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German Pages 754 Year 2019
Johann Klaj (um 1616–1656)
Johann Klaj (um 1616–1656) Akteur – Werk – Umfeld Herausgegeben von Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Hedwig Linnhuber – Dr. Hans Saar-Stiftung (Nürnberg) und der Kost-Pocher’schen Stiftung (Nürnberg)
ISBN 978-3-11-066798-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-066948-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-066804-9 Library of Congress Control Number: 2019946310 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Nürnberg 1644, Titelkupfer. Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg: Amb. 8. 2643 Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel Einführung 1
Biographie und kulturelle Kontexte Werner Wilhelm Schnabel Kleine Klaj-Chronik. Biographische Daten – Anlässe poetischer Produktion – Kontextereignisse 27 Peter Fleischmann Nürnberg in den 1640er Jahren
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Hans-Otto Keunecke Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650
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Frederike Schmäschke Papierener Barock in Nürnberg. Ein Blick auf den Nürnberger Kupferstich der 1640er Jahre 235
Literarisches Feld Franz M. Eybl Poetik, Performanz und Publikation. Religiöse Dichtung als ästhetische Überbietung bei Prokop von Templin, Jacob Balde und Johann Klaj 261 Rosmarie Zeller Gemeinsam im Dienste der Poesie: Johann Klaj und Georg Philipp Harsdörffer 293 Ralf Schuster Johann Klaj und Sigmund von Birken. Eine Spurensuche im Birken-Archiv des Pegnesischen Blumenordens 311
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Inhaltsverzeichnis
Poetologie und Praxeologie Stefanie Stockhorst Kriegerischer Patriotismus – akustische Nachahmung – göttliche Inspiration. Funktionsbestimmungen der Dichtkunst in Johann Klajs Lobrede der Teutschen Poeterey 329 Stefanie Arend ,Denkzeiten der deutschen Dichtung‘. Funktion der Antike für die deutsche Sprachkunst in Johann Klajs Lobrede der Teutschen Poeterey 353 Thomas Rahn Klajs Zeremoniell-Kunst. Zum Spielraum der Gattung ‚Festbeschreibung‘ in den Friedensdichtungen 367
Friedensdichtung Ferdinand van Ingen Johann Klajs Friedensdichtungen 1650. Multimediale Repräsentation und Wahrnehmungsperspektiven 389 Franziska Bauer und Anna Lisa Schwartz Medienwechsel mit Folgen? Klajs Friedensdichtungen auf Gedenkblättern aus den Verlagen Fürst und Endter 403 Mara R. Wade Emblematik als Friedensinstrument: Johann Klajs Friedensdichtungen 431
Schäferdichtung Nora Ramtke Die Pegnitz-Schäfereien als Fortsetzungsliteratur
469
Klaus Garber Pegnesische pastoral-rustikale Kontrafaktur. Klajs Schäfergedicht in den Nördgauer Gefilden (1648)
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Inhaltsverzeichnis
Dramen Bernhard Jahn Johann Klajs Kunst des (Ver-)Fluchens. Dirae im Herodes und in der Trauerrede über das Leiden Christi 515 David L. Smith Fingierte und simulierte Oralität bei Klaj
529
‚Kleine Literatur‘ Dirk Niefanger Klajs Kinderbuch Das gantze Leben Jesu Christi (1648) Ernst Rohmer Klajs geistliche Lieder
545
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Dieter Martin Lob des Buchhandels und des Buchdrucks. Klajs Gratulationsgedichte an das Nürnberger Druck- und Verlagshaus Endter 585 Seraina Plotke Irenische Poesie in Johann Klajs Geburtstag deß Friedens: Ein programmatisches Figurengedicht 609 Hans-Joachim Jakob Michael Herr, Matthäus Merian der Ältere und Johann Klaj. Bild und Text im Flugblatt Eigentlicher Entwurf und Abbildung deß Gottlosen und verfluchten Zauber Festes 625
Dichtung und Musik Julia Amslinger und Jörg Wesche Klajs Klangkunst 647 Irmgard Scheitler Johann Klaj und die Musik
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Inhaltsverzeichnis
Thorsten Preuß „Hellgläntzendes Silber“ in „schneyichter Zeit“. Zur Klaj-Rezeption bei Ernst Krenek und Gideon Klein
Die Autorinnen und Autoren Klaj-Bibliographie Index Nominum Index Operum
715 721 743
713
689
[Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj:] Pegnesisches Schaefergedicht/ in den Berinorgischen Gefilden/ angestimmet von Strefon und Clajus. Nürnberg 1644, Titelkupfer.
Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
Einführung 1 Topographische Annäherung Das auf dem Buchcover und auf der Seite links abgedruckte Titelkupfer1 des Pegnesischen Schäfergedichts (1644) von Johann Klaj und Georg Philipp Harsdörffer dürfte jedem bekannt sein, der sich je mit Barockliteratur und insbesondere mit der Bukolik des 17. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat. Die Silhouette Nürnbergs, die durch die beiden Hauptkirchen St. Lorenz und St. Sebald, die Mauern und einen ‚runden Turm‘ (eigentlich eine Geschützplattform) die kirchlichen und politisch-militärischen Dimensionen der stadtobrigkeitlichen Macht verbildlicht, die hügelige Begrenzung, auf der ein Bauer seiner schweißtreibenden Arbeit nachgeht und ein Wasserrad für die Dienstbarmachung der Natur steht, bilden den Hintergrund einer Szenerie, die sich im Mittel- und Vordergrund abspielt. Dominant wirkt die Flussschleife, die ein halbinselartiges Landstück mit einem verfallenen Gemäuer und einigen überhöhten, sich im Wasser spiegelnden Bäumen umschließt. Die idealisierte landschaftliche Szenerie soll an die Umgebung der Kleinweidenmühle im Westen der Stadt erinnern.2 Das Mühlrad rechts hinten markiert dieser Idee folgend die Wassermühle von Endres Örtel, die den Papierbedarf der Nürnberger Ämter und einiger Buchdrucker deckte. Stilisiert ist damit der mutmaßliche Gründungshain der Pegnitzschäfer.3 Die Flussschleife wird überragt von zwei sich überkreuzenden Stämmen; sie alludieren ikonographisch jene Liebesmotivik, die das Schäfergedicht gleich zu Beginn in der Wechselrede von Clajus und Strefon aufnimmt. Im schmalen Vordergrund bewegen sich zwei Schäfer mit ihrer Herde im Inneren einer idyllischen Topographie, die in Anlehnung an ältere landschaftsästhetische Idealvorstellungen der ‚hortus conclusus‘-Tradition
1 [Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj:] Pegnesisches Schaefergedicht/ in den Berinorgischen Gefilden/ angestimmet von Strefon und Clajus. Nürnberg 1644. Leicht zugänglicher Nachdruck in: Eberhardt Mannack (Hg.): Die Pegnitz-Schäfer. Nürnberger Barockdichtung. Durchgesehene und ergänzte Ausgabe. Stuttgart 1988, S. 18–64. 2 Der Stich auf dem Titelblatt des Pegnesischen Schäfergedichts versetzt die idealisierte Landschaft im Westen Nürnbergs allerdings auf die Ostseite der Stadt, wie am Turm der erst später barockisierten Egidienkirche zu erkennen ist und wie es auch eher mit dem beschriebenen Reiseweg des Wanderers vereinbar ist. 3 Vgl. die konkrete Nürnberg-Bezugnahme im Pegnesischen Schäfergedicht (wie Anm. 1), S. 8; hierzu vgl. Birkens Beschreibung im „Vermehrten Donaustrand“: Die Pegnitz-Schäfer (wie Anm. 1), S. 73f.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-001
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durch eine bergende Einhegung und die auf Fruchtbarkeit weisenden IdyllenMarker Wasser, Wiese und lichte Bewaldung gekennzeichnet ist. Sie stehen im unmittelbaren Bezug zum Sehnsuchtsort, den der Kriegsflüchtling Klajus im Schäfergedicht endlich erreicht hat: Aus derselben [der Heimat von Clajus] hat das rasende Schwert/ die Rache der gefluchten Beleidigung/ und das wütende getümmel der Waffen unlängst alle Kunst und Gunst verjaget: Schäfer und Schäferinnen sind um ihre liebe Wollheerde gebracht/ alle Dörfer/ Mayerhöf/ Forwerge und Schäfereien sind verödet/ Auen und Wiesen verwildert/ das Gehöltze durch die Wachfeuere verösiget/ Obst- und Blumgärten zu Schantzen gemacht worden […]: darum dann auch Klajus/ ein namhaffter Schäfer/ aus selbigen Orten fortgemachet/ welchem nach vielen wandelbaren Unglüksfällen sein Verhängnis an den Pegnitzfluß geführet.4
Abb. 1: [Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj:] Pegnesisches Schaefergedicht/ in den Berinorgischen Gefilden/ angestimmet von Strefon und Clajus. Nürnberg 1644, Titelkupfer (Ausschnitt)
4 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 1), S. 6.
