Juden und Christen im spätantiken Palästina 9783110911817, 9783110195552

It is generally assumed that with the Christianisation of Palestine in the 4th century, the Jewish population of the cou

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Juden und Christen im spätantiken Palästina
 9783110911817, 9783110195552

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Günter Stemberger Juden und Christen im spätantiken Palästina

W DE G

Akademieunternehmen „Griechische Christliche Schriftsteller" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

Hans-Lietzmann-Vorlesungen

Herausgegeben von Christoph Markschies und Martin Wallraff Heft 9

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Günter Stem berger

Juden und Christen im spätantiken Palästina

Walter de Gruyter · Berlin · New York

@ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 978-3-11-019555-2. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2.007 by Walter de Gruyter G m b H & Co. K G , D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Rainer Engel, Berlin Für die Umschlaggestaltung wurden Abbildungen eines Mosaiks aus der Hagia Sophia (Istanbul; 9. J h . ) und des C o d e x V a t . G r a e c . 12.09, f o l . 6 5 ' ( R o m ; 4. Jh.) verwendet. Das Mosaik zeigt den Erzengel Gabriel, die Handschrift den griechischen Bibeltext Exodus 1 4 , 1 6 f. Druck und buchbinderische Verarbeitung: druckhaus köthen, Kothen

Vorwort Bisher wurde bei einer Hans-Lietzmann-Vorlesung stets die Ordnungszahl der Vorlesung in Beziehung zu dem gesetzt, was die neupythagoreische Zahlentheorie über die Bedeutung dieser jeweiligen Zahl zu vermelden wusste 1 . Da das einschlägige Werk des Pseudo-Jamblich über die Theologie der Arithmetik bei der Zahl zehn endet, sind solche Einleitungen eigentlich nicht mehr möglich. Dem hilft auch nicht ab, dass in der Reihe der Veröffentlichungen unter dem Titel „Hans-Lietzmann-Vorlesung" diese Vorlesung erst die neunte darstellt und bei PseudoJamblich die Neunzahl als „größte der Zahlen in der Dekade" bezeichnet wird 1 ; zwei Vorlesungen konnten wir bekanntlich aus verschiedenen Gründen nicht im Druck vorlegen. Wie auch immer: Neupythagoreisch unterlegte Werbung für diese Vorlesungsreihe ist eigentlich gar nicht mehr notwendig; die nach dem großen Kirchenhistoriker Hans Lietzmann genannte Vorlesung, die wir auch diesmal in Berlin und Jena veranstalteten, ist aus den Kinderschuhen herausgewachsen. Die elfte Lietzmann-Vorlesung wurde von Günter Stemberger gehalten. Der ebenso gründlich arbeitende wie bescheidene Wissenschaftler wurde 1940 in Innsbruck geboren, studierte in seinem Heimatland Theologie und Judaistik, außerdem in Großbritannien, Frankreich und Italien. 1967 wurde er in Innsbruck zum Doktor der Theologie promoviert. Ein Jahr später erhielt er das ι

[Iamblichi] Theologumena Arithmeticae, ed. V . de Falco (BiTeu), Leipzig 1 9 2 z (Stuttgart

2

i 9 7 5 ) ; The Theology of Arithmetic. On the Mystical,

Mathematical, and Cosmological Symbolism of the First Ten Numbers, attributed to Iamblichus, transl. from the Greek by R. Waterfield, with a Foreword by K. Critchlow, Grand Rapids/Michigan 1 9 8 8 . 2.

Theol. Arit. 9 (BiTeu 7 6 , 6 de Falco).

VI

Vorwort

Lizentiat in Bibelwissenschaften am Pontificio Istituto Biblico in Rom (Italien)3. Anschließend war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Duke University in Durham (USA) tätig. Weitere Forschungsaufenthalte führten ihn nach Israel - kurz eine für damalige Zeiten beeindruckend internationale wissenschaftliche Biographie, die auch heutigentags keinen Vergleich scheuen müsste. Seit 1972. arbeitet Günter Stemberger am Institut für Judaistik der Universität Wien, an der er 1974 habilitiert wurde und seit 1 9 7 7 als Professor tätig ist. Von 1984 bis 1986 lehrte er zugleich an der Universität Köln; er ist korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und erhielt im Januar zoo 5 den Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen. Stembergers Forschungen umfassen die Geschichte, Literatur und Religion des Judentums in Spätantike und Frühmittelalter, aber auch die Wissenschafts- wie Editionsgeschichte der Judaistik - zunächst einmal ist Stemberger aber dafür zu rühmen und quasi kanonisch geworden, dass er jene Lehrbücher konzipiert hat, in denen sich Vertreter der Disziplin Judaistik und an dieser Interessierte gleichermaßen informieren, also auch die berühmten interessierten Laien. Chronologisch betrachtet sind das eine „Geschichte der jüdischen Literatur", eine Einführung in „Kultur und Geschichte der rabbinischen Zeit" und eine Einführung in den Talmud; jeweils in diverse Fremdsprachen übersetzt und jeweils aktualisiert4. In den letzten Jahren ist eine Einführung in die jüdische Religion und in die Judaistik erschienen, dazu eine 3

G. Stemberger, Der Leib der Auferstehung. Studien zur Anthropologie und Eschatologie des palästinischen Judentums im neutestamentlichen Zeitalter (Analecta Biblica 56), Rom 1 9 7 2 .

4

G. Stemberger, Geschichte der jüdischen Literatur. Eine Einführung (Beck'sche Elementarbücher), München 1 9 7 7 ; Das klassische Judentum. Kultur und Geschichte der rabbinischen Zeit (Beck'sche

Elementar-

bücher), München 1 9 7 9 ; Epochen der jüdischen Literatur, an ausgewählten Beispielen erläutert (Beck Schwarze Reihe 249), München 1 9 8 2 sowie Der Talmud. Einführung, Texte, Erläuterungen, München 1 9 8 2

(2i987, 3i994)·

Vorwort

VII

Einführung in die „Hermeneutik der Bibel und des Alten Testaments" 5 . Vor allem bekannt geworden aber ist Stemberger für Bearbeitung und Fortsetzung der Einleitung in Talmud und Midrasch, die auf Hermann Leberecht Strack (1848-19ZZ) zurückgeht, der seit 1 8 7 7 in Berlin im Rahmen der Theologischen Fakultät die Judaistik vertrat6. Eine solche imponierende Synthese in Gestalt von Lehrbüchern kann aber nur ziehen, wer selbst auch zu zentralen Feldern des Faches seine Beiträge leistet genannt seien beispielsweise die Münsteraner Franz-DelitzschVorlesung 1998 über „Verdienst und Lohn - Kernbegriffe rabbinischer Frömmigkeit?", eine knappe Zusammenstellung über die jüdische Sicht auf das Imperium Romanum, und die Darstellung Palästinas unter Konstantin und Theodosius unter dem Titel „Juden und Christen im Heiligen Land" 7 , der eine Rezensentin „übersichtliche Anlage, Bemühen um vorurteilslose Quellenbehand-

5

G. Stemberger, Jüdische Religion (Beck'sche Reihe 2003), München 1 9 9 5 ( 2 i 9 9 6 , 3 i 9 9 9 , 4 2002); gemeinsam mit Christoph Dohmen, Hermeneutik der Jüdischen Bibel und des Alten Testaments (Kohlhammer Studienbücher Theologie 1/2), Stuttgart 1996; Einführung in die Judaistik, München 2002.

6

G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, 7. völlig neu bearbeitete Auflage des Buches von H. L. Strack (Beck'sche Elementarbücher), München 1 9 8 2 , 8. Auflage, neu bearbeitet München 1 9 9 2 , nochmals überarbeitet englisch Edinburgh 1 9 9 6 ; zu H. L. Strack vgl. G. Stemberger, Hermann L. Stracks Beitrag zur Erforschung der rabbinischen Literatur, in: R. Golling/P. von der Osten-Sacken (Hgg.), Hermann L. Strack und das Institutum Judaicum in Berlin. Mit einem Anhang über das Institut Kirche und Judentum (Studien zu Kirche und Israel 17), Berlin 1996, 53-69.

7

G. Stemberger, Verdienst und Lohn - Kernbegriffe rabbinischer Frömmigkeit? Überlegungen zu Mishna Avot. FJB 25, 1 9 9 8 , 1 - 2 1 = FranzDelitzsch-Vorlesung Heft 7, Münster 1 9 9 8 (Nachdruck Flensburg 2000); Die römische Herrschaft im Urteil der Juden (Erträge der Forschung 1 9 5 ) , Darmstadt 1 9 8 3 ; Juden und Christen im Heiligen Land. Palästina unter Konstantin und Theodosius, München 1 9 8 7 sowie die englische Übersetzung Jews and Christians in the Holy Land. Palestine in the Fourth Century, Edinburgh 2000.

VIII

Vorwort

lung und nicht zuletzt ... eine klare Sprache" bescheinigte8. Eine Auswahl der Aufsätze ist in einem Sammelband erschienen5; einige darunter sind über das Fachgebiet hinaus bekannt geworden, beispielsweise die kritischen Bemerkungen zum bisherigen Bild einer kanonbildenden Synode von Jabne/Jamnia oder die klärenden Ausführungen zu Mischna Avot'°. Aus der Fülle der Lexikonartikel in nahezu allen maßgeblichen theologischen Lexika der Gegenwart seien wenigstens die großen Artikel über „Juden" und „Judenchristentum" im „Reallexikon für Antike und Christentum" genannt 11 . Überblickt man die Bibliographie, so beeindruckt, wie hier zusammengeführt ist, was sonst auseinanderfällt: Beiträge zur Textgeschichte und Datierung, Arbeiten zur Traditionsgeschichte, Untersuchungen zu antiken wie mittelalterlichen Zusammenhängen, Wissenschaftsgeschichtliches, Studien zu Details und Überblicke und vor allem immer wieder: Archäologisches, historisch meisterhaft ausgewertet. Souverän wie kaum ein zweiter weiß Günter Stemberger archäologische Befunde in die historische Analyse einzubinden und mit den Textquellen ins Verhältnis zu setzen. Gerade auf die Geschichte des Synagogenbaus in Palästina ist in den letzten Jahren durch zahlreiche Neufunde und differenziertere Grabungen neues Licht gefallen. Allein bibliographisch angesichts teilweise abgelegener Veröffentlichungen hier stets auf dem neuesten Stand zu bleiben, ist keine leichte Aufgabe. Doch ist sie unge8

Rez. H. Botermann, H Z 2 5 2 , 1 9 9 1 , 1 4 4 f.; Zitat 1 4 4 ; Bemerkungen auch bei A . M . Ritter, Juden und Christen im Heiligen Land. Palästina unter Konstantin und Theodosius, in: J . van Amersfoort/J. van Oort (Hgg.), Juden und Christen in der Antike, Kampen 1 9 9 0 , 1 1 6 - 1 2 4 .

9

G. Stemberger, Studien zum rabbinischen Judentum (SBAB 10), Stuttgart 1 9 9 0 .

10

G. Stemberger, Die sogenannte „Synode von Jabne" und das frühe Christentum, Kairos 1 9 , 1 9 7 7 , 1 4 - 2 1 ; vgl. auch: Jabne und der Kanon, J B T h 3, 1 9 8 8 , 1 6 3 - 1 7 4 und Mischna Avot. Frühe Weisheitsschrift, pharisäisches Erbe oder spätrabbinische Bildung? Z N W 96, 2 0 0 5 , 2 4 3 - 2 5 8 .

11

G. Stemberger, Art. Juden, R A C X I X , Stuttgart 1 9 9 8 , 1 6 0 - 2 2 8 ; ders., Art. Judenchristen, R A C X I X , 2 2 8 - 2 4 5 .

Vorwort

IX

heuer lohnend - wie ein Blick in das einschlägige Kapitel in „Juden und Christen im Heiligen Land" lehrt, ein Kapitel, das in den 1 3 Jahren, die zwischen der deutschsprachigen Originalpublikation und der englischen Übersetzung vergangen sind, grundlegend überarbeitet und erheblich erweitert wurde: das Bild ist reicher und differenzierter geworden 11 . Dem archäologischen Detail, teilweise auch dem sehr technischen Detail Sinn abzugewinnen im Blick auf das Große und Ganze, es einzuordnen in übergreifende Zusammenhänge, ohne der Gefahr der Ideologisierung zu erliegen - das macht die Meisterschaft Stembergers aus. Auf diese Weise gelingt es ihm beispielsweise, die auf den ersten Blick kontrastierenden Befunde, die sich aus den erhaltenen, sehr restriktiven Gesetzestexten einerseits, der regen und ungemein kreativen Bautätigkeit andererseits ergeben, in Ausgleich zu bringen. Die Gesetzestexte sind in ihrer legislatorischen Intention als mentalitätsgeschichtliche Quellen ernst zu nehmen, doch ist stets die Differenz zwischen dem normativen Anspruch und der praktischen Durchsetzung zu veranschlagen. Auf diesen Quellenbestand lässt sich die Vorstellung einer ,,tränenreiche[n] Leidensgeschichte" der jüdischen Bevölkerung Palästinas nicht gründen 13 - jedenfalls nicht für das vierte Jahrhundert, das in der genannten Monographie behandelt wird. Die hier vorgelegte LietzmannVorlesung geht chronologisch über diesen Zeitraum hinaus; sie kann als Aktualisierung und Fortsetzung gelten, und es ist nicht zu viel gesagt, wenn man sie schon jetzt als vergleichbares Standardwerk ansieht. Man darf mit besonderer Neugier verfolgen, wie sich geographisch und chronologisch das Bild erweitert und wie unter Berücksichtigung neuester Grabungs- und Forschungsergebnisse das Geschick von Juden und Christen in Palästina bis 12

Juden und Christen (wie Anm. 7), 1 0 5 - 1 3 1 , erweitert in der englischen Fassung 1 2 1 - 1 6 0 .

13

Juden und Christen (wie Anm. 7), 2 5 1 , zum Befund der Rechtsquellen bes. 2 3 7 - 2 4 6 , in kritischer Auseinandersetzung v. a. mit M . Avi-Yonah, Geschichte der Juden im Zeitalter des Talmud, Berlin 1 9 6 2 (zuerst 1 9 4 6 in hebräischer Sprache).

χ

Vorwort

zur arabischen Eroberung in erstaunlicher Farbenfülle und Lebendigkeit entfaltet wird. Gerade die Auswertung archäologischer und bildlicher Quellen führt beinahe automatisch auf Hans Lietzmann, den Jenaer und Berliner Gelehrten, der dieser Vorlesungsreihe den Namen gibt. Unter den evangelischen Kirchenhistorikern seiner Zeit (und auch der vorausgehenden Generation) war er es, der daran erinnerte, dass auch der wort-zentrierte Protestantismus nur zum eigenen Schaden nicht-literarische Quellen übergehen kann. Mustergültig sind in dieser Hinsicht seine Untersuchungen über „Petrus und Paulus in Rom" 1 4 . Auch an die Arbeit über die Landmauer von Konstantinopel, an diverse Studien zu den römischen Katakomben und vieles andere ist zu erinnern15 methodisch nicht weniger fein und sensibel gearbeitet als die Studien von Günter Stemberger. Ein zweiter Aspekt lässt die Verbindung des Wiener Judaisten und des Jenaer und Berliner Kirchenhistorikers besonders sinnvoll erscheinen. Denn wenn man nach der Bedeutung des Judentums und der Berücksichtigung von rabbinischer Literatur im Werk von Hans Lietzmann fragt, trifft man nicht auf jene charakteristische Zurückhaltung im Werk vieler deutscher zeitgenössischer Neutestamentier und Kirchenhistoriker, sondern auf eine spezifische eigene und couragierte Haltung; die diesbezüglichen Ausführungen im Vorwort zur vierten Vorlesung dieser 14

H. Lietzmann, Petrus und Paulus in Rom. Liturgische und archäologische Studien ( A K G 1), Bonn 1 9 1 5 , Berlin vgl. auch Die zeitweilige Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus in S. Sebastiano, T h L Z 40, 1 9 1 5 , 285 f.

15

Die Landmauer von Konstantinopel. Vorbericht über die Aufnahme im Herbst 1 9 2 8 ( A P A W . P H 1 9 2 9 , 2 ) , Berlin 1 9 2 9 ; Ein Gnostiker in der Novatianuskatakombe, Rivista di Archeologia Cristiana 1 1 , 1 9 3 4 , 3 5 9 3 6 2 (= Kleine Schriften I [TU 67], Berlin 1 9 5 8 , 4 7 5 - 4 7 8 ) ; Die Märtyrerin der Praetextatkatakombe, Z K G 54, 1 9 3 5 , 1 2 - 1 7 (= Kleine Schriften I [TU 67], Berlin 1 9 5 8 , 4 7 9 - 4 8 3 ) ; Der unterirdische Kultraum von Porta Maggiore in Rom, Vorträge der Bibliothek Warburg 2, 1 9 2 2 - 2 3 , 6 6 - 7 0 (= Kleine Schriften I [TU 67], Berlin 1 9 5 8 , 4 7 0 - 4 7 4 ) .

Vorwort

XI

Reihe sollen hier nicht wiederholt werden 1 6 . Vergleicht man Stemberger und Lietzmann, wird freilich sofort deutlich, wie sehr sich Umstände und Forschungsprofile verändert haben aller Aufmerksamkeit für die Judaistik im W e r k

ungeachtet Lietzmanns.

Während Claude Montefiore 1 9 3 3 an Lietzmann schrieb: „I do not k n o w if you can read English or ever read books by Jewish scholars; least of all w o u l d you perhaps read a book by an English J e w ! " 1 7 , Englische

wurden

übersetzt,

die meisten Bücher Stembergers

und

über

Kontakte

des

ins

österreichischen

Katholiken zu jüdischen Kollegen auf der ganzen Welt braucht man sich nicht zu besorgen. A b e r Einiges lässt sich auch gut vergleichen:

Stembergers

Textsammlungen

im

Zusammenhang

seiner Lehrbücher lassen sich gut mit Lietzmanns „Kleine Texte für

Vorlesungen

und

Übungen"

parallelisieren,

die

selbst18

verständlich Texte aus T a l m u d und Midrasch einschlossen . Und so wie Lietzmann in seinen liturgiegeschichtlichen Arbeiten den synagogalen Gottesdiensten und häuslichen Andachtsformen des antiken Judentums aufgrund ihrer Bedeutung für die frühe Kirche

16

Ch. M a r k s c h i e s , V o r w o r t zu: G . G . Stroumsa, K a n o n und Kultur. Z w e i Studien zur Hermeneutik des antiken Christentums ( H L V 4), Berlin 1999, XIV-XXIV.

17

Brief N r . 8 2 1 Claude M o n t e f i o r e an H . L., 7 . 3 . 1 9 3 3 , zitiert bei K . A l a n d (Hg.), G l a n z und N i e d e r g a n g der deutschen Universität. 50 J a h r e deutscher Wissenschaftsgeschichte in Briefen an und v o n H a n s Lietzmann ( 1 8 9 2 - 1 9 4 2 ) , Berlin/New Y o r k 1 9 7 9 , 7 3 0 f. Lietzmann antwortet: „ I c h habe selbst seit Jahrzehnten ziemlich viel jüdische Literatur gelesen und glaube zu wissen, wie die R a b b i n e n des T a l m u d und M i d r a s c h d e n k e n " (Brief N r . 8 2 1 an C l a u d e M o n t e f i o r e , 2 0 . 3 . 1 9 3 3 , zitiert bei A l a n d , G l a n z und N i e d e r g a n g der deutschen Universität, 7 3 2 ) .

18

Altjüdische liturgische Gebete, hg. v. W . Staerk (KIT 58), Berlin ' 1 9 3 0 ; Der M i s n a t r a k t a t Berakhoth in vokalisiertem T e x t mit sprachlichen u. sachlichen Bemerkungen hg. v. W . Staerk (KIT 59), B o n n 1 9 1 0 ; R a b b i nische Wundergeschichten des neutestamentlichen Zeitalters in vokalisiertem T e x t mit A n m e r k u n g e n v. P. Fiebig (KIT 78), Bonn 1 9 1 1 sowie Der Tosephtatraktat R o s H a s s a n a in vokalisiertem T e x t mit sprachlicher Textkritik u. sachlichen Bemerkungen hg. v. P. Fiebig (KIT 1 3 0 ) , Bonn 1 9 1 4 .

XII

Vorwort

breiten Raum gab (so behandelte er beispielsweise in „Messe und Herrenmahl" 1 ' den „Sabbathkiddusch" und den häuslichen Segensbecher aufgrund einschlägiger Stellen aus der rabbinischen Literatur), hat Stemberger die Geschichte des frühen Christentums im Blick. Während Lietzmann mehrfach über die jüdische Katakombe unter der Villa Torlonia in Rom arbeitete10, hat Stemberger sich zweimal in einschlägiger Weise über die berühmten Mosaikfußböden der spätantiken Synagogen in Palästina, die wichtige Parallelen in der kirchlichen Kunst haben, geäußert 11 . Erneut ist vielen Beteiligten und Verantwortlichen zu danken: der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, dem Akademievorhaben der „Griechischen Christlichen Schriftsteller" und der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin für die Organisation der Berliner Vorlesung, der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität für die Organisation der Jenaer Vorlesung, vor allem aber dem Verlag Walter de Gruyter, insbesondere Herrn Dr. Albrecht Döhnert, für einen wunderbaren Abend und ein ebenso schönes Büchlein. Berlin und Basel, im Spätherbst 2006

Christoph Markschies und Martin Wallraff

19

H. L., Messe und Herrenmahl. Eine Studie zur Geschichte der Liturgie ( A K G 8), Bonn 1 9 2 6 , 2 0 2 - 2 1 0 .

20

H. L., Die jüdische Katakombe in der Villa Torlonia, D L Z 3, 1 9 2 6 , 1 9 3 1 - 1 9 3 4 ; (zusammen mit H . W . Beyer), Jüdische Denkmäler, Bd. I. Die jüdische Katakombe der Villa Torlonia in Rom (Studien zur spätantiken Kunstgeschichte 4), Berlin/Leipzig 1 9 3 0 .

21

G. Stemberger, Die Bedeutung des Tierkreises auf Mosaikfußböden spätantiker Synagogen, Kairos 1 7 , 1 9 7 5 , 2 3 - 5 6 ; ders., Biblische Darstellungen auf Mosaikfußböden spätantiker Synagogen, J B T h 1 3 , 1998, 1 4 5 - 1 7 0 .

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

Juden und Christen im spätantiken Palästina I. Historischer Überblick

ι 4

II. Literarische Zeugnisse für das Verhältnis von Juden und Christen III. Archäologische Belege für die Entwicklung

13 20

1 . See Gennesaret

20

2. Golan und Obergaliläa

34

3. Untergaliläa: Die Stadtgebiete von Sepphoris und Skythopolis

39

4. Die Hebron-Berge

55

5. Gaza und Umgebung

59

6. Gemeinsamkeiten von Kirchen und Synagogen

63

IV. Der Umbruch im frühen 7. Jahrhundert

69

Karte: Synagogenbauten im 4. und frühen 5. Jahrhundert ..

73

Juden und Christen im spätantiken Palästina Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Juden und Christen in der antiken Welt ist noch immer nicht hinreichend geklärt, auch wenn es dazu schon zahlreiche Untersuchungen gibt. Dies gilt nicht nur von der immer wieder aufgegriffenen Frage, wie sich die Wege der beiden Gemeinschaften am Anfang getrennt haben"; auch die weitere Entwicklung ist noch in vielen Punkten unklar. Ein wesentliches Problem liegt darin, dass die meisten Studien entweder einseitig nur bestimmte literarische Quellen auswerten, gesetzliche, patristische oder rabbinische Texte, oder global größere Zeiträume über das ganze römische Reich hin untersuchen. Ein klareres Bild lässt sich jedoch nur gewinnen, wenn man regional begrenzt arbeitet und dazu sämtliche Quellen in ihrer jeweiligen Eigenart einschließlich der archäologischen Funde heranzieht, die die literarischen Texte wesentlich ergänzen und kontrollieren lassen. Für den Großteil des römischen Reichs ist das jüdische Leben allerdings archäologisch nur sehr dürftig belegt, auch wenn etwa für die Stadt R o m , später auch Süditalien (Venosa), und einzelne Gemeinden Kleinasiens (v.a. Sardis und Aphrodisias) die Funde sehr aussagekräftig sind, dem gängigen Bild historischer Entwicklungen widersprechen oder dieses zumindest deutlich nuancieren. Für R o m hat z.B. Leonard Rutgers gezeigt, dass die jüdischen Katakomben nicht frühes Vorbild der christlichen Katakomben waren, sondern fast zeitgleich entstanden und benutzt wurden und beide Gemeinschaften für ihre ι

Aus

der

umfangreichen

Literatur

zum T h e m a

siehe nur: J e w s

and

Christians. T h e Parting of the W a y s A . D . 7 0 to 1 3 5 , ed. by J . D . G . Dunn ( W U N T 66), Tübingen 1 9 9 z ; T h e W a y s that never parted. J e w s and Christians in Late Antiquity and the Early Middle A g e s , ed. by A . H . Becker/A.Y. Reed ( T S A J 9 5 ) , Tübingen 2 0 0 3 .

2

Günter Stemberger

Ausstattung, v.a. für Sarkophage, sich weithin derselben Werkstätten bedienten und auch sonst viel gemeinsam hatten1. Wenn die große Synagoge von Sardes in das 4. Jahrhundert datiert werden kann, wirft das ein völlig neues Bild auf die Möglichkeiten einer jüdischen Gemeinde auch noch nach Konstantin 3 . Das gilt auch von der Inschrift von Aphrodisias mit den darin genannten „Gottesfürchtigen", wenn man sie ins 4. Jahrhundert datieren darf 4 ; sie zeigt eine viel größere Durchlässigkeit der Gemeindegrenzen und eine viel stärkere Integration der jüdischen Gemeinde in das öffentliche Leben, als man gewöhnlich für diese Zeit erwarten möchte.

