkonkurrenzen innerhalb des Grundrechtsteils w i r d häufig der „Spezialität" der Vorrang eingeräumt 4 3 3 . Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen A r t . 5 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG 4 3 4 . Gewichtige Stimmen treten aber auch für eine „harmonisierende Interpretation" 4 3 5 und eine „Parallelschaltung" beider Grundrechte ein 4 3 6 . Zutreffend betont Lerche 4 3 6 : „Dadurch, daß sich die privaten Interessenten zugleich auf A r t . 5 GG berufen mögen — sei es zu Recht oder zu Unrecht —, verlieren sie nicht die Befugnis, ihr gleichzeitiges (etwaiges) Recht aus Art. 12 GG zu betonen. Die Tatsache, daß ein und dasselbe faktische Verhalten rechtlich vom Tatbe432 v g l . dazu etwa Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte i m Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, passim; Rupert Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 110 ff.; Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, S. 127 ff.; Bethge, Z u r Problematik von Grundrechtskollisionen, passim. 433 Kritisch dazu etwa Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 13 f. m. N. 434 vgl. etwa Arndt, J Z 1965, S. 341; Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der „staatlich gebundenen" Berufe, S. 187; Scheuner, W D S t R L 22 (1965), S. 38, F N 111; Herzog, i n : Maunz / D ü r i g /Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 142 zu A r t . 5 I u n d RdNr. 13 zu A r t . 12 u n d dazu kritisch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76, F N 206. 435 So Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher und; privatrechtlicher Rundfunk, S. 103 ff. 436 So ausdrücklich Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76 u n d Rupert Scholz, JuS 1974, S. 304. Vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 42 f. — F ü r eine Überschneidung u n d K u m u l i e r u n g der Schutzfunktionen beider G r u n d rechte: Bachof, Grundrechte I I I / l (1958), S. 169 u n d Grund, DVB1. 1969, S. 484, F N 72. F ü r eine Sperrwirkung des milderen Gesetzes: Rudolf, Zulässigkeit, S. 23 f. unter Verw. auf BVerfGE 7, 377/405, 408; E 11, 168/183 f.; E 21, 245/251; Lepat DVB1. 1972, S. 161 ff.
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stand zweier Grundrechte umfangen wird, kann als solche nicht zur Verkürzung oder Verdrängung des einen oder des anderen Grundrechts führen, es sei denn, daß sich das eine Grundrecht als das schlechthin allgemeinere, das andere als das schlechthin speziellere ausweist. Das aber kann hier schwerlich behauptet werden." Rupert Scholz 436 sieht die Bedeutung einer parallel geschalteten Freiheitsgewährung vor allem darin, „daß beide Grundrechte einer gemeinsamen Schrankenordnung zu unterstellen sind; aus Art. 12 kann m i t anderen Worten kein Ergebnis folgen, das gegen Art. 5 verstößt, und umgekehrt. Aus der Sicht des A r t . 512 kommt hierbei vor allem der staatliche Organisationsvorbehalt zum Tragen; aus der Sicht des Art. 12 I ist vor allem das Verhältnis von Berufsfreiheit und rundfunkrechtlichem Verwaltungsmonopol maßgebend. Innerlich hängen jedoch beide Fragen wieder zusammen, da das Rundfunkmonopol gerade in seiner berufsbeschränkenden Wirkung der Legitimation des rundfunkrechtlichen Organisationsvorbehalts bedarf. Von ihm könnte sich auch der Beruf ,Rundfunkveranstalter 4 nicht lösen; auch der gewerbliche Privatrundfung wäre an die Grundsätze der pluralistischen Rundfunkordnung gebunden." Damit kommt es bei der Normenkonkurrenz zwischen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG darauf an, daß jedes Grundrecht in seiner spezifischen Akzentuierung optimal zur Geltung gebracht wird. Dies entspricht dem Prinzip der Einheit der Verfassung, m i t dem das Prinzip der praktischen Konkordanz i n engem Zusammenhang steht. Verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter müssen danach „ i n der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen W i r k lichkeit gewinnt" 4 3 7 . Die hier vertretene Konzeption der „Parallelgeltung" von Grundrechten bedeutet natürlich nicht, daß Kollisionen zwischen diesen ausgeschlossen wären 4 3 8 . Die dogmatisch äußerst diffizile und schwierige Frage, welchem Grundrecht dann der Vorrang gebührt und inwieweit ein solcher Vorrang geht, braucht hier nicht entschieden werden. Selbst wenn man nämlich dem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit und überdies dessen institutioneller Seite — aus welchen Gründen auch immer (sachnähere/höherwertigere Norm) — den Vorrang einräumt, ist ein absoluter Ausschluß privater Rundfunkunternehmer, wie ihn Art. l i l a Abs. 2 Satz 1 B V verfügt, m i t A r t . 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
«7 κ . Hesse, Grundzüge, § 2 I I I 2 b (S. 28) m. w. N. 438 v g l . etwa auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 76 f.
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C. Ein generelles und absolutes Verbot privatrechtlicher Rundfunkunternehmen ist mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar Die i m folgenden unterstellte Vorrangigkeit des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 gegenüber A r t . 12 Abs. 1 GG bedeutet konkret: A r t . 12 Abs. 1 GG muß insoweit hinter Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zurücktreten, als er m i t seiner Garantie einer freien Betätigung privater Rundfunkunternehmer die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Meinungsvielfalt i m Rundfunkwesen beeinträchtigen würde. Umgekehrt muß A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 gegenüber A r t . 12 Abs. 1 GG zurücktreten, soweit das Schutzgut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Beschränkung der Berufstätigkeit nicht rechtfertigt. Die Entscheidung fällt also auf der Ebene des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs.l Satz 2 GG; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG w i r d „als Ausfüllung des Regelungsvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG" begriffen 4 3 9 . Der in Art. I l i a Abs. 2 S a t z l B V geregelte Betriebsvorbehalt für öffentlich-rechtliche Träger beschränkt als (Landesverfassungs-)Gesetz i. S. des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG die Berufswahl. Ausgeschlossen w i r d bereits die Gründung von privaten Rundfunkunternehmungen, ohne daß es dabei auf Voraussetzungen und Eigenschaften ankommt, die in der Person des Bewerbers liegen. Es handelt sich daher um eine objektive Berufswahlbeschränkung durch staatlichen Organisationsvorbehalt, durch „Monopolisierung" des Rundfunkbetriebs bei öffentlich-rechtlichen Trägern. Ob eine derartige Einschränkung freier Berufstätigkeit möglich ist, erscheint schon vom Wortlaut des A r t . 12 Abs. 1 GG her fraglich, der in Satz 2 lediglich eine (gesetzliche) Beschränkung der Berufsausübung, nicht aber der Berufswahl regelt. Das „Apothekenurteil" des BVerfG, von K . Hesse 440 als die „Leitentscheidung" zu Art. 12 GG charakterisiert und i n seinen wesentlichen Aussagen allgemein anerkannt 4 4 1 , geht jedoch von einer inneren Einheit des A r t . 12 Abs. 1 GG aus, i n dessen Rahmen die beiden Begriffe „Berufwahl" und „Berufsausübung" den einheitlichen Komplex „berufliche Betätigung" lediglich von verschiedenen Blickpunkten her erfassen, so daß seine Auslegung, die „dem Gesetzgeber jeden Eingriff in die Freiheit der Berufswahl schlechthin 43» Stern / Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 104 m. w . N. 440 Grundzüge, § 12 I 9 a (S. 171). 441 H. H. Rupp, AöR 92 (1967), S. 212 ff.; Κ . Hesse, Grundzüge, § 1219 a (S. 172) : „Die Interpretation des A r t . 12 Abs. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht t r i f f t trotz mancher Unstimmigkeiten den K e r n der Problemat i k . " Vgl. außerdem BVerfGE 11, 30ff.; E 11, 168ff.; E 13, 97 ff. u. ständig.
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verwehren wollte, nicht richtig sein" kann, der „Lebenswirklichkeit nicht entsprechen" würde und „deshalb auch rechtlich nicht zu einleuchtenden Ergebnissen führen" könnte 4 4 2 . Weil indessen die Regelungsbefugnis u m der Berufsausübung willen gegeben ist, „darf nur unter diesem Blickpunkt allenfalls auch i n die Freiheit der Berufswahl" eingegriffen werden. Die Regelungsbefugnis ist inhaltlich „ u m so freier, je mehr sie reine Ausübungsregelung ist, um so enger, je mehr sie auch die Berufswahl berührt" 4 4 3 . Dementsprechend besteht für das Eingreifen des Gesetzgebers „von Verfassungs wegen ein Gebot der Differenzierung", die zu der sog. „Stufentheorie" führt und deren Prinzipien vom Gericht folgendermaßen zusammengefaßt werden 4 4 4 : „Die Freiheit der Berufsausübung kann i m Wege der ,Regelung4 beschränkt werden, soweit vernüftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Die Freiheit der Berufswahl darf dagegen nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger (»überragender 4) Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert, d.h.: soweit der Schutz von Gütern i n Frage steht, denen bei sorgfältiger Abwägung der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch des einzelnen eingeräumt werden muß und soweit dieser Schutz nicht auf andere Weise, nämlich m i t Mitteln, die die Berufswahl nicht oder weniger einschränken, gesichert werden kann. Erweist sich ein Eingriff i n die Freihet der Berufswahl als unumgänglich, so muß der Gesetzgeber stets die Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt. 44 Speziell zur objektiven Berufswahlbeschränkung betont das Gericht 4 4 5 „Durch die Wahl dieses gröbsten und radikalsten Mittels der Absperrung fachlich und moralisch . . . voll geeigneter Bewerber vom Berufe kann so . . . der Freiheitsanspruch des einzelnen i n besonders empfindlicher Weise verletzt werden. Daraus ist abzuleiten, daß an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen sind; i m allgemeinen w i r d nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff i n die freie Berufswahl legitimieren können; der Zweck der Förderung sonstiger Gemeinschaftsinteressen . . . reicht nicht aus, auch wenn solche Ziele i m übrigen gesetzgeberische Maßnahmen rechtfertigen würden. 44 Für eine objektive Berufswahlbeschränkung durch die Monopolisierung eines Berufs, wie sie auch hier durch die Regelung i n A r t . l i l a Abs. 2 S a t z l BV bezüglich des privaten Rundfunkunternehmers vorliegt, hat das BVerfG 4 4 6 zwei Bedingungen genannt, bei 442 443 444 445
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
7, 7, 7, 7,
377/401. 377/403. 377/405. 377/408.
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deren Vorliegen ein „Eingriff in das Grundrecht der freien Berufswahl von dieser Intensität" gerechtfertigt wäre: „erstens muß das Monopol den Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter bezwekken, denen der Vorrang vor der Freiheit des einzelnen, den Beruf des . . . (es folgt die Berufsbezeichnung) Anstrebenden eingeräumt werden muß; dabei müssen die Gefahren, von denen das Gemeinschaftsgut bedroht ist, schwer sowie nachweisbar oder wenigstens höchst wahrscheinlich sein. Zweitens muß das Monopol als M i t t e l zur Abwehr dieser Gefahren unentbehrlich sein . . . " Diese strengen Voraussetzungen beanspruchen auch für das Rundfunkmonopol als herkömmliches Monopol Gültigkeit 4 4 7 . Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Rundfunkfreiheit ein besonders wichtiges („überragendes") Gemeinschaftsgut ist, und es mag auch die Monopolisierung der Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen bei öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Zeit des Fernsehurteils und vielleicht auch noch in der Zeit der Mehrwertsteuerentscheidung des BVerfG zum Schutz dieses Gemeinschaftsgutes unabweisbar gewesen sein. Unter den Gegebenheiten des Jahres 1979 aber kann der allgemeine und absolute Ausschluß privater Rundfunkunternehmer durch Art. l i l a Abs. 2 Satz 1 BV (und die faktischen oder rechtlichen Monopolisierungen der Rundfunkdarbietungen bei öffentlich-rechtlichen Anstalten i n anderen Bundesländern) m i t A r t . 12 Abs. 1 GG nicht mehr in Einklang gebracht werden. Art. I l i a Abs, 2 Satz 1 BV verbietet nämlich nicht nur eine privatwirtschaftliche Struktur des „offenen (Rundfunk-)Marktes", in dem eine Vielzahl von privaten Veranstaltungsträgern ohne eine binnenstrukturelle Absicherung des Unternehmens selbst allein auf Grund einer „äußeren" Konkurrenzlage Meinungspluralität herstellen und erhalten soll. Diese bayerische Verfassungsnorm schließt vielmehr jede rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts als Träger von Rundfunkunternehmen aus und damit auch solche private Rundfunkveranstalter, die das BVerfG i m Fernsehurteil 4 4 8 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet hat, „wenn sie nach ihrer Organisationsform hinreichend Gewähr" bieten, daß i n ihnen in „ähnlicher Weise wie in der öffentlich-rechtlichen Anstalt alle gesellschaftlich relevanten Kräfte 446 BVerfGE 21, 245/251. 447 Gerade auch i n BVerfGE 21, 245, ging es u m das herkömmliche Arbeitsvermittlungsmonopol, das i m Jahre 1949 schon etwa 20 Jahre bestand (E21, 248). Vgl. auch Obermayer / Steiner, N J W 1969, S. 1457 m. ζ. N.; Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 195. — a. A. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 69 ff.; Stammler, Kabelrundfunk, S. 24. 448 BVerfGE
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zu Wort kommen und die Freiheit der Berichterstattung unangestastet bleibt". Nun w i r d allerdings gerade die soeben zitierte Passage der Fernsehentscheidung als Bestätigung dafür herangezogen, daß A r t . 12 Abs. 1 GG eine Zulassung privater Rechtsträger von Verfassungs wegen zwar zuläßt, aber nicht fordert. So meint ζ. B. L i e b 4 4 9 : „Bei einem unmittelbaren Durchgreifen des Art. 12 Abs. 1 GG auch auf die Gestaltungskompetenz des Staates wäre die öffentliche Rechtsform der Rundfunkanstalten, die interessierte Gesellschaften des privaten Rechts von jeglicher erwerbswirtschaftlichen Betätigung auf dem Gebiet des Rundfunks ausgeschlossen hat, schon damals — weil sie nicht zwingend erforderlich war — als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl verfassungswidrig gewesen." Gewiß haben Entscheidungen des BVerfG schon wegen § 31 BVerfGG besonderes Gewicht und es ist auch nichts dagegen einzuwenden, das Fernsehurteil als „Lehrbuch des Rundfunkverfassungsrechts" (Berg) zu bewerten. Es ist deswegen aber noch keine Rundfunk-„Bibel", zumal das Urteil sich selbst durchaus keine „ewige" Bedeutung zumißt. So dürfte es auch sicher nicht als „Gerichtslästerung" gerügt werden, wenn man die Möglichkeit erwägt, daß das Fernsehurteil und ebenso die Mehrwertsteuerentscheidung eine Prüfung des Rundfunkmonopols an Art. 12 Abs. 1 GG schlicht übersehen hat. Näher liegt freilich die Vermutung, daß das Gericht eine derartige Uberprüfung für unnötig hielt und i n der Tat stand auch i n beiden Fällen die Zulassung Privater als Rundfunkunternehmer nicht zur Entscheidung an. Hinzu kommt, daß auf Grund des damals herrschenden Frequenzmangels der Beruf des privaten Rundfunkunternehmers neben den bereits bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten tatsächlich keine Bedeutung hätte gewinnen können. Und akkurat dies hat sich geändert. Wie oben 4 5 0 festgestellt wurde, ist seit dem Jahre 1961 die Zahl der Ubertragungsmöglichkeiten für Rundfunkdarbietungen erheblich gestiegen. Erst damit ist der Beruf des
Rundfunkunternehmers
als
wirtschaftliche
Betätigung
Privater
in realistische Dimensionen gerückt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zehn, zwanzig oder mehr Fernsehkanäle, fünfzig, achtzig oder mehr Hörfunkübertragungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und ebenso wenig ausschlagebend kann sein, ob die faktischen Möglichkeiten auch genützt werden. Denn es geht hier nur um solche private Rundfunkunternehmer, die, i n ähnlicher Weise wie die derzeitigen öffentlich449 Kabelfernsehen, S. 248 m. w. N. 450 Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., C, I I , I I I .
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3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t .
a B V mit dem G G
rechtlichen Anstalten, bereits durch ihre Binnenstruktur die geforderte Neutralität und Ausgewogenheit des Programms sicherstellen. Das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Gemeinschaftsgut der Meinungsvielfalt w i r d von solchen privatrechtlich organisierten Rundfunkunternehmern genauso wenig gefährdet wie von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Dies aber muß zur Folge haben, daß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Beschränkung der in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Berufsfreiheit für die Gründung und den Betrieb von privaten Rundfunkunternehmen m i t pluralistischer Binnenstruktur nach A r t . 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht rechtfertigt. Das Gemeinschaftsgut der Meinungsvielfalt i m Rundfunkbereich w i r d durch solche Privatunternehmer nicht gefährdet. Diese haben daher gem. A r t . 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Zulassung. A r t . I l i a Abs. 2 S a t z l B V ist wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig und nichtig. Spätestens an dieser Stelle könnte m a n n u n allerdings die Frage stellen, w a r u m nicht auch A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen m i t entsprechender pluralistischer Binnenstruktur gebietet, w e n n die verfassungsrechtlich geforderte Meinungsvielfalt durch derartige Privatunternehmen nicht gefährdet werden kann. A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 B V würde dann auch gegen A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G verstoßen. Eine solche Argumentation ließe jedoch außer Betracht, daß sich das I n d i v i d u a l recht der Rundfunkfreiheit i m Gegensatz zu A r t . 12 Abs. 1 G G gerade nicht auf die berufliche, auf die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit des einzelnen bezieht, sondern vornehmlich auf die Programmgestaltungsfreiheit. A n deren Gehalt aber würde sich durch eine Umstellung der bloß formalen Organisation von einer öffentlich-rechtlichen zu einer privatrechtlichen Trägerschaft nichts ändern, w e n n die Programmverantwortung entsprechend dem binnenstrukturellen Modell der relevanten gesellschaftlichen K r ä f t e beim I n t e n danten u n d den i h n kontrollierenden Rundfunkrat verbleibt. Aus der Perspektive des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G muß es daher dem Ermessen des (Organisations-)Gesetzgebers überlassen bleiben, welche Organisationsform er wählt. Anders ist es, w i e soeben dargelegt, i m Hinblick auf A r t . 12 Abs. 1 GG, w o m i t auch dessen selbständige Bedeutung gegenüber u n d neben A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 G G deutlich w i r d .
D. I m übrigen: Prüfungspflicht des Gesetzgebers Könnte davon ausgegangen werden, daß die Öffnung des „Rundfunk-Marktes" für eine freie Konkurrenz der Programmträger, ähnlich wie i m Pressewesen, zu einer „Vielfalt durch Vielzahl" führen würde, so würde A r t . 12 Abs. 1 GG auch die Zulassung solcher privater Rundfunkunternehmen gebieten, die keine pluralistische Binnenstruktur aufweisen. Tatsächlich liegt zwar, wie festgestellt wurde, nach dem heutigen Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft eine Öffnung der Rundfunkkommunikation für private Unternehmer je-
H a u p t e r g e b n i s s e des 3. K a p i t e l s
175
denfalls tendenziell i m Bereich realistischer Möglichkeiten, aber vor allem auf Grund mangelnder praktischer Erprobung privatwirtschaftlicher Strukturen i m Rundfunkbereich können sichere Feststellungen nicht getroffen werden. Soweit daher die Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen ohne pluralistische Binnenstruktur i n Frage steht, ergibt sich bei Art. 12 Abs. 1 die gleiche Situation wie bei A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG 4 5 1 . Dabei kann auch hier die Frage unbeantwortet bleiben, welche Grundrechtsbestimmung i m Falle einer Kollision den Vorrang genießt. Denn im Hinblick auf die Prüfungspflicht des Gesetzgebers, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen für eine privatwirtschaftliche Öffnung des „Rundfunk-Marktes" vorliegen, ziehen beide Grundrechte i n die gleiche Richtung und verstärken sich damit gegenseitig 452 . Nicht zuletzt die soeben näher dargelegten, besonders strengen Voraussetzungen, die vornehmlich das BVerfG an objektive Beschränkungen der Berufswahl und damit an den Ausschluß Privater als Unternehmer i m Bereich des Rundfunks anlegt, zeigt — gleichsam aus negativer Perspektive — die eminente Bedeutung, die dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG gerade als Individualrecht zugemessen wird. Den engen Ermessensspielraum des Gesetzgebers begründet das BVerfG 4 5 3 — aus positiver Perspektive — m i t der Feststellung, „daß es sich hier um ein echtes Grundrecht des einzelnen Bürgers handelt, u m ein Grundrecht zudem, das seiner Idee nach m i t der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit eng zusammenhängt und das eben deshalb auch praktisch von größter Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung jedes einzelnen ist — i m Gegensatz zu den Grundrechten, die nur der A b wehr gelegentlicher Einzeleingriffe der öffentlichen Gewalt dienen . . . " Auch aus Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich sohin eine „Dienstletetungspflicht"
des Gesetzgebers
für
das Individualrecht,
die sich i n d e r Pflicht
konkretisiert zu prüfen, ob nach den derzeitigen tatsächlichen Gegebenheiten eine freie Gründung von Rundfunkunternehmen für Private prinzipiell möglich und verfassungsrechtlich geboten ist.
Hauptergebnisse des 3. Kapitels I n der öffentlichen Diskussion über das Rundfunkmonopol konnte und kann man sich nicht immer des Eindrucks erwehren, daß die öf451 452 453
Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., E. Vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 43. BVerfGE 7, 377/400.
1
7
6
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3. K a p . : V e r e i n b a r k e i t des A r t .
a B V mit dem G G
fentlich-rechtliche Trägerschaft der Rundfunkunternehmen als gleichsam gottgegeben behauptet, empfunden oder hingenommen wird. Auch i n Rechtsprechung und Literatur sind durchaus mystische Argumentationsansätze feststellbar, die freilich auf der rationalen Ebene des Rechts i n den Versuch münden, einen verfassungsgegebenen Denkmalschutz für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zu installieren und zu zementieren. Die öffentlich-rechtliche Organisationsform der Rundfunkunternehmen ist aber weder gott- noch verfassungsgegeben. Das BVerfG hat sie i n der Fernsehentscheidung des Jahres 1961 lediglich als eine mögliche Organisationsform verfassungsrechtlich akzeptiert und nicht mehr. Das ist die nüchterne, für manche vielleicht auch ernüchternde Tatsache. Verfassungsgegeben ist aber zweifellos der vornehmlich individuelle Gehalt der Freiheit, die Präponderanz der subjektiven Seite der Grundrechte. Die seit 1961 eingetretene Veränderung der faktischen Situation i m Rundfunkbereich, vor allem die erhebliche Vermehrung der Übertragungsmöglichkeiten für Rundfunkdarbietungen, hat das Individualrecht Rundfunkfreiheit freigelegt und das subjektive Grundrecht auf Berufsfreiheit, insbesondere auf Freiheit der Berufswahl, auch der Wahl des Berufs eines Rundfunkunternehmers, aktualisiert. Der mögliche Einsatz kabelgebundener Informationsverteilsysteme m i t ihrer tendenziell unbeschränkten Zahl von Parallelprogrammen muß das Bewußtsein dafür schärfen, daß i m Rundfunkbereich ebenso wie im Bereich der Presse der machtverteilende Wettbewerb, die privatwirtschaftliche Organisationsstruktur also, die „natürliche" Organisationsform darstellt und die Rundfunkgründungsfreiheit für den einzelnen gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen selbstverständlich ist wie die Freiheit, einen Verlag zu gründen und zu bet r e i b e n . Diese Rundfunkgründungsfreiheit für den einzelnen Maße verfassungsrechtlich geboten wie sie faktisch möglich
ist in ist.
dem
Auf der Grundlage dieser Erkenntnis muß festgestellt werden, daß Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V als landesverfassungsgesetzliche Vorschrift wegen Unvereinbarkeit m i t der bundesverfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 12 Abs. 1 GG insofern grundgesetzwidrig und daher nichtig ist, als sie jede A r t privatrechtlicher Trägerschaft für Rundfunkunternehmen ausschließt. Das generelle und absolute Verbot privatrechtlicher Rundfunkunternehmen ist unabhängig von der derzeitigen Beurteilung der faktischen Situation i m einzelnen und ihrer weiteren Entwicklung auf jeden Fall unhaltbar. Anders ist es im Hinblick auf die Frage nach einer verfassungsrechtlich gebotenen „echten" privatwirtschaftlichen Struktur, einer materiellen Privatisierung des Rundfunkwesens, in der die Vielfalt der Mei-
H a u p t e r g e b n i s s e des 3. K a p i t e l s
177
nungen und das Mindestmaß an Ausgewogenheit nicht (mehr) durch das binnenpluralistische Modell monopolisierter Rundfunkanstalten, sondern i n der „äußeren" Konkurrenzsituation des freien Marktes „ i m Zusammenklingen der vielfältigen, u. U. extremen Programme" 4 5 4 sichergestellt wird. Hier kommt es auf die faktische Situation i m Rundfunkbereich an, die auf Grund mangelnder Rechtstatsachenforschung zwar i m einzelnen offen ist, i n ihrer durchaus feststellbaren Grobstruktur aber keinen Zweifel mehr daran aufkommen läßt, daß nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft zumindest tendenziell eine Öffnung der Rundfunkkommunikation für privatrechtliche Unternehmen i m Bereich realistischer Möglichkeit liegt. Die Präponderanz der individualrechtlichen Seite des Grundrechts auf Rundfunkfreiheit und das Grundrecht auf Berufsfreiheit, das „seiner Idee nach m i t der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit eng zusammenhängt und das eben deshalb auch praktisch von größter Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung des einzelnen i s t " 4 5 3 , führen zu einer Prüfungspflicht des Gesetzgebers, ob, inwieweit und auf welche Weise diese Individualrechte zu einer Realisierung gebracht werden können.
454
Lerche, Rundfunkmonopol, S. 105 f. m. N.
12 Schmitt Glaeser
ZWEITER T E I L
Das privatrechtliche Unternehmen im Bereich der Informationsabrufdienste, des Dialogverkehrs und der materialisierten Teletexte Vorbemerkung
I m Unterschied zu den i m Ersten Teil behandelten Informationsverteildiensten eröffnen kabelgebundene Informations-Abrufdienste und kabelgebundene Kommunikationsarten i m Dialogverkehr dem einzelnen (End-)Teilnehmer eine mehr oder minder große Möglichkeit zu eigener A k t i v i t ä t hinsichtlich der rezipierten Inhalte. Die Informationen werden also nicht einseitig von einer Zentrale aus an die Allgemeinhet, an eine „Masse" von Empfängern verteilt, die sich ihrerseits — vom Ein- bzw. Ausschalten des Empfängergerätes abgesehen — passiv verhalten. Besonders eklatant ist dies beim Dialogverkehr. Bei den Informations-Abrufdiensten 1 w i r d zwar (auch) „verteilt", aber, i m Gegensatz zu den echten Verteilsystemen, nicht ausschließlich nach Belieben der Zentrale bzw. des „Senders", sondern auf Bestellung, eben auf „ A b r u f " des Empfängers. Dabei ist es zum einen möglich, daß der Empfänger mittels eines vorhandenen „echten" Rückkanals aus einer bei der Zentrale „ruhenden" Informationsmenge, die freilich laufend aktualisiert werden wird, bestimmte gewünschte Informationen abfragt bzw. abruft. Zum anderen w i r d es aber die sich schon jetzt abzeichnende technische Entwicklung, insbesondere durch Verwendung von Glasfaserleitern und der Digitalisierung der Informationen, auch ermöglichen, daß am empfängerseitigen Kanalanschluß praktisch gleichzeitig eine sehr große Informationsmenge zur Verfügung steht, aus der der Empfänger mittels entsprechender technischer Einrichtung „seine" Information auswählt. Die verschiedenen technischen Realisierungsmöglichkeiten führen vom Informationsempfang und den Möglichkeiten des Empfängers her gesehen zu keinen rechtlich relevanten Unterschieden, es stellen sich allenfalls Kapazitätsprobleme. Dies bedeutet, daß es rechtlich auch unerheblich ist, ob die potentielle Informationsmenge beim Sender für Abrufe zur Verfügung 1
12·
Dazu oben Einleitung, Ε, I I , 1.