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Clajus ist einer der beiden Herren auf dem Titelkupfer, die hier beinahe beiläufig und auch in der Kontrastierung wenig auffällig in der unteren rechten Ecke positioniert sind. Ihre Tätigkeit scheint wenig anstrengend zu sein und einen deutlichen Kontrast zum Kriegsgeschehen zu bilden, dem einer der Schäfer entronnen ist. Ihre Aufmerksamkeit gilt offenbar nicht vorrangig den friedlich grasenden Vierbeinern. Dass sie aber ihrer Obhut anvertraut sind, machen die beiden Schäferstäbe deutlich; die zwei treuen Hütehunde, die sie begleiten, übernehmen die Aufsicht über die Schafe. Die beiden Männer scheinen gewissermaßen im Gleichschritt voranzuschreiten und, einander zugewandt, in ein angeregtes Gespräch vertieft zu sein. Vielleicht wird durch die demonstrativ hochgehaltene Schalmei sogar ein musikalisches Thema nahegelegt, präsentiert doch die eine Figur der anderen fragend ihr zum Spiel bereites Instrument. Es wird eine jener „Dorffschalmeyen“ sein, die im Kriegsgebiet verstummen mussten.5 Neben Clajus ist – wie man beim Lesen der folgenden Seiten bald bemerkt – der schon im Titel angekündigte Schäfer Strefon abgebildet; sie sind es, die schäferlich durch die berinorgischen Gefilde wandern. Die beiden Typusdarstellungen, die den literarischen Akteuren ein Gesicht geben, stehen für die beiden in den 1640er Jahren wahrscheinlich bedeutendsten und innovativsten Schriftsteller der Reichsstadt Nürnberg – Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) und Johann Klaj (um 1616–1656). Beide Figuren sind trotz ihrer ähnlichen Kleidung (enganliegende Beinkleider, weiche Lederstiefel und blumenumwundene Hüte) doch auffällig unterschiedlich konturiert. Die vorangehende linke Gestalt mit modisch frisiertem Knebelbart, den Schäferstab lässig geschultert und zudem auch noch prominent ihr Instrument vorweisend, scheint erhobenen Hauptes Richtung und Tempo vorzugeben; der Begleiter auf der rechten Seite, dessen Kopfbedeckung deutlich bescheidener ist und der eine umgehängte Reisetasche trägt, scheint in seiner Körpersilhouette gedrungener, gebeugter, schwerfälliger und durch die aufrechtere Haltung des Stabes, auf den er sich stützt, von geringerer Dynamik zu sein; durch die ungepflegtere Barttracht wird wohl auch eine soziale Hierarchie statuiert. Der unbekannte Stecher hat hier also durchaus markante Unterschiede in Szene gesetzt – auch wenn man natürlich keine Porträtähnlichkeit unterstellen darf. Nun kann man – trotz der typenhaften Darstellung – spekulieren, welcher der beiden Hirten Clajus darstellen soll. Das gepflegtere Äußere auf der einen Seite, die Reisetasche auf der anderen sprächen dafür, im Vollbärtigen den zugereisten Johann Klaj zu sehen, dem von seinem Förderer Harsdörffer der Weg gewiesen und die Schalmei überreicht wird. Sie würdigt er schließlich im zweiten agonal angelegten Doppelvers des Pegnesischen Schäfergedichts:
5 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 1), S. 5.
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Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
Kl[ajus:] Beliebet der Hirten Feldschlürffendes Klingen/ Schalmeyen am Reyhen die Wette versingen.6
Das Titelkupfer der Weihnacht Gedichte (1648)7 zeigt indes im Vordergrund eine einzelne Figur mit zeittypischer Sackpfeife, die trotz des bäuerlichen Instruments eher an den gepflegten Begleiter des Vollbärtigen erinnert:
Abb. 2: Johann Klaj: Weihnacht Gedichte. Nürnberg 1648, Titelkupfer
6 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 1), fol. Aijr. 7 Johann Klaj: Weihnacht Gedichte. Nürnberg 1648.