2

L.V. Rutgers, The J e w s in Late Ancient Rome. Evidence of Cultural Interaction in the Roman Diaspora (Religions in the Graeco-Roman world 1 2 6 ) , Leiden 1 9 9 5 ; ders., The Hidden Heritage of Diaspora Judaism (Contributions to Biblical Exegesis and Theology 20), Kampen 2 1 9 9 8; nur am Rande relevant ist S. Cappelletti, The Jewish Community of Rome. From the Second Century B.C. to the Third Century C.E. (JSJ.Supplements 1 1 3 ) , Leiden 2006.

3

Aus der reichen Literatur dazu siehe v.a. H. Botermann, Die Synagoge von Sardes. Eine Synagoge aus dem 4. Jh.?, Z N W 8 1 , 1 9 9 0 , 1 0 3 - 1 2 1 ; J.S. Crawford, Jews, Christians, and Polytheists in late-antique Sardis, in: J e w s , Christians, and Polytheists in the Ancient Synagogue. Cultural Interaction during the Greco-Roman period, ed. by S. Fine, London/ N e w Y o r k 1 9 9 9 , 1 9 0 - 2 0 0 ; S. Mitchell, The Cities of Asia Minor in the Age of Constantine, in: Constantine. History, Historiography and Legend, ed. by S.N.C. Lieu/D. Montserrat, N e w Y o r k 1 9 9 8 , 52-73. J . Magness, The Date of the Sardis Synagogue in Light of the Numismatic Evidence, A J A 1 0 9 , 2 0 0 5 , 4 4 3 - 4 7 5 , schlägt wegen Münzfunden gar eine Datierung in das 6. Jh. vor, was die Problematik nochmals verschärfen würde.

4

H. Botermann, Griechisch-jüdische Epigraphik. Zur Datierung der Aphrodisias-Inschriften, Z P E 98, 1 9 9 3 , 1 8 4 - 1 9 4 ; A. Chaniotis, The Jews of Aphrodisias. N e w Evidence and Old Problems, SCI 2 1 , 2002, 209-242 (datiert beide Seiten der Inschrift in die 2. Hälfte des 4. oder in das 5. Jh.); G. Gilbert, J e w s in Imperial Administration and its Significance for Dating the Jewish Donor Inscription from Aphrodisias, J S J 35, 2004, 1 6 9 - 1 8 4 ; ders., Jewish Involvement in Ancient Civic Life. The Case of Aphrodisias, R B 1 1 3 , 2006, 18-36.

Juden und Christen im spätantiken Palästina

3

So reizvoll solche Einblicke in die Geschichte der jüdischen Diaspora auch sind und so sehr sie dazu beitragen können, unser Bild von den jüdisch-christlichen Beziehungen in der Spätantike zu korrigieren, zumindest zu nuancieren, möchte ich mich hier auf die Entwicklung in Palästina beschränken; denn hier haben wir es nicht nur mit einzelnen zufälligen Einblicken zu tun, die sich auch nur sehr schwer mit zeitgleichen literarischen Belegen verbinden lassen, sondern es erlaubt die Fülle an literarischem wie archäologischem Material nahezu flächendeckend gewisse Bereiche der Entwicklung in der Zeit von Konstantin bis zur arabischen Eroberung des Landes nachzuvollziehen5. Sowohl die Dichte der Informationen wie auch ihre Kontinuität über vier Jahrhunderte macht Palästina zum idealen Forschungsbereich in dieser Hinsicht. Doch sollte man sich hüten, die hier gewonnenen Ergebnisse unbesehen zu verallgemeinern; dafür ist Palästina zu sehr ein Sonderfall, sowohl hinsichtlich der dichten jüdischen Besiedlung des Landes wie auch der nirgends so stark wie hier gesehenen Verbindung der Juden mit ihrem biblischen Erbe, was sowohl auf die im Land ansässigen Christen wie auch auf die zahlreichen christlichen Pilger aus aller Welt nicht ohne Wirkung bleiben konnte.

5

Ich führe damit eine Reihe früherer Studien fort, in denen ich einzelne Perioden oder Bereiche der Entwicklung behandelt habe: J u d e n

und

Christen im Heiligen L a n d . Palästina unter Konstantin und Theodosius, M ü n c h e n 1 9 8 7 ; Jewish-Christian C o n t a c t s in Galilee (Fifth to Seventh Centuries), in: Sharing the Sacred. Religious Contacts and Conflicts in the H o l y L a n d , ed. by A . K o f s k y / G . Stroumsa, Jerusalem 1 9 9 8 ,

131-

1 4 6 ; Jerusalem in the Early Seventh Century. H o p e s and Aspirations of Christians and J e w s , in: Jerusalem. Its Sanctity and Centrality to J u d a ism, Christianity and Islam, ed. by L.I. Levine, N e w Y o r k 1 9 9 9 , 2 6 0 272;

Christians and J e w s in Byzantine Palestine, in: Christians and

Christianity in the H o l y L a n d . F r o m the Origins to the Latin Kingdoms, ed. by O . L i m o r / G . G . Stroumsa (Cultural Encounters in Late Antiquity and the M i d d l e A g e s 5), T u r n h o u t 2 0 0 6 , 2 9 3 - 3

τ



4

Günter Stemberger

I. Historischer Überblick Bevor wir auf die Entwicklung des jüdisch-christlichen Verhältnisses eingehen, sei kurz der historische Hintergrund skizziert. Mit seinem Sieg in der Schlacht bei Chrysopolis wurde Konstantin 3 24 Alleinherrscher über das römische Reich; das so genannte „Edikt von Mailand" von 3 1 3 galt nun auch im Osten des Reiches, damit auch in Palästina. Was anfangs als Toleranz für alle Religionen gemeint war, entwickelte sich schnell zur offenen Bevorzugung des Christentums, bis es um 380 zur Staatsreligion wurde (siehe v.a. CTh X V I , 1 , 2 von 380). In Palästina förderte Konstantin intensiv das Christentum mit vom Hof finanzierten Kirchenbauten wie der Grabeskirche in Jerusalem und der Geburtsbasilika in Betlehem. Zahlreiche Pilger strömten ins Land, viele von ihnen blieben und trugen so zum starken Wachstum der christlichen Gemeinschaft bei, der sich auch viele aus der paganen Landesbevölkerung anschlossen. Kirchenbau wie Pilgerwesen brachten dem Land auch einen wirtschaftlichen Aufschwung, von dem die Juden ebenfalls profitierten. Doch die religiöse Landschaft veränderte sich zusehends. Die Förderung der jüdischen Gemeinde unter Kaiser Julian, der 362 den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels erlaubte, war nur ein kurzes Intermezzo. In den folgenden Jahrzehnten suchte die Regierung den jüdischen Patriarchen in Tiberias, der den Verlockungen Julians widerstanden hatte, zum zentralen jüdischen Ansprechpartner aufzubauen, und verlieh ihm starke rechtliche Kompetenzen und Würden bis hin zur Ehrenpräfektur. Doch bald schien man den Patriarchen nicht mehr zu brauchen; 4 1 5 wurde Patriarch Gamaliel gemaßregelt, da er seine Kompetenzen überschritten habe (CTh XVI,8,22), und wenige Jahre später kam die Institution zu Ende; ein Gesetz von 429 regelt nur noch seinen finanziellen Nachlass (CTh XVI,8,29). Es ist wohl kein Zufall, wenn auf dem Konzil von Chalcedon 4 5 1 der Jerusalemer Bischof zum Patriarchen erhoben wurde, damit gewissermaßen den jüdischen Patriarchen beerbte.

Juden und Christen im spätantiken Palästina

5

Die christlich bestimmte Gesetzgebung ab Konstantin6 war nicht immer antijüdisch. Die inner jüdische Selbstverwaltung wurde gestärkt (so schon CTh XVI,8,2 von 330, wonach jüdische Religionsdiener nur bei Bindung an Patriarchen bzw. Älteste vom Dienst in der städtischen Kurie dispensiert waren); die innerjüdische Jurisdiktion wurde anerkannt, wenn auch mit CTh II, 1 , 1 ο von 398 auf religiöse Fragen und das Schiedsgericht eingeschränkt; Synagogen wurden als religiöse Gebäude anerkannt und geschützt (CTh VII,8,2 von 3 7 3 , wonach Soldaten nicht in Synagogen einquartiert werden dürfen); am Sabbat durften Juden nicht vor Gericht oder sonstige Behörden zitiert werden (CTh XVI,8,20 von 4 1 2 ) . Dauerkonfliktfälle in der Gesetzgebung betrafen Sklaven im Besitz von Juden - hier befürchtete der Gesetzgeber, sie könnten zum Judentum konvertiert werden - und den rechtlichen Schutz von zum Christentum übergetretenen Juden, die z.B. nicht enterbt werden durften. Hier muss auch die zunehmende Verdrängung von Juden aus dem öffentlichen Dienst erwähnt werden (CTh X V I , 8 , 1 6 von 404, CTh XVI,8,24 von 418), ebenso das Verbot neuer Synagogen (erstmals in CTh XVI,8,22 von 4 1 5 als schon älteres Gesetz erwähnt). Was den öffentlichen Dienst betrifft, scheint das v.a. Juden in der Diaspora betroffen zu haben; für Palästina haben wir fast keine Belege, dass Juden daran überhaupt interessiert waren 7 . Es ist sicher im Verlauf des ersten Jahrhunderts

6

Kommentierte Zusammenstellung aller einschlägigen Gesetze: T h e J e w s in R o m a n Imperial Legislation, ed. with introductions, translations, and commentary by A . Linder, Detroit/Jerusalem 1 9 8 7 .

7

A l s Spiegelung der Berufsverbote könnte man PesK 1 9 , 4 ( M a n d e l b a u m 3 0 6 ) lesen, w o n a c h die Weltvölker zu Israel sagen: „ W i e lange lasst ihr euch noch für euren G o t t töten, gebt euer Leben für ihn und werdet für ihn umgebracht? Wieviel N o t bringt er über euch, wieviel Verachtung und wieviel Züchtigungen!

K o m m t zu uns und wir machen euch zu

Duces, Eparchen und Stratelaten. Israel aber geht in die Synagogen und Lehrhäuser, nimmt die Torarolle und liest darin: ,Ich wende mich euch zu, mache euch fruchtbar und zahlreich und halte meinen Bund mit euch aufrecht'

(Lev

16,9);

dann ist es getröstet".

So versteht den

Text

6

Günter Stemberger

christlicher Herrschaft eine rechtliche Verschlechterung für die jüdische Bevölkerung festzustellen. Der 438 erlassene Codex Theodosianus fasste diese Gesetzgebung zusammen und schrieb die verschlechterte Rechtslage der Juden fest; zugleich aber nahm er doch auch frühere Gesetze auf, dass „die Religionsgemeinschaft der Juden durch kein Gesetz verboten ist" (CTh XVI,8,9 von 393: sectam judaicam nulla lege prohibitam satis constat) und „die Juden an ihre eigene Zeremonien gehalten sind" (CTh XVI,8,13 von 397), ihre internen Angelegenheiten selbst regeln dürfen. Prinzipiell ist festzuhalten, dass Gesetz und Wirklichkeit oft nicht übereinstimmten, Gesetze oft nur regional gewisse Zeit durchgesetzt wurden; am Beispiel der Synagogen werden wir das noch ganz deutlich sehen. So wichtig diese Gesetze in ihrer Langzeitwirkung waren, so wenig sind sie der Maßstab, an dem das Leben der Juden im byzantinischen Palästina gemessen werden kann. In den folgenden Jahrzehnten befasste sich der Gesetzgeber fast nicht mehr mit Juden; erst unter Justinian ab 527 wurde die Thematik wieder aufgenommen. Oft erklärt man das damit, dass ab dem Konzil von Chalcedon die Kirche lange Zeit zu sehr mit ihrer inneren Spaltung durch christologische Streitigkeiten beschäftigt war, als dass sie für die Auseinandersetzung mit dem Judentum Zeit gefunden hätte, und dasselbe gelte auch für den christlichen Staat. Justinian nahm eine Reihe früherer Gesetze wieder auf und schärfte sie von neuem ein: Nach wie vor ging es um die Teilnahme von Juden am öffentlichen Dienst (Cod. Just. S. Schwartz, Imperialism and Jewish Society, 200 B.C.E. to 6 4 0 C.E., Princeton/Oxford 2 0 0 1 , 1 9 6 . Das ist in diesem Mitte 5. Jh. entstandenen Werk nicht auszuschließen, doch passt die Aussage, dass Juden um Gottes willen getötet werden, nicht in diese Zeit. Der Rabbinen aus dem 3. Jh. zugeschriebene Abschnitt verbindet Motive aus verschiedensten Zeiten zu einem Gesamtbild der Zurücksetzung, die Israel um seines Glaubens willen auf sich nehmen muss, und setzt dabei auch relativ zeitgenössische Amtstitel ein, ohne damit unbedingt ein aktuelles Problem seiner Leser/Zuhörer anzusprechen.

Juden und Christen im spätantiken Palästina

7

1 , 5 , 1 2 von 527; Novelle 45 von 537), das Erbrecht von Konvertiten zum Christentum (Cod. Just. 1 , 5 , 1 3 von 527/8) oder das Verbot, dass Juden Sklaven besitzen (Cod. Just. 1,10,2, zwischen 527 und 534), das Verbot neuer Synagogen (Novelle 1 3 1 , 1 4 von 545; das Gesetz verbietet Juden und anderen NichtOrthodoxen auch den Erwerb von Grundstücken, auf denen Kirchen oder Kapellen stehen) und dergleichen. Wirklich neu war nur Novelle 146 von 553, in der sich der Kaiser in Fragen von Liturgie und Glauben des Judentums einmischte, die Schriftlesung in der Synagoge in der Landessprache erlaubte, den (ausschließlichen?) Gebrauch des Hebräischen dafür untersagte und die deuterosis (wörtlich „zweite Lehre", bei den Kirchenvätern Bezeichnung für spätere jüdische Traditionen) als rein menschliche Erfindung verbot. Anders als oft gedeutet, ist dies sicher kein Verbot von Mischna und Talmud, die ja im Synagogengottesdienst nicht verwendet wurden, sondern bezieht sich allgemein auf jüdische Traditionen, die über den Bibeltext hinausgehen und nach christlicher Meinung die Juden von der Annahme des Christentums abhalten8. Das Gesetz war aufgrund von Streitigkeiten in jüdischen Gemeinden der Diaspora entstanden; auf den Synagogengottesdienst Palästinas hatte es keinerlei Auswirkung; die oft behauptete These, als Folge des Verbots der deuterosis habe die religiöse Dichtung, der Pijjut, Eingang in die Liturgie gefunden', ist nicht zu belegen; der Pijjut hatte schon früher Verbreitung gefunden10.

8

Die genaue Deutung der Novelle ist nach wie vor umstritten. Siehe z.B. L.V. Rutgers, Justinian's Novella 1 4 6 between Jews and Christians, in: Jewish Culture and Society under the Christian Roman Empire, ed. by R. Kalmin/S. Schwartz, Leuven 2 0 0 3 , 3 8 5 - 4 0 7 .

9

J. Mann, Changes in the Divine Service of the Synagogue due to Religious Persecutions, H U C A 4, 1 9 2 7 , 2 4 1 - 3 1 0 .

10

Zumindest Jose ben Jose scheint vor Justinian gewirkt zu haben und auch Jannai könnte vor 5 5 3 anzusetzen sein: J. Yahalom, Poetry and Society in Jewish Galilee of Late Antiquity (hebräisch), Tel Aviv 1 9 9 9 .

8

Günter Stemberger

Bedrohlich wirkt die Tatsache, dass Juden nicht mehr für sich Ziel der Gesetze sind, sondern in verschiedenen Gesetzen immer wieder mit Häretikern und Samaritanern zusammengefasst werden. Damit werden Juden, zumindest aus Sicht der Rechtssystematik, als vom orthodoxen Christentum abweichende Gruppe betrachtet und nicht mehr als eigenständige, rechtlich geschützte, Religion, wie das in CTh XVI,8,9 von 393 noch explizit festgestellt wurde. Dieser Text, dass die jüdische Religion durch keinerlei Gesetz verboten sei, wurde - zum Unterschied von so vielen anderen Gesetzen - nicht aus dem Codex Theodosianus in den Codex Justinianus übernommen. M. Avi-Yonah schreibt dazu: „Dadurch wurde der Status des byzantinischen Judentums in seinen Grundfesten erschüttert und der Weg frei für Religionsverfolgungen aller Art" 1 1 . Die Praxis lässt ein solches Urteil nicht zu; noch änderte sich für die jüdische Gemeinschaft im Allgemeinen nichts, auch wenn diese Änderungen für die spätere Entwicklung des Rechtsstatus der Juden im Mittelalter sich sehr negativ auswirkten". Man möchte natürlich gerne Näheres über die Verteilung der Bevölkerung in Palästina wissen; konkrete Aussagen sind hier allerdings sehr schwierig. Aus literarischen - christlichen wie jüdischen - Quellen und aus archäologischen Funden kann man vorsichtig erschließen, dass zu Beginn des 4. Jahrhunderts Juden wohl noch die größte Bevölkerungsgruppe waren, gefolgt von der paganen Bevölkerung, Samaritanern und einer ziemlich kleinen christlichen Gemeinschaft. Im Lauf des 4. und 5. Jahrhunderts wuchs die christliche Gruppe durch Zuwanderung und Konversionen aus der paganen Welt wie (v.a. später) aus der samaritanischen Gemeinde, die anders als die jüdische Bevölkerung bald nicht mehr unter dem traditionellen Schutz des römischen 11

M . Avi-Yonah, Geschichte der Juden im Zeitalter des Talmud (SJ 2), Berlin 1 9 6 2 , 2 4 9 .

12

G. Stemberger, Die Verbindung von Juden mit Häretikern in der spätantiken römischen Gesetzgebung, in: Hairesis. FS K. Hoheisel, hg. von M . Hutter/W. Klein/U. Vollmer ( J A C . E 34), Münster 2 0 0 2 , 2 0 3 - 2 1 4 .

Juden und Christen im spätantiken Palästina

9

Gesetzes als religio licita stand; im 5. Jahrhundert kann man wohl schon mit einer christlichen Mehrheit rechnen. Das heißt nicht, dass die absolute Zahl der Juden abnahm, sondern nur, dass sie nicht im selben Maß anwuchs wie die christliche Bevölkerung; das ganze Land erlebte in byzantinischer Zeit einen starken Aufschwung, wie aus den zahlreichen neuen Siedlungen und dem Wachstum der bestehenden Ortschaften in dieser Zeit archäologisch zu belegen ist1'. Unter der jüdischen Bevölkerung hat es unter Konstantin nach einer Erzählung des Epiphanius von Salamis einen größeren Missionierungsversuch gegeben, als Joseph, ein Angehöriger des Patriarchenhofes in Tiberias, auf offizieller Reise in Kleinasien sich taufen ließ, von Konstantin mit dem Titel eines Comes und finanziellen Mitteln bedacht, den Auftrag erhielt, Juden in Galiläa zum Christentum anzuwerben und in jüdischen Orten wie Tiberias, Diocaesarea (Sepphoris), Nazaret und Kafarnaum, wo es keine Heiden, Samaritaner oder Christen unter den Juden gebe, Kirchen zu bauen, womit er aber keinen Erfolg hatte und sich nach Skythopolis (Bet Schean) zurückzog14. Abgesehen von dieser in sich problematischen Erzählung (fragwürdig auch die Aussage, die genannten Ortschaften seien exklusiv jüdisch gewesen) haben wir keinerlei Hinweis auf eine organisierte Mission unter Juden. Rabbinische Quellen schweigen dazu, und auch christliche Texte nennen nur ganz vereinzelt Christen, die einmal Juden waren; wo man Näheres weiß, sind es aus der Diaspora kommende und schon dort konvertierte ehemalige Juden, die sich 13

Die bisher umfangreichste demographische Studie auf Basis archäologischer Funde: C. Dauphin, La Palestine byzantine. Peuplement et Populations ( B A R International Series 72.6), 3 Bde, O x f o r d 1 9 9 8 ; I 1 6 7 - 3 4 1 zur Entwicklung der religiösen Topographie auf literarisch-archäologischer Basis.

14

Epiphanius,

Panarion

30,4-12

(GCS

Epiphanius

1,

338,13-348,31

Holl). A u s der reichen Literatur zur Stelle siehe T . C . G . Thornton, The Stories of Joseph of Tiberias, VigChr 4 4 , 1 9 9 0 , 5 4 - 6 3 ; Matthias Perkams, Der Comes Josef und der frühe Kirchenbau in Galiläa, J A C 4 4 , 2001, 23-32.

ΙΟ

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in Palästina niedergelassen hatten. Von Epiphanius wird gelegentlich jüdische Herkunft behauptet; er stammte aus Eleutheropolis (Bet Gubrin) im Süden Palästinas, w o es einzelne jüdische Gemeinden gab. Echte Belege gibt es nicht. Was die Verteilung der Bevölkerung betrifft, war seit dem Bar Kokhba-Aufstand ( 1 3 2 - 1 3 5 ) Juden bzw. allgemeiner Beschnittenen der Aufenthalt in Jerusalem, nun als Aelia Capitolina neu gegründet, und seinem ausgedehnten Stadtbereich untersagt. Mit kurzen Unterbrechungen blieb das so bis zur arabischen Eroberung. Südlich von Jerusalem gab es eine Reihe jüdischer Landgemeinden, ebenso in den mehrheitlich paganen Städten entlang der Mittelmeerküste und im Jordangraben. Der eigentliche Schwerpunkt jüdischer Siedlung war Galiläa, im südlichen Untergaliläa mit anderen Gruppen gemischt, im Westen des Sees Gennesaret mehrheitlich, in der östlichen Hälfte Obergaliläas rein jüdisch. Damit direkt verbunden waren die jüdischen Gemeinden im nördlichen Golan, die ab dem 4. Jahrhundert immer zahlreicher und stärker wurden. Christliche Gemeinden waren bis Konstantin klein und zerstreut; neben Jerusalem, das seit 1 3 5 Sitz einer heidenchristlichen Gemeinde war, gab es christliche Gemeinden v.a. entlang der Küste, wobei aber Gaza erst um 400 eine nennenswerte christliche Gemeinde bekam. Das westliche Obergaliläa wurde in der Folgezeit fast rein christlich. Der Rest des Landes war samaritanisch bzw. pagan, was sich ab Konstantin relativ schnell veränderte. Samaritaner hatten sich außerhalb des eigentlichen Samaria v.a. im nach dem Bar Kokhba-Aufstand weithin entvölkerten Judäa angesiedelt, waren in der Provinzhauptstadt Caesarea sehr zahlreich und auch in Untergaliläa zu finden. In der hier untersuchten Periode können wir, gestützt v.a. auf die Ausgrabungen von Kirchen und Synagogen und jüdisch oder christlich zuordenbare Kleinfunde, feststellen, dass die jüdische Gemeinschaft ihre geschlossenen Siedlungsgebiete bis zum Schluss halten konnte, in den gemischten Siedlungsgebieten immer stärker mit christlichen Gemeinden zusammenrückte, aber

Juden und Christen im spätantiken Palästina

11

einmal besetzte Plätze im Allgemeinen nie aufgeben musste15. Zur Zeit der arabischen Expansion war das Christentum in Palästina sicher schon die große Mehrheit, hatte sich aber auch das Judentum viel stärker halten können, als man vielleicht zu Beginn der Entwicklung hätte erwarten können. Das dadurch in weiten Bereichen des Landes gegebene tägliche Nebeneinander von Juden und Christen macht Palästina für unsere Fragestellung so interessant. Hier sollte auch die These von Seth Schwartz erwähnt werden, wonach die religiöse Blüte des Judentums in der Spätantike eine direkte Folge der Christianisierung des Reichs und v.a. Palästinas war' 6 . Es ist eine Tatsache, dass im 2. und 3. Jahrhundert das Judentum auch in den laut literarischen Quellen ausschließlich oder hauptsächlich jüdischen Städten wie Tiberias oder Sepphoris kaum materielle Spuren hinterlassen hat, in Münzprägung und anderen materiellen Zeugen der Zeit pagane Motive dominieren. Allein von den archäologischen Funden ausgehend, würde man nicht an eine jüdische Bevölkerung denken. Das ändert sich deutlich ab dem 4. Jahrhundert, wenn die Landschaft eindeutig immer mehr durch Kirchenbauten und Synagogen, durch christliche und jüdische Kunst geprägt wird. Die jüdische Bevölkerung, die sich lange Zeit weithin an die

15

B. Isaac, Jews, Christians and Others in Palestine. The Evidence from Eusebius, in: Jews in a Graeco-Roman World, ed. by Μ . Goodman, Oxford 1998, 65-74, leitet zu Recht aus der geringen Zahl der im Onomastikon als jüdisch, samaritanisch oder christlich bezeichneten Dörfer ab, dass die Mehrheit der genannten Ortschaften wohl eine gemischte Bevölkerung hatte. Ein allgemeiner Überblick zur Geschichte des Christentums in Palästina: Christians and Christianity (wie Anm. 5), v.a. die Beiträge von W. Horbury (7-89), O. Irshai ( 9 1 - 1 3 9 ) und L. Perrone ( 1 4 1 - 1 7 3 ) .