Teil: Private Unternehmen und
Informationsabrufdienste
steht oder ob sie am Kabelende beim Empfänger latent vorliegt und dann dort individuell ausgewählt wird. Entscheidend ist allein, daß individuell ausgewählt werden kann und nicht, wie dies (technisch) geschieht. Weil der Abruf über den technisch besonders eingerichteten Rückkanal sozusagen das „klassische Bild" eines Abrufdienstes darstellt, kann der plastische Begriff „Rückkanal" i m Rahmen einer juristischen A r gumentation auch für die zuletzt genannte technische Abrufvariante verwendet werden. Es muß dann nur Klarheit darüber bestehen, daß eine solche Ausdrucksweise i m echten Sinne des Wortes „untechnisch" ist. Der Dialogverkehr 2 benötigt demgegenüber stets eine Übermittlung der Nachrichten auch vom „Empfänger" zur Zentrale bzw. zu anderen Empfängern. Rein technisch unterscheiden sich daher jedenfalls Abrufsysteme m i t „echtem" Rückkanal von Dialogverkehrssystemen nur unwesentlich, weil i n jedem Fall Impulse in beide Richtungen gehen, es sich m i t h i n stets u m (auch technisch) „zweiseitig" angelegte Informationssysteme handelt. Gleichwohl dürften sie als verschiedene Lebenssachverhalte bewertet werden müssen und auch ihre (verfassungs-) rechtliche Behandlung ist — wie noch darzustellen sein w i r d — durchaus unterschiedlich. Beim Ab ruf dienst ist die zu übermittelnde Information bereits fertig, also vorproduziert. Jeder Abrufer, der eine bestimmte Information wünscht, erhält diese — von laufender Aktualisierung abgesehen — m i t identischem Inhalt. Dagegen steht beim Dialogverkehr der übermittelte Inhalt nicht von vornherein und vollständig fest. Die inhaltliche Gestaltung ist zu einem guten Teil „offen" und bildet sich erst i m Laufe des Dialogs. Freilich ist nicht zu verkennen, daß sich je nach der technischen Ausgestaltung i m Einzelfall beide Kommunikationsdienste partiell stark annähern können. Das Charakteristikum der materialisierten Teletexte schließlich besteht darin, daß das Gesendete ausgedruckt und i n diesem Sinne „materialisiert" wird 3 . Hier kommt es also auf das „Endprodukt" und darauf an, daß dieses Endprodukt gegenständliche Gestalt erhält, auf Papier o. ä. fixiert und nicht (nur) „flüchtig" auf dem Bildschirm für kurze Zeit erscheint und wieder verschwindet. Materialisierte Teletexte können demnach Endprodukt eines Dialogverkehrs, eines Informations-Abrufs, aber auch Ergebnis reiner Informationsverteilung sein. I m Vordergrund der Betrachtung w i r d dabei die sog. Faksimile-Zeitung als Sonderfall des „Fernkopierens" stehen. 2
Dazu oben Einleitung, Ε, I I , 2. s Dazu oben Einleitung, E, I I I .
I I . Teil: P r i v a t e U n t e r n e h m e n u n d I n f o r m a t i o n s a b r u f dienste
181
Auch die hier angesprochenen technischen Möglichkeiten einschließlich der echten Zweiweg-Kommunikationssysteme müssen zunächst darauf untersucht werden, ob sie Rundfunk (im kulturell-rechtlichen Sinne) sind. Daß die Verbreitungstechnik (drahtlos oder drahtgebunden) für den Rechtsbegriff des Rundfunks grundsätzlich keine Bedeutung hat, wurde schon oben 4 ausführlich dargelegt. Dort wurde auch betont, daß die Begriffsneutralität der Verteilungstechnik nicht nur bedeutet, daß auch Kabel-Funk Rundfunk sein kann, sondern ebenso klargestellt, daß (gleichsam umgekehrt) nicht alles, was über Kabel vermittelt wird, Rundfunk sein muß. A n diese triviale Erkenntnis ist anzuknüpfen. Soweit sich ergibt, daß die hier zu behandelnden Telekommunikationsformen nicht dem kulturell-rechtlichen Rundfunkbegriff unterfallen, w i r d zu untersuchen sein, wie sich die verfassungsrechtliche Lage i m Hinblick auf Gründung und Betrieb solcher Funkdienste 5 durch privatrechtliche Unternehmen darstellt. Denn Funkdienste, die nicht Rundfunk i m kulturell-rechtlichen Sinne sind, werden auch nicht vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfaßt, und zwar weder von der individualrechtlichen noch von der objektivrechtlichen (institutionellen) Seite dieses Grundrechts. Dasselbe gilt für A r t . l i l a Abs. 2 BV und für die Landesrundfunkgesetze bzw. das Bayerische Rundfunkgesetz.
4
Erster Teil, 1. Kap., 2. Abschn. Dieser Begriff w i r d hier als Oberbegriff f ü r jede Informationsübermittlung mittels modulierter elektrischer Schwingungen bzw. mittels aneinandergereihter einzelner Impulse verwendet. Vgl. auch Lerche, Rundfunkmonopol, S. 15. 5
1. Kapitel
Informationsabrufdienste, Dialogverkehr, materialisierte Teletexte und Rundfunkbegriff
1. Abschnitt
Informationsabrufdienste und Rundfunkbegriff A. Die Informationsabrufdienste im Umfeld neuer Kommunikationstechniken Informations-Abrufdienste unterscheiden sich von den InformationsVerteildiensten dadurch, daß sich der Benutzer nicht auf bloßes Einund Ausschalten des Geräts zu beschränken braucht, sondern i m Wege unterschiedlicher Techniken selbst aktiv w i r d und sich „sein" Programm auswählen bzw. bestellen kann. Diese A r t der Telekommunikation hat also zweifellos individuelle Züge. Wenn damit auch noch nicht gesagt sein soll, daß Informations-Abrufdienste ohne weiteres aus dem Rundfunkbegriff herausfallen, so w i r d der individuelle Charakter dieser Kommunikationsform ein entscheidender Ansatzpunkt für weitere Überlegungen sein müssen. Schon i n diesem Stadium der Untersuchung freilich ergeben sich sofort Schwierigkeiten, wenn man neue Kommunikationstechniken beim „Namen" nennt, also etwa die Begriffe „Videotext", „Viewdata", „Kabeltext", „Bildschirmtext" u. a. i n die Überlegungen einführt. Das kommt nicht von ungefähr; die Begriffe sind inhaltlich unbestimmt. So ist etwa Viewdata zunächst als ein Auskunfts-System konzipiert. Wie aber ζ. B. Edgar F. Scholz6 darlegt, eröffnet die individuelle Leitungsverbindung zwischen Teilnehmer und Computer die Möglichkeit individueller Identifikation des fragenden Teilnehmers m i t Hilfe der numerischen Tastatur des Bediengeräts, so daß sowohl die individuelle Belastung einzelner Teilnehmer für die Entnahme kostenpflichtiger Informationen wie auch eine Beschränkung des Zuganges zu bestimmten Informationen auf einen speziellen Teilnehmerkreis möglich ist. β I n : Ratzke (Hrsg.), Bildschirmzeitung, S. 21. Vgl. etwa auch Ratzke, ebenda, S. 15.
in:
1.
.: I n f o r m a t i o n s d i e n s t e
und
Rundfunkbegriff
Darüber hinaus sei sogar eine begrenzte Individualkommunikation zwischen einzelnen Teilnehmern technisch machbar. M. a. W.: Unter dem gleichen Begriff „Viewdata" verbergen sich ganz unterschiedliche Techniken, vom Auskunfts- bis zum Dialogsystem. Solche (auch technisch) nicht eindeutigen Begriffe, die zudem unterschiedlich verwendet werden, sind als Rechtsbegriffe untauglich 7 . Wenn i m folgenden trotzdem — der Vollständigkeit wegen — auf diese Begriffe wenigstens kurz eingegangen wird, so müssen die Ausführungen unter diesem Vorbehalt gesehen werden. Versteht man unter Videotext eine (nicht notwendig kabelgebundene) Telekommunikationsform, bei der insbesondere Textnachrichten innerhalb des normalen Fernsehsignals vom Sender ausgestrahlt, durch Zusatzgerät beim Empfänger dekodiert und auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden, wobei die sog. „Austastlücke" der Fernsehbildübertragung genutzt wird 8 , so handelt es sich hier u m eine Informationsübermittlung, die ein zusätzliches Programm gleichsam i m „Huckepack-Verfahren" 9 überträgt. Lenkt man den Blick auf einen Videotext m i t sendebegleitendem Inhalt, so liegt eine Zuordnung zum „Hauptprogramm" und damit zum Verteildienst nahe. Aber selbst i n diesem Fall sollte bedacht werden, daß das „Zusatzprogramm" nicht aus bewegten Bildern, sondern i m wesentlichen aus „geschriebenen" Worten besteht und insoweit durchaus Pressecharakter hat. Jedenfalls entspricht ein solcher Videotext nicht der bislang üblichen A r t von Rundfunkdarbietungen. Freilich darf ein Rückgriff auf den historischen Bestand des Rundfunkbegriffs nicht i n die Sackgasse der Begriffsjurisprudenz führen; denn historische Kriterien beziehen sich auf herkömmliche und gerade nicht auf neue Techniken 10 , u m die es hier geht. Natürlich sind auch die neuen Techniken am gegebenen Rundfunkbegriff zu messen, der eben nun einmal historisch gewachsen ist, aber sich auch fortentwickeln muß, was i m übrigen nicht nur weitere Ausdehnung, sondern ebenso gut Verengung bedeuten kann. I n diesem Sinne muß der Rundfunkbegriff bei aller (verfassungsrechtlichen) „Starrheit" i n seinen wesentlichen Grundzügen eine gewisse Flexibilität haben, die, w i r d sie überzogen, allerdings auch zur Auflösung des Begriffs und 7
Dazu bereits oben Einleitung, E, I. Dazu KtK-Telekommunikationsbericht, S. 101 f.; vgl. auch Rudolf /Meng, Breitbandkommunikation, S. 20 f. sowie Witte, i n : Ratzke (Hrsg.), Bildschirmzeitung, S. 86 f. u n d Edgar F. Scholz, i n : ebenda, S. 23 ff. 9 Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 20; Witte, i n : Ratzke (Hrsg.), Bildschirmzeitung, S. 87. 10 a. A . offenbar Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 44 f. Vgl. außerdem Lieb, Kabelfernsehen, S. 36 ff., 55 ff. sowie H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 23 f. 8
184
II. 1.Kap.: Andere Informationsdienste
und
Rundfunkbegriff
damit zu seiner Unverwendbarkeit als Rechtsbegriff führen kann. Die Grenzen dieser Flexibilität werden jedenfalls und spätestens dann überschritten, wenn man jede A r t von Textübertragung dem Rundfunkbegriff unterstellt, nur weil er von Rundfunk übertragen wird. Eine solche Ausdehnung des Rundfunkbegriffs würde vor allem die Abgrenzimg zum Pressebegriff unmöglich machen, zumal wenn berücksichtigt wird, daß der Teletext auch ausgedruckt werden kann. Bei der hier insbesondere interessierenden Frage schließlich, ob Videotext überhaupt Informations- Verteildienst ist, darf nicht übersehen werden, daß bei dem oben skizzierten Verständnis des Videotext-Begriffs die Nachricht zwar innerhalb des normalen Fernsehsignals ausgestrahlt, aber erst durch ein Zusatzgerät beim Empfänger dekodiert und damit auf dem Bildschirm sichtbar gemacht wird. Die Möglichkeit individueller Identifikation ist also auch bei diesem Telekommunikatonssystem technisch angelegt. Noch deutlicher w i r d der Individualcharakter beim Video-Einzelbild, wenn man m i t dem KtK-Telekommunikationsbericht (S. 102) davon ausgeht, daß es sich um Bildfolgen handelt, „die i m zentralen Studio bereitgehalten werden und vom Teilnehmer über den Rückkanal eines Kabelfernsehnetzes oder über das Fernsprechnetz abgerufen werden". Grundsätzlich gleiches gilt für den sog. Bildschirmtext, wenn man hierunter — wiederum m i t dem KtK-Telekommunikationsbericht (S. 103) — eine Telekommunikationsform versteht, bei der die Textnachrichten über das Fernsprechnetz übertragen und sodann mittels eines Zusatzgerätes auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden. Der Teilnehmer muß, nachdem er die Adresse der gewünschten spezifischen Nachricht auf seinem Gerät eingestellt hat, eine bestimmte Zugriffszeit abwarten, bis der Text auf dem Bildschirm erscheint. Als vergleichbare Systeme werden Viewdata und TV-phone genannt 11 , wobei hier daran erinnert werden soll, daß das Viewdata- und ebenso das Bildschirmtext-System auch dialogfähig ist. Soweit Texte über ein (breitbadiges) Fernsehkabel übermittelt werden, spricht man von Kabeltext 12. Der Individualcharakter einer Kommunikationsform w i r d grundsätzlich nicht schon allein dadurch beeinträchtigt, daß es sich bei einem Teletext-System u m die Ausstrahlung periodisch wiederkehrender Informationen handelt. Ausschlaggebend ist, ob der Empfänger bestimmte Inhalte abrufen kann, die dann sofort oder i n absehbarer Zeit und gerade für i h n übertragen werden. I n diesem Fall findet eine individuelle Auswahl des Senders bzw. eine gezielte Auswahl von seiten des Empfängers statt, u KtK-Telekommunikationsbericht, S. 103. Vgl. auch Edgar F. Scholz, i n : Ratzke (Hrsg.), Bildschirmzeitung, S. 19 ff. 12 Vgl. dazu Witte, i n : Ratzke (Hrsg.), Bildschirmzeitung, insbes. S. 88 ff.
1.
.: I n f o r m a t i o n s d i e n s t e
und
Rundfunkbegriff
m i t dem i n aller Regel auch das Nutzungsentgelt einzeln abgerechnet w i r d 1 3 . Gerade das Phänomen des Nutzungsentgelts zeigt i m übrigen auch, daß Abrufsysteme ihrem Wesen nach als wirtschaftlich nutzbare Informationsdienste angelegt und damit i n eklatanter Weise dem Sachgebiet „Beruf" zugeordnet sind. Auch insofern läßt sich also bei den Abrufdiensten neben ihrem individuell angelegten Charakter eine Affinität zum „Privaten" feststellen. Jedenfalls besteht kein Grund, dieses Berufsfeld ausschließlich öffentlich-rechtlichen Trägern vorzubehalten, was aber bei dem derzeit geltenden (einfach-)gesetzlichen Recht die notwendige Folge wäre, würde man die Informations-Abrufdienste dem Rundfunkbegriff zuordnen. Damit kann zunächst festgehalten werden: Bei aller „Begriffs"»Unsicherheit i m einzelnen sind Informations-Abrufdienste in ihrer Grundstruktur auf individuelle Kommunikation angelegt und haben insgesamt eine Affinität zum „Privaten". Hier müssen die weiteren Überlegungen ansetzen. B. Individualkommunikation — Massenkommunikation — Selektionsbefugnis Individualkommunikation und Massenkommunikation sind „Gegenbilder". M i t der soeben getroffenen Feststellung, daß Informations-Abrufdienste auf Individualkommunikation ausgerichtet sind, liegt zumindest nahe, daß es sich hierbei nicht um Rundfunk (im kulturellrechtlichen Sinn) handelt, weil dieser seinem Wesen nach — wie alle anderen i n Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG angesprochenen Informationsphänomene — unbestritten Massenkommunikationsmittel ist 1 4 . Darauf zielt auch das Merkmal der „Allgemeinheit" i n den Rundfunkbegriffsbestimmungen der Länderrundfunkgesetze. I n Art. 1 des Staatsvertrages über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens heißt es: „Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller A r t . . . " Sind Massenkommunikationsmittel „technische Verbreitungsmittel . . . , die indirekt, öffentlich und einseitig an einen großen Personenkreis Aussagen zur Information, Meinungsbildung und Unterhaltung vermitteln" 1 5 , so geht es bei Individualkommunikation jedenfalls und gerade nicht um einen „großen Personenkreis", um die „Allgemeinheit", um „Masse", der etwas (einseitig) „vermittelt", etwas dargeboten w i r d 1 6 . " Vgl. auch KtK-Telekommunikationsbericht, S. 108; Witte, i n : Ratzke (Hrsg.), Bildschirmzeitung, S. 87 f. 14 Vgl. etwa BVerfGE 12, 205/260: „ . . . gehört der Rundfunk ebenso w i e die Presse zu den . . . modernen Massenkommunikationsmitteln . . . " « Meyer, E v S t L K (1975), Sp. 1531.
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Rundfunkbegriff
Was zunächst das quantitative Unterscheidungsmerkmal der „Aligemeinheit", des „großen Personenkreises" angeht, so ist es als Grobraster und für Entscheidungen i n Extremfällen (etwa herkömmliche Rundfunksendungen einerseits und Telefongespräche andererseits) sicher geeignet. Gerade aber für die hier notwendige Feinabstimmung, für die rechtliche Einordnung neuer Telekommunikationsmittel im Grenzbereich zwischen Massen- und Individualkommunikation, hat sich dieses K r i t e r i u m allein als wenig brauchbar erwiesen 17 . Weiter führt aber das Merkmal „direkte" (gegenseitige) bzw. „indirekte" (einseitige) Vermittlung, das bei der Rundfunkdefinition m i t dem Begriff der „Darbietung" angesprochen wird. Massenkommunikation ist stets indirekte Kommunikation und verläuft durchweg einseitig. Individualkommunikation, „private" Kommunikation dagegen ist auf „Austausch", eben auf Gegenseitigkeit angelegt. Der Aufnehmende muß auch zum Aussagenden werden können und umgekehrt 1 8 . Damit läßt sich erwartungsgemäß das Gegensatzpaar MassenkommunikationIndividualkommunikation einordnen i n die hier von Anfang an getroffene Unterscheidung zwischen „einseitig" und „zweiseitig" angelegter Kommunikation. Diese Unterscheidung ist nunmehr durch die Erkenntnis zu vertiefen, daß es hierbei um die Frage der Programmgestaltungsfunktion, also u m die Beeinflussung des Informationsinhalts durch den Sender, den Empfänger oder durch beide geht. I m Mittelpunkt des Interesses steht dabei die i n der Gestaltungsbefugnis liegende Selektionsmöglichkeit. C. Die Selektionsbefugnis als entscheidendes Kriterium Das Wesen der herkömmlichen Rundfunkdarbietungen besteht bekanntlich darin, daß das Dargebotene einseitig durch den Sender gesteuert und innerhalb einer vom Sender bestimmten Zeiteinheit verteilt wird, die Programmgestaltungsfunktion also allein beim Rundfunkunternehmen liegt. Der Empfänger hat darauf keinen Einfluß, er ist nur Konsument 1 9 . Diese einseitige Programmbestimmungsbefugnis ist es aber nun, die nicht nur den Rundfunkbegriff substanziell prägt, sondern darüber hinaus nach allgemeiner Meinung und insbesondere 16 Steinmann, Massenmedien, S. 13 f.; etwa auch Lieb, Kabelfernsehen, insbes. S. 143 ff., jeweils m. w. N. 17 Ebenso etwa Lerche, Rundfunkmonopol, S. 29 f. u n d Lieb, Kabelfernsehen, S. 147 f. m. w. N. 18 Steinmann, Massenmedien, S. 14. 19 Meinungsumfragen als mittelbare u n d unverbindliche Ex-post-„Einfluß"möglichkeiten können aus naheliegenden Gründen außer Betracht bleiben, gleichgültig, ob sie über einen Rückkanal erfolgen oder auf andere Weise.
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Rundfunkbegriff
auch nach Auffassung des BVerfG die „institutionelle Freiheit" des modernen Massenkommunikationsmittels Rundfunk so „wichtig" macht. Dabei geht es nicht allein darum, daß der Rundfunk überhaupt Einfluß auf die öffentliche Meinung nimmt und diese öffentliche Meinung mitgestaltet. Die Bewertung des Rundfunks als einen „eminenten ,Faktor'" der öffentlichen Meinungsbildung (durch Nachrichtensendungen, politische Kommentare, Hörspiele etc.) i m Fernsehurteil des BVerfG 2 0 ist vor allem auf die Selektionskompetenz des Rundfunks zurückzuführen: „Jedes Rundfunkprogramm w i r d durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben, insbesondere soweit es um die Entscheidung darüber geht, was nicht gesendet werden soll, was die Hörer nicht zu interessieren braucht, was ohne Schaden für die öffentliche Meinungsbildung vernachlässigt werden kann, und wie das Gesendete geformt und gesagt werden soll." Diese tiefgreifenden Möglichkeiten der Meinungsbeeinflussung, die — pointiert ausgedrückt — nur das zur Information, zur Meinung, zum Ereignis werden lassen, über das berichtet wird, diese weitreichenden Möglichkeiten sind es letztlich, die zu der Forderung führen, daß der Rundfunk „weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert" werden darf, die zu der bekannten institutionellen Absicherung der Rundfunkfreiheit durch das BVerfG geführt hat 2 1 . Besonders eklatant w i r d diese Verbindung i n dem Satz, der unmittelbar auf die Beschreibung der Selektionsbefugnisse des Rundfunks folgt: „Bei solcher Betrachtung w i r d deutlich, daß für den Rundfunk als einem neben der Presse stehenden . . . Massenkommunikationsmittel und Faktor der öffentlichen Meinung die institutionelle Freiheit nicht weniger wichtig ist als für die Presse 20 ." Daraus kann geschlossen werden: hat der Sender die Programmgestaltungsbefugnis nicht allein und fehlt es dabei vor allem an der einseitigen Selektionskompetenz, so handelt es sich nicht um Rundfunk i. S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. des Art. l i l a BV. Vor allem bedarf es keiner institutionellen Sicherung via pluralistische Binnenstruktur wie bei der Rundfunkfreiheit, w e i l es an der selektiven Darbietung an die Allgemeinheit fehlt. Es handelt sich nicht um Massenkommunikation. Beim Informationsabruf mittels „Rückkanal" (im weitesten Sinne) entscheidet der Benutzer darüber, ob und welche Informationen er abruft und wann er dies tut. Die abgerufenen Inhalte, die unterschiedlichster A r t sein können (Sachinformation, Unterhaltung, Bildung u. a.), werden gezielt an den jeweiligen Besteller übertragen. Die Tatsache möglicher Parallelübertragungen an andere Be20 BVerfGE
12, 205/260 f.
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12, 205/262 f.
BVerfGE
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und
Rundfunkbegriff
nutzer, die — eher zufällig — die gleichen Inhalte zur gleichen Zeit abrufen, ändert nichts an der Bestimmungsfunktion des Abrufenden. Nun kann man freilich nicht sagen, daß die Programmgestaltung hier allein beim Benutzer läge. Vielmehr hat der Funkdienstunternehmer die prinzipielle Dispositionsbefugnis darüber, welche Informationen überhaupt abrufbar sind. Man könnte auch sagen: das potentielle Programm liegt einseitig i n seiner Bestimmungsgewalt. Das führt zu der Frage, wie hier i m Hinblick auf die Massenkommunikaton zu gewichten ist. Kommt es mehr auf die Bereitstellung oder mehr auf die Aktivierung der Information an? Prinzipiell w i r d man davon ausgehen können, daß es allein auf die Aktivierung der Information ankommt. Auch „ruhende" Informationen können natürlich potentiell gefährlich sein. Eine konkrete Gefährlichkeit liegt aber erst i n der Aktivierung. Und wenn diese Aktivierungsmöglichkeit individuell angelegt ist bzw. nur einzelne Benutzer thematisch gezielt abrufen können, dann kann jene „Gefährlichkeit", die i n der Selektionsbefugnis des Senders gegenüber der Allgemeinheit und eben darum i n der Massenkommunikation liegt, nicht akut werden. Offenkundig dürfte die Richtigkeit dieser Konzeption vor allem dann sein, wenn das Informationsangebot des Funkdienstbetreibers tendenziell vollständig ist, also (objektiv) erkennbar die Vollständigkeit des Angebots angestrebt wird, wie etwa i n Bibliotheken oder Filmbildstellen. I n diesem Fall ist die Kommunikation eindeutig individuell ausgerichtet. Der einzelne Benutzer entscheidet, was er wann unter einem tendenziell unbegrenzten Informationsangebot unter welchen Selektionsgesichtspunkten auswählt. Die Tatsache, daß das Angebot von S e i t e n des Senders schon „vorgefertigt" ist, ändert an dem individuellen Charakter der Kommunikation nichts. Die angestrebte Vollständigkeit des Angebots kann auch thematisch begrenzt sein. Allerdings darf es sich hierbei nicht um willkürliche Auswahl handeln. Die Begrenzung muß sachbezogen sein, es muß sich um objektiv hinreichend bestimmbare Fachbereiche handeln, also etwa um Dokumentation (aus dem Bereich der Politik oder/und des Sports oder/und der klassischen Musik usw.), u m Unterhaltung, um Bildung, u m Ausbildung u. ä. m. I n jedem Fall muß i m Rahmen des einzelnen Fachbereichs Vollständigkeit angestrebt werden, vergleichbar etwa m i t Fachbiliotheken und ähnlichen Einrichtungen. Als Ergebnis kann damit festgehalten werden, daß der Informationsabrufdienst m i t den soeben dargestellten Charakteristika nicht unter den Rundfunkbegriff i. S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einzuordnen ist. Als entscheidendes K r i t e r i u m wurde dabei die fehlende Selektionsbefugnis auf seiten des Funkdienstunternehmers genannt.
2. A b s c h n . : D i a l o g v e r k e h r u n d R u n d f u n k b e g r i f f
189
2. Abschnitt
Dialogverkehr und Rundfunkbegriff Nach den i m 1. Abschnitt zum Informationsabruf dienst entwickelten Kriterien bedarf es keiner näheren Ausführungen mehr, daß es sich auch und erst recht beim Teletext-Dialogverkehr um typische Individualkommunikationen handelt, die nicht Rundfunk ist. Der Dialogverkehr ist dadurch charakterisiert, daß der einzelne Teilnehmer m i t der Zentrale und, i n einer höher entwickelten Stufe, sogar m i t jedem anderen, an das System angeschlossenen Teilnehmer, über Bildschirm kommunizieren kann 2 2 . Vor allem bei Verwendung von breitbandigen Rückkanälen ermöglichen diese neuen Techniken also noch wesentlich mehr A k tivitäten von Seiten des Empfängers, genauer: des Teilnehmers. Der Dialog mit der Zentrale ist vor allem i m Bildungs- und Ausbildungsbereich interessant, so ζ. B. für interaktive Lernprogramme und ähnliche Kommunikationen. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich auch für personalintensive Verwaltungsbereiche, insbesondere auf kommunaler Ebene. Ein Vergleich m i t dem herkömmlichen Telefongespräch (ggfs. m i t Bildübertragung) liegt nahe. Beim Dialogverkehr w i r d zwar von der Zentrale her noch i n aller Regel eine gewisse Thematik (ζ. B. „Englischstunde") vorgegeben; die inhaltliche Ausgestaltung der „Sendung" aber ist von vornherein weitgehend disponibel. Ihre Gestaltung erfolgt interaktiv und dynamisch zwischen den Beteiligten. Die Gestaltungsbefugnis w i r d im Rahmen der Sendung ständig neu verteilt. Die Frage (einseitiger) Selektionskompetenz stellt sich gar nicht und von einseitiger „Verteilung" an eine „Masse" kann keine Rede sein. Dies gilt verstärkt für den Dialog mit anderen Teilnehmern (ggfs. m i t Konferenzschaltung). Die „Zentrale" w i r d hier eher zur bloßen Vermittlungsstelle. I n jedem Fall gehört der Teletext-Dialogverkehr nicht zum Rundfunk. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG findet keine Anwendung.
22
Dazu oben Einleitung, Ε, I I , 2 sowie Zweiter Teil, Vorbemerkung.
190
I I . 1. K a p . : A n d e r e I n f o r m a t i o n s d i e n s t e
und
Rundfunkbegriff
3. Abschnitt
Materialisierte Teletexte und Rundfunkbegriff A. Das Wesen der materialisierten Teletexte und ihre Anwendungsformen Unter den Begriff „materialisierte Teletexte" sind alle diejenigen technischen Möglichkeiten einzuordnen, bei denen die Informationsübermittlung zwar durch Funkdienst bzw. „immateriell" erfolgt, der Empfänger aber (zumindest auch) die Möglichkeit hat, den Ubermittlungsinhalt gleichzeitig unmittelbar auf Papier materialisiert ( = ausgedruckt) zu bekommen 23 . Unerheblich ist hierbei die technische Ausgestaltung der Übertragung i m einzelnen („Austastlücke" oder besonderer Kanal). Von Bedeutung ist vor allem, daß materialisierte Teletexte vom Begriff her inhaltlich „diffus" sind. Wie bereits i n der Vorbemerkung zum Zweiten Teil festgestellt wurde, kann das Endprodukt ebenso Ergebnis eines Informationsabrufes oder eines Dialogverkehrs wie reiner Informationsverteilung sein. Fernkopieren gehört ebenso hierher wie der Ausdruck von abrufbaren Daten aller A r t (Abfahrts- und Ankunftszeiten von Zügen, Omnibussen oder Flugzeugen; behördliche Informationen; Lotto- und Totogewinnzahlen u. a. m.) 2 4 . Materialisierte Teletexte werfen daher grundsätzlich keine i n diesem Zusammenhang relevanten spezifischen Rechtsprobleme auf. Etwas anderes gilt dann aber, wenn das Endprodukt als solches, die Gestaltungsform also, rechtliche Qualität besitzt. Das ist bei der sog. „Faksimile-Zeitung" bzw. der „Heim-Faksimile-Zeitung" der Fall. B. Insbesondere: die Faksimile-Zeitung 1. Die Faksimile-Zeitung ist eine Sonderform des Fernkopierens. Das technische Prinzip der Faksimile-Zeitung besteht darin, daß Zeitungstexte über Funk vermittelt werden, die beim Empfänger mittels eines angeschlossenen Druckautomaten auf Spezialpapier ausgedruckt werden, so daß der Empfänger eine „normale" Zeitung erhält 2 5 , die er dann überall hin mitnehmen kann. Dies stellt das „Grundmodell" der Faksimile-Zeitung dar. I n der einfachsten Form w i r d einmal täglich (nur) eine Zeitung übermittelt, deren Abonnenten die Inhaber eines entsprechenden 28
Dazu oben Einleitung, E, I I I sowie Zweiter Teil, Vorbemerkung. Z u technischen Einzelheiten des „Fernkopierens" vgl. etwa Drechsel, VOP 1978, S. 46 ff. u n d KtK-Telekommunikationsbericht, S. 83 ff. 2 ® Vgl. KtK-Telekommunikationsbericht, S. 100 f. 24
3. A b s c h n . : M a t e r i a l i s i e r t e T e l e t e x t e u n d R u n d f u n k b e g r i f f
191
Empfangs-(Druck-)Apparates sind. Vielfältiger ist das System dann, wenn (ζ. B.) täglich mehrere Zeitungen ins Netz eingegeben werden und beim Empfänger dann signalgesteuert diejenige Zeitung ausgedruckt wird, die er bestellt hat. Hierbei kann durch entsprechende Vorkehrungen sichergestellt werden, daß auch nur diejenigen Zeitungen ausgedruckt werden, für die der Empfänger bezahlt bzw. die er bestellt hat. Dies ist ζ. B. dadurch möglich, daß der Empfänger nur ein entsprechend programmiertes Empfangsgerät besitzt oder Schlüssel- bzw. Dekodereinrichtungen hierfür Sorge tragen. Besteht ein „Rückkanal" (im weitesten Sinn), so ist es möglich, daß der Benutzer täglich oder für längere Zeiträume seine Zeitung „bestellt". Dabei ist es denkbar — und wohl auch am einfachsten —, daß die verschiedenen Zeitungstexte einmal täglich ins Netz eingespeist werden, der Empfangsdrucker auf ein bestimmtes Adress-Signal h i n eingeschaltet w i r d und die bestellte Zeitung ausdruckt. Daneben könnte bei anderer technischer Ausgestaltung der Benutzer eine bestimmte Zeitung auch auf Abruf hin ausdrucken lassen. Dabei wäre es zum einen möglich, daß die entsprechenden Sendesignale wiederkehrend innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitintervalls ins Netz gegeben werden, so daß der Benutzer bei Abruf höchstens die Dauer dieses Zeitintervalls abwarten muß, bis die gewünschte Zeitung ausgedruckt wird. Zum andern ist es aber auch denkbar, daß die abrufbaren Zeitungstexte wie beim Informationsabrufdienst bei einer Zentrale bereitstehen und auf individuellen Abruf hin an den Besteller übermittelt werden. Technisch naheliegend ist es schließlich, zusätzlich den Bildschirm als Sichtgerät anzuschließen, so daß der Benutzer zugleich die Zeitung als Text auf dem Bildschirm hat wie auch auf Papier ausgedruckt erhalten kann. Bei dieser Technik ist es auch möglich, daß der Benutzer die auf dem Bildschirm erscheinenden zentral- oder individualselektierten Texte jeweils einzeln durch entsprechende Steuerung des Druckers ausdrucken läßt. Er bräuchte dann also nicht die komplette Zeitung, sondern nur i h n interessierende „ A r t i k e l " abnehmen. Angesichts der Tatsache, daß das Spezialpapier für den Ausdruck bei dieser technischen Realisationsmöglichkeit den finanziell maßgebendsten Faktor darstellt, dürfte dies auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll sein. 2. Was die rechtliche Beurteilung des technischen Phänomens „Faksimile-Zeitung" betrifft, so w i r d man auch bei Beachtung aller technischen und rechtlichen Differenzierungsmöglichkeiten i m Ergebnis nicht umhin können, die Faksimile-Zeitung als echte Zeitung zu werten und sie dementsprechend dem Pressebegriff i. S. des A r t . 5 Abs. 1
192
I I . 1. K a p . : A n d e r e I n f o r m a t i o n s d i e n s t e
und
Rundfunkbegriff
Satz 2 GG einzuordnen. Denn vermittelt werden soll eine Zeitung, und was beim Empfänger ankommt, ist ebenfalls eine Zeitung. Daß der Empfänger (aus ökonomischen Gründen) auf einen Ausdruck verzichten und sich m i t dem flüchtigen Fernsehbild begnügen kann, ist unerheblich. Entscheidend muß sein, daß der übermittelte Inhalt auf Ausdruck angelegt ist, als auf ein Endprodukt, das als solches die Rechtsqualität „Presse" besitzt. Selbst der Rundfunkreferentenbericht 26 , der ansonsten durch eine sehr extensive Auslegung des Rundfunkbegriffs gekennzeichnet ist, verzichtet auf eine Zuordnung der Faksimile-Zeitung zum Rundfunkbegriff, weil diese A r t der Verbreitung „nicht zum unmittelbaren (optisch-akustischen) Empfang der Darbietung bestimmt ist, sondern nur der technischen Umsetzung der Darbietung i n ein Druckwerk dient". Natürlich kann man dieses Ergebnis und seine Begründung problematisieren. So könnte man ζ. B. und vor allem darauf hinweisen, daß die Kommunikationsform „Rundfunk" einerseits und „Presse" andererseits entsprechend ihrer historischen Entwicklung durch die Art der Übertragung voneinander abgegrenzt werden 2 7 und daß gerade auch die Verwendung dieser beiden Begriffe i n Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vor dem Hintergrund historischer Begriffsbildung zu sehen ist 2 8 . Danach ist signifikantes Merkmal des Rundfunks herkömmlicherweise der Fernmeldevorgang als Ubertragungsmittel, während die Presse wesentlich dadurch gekennzeichnet wird, daß der Nachrichtenrezipient einen mechanisch transportierten körperlichen Informationsträger, eben die „Zeitung" erhält. Wenn bei der Faksimile-Zeitung beide signifikanten Kriterien kumulieren, so spricht dies aber nicht gegen das oben gefundene Ergebnis, das Folge einer notwendigen, an der „Sachnähe" orientierten Akzentsetzung ist. Sehr w o h l aber spricht es dafür, daß die neuen Techniken alte Dogmen aufbrechen und (auch) rechtlich neue Denkkategorien fordern. Dabei sollte man freilich nicht sogleich die allenthalben probat erscheinende „sui-generis-Lösung" ansteuern, solange sich die neuen Probleme noch i m Rahmen alter und bewährter Begriffe lösen lassen. Das ist hier der Fall. Aber gerade das Phänomen der Faksimile-Zeitung, die als Presse der privatrechtlich strukturierten Medienlandschaft zugehört und doch über den Rundfunk „transportiert" wird, zeigt die heute und noch mehr für die Zukunft zwingend notwendige Annäherung der beiden Organisationsformen, w i l l man nicht auch noch die Presse „verstaatlichen". Eine derartige „Entprivatisierung" 2
« Siehe Anlage 2. Vgl. etwa Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 48. 28 Vgl. i n diesem Zusammenhang etwa BVerfGE 27, 71/80 ff. u n d H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 33. 27
H a u p t e r g e b n i s s e des 1. K a p i t e l s
193
29
wäre m i t der oben nachgewiesenen Präponderanz der individualrechtlichen Komponente des Art. 5 Abs. 1 und des A r t . 12 Abs. 1 GG schlechterdings unvereinbar.
Hauptergebnisse des 1. Kapitels Informationsabrufdienste mittels „Rückkanal" (im weitesten Sinn) fallen nicht unter den Rundfunkbegriff i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Bei ihnen handelt es sich u m eine individuell angelegte Kommunikation, bei der es vor allem an einer Selektionsmöglichkeit von Seiten des „Senders" fehlt. Das Gleiche gilt erst recht für den Teletext-Dialogverkehr. Materialisierte Teletexte sind vom Begriff her inhaltlich „diffus". Sie werfen nur insofern rechtliche Probleme auf, als das Endprodukt als solches Rechtsqualität besitzt. Das ist bei der sog. Faksimile-Zeitung der Fall. Sie ist eine echte Zeitung und muß daher dem Pressebegriff i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG eingeordnet werden.
2» Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., D, E u n d 3. Abschn. 13 Schmitt,Glaeser
2. Kapitel
Die neuen Telekommunikationstechniken in verfassungsrechtlicher Sicht
1. Abschnitt
Der Anwendungebereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und des Art. I l l a BV beschränkt sich auf den „klassischen Rundfunkbegriff" Die i n der Uberschrift dieses Abschnitts getroffene Feststellung ist eigentlich nur selbstverständlich und bedürfte keiner weiteren Erwähnung, wenn nicht die Gefahr bestünde, daß die durch das Rundfunkmonopol, ihr Know-how, ihr finanzielles Gewicht, ihre personellen Resourcen und ihre technisch perfekte Ausstattung i m Bereich der Funkdienste privilegierten bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren faktischen „Wettbewerbs"-Vorsprung i n normative Münze schlagen könnten. Wie konkret diese Gefahr ist, zeigt exemplarisch das Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten. Die Beauftragung des Bayerischen Rundfunks m i t der Durchführung des Münchner Pilotprojekts w i r d darin nicht nur m i t A r t . l i l a B V begründet. Darüber hinaus ist dort 3 0 zu lesen: „Das Pilotprojekt stellt gerade in seiner Anfangsphase für die öffentliche Hand bzw. die A l l gemeinheit besonders hohe Anforderungen in finanzieller Hinsicht. Dazu kommt die Schwierigkeit, geeignetes und erfahrenes Personal schon für die Vorbereitung und den Beginn zur Verfügung zu haben, das außerdem nur auf Zeit (Dauer des Versuchs) eingestellt werden kann. Auch aus finanziellen und zeitlichen Gründen ist beabsichtigt, die Trägerschaft für das i n München anzusiedelnde Pilotprojekt dem Bayerischen Rundfunk zu übertragen, der über erfahrenes Personal, umfangreiches Material einschließlich Leistungsschutz und Urheberrechte und ein technisches Potential verfügt." Der des Rund-Funks wegen monopolisierte Rundfunkunternehmer „Bayerischer Rundfunk" soll also i m Bereich des Modellversuchs auch insofern das ausschließliche Betriebsmonopol erhalten, als es sich nicht um Rund-Funk, sondern u m andere Funkdienste handelt. so Einleitung, C.
1. A b s c h n . : A n w e n d u n g s b e r e i c h v o n A r t . 5 A b s . 1 S. 2 G G / A r t . I l l a B V
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Die damit auf den Weg gebrachte, jedenfalls faktische Erweiterung des Rundfunkmonopols, gewinnt noch dadurch an Gewicht, daß das Pilotprojekt weichenstellende Funktion für die Zukunft hat, und zwar nicht nur i n tatsächlicher, sondern auch i n rechtlicher Hinsicht 3 1 . Der „Bedeutungswandel" 32 des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG i m Hinblick auf den Rundfunkbegriff scheint hier i m Ansatz schon vorprogrammiert zu sein, zumal die neuen Telekommunikationstechniken die herkömmlichen Denkkategorien ohnehin problematisieren 33 . Zum einen w i r d die bislang auf Grund des „weiten Abstandes" verhältnismäßig eindeutige Grenzziehung zwischen Rundfunk und Presse durch die Kombination spezifischer Merkmale beider Medien zunehmend verwischt. Zum anderen greifen technische Realisationen, deren Ursprungsfeld i m (technisch zu sehenden) „Rundfunkbereich" i m weiteren Sinne liegt, über i n das Gebiet der Individualkommunikation, emanzipieren sich dadurch vom Massenkommunikationsmittel Rundfunk und müssen dementsprechend anderen Rechtsbezügen zugeordnet werden, ohne daß sie damit ihren „Nestgeruch" ganz verlieren. Es muß daher m i t aller Deutlichkeit klar gemacht werden, daß der Begriff „Rundfunk" i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG substanziell indisponibel ist und von seinem Wesen her vor allem als Massenkommunikationsmittel m i t Selektionskompetenz gekennzeichnet w i r d 3 4 . N u r für diesen so verstandenen „Rundfunk" gilt die Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, und nur für diese A r t von Rundfunk kann daher überhaupt jene institutionalisierte Sicherung durch eine binnenpluralistisch^ Organisationsform gelten, wie sie die derzeitigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufweisen. Für Funkdienste anderer A r t gilt die i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Rundfunkfreiheit nicht, und zwar weder i n ihrer individuellen noch i n ihrer institutionellen Komponente. Sie werden daher auch von vornherein nicht vom Rundfunkmonopol erfaßt. Daraus ergibt sich, daß eine ausschließliche Zuweisung aller Funkdienste bzw. der Gesamtdurchführung des Münchner Pilotprojekts an die öffentlich-rechtliche Anstalt „Bayerischer Rundfunk" (und/oder eine andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt) jedenfalls insofern weder m i t A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch m i t Art. l i l a Abs. 2 B V gerechtfertigt werden kann, als es u m den Betrieb bzw. die Erprobung von Funkdiensten geht, die nicht Rundfunk i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG/Art. I l i a B V sind. 3 1 Dazu Einleitung, D, I I I . 32 Vgl. dazu etwa BVerfGE 2, 380/401; E 3, 407/422 sowie K . Hesse, G r u n d züge, § 1 I I I 5 b (S. 18 ff.). s» Dazu Zweiter Teil, 1. Kap., 3. Abschn., B, 2. Vgl. auch W. Kaiser u. α., Kabelkommunikation, S. 17 ff., 79 ff. 34 Dazu Zweiter Teil, 1. Kap., 1. Abschn., C. 13·
196
I I . 2. K a p . : N e u e T e l e k o m m u n i k a t i o n s t e c h n i k e n u n d V e r f a s s u n g
2. Abschnitt
Die Dominanz der privatrechtlichen Unternehmen Scheidet i m Bereich der neuen Telekommunikationsdienste bzw. jener Funkdienste, die nicht Rundfunk sind, ein Betriebsvorbehalt für öffentlich-rechtliche Träger aus, so ist dieses Tätigkeitsfeld i n erster Linie und grundsätzlich unbeschränkt dem einzelnen, dem Individuum, dem privatrechtlichen Unternehmen geöffnet. I n einer Staatsordnung, i n deren Mittelpunkt der Mensch und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit steht (vgl. insbes. Art. 1, 2 Abs. 1 GG), erscheint der einzelne, die „Zivilperson" geradezu als der geborene Träger eines Kommunikationskomplexes, der seine verfassungsrechtliche Basis und grundrechtliche Absicherung vor allem i n Art. 5 Abs. 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG hat. Sowohl bei A r t . 5 Abs. 1 als auch bei A r t . 12 Abs. 1 GG muß allerdings gesehen werden, daß zwar einerseits grundsätzlich jede A r t der Übermittlung und des Empfangs von Informationen (Art. 5 Abs. 1 GG) bzw. der beruflichen Betätigung (Art. 12 Abs. 1 GG) geschützt wird, andererseits aber der hier i n Frage stehende Betrieb von Fernmeldeanlagen ausschließlich dem Bund bzw. der Deutschen Bundespost zusteht (§ 1 FAG), wobei die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen an Dritte (auch an Private) übertragen werden kann (§ 2 FAG). Diese Frage braucht i n diesem Zusammenhang aber nicht vertieft zu werden. Es genügt der Hinweis, daß zwar kein subjektives (materielles) Recht auf Zulassung zum Fernmeldenetz und ebensowenig ein derartiger Anspruch auf eine Genehmigung nach § 2 F A G besteht. Die Behörde muß jedoch ihr Ermessen fehlerfrei ausüben und sie kann eine Ablehnung i m wesentlichen nur m i t sendetechnischen Gründen rechtfertigen 35 . Hier geht es nicht darum, ob in dem einen oder anderen konkreten Fall eine Zulassung zum „Netz" erfolgen muß, sondern um die Grundsatzfrage der Organisationsstruktur i m Bereich der neuen Telekommunikationsdienste, die nicht Rundfunk sind. U n d insofern ändert das Funkregal an der Dominanz privatrechtlicher Unternehmen nichts. Ihre verfassungsrechtliche Gewährleistung soll i m folgenden wenigstens in Grundzügen nachgewiesen werden. Was zunächst die Informationsabrufdienste betrifft, so kann die Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 1 GG nicht zweifelhaft sein. Was die 35 Vgl. dazu jüngst H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 95 ff. m. w. N. Vgl. auch die grundsätzlichen Ausführungen von Herzog, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNrn. 64 ff. zu A r t . 51. Siehe auch oben Erster Teil, 2. Kap., 1. Abschn., sowie unten D r i t t e r Teil, 2. Kap., 2. Abschn.
2. A b s c h n . : D o m i n a n z d e r p r i v a t r e c h t l i c h e n U n t e r n e h m e n
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Seite des „Senders", also des Bereitstellers der abrufbaren Daten angeht, so handelt es sich um eine Meinungsäußerung i n „Wort, Schrift und Bild" i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wobei die Äußerungsformen natürlich auch alternativ (Wort oder Schrift oder Bild) auftreten können. Daß es dabei u m nicht-wertende Betrachtungen geht, spielt für den Begriff der Meinungsäußerung keine Rolle. Das habe ich bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt 36 . Die Meinungsfreiheitsgarantie des A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist „ein Recht des einzelnen zur freien Mitteilung an andere i m weitesten Sinne des Wortes" 3 7 . Unter Äußerung i n „Wort, Schrift und Bild" ist auch die Übertragung mittels elektromagnetischer Wellen über Kabel, ζ. B. auf einen Bildschirm, zu verstehen 38 . Das Recht auf Gründung und Betrieb eines Informationsabrufdienstes w i r d noch durch Art. 12 Abs. 1 GG verstärkt. Wie bereits i m einzelnen ausgeführt 39 , schützt diese Grundrechtsbestimmung jede erlaubte sinnvolle wirtschaftliche Betätigung. Beim Informationsabrufdienst w i r d der Betreiber durchweg Entgelte für seine Dienste erheben. Damit beabsichtigt er — gleichgültig ob natürliche oder j u r i stische Person — diese Tätigkeit zur wirtschaftlichen Grundlage seiner Lebensführung zu machen 40 . Daß i n der Bundesrepublik ein diesbezügliches „Berufsbild" noch nicht existiert, ist unerheblich. Inwieweit schließlich „jedermann" einen Anspruch auf Benutzung privatrechtlicher Informationsabrufdienste hat, braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Dies ist i n erster Linie eine zivilrechtliche Frage, wobei allerdings eine evtl. D r i t t w i r k u n g des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 i n Verb, m i t Art. 3 Abs. 1 GG und dem aus dem Sozialstaatsprinzip entspringenden Daseinsvorsorgegebot Bedeutung erlangen kann. Dem Staat gegenüber könnte sich der (potentielle) Benutzer eines bestehenden Informationsabrufdienstes jedenfalls auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 (letzter Halbs.) GG berufen, weil es sich dabei um eine „allgemein zugängliche Quelle" handelt. Diese hier besonders akzentuierte „Kehrseite" der Meinungsäußerungsfreiheit muß auch noch als ein weiterer Grund dafür angesehen werden, daß der Staat die Möglichkeit einer Erweiterung der Informationspalette durch privatrechtliche Informationsabrufdienste nicht hindern darf. Auch hier gilt der bekannte Ausspruch von Adolf A r n d t : „ Z u öffnen sind alle Schleusen der Informationskraft. Jede Informa-
3β W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 68 ff. m. w. N. 37 Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 55 zu A r t . 51. 38 Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 70 zu A r t . 51. 3» Erster Teil, 3. Kap., 3. Abschn., A . 40 Vgl. etwa BVerfGE 7, 377/397.
198
I I . 2 . K a p . : Neue Telekommunikationstechniken u n d Verfassung
tionsbehinderung schwächt die Demokratie, weil sie die Fähigkeit zu der auf jedermann lastenden Mitverantwortlichkeit mindert 4 1 ." Bei den Dialogverkehrsdiensten ist die verfassungsrechtliche Lage i m wesentlichen nicht anders als bei den Informationsabrufdiensten. Dies gilt vor allem i m Hinblick auf A r t . 12 Abs. 1 GG. Auch der (kommerzielle) Betrieb einer Dialogverkehrszentrale kann zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung einer (natürlichen oder juristischen) Person gemacht werden. Was A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 (letzter Halbs.) GG betrifft, so kann dieses Grundrecht auf Informationsfreiheit i m Rahmen des Dialogverkehrs mit der Zentrale auch für den Betreiber i n Betracht kommen, weil er m i t dem „Empfänger" interaktiv kommuniziert (wechselseitiger Informationsaustausch). Allerdings erscheint es fraglich, ob dies auch bei einem nicht mehrseitigen Dialog zutrifft 4 2 . Jedenfalls aber greift A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 GG insofern ein, als er auch das Recht garantiert, Meinungen anderer empfangen zu können 4 3 . Beim Dialogverkehr zwischen mehreren (privaten) Teilnehmern ist zu beachten, daß der Betreiber der Anlage reiner „Vermittler" ist, also Meinungen weder äußert noch empfängt, so daß für ihn nur A r t . 12 Abs. 1 GG i n Betracht kommt 4 4 . Was schließlich die Faksimile-Zeitung angeht, so handelt es sich hierbei — wie oben 45 nachgewiesen — u m eine echte Zeitung, also um „Presse" i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie steht damit unter dem dort verankerten grundrechtlichen Schutz. Daraus ergibt sich auf jeden Fall, daß diese A r t des Funkdienstes vornehmlich durch privatrechtliche Unternehmer zu begründen und zu betreiben ist. I n der Spiegelentscheidung des BVerfG 4 6 w i r d sogar ausgeführt: „So wichtig die dam i t der Presse zufallende ,öffentliche Aufgabe' ist, so wenig kann diese von der organisierten staatlichen Gewalt erfüllt werden. Presseunternehmen müssen sich i m gesellschaftlichen Raum frei bilden kön41 Siehe dazu Kuli, Kabelfernsehen u n d Rundfunkfreiheit, i n : rot angestrichen, Nr. 28, M a i 1976, S. 5. Vgl. außerdem etwa W. Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 480 m. w . N. u n d Herzog, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, R d N r n . 8 4 f f . zu A r t . 51; BVerfGE 27, 71/81. 42 Vgl. dazu etwa Lerche, E v S t L K (1975), Sp. 1005, der auf die Wülensrichtung des Äußernden abstellt. Vgl. auch Herzog, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog /Scholz, Grundgesetz, RdNrn. 90 ff. zu A r t . 51. 43 W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 63 ff. m . w . N . Siehe auch oben Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., D, I V . 44 N u r am Rande sei noch erwähnt, daß bei allen Funkdiensten der genannten A r t neben A r t . 5 Abs. 1 u n d A r t . 12 Abs. 1 G G noch weitere G r u n d rechtsbestimmungen i n Betracht kommen können, w e n n spezifische Inhalte vorliegen; hinzuweisen ist auf A r t . 4 Abs. 1 u n d 2, A r t . 5 Abs. 3 sowie A r t . 7 Abs. 4 Satz 1 GG. 45 Zweiter Teil, 1. Kap., 3. Abschn., B. 4 « BVerfGE 20, 162/175.
H a u p t e r g e b n i s s e des 2. K a p i t e l s
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nen. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und i n privatrechtlichen Organisationsformen . . . " Ob das BVerfG m i t dieser Aussage jede A r t öffentlich-rechtlicher Organisationsform für Presseunternehmen unbedingt ausschließen wollte, mag insofern fraglich erscheinen, als es i m Fernsehurteil eine „Einflußnahme des Staates" unter gewissen Umständen nicht völlig ausschließt 47 und es immerhin auch „Staatszeitungen" gibt. Die Dominanz des privatrechtlichen Unternehmens w i r d aber jedenfalls bei der Faksimile-Zeitung besonders eklatant.