16

S. Schwartz, Imperialism (wie Anm. 7), passim und v.a. 179-2.02. Siehe dazu F. Millar, Transformations of Judaism under Graeco-Roman Rule. Responses to Seth Schwartz's 'Imperialism and Jewish Society', JJS 67, 2006, 1 3 9 - 1 5 8 , der weitgehend Schwartz zustimmt; zur Hauptthese kritischer die Rezension von Y . Z . Eliav, Prooftexts 24, 2004, 1 1 6 - 1 2 6 .



Günter Stemberger

pagane Umgebung assimiliert hatte, war durch die schnell voranschreitende Christianisierung des Landes gezwungen, so Schwartz, zwischen Selbstaufgabe und deutlicher Betonung der eigenen religiösen Identität zu wählen; der Wille, als religiöse Gemeinschaft zu überleben, habe zu einer Revitalisierung des Judentums geführt, das dabei vielfach auch christliche Muster übernahm und adaptierte17. Man kann dagegen halten, dass hier sehr stark ex silentio argumentiert werde, die christliche Präsenz vor Konstantin genauso wenig archäologische Spuren hinterlassen habe. Doch bleibt die Tatsache, dass religiöse Zuordnung und Bekenntnis zu einer Religion in der Spätantike eine viel größere Rolle als früher spielte, das ganze Leben durchdrang und auch in spezifisch religiösen Bauten und künstlerischen bzw. kunsthandwerklichen Erzeugnissen sichtbarer als früher wurde. Wie immer wir im einzelnen die religiöse Welt jüdischer Gemeinden außerhalb der kleinen Strömung des Rabbinats beurteilen mögen - der Mangel an direkten Zeugnissen lässt hier fast nur mit Kontinuitäten argumentieren oder Umbrüche betonen - , die für uns in den archäologischen Zeugnissen noch heute so klare Sichtbarkeit der Zugehörigkeit zu bestimmten religiösen Gemeinschaften war sicher ab dem 4. Jahrhundert viel stärker als je zuvor. Dass die Konfrontation mit dem Christentum innerjüdisch zu Selbstbesinnung und religiöser Erneuerung führte, lässt sich kaum bezweifeln; damit wäre es auch viel zu einseitig, wollte man die jüdische Entwicklung der kommenden Jahrhunderte in erster Linie als Rückzugsgefecht betrachten.

17

S. Schwartz, Imperialism (wie Anm. 7), 1 7 9 : „Christianization, and what is in social-historical terms its sibling, the emergence of religion as a discrete category of human experience - religion's disembedding - had a direct impact on the Jewish culture of late antiquity because the Jewish communities appropriated much from the Christian society around them. That is, quite a lot of the distinctive Jewish culture was, to be vulgar about it, repackaged Christianity."

Juden und Christen im spätantiken Palästina

13

II. Literarische Zeugnisse für das Verhältnis von Juden und Christen Wenn wir von den Gesetzestexten absehen, gibt es eine relativ große Anzahl von christlichen wie jüdischen literarischen Zeugnissen, die einen Einblick in die Entwicklung der Beziehungen der beiden religiösen Gruppierungen in Palästina gewähren. Auf jüdischer Seite sind es fast ausschließlich rabbinische Texte, der palästinische Talmud (Jeruschalmi) und zahlreiche Midraschim aus dem 5. und 6. Jahrhundert. Da der Jeruschalmi wohl im frühen 5. Jahrhundert abgeschlossen wurde, sind seine Aussagen allein für das erste Drittel des hier betrachteten Zeitraums von Bedeutung; die Midraschim reichen zwar zeitlich weiter hinauf, doch historische Ereignisse aus späterer Zeit sind in ihnen höchstens indirekt gespiegelt. Insgesamt verweigern die Rabbinen eine direkte Konfrontation mit dem Christentum, sprechen eher in Anspielungen von Irrlehren und abweichenden Meinungen, die auch auf innerjüdische Konflikte, gnostisierende Gruppen usw. gedeutet werden können. Auch wenn viele Texte immer wieder auf die Auseinandersetzung mit dem Christentum gedeutet wurden und diese auch tatsächlich spiegeln können, sind sie doch selten einmal wirklich eindeutig18. Beispiele für die Problematik der Auswertung dieser Texte sind der Midrasch zum Hohenlied, den Ephraim Urbach als Reaktion auf die Hoheliedauslegung des Origenes gesehen hat", oder die Datierung von Pesiqta deRav 18

Siehe die nüchterne, fast minimalistische Analyse der möglichen Belege und der Forschungsgeschichte bei J . Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung (EdF 82), Darmstadt 2 i 9 9 2 ; ders., Jüdische Auseinandersetzung mit dem Christentum in der Antike (EdF 1 7 7 ) , Darmstadt 1 9 8 2 .

19

E.E. Urbach, The Homiletical Interpretations of the Sages and the Expositions of Origen on Canticles and the Jewish-Christian Disputation, ScrHie 22, 1 9 7 1 , 2 4 7 - 2 7 5 (= ders., Collected Writings in Jewish Studies, ed. by R. Brody/M.D. Herr, Jerusalem 1 9 9 9 , 3 1 8 - 3 4 6 ) ; R.R. Kimelman, Rabbi Yohanan and Origen on the Song of Songs. A Thirdcentury Jewish-Christian Disputation, H T h R 7 3 , 1 9 8 0 , 5 6 7 - 5 9 5 ;

14

Günter Stemberger

Kahana 1 3 - 2 2 in die Zeit zwischen Chalcedon und Justinian, da die fast „quietistische" Stimmung dieser Texte eine Zeit von Ruhe und Frieden spiegle20. Eine eher indirekte Reaktion auf die Christianisierung Palästinas im 4. Jahrhundert im Jeruschalmi, in Genesis Rabba und Levitikus Rabba hat Jacob Neusner vorgeschlagen: In früheren rabbinischen Texten weniger wichtige Themen wie die Deutung der Geschichte, hier v.a. der vier Weltreiche, die Erwählung Israels und die Erwartung des Messias seien als indirekter „Dialog" mit der Behandlung derselben Themen bei Eusebius und anderen Kirchenvätern zu sehen". Direkter auf das Christentum zu deuten wagt dagegen Burton Visotzky manche Stellen in Levitikus Rabba, auch wenn er vorsichtig einschränkt: „ L R collects very little clear polemic against Christianity, per se. Those texts that do seem to refer to Christianity are scattered and certainly unsystematic in their attack. L R does betray some familiarity with issues in Eastern Christianity. It may refer to doctrinal issues current in Roman Palestine and also Syriac Church literature. L R might even know that there is such a thing as Jewish-Christianity. However, there is no sustained antiChristian polemic in L R . " " F. Manns, Une tradition juive dans les commentaires du Cantique des Cantiques d'Origene, Anton. 6 5 , 1 9 9 0 , 3 - 2 2 . 20

L . M . Barth, The "Three of Rebuke and Seven of Consolation" Sermons in the Pesikta de Rav Kahana, J J S 3 3 , 1982., 5 0 3 - 1 5 ; F. Manns, La polemique contre les judeo-chretiens en Pesiqta de Rab Kahana 1 5 , S B F L A 40, 1 9 9 0 , 2 1 1 - 2 2 6 .

21

J. Neusner, Judaism and Christianity in the Age of Constantine. History, Messiah, Israel and the Initial Confrontation, Chicago 1 9 8 7 .

22

B.L. Visotzky, Golden Bells and Pomegranates. Studies in Midrash Leviticus Rabbah ( T S A J 94), Tübingen 2 0 0 3 , 1 7 1 ; zum Themenbereich siehe auch ders., Fathers of the World. Essays in Rabbinic and Patristic Literatures ( W U N T 80), Tübingen 1 9 9 5 ; ders., Midrash, Christian Exegesis, and Hellenistic Hermeneutic, in: Current Trends in the Study of Midrash, ed. by C. Bakhos (JSJ.Supplements 106), Leiden 2006, 1 1 1 1 3 1 ; M . Hirshman, A Rivalry of Genius. Jewish and Christian Biblical Interpretation in Late Antiquity, Albany 1 9 9 6 (83-94 zu Origenes und Midrasch Hoheslied; 9 5 - 1 0 8 zu Hieronymus und Midrasch Kohelet).

Juden und Christen im spätantiken Palästina

15

Zu den nicht näher zeitlich einzuordnenden Texten aus der Midraschliteratur kommt für das späte 5. bis 7. Jahrhundert eine halakhische Textsammlung, die Ma'asim libne Erets Jisrael, von der Teile aus byzantinischer Zeit stammen mögen, deren Redaktion aber auf jeden Fall erst unter der Herrschaft des Islam anzusetzen ist. In unserem Kontext von Interesse ist v.a. ein Text: „Männer, die Juden waren und von Nichtjuden (gojim) gezwungen aus ihrer Welt gegangen sind und jüdische Frauen in einer anderen Provinz haben, dorthin aber nicht kommen können, und einem Schreiber, der ebenfalls gezwungen aus seiner Welt gegangen ist, sagten, Scheidebriefe zu schreiben und ihren Frauen zu senden" - ein solcher Scheidebrief ist gültig13. In solchen Fällen erzwungenen Abfalls vom Judentum anerkennt man gegen sonstigen Brauch einen Scheidebrief, auch wenn zum Zeitpunkt seiner Ausstellung sowohl der Ehemann wie auch der Schreiber nicht mehr Juden sind. Hier ist wohl an erzwungene Konversionen zum Christentum zu denken, wie sie für das frühe 7. Jahrhundert in Nordafrika belegt sind, nicht aber für Palästina. Nicht sicher, jedoch wegen des Kontextes in einer hebräischen Sammlung wahrscheinlich ist, dass die im Judentum verbliebenen Frauen in Palästina lebten. Auch andere Texte sprechen von Juden, die „aus ihrer Welt gegangen sind", wo aber eine spätere Datierung und ein Übertritt zum Islam nie auszuschließen sind24.

Allgemeiner zu exegetischen Kontakten zwischen Kirchenvätern und Midrasch siehe A . Kamesar, Rabbinic Midrash and Church Fathers, in: Encyclopedia of Midrash, ed. by J. Neusner/A.J. Avery-Peck, Leiden 2 0 0 5 , 20-40; ders., The Church Fathers and Rabbinic Midrash. A Supplementary Bibliography, 1 9 8 5 - 2 0 0 5 , Review of Rabbinic Judaism 9, 2006, 1 9 0 - 1 9 6 . 23

Den Text publiziert hat M . A . Friedman, " A n Important Ma'ase" - A N e w Fragment of Ma'asim Livnei Eretz Israel (hebräisch), Tarbiz 5 1 , 1 9 8 1 / 8 2 , 1 9 3 - 2 0 5 , hier 204.

24

Η. Newman, Ha-Ma'asim li-vne Erets Jisrael u-reqa'am ha-histori, M.A.-These, Jerusalem 1 9 8 7 , 1 0 7 - 1 6 2 Neuedition der Texte, die nach Newman aus byzantinischer Zeit stammen.

ι6

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Die zweite, ebenfalls schwer auszuwertende, Textgruppe sind liturgische Gedichte. Zumindest die Pijjutim von Jose ben Jose, Jannai und Eleazar ha-Kallir fallen in unseren zeitlichen Rahmen. Es fällt auf, wie zumindest manche dieser Texte trotz all ihrer Bildsprache viel deutlicher auf die fortschreitende Christianisierung reagieren als dies in den rabbinischen Texten der Fall ist. Edom ist im folgenden Zitat aus Jannai eine klassische Chiffre für Rom, im Kontext das christliche römische Reich: „Die Leuchten Edoms sind stark und zahlreich geworden, die Leuchten Zions wurden verschluckt und zerstört. Die Leuchten Edoms loderten mächtig, die Leuchten Zions flackerten und erlöschten ... Die Leuchten Edoms wurden geehrt und beachtet, die Leuchten Zions gewaltsam zurückgedrängt. Die Leuchten Edoms erstrahlen über einem Toten, die Leuchten Zions sind vergessen wie ein Toter." Mit dem Toten, über den die Lichter Edoms leuchten, ist wohl Jesus gemeint. Auf die Verdrängung durch das Christentum scheint auch folgende Aussage Jannais zu reagieren: „Dieses Land, das uns durch Los als Erbe zugeteilt wurde, nahmen von uns die Völker ohne Los; der Bezirk unseres Erbes wurde Fremden zuteil, und das Tal unseres Besitzes den Bedrängern verkauft. Das Gute ist in die Hand der Bösen verkauft und verflucht, das Heilige in die Hand von Unreinen gegeben und entweiht" 15 . Andere Gedichte Jannais werden zwar auch gerne als Polemik gegen das Christentum verstanden, sind jedoch durchaus nicht so eindeutig, wie etwa das Gedicht für Jom Kippur: „Die zum Nichts sagen: Rette", das man als Spott über die christliche Heiligenverehrung verstanden hat16. Auf weitere jüdische Textzeug-

25

Zitate: The Liturgical Poems of Rabbi Y a n n a i (hebräisch), ed. by Z . M . Rabinovitz, 2 Bde, Jerusalem 1 9 8 5 - 1 9 8 7 , Bd. 2, 3 7 und 1 1 8 . A u f die byzantinische Herrschaft und die christlichen Gesetze bezieht die T e x t e Rabinovitz in der Einleitung, Bd. 1 , 4 7 f. Siehe dazu auch A . M . Rabello, Giustiniano, Ebrei e Samaritani alia luce delle fonti storico-letterarie, ecclesiastiche e giuridiche ( M o n o g r a f i e del V o c a b u l a r i o di Giustiniano 1), M i l a n o 1 9 8 7 , 4 7 4 ; S. Schwartz, Imperialism (wie A n m . 7), 2 6 8 f.

26

Text:

The

Liturgical

Poems

(wie A n m .

2 5 ) , Bd.

2,

221.

Englische

Juden und Christen im spätantiken Palästina

17

nisse aus dem frühen 7. Jahrhundert werden wir im letzten Abschnitt eingehen. Auf christlicher Seite gibt es eine Fülle von Belegen für das 4. und frühe 5. Jahrhundert; später werden Texte seltener bzw. sind schwerer zu verwerten. A m Anfang der Periode stehen die Schriften des Eusebius von Caesarea, der mit Juden offensichtlich direkten Kontakt hatte, viele ihrer Traditionen kannte und ihnen durchaus differenziert gegenüberstand 17 . Um 3 5 0 warnte Kyrill von Jerusalem in seinen Taufpredigten seine Zuhörer eindringlich vor gefährlichen Kontakten mit Juden, obwohl es in Jerusalem und Umgebung

offiziell keine Juden

gab; wieweit das

zur

Schablone der Taufunterweisung gehörte oder ob Kyrill in den Verlockungen des Judentums eine konkrete Gefahr sah, wissen wir nicht28. Der aus dem Süden Palästinas stammende Epiphanius von Salamis hielt auch noch als Bischof auf Zypern mit seiner Heimat regen Kontakt; trotz seiner zahlreichen Aussagen über Judenchristen und jüdische Sekten scheint er mit palästinischen Juden seiner Zeit wenig Kontakt und für sie wenig Interesse Übersetzung und Deutung: S. Fine, Non-Jews in the Synagogues of LateAntique Palestine, in: J e w s , Christians, and Polytheists in the Ancient Synagogue, ed. by S. Fine, London/New Y o r k 1 9 9 9 , 2 2 4 - 2 4 2 , S. 2 3 2 f. Gegen eine antichristliche Deutung siehe J . Maier, The Piyut "Ha'omrim le-khilay shoa" and anti-Christian Polemics (hebräisch), in Studies ... in Memory of J . Heinemann, ed. by J . J . Petuchowski/E. Fleischer, Jerusalem 1 9 8 1 , IOO-IIO. 27

Dazu siehe v.a. die ausgezeichnete Studie von J . Ulrich, Euseb von Caesarea und die Juden (PTS 49), Berlin/New Y o r k 1 9 9 9 ; A. Kofsky, Eusebius of Caesarea and the Christian-Jewish polemic, in: Contra Iudaeos, ed. by Ο. Limor/G. Stroumsa ( T S J M 10), Tübingen 1996, 5983; S. Inowlocki, Eusebius and the Jewish Authors. His Citation Technique in an Apologetic Context (Ancient Judaism and Early Christianity 64), Leiden 2006.

28

O. Irshai, Cyril of Jerusalem, the Apparition of the Cross and the Jews, in: Contra Iudaeos (wie Anm. 27), 8 5 - 1 0 4 ; ders., The Jerusalem Bishopric and the Jews in the Fourth Century. History and Eschatology, in: Jerusalem. Its Sanctity (wie Anm. 5), 204-220; J.W. Drijvers, Cyril of Jerusalem. Bishop and City (VigChr.S 72), Leiden 2004.

ι8

Günter Stemberger

gehabt zu haben 1 '. Anders steht es mit Hieronymus, der die zweite Hälfte seines Lebens in Betlehem verbrachte und größtes Interesse an jüdischen Traditionen hatte. Obwohl er sich immer wieder auf seine jüdischen Lehrer beruft, war sein direkter Kontakt mit Juden in Wirklichkeit sehr beschränkt; Betlehem gehörte zum Stadtgebiet von Jerusalem, das Hieronymus nach seiner Rundreise von 386 bis zu seinem Tod 4 1 9 oder 420 kaum noch verließ; Verbindungen mit Rabbinen seiner Zeit lassen sich nicht belegen30. Für die spätere Zeit fließen christliche Quellen viel spärlicher; besonders die Schriften der im Land geborenen oder hier lange ansässigen Mönche wie Kyrill von Skythopolis (ca. 52.5-558) bieten kaum Aussagen über Juden; ebenso wenig findet man bei den Theologen Palästinas 31 . Prokopius von Caesarea in Palästina (ca. 500-560), dem manchmal jüdische Herkunft nachgesagt wird, und der aus Antiochien stammende Johannes Malalas (ca. 490-580) befassen sich in ihren Geschichtswerken mit Palästina v.a. im Zusammenhang mit den Samaritaneraufständen; über das palästinische Judentum ihrer Zeit findet man bei ihnen fast nichts31.

29

J. Lössl, Hieronymus und Epiphanius von Salamis über das Judentum ihrer Zeit, J S J 3 3 , 2 0 0 2 , 4 1 1 - 4 3 6 .

30

G. Stemberger, Hieronymus und die Juden seiner Zeit, in: Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter (FS H. Schreckenberg), hg. von D . A . Koch/H. Lichtenberger, Göttingen 1 9 9 3 , 347-364.

31

Dazu siehe v.a. L. Perrone, La chiesa di Palestina e le controversie cristologiche, Brescia 1 9 8 0 .

32

Texte mit Übersetzung und Kommentar bei A . M . Rabello, Giustiniano (wie Anm. 25).

19

Juden und Christen im spätantiken Palästina

Interessanter sind die Berichte christlicher Pilger33, beginnend mit dem Text des anonymen Pilgers von Bordeaux, der 333 das Land bereiste, und dem nur teilweise erhaltenen Bericht der Egeria, die um 380 ins Land kam. In diesen Texten, aber auch noch in zwei Briefen, in denen Hieronymus seine 385/386 mit Paula und Eustochium unternommene ausführliche Reise durch das Land beschreibt (46 und v.a. 108 seiner Briefsammlung), fällt auf, wie stark die Reisenden an biblischen, v.a. alttestamentlichen Stätten interessiert sind, wie sehr sie aber auch das lebende Judentum ihrer Zeit ignorieren bzw. ihm direkt aus dem "Weg gehen. Die einzige nennenswerte Ausnahme in dieser Hinsicht ist der anonyme Pilger („Antoninus") von Piacenza um 570, der eine Synagoge in Nazaret beschreibt, in der ein Balken, auf dem einst Jesus als Schüler gesessen habe, nur von Christen bewegt werden könne, und von der Schönheit der dortigen Jüdinnen spricht, die anders als sonst Juden, Christen liebevoll begegnen. Von den Patriarchengräbern in Hebron erzählt er, Christen und Juden hätten dort getrennte Eingänge, und viele Juden brächten dort Weihrauch und Kerzen dar. An anderen Orten, w o er ebenfalls Juden begegnet sein muss, sagt er aber nichts darüber. Das Interesse am Judentum seiner Zeit kommt auch bei ihm nur sporadisch zum Ausdruck 34 . Man kann sich kaum vorstellen, dass alle christlichen Pilger der Zeit mit solchen Scheuklappen gegenüber der Welt des Judentums das Land bereisten, aber im Allgemeinen sahen sie nur, was ihnen christliche Führer zeigen 33

Praktische Sammlung kommentierter Übersetzungen: H . Donner, Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.-7.

Jahrhundert),

Stuttgart

1979.

Dazu

Pilgrimage in the Later R o m a n Empire A D

E.D.

Hunt,

311-460,

Holy

Land

Oxford

1982;

P. M a r a v a l , Lieux saints et pelerinages d'Orient. Histoire et Geographie. Des origines ä la conquete arabe, Paris

1 9 8 5 ; B.

Bitton-Ashkelony,

Encountering the Sacred. T h e Debate on Christian Pilgrimage in Late Antiquity, Berkeley 2 0 0 5 . 34

Land

and

Christian Empire in Late Antiquity, Stanford 2 0 0 4 , v.a. 1 0 3 - 1 3 8 :

Siehe dazu A . S . J a c o b s , Remains of the J e w s . T h e H o l y

,,'A

Province like Paradise': J e w s in Christian T r a v e l W r i t i n g " .

ZO

Günter Stemberger

wollten; sie vertreten die Ideologie eines judenfreien Landes, in dem das Christentum das Judentum abgelöst hat. Anders mussten es natürlich Christen erleben, die in nächster Nähe zu Juden wohnten, zumindest gelegentlichen geschäftlichen Kontakt mit ihnen hatten oder sogar manchmal eine Synagoge betraten. Wenn Kyrill von Jerusalem in seiner vierten Taufkatechese vor jüdischen Bräuchen warnt, mag dabei zwar manches einfach in diesem Zusammenhang traditionell sein, doch auch Hieronymus ist sich des Problems der Judaizanten bewusst; die Lebensbereiche von Juden und Christen ließen sich im Alltag eben nicht überall so trennen, wie das die kirchlichen Führer gerne gehabt hätten.

III. Archäologische Belege für die Entwicklung Im Folgenden sollen die archäologischen Funde von Synagogenund Kirchenbauten aus byzantinischer Zeit das bisher aus Texten gewonnene Bild konkretisieren und nuancieren. In diesem Rahmen ist es natürlich nicht möglich, das gesamte Material auszubreiten; ausgewählte Regionen, in denen das Nebeneinander von Juden und Christen in der historischen Entwicklung besonders deutlich wird, müssen genügen. Ich beginne im Norden mit dem See Gennesaret, Obergaliläa und dem Golan, schließe einige wichtige Beispiele aus dem völlig gemischt besiedelten Untergaliläa an; Bemerkungen zu den Hebron-Bergen im südlichen Judäa und der Region von Gaza sollen die knappe Übersicht abschließen.

i . See Gennesaret Der See Gennesaret als in den Evangelien immer wieder genannte Stätte des öffentlichen Wirkens Jesu sollte eigentlich von Anfang an im Zentrum christlichen Interesses gestanden haben. Um so

Juden und Christen im spätantiken Palästina

ZI

mehr fällt auf, dass erst Egeria und Hieronymus mit seinen Begleiterinnen von ihren Reisen an den See berichten und auch sie diesen Stätten kein besonderes Gewicht zumessen. Das Westufer des Sees mit seiner größten Stadt Tiberias, dem Sitz des jüdischen Patriarchen, war stark jüdisch besiedelt; christliche Stätten sind in Kafarnaum und Heptapegon (Tabgha) als der traditionellen Stätte der Brotvermehrung relativ früh belegt. In Tabgha wurde im späten 4. Jahrhundert eine kleine Kapelle errichtet, die im 5. Jahrhundert durch eine größere Anlage mit einem qualitätsvollen Mosaikfußboden ersetzt wurde. Kafarnaum ist einer der Orte, wo es nach der Erzählung des Epiphanius vom Comes Joseph keinen Nichtjuden (άλλόεθνον) gab und wo Joseph eine Kirche bauen wollte. Der nur im Liber de locis sanctis des Petrus Diaconus ( 1 1 3 7 ) erhaltene, im Allgemeinen auf Egeria zurückgeführte Text beschreibt für die Zeit nach 380 in Kafarnaum eine Hauskirche, das sogenannte „Haus des Petrus", das im 4. Jahrhundert vielleicht von Joseph umgestaltet und im späten 5. Jahrhundert durch ein Oktogon überbaut wurde (beim Anonymus von Piacenza als Basilika bezeichnet); das direkt über der im 4. Jahrhundert verehrten Stätte errichtete Oktogon hatte einen inneren Durchmesser von 7,9 m; es wurde von einem äußeren Oktogon von 16,33 m Durchmesser umfasst, das an fünf Seiten von Portiken flankiert war. Das Gebäude war mindestens bis etwa 700 in Verwendung35. Auch wenn es gelegentlich bestritten wird, spricht viel für eine lange vor das 4. Jahrhundert zurückreichende Kontinuität christlicher Verehrung an dieser Stätte; wenn man an Judenchristen denken darf, hätte auch Epiphanius mit der Aussage, kein alloethnos habe hier Zutritt gehabt, seine Berechtigung. Denkbar, doch weniger wahrscheinlich ist, dass eine mit 35

S. Loffreda, La tradizionale casa di Simon Pietro a Cafarnao a 1 5 anni dalla sua scoperta, in: Early Christianity in Context. Monuments and Documents. FS E. Testa, ed. by F. Manns/E. Alliata, Jerusalem 1 9 9 3 , 3 7 - 6 7 ; M . Fisher, Kapharnaum. Eine Retrospektive, J A C 4 4 , z o o i , 1 4 2 167.