Hauptergebnisse des 2. Kapitels Die Besonderheit der „neuen Medien" besteht nicht allein darin, daß sie das Kabel anstelle der L u f t als Transportmittel wählen. Vor allem inhaltlich unterscheiden sich die neuen Medien vom herkömmlichen Rundfunk. Der „Empfänger" w i r d vom passiven Konsumenten zum Mitgestalter „seines" Programms. So sehr der Rundfunkbegriff substanziell indisponibel ist, so wenig ist es möglich, etwa i m Wege eines „Bedeutungswandels" des Begriffs, auch die neuen Funkdienste dem Rundfunkmonopol zu unterstellen und damit alle Funkdienste ausschließlich vom Bayerischen Rundfunk oder einer anderen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt betreiben zu lassen. Gründung und Betrieb von Funkdiensten, die nicht Rundfunk sind, stehen sogar i n erster Linie privatrechtlichen Unternehmern zu. Verfassungsrechtlich w i r d dieser Anspruch durch A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG gestützt. Bei der Faksimile-Zeitung gilt die Pressefreiheitsgarantie des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG; hier w i r d die notwendige Dominanz der privatwirtschaftlichen Struktur besonders deutlich.
47 BVerfGE
12, 2 0 5 / 2 6 0 .
DRITTER TEIL
Das privatrechtliche Unternehmen als Teilnehmer am „Münchner Pilotprojekt" Vorbemerkung Der Dritte Teil ist i m wesentlichen ein Teil der „Schlußfolgerungen". Die i m Ersten und Zweiten Teil für die allgemeine Situation i m Bereich der kabelgebundenen Telekommunikation, der Informationsverteildienste einerseits, die dem Rundfunkbegriff unterfallen, und der übrigen Kommunikationsdienste i m Funkbereich andererseits, die nicht Rundfunk sind, die für diese allgemeine Situation gefundenen rechtlichen und insbesondere verfassungsrechtlichen Ergebnisse gilt es nunmehr für die spezielle Situation beim Modellversuch des „Münchner Pilotprojekts" auszuwerten. Wenn dabei nach der Teilnehmerschaft privatrechtlicher Unternehmen gefragt wird, so geht es nicht mehr darum, ob eine privatrechtliche Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlichrechtlichen Trägerschaft möglich ist. Ihre Zulässigkeit wurde gerade auch i m Hinblick auf A r t . I l i a Abs. 2 Satz 1 B V für die Informationsverteildienste schon bejaht 1 . Gleiches gilt (erst recht) für andere Funkdienste, die nicht dem Rundfunkbegriff unterfallen. Ebensowenig geht es hier u m privatrechtliche Unternehmen als Rundfunkunternehmen, die, in ähnlicher Weise wie die bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, eine pluralistische Binnenstruktur nach dem Modell der relevanten gesellschaftlichen Kräfte aufweisen. Wie i m einzelnen dargelegt 2 , werden zwar auch solche privatrechtlichen Unternehmen durch Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V jedenfalls für den Bereich der Informationsverteildienste (nicht für die übrigen Funkdienste) als Rundfunkunternehmen ausgeschlossen. Art. l i l a Abs. 2 Satz 1 B V ist aber insofern wegen Verstoßes gegen die bundesverfassungsrechtliche Bestimmung i n Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig und daher nichtig. Das bedeutet freilich nicht, daß derartige Unternehmen damit automatisch allgemein, oder speziell für das 1 2
Dazu oben Erster Teü, 2. Kap., 3. Abschn. Dazu oben Erster Teil, 3. Kap., 3. Abschn., C.
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I I I . T e i l : P r i v a t e U n t e r n e h m e n u n d das „ M ü n c h n e r
Pilotprojekt"
Münchner Pilotprojekt, als Rundfunkunternehmen zugelassen wären. Art. l i l a Abs. 2 Satz 1 B V gilt i n seiner derzeitigen Fassung so lange, bis er aufgehoben bzw. geändert ist, sei es durch den Verfassunggeber nach A r t . 75 B V oder ein anderes dafür zuständiges Organ (vgl. insbesondere Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a; Art. 100 Abs. 1 GG). Darauf braucht aber nicht näher eingegangen zu werden, weil die insofern anstehenden Fragen von dem sehr viel breiter angelegten eigentlich zentralen Problemkreis dieses Dritten Teils ohnehin mitumfaßt werden. Dieses zentrale Problem bezieht sich auf die Teilnehmerschaft privatrechtlicher Unternehmen m i t eigener Programmverantwortung und ohne binnenpluralistische Organisationsform als Träger von Telekommunikationsdiensten sowohl i m Bereich des Rundfunks als auch i m Bereich anderer Funkdienste. Diese beiden Bereiche werden i m folgenden — entsprechend auch der bisherigen Gliederung in dieser Abhandlung — zunächst getrennt behandelt. A n dieser Stelle verbleibt nur noch darauf hinzuweisen, daß das „Denkmodell" zum Münchner Pilotprojekt, wie es i m Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten konzipiert ist 3 , keinerlei der hier als notwendig angesehenen Differenzierungen erkennen läßt. Auch eine Aufteilung i n Informationsverteildienste einerseits und die übrigen Funkdienste andererseits w i r d nicht getroffen. Allerdings w i r d i n dem betreffenden Schreiben (unter Buchst, a, aa) die Notwendigkeit einer gewissen Flexibilität erkannt und sogar betont, daß „möglichst alle ernst zu nehmenden Interessenten an dem Versuch teilnehmen können" sollen. A n einer anderen Stelle des Schreibens (unter Buchst, d) w i r d die Absicht kundgetan, „insbesondere den Kabeltext zeitungs- und zeitschriftenspezifischen Inhalts ins Programm aufzunehmen" und schließlich w i r d auch die Einrichtung eines „offenen Kanals" für „jedermann" erwogen, u m der „Selbstdarstellung gesellschaftlich relevanter Gruppen und Einrichtungen . . . i n zusätzlich zu produzierenden lokalen Testprogrammen von Hörfunk und Fernsehen" einen „besonderen Raum" zu bieten. Eine eigene Programmverantwortung oder gar eine Trägerschaft dieses „jedermann" scheint damit aber nicht verbunden zu sein, jedenfalls nicht i m rechtlichen Sinn. Auch auf das Problem der Abgrenzung zwischen Rundfunk und Presse, das sich vor allem hinsichtlich des „Kabeltextes zeitungs- und zeitschriftenspezifischen Inhalts" aufdrängt, w i r d nicht eingegangen. Die weitschichtig-diffizile Rechtsproblematik w i r d auf folgende Sätze (unter Buchst, c) zugeschnitten: „ F ü r Bayern besteht i n A r t . I l l a B V hinsichtlich des Rundfunkwesens eine Sonderregelung, wonach Rundfunk s S i e h e E i n l e i t u n g , C.
I I I . T e i l : P r i v a t e U n t e r n e h m e n u n d das „ M ü n c h n e r P i l o t p r o j e k t "
203
nur i n öffentlicher Verantwortung und öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben werden kann. Die Organisation privaten Rundfunks scheidet daher hier schon aus verfassungsrechtlichen Gründen aus."
1. Kapitel
Der Modellversuch i m Bereich des Kundfunks I n diesem Kapitel geht es um die Teilnahme privatrechtlicher Unternehmen (ohne binnenpluralistische Organisationsstruktur) i m Bereich der Informationsverteildienste, also solcher Kommunikationssysteme, die dem Rundfunkbegriff i m Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und des A r t . I l i a B V unterfallen.
1. Abschnitt
Die grundsätzliche Geeignetheit des Modellversuchs als Basis gesetzgeberischer Prüfungspflicht W i r haben oben 4 festgestellt, daß sich aus der „Dienstleistungspflicht" des Gesetzgebers für die Individualrechte der A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG eine gesetzgeberische Prüfungspflicht ergibt, die darin besteht zu prüfen, ob und inwieweit die verfassungsrechtlich gebotene Meinungsvielfalt i m Rundfunkbereich durch eine Vielzahl privatrechtlicher Unternehmen (neben den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten) auf diesem Mediensektor erreicht werden kann. Von der faktischen Situation her konnte dabei zwar einerseits davon ausgegangen werden, daß nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft zumindest tendenziell eine (völlige) Öffnung der Rundfunkkommunikation für private Unternehmer i m Bereich realistischer Möglichkeit liegt. Andererseits mußte aber auch das Fehlen einer ausreichenden Rechtstatsachenforschung und der Mangel an notwendigen faktischen Daten zur Kenntnis genommen werden. L ü k ken i n der technischen Bestandsaufnahme hatten sich ebenso deutlich gezeigt wie das Fehlen genauer Unterlagen über tatsächlich anfallende Kosten. Zu betonen war vor allem, daß sich die Kosten für weitere Programmveranstaltungen neben den Darbietungen der bestehenden Rundfunkanstalten immer nur abstrakt berechnen lassen, weil (noch) 4 Siehe Erster insbes. D.
Teil, 3. Kap., 2. Abschn., insbes. E, I I I
und 3. Abschn.,
1. A b s c h n . : M o d e l l v e r s u c h u n d gesetzgeberische P r ü f u n g s p f l i c h t
205
nicht voraussehbar ist, wie die Akzeptanz hinsichtlich einer Vermehrung der Programme (auch Teilprogramme) auf lokaler Ebene sein wird. Die Kosten sind wiederum insbesondere abhängig von der A n zahl der Teilnehmeranschlüsse und ggf. der Nutzung. Auch bezüglich der Finanzierung dürfte nur die praktische Erprobung zeigen können, welche A r t (Werbung und/oder Gebühren) günstiger ist und welche Höhe die Einnahmen haben werden. Von diesen finanziellen Fragen w i r d die Anzahl potentieller Rundfunkbetreiber abhängen, so daß sowohl die Möglichkeit besteht, daß mehr als auch, daß weniger Bewerber vorhanden sind als Kanäle bzw. Übertragungswege zur Verfügung stehen. Auch die Verteilung schließlich auf Hörfunk einerseits und Fernsehprogramme andererseits sowie die Frage danach, wieviel Universal- und wieviele Teilprogramme welcher A r t (Sport, Politik, Unterhaltung usw.) angeboten werden, w i r d eine Rolle spielen usw. usw 5 . Diese Fragen werden nur durch die Praxis selbst zu beantworten sein und alle diese Antworten werden eine mehr oder minder große Rolle für die eigentlich entscheidende Frage spielen, ob die verfassungsrechtlich gebotene Meinungsvielfalt i m Rahmen einer (auch) privatwirtschaftlichen Strukturierung des Rundfunks zu erreichen ist. Es geht also u m die „Probe aufs Exempel". Das Wie der „Erprobung" ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers und seines pflichtmäßigen Ermessens. Er beabsichtigt den Weg des Modellversuches zu gehen. Denkbar wären auch andere Wege. So ζ. B. der schrittweise Ausbau der Medienpluralität i m Rundfunkbereich. Es könnte etwa damit begonnen werden, über ein stufenweise auszubauendes Kabelnetz die heute normalerweise empfangbaren drei Programme auf das drei- bis vierfache zu steigern, was sowohl technisch möglich als auch von der Programmseite her machbar wäre, wenn alle deutschen Regionalprogramme sowie das schweizerische und österreichische Fernsehprogramm eingespeist werden. Gleichzeitig müßten auf regionalem und lokalem Bereich unter Mitbenutzung der bereits bestehenden Gemeinschaftsantennenanlagen privatrechtliche Unternehmen zugelassen werden, die sich i n der Anfangsphase vornehmlich auf Teil- bzw. Spezialprogramme konzentrieren könnten. Ein weiterer Schritt wäre — vor allem für den lokalen Bereich — der stufenweise Aufbau anderer Funkdienste, insbesondere der Abruf- und Dialog Verkehrsdienste. Aber auch der beabsichtigte Modellversuch i m Münchner Pilotprojekt ist ein möglicher Weg. I n seiner Grundlage geht es i n diesem Projekt um die Lösung noch offener Fragen in der Praxis, um „Erpro5
D a z u o b e n E r s t e r T e i l , 3. K a p . , 2. A b s c h n . , C., insbes. I V .
2
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Π
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. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h de
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bung". Der Modellversuch ist daher grundsätzlich als Basis gesetzgeberischer Prüfungspflicht geeignet. Wie i m Rahmen der Einleitung schon i m einzelnen dargelegt wurde, sollen nach dem KtK-Telekommunikationsbericht die Modellversuche und damit auch das Münchner Pilotprojekt i n exemplarischer und auf eine eventuelle später vorzunehmende Gesamtverkabelung des Bundesgebiets transferierbaren Weise noch offene Fragen des Bedarfs, der Akzeptanz, der Kostenbereitschaft sowie der Trägerschaft und der organisatorischen Rahmenbedingungen für zukünftige Breitbandverteilnetze erproben. Das i m Brief des Bayerischen Ministerpräsidenten für das Münchner Pilotprojekt entworfene „Denkmodell" ist von den gleichen Grundüberlegungen getragen. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Erprobungsfeldern w i r d dabei deutlich erkannt. Je attraktiver die neuen Inhalte sind und je besser ihre Verbindung m i t bekannten Programmen gelingt, desto eher w i r d tatsächlich auch das „Gesamtpaket" akzeptiert und desto intensiver w i r d es genutzt werden. Dies wiederum w i r d Auswirkungen auf die Höhe der Kosten haben, die den einzelnen treffen. Nicht zuletzt dürften die rechtlichen Rahmenbedingungen auf den Betrieb und die Programminhalte Auswirkungen haben. Was rechtliche, insbesondere Kompetenzfragen angeht, beschränkt sich der KtK-Telekommunikationsbericht allerdings auf Probleme der Breitbandverteilnetze, bleibt also auf der Ebene der Bundeskompetenz, was i m Hinblick darauf, daß die Kommission von der Bundesregierung eingesetzt worden war, auch richtig erscheint. Besondere Hervorhebung verdient die Tatsache, daß die K t K i m Hinblick auf die spezifische Situation der Durchführung von Pilotprojekten auf hohe Flexibilität und auf möglichst breit angelegte Experimentiermöglichkeiten Wert legt, die Frage der Netzträgerschaft daher pluralistisch gelöst sehen w i l l und dementsprechend als Netzträger die Deutsche Bundespost, Gemeinden bzw. deren Eigenbetriebe und Privatunternehmen vorschlägt. Auch das bayerische „Denkmodell" betont die Notwendigkeit der Flexibilität. Für die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Organisationsstruktur des Projekts, werden daraus aber keine Folgerungen gezogen. Träger des Münchner Pilotprojekts soll nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen (neben dem ZDF) allein die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt "Bayerischer Rundfunk" sein. Spätestens m i t dieser Feststellung erscheint es fraglich, ob das Münchner Pilotprojekt in seiner vorgesehenen Ausgestaltung nicht nur i m Grundsätzlichen, sondern auch im einzelnen geeignet sein wird, eine Basis für die gesetzgeberische Prüfungspflicht abzugeben. Dabei muß freilich beachtet werden, daß es sich bei dem „Denkmodell" u m einen ersten Denkan-
. Abschn.
N o t i e
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des M o d e l l v e r s u c h s
207
satz und noch nicht um einen ins Detail gehenden Gesetzesentwurf oder gar schon u m ein fertiges Gesetz handelt. Eine normative Ausgestaltung des Modellversuchs w i r d allerdings nötig sein, schon i m Hinblick auf das bestehende Bayerische Rundfunkgesetz, die zeitliche Befristung des Versuchs, die erforderliche Staatsaufsicht, die örtliche Begrenzung des Projekts, die Kostenregelung u. a. m. Unabhängig davon, ob und inwieweit eine Änderung der Bayerischen Verfassung bzw. ihres Art. I l i a Abs. 2 notwendig ist, w i r d die Ausgestaltung des Modellversuchs in Form eines einfachen Gesetzes erfolgen.
2. Abschnitt
Die normative Ausgestaltung des Modellversuchs A. Die grundgesetzliche Pflicht auf Zulassung privatrechtlicher Unternehmen Die Ausgestaltung des Modellversuchs liegt zwar grundsätzlich i m Ermessen des Gesetzgebers. Dieses Ermessen ist aber am Grundgeetz und an der Bayerischen Verfassung (z.B. A r t . I l i a Abs. 1) auszurichten. A r t . I l i a Abs. 2 B V soll zunächst unbeachtet bleiben; seine Vereinbarkeit m i t dem Grundgesetz ist gerade problematisch. Die Ausrichtung an der Verfassung bedeutet hier vornehmlich die Beachtung des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG (bzw. des Art. I l i a Abs. 1 BV), des A r t . 12 Abs. 1 GG, des Art. 3 Abs. 1 GG (Gebot der Chancengerechtigkeit), aber auch des Art. 20 Abs. 1 GG (Demokratieprinzip, „pluralistische Gewaltenteilung", Sozialstaatsprinzip), die letzten Endes alle auf die Sicherung der Rundfunkfreiheit, der Meinungsvielfalt i m Rundfunkbereich zielen oder doch von diesem Ziel wesentlich beeinflußt werden 6 . Selbstverständlich kann sich auch ein Modellversuch nicht von der Verfassung dispensieren. Auch hier müssen die allgemeinen Prinzipien der Freiheitssicherung beachtet werden. Auch i n einem Modellversuch darf der Rundfunk nicht dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden; auch hier sind gewisse Programmgrundsätze zu beachten (ζ. B. Jugendschutz- und Ehrenschutzbestimmungen; A r t . 5 Abs. 2 GG) usw. Aber es geht bei diesem Modellversuch noch u m „mehr", oder — wenn man so w i l l — es geht noch u m etwas Spezifisches: es geht um β Vgl. dazu statt vieler Herrmann,
Fernsehen u n d Hörfunk, S. 338 ff. m. ζ. N.
208
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. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m Bereich de
u n d n s
jene gesetzgeberische Prüfungspflicht, um deretwillen eine Erprobung gewisser Geschehensabläufe, wie sie i n dem Modellversuch praktiziert werden sollen, verfassungsrechtlich geboten ist. Damit sind w i r beim springenden Punkt. Die gesetzgeberische Prüfungspflicht bezieht sich auf eine Rundfunkmedienlandschaft m i t privatrechtlichen Unternehmen (neben öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt). Der Gesetzgeber muß daher privatrechtliche Unternehmen (ohne pluralistische Binnenstruktur) als Teilnehmer am Münchner Pilotprojekt zulassen. Insofern ist das gesetzgeberische Ermessen auf Null reduziert 7. Das folgt aus den gleichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen, aus denen sich auch die gesetzgeberische Prüfungspflicht selbst ergibt, nämlich aus A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 und A r t . 12 Abs. 1 GG: 1. Wie i m einzelnen dargelegt wurde 8 , führt die Veränderung der faktischen Situation i m Rundfunkwesen grundsätzlich auch zu einer Veränderung der rechtlichen Situation. Zugleich ist unbestritten, daß ein Wegfall der tatsächlichen Beschränkungen i m Rundfunkbereich, insbesondere die Bèseitigung der Ubertragungsbegrenzungen, prinzipiell zu einem Wegfall des Rundfunkmonopols führen muß. So meint ζ. B. Stammler 9 : „Wenn die Technik keine ernsthaften quantitativen Grenzen mehr i n der Nutzung des Mediums Rundfunk setzt, dürfte es rechtlich und politisch schwierig sein, das heutige System öffentlich-rechtlicher Anstalten, die auf dem Prinzip der Integration aller gesellschaftlichen Gruppen beruhen, noch weiterhin m i t dem bisherigen Ausschließlichkeitsanspruch aufrechtzuerhalten . . . " Und Herrmann 1 0 resümiert i m Hinblick auf die „künftige technische und gesellschaftliche Entwicklung": „Wenn die Chancengleichheit auch bei einer vorsichtigen Öffnung einiger Übertragungsmöglichkeiten (ζ. B. Kabel) für eine private, ggf. koordinierte und staatlich beaufsichtigte, Unternehmerinitiative — etwa durch Aufrechterhaltung einer auch zur Verhinderung publizistischer Gewaltenkonfusion notwendigen und sozialstaatlich gebotenen öffentlich-rechtlichen Grundversorgung — gewahrt bleiben kann, kann der staatliche Betriebsvorbehalt eines Tages als nicht mehr gerechtfertigt und damit als verfassungsrechtlich unzulässig erscheinen . . . " Die Rechtsprechung liegt auf gleicher Linie. So w i l l gerade der BayVerfGH 1 1 nicht ausschließen, „daß bei einem 7 Allgemein dazu etwa Wolff / Bachof I, §3111, e, 2 (S.203); BVerwGE 16, 214/218 f.; Tschira / Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, S. 174 f. » Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., D, I. 9 Kabelrundfunk, S. 46. !0 Fernsehen u n d Hörfunk, S. 346 f. Sehr dezidiert insofern auch K u l i , A f P 1977, S. 254. I i V G H n.F. 30, 98.
2. Abschn. : Normative Ausgestaltung des Modellversuchs
209
weiteren Fortschreiten der technischen Entwicklung die Beschränkung der Veranstaltung von Rundfunksendungen auf öffentlich-rechtliche Träger zur Abwehr der der Rundfunkfreiheit andernfalls drohenden Gefahren entbehrlich werden kann". Und das Gericht fährt fort: „Dann mag der Zeitpunkt eintreten, daß der Vorbehalt für öffentlich-rechtliche Rundfunkträger zum Schutz des Gemeinschaftsgutes Rundfunk nicht mehr aufrechterhalten werden darf. Auch für den Verfassungsgeber erwüchse dann die Verpflichtung, den Fundamentalnormen der Meinungsfreiheit, der Rundfunkfreiheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . Rechnung zu tragen und die Gründung sowie den Betrieb nicht öffentlich-rechtlicher Rundfunkunternehmen zuzulassen. . . 1 2 ." 2. Wenn für den Fall, daß die Technik keine ernsthaften quantitativen Grenzen mehr i n der Nutzung des Mediums Rundfunk setzt, grundsätzlich die verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, auch die Gründung sowie den Betrieb privatrechtlicher Unternehmen zuzulassen und bereits nach dem derzeitigen Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft zumindest tendenziell die Öffnung der Rundfunkkommunikation für solche Unternehmen i m Bereich realistischer Möglichkeit liegt, so muß als entscheidend angesehen werden, daß der Modellversuch nicht nur zu einer Erprobung neuer Techniken, ihrer Akzeptanz etc. führen soll, sondern darüber hinaus zwangsläufig auch eine Simulation der Zukunft, eine Vorentscheidung für zukünftige Entscheidungen insgesamt, sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht sein wird. Diese weichenstellende Funktion des Pilotprojekts wurde bereits oben 13 ausführlich beschrieben. Wichtig ist vor allem die Erkenntnis, daß Entwicklungen, die i n dem Modellversuch unberücksichtigt bleiben, insgesamt auf absehbare Zeit kaum eine Chance haben werden, i m Bereich der Telekommunikation überhaupt Beachtung und Förderung zu finden. I n besonderem Maße gilt das natürlich auch für die Organisationsstrukturen. Eine Organisationsform kann sich i m Rahmen des Modellversuches bewähren oder nicht bewähren. Man w i r d am Ende darüber eine Aussage treffen können. Eine Organisationsform aber, die i m Rahmen des Modellversuchs als Zukunftssimulation gar nicht vorkommt, kann sich weder bewähren noch kann sie sich nicht bewähren. Sie ist nicht mehr i n der Diskussion. Bei einer Nichtberücksichtigung der privatwirtschaftlichen Struktur muß das bedeuten, daß man auch weiterhin, für die fernere Zukunft, vor den Gefahren der privaten Initiative i m Rundfunkbereich für die Rundfunkfreiheit warnen wird, schon w e i l man es nicht besser wissen 12 Vgl. etwa auch OVG Münster is Einleitung, D, I I I . ch
leer
v. 24. 9.1976, D Ö V 1978, S. 522.
210
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. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m Bereich de
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kann. Und die Gerichte werden vielleicht wieder auf die Zukunft verweisen, wie gehabt. Vor allem aber: Die Individualgrundrechte aus A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 und A r t . 12 Abs. 1 GG werden auch weiterhin leerlaufen und damit sind w i r an den Ausgangspunkt unserer Erwägungen zurückgekehrt. Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand: Ein solcher Leerlauf ist im Bereich des Modellversuchs durch nichts zu rechtfertigen. Jene Argumente, die noch i n den siebziger Jahren für eine institutionelle Sicherung der Rundfunkfreiheit stritten, gelten nunmehr i m Modellversuch m i t verstärkter W i r k u n g für eine zu sichernde oder doch jedenfalls zu erprobende individuelle Rundfunkfreiheit. Es gilt zu erkennen, daß der „Spieß" nunmehr „umgedreht" ist. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG streitet nicht mehr für eine institutionelle Absicherung der Rundfunkfreiheit durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten m i t binnenpluralistischer Organisationsform oder ähnlichem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG streitet für eine individuelle Entfaltung des Privaten i m Rahmen einer privatwirtschaftlichen Struktur des Rundfunkwesens und er w i r d hierbei durch die Gewährleistung der individuellen Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG nachhaltig verstärkt. Eine ähnliche Auffassung vertreten offenbar Rudolf / Meng 1 4 , jedenfalls was die „Erprobungspflicht" des Staates angeht. Sie meinen aber, für „jeden Projektträger" sei auch sicherzustellen, „daß seine interne Struktur den Anforderungen des Fernsehurteils" entspreche. Dies sei „die Konsequenz aus der Tatsache, daß auch bei der Durchführung von Pilotprojekten die individuelle Rundfunkfreiheit noch beschränkt bleiben muß" 1 5 . Abgesehen davon, daß es — wie oben 16 ausführlich dargelegt — für die Zulassung privatrechtlicher Unternehmen m i t pluralistischer Binnenstruktur der „Sondersituation" des Modellversuches gar nicht bedürfte, würde auf diese Weise lediglich dem A r t . 12 Abs. 1 GG (teilweise) Rechnung getragen. Das Individualrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG liefe dagegen nach wie vor leer. Und gerade auch auf seine Aktualisierung kommt es an. Freilich räumen auch Rudolf / Meng 1 7 14 Breitbandkommunikation, S. 55, S. 61. I h r e Darlegungen sind aber nicht widerspruchsfrei. So bejahen sie an einer anderen Stelle (S. 66) die Möglichkeit, „die Pilotprojekte i n ausschließlicher (!) Regie der bestehenden Rundfunkanstalten" durchzuführen. D a m i t setzen sie sich m i t der v o n ihnen selbst behaupteten Erprobungspflicht des Staates i n Widerspruch, die sie gerade m i t dem „Individualrecht" (der Rundfunkfreiheit) begründen, das fordere, „daß der Staat sich die Informationen besorgt, die er zur Entscheidung der Frage braucht, ob w i r k l i c h eine Umstrukturierung der Rundfunkorganisation m i t der Institutsgarantie zu vereinbaren ist" (S. 55). — Vgl. i m übrigen auch die Überlegungen von W. Kaiser u.a., Kabelkommunikation, S. 132 ff. 15 Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 62. ie Erster Teil, 3. Kap., 3. Abschn., C.
2. A b s c h n . : N o r m a t i v e A u s g e s t a l t u n g des M o d e l l v e r s u c h s
211
ein, daß es dann „anders wäre .>., wenn gleichzeitig i n einem Gebiet mehrere Pilotprojekte durchgeführt würden, so daß genügend Kanäle für alle Interessenten exclusiv zur Verfügung" stünden. Aber sie halten es für „unwahrscheinlich", daß „angesichts der räumlichen Begrenztheit der Pilotprojekte diese Möglichkeit aus wirtschaftlichen Gründen zu realisieren sein w i r d " . Diese Angaben zur faktischen Lage der Modellversuche müssen überraschen, nachdem die gleichen Autoren an einer anderen Stelle unter Heranziehung des KtK-Telekommunikationsberichts bei der (recht genauen) Beschreibung der technischen Situation immerhin zu dem Ergebnis kommen, daß derzeit eine Anlage von 12 Fernsehkanälen möglich sei, wobei statt eines Fernsehprogrammes etwa 100 Hörfunkprogramme gesendet werden können. Für die „nicht allzu ferne Zukunft" stellen sie sogar „unvorstellbare Dimensionen" i n Aussicht 18 . Der KtK-Telekommunikationsbericht 1 9 empfiehlt für die Modellversuche eine Verteilerkapazität der Kabel von maximal dreißig Kanälen m i t Fernsehbandbreite. Bei diesen Größenordnungen kann, vor allem bei Mitberücksichtigung der Hörfunkprogramme und der Möglichkeit eines Koordinationsfunks 20 , kaum davon gesprochen werden, daß ein Mangel an Ubertragungsmöglichkeiten einen Modellversuch (!) unter Einschluß privatrechtlicher Unternehmen ohne pluralistische 'Binnenstruktur wegen Gefährdung der Rundfunkfreiheit ausschließen würde, zumal eine solche Auffassung letzten Endes den Leerlauf der Individualrechte aus A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG auf unabsehbare Zeit perpetuieren müßte. Selbstverständlich muß, wie schon am Anfang dieses Abschnitts betont wurde, auch i m Rahmen des Modellversuchs sichergestellt werden, daß, unter dem verfassungsrechtlich zwingenden Postulat der Beteiligung privatrechtlicher Unternehmen, ebenso die allgemeinen Maximen der Rundfunkfreiheit garantiert sind. Diese Aufgabe hat der Gesetzgeber i n dem zu erlassenden „Gesetz über das Münchner Pilotprojekt" zu erfüllen. Bei seinen Erwägungen und Abwägungen hat er sich dabei stets von der grundgesetzlichen Pflicht auf Zulassung privatrechtlicher Unternehmen als dem „verfassungsrechtlichen Wegweiser" des Modellversuchs leiten zu lassen. I m folgenden sollen wenigstens die wichtigsten Ausgestaltungsgrundsätze skizziert werden. 17
Breitbandkommunikation, S. 62 f. ι» Rudolf/Meng, Breitbandkommunikation, S. 17 f., 61. i® S. 122/E 11. Vgl. auch W. Kaiser u.a., Kabelkommunikation, S. 100f. 20 Dazu etwa Herrmann, Fernsehen u n d Hörfunk, S. 328 f. m. w. N. sowie Rudolf f Meng, Breitbandkommunikation, S. 68. 14*
212
ì l i . i . K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h des R u n d f u n k s
B. Die wesentlichen Regelungskomplexe I . Rechtsform der Träger
Es muß sich stets u m rechtsfähige natürliche oder juristische Personen handeln 21 . Dabei kommen sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Träger i n Betracht. Bei den öffentlich-rechtlichen Trägern steht die Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts 22 i m Vordergrund, insbesondere die bereits bestehende Rundfunkanstalt „Bayerischer Rundfunk". Es wäre auch sinnwidrig, die dort vorhandenen Erfahrungen, die reichhaltigen sächlichen und personellen Ressourcen für den Modellversuch nicht voll zu nützen. Es können aber auch neue öffentlich-rechtliche Träger geschaffen werden, wobei sich neben Anstalt und Körperschaft vor allem die Stiftung des öffentlichen Rechts anbietet 23 . Soweit der Betrieb von rein lokalen Programmen ausgeht, sollte man an die Einrichtung von Lokalstationen m i t (eigenen) „Pilot-Rundfunkgeräten" denken, denen vornehmlich lokale gesellschaftliche Gruppen angehören 24 . Die Zulassung von privatrechtlichen Trägern als Rundfunkunternehmen ist verfassungsrechtlich zwingend geboten. Das Verlangen einer bestimmten Binnenorganisation ist unzulässig. Daher kann es für privatrechtliche Rundfunkunternehmen auch keinen spezifischen Numerus clausus der Rechtsformen geben. Es muß grundsätzlich der privaten Initiative und Entscheidung überlassen bleiben, welche Rechtsform als die für Rundfunkunternehmen (insbesondere wirtschaftlich) günstigste gewählt wird. Der Gesetzgeber hat daher alle möglichen Rechtsformen (AG, GmbH, Stiftung u. a.) zur Verfügung zu stellen. I I . Notwendigkeit, Voraussetzung und Umfang einer Konzession
Wie hoch die Verteilkapazität der Kabel i n dem Modellversuch auch ausgelegt sein mag, sie w i r d immer begrenzt bleiben müssen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Konzessionierungsverfahrens, weil nur auf diese Weise die auch i m Rahmen des Modellversuchs verfassungsgebotene Meinungspluralität und Chancengerechtigkeit gewährleistet werden kann 2 5 . Vor allem i m Hinblick auf die Teilnahme von privatrechtlichen Unternehmen müßten auch subjektive Zulässigkeits21 Rudolf /Meng, Breitbandkommunikation, S. 70. Vgl. auch BVerfGE 12, 205/262. 22 Vgl. auch Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 70. 23 Dazu W. Kaiser u.a., Kabelkommunikation, S. 128 ff.; Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 68, 69. 2 4
Rudolf
/ Meng,
Breitbandkommunikation,
S. 67.
. Abschn.: N o t i e
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des M o d e l l v e r s u c h s
213
festgelegt werden (persönliche Zuverlässigkeit, ausreichende finanzielle Grundlage, geschlossener Mitgliederbestand u. a.). Weil prinzipiell ein grundrechtlicher Anspruch auf Zulassung als Rundfunkunternehmen besteht, kann es sich nur u m eine gebundene Erlaubnis handeln, um „eine Regelung also, die klar erkennen läßt, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis erteilt werden muß bzw. versagt werden darf und m i t welchen Auflagen, Bedingungen etc. der Antragsteller zu rechnen hat" 2 5 . Voraussetzungen
I m Hinblick auf den Konzessionsumfang kann auch eine zeitliche und örtliche (lokal/regional) Begrenzung vorgenommen werden. Eine grundsätzliche zeitliche Begrenzung ergibt sich schon aus der vorgesehenen Befristung des Modellversuchs selbst (fünf Jahre). Die Zeiträume können für die einzelnen Unternehmen aber auch enger gezogen werden, um auf diese Weise insgesamt eine höhere Teilnehmerzahl zu erreichen; auf jeden Fall muß sichergestellt sein, daß die Laufzeit lange genug ist, damit man insgesamt und bei dem einzelnen Unternehmen zu gesicherten Ergebnissen gelangen kann. Die örtliche Begrenzung w i r d sich bereits aus der Grundanlage des Modellversuchs ergeben. Nach dem bayerischen „Denkmodell" soll das Versorgungsgebiet etwa 5 Stadtbezirke umfassen 26 . Wichtiger dürfte es daher sein, die Möglichkeiten eines Koordinationsfunks, von Teil- und Spezialprogrammen vorzusehen und in verschiedenen Ausgestaltungen zu regeln. I I I . Auswahl der Bewerber
Soweit die Zahl der Bewerber die Zahl der Ubertragungsmöglichkeiten nicht übersteigt, ist die Bewerberauswahl vornehmlich ein Problem der Meinungspluralität. I m Rahmen des örtlich sehr begrenzten und zeitlich befristeten Modellversuchs w i r d man hierbei allerdings nicht die gleichen hohen Anforderungen stellen können wie i n der Normallage. Nach dem Zweck des Projekts muß die Pluralität der technischen Alternativen und der unterschiedlichen Organisationsformen i m Vordergrund stehen, zumal jeder Beteiligte sehr wohl weiß, daß auch über „seine Zukunft" als Rundfunkunternehmer entschieden werden soll und sich daher gerade auch i m Hinblick auf die Ausgewogenheit des Programms besondere Mühe geben wird. Außerdem w i r d mindestens eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt m i t pluralistischer Binnenstruktur (nämlich der „Bayerische Rundfunk") an dem Versuch teilnehmen, so daß von daher der ausgleichende Effekt ge25 Vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 80. 26 Siehe Einleitung, C: Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten, Buchst, f.
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. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h de
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wohnter Pluralität eingebracht wird. Hierbei muß allerdings darauf geachtet werden, daß der Bayerische Rundfunk und die herkömmlichen deutschsprachigen Programme kein Ubergewicht bekommen. So sollen ζ. B. nach der NDR-Projektskizze 27 von je zehn Hörfunk- und Fernsehkanälen acht Hörfunk- und sieben Fernsehkanäle für Kabelübertragungen der allgemeinen deutschsprachigen Programme reserviert sein. Auf diese Weise kann nicht die Zukunft simuliert, sondern nur die Gegenwart prolongiert werden. Über eine derartige Kanalverteilung ließe sich allenfalls reden, wenn der Gesetzgeber anstelle eines Modellversuchs den Weg des schrittweisen Aufbaus einer privatwirtschaftlichen Medienstruktur i m Rundfunkbereich gegangen wäre 2 8 . I m Rahmen eines Modellversuchs würde eine solche weitgehende Monopolisierung der Ubertragungsmöglichkeiten durch herkömmliche Programme akkurat dem Zweck des Modellversuchs zuwiderlaufen und die gesetzgeberische Prüfungspflicht verhindern 2 9 . Eine solche Regelung müßte einer gesetzgeberischen Untätigkeit gleichgestellt werden. Schließlich ist noch zu betonen, daß eine Beschränkung der privatrechtlichen Teilnehmer auf Unternehmen, die von relevanten gesellschaftlichen Gruppen getragen werden, nicht nur nicht geboten, sondern unzulässig wäre 3 0 . Der Modellversuch bezieht sich nicht auf eine — heute freilich weithin als „normal" empfundene — Sondersituation, auf die die bestehenden Rundfunkanstalten zugeschnitten sind, sondern er soll die Zukunftssimulation einer wirklichen Normalsituation sein. Wenn das gelingen soll, darf es auch i m Modellversuch keine Privilegierung bestimmter Personen oder Personengruppen geben. Entsprechend den Regelungen des Art. 5 Abs. 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG i n Verbindung m i t A r t . 3 Abs. 1 GG muß grundsätzlich jeder Deutsche die gleiche (rechtliche) Möglichkeit haben, Rundfunk zu betreiben; so ζ. B. auch einzelne Unternehmer ohne gesellschaftliche Relevanz, ebenso Presseunternehmen 31 . Die genannten Grundrechtsbestimmungen verbieten auch jede A r t von Diskriminierung bestimmter Personen oder Personengruppen. Insofern wäre eine Regelung des Verhältnisses öffentlich-rechtlich verfaßter und privater Veranstalter zueinander und zur Presse grundsätzlich sinnvoll und vielleicht auch notwendig 3 2 . Denn gerade bei lokalem Rundfunk liegt es nahe, dem Inhaber der auf das
27 28 29 3°
Siehe Media-Perspektiven 1977, S. 282 ff. Dazu oben Zweiter Teil, 1. Kap., 1. Abschn. Bedenken äußern auch Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 75. Dazu oben Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., C, I I I , 1, b. Dazu schon oben, Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., C, I I I , 1, c, sowie H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 81 f.. 83. 32 OVG Münster v. 24.9.76, DÖV 1978, S. 522; Rupert Scholz, JuS 1974, S.307.
2. Abschn.: Normative Ausgestaltung des Modellversuchs
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gleiche Gebiet bezogenen Zeitung den Betrieb eines eigenen Rundfunkunternehmens zu untersagen 33 . Speziell beim Münchner Pilotprojekt kann aber die Gefahr einer Zweifach-Monopolisierung (auf dem Zeitungs- und Rundfunksektor) von vornherein nicht entstehen, weil es den Lokalzeitungsinhaber i n München nicht gibt. Damit ist nun auch der Grundsatz der Chancengerechtigkeit angeklungen, der vornehmlich dann zum Tragen kommt, wenn die Zahl der Bewerber die Zahl der Übertragungsmöglichkeiten übersteigt, es also gilt, den „Mangel zu verteilen". Sicher dürfte sein, daß der Zweck des Modellversuchs (auch als „Experiment") ein sachlicher Differenzierungsgrund i m Hinblick auf A r t . 3 GG ist 3 4 . Daher w i r d man hier — i m Gegensatz zur Normallage 3 5 — auch auf das Programmangebot abstellen können, jedenfalls was den „Typus" betrifft. Denn zu einer echten Simulation gehört gerade eine breite Palette von Programmvarianten, ohne die sich auch die Frage der Akzeptanz nicht lösen läßt. I V . Programmrichtlinien
Die Frage, ob und inwieweit vom Gesetzgeber gewisse Richtlinien für Inhalt und Gestaltung des Programms vorgegeben werden können, spielt i m Rahmen des Modellversuchs keine so zentrale Rolle wie i n der heutigen „Sondersituation" oder bei einem schrittweisen Aufbau einer Normallage 36 . Wie schon betont, w i r d sich der Teilnehmer des Modellversuchs aus eigenem Interesse um ein gewisses „Wohlverhalten" bemühen. Darüber hinaus kann man aber gerade beim Modellversuch nicht m i t dem Gebot der „Ausgewogenheit" der Programme einzelner (privater) Rundfunkunternehmen operieren, weil ja i m Versuchswege erprobt werden soll, ob sich die Ausgewogenheit des „Gesamtprogrammes" gerade durch eine Vielzahl verschiedener eigenprofilierter, u. U. auch extremer Veranstaltungsträger bilden läßt, so eben wie i m Bereich der Pressemedien auch. I m übrigen dürfte es i m wesentlichen um eine negative Grenzziehung gehen, wobei die verfassungsrechtlich vorgezeichneten Mindestgebote (Beachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung; Art. 18 GG) zum Selbstverständnis jedes Rundfunkunternehmens gehören muß. Darüber hinaus w i r d es um eine gesetzliche Ausformung 33 Sehr differenziert hierzu H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 81. 34 Vgl. auch P. Häberle, ZfP 1974, S. 132 m. F N 127 ( „ . . . zeitweüige U n gleichbehandlung aus Experimentiergründen als sachlicher Differenzierungsgrund"). — Allgemein zur Differenzierung u n d Gleichsetzung i m Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes: K. Hesse, Grundzüge, §12113 (S. 179 f.). 35 Dazu H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 83 f. 3® A u s f ü h r l i c h d a z u H . H . Klein,
D i e R u n d f u n k f r e i h e i t , S. 88 f f .
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. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h de
u n d n s
des A r t . 5 Abs. 2 GG gehen, wobei „insbesondere den Vorschriften zum Schutze der Jugend eine rundfunkspezifische Ergänzung" zuteil werden sollte 37 . Die negative Grenzziehung muß schließlich m i t einer Regelung entsprechender Sanktionen verbunden sein, die — abgesehen von strafrechtlicher Verfolgung — von der Abmahnung über Geldstrafen bis zum Entzug der Konzession reichen kann. V. Staatsaufsicht Eine Staatsaufsicht ist auch für den Modellversuch aus naheliegenden Gründen unabdingbar. Dabei darf es sich nur u m Rechtsauf sieht (nicht auch Fachaufsicht, bezogen auf Zweckmäßigkeitserwägungen) handeln, weil es allein u m die Sicherung der soeben angesprochenen Negativgrenzen gehen kann, einschließlich der Überwachung persönlicher Zulassungsvoraussetzungen und ggf. von Auflagen, Bedingungen und Befristungen 38 . VI. Finanzierung Was die finanzielle Beteiligung des „Pilot-Publikums" betrifft, so bestehen insofern i m bayerischen „Denkmodell" schon relativ konkrete Vorstellungen 39 . Wichtig ist dabei vor allem, daß der Benutzer die zusätzlichen Dienste des Pilotprojekts i n der Regel nur entgeltlich soll i n Anspruch nehmen können, „da nur daraus letztlich auf eine dauerhafte Akzeptanz geschlossen werden kann" 3 9 . Daß die Belastung hierbei nur „testgerecht", also relativ kostendeckend sein kann, ist selbstverständlich. Darüber hinaus muß aber auch für eine „echte" Simulation auf Seiten des Rundfunkunternehmens gesorgt werden, und zwar nicht nur der privatrechtlichen, sondern ebenso der öffentlich-rechtlichen, die sich gleichermaßen der Konkurrenz zu stellen haben. Das bedeutet zunächst vor allem, daß der Empfänger nicht pauschal, sondern i n Einzelabrechnung m i t den Rundfunkunternehmern grundsätzlich nur die Sendungen bezahlt, die er nutzt (ggf. i n Form des Abonnements). Auf diese Weise, und wohl auch nur auf diese Weise, läßt sich die A t t r a k t i v i t ä t der Sendungen und vor allem auch die Leistungsfähigkeit der unterschiedlichen Organisationsformen feststellen. Dieser Effekt w i r d verstärkt, wenn auch die Träger der Veranstaltungen ihre Programme „testgerecht" finanzieren müssen und dabei vor allem die Werbung miteinbeziehen 40 . 37 So zutreffend H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 88 ff. 38 Vgl. auch H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 92 sowie ausführlich Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 72 ff. 89 Vgl. Einleitung, C: Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten, Buchst, b.
2. A b s c h n . : N o r m a t i v e A u s g e s t a l t u n g des M o d e l l v e r s u c h s
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C. Der unmittelbare „Durchgriff" auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG Für den Fall, daß das Münchner Pilotprojekt ohne ein (spezifisch diese Materie regelndes) Gesetz durchgeführt werden sollte, ζ. B. m i t der Begründung, eines eigenen Projektgesetzes bedürfe es nicht, weil Träger des Pilotprojekts ohnehin ausschließlich der Bayerische Rundfunk sei 41 , oder sollte ein Gesetz zum Münchner Pilotprojekt zwar erlassen werden, darin aber keine Regelung über die Zulassung privatrechtlicher Unternehmen enthalten sein, so wäre spätestens in diesem Augenblick die Situation gegeben, in der man den Zulassungsanspruch privatrechtlicher Rundfunkunternehmen i m Wege eines unmittelbaren „Durchgriffs" auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG annehmen muß. Bei dieser Sachlage gilt nunmehr ohne Einschränkung die Auffassung Werner Webers, daß die Effektuierung grundrechtlicher Freiheiten nicht bis zu dem Zeitpunkt hintan gestellt werden könne, „zu dem es dem Landesgesetzgeber beliebt, jene zusätzlichen Zulassungsregelungen zu erlassen". Denn das Wirksam werden der Grundrechte aus A r t . 5 und 12 GG unterliegt nicht der freien „Disposition des Gesetzgebers", weil nach A r t . 1 Abs. 3 GG die Grundrechte der Art. 2 bis 19 GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden 4 2 . Der Gesetzgeber würde i n diesen Fällen seine freiheitssichernde Aufgabe i n verfassungswidriger Weise verletzen. Es muß jener „Extremfall wirklich übermäßiger oder schlechthin unvertretbarer Untätigkeit des Gesetzgebers" angenommen werden, i n dem auch Rupert Scholz einen „direkten Anspruch auf Zulassung aus A r t . 5 1 2 " bejaht 4 3 . Dies entspricht der oben 44 getroffenen Feststellung, daß im Hinblick auf die Zulassung privatrechtlicher Unternehmen i m Pilotprojekt das gesetzgeberische Ermessen auf N u l l reduziert ist.
40 Ebenso H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 92 ff. m. w . N. ; vgl. auch W. Kaiser u. a.f Kabelkommunikation, S. 135 ff. sowie Rudolf / Meng, B r e i t bandkommunikation, S. 74 f. 41 Dies entspräche der Auffassung der Chefs der Staats- u n d Senatskanzleien (vgl. Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 8/1660). Z u r Unhaltbarkeit dieser Ansicht vgl. auch Rudolf / Meng, Breitbandkommunikation, S. 66. 42 Werner Weber, i n : Festschrift f ü r Forsthoff, S. 490 ff. Ebenso Kuli, A f P 1977, S. 254 m. w . N.; ders., Kabelfernsehen u n d Rundfunkfreiheit, i n : rot angestrichen, Nr. 28, M a i 1976, S. 6. 43 JuS 1974, S. 307. 44 D r i t t e r T e i l , 1. K a p . , 2. A b s c h n . , A .
2. Kapitel
Der Modellversuch i m Bereich anderer Funkdienste, die nicht Rundfunk sind I n diesem Kapitel geht es um die Teilnahme privatrechtlicher Unternehmen (ohne binnenpluralistische Organisationsstruktur) i m Bereich der Informationsabrufdienste, des Dialog ν erkehr s und der materialisierten Teletexte, also u m jene „anderen Funkdienste", die i m Zweiten Teil beschrieben wurden. Dort wurde auch gezeigt, daß diese Funkdienste nicht dem Rundfunkbegriff unterfallen und demzufolge vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. des Art. I l l a B V nicht erfaßt werden. Vielmehr kommen für sie i m wesentlichen die grundrechtlichen Absicherungen der allgemeinen Meinungsfreiheit i n Art. 5 Abs. 1 Satz 1 sowie der Berufsfreiheit i n Art. 12 Abs. 1 GG i n Betracht; die Faksimile-Zeitung gehört i n den Grundrechtsbereich der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Abschnitt
Technischer Zusammenhang, wirtschaftliche Gesamtbetrachtung und rechtliche Einheit Wegen der völlig anderen verfassungsrechtlichen Ausgangslage kann von vornherein nicht fraglich sein, daß privatrechtliche Unternehmen berechtigt sind, derartige „andere Funkdienste" zu gründen und zu betreiben. I n diesem Sinne war oben 45 von der Dominanz der privatrechtlichen Unternehmen die Rede. Diese Ausgangslage könnte zu der Schlußfolgerung verführen: ergo brauchen solche anderen Funkdienste, die kein Rundfunk sind, auch nicht zum Gegenstand des Pilotprojekts gemacht zu werden, weil ja ohnehin feststeht, daß der Private hier prinzipiell unbeschränkt initiativ werden kann. Daher bestehe auch keine gesetzgeberische Prüfungspflicht, wie sie hinsichtlich des Rundfunks angenommen werden mußte. Diese Argumentation ist auch richtig, solange der Blick allein auf die „anderen Funkdienste" beschränkt 45 Zweiter Teil, 2. Kap., 2. Abschn.
1. A b s c h n . : N o t w e n d i g e E i n h e i t l i c h k e i t
des M o d e l l v e r s u c h s
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bleibt. Und diese isolierte Betrachtungsweise könnte auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bzw. dem Bayerischen Rundfunk nicht ungelegen kommen; denn politisch steckt in diesen neuen Medien zweifellos das eigentlich gefährliche Erosionsmittel für das Rundfunkmonopol. Eine gemeinsame Erprobung i m Modellversuch muß zwangsläufig auch die Frage nach den privaten Rundfunkunternehmen intensivieren. Schließlich zieht noch eine weitere K r a f t i n diese Richtung. W. Kaiser u. a. 4e sprechen hier plastisch von den Verlockungen eines „schonenden Designs" und sie meinen die Versuchung des Experimentators, „diejenigen Variablen auszuklammern, deren risikoreiche W i r kung er fürchtet". Das Beispiel: „ I m Falle der Breitbandkabelnetze kann . . . ein Pilotprojekt derart gestaltet werden, daß neben der Übertragung der i n der Bundesrepublik ausgestrahlten weiteren Dritten Programme lediglich ein öffentlich-rechtliches Lokalfernsehen ohne Werbeinhalte angeboten wird. Möglicherweise bleibt die Wirkung auf die lokale Presse so gering, daß sie i n den Experimentalmessungen nicht zu signifikanten Befunden führt. Dadurch kann leicht der Experimentali r r t u m geweckt werden, daß moderne Telekommunikationsformen »ungefährlich' sind. Da man ja nicht getestet hat, welche neuen Formen . . . der Entwicklung zugänglich sind, kann man . . . nicht feststellen, welche ,Auswirkungen neuer elektronischer Kommunikationsformen auf die Informations- und Meinungsvielfalt i m lokalen Kommunikationssystem unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltung oder Stärkung der Funktionsfähigkeit der Presse' zu erwarten sind." Sie fordern dazu auf, „ i m Experiment alles zu wagen, was man befürchtet", um die gefährlichen Folgen eines Scheintests zu vermeiden 46 . Diese Gefahr eines Scheintests entsteht nicht nur dann, wenn einzelne Testvariablen isoliert werden, sondern sie besteht auch und in verstärktem Maße bei Isolierung ganzer Medientypen, so bei Trennung des Rundfunks von anderen Funkdiensten. Das Beispiel für ein „schonendes Design", das W. Kaiser u. a. 46 vorführen, ist vor allem deswegen so interessant, weil i n i h m nicht nur das falsche Experimentalergebnis vorprogrammiert ist, sondern zugleich auch beispielhaft eine Experimentalvariante dargeboten wird, deren Verfassungswidrigkeit offenkundig ist, weil es an der M i t w i r k u n g privatrechtlicher Unternehmen fehlt 4 7 . Daraus soll zwar keine randscharfe Identität von Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit gefolgert werden. Aber einmal zeigt dies auch die Zweckmäßigkeit der hier entwickelten verfassungsrechtlichen Konzeption. Zum andern w i r d man den Modellversuch bzw. seine gesetzliche Ausgestaltung jedenfalls auch rechtlich dann nicht mehr akzeptieren können, wenn er von vornherein tatsächlich so angelegt ist, daß er seinen Zweck insge4
« Kabelkommunikation, S. 98 f. Dazu D r i t t e r Teil, 1. Kap.. 2. Abschn.. A.
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Ι Π . 2. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h a n d e r e r
Funkdienste
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samt verfehlen muß und damit auch die oben nachgewiesene verfassungsrechtliche Prüfungspflicht des Gesetzgebers gleichsam faktisch unterlaufen würde. Gerade aber die Frage, ob und inwieweit sich die „Sondersituation i m Rundfunkwesen" geändert hat bzw. eine Normalsituation eingetreten ist, i n der die verfassungsrechtliche Meinungsvielfalt durch die Vielzahl der Meinungen resp. der unterschiedlichen — auch privatrechtlichen — Rundfunkunternehmen garantiert wird, läßt sich nur beantworten, wenn i m Rahmen des Modellversuchs die W i r k lichkeit optimal simuliert wird. Und i n dieser Wirklichkeit lassen sich (kabelgebundener) Rundfunk und (kabelgebundene) andere Funkdienste schon auf Grund ihres engen technischen Verbunds nicht voneinander trennen. Hinzu t r i t t die notwendig einheitliche Betrachtung unter wirtschaftlichem Aspekt. Die Rentabilität einer wirtschaftlichen Betätigung i m Bereich der Funkmedien läßt sich nur beurteilen, Wenn alle möglichen Funkdienste mit i n die Betrachtung einbezogen, i m Modellversuch also m i t getestet werden. Alle diese Überlagerungen erfordern auch eine rechtliche Einheit, d. h. eine gesetzliche Ausgestaltung, die herkömmliche und moderne Telekommunikationsformen i n das Testverfahren m i t einbezieht und vor allem auch insofern die Wechselbezüglichkeiten zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Organisationsformen untereinander und zu anderen Medienbereichen, insbesondere zur Presse, experimentell erforschbar macht. Die hier vertretene Auffassung entspricht offenbar auch dem Anliegen der K t K , der es i m Hinblick auf die Pilotprojekte nicht nur um die Erprobung eines technisch besseren und programmäßig stärker ausgefächerten Rundfunks, sondern ebenso und vornehmlich u m moderne Telekommunikationsformen geht 4 9 . Schließlich finden auch i m bayerischen „Denkmodell" die neuen Medien i m Funkbereich und insbesondere die Individualisierung i n den Kommunikationssystemen besondere Beachtung 50 , so daß erwartet werden kann, daß die gesetzliche Ausgestaltung des Münchner Pilotprojekts dem hier reklamierten Grundsatz der rechtlichen Einheit entspricht. Damit w i r d aber zugleich noch weniger verständlich, daß das bayerische Denkmodell hinsichtlich des Pilotträgers von der ausschließlichen Trägerschaft des „Bayerischen Rundfunk" ausgeht 51 . Denn selbst wenn man von der Gültigkeit des Art. l i l a Abs. 2 Satz 1 B V und darüber 48 Erster Teil, 3. Kap., 2. Abschn., E, I I I u n d 3. Abschn., D, sowie D r i t t e r Teil, 1. Kap., 2. Abschn., A . 49 Vgl. KtK-Telekommunikationsbericht, S. 118/F 48, S. 119/E9. 50 Dazu Einleitung, C: Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten, insbes. Buchst, a. 51 Einleitung, C: Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten. Buchst, c.