22

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christlichen Traditionen verbundene Stätte erst im 4. Jahrhundert von Christen erworben und ausgebaut wurde 3 '. Wie auch immer, die Kontinuität der christlichen Stätte, zu der sich erst Jahrzehnte später wenig südlich Heptapegon gesellte, innerhalb einer sonst dominant jüdischen Region stellt uns vor Rätsel. Dass die jüdische Bevölkerung des Ortes sie nur geduldet hätte, da sie selbst vom christlichen Pilgerwesen profitierte 37 , ist nicht auszuschließen, doch ebenso wenig zu belegen wie die Annahme, staatlicher Druck habe vielleicht eine Rolle gespielt. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass die christliche Pilgerstätte sich nur einen Häuserblock von etwa 30 m entfernt von der Synagoge befand, die für die Bedürfnisse und zu vermutenden finanziellen Möglichkeiten des mittelgroßen Dorfes sehr groß und prächtig geraten ist. Allein der Hauptraum der Synagoge maß 20,4 χ 18,65 m ; ihm war eine 3 m breite Terrasse vorgelagert, im Osten ein geschlossener etwa u m breiter Kolonnadenhof angeschlossen. Dass der Synagogenkomplex erhöht auf einer eigens dafür errichteten Basaltplattform steht, unterstreicht den monumentalen Eindruck ebenso wie der reiche Baudekor an den Außenwänden. Im Vergleich dazu wirkte die christliche Kultstätte bescheiden. Da sie im Inneren einer ummauerten Insula lag, fragt sich, wie viel man davon überhaupt von außen sehen konnte. Früher galt die Synagoge als klassisches Beispiel des „frühen galiläischen Synagogentyps" des 2. bis 3. Jahrhunderts. Die seit 1968 von den Franziskanern durchgeführten Ausgrabungen

36

So B. Brenk, Die Christianisierung des jüdischen Stadtzentrums von Kapernaum, in: Byzantine East, Latin West. Art-historical Studies in Honor of Κ. Weitzmann, ed. by D. Mouriki, Princeton 1 9 9 5 , 15-2.8, 2.3.

37

So die Vermutung von J.E. Taylor, Christians and the Holy Places. The Myth of Jewish-Christian Origins, Oxford 1 9 9 3 , 2.93: Joseph von Tiberias habe den Häuserblock mit der Begründung kaufen können, „that his proposition would be little threat, perhaps even that it would be politic given the religious persuasion of the emperor Constantine and his sons, and that it would provide extra income for the t o w n " .

Juden und Christen im spätantiken Palästina

2-3

haben jedoch gezeigt, dass sie v.a. wegen der unzähligen Kleinmünzen, die unter dem Fußboden einschließlich der Fundamente des Stylobats gefunden wurden, nicht vor der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts begonnen und wohl erst im späten 5. Jahrhundert vollendet wurde. Kapitelle und sonstiger Bauschmuck, stilistisch eher ins 3. Jahrhundert zu datieren, wären demnach Nachahmung älterer Vorbilder oder wahrscheinlicher als Spolien von früheren Bauten zu verstehen, die hier wiederverwendet wurden 38 . Jodi Magness möchte die Synagoge von Kafarnaum gar „nicht früher als die 1 . Hälfte des 6. Jhs." ansetzen", da sie einzelne Münzen und Keramikfunde aus dieser Zeit anders als Loffreda nicht den spätesten Bauphasen oder gar erst nachträglichen Reparaturen zuordnet, sondern als Teil des Fundaments versteht, auf dem der Gesamtkomplex in einem Zuge errichtet wurde. Es ist nicht möglich, auf die noch immer anhaltende Diskussion um die genaue Datierung der Synagoge von Kafarnaum einzugehen. Dass sie in ihrem Endzustand aus byzantinischer Zeit stammt, scheint heute unbestritten, welche Vorstufen auch immer einzelne Autoren anzunehmen bereit sind. Das bedeutet nicht nur, dass die Synagoge ihre monumentale Gestalt 38

Siehe H. Bloedhorn, Die Kapitelle der Synagoge von Kaperna um ( A D P V 1 1 ) , Wiesbaden 1 9 8 8 ; Y . Tsafrir, The Synagogues at Capernaum and Meroth and the Dating of the Galilean Synagogue, in: The Roman and Byzantine Near East. Some Recent Archaeological Research, ed. by J . H . Humphrey (Journal of Roman Archaeology. Supplementary Series 14), Ann Arbor 1 9 9 5 , 1 5 1 - 1 6 1 . Tsafrir betont, dass im Füllmaterial unter dem Boden der Synagoge die späten Münzen immer in der oberen Schicht gefunden wurden, in den unteren Schichten jedoch ältere Münzen und Keramik, was bei einem auf einmal durchgeführten Bau kaum denkbar wäre.

39

J . Magness, The Question of the Synagogue. The Problem of Typology, in: Judaism in Late Antiquity III/4. The Special Problem of the Synagogue, ed. by A . J . Avery-Peck/J. Neusner (HO 1 , 5 5 ) , Leiden 2 0 0 1 , 1 - 4 8 : „a review of the numismatic and ceramic evidence suggests it was constructed in the sixth century, instead of by the third quarter of the fifth century as the excavators proposed" (22).

2-4

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erst nach Verbot des Synagogenbaus erhielt, sondern auch, dass dies zu einer Zeit war, als schon zunehmend christliche Pilger nach Kafarnaum kamen. Das passt so wenig zum üblichen Geschichtsbild, dass Zvi Uri Ma'oz die radikale Lösung vorschlug, die christliche Gemeinde von Kafarnaum habe im 5. Jahrhundert die Synagoge aus Spolien alter Bauten errichtet, um eine Gedenkstätte an Jesu Wirken in dieser Synagoge zu haben (Mk I,ZI-Z8) 4 °. In diesem Fall hätten aber wohl christliche Pilgerberichte wie der Anonymus von Piacenza die „Synagoge Jesu" entsprechend hervorgehoben. Wenn Petrus Diaconus hier Egeria wiedergibt, erwähnt diese die Synagoge, in der Jesus den Besessenen heilte, ad quam per gradus multos ascenditur; quae synagoga ex lapidibus quadratis est facta. Non longe autem inde cernuntur gradus lapidei super quos Dominus stetif1; angesichts der beiden relativ kleinen Stiegen, die an Ost- und Westseite zur Terrasse der Synagoge hinaufführen, mag die Wendung per multos gradus übertrieben klingen; auffälliger noch ist, dass der Pilger von Piacenza die Synagoge gar nicht erwähnt, obwohl sie auch noch zu seiner Zeit das Ortsbild von Kafarnaum beherrscht haben muss. Wie Moshe Fischer zu Recht hervorhebt, ist im Gegensatz zu größeren Städten des byzantinischen Palästina dieses enge Nebeneinander für Siedlungen der Größe von Kafarnaum ein Unikum; Christen und Juden scheinen in Kafarnaum friedlich zusammen gelebt zu haben, „wobei die Motive auch im Dunkeln bleiben"41. Dieses friedliche Nebeneinander scheint lange funktioniert zu haben. Vassilios Tzaferis nimmt an, dass sowohl Kirche wie Synagoge in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zerstört 40

Z . U . M a ' o z , The Synagogue at Capernaum. A Radical Solution, in: The Roman and Byzantine Near East, vol. 2. Some Recent Archaeological Research, ed. by J . H . Humphrey

(Journal of Roman

Archaeology.

Supplementary Series 3 1 ) , Ann Arbor 1 9 9 9 , 1 3 7 - 1 4 8 . 41

Petrus Diaconus, Liber de locis sanctis (Itinera Hierosolymitana Saeculi

42

Μ . Fisher, Kapharnaum (wie Anm. 35), 1 6 5 .

IIII-V1II, CS E L 39, 1 1 3 , 4 - 6 Geyer).

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25

wurden und er vermutet, dass zuerst die jüdische Bevölkerung in den Jahren der Perserherrschaft über Palästina 614-628 die christliche Stätte zerstörte; die Truppen des Heraklius hätten dann 629 als Rache die Synagoge zerstört43. Die Ortschaft wurde, wie aus seinen Grabungen hervorgeht, von einer nun mehrheitlich christlichen Bevölkerung etwas östlich wieder erbaut und hat die arabische Eroberung noch lange überdauert. Diese Rekonstruktion ist allerdings sehr hypothetisch und lässt v.a. die Frage offen, warum eine christliche Bevölkerung das „Haus des Petrus" ohne offensichtliche Notwendigkeit aufgegeben hätte. Wenn Arkulf um etwa 680 Kafarnaum nur von einem nahen Berg aus überblickte (de monte uicino prospexity und die Ortschaft selbst gar nicht besuchte, könnte das natürlich daran liegen, dass es dort nichts Sehenswertes mehr gab; doch muss auch das reine Vermutung bleiben. Eine auch nur annähernd genaue Datierung der Aufgabe des alten Ortszentrums mit seinen beiden Heiligtümern ist derzeit offenbar kaum möglich, damit auch die an sich plausible Zuordnung zu bestimmten historischen Ereignissen anstatt der in der Region so häufigen Erdbeben fragwürdig45. Die zwischen Kafarnaum und Tiberias gelegene Stätte der Brotvermehrung bezeichnet Hieronymus in Anschluss an Mk 6,31 als „Einöde" und erwähnt die zu seiner Zeit schon bestehende Kapelle nicht46, die aber auch der Pilger von Piacenza übergeht. 43

V . Tzaferis, N e w Archaeological Evidence on Ancient Capernaum, BA 4 6, 1 9 8 3 , 1 9 8 - 2 0 4 .

44

Itinera (wie Anm. 4 1 ) , 2.73.

45

Siehe F.L. Horton, The Advent of Islam at Sepphoris and at Caesarea Maritima, in: Galilee through the Centuries. Confluence of Cultures, ed. by E . M . Meyers (Duke Judaic Studies Series 1), Winona Lake 1 9 9 9 , 3 7 7 - 3 9 0 : „There is no evidence in the excavations at Capernaum that requires a correlation with the Persian invasion, the Byzantine revival, or the Arab conquest." Auch der Bereich von Synagoge und Kirche war offenbar noch im 7. Jh. in Verwendung; erst langsam verschob sich das Zentrum in den neueren Teil des Ortes (388).

46

Hieronymus, ep. 1 0 8 , 1 3 ( C S E L 55, 3 2 3 , 1 3 - 1 6 Hilberg): lacum Tiberiadis nauigante domino sanctificatum et solitudinem, in qua multa

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Egeria bei Petrus Diaconus erwähnt den Stein, auf den Jesus das Brot gelegt habe und der nun als Altar diene; direkt an den Mauern der Kirche vorbei führe die Straße, wo einst Mattäus seine Zollstätte gehabt habe47. Interessant ist die Bemerkung zu Tiberias: In Tyberiadis in eo loco nunc ecclesia est, in qua domus fuit apostolorum Iacobi et Iobannis48. Diese Kirche wird in den anderen Pilgerberichten nicht erwähnt und wäre auch für Tiberias der früheste Beleg einer Kirche, nachdem der Comes Joseph dort mit seinem Bauvorhaben gescheitert war. Für die Zeit um 400 wird in Tiberias ein Kloster erwähnt, beim Konzil von Ephesus 431 nahm auch ein Bischof von Tiberias teil. Doch scheint die christliche Präsenz am Sitz des jüdischen Patriarchen minimal gewesen zu sein. Zwar ist Tiberias wegen seiner ständigen Besiedlung noch immer nicht systematisch archäologisch erforscht und auch von literarisch bezeugten Synagogen der Stadt ist bisher sehr wenig gefunden worden; dennoch fällt auf, dass im eigentlichen Stadtgebiet von Tiberias bisher keine christlichen Funde aus byzantinischer Zeit gemacht wurden (zur Ankerkirche oberhalb der Stadt siehe weiter unten). Was Synagogen betrifft, wurden bescheidene Reste einer etwa 20 χ 20 m messenden Synagoge aus dem 6. Jahrhundert im Norden von Tiberias ausgegraben; auf dem Mosaikboden wird, von einem Kranz umfasst, ein Proklus, Sohn des Krispus, als Erbauer genannt: Πρόκλος Κρίσπου εκτισεν. Die Synagoge war noch lange nach der arabischen Eroberung in Verwendung und wurde nach dem Erdbeben von 749 umfassend restauriert. Eine andere Inschrift nennt einen R. Alia und seinen Bruder, die gemeinsam drei Denar für eine Synagoge gestiftet haben, eine Grabinschrift erwähnt eine Synagoge der Antiochener4'. Bedeupopulorum milia paucis saturati sunt panibus et de reliquiis uescentium cophini duodecim tribuum Israhel. Allerdings erwähnt auch sonst, etwa in Kafarnaum, Hieronymus keine Bauten. 47

Itinera (wie Anm. 41), 1 1 3 .

48

Itinera (wie Anm. 41), 1 1 2 .

49

Eine kurze Zusammenstellung der Funde bietet Y. Hirschfeld, Art.

Juden und Christen im spätantiken Palästina

2-7

tendere Funde gibt es im Süden der Stadt bei den heißen Quellen von Hammat Tiberias, wo eine Synagoge schon 1920 ausgegraben wurde und dringend eine neuere Untersuchung bräuchte, was durch die Überbauung schwierig ist. Umso wichtiger ist die südlich davon gelegene Synagoge, die Moshe Dothan 1961-63 ausgegraben hats°. Ein erster Synagogenbau soll hier schon um Z30 errichtet worden sein; im 4. Jahrhundert wurde er durch einen Neubau - ein Breithaus von 15 x 1 3 m - ersetzt, dessen dreiteiliger Mosaikfußboden als oberstes Feld den Toraschrein zeigt, gerahmt von zwei siebenarmigen Leuchtern und verschiedenen Kultsymbolen, im Zentrum einen Tierkreis in klassischem Stil, und als unterstes Feld eine von zwei Löwen flankierte mehrteilige griechische Stifterinschrift, die als Hauptstifter Severus, einen Angehörigen des Patriarchenhauses, nennt. Es ist die älteste Darstellung eines Tierkreises in Synagogen; anfangs hat Dothan das Motiv mit der (angeblichen) Einführung des festen Kalenders unter Patriarch Hillel um 358 verbunden, später bedeutend früher angesetzt, da die Inschrift die Patriarchen λαμπρότατοι nennt, illustres, einen höchsten Ehrenrang, den ein christlicher Kaiser dem Patriarchen kaum noch verliehen hätte; der Neubau sei somit spätestens unter Konstantin erfolgt5'. Eine solche Argumentation, die an Stelle der ursprüngTiberias, The N e w E A E H L , ed. by Ε. Stern et al., Jerusalem 1 9 9 3 , 1 4 6 4 70; ders., Roman, Byzantine, and Early Muslim Tiberias. A Handbook of Primary Sources, Tiberias 2005 (englisch/hebräisch). 50

Μ . Dothan, Hammath Tiberias. Early Synagogues and the Hellenistic and Roman Remains, Jerusalem 1 9 8 3 ; ders., Hammath Tiberias II. Late Synagogues, ed. by B.L. Johnson, Jerusalem 2000.

51

M . Dothan, Hammath Tiberias. Early Synagogues (wie Anm. 50) 58 f.67. Dazu G. Stemberger, Juden und Christen (wie Anm. 5), 1 2 3 f . 1 8 8 f. Z . Weiss/E. Netzer, Architectural Development of Sepphoris during the Roman and Byzantine Periods, in: Archaeology and the Galilee. Texts and Contexts in the Graeco-Roman and Byzantine Periods, ed. by D.R. Edwards/C.T. McCollough (SFSHJ 1 4 3 ) , Atlanta 1 9 9 7 , 1 1 7 - 1 2 3 , möchten den Tierkreis von Hammat Tiberias mit seiner Darstellung des Helios Mitte 3. Jh. datieren ( 1 2 2 ) ; sie verweisen dazu auf L . A . Roussin, The Zodiac in Synagogue Decoration, ibid. 83-96, die aber am 4. Jh. festhält.

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lichen Grabungsergebnisse setzt, was historisch zu einer bestimmten Zeit möglich gewesen wäre, und von vorgefassten Ideen zur Entwicklung des Judentums unter christlicher Herrschaft ausgeht, ist immer problematisch. Das ursprünglich vorgeschlagene Datum Mitte 4. Jahrhundert ist terminus post quem·, ein wenig später wäre auch die Bezeichnung des Patriarchen als illustris sein offizieller, vom Kaiser verliehener Titel52. Die Synagoge wurde im frühen 5. Jahrhundert zerstört. Dothan rechnet mit der Möglichkeit, sie sei vielleicht absichtlich unter der Herrschaft von Honorius und Arcadius wie so viele andere Synagogen in dieser Zeit zerstört worden, erwägt aber doch auch eine Zerstörung im Erdbeben von 419, sodass ein Neubau noch vor dem Gesetz von 423, das neue Synagogen verbot, hätte entstehen können, „especially if the prohibition against rebuilding synagogues was, in fact, enforced"53. Da für Palästina in dieser Periode keine Zerstörung von Synagogen durch Christen eindeutig zu sichern ist, sollte man auch hier vorsichtig sein und auch nicht das Datum des Neubaus mit dem Gesetz gegen Synagogenbauten verbinden. Eine Zerstörung oder schwere Beschädigung der an den Hang gebauten Synagoge 52

R. Talgam, Similarities and Differences between Synagogue and Church Mosaics in Palestine during the Byzantine and Umayyad Periods, in: From Dura to Sepphoris. Studies in Jewish Art and Society in Late Antiquity, ed. by L.I. Levine/Z. Weiss (Journal of Roman Archaeology. Supplementary Series 40), Portsmouth, RI 2000, 9 3 - 1 1 0 : „the discoveries made in recent years indicate that this date is too early and that it should be advanced to the second half of that century" (100). L.I. Levine, Contextualizing Jewish Art. The Synagogues at Hammat Tiberias and at Sepphoris, in: Jewish Culture and Society under the Christian Roman Empire, ed. by R. Kalmin/S. Schwartz (Interdisciplinary Studies in Ancient Culture and Religion 3), Leuven 2 0 0 3 , 9 1 - 1 3 1 , der v.a. den Tierkreis der Synagoge kulturell einzuordnen versucht, rechnet mit einem Datum in der Zeit Julians oder auch später.

53

M . Dothan, Hammath Tiberias. Early Synagogues (wie Anm. 50), 67. Ders., Hammath Tiberias II (wie Anm. 50), 1 2 , hält es für möglich, dass der Neubau erst nach Novelle 3 des Codex Theodosianus von 4 3 8 erfolgt sei, der Reparaturen von Synagogen bei Einsturzgefahr erlaubte.

J u d e n und Christen im spätantiken Palästina

29

durch ein Erdbeben, vielleicht verbunden mit einem Erdrutsch, liegt näher, da man für den bedeutend vergrößerten Neubau in Form einer Basilika mit Apsis und Narthex sowie einem ummauerten Hof auf der Westseite tiefe Fundamente und eine Verstärkungsmauer quer über das Tierkreismosaik errichtete (bei Dothan als Stratum Ib bezeichnet). Der darüber gelegte neue Mosaikboden mit geometrischen Mustern, Blumen und Tieren ersetzte den Tierkreis, der offenbar den religiösen Vorstellungen der Gemeinde nicht mehr entsprach, auch wenn man in Sepphoris fast gleichzeitig, in Bet Alfa auch noch viel später, sehr wohl noch den Tierkreis auf dem Synagogenboden darstellte. Insgesamt zeigt die neue Synagoge eine weiterhin florierende Gemeinde, die offenbar weder vor dem Gesetz gegen Synagogenbauten noch vor christlichen Repressalien Angst haben musste. Eigenartig ist eine zweite, kleinere Apsis im westlichen Seitenraum. „It seems curiously planned, in such a way that it looks like an apse common to a church; on one side a prothesis and on the other a diaconicon ... This type of apse seems to be an exceptional architectural element in synagogues in general, and is unknown in remains from the 5th and 6th centuries."54 Dothan denkt an eine spezielle Funktion in der Liturgie der Synagoge, eine Gruppe mit anderen liturgischen Bräuchen oder ein Bet Din. Die Synagoge überstand die arabische Expansion unbeschadet. Wohl bei einem Erdbeben Mitte 8. Jahrhundert wurde die Synagoge beschädigt, restauriert und blieb weiter in Verwendung. Die Eigenart der Apsis von Hammat Tiberias erregte schon vor dem Endbericht von Dothan die Aufmerksamkeit von David Milson, der die runde Bank in der großen Apsis mit einer Priesterbank vergleicht und auf die Möglichkeit verweist, dass die Synagoge später in eine Kirche umgewandelt wurde; in seiner späteren Studie bietet er eine Vielzahl von Argumenten dafür, dass auch diese Synagoge ursprünglich eine gerade Südmauer mit 54

M . Dothan, H a m m a t h Tiberias II (wie A n m . 5 0 ) , 2 3 .



Günter Stemberger

drei Eingängen hatte, die erst später geschlossen wurden, als man eine Apsis baute; deren Synthronon sei eine noch spätere Ergänzung, vielleicht gleichzeitig mit der kleinen Apsis im westlichen Schiff, bei der eine in Synagogen völlig unübliche Zisterne auf die Verwendung als christliches Baptisterium hinweise: „This phase at Hammat Tiberias, with the added synthronon, cistern and small apse would thus be the first recognized example of the conversion of a synagogue into a church in Palestine."55 Für eine Datierung dieser Umwandlung verweist Milson auf die Notwendigkeit neuer Grabungen. Die Datierung der Synagoge durch Dothan ist problematisch, wie auch die Herausgeberin des nach dem Tod Dothans erschienenen Bandes, Barbara Johnson, ganz klar zugibt: „Although the date proposed by Prof. Dothan for Synagogue lb appears reasonable from the historical and political point of view, it is not supported by the datable artefacts found at the site, especially the pottery, little of which has a date-range beginning in the 6th century and most of which may be firmly dated to the 7th and 8th centuries CE ... Thus the majority of the pottery and other finds, dated to the 7th and 8th centuries CE, should be associated with Stratum lb and Stratum la." 56 So wichtig daher die Synagoge von Hammat Tiberias in unserem Kontext ist, kann sie nicht als (einziger) Beleg für die Umwandlung einer Synagoge in Palästina in eine Kirche noch in byzantinischer Zeit gelten (die Synagoge von Gerasa, die im frühen 6. Jahrhundert in eine Kirche umgewandelt wurde, liegt außerhalb des hier betrachteten Gebiets); ein Datum irgendwann nach der arabischen Eroberung scheint nach jetzigem Kenntnisstand näher zu liegen. Neben Kafarnaum das auffälligste Zeichen christlicher Präsenz im jüdischen Kernland am Westufer des Sees Gennesaret 55

D. Milson, The Late Synagogue at Hammath Tiberias. A Morphological Study, S B F L A 3 7 , 1 9 8 7 , 3 0 3 - 3 1 0 ; ders., The Stratum IB Building at Hammat Tiberias. Synagogue or Church? P E Q 1 3 6 , 2004, 4 5 - 5 6 (Zitat

56

53)· B.L. Johnson in: M . Dothan, Hammath Tiberias II (wie Anm. 50), 93.

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ist die auf dem Berenikeberg oberhalb von Tiberias errichtete große Basilika (48 χ z8 m). Der Ausgräber Yizhar Hirschfeld nimmt an, dass die Kirche auf Kaiser Justinian zurückgeht, der auch die Stadtmauer von Tiberias errichten ließ (Prokopius, Aed. 5,9,21), die direkt oberhalb der Kirche verläuft. Unter dem Altar fand man einen über einen Meter hohen schmalen Basaltstein von fast 500 Kilo Gewicht, durch dessen Mitte ein Loch gebohrt ist. Ursprünglich ein bronzezeitlicher Kultstein, von dessen Art um den See Gennesaret bisher etwa dreißig bekannt sind, wurde der Stein vielleicht als Anker eines Schiffes, auf dem Jesus gefahren sei, gedeutet und so zu einem christlichen Gedenkstein, zu dem man vielleicht eine Wallfahrt entwickeln wollte, der auch die große Zisterne und ein kleines Kloster nicht weit von der Kirche gedient haben mögen57. Der Bau war wohl Teil der religiösen Propaganda Justinians, der den Kirchenbau in Palästina wieder massiv förderte und auf den auch die große, 543 eingeweihte, „neue" Marienkirche (Nea) in Jerusalem zurückgeht, die seit 1 9 7 0 ausgegraben wurde. Wie weit diese Kirche dann auch das Ziel christlicher Pilger wurde und ob sich darum auch eine feste christliche Gemeinde bildete, dazu fehlen jegliche Nachrichten. Immerhin war die Kirche noch in arabischer Zeit in Verwendung; im großen Erdbeben von 749 zerstört, wurde sie noch im 8. Jahrhundert auf demselben Grundriss wieder aufgebaut. Von dieser Kirche aus hatte man einen wundervollen Blick über den See und zu den christlichen Stätten auf dessen gegenüberliegender Seite; auch war sie von ganz Tiberias aus ein sehr gut zu sehendes Zeichen christlicher Präsenz. Andererseits ist aber die Randlage

57

Y.

Hirschfeld, The Anchor

Church at the Summit of M t .

Berenice,

Tiberias, B A 5 7 , 1 9 9 4 , 1 2 2 - 1 3 3 ; ders., Imperial Building Activity during the Reign of Justinian and Pilgrimage to the H o l y L a n d in the Light of the E x c a v a t i o n s on M t . Berenice, Tiberias, R B ders.,

The

Monasteries

of

Christians and Christianity

Palestine (wie A n m .

in

the

106,

1999,

Byzantine

5) 4 0 1 - 4 1 9 :

„this

236-249;

Period,

in:

separation

between the monastery and the church is characteristic of the pilgrimage churches of Palestine" ( 4 0 6 - 7 ) .