. Abschn.: N o t i e
e t l t
des M o d e l l v e r s u c h s
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hinaus auch noch — entgegen der hier vertretenen Auffassung — von seiner Vereinbarkeit m i t dem Grundgesetz ausginge, müßten jedenfalls für die Funkdienste, die nicht Rundfunk sind, privatrechtliche Unternehmen zugelassen werden. Nach der hier; entwickelten Konzeption ist eine ausschließliche Trägerschaft des „Bayerischen Rundfunk" unter allen denkbaren (bundes)verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten grundgesetzwidrig. Eine derartige gesetzliche Regelung wäre unbedingt nichtig.
2. Abschnitt
Besonderheiten bei der normativen Ausgestaltung des Modellversuchs Es wurde oben 52 schon angedeutet, daß auch i m Rahmen der „anderen Funkdienste", die nicht Rundfunk sind, das Funkregal des Bundes, i. e. der Deutschen Bundespost, beachtet werden muß, wonach ausschließlich dieser das Recht zusteht, Fernmeldeanlagen zu betreiben oder i m Genehmigungsweg durch Dritte errichten und betreiben zu lassen (§§ 1, 2 FAG). Dadurch könnte der soeben i m 1. Abschnitt entwickelte Grundsatz der rechtlichen Einheit des Modellversuchs eine gewisse Einschränkung erfahren, zumal bei den „anderen Funkdiensten" auch Kommunikationsformen i n Frage stehen, bei denen sich der Betreiber auf die bloße Vermittlung der Übertragungsinhalte beschränkt. Eine ausführliche Behandlung des damit angesprochenen Fragenkreises ist i n diesem Zusammenhang allerdings nicht angezeigt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf eine Problemskizze. Die Tatsache, daß es sich bei den hier angesprochenen Funkdiensten (auch) u m neue Übertragungstechniken handelt und handeln kann, beeinträchtigt die Wirkung des Funkregals bzw. die Anwendbarkeit des § 1 F A G nicht. I n einer Entscheidung aus dem Jahre 1977 hat das BVerfG 5 3 überzeugend dargelegt, daß der Begriff der Fernmeldeanlage „vom Gesetzgeber bewußt offengehalten (wurde) für neue, seinerzeit noch nicht bekannte Techniken der Nachrichtenübertragung . . . " . Für den Begriff erscheine wesentlich „die körperlose Übermittlung von Nachrichten i n der Weise, daß die ausgesandten Zeichen am Empfangsort wieder erzeugt werden . . . Dafür kommt es weder darauf an, welche 52 Zweiter Teil, 2. Kap., 2. Abschn. 53 BVerfGE 46, 120/143 f.
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Π Ι . 2. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h a n d e r e r
Funkdienste
Technik verwendet, noch darauf, ob die Nachricht am Empfangsort vom Menschen unmittelbar wahrgenommen wird." Damit können w i r zunächst die gleiche rechtliche Konstellation wie beim herkömmlichen Rundfunksystem feststellen. Bei dem gesamten Kabelfunksystem handelt es sich u m „Fernmeldeanlagen", für deren gesetzliche Regelung gem. Art. 73 Nr. 7 (i. V. m. Art. 71) GG ausschließliche Bundeskompetenz und das Funkregal der Bundespost besteht. Wie schon wiederholt deutlich gemacht wurde, beschränkt sich diese Kompetenz und der staatliche Betriebsvorbehalt aber i m wesentlichen auf den sendetechnischen Bereich, auf die Unterhaltung des darauf bezogenen Betriebs und derjenigen Einrichtungen, die die Benutzung der Fernmeldeleitungen erst möglich machen 54 . Die inhaltliche Gestaltung der „Sendungen", der kulturell-rechtlichen Bereiche also, gehört demgegenüber i n die Zuständigkeit der Länder. Diese kompetenzrechtliche Aufspaltung eines einheitlichen Sachbereichs erfordert selbstverständlich die gegenseitige Rücksichtnahme beider Kompetenzträger, wobei dem sendetechnischen Bereich eine mehr dienende Funktion zukommt. Dementsprechend mißt das BVerfG i m Fernsehurteil 55 der Kompetenz des Landes auch die größere Bedeutung zu: „Soweit Vorschriften organisatorischer A r t für Institutionen, die Veranstaltungen von Rundfunksendungen und Betrieb von Sendeanlagen i n sich vereinigen, erlassen werden müssen, steht also (!) die Kompetenz für die sendetechnischen Angelegenheiten dem Landesgesetzgeber kraft Sachzusammenhangs zu." Es überzeugt, wenn H. H. K l e i n 5 6 einen Schluß a maiore ad minus zieht: „Wenn unter der genannten Voraussetzung die Sendetechnik i n die Kompetenz des Landesgesetzgebers fällt, ist dies erst recht für den Zugang zu den Sendeanlagen anzunehmen. Hier ist der Sachzusammenhang ein noch wesentlich engerer, da ohne eine Nutzung des Netzes die Möglichkeit zur Veranstaltung von Rundfunk nicht besteht, die Erteilung der rundfunkrechtlichen Erlaubnis also ohne Wirkung bliebe . . . " Das Problem ist aber, ob diese Kompetenz für den Landesgesetzgeber kraft Sachzusammenhangs auch dann gilt, wenn die i n Frage stehenden Vorschriften organisatorischer A r t auf Funkdienst-Veranstaltungen bezogen sind, die keinerlei kulturell-rechtliche Seite mehr haben, weil die Tätigkeit des Funkdienstbetreibers auf die bloße Vermittlung von Übertragungsinhalten beschränkt ist, die andere gestalten. Das ist ζ. B. bei Dialogverkehrszentralen der Fall, die selbst nichts Inhaltliches gestalten und 54 BVerfGE 12, 205/226; E 46, 120/144. 55 BVerfGE 12, 205/238. 5β Die Rundfunkfreiheit, S. 96.
H a u p t e r g e b n i s s e des 1. u n d 2. K a p i t e l s
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nur den Dialog zwischen anderen vermitteln. Ein ähnliches B i l d ergibt sich bei reinen Fernerfassungssystemen. Es mag hier dahinstehen, wie die Hechtsfrage allgemein zu entscheiden ist. I m Hinblick auf den Modellversuch jedenfalls muß beachtet werden, daß auch solche Funkdienstveranstalter, die selbst keine inhaltliche Gestaltungsfunktionen ausüben, untrennbar mit dem Gesamtkomplex des Modellversuchs verbunden sind und durch diese Einbettung auch „ihre" kulturell-rechtliche Seite bekommen. Denn die Aussagen des Experiments zur inhaltlichen Komponente der herkömmlichen und modernen Telekommunikationsformen w i r d gerade auch vom Gegenbild „inhaltsloser" Veranstaltungsarten abhängen. Der Sachzusammenhang gilt also auch für derartige Funkdienste. Das schließt einerseits selbstverständlich auch hier nicht aus, daß der Bund und die Deutsche Bundespost über die technische Ausgestaltung und Organisation des Kabelnetzes befindet. Es schließt aber grundsätzlich aus, daß die Frage der Zulassung von Funkdienstbetreibern ohne inhaltliche Gestaltungsfunktion allein i m Bereich der Sendetechnik durch die Deutsche Bundespost entschieden wird. Auch hier muß die Kompetenz des Landesgesetzgebers und seine durch Sachzusammenhang erweiterte Zuständigkeit beachtet werden, weil solchen Funkdienstveranstaltern ihre kulturell-rechtliche Bedeutung durch ihre Teilnahme am Modellversuch zuwächst. Auch insofern w i r d also die rechtliche Einheit des Modellversuches gewahrt.
Hauptergebnisse des 1. und 2. Kapitels I n diesen beiden Kapiteln waren die Schlußfolgerungen aus den Erkenntnissen zu ziehen, die i m Ersten und Zweiten Teil für die allgemeine Situation i m Bereich der kabelgebundenen Telekommunikation, nämlich den Informationsverteildiensten einerseits und den übrigen Kommunikationsdiensten i m Funkbereich andererseits, gefunden w u r den. Für den Bereich der Informationsverteildienste, die dem Rundfunkbegriff unterfallen, ergab sich hierbei, daß das Münchner Pilotprojekt grundsätzlich geeignet ist, die faktische Situation i m Rundfunkwesen sowohl i m Hinblick auf die Übertragungsmöglichkeiten als auch i n bezug auf die Kostenlage zu erproben. Was die zentrale Frage der Teilnehmerschaft privatrechtlicher Unternehmen am Modellversuch angeht, so war festzustellen, daß der Gesetzgeber seiner verfassungsrechtlichen Prüfungspflicht nur nachzukommen vermag, wenn er (auch)
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. 2. K a p . : M o d e l l v e r s u c h i m B e r e i c h a n d e r e r
Funkdienste
solche Unternehmen als Rundfunkveranstalter zuläßt, so daß insofern sein Ermessensspielraum auf N u l l reduziert ist. Eine besondere Rolle spielte hierbei die weichenstellende Funktion des Modellversuchs. Bei den Überlegungen zur normativen Ausgestaltung des Pilotprojekts i m übrigen wurde vor allem dem Grundsatz der Meinungspluralität und dem Prinzip der Chancengerechtigkeit Bedeutung zugemessen. Für den Fall, daß das Münchner Pilotprojekt ohne ein Gesetz durchgeführt, oder zwar ein die spezifische Materie regelndes Gesetz erlassen werden sollte, dieses Gesetz aber keine entsprechende Zulassungsbestimmung für privatrechtliche Rundfunkunternehmen enthält, konnte ein unmittelbarer „Durchgriff" auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und A r t . 12 Abs. 1 GG bejaht werden. Der privatrechtliche Unternehmer hätte dann auf Grund dieser Verfassungsbestimmungen einen direkten Anspruch auf Zulassung. Zum gleichen Ergebnis führten erst recht die Überlegungen zur Teilnahme privatrechtlicher Unternehmen am Modellversuch i m Bereich anderer Funkdienste, die nicht Rundfunk sind, also i m Bereich der Informationsabrufdienste und der Dialogverkehrsdienste einschließlich der materialisierten Teletexte. Denn diese Kommunikationssysteme unterfallen schon nicht dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. des Art. l i l a BV, so daß die Problematik des Rundfunkmonopols, insbesondere auch Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 BV, von vornherein ausscheidet. Die Zulassung privatrechtlicher Unternehmen ergibt sich hier aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie, für die Faksimile-Zeitung, aus dem Grundrecht der Pressefreiheit i. S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Trotz dieser unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Ausgangslagen beim Rundfunk einerseits und den übrigen Funkdiensten andererseits, die auch ein Stück unterschiedlicher Wirklichkeit sind, war für die spezifische Situation des Modellversuchs aus technischen und wirtschaftlichen Gründen die rechtseinheitliche Behandlung durch den Gesetzgeber zu fordern. Einschränkungen dieses Grundsatzes der rechtlichen Einheit ergeben sich auch nicht aus spezifischen Besonderheiten der modernen Telekommunikationsdienste.
3. Kapitel
Zur Durchsetzung des Anspruchs privatrechtlicher Unternehmen auf Teilnahme am Modellversuch Es ist geboten und auch zu erwarten, daß der Freistaat Bayern ein Gesetz zur Regelung der Durchführung des Münchner Pilotprojekts erlassen wird. Hierbei ist der Landesgesetzgeber von Bundesverfassungs wegen insbesondere verpflichtet, privatrechtliche Unternehmen (ohne pluralistische Binnenstruktur) als eigenverantwortliche Träger von Kabelfunkdiensten zuzulassen. Soweit es sich dabei u m Rundfunkunternehmen handelt, steht einer solchen Zulassung aber die Landesverfassung, nämlich Art. l i l a Abs. 2 B V entgegen. Diese Vorschrift würde zwar eine einfach-gesetzliche Regelung nicht hindern, durch die privatrechtlichen Rundfunkunternehmen eigene Programmverantwortung übertragen wird, solange diese Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft mit pluralistischer Binnenstruktur verbleibt. Sie schließt jedoch jede A r t privatrechtlicher Rundfunkträgerschaft, mit oder ohne pluralistische Binnenstruktur, absolut aus, und verstößt damit gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG. I m folgenden w i r d untersucht, wie der Landesgesetzgeber seiner bundesverfassungsrechtlichen Verpflichtung auf Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen beim Münchner Pilotprojekt nachkommen kann und, falls er dies nicht tut oder nicht tun w i l l , ob der private Bewerber oder ein staatliches Organ den Anspruch auf Zulassung i m Gerichtsweg durchsetzen kann. Schließlich sind die Klagemöglichkeiten für den weniger wahrscheinlichen Fall zu prüfen, daß der Gesetzgeber überhaupt nicht tätig wird, der Modellversuch also ohne normative Ausgestaltung ablaufen soll.
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I I I . 3. K a p . : A n s p r u c h s d u r c h s e t z u n g
1. Abschnitt
Durchsetzungsmöglichkeiten bei Vorliegen eines Pilotprojektgesetzes A. Die Verbindlichkeit des Art. I l i a Abs. 2 BV für den (einfachen) Landesgesetzgeber Der Landesgesetzgeber ist an Art. I l i a Abs. 2 B V gebunden, solange die Vorschrift nicht durch eine zuständige Instanz aufgehoben wurde. Dies ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Ar. 3 Satz 1 B V 5 7 , Art. 20 Abs. 3 GG). Abweichungen von diesem Grundsatz könnten allerdings daraus folgen, daß es sich bei dem Pilotprojektgesetz u m ein zeitlich befristetes und i n seiner Geltungskraft überdies auf einen Teil Münchens, also auch örtlich sehr begrenztes „Experimentiergesetz" handelt, dessen Verhältnis zur Landesverfassung nicht so stringent zu bewerten wäre wie bei einem „Normalgesetz". Die Problematik ist von der Institution der Experimentier- oder Reformklauseln i n Gesetzen her bekannt 5 8 . Soweit sie auf der gleichen normativen Ebene, vor allem „ i m " gleichen Gesetz verbleiben und ihre Wirkung sich i n diesem Rahmen erschöpft, gibt es i n der Regel keine besonderen rechtlichen Probleme. Derartige Klauseln, die Abweichungen von der normalgesetzlichen Lage zulassen, u m Erfahrungen zu ermöglichen, die zum Gegenstand neuer (verbesserter) Gesetzgebung werden können, beinhalten zwar eine partielle Einschränkung des geltenden Gesetzes; ein solcher Dispens auf der gleichen normativen Ebene kann aber grundsätzlich nicht beanstandet werden 5 9 . Die Problematik beginnt dort, wo es sich um unterschiedliche Normebenen handelt, insbesondere bei der hier interessierenden Frage, ob ein einfaches „Experimentiergesetz", wie es das Pilotprojektgesetz wäre, vorübergehend und örtlich eng begrenzt eine Landesverfassungsbestimmung wie Art. I l i a Abs. 2 B V dispensieren könnte. Zutreffend betont P. Häberle 59 , daß es durchaus sinnvoll erscheine, Verfassungsänderungen nicht „ins Blaue" durchzuführen, „sondern sie zunächst i n einem begrenzten Bereich ,experimentell' zu erproben". Plastisch 57 Vgl. Schweiger, i n : Nawiasky u. a., Die Verfassung des Freistaates Bayern, T e i l V, RdNr. 3 zu A r t . 55. ß8 Vgl. dazu P. Häberle, ZfP 1974, S. 132 ff. Ebenso P. Häberle, ZfP 1974, S. 132; er weist allerdings m i t Recht darauf hin, daß sich die Experimentierklausel „ v o r A r t . 3 G G rechtfertigen" muß (FN 127).
1. A b s c h n . : V o r l i e g e n eines P i l o t p r o j e k t g e s e t z e s
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spricht er von einem „experimentellen Vorschaltgesetz" zu späterer Verfassungsänderung. Diese Überlegungen führen hier jedoch nicht weiter. Wie P. Häberle 6 0 selbst einräumt, müssen jedenfalls A r t . 79 Abs. 2 und 3 GG, also die Voraussetzung der Zweidrittelmehrheit und die „materielle" Änderungsgrenze der „Ewigkeitsklausel" eingehalten und beachtet werden: Für die bayerische Verfassungsrechtslage bedeutet dies die Einhaltung des Art. 75 Abs. 2 (Zweidrittelmehrheit und Volksentscheid) sowie des Art. 75 Abs. 1 B V (Verbot von Verfassungsänderungsanträgen, die dem demokratischen Grundgedanken widersprechen). Damit verbleibt lediglich die Frage, ob Experimentiergesetze mit verfassungsändernder Wirkung auch das Gebot der Verfassungs textänderung gem. A r t . 79 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. Art. 75 Abs. 4 B V zu beachten haben 61 . Eine Einschränkung dieses Gebots für Experimentierklauseln und -gesetze wäre zwar i n der Tat erwägenswert 60 . Solange es aber uneingeschränkt „formell" besteht, muß es auch für solche Verfassungsänderungen gelten. Es bleibt also dabei: Auch ein Pilotprojektgesetz als „Experimentiergesetz" ist an Art. I l i a Abs. 2 B V gebunden. Der Landesgesetzgeber kann privatrechtliche Unternehmen zwar als Betreiber anderer Funkdienste zulassen und er muß dies auch wegen Art. 5 Abs. 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG. Eine entsprechende Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen wäre i h m dagegen als einfacher Gesetzgeber wegen Art. I l i a Abs. 2 B V untersagt.
B. D i e Möglichkeit der Änderung oder Aufhebung des A r t . I l i a Abs. 2 B V
Eine Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen als Teilnehmer am Modellversuch durch ein Pilotprojektgesetz ist dann möglich, wenn Art. I l i a Abs. 2 B V vorher entsprechend geändert oder ganz aufgehoben würde. Die Änderung des Art. 111 a Abs. 2 S a t z l B V ist insofern bundesverfassungsrechtlich geboten, als er jede A r t privatrechtlicher Trägerschaft untersagt und damit auch solche privatrechtlichen Rundfunkunternehmen ausschließt, die eine den bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entsprechende pluralistische Binnenstruktur auf weisen. Das ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. eo ZfP 1974, S. 133; vgl. auch ders., AöR 99 (1974), S.463, F N 110. Vgl. dazu allgemein Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, G r u n d gesetz, RdNr. 1 zu A r t . 79 u n d Schweiger, i n : Nawiasky u. a., T e i l V, RdNr. 8 zu A r t . 75. 61
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I I I . 3. K a p . : A n s p r u c h s d u r c h s e t z u n g
Darüber hinaus ist eine Änderung des Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V bundesverfassungsrechtlich geboten, soweit er die Teilnahme privatrechtlicher Rundfunkunternehmen, gleich welcher Binnenstruktur, am Modellversuch ausschließt. Insofern verstößt die Vorschrift gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG. Die notwendige Änderung könnte hier auch i n Form einer Ergänzung (des Abs. 3) m i t etwa folgendem Wortlaut bestehen: „Durch Gesetz können zu Versuchszwecken zeitlich und örtlich begrenzte Ausnahmen von Absatz 2 zugelassen werden." Eine derartige Regelung hätte den Vorteil, daß einerseits eine sinnvolle Erprobung neuer Techniken in einer ihrer zukünftigen Bedeutung entsprechenden A r t und Weise möglich wäre, andererseits aber außerhalb des Pilotprojekts der Rundfunk noch „ i m Griff" gehalten würde, u m den Einstieg i n neue Strukturen nicht zu überstürzen und erst dann vorzunehmen, wenn alle zu klärenden Fragen auch geklärt sind. I n jedem Fall muß die Verfassungsänderung i n dem durch Art. 75 B V vorgesehenen Verfahren erfolgen. Es kann nicht Aufgabe einer wissenschaftlichen Abhandlung sein, E r w ä gungen darüber anzustellen, ob die hier f ü r geboten erachtete Verfassungsänderung derzeit auch politisch durchsetzbar ist. I m m e r h i n mag an dieser Stelle auf die i m Ersten T e i l (2. Kap., 2. Abschn., Β , I I . u n d I I I . ) geschilderten „Vergleichsverhandlungen" des Jahres 1973 zwischen den Anhängern u n d den Gegnern des Volksbegehrens zur Einführung des A r t . I l i a i n die Bayerische Verfassung erinnert werden. F ü r den Fall, daß sich die damals angenommene verfassungsrechtliche Ausgangslage ändern sollte, einigte man sich dahingehend, daß die Beteiligten die dann gegebene Verfassungslage prüfen würden. So sehr die öffentliche Verantwortung von Rundfunkveranstaltungen nach w i e vor unbestritten u n d auch unbestreitbar ist, so sehr hat sich — wie i m einzelnen dargelegt wurde — die faktische Situation i m Rundfunkwesen u n d damit die verfassungsrechtliche Ausgangslage i m H i n blick auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG und A r t . i l l a B V gerade m i t W i r k u n g für die Monopolisierung der Rundfunkveranstaltungen bei öffentlich-rechtlichen Trägern verändert. I n Besonderheit die geplante Einrichtung eines Pilotprojekts ist der geeignete Anlaß, u m die 1973 vereinbarte erneute Überprüfung nunmehr anzugehen. Die Beteiligten der damaligen Vergleichsverhandlungen stehen i n ihrem Wort.
C. Die gerichtlichen Klagemöglichkeiten Sollte eine Änderung des Art. I l i a Abs. 2 BV, aus welchen Gründen auch immer, nicht herbeigeführt werden, so bleibt nur der Rechtsweg vor die Gerichte. Die verschiedenen Möglichkeiten sind i m folgenden kurz darzustellen.
1. A b s c h n . : V o r l i e g e n eines
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Pilotprojektgesetzes
I. Popularklage unmittelbar gegen Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 BV
Nach Art. 98 Satz 4 B V hat der BayVerfGH Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) beim BayVerfGH geltend machen (Art. 53 Abs. 1 BayVerfGHG). Gegenstand des Normenkontrollantrags nach Art. 98 Satz 4 B V kann auch eine Norm der Bayerischen Verfassung selbst, hier Art. I l l a Abs. 2 Satz 1, sein. Sie zählt zu den „Gesetzen" i m Sinne dieser Bestimmung und i m Sinne des Art. 53 Abs. 1 BayVerfGHG. Nach der ständigen Rechtsprechung des BayVerfGH ist die Klage gegen eine Norm nicht deswegen begrifflich ausgeschlossen, w e i l sie selbst Bestandteil der Verfassung ist: „Es gibt Verfassungsgrundsätze, die so elementar und so sehr Ausdruck eines auch der Verfassung vorausliegenden Rechts sind, daß sie den Verfassungsgeber selbst binden . . . Das gilt nicht nur bei originärem Verfassungsrecht, sondern auch bei Normen, die i m Wege des Art. 75 B V nach einem Volksentscheid nachträglich i n die Verfassung eingefügt worden sind", wie dies bei A r t . l i l a Abs. 2 B V der Fall ist 6 2 . Prüfungsmaßstab sind i n erster Linie die Grundrechte der Bayerischen Verfassung, wobei hier vor allem Art. I l i a Abs. 1 Satz 1 (Rundfunkfreiheit) und Art. 101 (Berufsfreiheit) B V i n Betracht kämen. Darüber hinaus ist zu beachten, daß Art. 1 Abs. 3 GG die gesamte rechtsprechende Gewalt i n seinem Geltungsbereich an die Grundrechte des Grundgesetzes bindet. Käme der BayVerfGH zu der Auffassung, daß Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V gegen Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1 GG) verstößt, so muß er daher gem. Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren aussetzen und die Streitsache dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen 63 . Die Tatsache, daß der BayVerfGH erst vor kurzem, nämlich m i t Entscheidung vom 30. 6.1977, die Rechtsgültigkeit des Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V festgestellt hat, läßt die Zulässigkeit einer erneuten Popularklage schon deswegen und insofern unberührt, weil i n diesem Verfahren die neue und spezifische Situation der Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen beim Modellversuch i n Frage stünde (vgl. auch Art. 52 BayVerfGHG). Daher kann auch Art. 20 BayVerfGHG i m Rahmen des Münchner Pilotprojekts keine Wirkung entfalten. Was schließlich die Bindungswirkung des Fernsehurteils und der Mehrwertes BayVerfGH, V G H n.F. 30, 88 m. w . N . Vgl. etwa auch Dürig, D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 82 f. zu A r t . 1. es Vgl. dazu etwa BVerfGE 36, 342/356.
in: Maunz/
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steuerentscheidung des BVerfG 6 4 über § 31 BVerfGG angeht, so war Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V nicht Gegenstand dieser Entscheidungen; ebensowenig ging es um die spezifische Situation des Modellversuchs 65 . I I . Die Klagemöglichkeiten gegen ein Pilotprojektgesetz
1. Potentielle privatrechtliche Rundfunkunternehmen könnten gegen ein Pilotprojektgesetz, das ihre Beteiligung am Modellversuch ausschließt, zum einen ebenso unmittelbar i m Wege der Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV, Art. 53 Abs. 1 BayVerfGHG vorgehen. Gegenstand des Verfahrens wäre hier ein „echtes" Gesetz, nämlich das Pilotprojektgesetz. I m übrigen kann auf das soeben Ausgeführte verwiesen werden. Beantragt ein privatrechtlicher Unternehmer eine rundfunkrechtliche oder fernmelderechtliche Erlaubnis und w i r d diese unter Hinweis auf das Pilotprojektgesetz abgelehnt, so kann er den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Hält das Gericht das Gesetz für bundes- oder landesverfassungswidrig, so muß es das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des BVerfG oder des BayVerfGH einholen (Art. 100 Abs. 1 GG; Art. 92, 65 BV, 44 BayVerfGHG). Legt das Gericht nicht vor, so kann das potentielle privatrechtliche Rundfunkunternehmen nach Erschöpfung des Rechtswegs gegen das ablehnende Urteil Verfassungsbeschwerde beim BVerfG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG) oder, sofern die letztinstanzliche Entscheidung von einem bayerischen Gericht gefällt wird, auch beim BayVerfGH (Art. 120, 66 BV, Art. 46 ff. BayVerfGHG) erheben. Der Beschwerdeführer müßte hierbei behaupten, durch die Entscheidung i n seinen Grundrechten bzw. verfassungsmäßigen Rechten verletzt zu sein (§ 90 Abs. 1 BVerfGG; Art. 47 Abs. 1 BayVerfGHG). Weil die Ausschöpfung des Rechtswegs bekanntlich erhebliche Zeit i n Anspruch zu nehmen pflegt 66 und i m Hinblick auf das zeitlich begrenzte Pilotprojekt daher die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Beschwerdeanspruchs zu spät kommt, muß geprüft werden, ob eine Sofortentscheidung über die Verfassungsbeschwerde nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG i n Betracht kommt 6 7 . Danach ist eine derartige SofortM BVerfGE 12, 205 ff.; E 31, 314 ff. 85 Allgemein zu der „streitigen" Bindung der Gerichte i m Rahmen des § 31 BVerfGG: Maunz, i n : Maunz u.a., BVerfGG, RdNr.22 zu §31. ββ Vgl. dazu W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 204 f. u n d v o r allem Vie , Rechtstatsachen zur Dauer des Verwaltungs-(Finanz-)Prozesses, passim, jeweils m. w. N. 87 Eine Sofortentscheidung enthebt den Beschwerdeführer allerdings nicht der Verpflichtung, auch u n d zugleich den „normalen" Rechtsweg zu v e r -
1. A b s c h n . : V o r l i e g e n eines P i l o t p r o j e k t g e s e t z e s
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entscheidung durch das BVerfG dann zulässig, wenn die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde entweder von allgemeiner Bedeutung ist, oder dem Beschwerdeführer durch die Verweisung auf den Rechtsweg ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde. Das Vorliegen der ersten Begründungsalternative mag dahinstehen 68 . Jedenfalls dürfte die zweite Alternative regelmäßig anwendbar sein, vor allem wenn man auch das i n A r t . 19 Abs. 4 GG verankerte Prinzip eines möglichst effektiven Rechtsschutzes beachtet. Ist nämlich der Modellversuch erst einmal angelaufen und sind die Übertragungsmöglichkeiten verteilt oder ist er gar schon ausgelaufen, dann bedeutet dies den tatsächlichen und kaum mehr rückgängig zu machenden Ausschluß des privatrechtlichen Unternehmens nicht nur für den Modellversuch selbst, sondern auch für die absehbare Zukunft. Vor allem wenn der Modellversuch bereits angelaufen ist, muß aus dem gleichen Grund ebenso der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG geprüft werden, die auch von Amts wegen ergehen kann 6 9 . Weil hierbei die einstweilige Anordnung der Vorwegnahme der Hauptsachenentscheidung zumindest sehr nahe kommt, ist anstelle der üblicherweise gebotenen Abwägung der Folgen die summarische Prüfimg darauf zu beziehen, wie die Entscheidung i n der Hauptsache ausfallen würde 7 0 . 2. Klagemöglichkeiten bestehen auch für staatliche Organe des Bundes und des Freistaates Bayern. I n Betracht käme ein Normenkontrollverfahren nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i . V . m . §§13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG. Nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 2 GG sind Antragsbefugte i n einem derartigen Verfahren die Bundesregierung, eine Landesregierung sowie ein Drittel der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Gem. § 76 Nr. 1 BVerfGG ist der Antrag nur dann zulässig, wenn u. a. die Unvereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz geltend gemacht wird. Demzufolge könnten die genannten Organe auch ein bayerisches Pilotprojektgesetz der Vereinbarkeitsüberprüfung durch das BVerfG mit dem Grundgesetz zuführen. Die Bundesregierung ist nach A r t . 28 Abs. 3 GG sogar gehalten, für den Fall, daß sie Landesrecht für unvereinbar m i t dem Grundgesetz hält, ein derartiges verfassungsgerichtliches Verfahren einzuleiten 71 . folgen. Vgl. dazu Schmidt-Bleibtreu, i n : Maunz u.a., BVerfGG, RdNr.204 zu §90; vgl. etwa auch BVerfGE 1, 332/345; E 2, 123/124. 68 Allgemein hierzu Schmidt-Bleibtreu, i n : Maunz u. a., BVerfGG, RdNr. 205 zu § 90. β» Vgl. Klein, i n : Maunz u. a., BVerfGG, RdNr. 26 zu § 32 m. N. ™ Vgl. etwa BVerfGE 46, 160/164.
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Ebenso ist die bayerische Staatsregierung nicht daran gehindert, ein Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG gegen (eigenes) bayerisches Landesrecht einzuleiten. Dies folgt aus der Verpflichtung von Bund und Ländern auf die gemeinsame Verfassung und der Mitverantwortung auch jedes Landesorgans für deren Einhaltung 7 2 . Käme i m Rahmen eines derartigen Normenkontrollverfahrens das BVerfG zur Unvereinbarkeit des „Pilotprojektgesetzes" m i t dem Grundgesetz, so hätte es die entsprechenden Vorschriften gem. § 78 Satz 1 BVerfGG für nichtig zu erklären.
2. Abschnitt
Durcheetzungsmöglicbkeiten bei Fehlen eines Pilotprojektgesetzes Ohne eine spezifische verfassungsrechtliche Verpflichtung hat der einzelne keinen Anspruch auf den Erlaß eines (bestimmten) Gesetzes73. Es bleibt damit nur der Weg einer unmittelbaren Aktualisierung der Grundrechte, insbesondere des A r t . 5 Abs. 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG, über A r t . 1 Abs. 3 GG 7 4 . Auch hier müßte der Private einen Antrag auf Erteilung der rundfunkrechtlichen oder fernmelderechtlichen Erlaubnis stellen, der mangels gesetzlicher Regelung abgelehnt würde 7 5 , so daß er nunmehr den Rechtsweg beschreiten kann. Die Entscheidung (letzten Endes der Verfassungsbeschwerde) wäre direkt auf die Verfassungswidrigkeit des gegenwärtigen tatsächlichen Ausschlusses privater Rundfunkunternehmer vom Modellversuch zu beziehen und müßte zur unmittelbaren Zulassung führen. Mindestens wäre es möglich, daß das BVerfG die Verfassungswidrigkeit des gesetzgeberischen Unterlassens feststellt 76 . Abschließend sei noch erwähnt, daß unmittelbare Klagemöglichkeiten von Bundes- oder Landesorganen nicht ersichtlich sind. Allenfalls könnte die Bundesregierung nach A r t . 37 i. V. m. Art. 28 Abs. 3 GG Vgl. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 40 zu A r t . 28. 72 Dazu etwa BVerfGE 9, 268/277. 73 Vgl. etwa Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 95 zu A r t . 1 I I I ; K . Hesse, Grundzüge, § 14 I I I 3 e (S. 229 f.). 74 Dazu oben D r i t t e r Teil, 1. Kap., 2. Abschn., C. 75 Vgl. OVG Münster v. 24.9.76, D Ö V 1978, S.519; BVeriuGE 39, 167; Rundfunkreferentenbericht, C, zu Ziff. I I I . 76 Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, Grundgesetz, RdNr. 95 (FN 5) zu A r t . 1 I I I , unt. Verw. auf BVerfGE 6, 257 ff.
. Abschn.:
e n eines P i l o t p r o j e k t g e s e t z e s
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den Landesgesetzgeber i m Wege des Bundeszwangs zur Erfüllung seiner bundesverfassungsrechtlichen Pflichten i m Hinblick auf die A k t u alisierung der Individualrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG anhalten.
Zusammenfassung ι.
1. Das in München geplante Pilotprojekt „Breitband-Kommunikation" (Münchner Pilotprojekt) ist eines von insgesamt vier Pilotprojekten dieser Art. Die anderen drei Pilotprojekte sollen ihre Standorte i n Berlin, Ludwigshafen-Mannheim und Dortmund haben. Die Einrichtung dieser Pilotprojekte geht auf eine Empfehlung der „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems" (KtK) zurück, die von der Bundesregierung eingesetzt worden war und ihren Bericht i m Dezember 1975 vorgelegt hat. Sie hatte den Auftrag, Vorschläge für einen wirtschaftlich vernünftigen und gesellschaftlich wünschenswerten Ausbau des Telekommunikationssystems der Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. I h r Bericht (Telekommunikationsbericht) enthält Feststellungen und Empfehlungen zu diesem breit angelegten Problemfeld, das vom Fernsprechen über alle Arten der Text- und Datenkommunikation bis hin zum Rundfunk (Fernseh- und Hörfunk) reicht/Besondere Aufmerksamkeit wurde hierbei auch den kabelgebundenen Kommunikationssystemen gewidmet. Die Kommission konnte sich nicht entschließen, die allgemeine Einführung einer Breitband-Kommunikation zu empfehlen, weil hierzu derzeit ein ausgeprägter und dringender Bedarf fehle und neue Inhalte erst der Entwicklung bedürften. Weil sie aber mehrere — wenn auch noch wenig ausgeprägte — Hinweise für ein zukünftiges Anwachsen des Bedarfs bzw. für die Möglichkeit seiner Weckung durch heute noch unbekannte Telekommunikationsformen ausmachte, hielt sie eine völlige Untätigkeit ebenfalls für ausgeschlossen. Daher empfahl sie zunächst die Durchführung von Modellversuchen (Pilotprojekte) m i t Breitband-Kabelsystem. 2. Nach Auffassung der Kommission sollen die Modellversuche vornehmlich dem Ziel dienen, die noch offenen Fragen des Bedarfs, verschiedene Möglichkeiten seiner Deckung durch bekannte und neue Inhalte, die Akzeptanz und die Nutzungsintensität durch die Teilnehmer sowie die Bereitschaft zur Übernahme von Investitionsausgaben und Preisen für laufende Dienstleistungen zu klären. Darüber hinaus ist die Trägerschaft und die Organisation von
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Zusammenfassung
Breitbandverteilnetzen Gegenstand der alternativen Prüfung in Pilotprojekten. Schließlich sind technische Alternativen, insbesondere i n der Gestaltung des Rückkanals, i m Verlauf des Pilotprojekts zu variieren. 3. Die Überlegungen zum Münchner Pilotprojekt sind noch nicht weit gediehen. Der derzeitige Stand (Denkmodell) ergibt sich aus einem Schreiben des Bayerischen Ministerpräsidenten an den Präsidenten des Bayerischen Landtags vom 8. Juni 1978. Der darin konzipierte Versuchszweck entspricht i m wesentlichen den Empfehlungen der K t K . Unter Hinweis auf Art. l i l a Β V geht das Denkmodell davon aus, daß auch i m Hinblick auf das Pilotprojekt die „Organisation privaten Rundfunks . . . schon aus verfassungsrechtlichen Gründen" ausscheiden müsse und der Betrieb nur i n öffentlicher Verantwortung und öffentlich-rechtlicher Trägerschaft in Betracht komme. M i t der Durchführung des Modellversuchs soll daher die öffentlich-rechtliche Anstalt „Bayerischer Rundfunk" beauftragt werden. II. 4. I m Mittelpunkt der rechtlichen Überlegungen steht die Frage, ob und inwieweit privatrechtliche Unternehmen, insbesondere auch Presseunternehmen, als Träger von Telekommunikationsunternehmen m i t einer selbstverantwortlichen inhaltlichen Aussageund Programmgestaltung bei Textübertragungssystemen und beim Kabelrundfunk zugelassen werden müssen. Es geht also nicht nur darum, ob der Gesetzgeber berechtigt ist, Privaten die Veranstaltung derartiger Telekommunikationsdarbietungen zu gestatten. Es geht vielmehr um die Frage, ob und inwieweit Private zu derartigen Veranstaltungen von Verfassungs wegen zugelassen werden müssen, der Gesetzgeber also dazu verpflichtet ist oder das Grundgesetz gar einen unmittelbaren Anspruch auf die Gründung und den Betrieb von privat rechtlichen Telekommunikationsunternehmen gewährleistet. 5. Bei den kabelgebundenen Telekommunikationsformen muß unterschieden werden zwischen den Informationsverteildiensten und den anderen Informationsdiensten. III. 6. Zu den kabelgebundenen Informationsverteildiensten gehört vor allem der Kabelrundfunk (Fernsehen und Hörfunk), dessen technische Besonderheit gegenüber dem herkömmlichen (drahtlosen) Rund-
Zusammenfassung
funk darin liegt, daß auch die Strecke zwischen Sender und A n tenne verkabelt ist. Die technische Anlage bzw. die Verbreitungstechnik ermöglicht eine tendenziell unbegrenzte Zahl paralleler Informationsangebote. A l l e i n vom Inhalt her muß sich der Kabelrundfunk dagegen nicht wesentlich vom Programm des herkömmlichen Rundfunks unterscheiden. Es handelt sich dann auch hier um Informations -Verteilung um „Einbahn"-Kommunikation von der Zentrale (Sender) zu den Teilnehmern (Empfänger). Kabelrundfunk ist daher regelmäßig auch Massenkommunikation. Dies gilt grundsätzlich ebenso für die Verteilung von Teletexten. 7. Trotz erheblicher Bedenken w i r d m i t der h. M. davon ausgegangen, daß die besondere A r t der Verbreitungstechnik bei der kabelgebundenen Informationsverteilung i m Hinblick auf den (kulturellrechtlichen) Rundfunkbegriff grundsätzlich neutral ist. Auch kabelgebundene Informationsverteildienste unterfallen diesem Begriff. Dementsprechend finden für sie die für den Rundfunk geltenden Normen Anwendung, also insbesondere die Rundfunkgesetze der Länder, für Bayern das Bayerische Rundfunkgesetz, A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowie für Bayern Art. I l l a BV. 8. Die Landesrundfunkgesetze manifestieren entweder rechtliche oder faktische Monopole für die bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Lediglich i m Saarländischen Rundfunkgesetz ist die Möglichkeit eröffnet, Konzessionen an Rundfunkveranstalter des privaten Rechts zu erteilen (§§ 38 ff. GVRS). Diese Möglichkeit ist bislang nicht realisiert worden. Daher gibt es i n der Bundesrepublik Deutschland derzeit keine privatrechtliche Rundfunkanstalt. 9. Als einzige Landesverfassung enthält die Bayerische Verfassung in Art. I l i a Abs. 2 eine i n Einzelheiten gehende rundfunkorganisationsrechtliche Bestimmung. Danach w i r d „Rundfunk . . . in öffentlicher Verantwortung und i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben. A n der Kontrolle des Rundfunks sind die in Betracht kommenden bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu beteiligen. Der A n teil der von der Staatsregierung, dem Landtag und dem Senat i n die Kontrollorgane entsandten Vertreter darf ein Drittel nicht übersteigen. Die weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen wählen oder berufen ihre Vertreter selbst." Die Besonderheit dieser landesverfassungsrechtlichen Verankerung einer „formellen Rundfunkfreiheit" (BayVerfGH) liegt zum einen darin, daß die dort geregelten Organisationsgrundsätze Verfassungsrechtssätze sind und daher nur im qualifizierten Gesetzgebungsverfahren nach
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Art. 75 B V geändert werden können; zum anderen enthält Art. l i l a Abs. 2 B V eine inhaltliche Besonderheit. Er begründet zwar keine verfassungsrechtliche Garantie des nur faktisch bestehenden Monopols des Bayerischen Rundfunks, wohl aber garantiert er i n Satz 1, daß Rundfunk allein i n öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben wird. Damit können neben Anstalten auch andere öffentlich-rechtliche Organisationsformen Träger des Rundfunks sein; ausgeschlossen aber ist jede A r t privatrechtlicher Trägerschaft. Die gesonderte Erwähnung der „öffentlichen Verantwortung" neben der „öffentlich-rechtlichen Trägerschaft" hat nur dann einen Sinn, wenn darin auch eine besondere verfassungspolitische Betonung der „öffentlichen Verantwortung" (gleichsam im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Trägerschaft) gesehen wird. 10. Das Gebot öffentlich-rechtlicher Trägerschaft schließt eine privatrechtliche Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft nicht aus. Eine solche Programmverantwortung Privater könnte sowohl i m Rahmen der bestehenden Anstalt „Bayerischer Rundfunk" als auch i m Rahmen einer weiteren Organisationseinheit i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (Körperschaft, Anstalt, Stiftung) durch den einfachen Gesetzgeber zugelassen werden. Die Teilnahmeberechtigung als Programmveranstalter müßte auf Antrag in einem Konzessionsverfahren entschieden werden. Nach diesem Organisationsschema ist auch der Entwurf eines Staatsvertrages zwischen den Ländern BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz zur Durchführung eines Modellversuchs m i t Breitbandkabel (Kabel-Pilotprojekt) i m Raum Ludwigshafen-Mannheim konstruiert. Ein Vergleich dieses Entwurfs m i t dem Bayerischen Rundfunkgesetz ergibt sogar, daß unter der hier entscheidenden Perspektive einer Verwirklichung der Rundfunkfreiheit der Entwurf nicht nur alle organisatorischen Vorkehrungen trifft, die zur Sicherung dieser Rundfunkfreiheit erforderlich sind; darüber hinaus zeigt speziell der Vergleich zwischen der Stellung des Intendanten als organschaftlicher Träger der Programmverantwortung einerseits und der Position der privatrechtlichen Programmverantwortlichen i m Modellversuch andererseits, daß die Gefahr einer einseitigen Programmgestaltung nach den gesetzlichen Rahmenbestimmungen beim Intendanten eher größer ist. Einer privatrechtlichen Programmverantwortung sollte daher der Vorrang gegenüber der heute geltenden Organisationsstruktur i m (bayerischen) Rundfunkwesen gegeben werden. I m Anschluß daran stellt sich sodann die für eine weitere Entwicklung i m Rundfunkwesen wichtige Frage, ob auch eine privat-
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rechtliche Trägerschaft von kabelgebundenen Informationsverteildiensten möglich ist. Weil Art. I l i a Abs. 2 S a t z l B V eine solche Trägerschaft landesverfassungskräftig ausschließt, kommt es darauf an, ob dieser Ausschluß m i t höherrangigem Bundesrecht, insbesondere m i t A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbart werden kann. Dabei ist zunächst auf die allgemeine Situation i m Rundfunkwesen abzustellen. Die i n diesem Rahmen gefundenen Ergebnisse sind sodann m i t der spezifischen Lage des Modellversuchs resp. des Münchner Pilotprojekts i n bezug zu setzen und entsprechend auszuwerten. 11. Bei der Vereinbarkeitsprüfung zwischen A r t . l i l a Abs. 2 S a t z l B V und A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG geht es um das Normelement „Festlegung der Grundrechtsträger". Während A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V den Kreis der Berechtigten ausdrücklich auf Rundfunkbetriebe i n öffentlich-rechtlicher Trägerschaft beschränkt, enthält A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG seinem Wortlaut nach keinerlei Hinweise auf eine derartige Restriktion. Bei dem Vergleich ist auf den wesentlichen sachlichen Gehalt der Freiheitsrechte abzustellen. I n diesem Sinne geht es nicht um Gleichheits-, sondern um Vereinbarkeitsprüfung. 12. A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält weder eine „institutionelle Garantie" i m klassischen Sinne Carl Schmitts bzw. eine Einrichtungsgarantie für öffentlich-rechtliche Rundfunkunternehmen, noch gewährleistet er eine bestimmte Organisationsform nach dem Modell der pluralistischen Binnenstruktur des geltenden Rundfunkrechts. Auch das BVerfG hat i m Fernsehurteil des Jahres 1961 und i n der Mehrwertsteuerentscheidung des Jahres 1971 die anstaltlich-pluralistische Binnenstruktur des geltenden Rechts lediglich als eine der möglichen Organisationsstrukturen für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen. Eine echte privatwirtschaftliche Struktur i m Bereich des Rundfunkwesens wäre allerdings i m Jahre 1961 vom Gericht nicht akzeptiert worden. Es S c h l o ß zwar die privatrechtliche Form nicht aus, verlangte aber auch für diesen Fall eine pluralistische Binnenstruktur des Unternehmens. Begründet wurde diese Konzeption m i t dem i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Schutz des Instituts „Freier Rundfunk". Ein individuelles Recht auf Rundfunkfreiheit i. S. einer privaten Rundfunkgründungsfreiheit konnte nach Ansicht des Gerichts wegen der damals bestehenden Sondersituation i m Rundfunkwesen nicht i n Betracht kommen. Der Bayerische Verfassunggeber hat diesen „Status quo" i n A r t . I l i a Abs. 2 landesverfassungskräftig fixiert, wobei er freilich noch einen Schritt weitergeht als das BVerfG, weil er m i t dem
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Zusammenfassung
Gebot öffentlich-rechtlicher Trägerschaft sogar privatrechtliche Unternehmen mit pluralistischer Binnenstruktur ausschließt. 13. Die Sondersituation i m Rundfunkwesen sah das BVerfG darin, daß — i m Gegensatz zum deutschen Pressewesen — sowohl aus technischen Gründen als auch m i t Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß. Diese Sondersituation hat sich inzwischen verändert. Die technische Entwicklung vor allem im Bereich der Breitbandkabel-Kommunikation hat die Zahl der Ubertragungsmöglichkeiten für Rundfunkprogramme erheblich erhöht. Auch die finanzielle Situation ist insgesamt differenzierter zu betrachten und jedenfalls die Kosten des Kabelrundfunks für den lokalen und regionalen Bereich können nicht mehr als „außergewöhnlich groß" eingeschätzt werden. Die Argumente, die nach wie vor für das Oligopol der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und gegen eine (zusätzliche) Zulassung privater Rundfunkunternehmen ohne binnenpluralistische Absicherung vorgebracht werden, können schon deswegen nicht überzeugen, weil ihnen die Basis einer exakten Bestandsaufnahme i n technischer und finanzieller Hinsicht fehlt. Dementsprechend unzuverlässig müssen die rechtlichen Schlußfolgerungen sein. Darüber hinaus hat sich ergeben, daß die rechtlichen Argumente durchweg widerlegbar und ζ. T. unschlüssig sind. Das bedeutet allerdings nicht, daß damit, gleichsam automatisch, der gegenteiligen Konzeption zugestimmt werden müßte, die für eine Zulassung privatwirtschaftlich strukturierter Rundfunkveranstalter neben den herkömmlichen Rundfunkanstalten eintritt. Auch insofern muß der Mangel an exakter Rechtstatsachenforschung beachtet werden. Hinzu t r i t t noch eine weitere Überlegung: Selbst wenn eine gründliche Rechtstatsachenforschung ein genaues Ergebnis über die Zahl der möglichen Sendefrequenzen auf überregionaler, regionaler und lokaler Ebene erbrächte und auch die Kosten sich wenigstens teilweise m i t einiger Sicherheit bestimmen ließen, wäre damit noch nicht völlig zweifelsfrei ausgemacht, daß bei einer solchen privatwirtschaftlichen Öffnimg des Rundfunks die verfassungsrechtlich gebotene Vielfalt der Meinungen sichergestellt werden kann. Definitiv w i r d das nur die Praxis selbst beantworten. 14. Aber es kann nicht mehr übersehen werden, daß die faktische Situation i m Rundfunkwesen, soweit sie auszumachen ist, eindeut i g für eine Zulassung privatrechtlicher Unternehmer spricht.