32

Günter Stemberger

der Kirche deutlich; in der Stadt selbst gibt es bisher keinerlei archäologische Spuren christlicher Bauten aus byzantinischer Zeit. Ob die seit Mitte 5. Jahrhundert belegten Bischöfe von Tiberias tatsächlich in der Stadt residierten, muss offen bleiben; vielleicht hatten sie später in der „Ankerkirche" ihren Sitz, aber auch das ist nicht mehr als eine Vermutung. Willibald, der spätere Bischof von Eichstätt, der um 724 Tiberias besuchte, berichtet von zahlreichen Kirchen in der Stadt58; wie weit diese Kirchen historisch zurückreichen, wissen wir nicht. Willibald reiste von Tiberias weiter über Betsaida nach

„Corazaim, ubi Dominus daemoniacos curavit, et diabolum mittebat in gregem porcorum. Ibi fuit ecclesia cbristianorum Das von Jesus verfluchte Chorazin (Mt i i , 2 i ) i 0 oberhalb von Kafarnaum wurde offenbar schon früh mit Gerasa verwechselt, genauer Gergesa am Ostufer des Sees. Hier lokalisierte christliche Tradition die Szene mit den Dämonen, die in eine Schweineherde fuhren und im See versanken (Mk 5); hier entstand das größte christliche Wallfahrtszentrum am See. Der 1970 entdeckte Klosterkomplex (ummauerte Fläche 1 2 3 zu 1 4 3 m), dessen archäologische Erforschung noch andauert, schließt u.a. eine große Basilika von 25 zu 45 m ein (einschließlich Narthex und Atrium).

58

Vita Willibaldi 1 4 , in: Descriptiones Terrae Sanctae ex saeculo VIII. IX. XII. et X V , hg. von T. Tobler, Leipzig 1 8 7 4 (Nachdruck Hildesheim 1 9 7 4 ) , 26: Ibi sunt multae ecclesiae et synagoga judaeorum; sed et magnus honor dominica.

59

Ibidem 2.7.

60

Chorazin scheinen christliche Pilger nicht besucht zu haben; sonst könnte nicht auch Hieronymus, der in Kafarnaum war, in seiner Bearbeitung des Onomastikons des Eusebius um 3 9 0 schreiben: „Jetzt aber ist es verlassen" ( G C S Eusebius 3 , 1 , 1 7 4 / 7 5 , 2 4 f. Klostermann). Tatsächlich war der Ort damals bewohnt, wie v.a. Münz- und Keramikfunde belegen, auch wenn die Datierung der Synagoge umstritten ist (4. oder 5. Jh.). Siehe Z . Yeivin, The Synagogue at Korazim. The 1 9 6 2 . - 1 9 6 4 , 1 9 8 0 - 1 9 8 7 Excavations. With Contributions by N . N . May/D.T. Ariel (Israel Antiquities Authority Reports 10), Jerusalem 2000.

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33

Die Anlage wurde um etwa 500 errichtet und im späten 6. Jahrhundert teilweise umgebaut; laut einer Inschrift im Mosaikfußboden wurde der Raum rechts der Apsis 585 zu einer Taufkapelle umgestaltet. Trotz größerer Zerstörungen im frühen 7. Jahrhundert (vielleicht bei der persischen Eroberung des Landes) blieb das Kloster und die Kirche bis zur Zerstörung durch ein Erdbeben Mitte 8. Jahrhundert ein christliches Zentrum". Es mag erstaunlich wirken, dass gerade diese Erzählung aus den Evangelien mit einem so bedeutenden Baukomplex kommemoriert wurde, während aus christlicher Perspektive so viel wichtigere Ereignisse aus dem Leben Jesu am Westufer des Sees Gennesaret vergleichsweise bescheidene Bauten auslösten und nur die Ankerkirche oberhalb von Tiberias mit ihrem umgedeuteten heidnischen Kultpfahl ein ähnlich großer Kirchenbau war. Geht die Ankerkirche wohl auf staatlich gestützte kirchliche Propaganda zurück, so spiegelt Kursi eher die tatsächlichen Möglichkeiten des Christentums um den See Gennesaret: Im weitgehend noch immer jüdisch dominierten Westen des Sees gab es nur vereinzelte christliche Stätten; im Osten dagegen war die wichtigste Stadt Hippos-Susita, direkt gegenüber Tiberias hoch über dem See gelegen, schon relativ früh christlich geworden, und wies in byzantinischer Zeit mindestens vier Kirchen auf, eine davon ein früherer römischer Tempel, der Ende 5., Anfang 6. Jahrhundert in eine Kirche umgebaut wurde 61 . Wenden wir uns also kurz dem Golan zu. 61

V. Tzaferis, The Excavations of Kursi-Gergesa (Atiqot 16), Jerusalem 1 9 8 3 ; ders., A Pilgrimage to the Site of the Swine Miracle, BArR 1 5 , 1 9 8 9 , 4 4 - 5 1 ; ders., Art. Kursi, The N e w E A E H L (wie Anm. 49), 893896; ders., The Early Christian Monastery at Kursi, in: Ancient Churches Revealed, ed. by Y . Tsafrir, Jerusalem 1 9 9 3 , 7 7 - 7 9 . Schon Origenes schreibt (Comm. in loh. V I , 4 1 , 2 1 1 ) , man zeige dort einen steilen Abhang, von dem die Schweine durch die Dämonen hinabgeworfen wurden.

6z

Seit 2000 wird hier wieder ausgegraben. Siehe A. Segal/M. Eisenberg, Hippos-Sussita of the Decapolis - First Five Years of Excavation (hebräisch), Qad. 38, 2.005, Ι 5 " 2 · 9 · D· Urman, Public Structures and

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2. Golan und Obergaliläa Der südlichste Teil mit dem Stadtgebiet von Hippos stand als traditionell hellenistisch-pagane Region früh dem Christentum offen. Hier sind auch einige Kirchenbauten belegt; Synagogen dagegen sind in dem Bereich selten und weiter östlich anzutreffen. Gegen Norden nimmt die jüdische Besiedlung zu und vom oberen Rand des Sees weiter nach Norden war der westliche Golan sehr dicht jüdisch besiedelt; eine Synagoge reiht sich an die andere, während christliche Bauten sich noch weiter nach Norden und allgemein weiter nach Osten hin anschließen63. Die archäologische Erforschung des Golan ist trotz der intensiven Bemühungen der letzten Jahrzehnte noch nicht so weit gediehen, dass einige zentrale Fragen geklärt werden könnten. Dan Urman rechnete mit einer jüdischen Besiedlung des Golan ab dem Bar Kokhba-Aufstand im 2. Jahrhundert und datierte die Synagogen ab dem 3. Jahrhundert. Stratigraphische Untersuchungen einer Reihe von Synagogen haben Zvi Uri Ma'oz, v.a. wegen Münz- und Keramikfunden unter den Fundamenten, zu einer bedeutend späteren Datierung ab dem 5. Jahrhundert geführt; auch möchte er die massive jüdische Besiedlung nicht vor dem 4. JahrJewish Communities in the Golan Heights, in: Ancient Synagogues. Historical Analysis and Archaeological Discovery, ed. by Urman/P.V.M. Flesher, 2 Bde (SPB 47), Leiden 1 9 9 5 , II 3 7 3 - 6 1 7 , 5 6 1 - 5 6 4 , glaubt, nahe Kursi eine jüdische Ortschaft desselben Namens lokalisieren zu können, und identifiziert spärliche Reste eines größeren Gebäudes mit einer Synagoge. Die von ihm gebrachten Indizien sind allerdings viel zu schwach. Ein Klosterkirche aus dem 6. Jh. wurde viel weiter südlich am Ostufer des Sees ausgegraben: V . Tzaveris, An Early Christian Church at Khirbet Samra, in: Studies in the Archaeology and History of Ancient Israel. FS M . Dothan, ed. by M . Heltzer/A.Segal/D. Kaufman, Haifa 1 9 9 3 , 2 2 7 * 24 9*. 63

Zusammenfassungen der Funde im Golan: D. Urman, Public Structures (wie Anm. 52); Jews, Pagans, and Christians in the Golan Heights. Greek and Other Inscriptions of the Roman and Byzantine Eras, ed. by R.C. Gregg/D. Urman (SFSHJ 140), Atlanta 1996.

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hundert ansetzen. Die Spätdatierung der Synagogen spiegelt ähnliche Verschiebungen in der Chronologie der galiläischen Synagogen wie etwa Kafarnaum und ist gut abgesichert; das dürfte auch für die Siedlungsgeschichte gelten. Eine zweite viel diskutierte Frage ist die nach der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung in der Region. Ma'oz deutete den archäologischen Befund so, dass die Dörfer im Golan und ganz allgemein in Palästina im Unterschied zu den Städten ausschließlich von Juden oder Christen bewohnt waren; der nordwestliche Teil des Golan wäre demnach rein jüdisch besiedelt gewesen, während die christlichen Dörfer sich im Süden bzw. im Nordosten befanden. Gestützt auf einzelne Surveys hat dagegen Claudine Dauphin geschlossen, dass Christen und Juden in vielen Orten eng zusammen wohnten, eine Schlussfolgerung, die auf der breiteren Basis der Inschriften des Golan auch Robert Gregg und Dan Urman übernehmen'4. Interessant und plausibel ist auch die von Dauphin geäußerte Annahme, dass viele der Christen im Osten des Golan konvertierte Ghassaniden waren, Araberstämme, die für Byzanz die Grenze gegen Persien sichern sollten; konkrete Belege dafür gibt es allerdings nicht. Auch mit kleinen Gruppen von Judenchristen ist vielleicht noch zu rechnen, sodass nicht alle verschiedengestaltigen Menorot automatisch als Zeichen jüdischer Präsenz gesehen werden dürften 6 '. Für eine Reihe

64

Z . U . M a ' o z , Comments on Jewish and Christian Communities in Byzantine Palestine, PEQ 1 1 7 , 1 9 8 5 , 5 9 - 6 8 ; C . M . Dauphin, Jewish and Christian Communities in the Roman and Byzantine Gaulanitis. A Study of Evidence from Archaeological Surveys, PEQ 1 1 4 , 1 9 8 2 , 1 2 9 - 1 4 2 ; dies./J.J. Schonfield, Settlements of the Roman and Byzantine Periods on the Golan Heights. Preliminary Report on Three Seasons of Survey ( 1 9 7 9 - 1 9 8 1 ) , IEJ 3 3 , 1 9 8 3 , 1 8 9 - 2 0 6 ; Gregg/Urman (wie Anm. 53), 2893 1 0 ; R . C . Gregg, Marking Religious and Ethnic Boundaries. Cases from the Ancient Golan Heights, C h H 69, 2000, 5 1 9 - 5 5 7 . Zur Menora auch im christlichen Kontext und zu ihrer Abgrenzung vom Lebensbaum im Golan siehe R. Hachlili, The Menorah, the Ancient Seven-Armed Candelabrum (JSJ Supplements 68), Leiden 2 0 0 1 , 2 7 1 f.

65

Siehe C. Dauphin, Encore des judeo-chretiens au Golan?, in: Early

36

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von Ortschaften lässt sich tatsächlich eine gemischt jüdische und christliche Bevölkerung nachweisen, so etwa in Fiq (Apheka) im südlichen Golan, wo neben zahlreichen christlichen Spuren wie der Inschrift eines Bischofs Gerontios es auch eine aramäische Inschrift eines Jehuda Chazzana, also eines Synagogenbediensteten, auf einer Säule unter einer Menora gibt. Viele Fragen können vielleicht durch künftige Ausgrabungen geklärt werden; indessen ist schon jetzt klar, dass im südlichsten Teil des Golan, im Osten und im obersten Norden es eine viel stärkere christliche Bevölkerung gab, diese aber kaum einmal eine jüdische Gemeinschaft verdrängte; die Synagoge von Beit (Deir) Aziz im südöstlichen Golan, die im frühen 6. Jahrhundert errichtet und noch unter Justinian umgebaut wurde, wie ein unter dem Bema eingegrabener Krug mit Goldmünzen aus der Zeit Justinians zu belegen scheint, wurde zwar vielleicht in ihrer letzten Phase christlich genutzt (darauf würde der Name Deir, Kloster, hinweisen), doch scheint dies, wenn überhaupt, nicht vor dem 8. oder 9. Jahrhundert gewesen zu sein". Für den westlichen Bereich des Golan vom oberen Ende des Sees Gennesaret bis zum Hule-See ist aber die geschlossen jüdische Besiedlung für die gesamte Periode gesichert. Ebenso fast geschlossen jüdisch war während der ganzen Zeit das direkt anschließende Gebiet westlich des Jordan in der östlichen Hälfte des dörflichen Obergaliläa. Synagogen aus byzantinischer Zeit sind hier breit gestreut und bestimmen das Bild der religiösen Landschaft. Dieser jüdische Siedlungsbereich ist nach Westen zu durch eine geschwungene Nord-Süd-Linie von

66

Christianity in Context. Monuments and Documents. FS E. Testa, ed. by F. Manns/E. Alliata (SBF.CMa 38), Jerusalem 1 9 9 3 , 69-84; dies., Pa'iens, juifs, judeo-chretiens, chretiens, et musulmans en Gaulanitide. Les inscriptions de Na'aran, Kafr Naffakh, Farj et Er-Ramthaniyye, P O C 46, 1996, 3 0 5 - 3 4 0 ; Z.U. Ma'oz, Y-a-t-il des juifs sans synagogue? Le cas du Golan dans l'antiquite, R E J 1 6 3 , 2004, 4 8 3 - 4 9 3 . Z . Ma'oz/H. Ben-David, Deir 'Aziz 2000-2.001, ESI 1 1 5 , 2003, 1 0 * 1 2 * ; dies., N e w Finds in the Golan. A Synagogue at Beit Aziz, Qad. 3 9 , 2006, 2 5 - 3 1 (hebräisch).

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der heutigen libanesischen Grenze bis nach Untergaliläa nachzuziehen, von Bar'am im Norden über Peqi'in und Rama nach Horvat Ammudim. Christliche Niederlassungen bestimmen dagegen den westlichen Teil Obergaliläas, in den sie sich von der Mittelmeerküste aus langsam, v.a. im 6. Jahrhundert, ausbreiteten, aber bis zum Ende der byzantinischen Periode kaum in den jüdischen Bereich vordrangen67. Neben vielen kleinen Kapellen gibt es auch manche sehr große Bauten, so die Kirche von Khirbet el Waziya an der Straße von Akko nach Safed, die ohne Narthex oder Atrium (die noch nicht gefunden wurden) 42 zu 37 m misst und damit die größte bisher bekannte Kirche in Galiläa ist; ursprünglich war sie komplett mit Mosaikfußböden ausgelegt. Nach Vermutung des Ausgräbers wurde sie beim Persereinfall 6 1 4 niedergebrannt und nicht wieder aufgebaut. Auch eine zweite, kleinere Kirche gab es im Ort, dessen antiken Namen wir nicht kennen68. In Gusch Halav, dem alten Gischala, scheinen jedoch Beigaben in 1 9 3 7 entdeckten Gräbern am Rand der Ortschaft auf Christen zu verweisen. Eric Meyers schreibt: „Several bronze amulets bear Greek inscriptions and Christian themes, perhaps attesting to the religious identity of at least some of those interred

67

M . Aviam, Jews, Pagans and Christians in the Galilee (Land of Galilee 1), Rochester 2004, 1 8 1 - 2 0 4 : Churches and Monasteries from the Byzantine Period in Western Galilee; 2 0 5 - 2 4 0 : Horvath Hesheq. A Unique Church in Upper Galilee (zuerst in: Christian Archaeology in the Holy Land. N e w Discoveries. FS V . Corbo, ed. by G . C . Bottini/L. Di Segni/E. Alliata [SBF.CMa 36], Jerusalem 1 9 9 0 , 3 5 1 - 3 7 8 ) ; ders., Christian Galilee in the Byzantine Period, in: Galilee through the Centuries (wie Anm. 4 5 ) , 2 8 1 - 3 0 0 ; ders., Recent Excavations and Surveys of Churches and Monasteries in Western Galilee, in: One Land - Many Cultures. FS S. Loffreda, ed. by G . C . Bottini/L. Di Segni/L.D. Chrupcala (SBF.CMa 4 1 ) , Jerusalem 2 0 0 3 , 4 1 - 5 9 ; D. Bar, The Christianisation of Rural Palestine during Late Antiquity, J E H 54, 2 0 0 3 , 4 0 1 421.

68

M . Aviam, Jews, Pagans and Christians (wie Anm. 67) 1 8 6 - 1 8 8 ; ders., Recent Excavations (wie Anm. 67) 4 0 - 4 7 .

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in this tomb." 6 ' Zuversichtlicher formuliert er später: „By the fourth century C.E. there was a Christian community in Gush Halav in the upper city where a Christian tomb was excavated ... It is not impossible that some of the coins in the Gush Halav hoard were actually tokens intended to be used by pilgrims in the Holy Land. Among the artifacts found in the tomb were amulets that might be considered 'J ew i s li-Christian'." 7 ° Jodi Magness rechnet damit, dass auch der etwa zehn Kilometer südlich von Gusch Halav gelegene Ort Khirbet Shema', in rabbinischer Zeit wohl Teqoa, wo man ebenfalls eine Synagoge ausgegraben hat, später auch von Christen bewohnt wurde: „Other evidence suggests that by the second half of the fifth century, Khirbet Shema"s population included Christians. It is not clear whether a Jewish population continued to inhabit the site at this time, and the synagogue was apparently already abandoned when it was destroyed by an earthquake"; terminus ante quem dafür sei das 8.-9. Jahrhundert7'. Besonders in Gusch Halav, wo die Indizien für christliche Bewohner auf Grabbeigaben beruhen, die vor dem Zweiten Weltkrieg gefunden und seither meines Wissens nicht neu analysiert wurden, möchte man Genaueres wissen, ehe man mit der Möglichkeit nicht nur einzelner Christen, sondern gleich einer christlichen Gemeinde rechnet (besonders bei Amuletten waren die religiösen Grenzen immer schon ziemlich beweglich). Doch 69

E.M. Meyers/C. Meyers/J.F. Strange, Excavations at the Ancient Synagogue of Gush Halav (Meiron Excavation Project 5), Winona Lake 1 9 9 0 , 1 5 .

70

E . M . Meyers, The Dating of the Gush Halav Synagogue. A Response to Jodi Magness, in: Judaism in Late Antiquity III/4 (wie Anm. 39), 4 9 - 7 0 , 50 Anm. 4. 52. Anm. 1 2 verweist er auf zwei Münzen aus dem beim Eingang der Synagoge gefundenen Münzhort, die ägyptische Nachahmungen von Münzen seien, die von christlichen Pilgern gebracht wurden und im 5. bis 6. Jh. in Umlauf waren, und rechnet daher mit der Möglichkeit, dass Christen oder Judenchristen Gush Halav oder gar die Synagoge besuchten.

71

J. Magness, Α Response to Eric M . Meyers and James F. Strange, in: Judaism in Late Antiquity III/4 (wie Anm. 39), 7 9 - 9 1 , Zitat 85.

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auch die Datierung neuerer Grabungen in der Region ist inzwischen wieder stark umstritten. Sollten die Hinweise stimmen, müsste man aber mit einzelnen christlichen Bewohnern auch etwas innerhalb der zuvor genannten Trennlinie rechnen; christliche Kirchen oder Kapellen kennt man in dieser Zone aber nach wie vor nicht.

3. Untergaliläa: Die Stadtgebiete von Sepphoris und Skythopolis Anders als in den bisher besprochenen Regionen, in denen es geographisch relativ klare Trennlinien zwischen christlichen und jüdischen Siedlungsbereichen gab und die gewöhnliche Bevölkerung nicht viel Kontakt mit Angehörigen der je anderen Religion hatte (auch Kafarnaum oder Heptapegon am See Gennesaret waren isolierte Pilgerstätten mit höchstens kleinen christlichen Gemeinden in einem sonst exklusiv jüdischen Gebiet), lebten in den dicht besiedelten Gebieten Untergaliläas Christen und Juden dicht nebeneinander und konnten einander so gar nicht ausweichen, was allerdings nicht unbedingt stärkere berufliche, geschweige denn private Kontakte zur Folge haben musste. Dennoch sind diese Gebiete für unsere Fragestellung von höchstem Interesse. Sepphoris, im 3. Jahrhundert einige Zeit Sitz des jüdischen Patriarchen, war nach verbreiteter, durch antike jüdische wie christliche Quellen gestützter Auffassung ein jüdisches Zentrum, das erst spät auch eine christliche Bevölkerung bekam; ein christlicher Bischof (Marcellinus) ist erst auf der Jerusalemer Synode von 5 1 8 belegt. Dass es auch einen wohl starken paganen Anteil an der Bevölkerung gegeben haben muss, legen die in neueren Ausgrabungen entdeckten Mosaike mit Szenen aus der paganen Mythologie nahe, so etwa ein umfangreicher Zyklus aus dem Leben des Dionysos (3. Jh.), der das Triklinium einer großen Villa beim Theater zierte (im Erdbeben von 363 zerstört), im



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Zentrum der Unterstadt eine Villa mit einem Orpheusmosaik (3. Jh.) oder nicht weit davon das große „Haus des Nilfestes" mit seinen Nil- und Jagdszenen, an denen auch Amazonen beteiligt sind, wohl ein öffentliches Gebäude (5.-6. Jh.). Natürlich können solche Motive, besonders in den späteren Mosaiken religiös neutrales Bildrepertoire sein, das auch christlich oder jüdisch verstanden oder einfach als traditioneller Dekor gesehen werden konnte. Doch darf diese Möglichkeit nicht vorschnell ergriffen werden, nur um am rein oder zumindest dominant jüdischen Charakter der Stadt festhalten zu können; hier ist Vorsicht nötig 71 . Schon von früheren Grabungen bei der mittelalterlichen Annakirche war eine Synagoge in Sepphoris inschriftlich belegt. Eine nur teilweise erhaltene aramäische Mosaikinschrift nennt R. Judan bar Tanchum, der einen [Denar?] gestiftet hat. Eine griechische Inschrift auf einem Türsturz wohl derselben Synagoge besagt, dass sie „unter dem Rechtsanwalt (σχολαστικός) Gelasios, dem illustren Comes, Sohn des Comes Aetios, und Juda, Synagogenvorsteher von Sidon, durch die Bemühung (?) von Severianus Afer, dem illustren Synagogenvorsteher von Tyrus (errichtet)" wurde 73 . Diese Inschrift zeigt nicht nur, welche starken Verbindungen diese Synagoge in die syrische Diaspora hatte; die griechischlateinischen Namen unterstreichen die kulturelle Integration, die Funktion eines Rechtsanwalts und noch mehr der staatliche Titel 72.

Siehe R. Talgam/Z. Weiss, The Mosaics of the House of Dionysos at Sepphoris (Qedem 44), Jerusalem 2.004, v - a · auch 1 1 7 - 1 3 1 die konträren Deutungen des Mosaiks als Teil einer jüdischen Villa (Weiss) bzw. als Hinweis auf einen Anhänger der dionysischen Religion (Talgam); Z . Weiss, "The House of Orpheus" - Another Villa from the Late Roman Period in Sepphoris (hebräisch), Qad. 36, 2 0 0 3 , 9 4 - 1 0 1 ; ders./E. Netzer, Architectural Development of Sepphoris During the Roman and Byzantine Periods, in: Archaeology and the Galilee (wie Anm. 5 1 ) , 1 1 7 - 1 3 0 .

73

L. Roth-Gerson, The Greek Inscriptions from the Synagogues in EretzIsrael (hebräisch), Jerusalem 1 9 8 7 , 1 0 5 - 1 1 0 ; B. Lifshitz, Donateurs et fondateurs dans les synagogues juives ( C R B 7), Paris 1 9 6 7 , 59 f.

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41

eines „illustren Comes" die höchste öffentliche Anerkennung, die die Repräsentanten dieser Synagoge genossen. Diese Titel konnte nach der Novelle 3,2 des Theodosius von 438 kein Jude mehr erlangen; bis dahin erhaltene Titel blieben wohl aufrecht, womit die Inschrift zwischen Mitte 4. und Mitte 5. Jahrhundert anzusetzen ist. Leider ist von dieser Synagoge nichts erhalten. Doch wurde 1993 die erste Synagoge der Stadt entdeckt, bis 1998 ausgegraben und inzwischen auch schon vorbildlich publiziert74. Sie lag im Norden der Stadt an einer Ausfallsstraße; das schmale Hanggrundstück, auf dem sie errichtet wurde (Außenmaße 20,8 χ 7,7 m), bedingte einen ungewöhnlichen Grundriss. Die Synagoge konnte nur von der Seite über einen kleinen Vorhof betreten werden; ein langes, schmales Hauptschiff wurde von einem einzigen sehr schmalen Seitenschiff im Norden getrennt. Das langgestreckte Mosaik des Hauptschiffs (13,5 χ 3,6 m) überrascht durch sein einmalig komplettes Bildprogramm. Vom Eingang her sieht man zuerst ein fast völlig zerstörtes Bildfeld, das durch Parallelen in Ravenna mit der Verkündigung der Geburt Isaaks (Gen 18) identifiziert werden konnte; es folgt, in zwei Felder geteilt, die Opferung Isaaks (Gen 22). Das große zentrale Feld zeigt den Sonnenwagen, umgeben vom Tierkreis, den eine griechische Stifterinschrift säumt, und den Jahreszeiten. Es folgen zwei Streifen mit einem bisher in der Synagogenkunst nicht belegten Motiv, den Opfern im Tempel (Num 28), dem Schaubrottisch und einem Korb mit den Erstlingsfrüchten; im Feld direkt vor dem Toraschrein flankieren zwei Löwen eine großteils zerstörte Inschrift. Wie die insgesamt etwa dreißig Stifterinschriften der kleinen Synagoge zeigen, die nur etwa sechzig Personen fasste (maximal 1 3 5 , wenn auch Mosaik und Seitenschiff besetzt waren), waren praktisch alle Mitglieder an der Finanzierung

74

Z . Weiss, The Sepphoris Synagogue. Deciphering an Ancient Message through Its Archaeological and Socio-Historical Contexts, Jerusalem 2005.