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Schwer wiegt dabei nicht nur die grundlegende Veränderung der „Sondersituation", sondern vor allem auch die Tatsache, daß der anstaltlich-pluralistische Integrationsrundfunk nach Zulassung privatrechtlicher Unternehmen bestehen bleiben wird; denn es geht nicht u m die Ersetzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch anders strukturierte Programmträger, sondern um ihre Ergänzung durch weitere (privatrechtliche) Rundfunkunternehmen und damit der Idee nach u m einen Zuwachs an Meinungspluralität. Es kommt hinzu, daß das Verfassungsgebot der Meinungs- und Informationsvielfalt nur i n bezug auf die ganze Breite des Panoramas der Medien gesehen werden kann, w e i l sich die Medien gerade i m Hinblick auf die Vielfalt ergänzen und teilweise substituieren. Schließlich müssen i n diesem Zusammenhang auch (lokale) „Primärgruppen" (insbesondere die Honoratioren) und die opinion-leader beachtet werden. Unter diesen Umständen kann die Alternative: ausschließliches Oligopol für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder (auch) privatwirtschaftliche Struktur i m Rundfunkwesen nicht mehr als bloße „Geschmacksfrage" erscheinen. Nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft liegt zumindest tendenziell eine völlige Öffnung der Rundfunkkommunikation für privatrechtliche Unternehmen i m Bereich realistischer Möglichkeit. Der Gesetzgeber muß dieser Tatsache Rechnung tragen. 15. Diese Beachtungspflicht des Gesetzgebers ist nicht nur deswegen so bedeutsam, weil die seit 1961 eingetretene Veränderung der faktischen Situation i m Rundfunkwesen das Individualrecht der Rundfunkfreiheit i n Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erst einmal „freigelegt" und damit überhaupt i n die Diskussion gebracht hat. Entscheidend ist der vorrangige Stellenwert des Individualrechts der Rundfunkfreiheit gegenüber der institutionellen Garantie, die lediglich eine komplementäre Sicherungsfunktion besitzt und nur insoweit Bedeutung gewinnen kann, als das subjektive Recht den erforderlichen Umfang der Schutzgarantie nicht zu leisten vermag. I n diesem Sinne ist die privatwirtschaftliche Rundfunkstruktur die „natürliche" Organisationsform der Rundfunkfreiheit. Die „Notkonstruktion" der anstaltlich-pluralistischen Binnenstruktur muß m i t ihrem Ausschließlichkeitsanspruch i n dem Moment zurücktreten, i n dem die Meinungsvielfalt i m Rahmen eines privatwirtschaftlichen Konkurrenzmodells des offenen Marktes durch die Vielzahl der Rundfunkdarbieter und Programmgestalter gewährleistet werden kann. Das gilt um so mehr, als die auch heute noch praktizierte Notkonstruktion das subjektive Grundrecht auf Rundfunkfreiheit völlig leerlaufen läßt. I m Hinblick auf die ver16 Schmitt Glaeser
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änderte faktische Situation i m Rundfunkwesen könnte dies nur dann noch hingenommen werden, wenn der Beweis dafür erbracht wird, daß das Gesetz der Liberalität „Vielfalt durch Vielzahl" nicht funktionieren kann, sei es, weil sich die Vielfalt, aus welchen Gründen auch immer, trotz Vielzahl nicht einstellt oder es bereits an der Vielzahl der Rundfunkunternehmen fehlt, so daß die konkrete Gefahr der Monopolisierung und einseitigen Steuerung der Rundfunkdarbietungen tatsächlich besteht. Und akkurat diese Behauptung kann heute ernsthaft nicht mehr aufgestellt oder gar bewiesen werden. Dabei muß immer wieder betont werden, daß die Öffnung des Rundfunk-,,Marktes" auch für privatrechtliche Unternehmen die i m Integrationsfunk angelegte Absicherung der Meinungspluralität nicht beseitigt; denn es geht um die Ergänzung, nicht u m die Ersetzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch privatrechtliche Unternehmen und damit idealiter um einen Zuwachs an Meinungspluralität. Wenn sich aus diesen Überlegungen auch nicht ohne weiteres i m Wege eines direkten „Durchgriffs" auf A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG selbst ein unmittelbarer Zulassungsanspruch Privater auf Gründung und Betrieb von Rundfunkunternehmen herleiten läßt, so führen sie doch zu einer „Dienstleistungspflicht" des Gesetzgebers für das Individualrecht. Diese Dienstleistungspflicht besteht i n einer Prüfungspflicht und sie bedeutet, daß der Gesetzgeber zu prüfen hat, ob und inwieweit die Voraussetzungen zu einer Öffnung des Rundfunkmarktes für das „freie Spiel der Kräfte" vorliegen, ob und inwieweit das Gesetz der Liberalität „Vielfalt durch Vielzahl" funktionieren kann. A n dieser Stelle gelangt die spezifisch verfassungsrechtliche Bedeutung des Münchner Pilotprojekts als Rahmen für die Erfüllung der gesetzgeberischen Prüfungspflicht i. S. einer Erprobungspflicht des privatwirtschaftlichen Modells ins Blickfeld. 16. Z u diesem Ergebnis führen auch die Untersuchungen über die Vereinbarkeit des A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V m i t A r t . 12 Abs. 1 GG. Das Grundrecht der Berufsfreiheit verstärkt damit die bereits i m Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG festgestellte Prüfungspflicht des Gesetzgebers, wobei der Tatsache hervorgehobene Bedeutung zugemessen werden muß, daß das derzeit geltende Rundfunkrecht gerade das besonders geschützte Grundrecht der Berufswahl leerlaufen läßt. Darüber hinaus ergibt sich, daß Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 BV, unabhängig von der weiteren Entwicklung i m Rundfunkwesen und den Ergebnissen des Modellversuches, jedenfalls insoweit m i t A r t . 12
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Abs. 1 GG unvereinbar ist, als diese landesverfassungsrechtliche Norm auch solche privatrechtliche Rundfunkunternehmen ausschließt, die, i n ähnlicher Weise wie die derzeitigen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, binnenstrukturell pluralistisch organisiert sind. Das Gemeinschaftsgut der Meinungsvielfalt i m Rundfunkwesen würde nämlich durch solche privatrechtlichen Unternehmen ebenso wenig gefährdet wie durch die anstaltlichpluralistisch organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmen, so daß hier von vornherein jede Beschränkung der Berufswahl ausscheiden muß. A r t . l i l a Abs. 2 Satz 1 B V ist daher insofern wegen Verstoßes gegen A r t . 12 Abs. 1 GG verfassungsw i d r i g und nichtig. Das generelle und absolute Verbot privatrechtlicher Rundfunkunternehmen ist auf jeden Fall unhaltbar. IV. 17. Z u den kabelgebundenen anderen Informationsdiensten gehören vor allem die Informationsabrufdienste, der Dialogverkehr und die materialisierten Teletexte. I m Gegensatz zu den kabelgebundenen Informationsverteildiensten handelt es sich hier um „zweiseitig" angelegte Kommunikation. Die Informationen werden also nicht einseitig von einer Zentrale aus an die Allgemeinheit, an eine „Masse" von Empfängern verteilt, die sich ihrerseits auf einen bloßen Empfang beschränken. Besonders eklatant ist dies beim Dialogverkehr, dessen Charakteristikum darin besteht, daß der einzelne Teilnehmer m i t der Zentrale und, i n einer höher entwickelten Stufe, sogar m i t jeder anderen an das System angeschlossenen Person über Bildschirm kommunizieren kann. Bei den Informationsabrufdiensten w i r d zwar (auch) „verteilt", aber — i m Gegensatz zu den echten Verteilsystemen — nicht ausschließlich nach Belieben der Zentrale, sondern auf Bestellung, eben auf „ A b ruf" des Empfängers. Wesentlich ist hierbei, daß der Empfänger aus einem Informationsangebot über einen „Rückkanal" (im weitesten Sinne) bestimmte Inhalte abruft, die dann sofort (oder innerhalb kurzer Zeit) und gerade für ihn übertragen werden. Sowohl das Dialogverkehrssystem als auch die Informationsabrufdienste sind danach i n ihrer Grundstruktur auf individuelle Kommunikation angelegt, wobei die Selektionsbefugnis auch und vornehmlich beim Empfänger liegt. Individualkommunikation ist das Gegenbild zur Massenkommunikation, wie es den Rundfunk kennzeichnet. Informationsabrufdienste und Dialogverkehrssysteme unterfallen daher nicht dem Rundfunkbegriff i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. des Art. I l l a B V und der Rundfunkgesetze. Vor allem bedarf es 16
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von vornherein keiner institutionellen Sicherung via pluralistische Binnenstruktur wie bei der Rundfunkfreiheit, weil es an der einseitig-selektiven Darbietung gegenüber einer „Allgemeinheit" fehlt. Unter den Begriff „materialisierte Teletexte" sind schließlich alle diejenigen technischen Möglichkeiten einzuordnen, bei denen die Informationsübermittlung zwar durch Funkdienst bzw. „immateriell" erfolgt, der Empfänger aber (zumindest auch) die Möglichkeit hat, den Ubermittlungsinhalt gleichzeitig unmittelbar auf Papier materialisiert ( = ausgedruckt) zu bekommen. Unerheblich ist hierbei die technische Ausgestaltung der Übertragung i m einzelnen. Von Bedeutung ist vor allem, daß materialisierte Teletexte vom Begriff her inhaltlich „diffus" sind. I n diesem Zusammenhang werfen sie daher nur dann spezifische Rechtsprobleme auf, wenn das Endprodukt als solches, die Gestaltungsform also, rechtliche Qualität besitzt. Das ist bei der sog. „Faksimile-Zeitung" bzw. der „Heim-Faksimile-Zeitung" der Fall. Dabei handelt es sich um eine echte Zeitung, die dem Pressebegriff einzuordnen ist. 18. Weil die anderen Informationsdienste nicht dem Rundfunkbegriff unterfallen, scheidet für sie auch jede A r t von Monopolisierung, wie w i r sie derzeit beim Rundfunk vorfinden, von vornherein aus. Daraus ergibt sich, daß eine ausschließliche Zuweisung aller Funkdienste bzw. der Gesamtdurchführung des Münchner Pilotprojekts an die öffentlich-rechtliche Anstalt „Bayerischer Rundfunk" (und/ oder eine andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die durch Gesetz gegründet werden könnte) jedenfalls insofern weder m i t Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch m i t Art. I l i a Abs. 2 B V gerechtfertigt werden kann, als es um den Betrieb bzw. die Erprobung von Funkdiensten geht, die nicht Rundfunk i. S. des Art. 5 Abs, 1 Satz 2 GG/Art. I l i a B V sind. 19. Das Tätigkeitsfeld der kabelgebundenen anderen Informationsdienste ist i n erster Linie und grundsätzlich unbeschränkt dem einzelnen, dem Individuum, dem privatrechtlichen Unternehmen geöffnet. I n einer Staatsordnung, i n deren Mittelpunkt der Mensch und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit steht, erscheint der einzelne, die „Zivilperson" geradezu als der geborene Träger dieses Kommunikationskomplexes. Verfassungsrechtlich w i r d dieser Anspruch noch durch A r t . 5 AHbs. 1 Satz 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG gestützt. Bei der Faksimile-Zeitung gilt die Pressefreiheitsgarantie des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG; hier w i r d die notwendige Dominanz der privatwirtschaftlichen Struktur besonders deutlich.
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V.
20. Zum Modellversuch des Münchner Pilotprojekts muß vorweg noch einmal betont werden, daß eine privatrechtliche Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft auf jeden Fall möglich und auch i m Hinblick auf A r t . I l l a Abs. 2 Satz 1 B V unproblematisch ist. I m übrigen geht es um die Auswertung der für die allgemeine Situation i m Bereich der kabelgebundenen Telekommunikationssysteme erarbeiteten rechtlichen und insbesondere verfassungsrechtlichen Ergebnisse für die spezielle Situation beim Münchner Pilotprojekt. Die Untersuchungen sind auf das Problem der Teilnehmerschaft privatrechtlicher Unternehmen m i t eigener Programmverantwortung und ohne binnenpluralistische Organisationsform sowohl i m Bereich des Kabelrundfunks als auch der anderen kabelgebundenen Informationsdienste bezogen. 21. Für den Bereich der Informationsverteildienste, die dem Rundfunkbegriff unterfallen, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Pflicht hat, zu prüfen, ob und inwieweit die grundgesetzlich gebotene Meinungsvielfalt i m Rundfunkwesen durch Zulassung (auch) privatrechtlicher Unternehmen auf diesem Mediensektor erreicht werden kann. Das „Wie" der Erprobung ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers und seines pflichtgemäßen Ermessens. Denkbar wäre ζ. B. ein schrittweiser Ausbau der Medienpluralität. Er kann aber auch — wie offensichtlich beabsichtigt ist — den Weg des Modellversuchs gehen. Der m i t dem Münchner Pilotprojekt geplante Modellversuch ist grundsätzlich geeignet, die faktische Situation i m Rundfunkwesen sowohl i m Hinblick auf die Übertragungsmöglichkeiten als auch i n bezug auf die Kostenlage zu erproben. Der Modellversuch ist also eine brauchbare Basis für die gesetzgeberische Prüfungspflicht. Seiner verfassungsrechtlichen Prüfungspflicht vermag der Gesetzgeber aber nur dann nachzukommen, wenn er auch „echte" privatrechtliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter zuläßt. Insofern ist sein Ermessensspielraum auf N u l l reduziert. Eine besondere Rolle spielt hierbei die weichenstellende Funktion des Modellversuchs. Bei der normativen Ausgestaltung des Pilotprojekts i m übrigen muß vor allem dem Grundsatz der Meinungspluralität und dem Prinzip der Chancengleichheit Bedeutung zugemessen werden. Für den Fall, daß das Münchner Pilotprojekt ohne ein Gesetz durchgeführt, oder zwar ein die spezifische Materie regelndes Gç-
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setz erlassen werden sollte, dieses Gesetz aber keine entsprechende Zulassungsbestimmung für privatrechtliche Rundfunkunternehmen enthält, ist ein unmittelbarer „Durchgriff" auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 12 Abs. 1 GG zu bejahen. Der privatrechtliche Unternehmer hätte dann auf Grund dieser Verfassungsbestimmungen einen direkten Anspruch auf Zulassung. 22. Zum gleichen Ergebnis führen erst recht die Überlegungen zur Teilnahme privatrechtlicher Unternehmen am Modellversuch i m Bereich anderer Informationsdienste, die nicht Rundfunk sind, also i m Bereich der Informationsabrufdienste und der Dialogverkehrsdienste einschließlich der materialisierten Teletexte. Diese Kommunikationssysteme unterfallen schon nicht dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. des A r t . I l l a BV, so daß die Problematik des Rundfunkmonopols, insbesondere auch Art. I l i a Abs. 2 S a t z l BV, von vornherein ausscheidet. Die Zulassung privatrechtlicher Unternehmen ergibt sich hier aus A r t . 5 Abs. 1 Satz 1 und A r t . 12 Abs. 1 GG sowie, für die FaksimileZeitung, aus dem Grundrecht der Pressefreiheit i. S. des A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 23. Trotz der unterschiedlichsten verfassungsrechtlichen Ausgangslagen bei den kabelgebundenen Informationsverteildiensten bzw. beim Kabelrundfunk einerseits und den anderen kabelgebundenen Informationsdiensten andererseits, die auch ein Stück unterschiedlicher Wirklichkeit sind, ist für die spezifische Situation des Modellversuchs aus technischen und wirtschaftlichen Gründen eine rechtseinheitliche Behandlung durch den Gesetzgeber zu fordern. VI. 24. Das Land Bayern kann, unbeschadet der Zulassung einer privatrechtlichen Programmverantwortung unter dem „Dach" einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft (siehe Ziff. 10), seiner bundesverfassungsrechtlichen Verpflichtung auf Zulassung privatrechtlicher Rundfunkunternehmen beim Münchner Pilotprojekt auf verschiedene Weise nachkommen. I n erster Linie kann der Landesverfassung g eb er i m Wege der Verfassungsänderung nach Art. 75 B V die Vorschrift i n Art. I l l a Abs. 2 B V aufheben oder dahingehend ändern, daß privatrechtliche Unternehmen generell als Rundfunkveranstalter zugelassen werden. Sodann kann eine Änderung auch i n Form einer Ergänzung des Art. I l i a Abs. 3 B V durch Einfügung eines Satzes 2 etwa mit
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folgendem Wortlaut erfolgen: „Durch Gesetz können zu Versuchszwecken zeitlich und örtlich begrenzte Ausnahmen von Absatz 2 zugelassen werden." I n diesem Zusammenhang ist auf die „Vergleichsverhandlungen" des Jahres 1973 zwischen den Anhängern und Gegnern des Volksbegehrens zur Einführung des Art. I l l a i n die Bayerische Verfassung hinzuweisen. Für den Fall, daß sich die damals angenommene verfassungsrechtliche Ausgangslage ändern sollte, einigte man sich dahingehend, daß die Beteiligten die dann gegebene Verfassungslage prüfen würden. So sehr die öffentliche Verantwortung von Rundfunkveranstaltungen nach wie vor unbestritten und auch unbestreitbar ist, so sehr hat sich — wie i m einzelnen dargelegt wurde — die faktische Situation i m Rundfunkwesen und damit die verfassungsrechtliche Ausgangslage i m Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. I l l a B V gerade m i t Wirkung für die Monopolisierung der Rundfunkveranstaltungen bei öffentlich-rechtlichen Trägern verändert. I n Besonderheit die geplante Einrichtung eines Pilotprojekts ist der geeignete Anlaß, um die 1973 vereinbarte erneute Überprüfung nunmehr anzugehen. 25. Sofern eine solche Aufhebung, Änderung oder Ergänzung des Art. I l l a B V nicht erfolgt und ein Pilotprojektgesetz erlassen wird, das privatrechtliche Unternehmen als Teilnehmer am Modellversuch ausschließt, besteht für die Landesregierung die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes i n einem Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG nachprüfen zu lassen. Das gleiche Verfahren könnte auch durch die Bundesregierung oder durch ein Drittel der Mitglieder des Deutschen Bundestages eingeleitet werden. VII. 26. Potentielle privatrechtliche Rundfunkunternehmen könnten Popularklage nach Art. 98 Satz 4 Β V / A r t . 53 Abs. 1 BayVerfGHG erheben und zwar mit der Behauptung, Art. I l i a Abs. 2 Satz 1 B V verstoß^ gegen Grundrechte der bayerischen Verfassung. Soweit bereits ein Pilotprojektgesetz erlassen ist, das privatrechtliche Unternehmen von der Teilnahme am Modellversuch ausschließt, könnte auf demselben prozessualen Weg gegen dieses Gesetz vorgegangen werden. 27. Das privatrechtliche Unternehmen hätte außerdem die Möglichkeit, eine rundfunkrechtliche oder fernmelderechtliche Erlaubnis zu
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beantragen. W i r d diese Erlaubnis unter Hinweis auf das Pilotprojektgesetz abgelehnt, so kann es den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Sofern das Gericht das Gesetz für bundes- oder landesverfassungswidrig hält, muß es das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des BVerfG oder des BayVerfGH einholen (Art. 100 Abs. 1 GG; A r t . 92, 65 BV, Art. 44 BayVerfGHG). Legt das Gericht nicht vor, so kann das potentielle privatrechtliche Rundfunkunternehmen nach Erschöpfung des Rechtsweges gegen das ablehnende Urteil Verfassungsbeschwerde beim BVerfG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG) oder, sofern die letztinstanzliche Entscheidung von einem bayerischen Gericht gefällt wird, auch beim BayVerfGH (Art. 120, 66 BV, A r t . 46 ff. BayVerfGHG) erheben. Bei der Verfassungsbeschwerde käme auch eine Sofortentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG i n Betracht. Darüber hinaus wäre der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG zu prüfen. 28. Sollte der Modellversuch ohne den Erlaß eines Pilotprojektgesetzes durchgeführt werden, so hat auch hier der potentielle privatrechtliche Unternehmer die Möglichkeit eines Antrags auf Erteilung der rundfunkrechtlichen oder fernmelderechtlichen Erlaubnis, die mangels gesetzlicher Regelung abgelehnt werden müßte, so daß er nunmehr den Rechtsweg beschreiten kann. Die Entscheidung (letzten Endes der Verfassungsbeschwerde) wäre direkt auf die Verfassungswidrigkeit des gegenwärtigen tatsächlichen Ausschlusses privater Rundfunkunternehmer vom Modellversuch zu beziehen und müßte zur unmittelbaren Zulassung führen. Jedenfalls hätte das BVerfG die Verfassungswidrigkeit des gesetzgeberischen Unterlassens festzustellen.
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Anhang
Anhang
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Überarbeitetes Modell aufgrund der Besprechung der Chefs der der Bundfunkkommission der Länder angehörenden Staatsund Senatskanzleien vom 5. Mai 1978 Das L a n d Baden-Württemberg u n d das L a n d Eheinland-Pfalz schließen nachstehenden STAATSVERTRAG
Artikel 1 Kabelpilotpro j ekt (1) Die Länder Baden-Württemberg u n d Rheinland-Pfalz kommen überein, i m Räume Ludwigshafen-Mannheim einen Modellversuch m i t Breitbandkabel (Kabelpilotprojekt) durchzuführen. (2) Das Kabelpilotprojekt dient dem Zweck, . . . (3) I n das Kabelpilotprojekt werden folgende Gebiete einbezogen: . . . (4) F ü r die Versuchsbedingungen u n d die Begleitung des Kabelpilotprojekts gelten die Vereinbarungen von B u n d u n d Ländern v o m . . .
Artikel 2 Errichtung einer Anstalt (1) Z u m Zwecke der Koordinierimg u n d Überwachung des Modellversuchs errichten die Länder Baden-Württemberg u n d Rheinland-Pfalz eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts m i t dem Namen . . . (2) Die Anstalt hat ihren Sitz i n . . . F ü r die Anstalt gilt das Recht des Sitzlandes. (3) Die Anstalt hat das Recht der Selbstverwaltung i m Rahmen der nachfolgenden Vorschriften. Artikel 3 Organe der Anstalt Die Organe der Anstalt sind: 1. die Rundfunkversammlung, 2. der Vorstand, 3. der Geschäftsführer. 17*
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Anhang 1 Artikel 4 Zusammensetzung der Rundfunkversammlung
(1) Die Rundfunkversammlung besteht aus . . . Mitgliedern, nämlich a) b) c) d) (2) Die Mitglieder werden von den Regierungen der vertragschließenden Länder auf Vorschlag der i n Absatz 1 bezeichneten Verbände u n d Organisationen berufen. Jeder Vorschlag muß die dreifache Z a h l der auf die V e r bände u n d Organisationen entfallenden Vertreter enthalten. Eine Teilnahme a m Modellversuch als Rundfunkveranstalter schließt die Mitgliedschaft i n der Rundfunkversammlung nicht aus; § 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes i n Verbindung m i t § 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes gilt entsprechend. Artikel 5 Zusammensetzung des Vorstandes Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern. Er w ä h l t einen Vorsitzenden u n d seinen Stellvertreter. Die Mitglieder des Vorstandes dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder der Rundfunkversammlung oder Veranstalter von Rundfunksendungen sein. Artikel 6 Geschäftsführer Die Geschäfte der laufenden Verwaltung werden von einem Geschäftsführer wahrgenommen. Artikel 7 Aufgaben der Rundfunkversammlung Der Rundfunkversammlung obliegt a) b) c) d) e)
die W a h l ihres Vorsitzenden u n d seines Stellvertreters, die Wahl der Mitglieder des Vorstandes, der Erlaß der Satzung u n d der Richtlinien, die Genehmigung des Haushaltsplanes, die Überwachung der Einhaltung der allgemeinen gesetzlichen V o r schriften, der Satzungsbestimmungen u n d der Richtlinien nach Maßgabe dieses Staatsvertrages, f) die Stellung v o n Anträgen auf Entzug einer Konzession u n d auf die E r teilung von Auflagen. Artikel 8 Aufgaben des Vorstandes
Der Vorstand bestellt den Geschäftsführer u n d gibt sich eine Geschäftsordnung. E r verwaltet die der Anstalt zur Verfügung stehenden Mittel. Er erteüt die Einzelgenehmigungen f ü r den offenen Kanal.
Anhang 1 Artikel 9 Dauer der Berufungen Die Mitglieder der Organe der Anstalt werden f ü r die Dauer des Modellversuchs berufen. Sie können von den für die Berufung oder Wahl zuständigen Stellen jederzeit abberufen u n d durch andere Mitglieder ersetzt werden.
A r t i k e l 10 Zustandekommen von Beschlüssen Die Rundfunkversammlung u n d der Vorstand fassen ihre Beschlüsse m i t einfacher Mehrheit ihrer Mitglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Vorsitzenden. A r t k e l 11 Erteilung u n d I n h a l t der Konzession (1) Wer an dem Modellversuch als Veranstalter teünehmen w i l l , bedarf einer Konzession oder einer Einzelgenehmigung. Dies g i l t auch für die V e r breitung von Informationen, die nicht Rundfunk sind. Die Konzession w i r d auf A n t r a g erteilt. (2) Die Konzession erteilen das Staatsministerium des Landes BadenWürttemberg u n d die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz gemeinsam. Die Konzession muß A r t u n d Dauer der Veranstaltung bezeichnen. Sie w i r d für eine bestimmte Zeit erteilt. Die Konzession ist nicht übertragbar. Bei der Vergabe der Konzessionen ist darauf zu achten, daß die Ausgewogenheit des Gesamtprogramms gewahrt w i r d . Die Rundfunkversammlung ist zu hören. (3) Der Bewerber muß folgende Voraussetzungen erfüllen: a) Der Bewerber muß eine geschäftsfähige natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personengruppe sein, die durch Vorlage einer Satzung oder eines sonstigen Statuts nachweist, daß sie einen geschlossenen M i t gliederbestand hat u n d auf Dauer angelegt ist. b) Der Bewerber muß eine ausreichende finanzielle Grundlage haben. c) Der Bewerber muß die f ü r die Veranstaltung von Rundfunk erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzen. d) Der Bewerber muß die Gewähr bieten, daß er die f ü r die R u n d f u n k veranstaltungen geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen dieses Vertrages u n d die Bestimmungen der Satzung u n d Richtlinien sowie die allgemein geltenden Rechtsvorschriften beachtet. Hierzu gehört auch das Gesetz zum Schutze der Jugend i n der Öffentlichkeit. (4) Reichen die freien Sendezeiten nicht f ü r alle Bewerber aus, so können die Staatskanzleien der Vertragschließenden eine Ausschlußfrist zur A n tragstellung bestimmen, die i n den Staatsanzeigern beider Länder bekanntzumachen ist. Nach A b l a u f der Frist werden die freien Sendezeiten auf die ermittelten Bewerber verteilt. Erforderlichenfalls werden die beantragten Sendezeiten anteilig gekürzt. (5) Einem Land, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband sowie einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, die m i t der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betraut ist, darf eine Konzession nicht erteilt werden.
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Anhang 1 A r t i k e l 12 Offener K a n a l
(1) Die Anstalt hat einen offenen K a n a l zur Verfügung zu halten, den jedermann m i t einer Einzelgenehmigung des Vorstandes benutzen kann. Die Programmbeiträge auf dem offenen K a n a l müssen kostenlos erbracht werden. Die Einzelgenehmigung w i r d f ü r eine einzelne, sachlich u n d zeitlich bestimmte Veranstaltung erteilt. Sie darf n u r verweigert werden, wenn G r u n d zu der Annahme besteht, daß eine der Voraussetzungen des Artikels 11 Abs. 3 Buchst, c) u n d d) nicht vorliegt. B e i m nachträglichen Wegfall einer dieser Voraussetzungen ist die Einzelgenehmigung zu widerrufen. Das Nähere über den Zugang zu dem offenen K a n a l u n d die Aufteilung der Sendezeiten hierfür regelt die Satzung. (2) Die Regierungen der vertragschließenden Länder u n d ihre Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht, ihren Aufgaben entsprechende amtliche Verlautbarungen über den offenen K a n a l bekanntzugeben. Hierfür ist ihnen die erforderliche Sendezeit einzuräumen. A r t i k e l 13 Grundsätze f ü r das Gesamtprogramm (1) Die Programme i n ihrer Gesamtheit (Gesamtprogramm) dienen einer unabhängigen Meinungsbildung. Das Gesamtprogramm trägt zur B i l d u n g u n d Unterhaltung bei. Die Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates i m Sinne des Grundgesetzes, die Menschenwürde sowie die sittlichen u n d religiösen Überzeugungen der Rundfunkteilnehmer sind zu achten. (2) Die Berichterstattung muß wahrheitsgetreu, sachlich u n d objektiv sein; H e r k u n f t und I n h a l t der zur Veröffentlichung bestimmten Nachrichten u n d Berichte sind sorgfältig zu prüfen. Sind f ü r eine Sendung Tatsachenbehauptungen vorgesehen, die sich gegen eine Person oder Institution richten, so sind die Betroffenen nach Möglichkeit zu hören u n d deren Auffassung nicht außer acht zu lassen. Nachrichten sind von Kommentaren und Stellungnahmen zu trennen. A r t i k e l 14 Ausgewogenheit des Gesamtprogramms (1) Das Gesamtprogramm darf nicht einseitig eine Regierung, eine politische Richtung oder persönliche oder wirtschaftliche Sonderinteressen begünstigen. Das Nähere bestimmt die Satzung. (2) Die Rundfunkversammlung wacht darüber, daß das Gesamtprogramm ausgewogen ist. Z u diesem Zweck k a n n sie allgemeine Richtlinien erlassen. A r t i k e l 15 Programmverantwortung I m Rahmen der Bestimmungen der A r t i k e l 13 u n d 14, der ergänzenden Satzungsbestimmungen und der Richtlinien verantwortet jeder Veranstalter sein Programm selbst.
Anhang 1 A r t i k e l 16 Gegendarstellung Ist i n einer Sendung eine Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, so k a n n die unmittelbar betroffene Person oder Stelle die Verbreitung einer Gegendarstellung zu dieser Behauptung verlangen (Näheres: Wie § 4 des ZDF-Staats Vertrages). A r t i k e l 17 Überwachung der Rundfunkveranstalter (1) Die Rundfunkversammlung überwacht die Einhaltung der Bestimmungen dieses Staatsvertrages, der Satzung u n d der Richtlinien sowie der a l l gemein geltenden Rechtsvorschriften. Bei Verstößen k a n n sie bei den für die Erteilung der Konzession zuständigen Stellen die Erteilung von Auflagen oder den Entzug der Konzession beantragen. Gleiches gilt, w e n n eine der für die Erteilung der Konzession erforderlichen Voraussetzungen nachträglich wegfällt oder eine Auflage nicht eingehalten w i r d . (2) Die Rundfunkversammlung ist mindestens halbjährlich einmal einzuberufen. Sie ist ferner einzuberufen, w e n n dies von mindestens einem D r i t t e l der Mitglieder der Rundfunk Versammlung beantragt w i r d .
A r t i k e l 18 Teilnehmer, Teilnehmerentgelte (1) A n das Kabelnetz des Pilotprojektes k a n n sich jeder, der i n dem V e r suchsgebiet wohnt oder sich aufhält, anschließen lassen. Die Teilnahme ist freiwillig. (2) Jeder Teilnehmer hat eine einmalige Anschlußgebühr i n Höhe von . . . D M zu leisten. Daneben ist monatlich ein Teilnehmerentgelt i n Höhe von . . . D M zu entrichten. Die Anschlußgebühr u n d das Teilnehmerentgelt stehen der Anstalt zu. Die Netzträgerschaft bleibt hiervon unberührt. (3) Die Anschlußgebühr w i r d m i t dem Anschluß des Teilnehmers an das Kabelnetz fällig. M i t diesem Zeitpunkt beginnt die Verpflichtung zur Zahlung des Teilnehmerentgelts. Erfolgt der Anschluß i m Laufe eines Monats, so ist das Teilnehmerentgelt v o m Beginn dieses Monats an zu leisten. (4) Von Personen, die i n häuslicher Gemeinschaft m i t dem Teilnehmer leben, werden weitere Gebühren und Entgelte nicht erhoben.
A r t i k e l 19 Verwaltung u n d Verteilung der M i t t e l Der Vorstand verwaltet die der Anstalt zur Durchführung des Modellversuchs zur Verfügung gestellten Mittel, die Anschlußgebühren sowie die T e i l nehmerentgelte. Er verteilt diese nach A b f ü h r u n g der anderweitig nicht gedeckten Netzkosten u n d nach Abzug der Kosten der Anstalt auf die einzelnen Veranstalter. Maßgebend sind dabei die Sendezeiten u n d