42

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beteiligt. Der Bau, im frühen 5. Jahrhundert errichtet, blieb bis in das 7. Jahrhundert in Verwendung und wurde vielleicht in einem Erdbeben zerstört (631-32?). Der Bau, bedeutend v.a. durch sein Bildprogramm (dazu noch später), war, wie die zuvor genannten Inschriften zeigen, sicher nicht die einzige Synagoge von Sepphoris. Ihre Lage in einem äußeren Viertel der Stadt und auf einem durchaus nicht guten Grundstück darf daher nicht als Beleg für die Marginalisierung der jüdischen Gemeinschaft von Sepphoris mit dem Vordringen des Christentums gewertet werden. Auch der wirtschaftliche Niedergang dieser speziellen Gemeinde, die Z . Weiss aus der baulichen Vernachlässigung der Synagoge in ihrer Spätphase erschließt, lässt keine weitreichenden Schlüsse zu. Auffällig ist aber doch, dass im umfassend ausgegrabenen Zentrum der Stadt keine Spur von Synagogen gefunden wurde, auch wenn eine in das Pflaster am Cardo eingeritzte Menora (6. Jh.) als jüdisches Symbol an zentraler Stelle in die Augen springt. Das Bleigewicht eines jüdischen Marktaufsehers (Agoranomos) ist m.W. noch nicht datiert, doch wohl eher aus früherer Zeit. Ein Wohnviertel in der Oberstadt wird wegen der zahlreichen dort gefundenen rituellen Bäder (Miqvaot) gerne Juden zugeschrieben, doch ist die Deutung dieser Becken umstritten75. Was Kirchen betrifft, so hat Leroy Waterman in seinen Ausgrabungen 1 9 3 1 einen Bau als christliche Basilika identifiziert; neue Grabungen haben den Bau als römische Villa erwiesen, das vermeintliche Baptisterium war ein (rituelles?) Bad76. Dagegen ist über der Villa mit dem Orpheusmosaik, die um 400 zerstört wurde und deren Gelände dann einige Zeit industriell genutzt 75

Als gewöhnliche Baderäume versteht sie H. Eshel, A Note on " M i q v a o t " at Sepphoris, in: Archaeology and the Galilee (wie Anm. 5 1 ) , 1 3 1 - 1 3 3 . Dagegen R. Reich, They are Ritual Baths. Immerse Yourself in the Ongoing Sepphoris Mikveh Debate, B A R 2 8 , 2 , 2 0 0 2 , 5 0 - 5 5 .

76

Dazu J.F. Strange/T.R.W. Longstaff/D.E. Groh, Excavations at Sepphoris, vol. 1. Üniversity of South Florida Probes in the Citadel and Villa (Brill Reference Library of Judaism 22), Leiden 2006, 7 1 - 7 7 .

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43

wurde, um 500 eine Kirche gebaut worden (18 m breit, Länge noch unbekannt); eine zweite Kirche entstand wohl um dieselbe Zeit auf der anderen Seite des Cardo. Zeev Weiss möchte beide in die Zeit des Bischofs Eutropius datieren, der auf drei Mosaikinschriften auf den Gehsteigen an der Kreuzung von Cardo und Decumanus genannt ist: „Unter unserem heiligsten Vater Eutropius, dem Bischof, wurde das ganze Werk des Mosaiks unter der Aufsicht des höchst gelehrten Marianus, Oberarzt und Vater der Stadt, zur Zeit der 14. Indiktion errichtet." 77 Dass der Bischof zu dieser Zeit auch als für öffentliche Bauten verantwortlich erwähnt wird, zeigt deutlich seine Stellung in der Rangordnung der Stadt. Einen Kirchenbau aus ungefähr derselben Zeit hat Michael Avi-Yonah aus einer 1959 entdeckten Inschrift erschlossen, die verschiedene Bauarbeiten, u.a. eine Basilika, der „Obsorge des höchst ehrwürdigen Patr. Markellinos zur Zeit der 1 1 . Indiktion" zuschreibt. Er identifizierte den Genannten mit dem auf der Synode von Jerusalem 5 1 8 vertretenen Bischof Marcellinus und wählte daher unter verschiedenen möglichen Daten für die 1 1 . Indiktion das Jahr 5 1 7 / 1 8 . Die Abkürzung ττατρ verstand er als „Patriarch": „The patriarchal title bestowed upon him in his own diocese is a provincial flattery not unusual in Byzantine epigraphy." 78 Dagegen hat Leah Di Segni klar gemacht, dass „Basilika" hier keine Kirche, sondern ein öffentliches Gebäude ist, wozu auch die anderen Details der Arbeiten passen, und π α τ ρ als Abkürzung von πατρ(ός) zu verstehen ist, d.h. den πατήρ πόλεως meint, der „administered the city's revenues and was responsible for the upkeep of public streets and buildings" 7 '. Damit fällt die 77

Abbildung in Weiss/Netzer (wie Anm. 72.), 1 7 3 . Z u r Datierung der Kirchen Ζ . Weiss, "The House of Orpheus" (wie Anm. 7 2 ) , 1 0 1 .

78

M . Avi-Yonah, A Sixth-Century Inscription from Sepphoris, IEJ

11,

1961, 184-187, 187. 79

L. Di Segni, The Involvement of Local, Municipal and

Provincial

Authorities in Urban Building in Late Antique Palestine and Arabia, in: The Roman and Byzantine Near East (wie Anm. 38), 3 1 2 - 3 3 2 , 3 2 5 .

44

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Inschrift für unsere Fragestellung leider aus. Doch ist das Nebeneinander von Kirche und Synagoge in Sepphoris auch aus diesen relativ wenigen bisherigen Funden deutlich genug geworden. Dazu belegen Funde von Kirchen- und Synagogenbauten im ländlichen Umfeld von Sepphoris ebenfalls die enge Nachbarschaft beider Religionen (Synagogen wie auch Kirchen etwa in Nazaret, Kafr Kana und dem galiläischen Betlehem). Bedeutend dichter als für Sepphoris sind die archäologischen Belege christlich-jüdischen Zusammenlebens im zweiten großen Zentrum Galiläas, Skythopolis/Bet Schean, seit etwa 390 Hauptstadt der Provinz Palaestina Secunda. Die Rabbinen betrachteten Bet Schean als heidnische Stadt; erst im 3. Jahrhundert wird dort eine Synagoge erwähnt (yMeg 111,4,74a). Der pagane Charakter der Stadt hat sich lange erhalten und ist auch in den Ausgrabungen überdeutlich; ein Tempel wurde erst im Erdbeben von 749 zerstört - welche Funktion der Bau in byzantinischer Zeit hatte, wissen wir nicht80. Eine Synagoge wurde in Bet Schean etwas nördlich der späteren byzantinischen Stadtmauer um etwa 400 errichtet. Dem Hauptraum mit Basilikagrundriss ( 1 7 χ 14 m) wurde später ein 3 m breiter Narthex vorgebaut, der erste Mosaikboden durch einen neuen ersetzt, auf dem ein Toraschrein, umgeben von den üblichen Kultgegenständen, dargestellt ist, und auch die erhöhte Apsis mit einem Mosaik verziert; im späten 6. Jahrhundert wurden um die Synagoge eine Reihe von Nebenräumen errichtet. Eine griechische Mosaikinschrift in einem Nebenraum lautet: „Werk des Marianos und seines Sohnes Chanina". Die beiden Künstler haben sich auch in der nahen Synagoge von Bet Alfa (dazu später) verewigt, die durch eine Inschrift in die Zeit des Kaisers Justin (I. 5 1 8 - 5 2 7 oder II. 565-578) datiert ist, was auch für den Umbau unserer Synagoge den zeitlichen Rahmen gibt,

80

N . Belayche, Iudaea-Palaestina. The Pagan Cults in Roman Palestine (Second to Fourth Century) (Religion der Römischen Provinzen 1), Tübingen 2 0 0 1 , 2 5 7 - 1 6 7 .

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deren Datierung im Mosaik innerhalb des Haupteingangs leider zerstört ist. Die Zerstörung der Synagoge datiert man zwischen 624 und 64ο 81 . Die Basaltmauern der Synagoge sind fast einen Meter dick, stärker als die der umliegenden Klöster oder auch der nahen Synagoge von Bet Alfa (6. Jh.). Man hat darin einen Beweis gesehen, dass die Synagoge auch Verteidigungszwecken diente, die jüdische Gemeinde also gefährdet war. Eher ist die Mauerstärke aber wohl mit baulichen Gründen zu erklären; mit dem zunehmenden Mangel an gutem Bauholz für die Deckenkonstruktion wurden immer mehr Decken aus schweren Steinbalken gebaut; auch bei anderen christlichen wie jüdischen Bauten der Periode variieren Mauerstärken ziemlich. Erhöhte Unsicherheit jüdischer Bauten im byzantinischen Bet Schean sollte man daher daraus nicht ableiten, schon gar nicht eine Bedrohung durch Christen. Die Ausrichtung der Apsis Richtung Westnordwest und nicht Richtung Jerusalem hat Verwunderung erregt, doch ist auch die seither entdeckte Synagoge von Sepphoris nach Nordwesten ausgerichtet und insgesamt die Orientierung von palästinischen Synagogen nicht einheitlich81. Verbunden mit einer Inschrift in althebräischer Schrift, die sich in einem Nebenraum befindet, und gewissen Eigenarten des Mosaiks hat dies bei manchen dazu geführt, die Synagoge als samaritanisch zu bezeichnen. Klaus Beyer las und übersetzte die Inschrift so: „Die Händler Baqta, Afray, Sahay, 'Anan (haben dies gestiftet)"; Joseph Naveh dagegen fand, die Inschrift sei gar nicht aramäisch, sondern griechisch in einer samaritanischen oder dem Samaritanischen ähnlichen Schrift und bedeute: Κύριε βοήθει Άφρι και Άναν - „Herr, hilf Afri und Anan". Ob die Synagoge samaritanisch war oder nicht, lässt er 81

N . Zori, A n Ancient Synagogue at Beth-Shean (hebräisch), Erls 8, 1 9 6 7 , 1 4 9 - 1 6 7 ; M . J . Chiat, Synagogue and Church Architecture in Byzantine Beit She'an, J J A 8, 1 9 8 0 , 6-24.

82

Siehe J. Wilkinson, Orientation, Jewish and Christian, PEQ 1 1 6 , 1 9 8 4 , 1 6 30; L I . Levine, The Ancient Synagogue. The First Thousand Years, N e w Haven 2 . 0 0 0 , 1 7 9 - 1 8 4 und v.a. 302-306.

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offen 83 . Samaritaner waren in Bet Schean zahlreich; von hier ging auch der samaritanische Aufstand von 529 aus, auf den die Ausgräber manche Schäden und Zerstörungen in der Stadt um diese Zeit zurückführen. Haben Samaritaner eine jüdische Synagoge zu einer gewissen Zeit mitbenützt, selbst diese Synagoge errichtet oder ist sie gar nicht samaritanisch84? Wenn ja, müsste man an die Zeit vor dem Aufstand denken; doch noch sind zu viele Fragen offen, man muss sich daher mit Schlussfolgerungen zurückhalten. Ein zweiter hier zu besprechender Baukomplex ist das nach einer Inschrift so genannte „Haus des Leontis", ein weitläufiges, um einen Hof errichtetes Gebäude aus dem 5. Jahrhundert, das im 6. Jahrhundert umgebaut wurde; ursprünglich war es wohl eine private Villa, die aber später (zum Teil?) für religiöse Zwecke umgewidmet wurde. Der Hauptraum ist mit einem Mosaik (6. Jh.) geschmückt, das zwei Szenen aus der Odyssee darstellt: Im oberen Feld sieht man Odysseus mit einer Sirene sowie im Kampf mit einem Meeresungeheuer; in das Bild ist die Inschrift eingefügt: „Herr, hilf Leontis dem Korbmacher (Klubas)". Im Mittelfeld umgeben Vögel einen Kranz, in dem die Inschrift steht: „Zum Guten und Segen sei gedacht des Herrn Leontis, des Korbmachers, der für sein Heil und das seines Bruders Jonatan dieses Mosaik aus eigenen Mitteln hat machen lassen". Am Rand der Inschrift sind noch die Reste eines kleinen fünfarmigen Leuchters zu erkennen. Darunter sieht man eine Nillandschaft, beherrscht von einer Personifizierung des Nil und einem Nilometer, w o man u.a. ein Krokodil sieht, das ein Rind anfällt. Die Darstellungen 83

K. Beyer in: G. Reeg, Die antiken Synagogen in Israel, Bd. 2. Die samaritanischen Synagogen ( B T A V O . B 1 2 ) , Tübingen 1 9 7 7 , 5 7 3 ; J. Naveh, On Stone and Mosaic. The Aramaic and Hebrew Inscriptions from Ancient Synagogues (hebräisch), Jerusalem 1 9 7 8 , 76.

84

Die seither ausgegrabenen samaritanischen Synagogen unterscheiden sich stark von der Synagoge in Bet Schean. Siehe Y . Magen, Samaritan Synagogues, in: Early Christianity in Context (wie Anm. 35), 1 9 3 - 2 3 0 ; L.I. Levine, The Ancient Synagogue (wie Anm. 82), 1 9 9 Anm. 1 9 .

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lassen an einen privaten Raum denken, die Inschriften dagegen an eine religiöse Widmung - wer würde sonst erwähnen, dass er die Mosaiken selbst bezahlt habe? Es liegt daher nahe, dass der Raum in eine Synagoge umgewandelt wurde. Wenn die Mosaiken, die bestens in die pagane Tradition von Bet Schean passen, von Anfang an für einen religiösen Raum gelegt wurden, müssten sie wohl religiös umgedeutet worden sein, wie das für die Szene des Odysseus mit den Sirenen aus der patristischen Tradition bekannt ist, wo sie den Widerstand gegen die Verlockungen der Sünde bedeutet. Eine Nillandschaft findet man auch auf dem Boden der Kirche von Tabgha, vielleicht als Abbild der paradiesischen Zustände in der Zeit der Erlösung; den Kampf des Krokodils mit dem Rind in unserem Bild hat Lucille Roussin als Symbol der endzeitlichen Auseinandersetzung zwischen Leviatan und Behemot gedeutet85. Eindeutig als Synagoge diente ein weiterer Raum des Hauses, der 1970-72 ausgegraben wurde ( 7 x 7 m). Der in das 6. Jahrhundert datierte Mosaikboden ist durch Weinranken in neun Felder geteilt; im mittleren sieht man eine Menora, in den anderen Tiere. Eine griechische Inschrift im Mosaik empfiehlt Gott die anonymen Spender, eine aramäische Inschrift den anonymen Künstler des Mosaiks, eine weitere die Mitglieder der heiligen

85

N . Zori, The House of Kyrios Leontis at Beth Shean, IEJ 1 6 , 1 9 6 6 , 1 2 3 1 3 4 ; L. Roussin, The Beit Leontis Mosaic. An Eschatological Interpretation, J J A 8, 1 9 8 1 , 6 - 1 9 . Anders wieder P. Baumann, Mythological Heroes in the Service of Private Representation. A Case Study on Some Late Antique Mosaics in the Holy Land, in: What Athens has to do with Jerusalem. FS G. Foerster, ed. by L . V . Rutgers (Interdisciplinary Studies in Ancient Culture and Religions 1), Leuven 2.002, 6 9 - 8 5 , bes. 8 2 - 8 5 . Er sieht in der Szene mit den Sirenen keinen religiösen Kontext, sondern einfach den Wunsch des Besitzers „to let his guests know that he himself was [a] real lover of music" (85). Für die christliche Deutung siehe Th. Klauser, Studien zur Entstehungsgeschichte der christlichen Kunst VI, J A C 6, 1 9 6 3 , 7 1 - 1 0 0 .

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Gemeinde, die sich um die Renovierung der Synagoge verdient gemacht haben86. Eine völlig andere Deutung des Raums mit dem Odysseusmosaik hat Zeev Safrai vorgeschlagen. Er versteht den in den Inschriften zweimal erwähnten Klubas nicht als Beinamen bzw. Berufsbezeichnung des Leontis, sondern setzt ihn mit Kleobios bzw. Kleobulos gleich, den Epiphanius (Panarion 51,6,7 [GCS Epiphanius 2, 2 5 5 , 1 6 - 1 9 Holl/Dummer]) neben anderen Vertretern von Judenchristen nennt, die Jesus als bloßen Menschen ansahen; in Const. Apost. 6,8,1 (SC 329, 3 1 4 - 3 1 6 Metzger) ist Kleobios deren Sendbote; seine Gruppe habe sich mit Simon verbunden und auch einen gewissen Dositheos gelehrt, was an Querverbindungen zu den Samaritanern denken ließe. Leontis identifiziere sich mit seinem Beinamen als Anhänger dieser judenchristlichen Sekte; der kleine Betraum sei somit ein wichtiger archäologischer Beleg für Judenchristen in Skythopolis. Diese Zuordnung erkläre auch, dass der Raum geostet und nicht nach Jerusalem ausgerichtet sei (falls man aber quer zum Mosaik gebetet habe, also doch Richtung Jerusalem, passe dies zu Zeugnissen über die Ebioniten), ebenso die Fülle paganer Motive, die jüdisch so bisher nirgends nachgewiesen seien. Nicht zufällig seien genau 26 Tauben um die Inschrift herum gruppiert (nicht alle erhalten, doch aus der Symmetrie der Darstellung gesichert); die Zahl verweise auf die 26 Generationen, nach denen Israel die Tora empfängt (BerR 2 1 , 9 und öfter); die Taube selbst sei Symbol für Jesu Prophetie und die Einzigartigkeit Israels; die Dominanz der Wasserszenen im Mosaik mit der Verehrung des Wassers als göttlich zu erklären, wie Epiphanius von Ebioniten, Sampsäern und Elkesaiten bezeuge (Panarion anaceph. 30,1-3 [GCS Epiphanius 1 , 2 3 6 , 1 2 - 2 0 Holl]). So schließt er: „The house of prayer was dedicated in the fifth century and was destroyed in the sixth, most likely upon the decline and elimination of the

86

D. Bahat, The Synagogue at Beth-Shean, in: Ancient Revealed, ed. by L.I. Levine, Jerusalem 1 9 8 1 , 8 2 - 8 5 .

Synagogues

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Ebionite sect, and especially upon the eclipse of the group that was active in Scythopolis." 87 So interessant dieser Erklärungsversuch ist, so problematisch ist er auch. Sollte es wirklich im Namen einer Randfigur aus dem häresiologischen Onomastikon eine judenchristliche Gruppe gegeben haben, die Jahrhunderte überlebte? Warum bekommt dann Leontis den Beinamen und nicht auch sein Bruder? Die Deutung einzelner Bildelemente ist höchst ungesichert88, die Frage der Gebetsrichtung, wie Safrai selbst zugibt, nicht eindeutig zu bewerten. Auch wird das Mosaik in das 6. und nicht schon in das 5. Jahrhundert datiert, und sogar für das frühere Datum wäre dies der erste Beleg dafür, dass es in dieser Region noch judenchristliche Gruppen gab. Somit sollte man doch bei der üblichen Deutung bleiben: Das Haus des Leontis ist ein jüdischer, wenn auch von der Dekoration her ungewöhnlicher Gebetsraum. Ob er einer anderen Gruppe als der traditionellere, eindeutig als Synagoge identifizierte Raum im selben Gebäudekomplex diente oder der zweite Raum den früheren ablöste, ist ebenso wenig zu sichern wie die Vermutung, in einer späteren Phase sei der Innenhof überdeckt und als Synagoge verwendet worden. Ein Endbericht der Ausgrabungen, der vielleicht manche Fragen klären könnte, liegt leider nicht vor. Eine christliche Gemeinde gab es in Bet Schean schon vor Konstantin. Unter den bei Eusebius genannten Märtyrern Palästinas findet sich Prokopius, der in Skythopolis als Lektor, Übersetzer und Exorzist diente (Mart. Pal., lat. Version 1,1-2). Wie 87

The House of Leontis 'Kaloubas' - a Judaeo-Christian?, in: The Image of the Judaeo-Christians in Ancient Jewish and Christian Literature, ed. by P.J. Tomson/D. Lambers-Petry ( W U N T 1 5 8 ) , Tübingen 2 0 0 3 , 2 4 5 2 6 6 , Zitat 2 5 9 .

88

Vögel sind in der antiken Synagogenkunst allgegenwärtig, aus Musterbüchern als Raumfüller übernommen und so vielfältig eingesetzt, dass sie kaum symbolische Bedeutung haben, auch wenn sie neben jüdischen Symbolen wie Menorot oder Toraschreinen abgebildet sind: R. Hachlili, Ancient Jewish Art and Archaeology in the Land of Israel ( H O 7. Abteilung, Band 1B4), Leiden 1 9 8 8 , 3 3 5 - 3 3 7 .

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Kyrill von Skythopolis schreibt, gab es in Bet Schean eine ihm gewidmete Kirche (Vita Sabae 75, Schwartz 179 f.). Schon in Nizäa war die Stadt durch einen Bischof vertreten, seit der Provinzteilung um 400 war sie Sitz des Metropoliten. Eine kleine Rundkirche auf dem Haupttell von Bet Schean, deren Mosaiken man in das 5. Jahrhundert datiert, könnte die Kirche sein, in der der Märtyrer Basilius verehrt wurde, für Theodosius im frühen 6. Jahrhundert der einzig erwähnenswerte Punkt der Stadt: De Sebastea usque in Scitopolim milia XXX; ibi domnus Basilius martyrizatus est9. Eine Wallfahrt zu dieser Kirche könnten auch Eulogia-Medaillen aus Terrakotta und diverse Ampullen belegen, die in einem wohl auf Pilger spezialisierten Geschäft am Abhang des Teils gefunden wurden, das zusammen mit anderen Gebäuden der Umgebung um 540 zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde'0. Auf dem Teil Istaba im Norden der Stadt entlang der Stadtmauer, wo sich auch die Synagoge befand, wurde eine große dreischiffige Basilika ausgegraben (2.3 χ 2θ m, dazu eine zentrale Apsis und zwei Seitenapsiden im Transept; ein breiter Narthex und weitere Räume sind dem Eingang vorgelagert; das nördliche Seitenschiff verlängert eine weitere Kapelle, deren Osthälfte als Refektorium abgetrennt war), offenbar Teil einer Klosteranlage. Die mit höchst qualitätsvollen Mosaiken geschmückte Kirche war, wie eine griechische Mosaikinschrift innerhalb des Haupteingangs besagt, einem Märtyrer gewidmet, dessen Name leider nicht erhalten ist. Vielleicht war es die laut Kyrill nahe der Bischofsresidenz gelegene Kirche des Prokopius. Nur fünfzig Meter entfernt, doch auf der anderen Seite der Stadtmauer, wurde eine kleinere dreischiffige Kirche mit einem Baptisterium

89 90

Theodosius, De situ terrae sanctae 2., Itinera (wie Anm. 4 1 ) , 1 3 8 . Dazu siehe S. Agady/M.

Araziy B. Arubas/S.

Hadad/E.

Khamis/Y.

Tsafrir, Byzantine Shops in the Street of the Monuments at Bet Shean (Scythopolis), in: What Athens (wie Anm. 85), 4 2 3 - 5 0 6 , v.a.

445·477-483·

441-

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ausgegraben, in der eine der Mosaikinschriften den Metropolitanbischof Andreas nennt". Etwa 400 Meter weiter östlich, gerade innerhalb der Stadtmauer, wurde schon früher ein großes Kloster ausgegraben, das laut Inschrift 567 erbaut wurde, und nach einer der Stifterinnen als Kloster der Kyra Maria bezeichnet wird. Den Hauptraum schmückt ein großer Mosaikboden, der in rhombenförmige Felder unterteilt ist, gefüllt mit Tieren und Früchten. In der Mitte des Mosaiks befindet sich ein großes rundes Feld mit der allegorischen Darstellung der zwölf Monate; im Zentrum sind personifiziert Sonne und Mond dargestellt. Ein Stück weiter östlich schließlich hat man eine Friedhofskapelle entdeckt, deren ursprüngliches Mosaik aus dem 4. Jahrhundert rein geometrisch ist; darüber wurde im 6. Jahrhundert ein neues Mosaik mit belebten Ranken gelegt; das Mosaik im Narthex stellt in zwei Reihen die personifizierten Monate dar, ist also eng mit dem ungefähr gleichzeitigen Mosaik im Kloster der Kyra Maria verbunden' 1 . Neben diesem relativ reichen Befund an religiösen Bauten für das byzantinische Skythopolis ist auch auf diverse Kleinfunde zu verweisen, die ein enges Nebeneinander von Juden und Christen im Alltagsleben nahe legen. Nicht nur Lampen und Gefäße mit christlichen Darstellungen wurden gefunden, sondern auch eine Bronzelampe mit Menora, ebenso eine Plakette, auf der neben einer Menora verschiedene Kultgegenstände dargestellt sind, sowie eine Menora auf einer kleinen Pilgerflasche' 3 . In einem Geschäft neben dem schon genannten Pilgerladen wurden auch mehrere Glasgewichte entdeckt, die spezifisch palästinisch, ge91

G. Mazor/R. Bar-Nathan, The Bet She'an Excavation Project -

1992-

1 9 9 4 Antiquities Authority Expedition, ESI 1 7 , 1 9 9 8 , 7 - 3 6 , v.a. 3 0 - 3 2 . 92

G . M . Fitzgerald, A Sixth Century Monastery at Beth-Shean, Philadelphia

93

Siehe R. Hachlili, The Menorah (wie Anm. 64), 3 5 3 als einen von 28 Belegen für Pilgergefäße mit Menora, die die Autorin aber nicht unter den christlichen Anwendungen (dazu 2 6 9 - 2 7 4 ) einordnet.

1939·

52-

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nauer gesagt, jüdisch oder samaritanisch sind, hier aber offenbar auch von Christen verwendet wurden94. Sowohl die Kirchen wie auch die Synagogen sind in Bet Schean in einem relativ schmalen Streifen entlang der nördlichen Stadtmauer gefunden worden - das Stadtzentrum war durch die lange Vorgeschichte rein als öffentlicher Bereich mit Theater, Thermen, Nympheum, Geschäftsstraßen usw. besetzt. Das enge Nebeneinander jüdischer und christlicher Gotteshäuser hätte leicht zu Spannungen führen können; beide Synagogen sind zu einer Zeit gebaut bzw. umgebaut worden, als dies offiziell schon längst verboten war. Bischof und Klerus sahen offenbar keinen Grund, dagegen einzuschreiten, was unter Berufung auf die Gesetze leicht möglich gewesen wäre. Die stilistische und inhaltliche Nähe zwischen den Kirchen- und Synagogenmosaiken legt nahe, dass für beide Gemeinschaften dieselben Werkstätten arbeiteten. Für die letzte Phase der beiden Synagogen, aber auch einzelner Kirchen fehlen uns noch hinreichende Informationen, um sie genau datieren oder ihr Ende begründen zu können. Auch in den Dörfern der näheren Umgebung von Bet Schean sind sowohl jüdische wie christliche Gemeinden archäologisch belegt; Synagogen fand man u.a. in Bet Alfa, Rehov, Maoz Hajjim, Kirchen u.a. in Sede Nahum, Teil Tumas, Teil Basul und Bet ha-Schitta, ein Kloster, dessen in zehn mal sieben kleine mit symbolischen Darstellungen gefüllte Felder gegliedertes Mosaik man früher judenchristlich gedeutet, zuletzt aber samaritanischen (vielleicht konvertierten) Künstlern zugeschrieben hat, die für Christen arbeiteten95. Von größtem Interesse in unserem Kontext ist Bet Alfa, siebeneinhalb Kilometer westlich von Bet Schean gelegen; die 192.9 entdeckte Synagoge erbrachte den ersten überraschenden Beweis für eine Bildkunst in Synagogen. Die

94

Siehe Agadi u.a., Byzantine Shops (wie Anm. 90), 4 9 1 - 4 9 8 .

95

E. Testa, I simboli dei Giudeo-cristiani (SBF.CMa 14), Jerusalem 1 9 6 2 ; V . Sussman, The Beth Hashitta Mosaic Floor. A N e w Perspective in the Light of Samaritan Lamps, S B F L A 54, 2004, 3 5 1 - 3 6 8 .

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Anlage besteht aus dem dreischiffigen Betsaal (Innenmaße 10,8 χ i i , 4 m ) πΰ* einer Apsis im Süden, einem Narthex und davor einem ummauerten Hof mit einem Wasserbehälter. Alle drei Bauteile waren mit Mosaikböden verschiedener Qualität ausgestattet. Der Bau dürfte im späten 5. Jahrhundert entstanden sein, Reste des ursprünglichen Mosaiks hat man 1962 gefunden. Bei einem späteren Umbau, bei dem auch ein Bema und Bänke entlang der Wände errichtet wurden, legte man einen neuen Boden: Das Mosaik des Mittelschiffs weist als zentrales Motiv den Tierkreis, gerahmt von den vier Jahreszeiten, auf; im Feld vor der Apsis sieht man den Toraschrein, umgeben von Kultsymbolen; das Eingangsfeld bietet die biblische Szene der Opferung Isaaks. Direkt beim Eingang ist, flankiert von einem Löwen und einem Rind, eine tabula ansata mit einer aramäischen und einer griechischen Inschrift. Die griechische Inschrift nennt als Meister des Mosaiks Marianos und seinen Sohn Aninas, dieselben Mosaikkünstler, die auch in der größeren Synagoge von Bet Schean gearbeitet haben. Vom Datum in der aramäischen Inschrift ist leider nur der Name des Kaisers Justin erhalten. Der Ausgräber Eleazar L. Sukenik schwankte zwischen Justin I. (518-527) und Justin II. (565-578), entschied sich dann aber für den ersten, weil ab Justinian sich die Lage der Juden so sehr verschlechtert habe, dass eine kleine Gemeinde sich kaum ein so kostspieliges Mosaik hätte leisten können. Die seither gemachten Funde von Synagogen aus der Zeit Justinians und später haben jedoch die Brüchigkeit dieses verbreiteten historischen Urteils gezeigt. Das Ende der Synagoge hat Sukenik aus der guten Erhaltung der Tierdarstellungen erschlossen; sie sei wohl durch ein Erdbeben zerstört worden, ehe die Opposition gegen Tierdarstellungen in Synagogen einsetzte (auch das ein eher problematisches Kriterium). Die jüdische Gemeinde von Bet Alfa habe wohl kaum länger als bis in die Anfänge des 7. Jahrhunderts überlebt96.

96

E.L. Sukenik, The Ancient Synagogue of Beth Alpha, Jerusalem Ndr. Hildesheim 1 9 7 5 , 5 7 f.

1932,

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Sukeniks Begründung der Datierung unter Justin I. ist problematisch. Rein stilistisch würde man das Mosaik später ansetzen, ebenso das so unterschiedliche Mosaik derselben Künstler in Bet Schean. Bei einer Datierung unter Justin II. wäre der Tierkreis von Bet Alfa genau zeitgleich mit dem Kalenderbild im Haus der Kyra Maria in Bet Schean und der Kalenderdarstellung in der dortigen Friedhofskirche. Wie wir am Beispiel von Hammat Tiberias und Sepphoris gesehen haben, ist die Verwendung des Tierkreises als Dekoration von Synagogen älter; dennoch ist auffällig, wenn hier fast gleichzeitig und in engster Nähe Kirche und Synagoge dasselbe Motiv auf je eigene Weise verwenden. Das enge Nebeneinander scheint den kulturellen Austausch zu fördern. Dass andererseits die ständige Berührung auch zu Versuchen deutlicherer Abgrenzung führen kann, könnte man vielleicht aus dem Beispiel der Synagoge von Rehov, sechs Kilometer südlich von Bet Schean, ersehen. Die für das Dorf relativ große Synagoge ( 1 7 χ 1 9 m) stammt aus dem 4. Jahrhundert, wurde aber nach einem Brand um etwa 400 erneuert und in der Folgezeit mehrfach umgebaut. Vielleicht im späten 6. Jahrhundert bekam die Synagoge einen Narthex, in dessen Mosaik man eine große halakhische Inschrift zur Anwendung der Gesetze bezüglich Sabbatjahr und Verzehntung festhielt, die engste Parallelen im palästinischen Talmud hat und die der älteste erhaltene Beleg eines rabbinischen Textes ist57. Stuckreste vom Inneren der Synagoge zeigen, dass Säulen und Wände mit halakhischen Bestimmungen und Benediktionen beschrieben waren; auf einer Säule fand sich fast genau ein Stück der Inschrift des Narthex wieder; der Großteil ist leider noch nicht publiziert*8. Die Synagoge wurde im 7. Jahrhundert während Reparaturarbeiten - nach Farben sortierte Haufen von

97

Y . Sussmann, A Halakhic Inscription from the Beth-Shean Valley

98

Siehe F. Vitto, Art. Rehob, The N e w E A E H L (wie Anm. 49), 1 2 7 2 - 7 4

(hebräisch), Tarbiz 4 3 , 1 9 7 3 ^ 8 8 - 1 5 8 . mit den Abbildungen auf 12.74.

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Mosaiksteinen lagen noch bereit - durch ein Erdbeben zerstört und aufgegeben. Die Anlehnung an das Rabbinat und, parallel dazu, der Verzicht auf jegliche griechische Inschrift ist wohl als direkte Besinnung auf die eigene Identität zu verstehen; warum es genau in diesem kleinen Dorf zu dieser „Rabbinisierung" kam und ob sich diese auch im Alltag der dortigen jüdischen Gemeinde ausdrückte, können wir natürlich nicht sagen. Jedenfalls zeigt es die verschiedenen Möglichkeiten, auf ein Leben unter Christen zu reagieren.

4. Die Hebron-Berge Orte, wo im Jordangraben, etwa in Jericho und Umgebung, Juden und Christen eng nebeneinander wohnten, übergehen wir und wenden uns dem Süden Judäas zu, für den Eusebius in seinem Onomastikon eine Reihe von jüdischen Dörfern benennt, die auch Hieronymus in seiner Bearbeitung belässt. In einer Anzahl dieser Orte südlich von Hebron, alle in engster Nachbarschaft zu christlichen Dörfern oder Klöstern, sind inzwischen Synagogen nachgewiesen". Etwa zehn Kilometer südlich von Hebron wurde 1994 in Jatta, wohl dem biblischen Jutta, ein schlecht erhaltenes öffentliches Gebäude ausgegraben, das wegen einer Menora auf einem Steinblock (6. Jahrhundert) vielleicht die Synagoge des Ortes war; Steinblöcke mit weiteren Menorot auf Torbalken bzw. Bögen, die sekundär in neueren Häusern verwendet wurden, stammen auch 1 · too von hier .

99

D. Amit, Architectural Plans of Synagogues in the Southern Judean Hills and the " H a l a k h a h " , in: Urman/Flesher (wie Anm. 6z),

129-156.

1 0 0 Y . Magen/Y. Baruch, Yatta, ESI 1 1 4 , 2 0 0 2 , 9 5 * - 9 6 * ; R. Hachlili, The Menorah (wie Anm. 64), 2 9 8 . 3 0 2 .

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Etwa sechs Kilometer weiter südlich liegt Susija, wohl mit dem talmudischen Karmel gleichzusetzen, bei Eusebius Karmelos zum Unterschied vom benachbarten christlichen Dorf Chermela, das laut Notitiae Dignitatum eine Garnison illyrischer Kavallerie beherbergte und in dem Ruinen von drei Kirchen erhalten sind. Abraham Negev vermutet, dass ein Teil der jüdischen Bewohner von dort wegzog und auf den Hügeln südlich davon eine neue Siedlung errichtete, anfangs zum Großteil mit Wohnhöhlen, die im 6. Jahrhundert immer mehr durch neue Wohnhäuser ersetzt wurden. Die im 4. Jahrhundert errichtete und bis ins 8. Jahrhundert mehrfach umgebaute Synagoge (Hauptraum 9 χ 16 m, im Westen ein Narthex und ein von Säulen umgebener Vorhof) ist ein sogenanntes Breithaus, d.h. die kleine Apsis befindet sich in der Jerusalem zugewandten Längswand. Der ursprünglich einfache weiße Mosaikboden wurde später durch ein in drei Felder gegliedertes farbiges Mosaik ersetzt, dessen Mittelfeld, wie man aus erhaltenen Spuren schließen darf, den Tierkreis darstellte; eine andere Szene stellte Daniel in der Löwengrube dar. Später wurde darüber ein neues Mosaik mit einem geometrischen Muster gelegt. Aus den aramäischen und hebräischen Inschriften erwecken zwei besonderes Interesse, eine Stifterinschrift beim Eingang wegen ihrer leider unvollständig erhaltenen Datierung auf das „zweite [Jahr] des Sabbat[jahrzyklus], das Jahr 4000 ... seit die Welt erschaffen wurde". Die Zahlen nach 4000 fehlen, damit steht nur 240 als terminus a quo fest. Es ist der früheste Beleg für die Zählung ab Erschaffung der Welt; die Angabe des Jahres im Siebenjahrzyklus hingegen findet man mehrfach auf jüdischen Grabsteinen von Zoar am Südende des Toten Meers, die etwa aus derselben Zeit stammen. Eine andere Inschrift zu Ehren des Stifters des Mosaiks und des Verputzes der Synagoge fällt durch die Titulatur der Genannten auf, die man so erst in viel späterer Zeit erwarten würde: „die Heiligkeit des Meisters und Rabbis Issi, des geehrten Priesters, des Gelehrten (Berabbi)" und seines Sohnes, „des Rabbi Jochanan, des Priesters, des Schreibers, des Gelehrten (Berabbi)". Der Gesamteindruck, der

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sich aus den Grabungen ergibt, ist der eines beträchtlichen Wohlstands, der im Lauf der byzantinischen Zeit offenbar noch zunahm und weit in die islamische Zeit reichte. Von negativen Auswirkungen etwa der persischen Besatzung oder auch der arabischen Eroberung findet sich keine Spur. Erst im 8. Jahrhundert wurde die Synagoge in eine Moschee umfunktio•

. ιοί

niert . Eine weitere Synagoge (10,5 χ 15,5 m) wurde 1987-88 östlich von Susija in Horvat Ma'on ausgegraben, die ebenfalls im 4. oder frühen 5. Jahrhundert entstand und im 6. Jahrhundert umgebaut wurde. Die Jerusalem zugewandte Nordwand war von zwei Löwenstatuen und eineinhalb Meter hohen Menorot aus Marmor geschmückt, zwischen denen wohl der Toraschrein stand. Die Synagoge stand die ganze byzantinische Zeit in Verwendung101. Schon länger bekannt ist die Synagoge von Eschtemoa westlich von Susija, bei Eusebius Esthemo genannt und wieder als praegrandis vicus Judaeorum in Daroma bezeichnet. Die Synagoge ist ein Breithaus ohne Säulen (13,3 χ 21,3 m); drei hoch in der langen Nordwand angebrachte Nischen zeigen die Richtung nach Jerusalem. In islamischer Zeit, vielleicht im 8. Jahrhundert, wurde die wohl im 4. Jahrhundert entstandene, später umgebaute Synagoge in eine Moschee umgewandelt. Eine ähnliche Geschichte vom 4. Jahrhundert bis in islamische Zeit, in der sie wohl in eine Moschee umfunktioniert wurde, hat die kleine Synagoge (8,5 χ 14,5 m) des wenig südlich von Eschtemoa gelegenen, 1988 ausgegrabenen Horvat 'Anim, das man mit Anaia identifiziert, grandis villa Judaeorum nomine Anea in 1 0 1 A . Negev, Hurvat Susiyyah and Jewish Settlement of the Southern Hebron Mountains in the Late Roman Period (hebräisch), Cathedra 60, 1 9 9 1 , 8 5 - 9 3 ; Y . Baruch, H. Susiya - The Chronology of the Site in Light of Recent Excavations (hebräisch), Judea and Samaria Research Studies 1 4 , 2 0 0 5 , 1 5 9 - 1 6 6 ; B. Rosenfeld, The Inscription of Rabbi Issi haCohen from the Synagogue of Susiya (hebräisch), ibid. 1 6 7 - 1 8 3 . 1 0 2 D. Amit/Z. Ilan, The Ancient Synagogue at M a ' o n in Judah (hebräisch), Qad. 2 3 , 1 9 9 0 , 1 1 5 - 1 2 5 .

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Daroma. Auf einem Hügel über dem christlichen Ortsteil stand eine große Kirche. Schließlich ist noch das etwa zwanzig Kilometer westlich von Eschtemoa gelegene Horvat Rimmon zu nennen, wohl Eremmon im Onomastikon des Eusebius (vicus Judaeorum praegrandis). Anstelle einer früheren Synagoge wurde hier spätestens Mitte des 5. Jahrhunderts ein Neubau errichtet; viele Teile des früheren Baus wurden in einer hohen Umfassungsmauer verbaut, die nun die Synagoge mit ihren Nebenräumen und Höfen umgab (Gesamtfläche 34 χ 29,5 m); nach einem Brand im späten 5. oder frühen 6. Jahrhundert wurde sie offenbar erst Ende 6., Anfang 7. Jahrhundert neu aufgebaut. Zwei Münzhorte, in einem Nebenraum in Gefäßen um etwa 500 vergraben, dokumentieren einen gewissen Wohlstand dieser ländlichen Gemeinde; den Volksglauben belegen die Bruchstücke einer Tontafel, auf der in Aramäisch sechs Engel beschworen werden, zu bewirken, dass man einer anderen Person seinen "Willen aufzwingen kann. Der Bau wurde auch nach der arabischen Eroberung weiter verwendet, doch ist nicht eindeutig, ob er noch als Synagoge diente103. Ein gutes Stück weiter südlich liegt Jattir, das Eusebius im Onomastikon als Jether, in tribu Juda civitas sacerdotalis, et nunc est villa praegrandis Jetbira nomine anführt und dazu sagt, dass die Bewohner dieses Ortes alle Christen sind. Tatsächlich haben hier Ausgrabungen seit 1995 eine Klosterkirche freigelegt, deren Abt Thomas in einer Inschrift von 631/3 ζ erwähnt wird; eine andere Inschrift nennt Mosaikarbeiten im Jahr 588/89. Eine weitere große Basilika mit Mosaikböden kann nicht genauer datiert werden. Auch diese Bauten überdauerten die islamische

1 0 3 A. Kloner, The Synagogues of Horvat Rimmon, in: Ancient Synagogues in Israel. Third - Seventh Century C.E., ed. by R. Hachlili (BAR International Series 499), Oxford 1 9 8 9 , 4 3 - 4 8 ; D. Chen, Antike Synagogen in Palästina. Anlage und Datierung der Synagoge von Horvat Rimmon, Judaica 4 5 , 1 9 8 9 , 5 7 - 6 7 .

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Eroberung; wie lange sie noch in christlicher Verwendung waren, lässt sich aber nicht sagen104. Diese Synagogen im Süden von Hebron sind für unsere Diskussion deshalb so interessant, weil sie zeigen, wie jüdische Dorfgemeinschaften fernab des nunmehrigen jüdischen Zentrums in Galiläa und in engster Nähe zu christlichen Siedlungen in byzantinischer Zeit bis in die Anfänge des Islam unbehelligt ihre jüdische Identität bewahren und auch wirtschaftlich florieren, sodass sie sich immer wieder Umbauten, Erweiterungen und aufwendige künstlerische Neugestaltungen ihrer Synagogen leisten können. Dass die Inschriften dieser Synagogen nicht griechisch, sondern immer aramäisch oder hebräisch sind, entspricht dem ländlichen Raum, ist aber wohl auch bewusste Abgrenzung von der christlichen Umgebung; die Nennung von Kohanim in Eschtemoa und Susija (auch in Na'aran bei Jericho) verweist wohl auf die traditionelle Führung dieser Gemeinden (in den Inschriften der galiläischen Synagogen kommt nur in Sepphoris ein Priester vor, in Griechisch nur auf der Jerusalemer Theodotos-Inschrift aus der Zeit vor 70). Es wäre interessant zu wissen, ob einzelne dieser Dörfer auch eine religiös gemischte Bevölkerung hatten; die Ausgrabungen geben bisher keinen Hinweis darauf.

5. Gaza und Umgebung Zum Abschluss dieses flüchtigen Überblicks zum geographischen Nebeneinander von Juden und Christen in byzantinischer Zeit kurz noch zu Gaza und Umgebung. Wie schon betont, hat sich in 1 0 4 H. Eshel/J. Magness/E. Shenhav, Khirbet Yattir, 1 9 9 5 - 1 9 9 9 . Preliminary Report, IEJ 50, 2000, 1 5 3 - 1 6 8 . Z u m Mosaik siehe J.F. Besonen, The Yattir Mosaic. Α Visual Journey to Christ, BarR 2 7 , 4 , 2 0 0 1 , 3 7 - 4 3 . Z u r Entwicklung der gesamten Region im frühen Islam J . Magness, The Archaeology of the Early Islamic Settlement in Palestine, Winona Lake, IN 2003, 9 3 - 1 1 1 .

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Gaza erst relativ spät eine christliche Gemeinde etablieren können; der Marnas-Tempel wurde im frühen 5. Jahrhundert gewaltsam zerstört, um einer Kirche Platz zu machen. Pagane Traditionen sind hier dennoch lange wirksam geblieben, wenn auch zum Teil christlich überprägt 105 . Gaza gehörte nicht zum traditionellen jüdischen Siedlungsgebiet, hatte jedoch in der Spätantike eine starke jüdische Präsenz. Das zeigt die große Synagoge, deren 1965 entdecktes Mosaik anfangs für das einer Kirche gehalten wurde. Erhalten sind nur Teile von Mosaiken, woraus Asher Ovadiah eine fünfschiffige Basilika mit Apsis im Osten erschloss (30 χ ζ 6 m). Wenn dieser Grundriss stimmen sollte, wäre die Synagoge von Gaza die bei weitem größte bisher gefundene Synagoge Palästinas. Auch wäre ein im Verhältnis zur Länge so schmales Mittelschiff bisher einmalig. Leider liegt noch kein Endbericht der Grabungen vor. Im Vergleich mit M a o n (anschließend) wäre denkbar, dass die Mosaiken zu verschiedenen Räumen in einem Synagogenkomplex (wohl auch mit Narthex und Hof) gehört haben. Die Mosaiken befinden sich alle im westlichen Teil. Das südlichste Mosaik ist durch Weinranken in drei mal elf Medaillons gegliedert (soweit erhalten, wohl fast vollständig), in denen sich Tiere befinden. Eine Bordüre an der Ostseite lässt dieses Mosaik nicht einmal bis zur Hälfte der angenommenen Länge des Seitenschiffes reichen. Natürlich kann anschließend noch ein weiteres Mosaikfeld gewesen sein, wovon aber bisher nichts bekannt ist. Eine datierte Stifterinschrift im Mosaik gibt das Jahr 569 an, offenbar nach der Ära von Gaza, was dem Jahr 508/9 entspricht. Im „Mittelschiff" ist nur ein Stück nahe dem vermuteten Haupteingang erhalten. Es stellt David (durch hebräische Beischrift gekennzeichnet) in der Kleidung eines byzantinischen Kaisers dar; gleich Orpheus bezaubert er durch sein Harfenspiel friedlich zuhörende Tiere: einen Löwen, eine Schlange und eine

105 Gaza dans PAntiquite Tardive. Archeologie, rhetorique et histoire, ed. par C. Saliou (Cardo z), Salerno 2.005.

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Giraffe (nicht mehr erhalten). In diesem Teil wurde der Mosaikboden später durch einen solchen aus Marmorplatten ersetzt. Reste weiterer Mosaiken fanden sich im nördlichen Teil des Komplexes (geometrische Muster, Tiere, Pflanzen). Fragmente von marmornen Chorschranken weisen noch Spuren von Vergoldung und griechischen Inschriften auf. Im östlichen Teil des Gebiets wurde auch ein marmornes Wasserbecken mit griechischer Stifterinschrift gefunden. Die Synagoge bestand bis ins 7. Jahrhundert, als sie mit den Häusern der Umgebung niederbrannte 10 '. Eine weitere Synagoge wurde etwa zwanzig Kilometer südwestlich von Gaza schon früher gefunden, Maon (Nirim). Auch hier ließ der Grabungsbefund keine eindeutige Rekonstruktion der Anlage zu. Meist nimmt man eine dreischiffige Basilika (15 χ 1 7 m) an1"7; aufgrund neuer Ausgrabungen hat dagegen O. Yogev argumentiert, dass die Synagoge selbst nur ein Raum von 10,20 χ 5,4θ m war, den Maßen des Mosaikbodens entsprechend. Was man als die Außenmauern der Synagoge selbst annahm, sei in Wirklichkeit die steinerne Umfassungsmauer um die Hofanlage, in der wie in Rimmon die kleine eigentliche Synagoge lag (eine ähnliche Erklärung ist auch in Gaza denkbar). Die Mauern der Synagoge selbst dürften wie in Gaza oder der nahen Kirche beim Kibbutz Magen Ziegelmauern ohne Steinfundament gewesen und im Lauf der Zeit verwittert sein. Von einer früheren Synagoge aus dem späten 5. oder Anfang 6. Jahrhundert zeugen Reste eines Mosaikbodens. Der Bau wurde im 6. Jahrhundert erneuert und mit einem durch Weinranken in elf Reihen von je fünf Medaillons gegliederten Mosaik geschmückt, in denen Tiere, Bäume usw. und vor dem Bema eine von Löwen flankierte Menora dargestellt sind. Michael Avi-Yonah deutet das Bild plausibel als 1 0 6 A . Ovadiah, Excavations in the Area of the Ancient Synagogue at Gaza, IEJ 19, 1 9 6 9 , 1 9 3 - 1 9 8 ; ders., Art. Gaza, The N e w E A E H L (wie Anm. 49), 465 f· 1 0 7 So z.B. D. Barag, Art. M a ' o n (Nirim), The N e w E A E H L (wie Anm. 49), 944-946.

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Darstellung des messianischen Friedens Jes 11,6-9. Wegen der eigentümlichen Form der Buchstaben in der aramäischen Stifterinschrift meint er, dass der Künstler die hebräische Schrift nicht kannte, denkt dabei aber eher an Juden der griechischsprachigen Diaspora als an Nichtjuden, auch wenn er das Mosaik derselben Werkstätte wie das der nahen, schon 1 9 1 7 entdeckten, Kirche von Schellal zuschreibt, das in das Jahr 561/2 datiert ist108. Kirchenmosaiken ähnlicher Art entdeckte man auch im nahen Magen und im näher bei Gaza gelegenen Kissufim 109 . Die Synagoge ist erst in früher islamischer Zeit aufgegeben worden, was wohl eher dem sich schon länger anbahnenden Klimawandel im Negev und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Niedergang als den Auswirkungen der islamischen Eroberung zuzuschreiben ist. Ähnlich wie im Gebiet südlich von Hebron haben somit jüdische Gemeinden auch im Gebiet von Gaza sich bis zum Ende der byzantinischer Zeit problemlos neben der hier überwiegend christlichen Bevölkerung halten können, sowohl in der Stadt wie auch in den Dörfern, und hat es, wie die Mosaikböden zeigen, auch eine gewisse gemeinsame kulturelle Welt gegeben. Ja, sogar christliche Mönche können bei aller Betonung religiöser Grenzen - dass man etwa zu Festen der anderen keine Einladung annimmt oder Geschenke austauscht, weil dies das kirchliche Gesetz verbietet - ein verständnisvolles Nebeneinander propagieren und z.B. explizit erlauben, dass ein Christ für einen Juden die Trauben presst .

1 0 8 M . Avi-Yonah, The Mosaic Pavement, L . M . Rabinowitz Funds Bulletin 3, i 9 6 0 , 2.5-35 (einer von mehreren Beiträgen zur Synagoge von M a o n S. 6-40); O. Yogev, The Synagogue at M a ' o n - N e w Discoveries (hebräisch), Erls 1 9 , 1 9 8 7 , 2 0 8 - 2 1 5 . 109 Dazu A. Ovadiah/S. Mucznik, The Mosaic Pavement of Kissufim, Israel, in: S. Mucznik/A. Ovadiah /Y. Turnheim, Art in Eretz Israel in Late Antiquity. Collectanea, Tel Aviv 2004, 1 2 7 - 1 4 4 . 1 1 0 So Barsanuphius von Gaza im 6. Jh. Siehe L. Perrone, Monasticism as a Factor of Religious Interaction in the Holy Land during the Byzantine Period, in: Sharing the Sacred (wie Anm. 5), 6 7 - 9 5 , hier 9 1 - 9 3 .

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Wollte man ein vollständiges Bild liefern, müsste man natürlich auch die hier nicht berücksichtigten Gebiete einbeziehen, etwa die Städte entlang der Mittelmeerküste, die alle auch jüdische Gemeinden in einer großteils christlichen Gesellschaft aufwiesen; die von dort bekannten Funde sind jedoch alle relativ vereinzelt und erlauben, im Gegensatz zu den hier gewählten Beispielen, keine längerfristigen Betrachtungen. Deshalb soll es bei diesem, wie ich glaube, sehr aussagekräftigen Querschnitt bleiben" 1 .

6. Gemeinsamkeiten von Kirchen und Synagogen Avi-Yonah vertrat die These, wonach eine ganze Reihe von Mosaiken mit Weinrankenmedaillons aus einer Mosaikwerkstätte in Gaza stammt, die für Kirchen wie auch für Synagogen arbeitete. Dagegen wendet R. Hachlili zu Recht ein, dass die dieser Werkstätte zugeschriebenen Charakteristika (etwa der Vogelkäfig) nicht einer Schule, sondern Musterbüchern und einer gewissen Mode des 6. Jahrhunderts zuzuschreiben sind, wie aus zahlreichen Beispielen in Palästina, Jordanien, Syrien und Kleinasien hervorgeht 112 . Das ändert aber nichts an der engen Verwandtschaft der Bildsprache von Kirchen und Synagogen v.a. des 6. Jahrhunderts im Raum von Gaza, aber auch anderswo im Land. Das führt uns abschließend noch zur allgemeineren Frage in

Einen umfassenden Überblick über die Verbreitung von Kirchen und Synagogen in Palästina (Stand von 199z), wenn auch notwendiger Weise ohne zeitliche Staffelung, bietet das wertvolle Kartenmaterial in: Tabula Imperii Romani. Iudaea - Palaestina. Eretz Israel in the Hellenistic, Roman and Byzantine Periods. M a p s and Gazetteer, ed. by Y . Tsafrir/L. Di Segni/J. Green, Jerusalem 1 9 9 4 . In den Jahren seither sind eine ganze Reihe von weiteren Funden gemacht worden, doch die Proportionen bleiben richtig. 1 1 2 M . Avi-Yonah, Art in Ancient Palestine, Jerusalem 1 9 8 1 , 3 8 3 - 3 9 5 ; R. Hachlili, On the Mosaicists of the "School of G a z a " (hebräisch), Erls 19, 1987, 46-58.

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gegenseitiger Anleihen und Beeinflussungen sowie Parallelentwicklungen in christlichen und jüdischen Bauten der Zeit, wozu hier nur einige wenige Hinweise möglich sind. Ab dem 4. Jahrhundert wurde für Kirchen wie auch Synagogen die dreischiffige Basilika mit Apsis der verbreitetste Grundriss; dazu kommt später der oft hoch ummauerte Innenhof vor dem Eingang mit Narthex und Zisterne. Die Gestaltung des christlichen Altarraums findet ihre Parallele in vielen Synagogen, die dem Toraschrein einen festen Platz in der Apsis zuordnen, ihn mit Menorot flankieren und davor ein Podium zur Verlesung der Tora (Bema) errichten. Wie in Kirchen wird dieser Bereich durch Chorschranken abgegrenzt, meist aus Marmor gearbeitet und nur durch den Schmuck mit Kreuz oder Menora religiös zuordenbar 1 1 '. Offenbar haben dieselben Werkstätten für beide Gemeinschaften gearbeitet. Die Verwendung des Muschelmotivs und von Vorhängen im Altarbereich bzw. beim Toraschrein sind ebenfalls zu erwähnen. Dazu kommt die verbreitete Ausstattung der Gebäude mit Mosaikfußböden, die - nicht nur im zuvor erwähnten Fall der belebten Ranken - oft sehr eng thematisch verwandt sind, sodass viele Bauten zu Beginn der Ausgrabungen irrtümlich als Synagoge oder Kirche gesehen wurden, bevor Symbole oder Inschriften eine eindeutige Zuordnung ermöglichten. Diese parallele Entwicklung wurde auch dadurch gefördert, dass beide Gemeinschaften immer mehr ihre religiösen Bauten als heilige Orte verstanden, die an der Heiligkeit des einstigen Jerusalemer Tempels teilhatten. Es ist wahrscheinlich, dass hier im Judentum 1 1 3 Siehe L.I. Levine, The Ancient Synagogue (wie Anm. 82), passim, doch auch mit Betonung der allein jüdischen Komponenten ( 5 9 9 - 6 0 1 ) ; L. Habas, The Bema and Chancel Screen in Synagogues and their Origin, in: From Dura (wie Anm. 52), 1 1 1 - 1 3 0 ; R. Hachlili, Aspects of Similarity and Diversity in the Architecture and Art of Ancient Synagogues and Churches in the Land of Israel, Z D P V 1 1 3 , 1 9 9 7 , 9 2 1 2 2 ; J . Wilkinson, From Synagogue to Church. The Traditional Design. Its Beginning, its Definition, its End, London 2002. Jüdische Symbole wie die Menora gewinnen in byzantinischer Zeit besondere Bedeutung als Identitätszeichen.

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schon früher bestehende Tendenzen durch die christliche Entwicklung verstärkt und gefördert wurden" 4 . Parallele Entwicklungen gibt es auch in manchen Bereichen der Liturgie, so etwa in der Verwendung religiöser Dichtung; etwa zeitgleich setzen sich Pijjutim und christliche Hymnen durch, mit einer vielleicht gewissen Priorität der Synagoge, deren Beispiel nach Auffassung mancher etwa Romanos der Melode gefolgt sei (6. Jh.), dem gelegentlich sogar jüdische Herkunft nachgesagt wird. Nur erwähnt sei auch, dass manche Synagogeninschriften, etwa im Haus des Leontis oder Jericho (so der Segen über die Stifter, deren Namen Gott allein kennt), im Wortlaut an christliche Inschriften und liturgische Formeln erinnern" 5 . Manche Motive haben Mosaiken in Synagogen ebenso wie die christliche Kunst aus der antiken Kunst umgedeutet, so das Motiv des die Tiere beschwörenden Orpheus; es ist bezeichnend, dass man den als Orpheus dargestellten David in Gaza zuerst als Christus deutete, ehe man die hebräische Beischrift „David" entdeckte. Andere Motive beruhen wohl auf christlichen Vorlagen, so z.B. die Lämmer, die den Toraschrein in Susija flankieren, oder im Haus des Leontis der Pfau über der von zwei Widdern flankierten Amphore, wofür es eine sehr enge Parallele in einem christlichen Grab in Neapel gibt" 6 . Interessanter als solche Einzelmotive sind aber größere Kompositionen, die oft dasselbe Motiv abwandeln, manches übernehmen, aber doch für je eigene Interessen verwerten. Wenden wir uns nochmals dem schon genannten Mosaik von Sepphoris zu. Wie erwähnt, ist die sehr fragmentarische unterste 1 1 4 St. Fine, This Holy Place. On the Sanctity of the Synagogue during the Greco-Roman Period, Notre Dame, IN, 1 9 9 7 ; L.I. Levine, The Ancient Synagogue (wie Anm. 82.), 2 2 5 - 2 3 1 . 1 1 5 G. Foerster, Synagogue Inscriptions and their Relation to Liturgical Versions (hebräisch), Cathedra 1 9 , 1 9 8 1 , 1 1 - 4 0 , v.a. 3 3 und 38-40. 1 1 6 G. Foerster, Allegorical and Symbolic Motifs with Christian Significance from Mosaic Pavements of Sixth Century Palestinian Synagogues, in: Christian Archaeology (wie Anm. 67), 5 4 5 - 5 5 2 .

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Szene mit der Ankündigung der Geburt Isaaks v.a. durch eine ähnliche Darstellung in San Vitale in Ravenna identifiziert worden. Das Mosaik als ganzes drückt jedoch ein spezifisch jüdisches Interesse aus. Die Opferung Isaaks in der nächsten Szene wird zwar von Anfang an auch christlich gerne dargestellt, wird hier aber anders gedeutet. Wenn am linken Rand des rechten Feldes der Widder, angebunden an einem Strauch, auf zwei Paare Schuhe hinabschaut, offenbar die Schuhe Abrahams und Isaaks, betont man damit, dass die Szene der Akeda wie einst der brennende Dornbusch heiliger Boden ist, w o man die Schuhe ausziehen muss (Ex 3,5); sie findet an der Stätte des späteren Tempels statt und gibt dessen Opferkult seine Wirksamkeit. Die Einsetzung dieses Kults und die Weihe Aarons zum Priester ist denn auch das Thema der beiden Bildstreifen oberhalb des zentralen Tierkreises. Die Heiligkeit und sühnende Funktion des Tempels ist von diesem auf die Synagoge übergegangen; anders als es die christliche Polemik der Zeit will, ist mit der Zerstörung des Tempels die Erwählung Israels nicht aufgehoben worden, hat Israel weiterhin einen Ort der Sühne und der Begegnung mit Gott. In der späteren Darstellung der Szene in Bet Alfa ist Isaak als kleines Kind dargestellt, das Abraham auf den Altar wirft. In Sepphoris ist von Abraham und Isaak fast nichts erhalten; doch zeigen die kleinen Schuhe neben den großen Abrahams, dass auch hier Isaak als Kind dargestellt gewesen sein muss. Noch bei Josephus ist Isaak zum Zeitpunkt der Szene ein erwachsener Mann von 37 Jahren. Doch gegen die christliche Typologie, die in Isaak das Vorbild Jesu sieht, der sich freiwillig selbst opfert, ändert die rabbinische Tradition die Geschichte - Isaak ist ein kleines Kind, nicht selbst verantwortliches Subjekt der Handlung; Abraham wird zur Hauptfigur, aus der „Opferung Isaaks" wird die letzte der „zehn Versuchungen Abrahams". Die Akeda ist und bleibt ein Zeichen der Hoffnung für Israel. Doch gelingt die Abgrenzung zumindest in Bet Alfa nicht ganz. Dort ist der Widder, der an Stelle Isaaks geopfert werden soll, in der Mitte

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der Szene, aufrecht auf seinen Hinterbeinen stehend an den Baum gebunden, der hier wie ein Raumteiler wirkt. Oft hat man das mit Platzmangel begründet. Marc Bregman hat dagegen gezeigt, dass hier offenbar, ohne es zu wissen, eine christliche Vorlage verwendet wurde, die man von Sarkophagen kennt; der am Baum hängende Widder symbolisiert dort den am Kreuz hängenden Christus 117 . Der in den Mosaiken von Sepphoris und Bet Alfa zentrale, aber auch in anderen Synagogen dargestellte Tierkreis symbolisiert Gott als den Herrn der Zeit und Geschichte und ist integraler Bestandteil einer Bildkomposition, die die Hoffnung des Judentums ausdrückt. Auf die Kalenderbilder im Kloster der Kyra Maria und in der Friedhofskirche von Bet Schean wurde schon verwiesen. Der Tierkreis als solcher ist, wenn wir von St. Zeno in Verona absehen, erst viel später in der christlichen Kunst heimisch geworden, vielleicht, wie Bianca Kühnel meint, wegen der „pronounced Jewish association with the zodiac in early Byzantine Palestine"" 8 . Aus diesen wenigen Beispielen ist wohl schon deutlich geworden, dass Christen und Juden im byzantinischen Palästina nicht nur im Allgemeinen mehr oder weniger friedlich nebeneinander lebten, sondern dass sie auch gewisse religiöse Vorstellungen teilten, wie ein Gebetshaus zu gestalten sei. Dabei gab es immer wieder gegenseitige Anleihen und zahlreiche 1 1 7 M . Bregman, The Riddle of the Ram in Genesis Chapter 22. JewishChristian Contacts in Late Antiquity, in: The Sacrifice of Isaac in the Three Monotheistic Religions, ed. by F. Manns (SBFA 4 1 ) , Jerusalem 1 9 9 5 , 1 2 7 1 4 5 ; ders., Aqedah. Midrash as Visualization, Journal of Textual Reasoning 2,1 (2003) http://etext.lib.virginia.edu/journals/tr/; E. Kessler, A response to Marc Bregman, ibid.; ders., Bound by the Bible. Jews, Christians and the sacrifice of Isaac, Cambridge 2004. 1 1 8 B. Kühnel, The Synagogue Floor Mosaic in Sepphoris. Between Paganism and Christianity, in: From Dura (wie Anm. 52), 3 1 - 4 3 ; Y . Englard, Mosaics as Midrash. The Zodiacs of the Ancient Synagogues and the Conflict between Judaism and Christianity, Review of Rabbinic Judaism 6, 2 0 0 3 , 1 8 9 - 2 1 4 .

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Parallelen, aber auch eigenständige Deutungen der gemeinsamen Bildwelt und deren polemische Umdeutung im Sinn der eigenen Identität. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass, anders als dies ab dem späteren 4. Jahrhundert in der Diaspora häufig geschah, wir in Palästina keine klaren Belege dafür haben, dass je Synagogen absichtlich von Christen zerstört oder weggenommen und in Kirchen umgewandelt wurden. Z w a r meint Michael AviYonah: „Es gibt auch archäologische Beweise für die Zerstörung der Synagogen zu jener Zeit. In Gerasa wurde 530 eine Kirche auf den Ruinen einer Synagoge errichtet; in Cäsarea und Husifa wurden auf den Mosaikböden Brandspuren bemerkt, in Cäsarea fand man Stücke von Schwefel, die nicht ausgebrannt waren." 1 1 ' Dazu könnte man noch die Synagogen von En Gedi am Toten Meer, die in einem Brand im 6. oder 7. Jahrhundert zerstört wurde, und jene von Sumaqa am Karmel nennen, die schon um 400 in einem Brand zerstört und dann nur noch verkleinert wieder aufgebaut und im 6. Jahrhundert, vielleicht im Zusammenhang mit den Samaritaneraufständen, aufgegeben wurde. Gerasa liegt außerhalb von Palästina; Brände waren häufig, meist ohne das Ergebnis feindlicher Übergriffe zu sein. Um Brandspuren so auswerten zu können, müssten sie wohl zu einer bestimmten Zeit massiert auftreten und nur die religiösen Gebäude einer Gruppe, nicht aber der anderen betreffen. Dafür gibt es keine Belege. Bei der Datierung von Zerstörungen durch Brände geht man noch zu oft von gewissen historischen Vorstellungen aus, dass etwa unter Justinian Übergriffe auf Synagogen häufig waren. Das war wohl auch mit ein Grund, den Brand der Synagoge von En Gedi in die Zeit Justinians zu verlegen, doch kann er auch Jahrzehnte später erfolgt sein110. Auch für Sumaqa 1 1 9 M . Avi-Yonah, Geschichte (wie Anm. 1 1 ) 2 5 1 . 1 2 0 Y . Hirschfeld, En Gedi - A Large Jewish Village (hebräisch), Qad. 3 7 , Z004, 62.-87, 67, datiert die Zerstörung Ende 6., Anf. 7. Jh. und vermutet unter Hinweis auf Johannes Moschus (Pratum Spirituale) einen Beduinenüberfall vor der persischen Eroberung des Landes.

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sind weder für den Brand um 400 noch für die spätere Aufgabe des Ortes eindeutige Gründe anzugeben 111 .

IV. Der Umbruch im frühen 7. Jahrhundert Im frühen 7. Jahrhundert verändert sich die Lage dramatisch. Das byzantinische Reich geriet immer mehr in Bedrängnis; 614 eroberten die Perser große Teile des Reichsostens einschließlich Palästina. Für kurze Zeit, vielleicht bis 6 1 7 , scheinen sie Juden die Verwaltung von Jerusalem überlassen zu haben, übergaben sie dann aber wieder Christen. 628 mussten die Perser die eroberten Gebiete wieder aufgeben, als während der Belagerung Ktesiphons durch Kaiser Heraklius der persische König Chosroes starb. 630 oder 6 3 1 brachte Heraklius die von den Persern geraubte Kreuzesreliquie nach Jerusalem zurück; doch bald darauf begannen die ersten Einfälle arabischer Heere, und 638 musste der Patriarch von Jerusalem den arabischen Eroberern die Schlüssel der Stadt übergeben; wenig später wurde auch Caesarea eingenommen, und somit war das Land auf lange Zeit unter islamischer Herrschaft 1 ". Über die Ereignisse dieser Jahrzehnte gibt es sowohl auf christlicher wie auch auf jüdischer Seite eine Reihe von Quellen, deren Auswertung aber nicht einfach ist. Christlicherseits gibt es für die frühen Jahre einige interessante Hinweise in der Doctrina Jacobi nuper baptizati, den Bericht der Einnahme Jerusalems von einem Augenzeugen, (Antiochus) Strategius oder Eustratius, einem Mönch von Mar Saba, die Expugnatio Hierosolymae, die nur in einer georgischen und vier arabischen Versionen erhalten ist. i z i S. Dar, Sumaqa. A Jewish Village on the Carmel (hebräisch), Tel Aviv 1998, v.a. 254-256. 1 2 2 A. Cameron, The Jews in Seventh-Century Palestine, SCI 1 3 , 1994, 7593; W.J. van Bekkum, Jewish Messianic Expectations in the Age of Heraclius, in: The Reign of Heraclius (610-641). Crisis and Confrontation, ed. by G.J. Reinink/B.H. Stolte, Leuven 2002, 9 5 - 1 1 2 .

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Dazu kommen einige Gedichte des Patriarchen Sophronius und einige syrische apokalyptische Texte, v.a. die Apokalypse des Pseudo-Methodius. Auf jüdischer Seite ist es ebenfalls eine Apokalypse, der Sefer Zerubbabel, die zusammen mit ha-Qallir zugeschriebenen Pijjutim, die die selben Traditionen auswerten, als problematische Basis für die Rekonstruktion der Ereignisse dient. Die christlichen Texte betonen die Übergriffe der Juden in Jerusalem gegen die Christen und die christlichen Kirchen, von denen damals viele zerstört worden seien; Tausende von Christen seien am Tag der Einnahme Jerusalems getötet worden; ein christliches Massengrab der Zeit beim Mamillateich bestätigt in gewisser Weise die blutigen Ereignisse. Die Zerubbabel-Apokalypse versteht die Wirren der Zeit als die Wehen vor Beginn der messianischen Zeit, beschreibt die Rückeroberung des Landes durch die Christen als Sieg des Antichristen, zu dem sie Heraklius in Gestalt des Armilus stilisiert, gezeugt vom Satan aus einem Stein in Gestalt einer schönen Jungfrau, dessen Verehrung der Sieger dann der ganzen Bevölkerung aufzuzwingen versucht. Wie immer wir die Texte im einzelnen auswerten können, ist doch auffällig, wie aus ihnen tiefste religiöse Gegnerschaft zu spüren ist, Hass und Feindschaft, auf die die materielle Entwicklung der christlichen und jüdischen Gemeinden in den vorausgehenden Jahrzehnten trotz der christlichen antijüdischen Gesetzgebung nicht wirklich vorbereitet. Hier muss sich vieles aufgestaut haben, das aus den spärlichen Quellen der Zeit nicht direkt zu entnehmen ist. Viele Zerstörungen von Kirchen im 7. Jahrhundert, besonders in Westgaliläa, werden mit dem Einfall der Perser im Jahr 614 verbunden, Zerstörungen von Synagogen derselben Zeit mit christlichen Repressalien nach 628, weniger mit den Ereignissen um die arabische Besetzung des Landes, da die meisten Städte rechtzeitig die Übergabe vertraglich regelten. Im Detail sind hier genaue historische Zuordnungen nur schwer möglich, da sich die Ereignisse innerhalb kürzester Zeit überschlugen und archäologische Datierungen selten genau genug

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sind, um bei einem Zeitraum von weniger als dreißig Jahren sichere Aussagen treffen zu können. Echte Beweise gibt es kaum einmal. Abschließend sollte jedoch betont werden, dass die arabische Eroberung des Landes durchaus keinen absoluten Bruch mit sich brachte. Zahlreiche Kirchen und Synagogen überstanden die Wirren des frühen 7. Jahrhunderts weithin unbeschadet, auch Umbauten und Neugestaltungen sind aus dieser Zeit belegt. Aber auch in arabischer Zeit wurden noch neue Kirchen und Synagogen errichtet 113 . Den wirklich bedeutenden historischen Einschnitt bringt das große Erdbeben im Sabbatjahr 748/49. Da fast zur selben Zeit das Zentrum der arabischen Herrschaft vom nahen Damaskus (mit einer Winterresidenz in Jericho, wie der Hischam-Palast zeigt), in das neu gegründete Bagdad verlegt wurde, war nun Palästina eine unbedeutende Randprovinz geworden, in die keine großen Investitionen mehr getätigt wurden. Dass die Bevölkerung sich seit der Pestepidemie Mitte des 6. Jahrhunderts auch zahlenmäßig nie mehr wirklich erholt hatte, kommt noch dazu. Die lange Blütezeit des byzantinischen Palästina war damit endgültig zu Ende gekommen. Für den größten Teil der Zeit von Konstantin bis Heraklius ergibt die Zusammenschau von literarischen und archäologischen Quellen ein durchaus differenziertes Bild. Die jüdische Gemeinschaft wird zwar immer mehr zu einer Minderheit im Land, wie auch die Zahlen der ausgegrabenen Kirchen und Synagogen deutlich machen - ohne auf die jeweiligen Größen und mit den Gebäuden verbundenen Gemeinden eingehen zu können, steht das Verhältnis bei etwa drei zu eins zugunsten der christlichen Funde (allerdings einschließlich der Negev-Städte, die erst in dieser Zeit gewachsen sind und von Anfang an außerhalb des jüdischen Siedlungsgebiets waren). Die jüdischen Gemeinden 1 2 3 Siehe R. Schick, The Christian Communities of Palestine from Byzantine to Islamic Rule. A Historical and Archaeological Study (Studies in Late Antiquity and Early Islam 2), Princeton 1 9 9 5 ; J. Magness, The Archaeology (wie Anm. 1 0 4 ) .

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entwickeln in dieser Zeit ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das sich in den Synagogenbauten mit ihrer Kunst und spezifisch jüdischen Symbolik ausdrückt; wirtschaftlich florieren die meisten Gemeinden und halten an ihren Siedlungen und Synagogen über Jahrhunderte fest, bauen diese im Lauf der Zeit immer wieder vergrößert dem sich wandelnden Geschmack gemäß neu. Geschlossene jüdische Siedlungsgebiete bleiben solche über lange Zeit; die Grenzen zwischen jüdischen und christlichen Bereichen scheinen im Allgemeinen berücksichtigt worden zu sein. Aber auch in mehrheitlich christlichen Gebieten halten sich jüdische Gruppen, ja dringen in Orte vor, in denen zuvor keine Juden nachgewiesen sind. Bei aller Betonung der eigenen Identität entwickelt sich doch eine weithin gemeinsame Formensprache im religiösen Bereich. Es wäre sicher verfehlt, aus dem hier vorgelegten Befund auf eine idyllische ökumenische Koexistenz zu schließen; v.a. der kurze, aber doch so gewaltige Ausbruch von gegenseitigem Hass, von Feindschaft und Gewalt im frühen 7. Jahrhundert kommt natürlich nicht aus dem Nichts, sondern macht sichtbar, was an Animositäten lange nur rückgestaut war, jetzt aber unter messianisch/endzeitlichen Vorzeichen auf beiden Seiten sich um so stärker entlud. Doch um die Mitte des 7. Jahrhunderts findet man zumindest für ein weiteres Jahrhundert wieder zu einem duldsamen Nebeneinander zurück. Vieles musste offen bleiben; neue Entdeckungen werden das so gewonnene Bild ständig weiter differenzieren, auch korrigieren. Doch insgesamt ergibt sich aus dem Überblick ein vielschichtigeres Bild, als uns christliche Adversus-Judaeos-Texte und Judengesetze erwarten ließen.

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