Einführung
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Ein Schalmei-Spieler ist hier in den Mittelgrund verbannt, während die vornehmere Laute vorne ungenutzt an das Kinderbettchen gelehnt bleibt. Mit der Charakterisierung der folgenden Gedichte als einfache, ländliche Erzeugnisse hat der Stecher hier eine ‚captatio benevolentiae‘ verbildlicht, die zugleich auf das weihnachtliche Motiv der anbetenden Hirten einerseits und den Titel des Buches andererseits anspielt. Wieder bildet das frühneuzeitliche Nürnberg die ferne Kulisse der landschaftlichen Idylle mit Schafen, (überkreuzten) Bäumen und Wiesen, die hier freilich schon durch die Blickrichtung des Dudelsackbläsers deutlich auf das vorne liegende und vom Glorienschein umgebene Jesuskind ausgerichtet ist. Gleich drei Schäfer zieren das Titelblatt von Sigmund von Birkens Pegnesis oder der Pegnitz Blumgenoß-Schäfere FeldGedichte in Neun Tagzeiten (1673). Während sich der Autor Birken vorne links mit dem Kurztitel des Werks auf einem Schild abbilden lässt, sieht man vor gewohnter Kulisse – Nürnberg, Schafe, Wiesen, Wasser (in diesem Fall offenbar ein Teich) – die beiden längst verstorbenen Gründungsväter des Blumenordens. Sie sind hier praktisch gleich ausgestattet und daher kaum unterscheidbar; die Schäfer Harsdörffer/Klaj (Lennon/McCartney des Blumenordens gewissermaßen) scheinen inzwischen als festes kulturelles Doppel gelabelt zu sein:
Abb. 3: Sigmund von Birken: Pegnesis oder der Pegnitz Blumgenoß-Schäfere FeldGedichte in Neun Tagzeiten. Nürnberg 1673, Frontispiz
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Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
So wundert es nicht, dass das Motiv der beiden Schäfer 100 Jahre später noch einmal von der geschichtlichen Darstellung des Blumenordens aus der Feder von Amarantes aufgegriffen worden ist. Dieser bildet auf dem Titelkupfer seiner Geschichte des Blumenordens eine Gedenkmedaille ab, die zugleich auch das (angeblich) genaue Gründungsdatum der Sozietät namhaft macht.8 In direkter Anlehnung an das Frotispiz der Pegnesis weist einer der beiden – ununterscheidbaren – Herren dynamisch in die Ferne, während über Schafen, Ruine, Bäumen und Stadtsilhouette diesmal Fama den Blumenkranz schwingt, mit dem der Sieger im Dichterwettstreit ausgezeichnet werden soll. Die zum Blasen erhobene Posaune macht zugleich deutlich, dass der Ruhm der beiden Poeten weit in die Welt hinaus erschallen wird – daran werde, ja müsse man sich einstens erinnern, wie das Lemma nahelegt.
Abb. 4: Amarantes [= Johann Herdegen]: Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- und Blumen-Ordens an der Pegnitz Anfang und Fortgang/ biß auf das durch Göttl. Güte erreichte Hundertste Jahr […]. Nürnberg 1744, Titelblatt (Vergrößerung eines Ausschnitts)
8 Amarantes [= Johann Herdegen]: Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- und BlumenOrdens an der Pegnitz Anfang und Fortgang/ biß auf das durch Göttl. Güte erreichte Hundertste Jahr […]. Nürnberg 1744.
Einführung
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Freilich hat die Aufmerksamkeit der lesend-goutierenden und dann auch der wissenschaftlichen Öffentlichkeit über lange Zeit nur einem der beiden Poeten gegolten, die sich hier in schäferlicher Verkleidung zeigen. Das hing wohl nicht zuletzt damit zusammen, dass der alteingesessene Patrizier Harsdörffer sozial erheblich besser vernetzt war, seine gesellschaftliche Reputation gerne ins Spiel brachte und mit seinen Prosaerzählungen und Gesprächsspielen eine zeitgenössisch sehr große Breitenwirkung erreichte. Hingegen fand sich der jüngere und unvermögende Klaj, dessen literarisch produktiver Aufenthalt in Nürnberg nicht einmal zehn Jahre dauerte, hier zwangsläufig als ‚Juniorpartner‘ wieder – und das, obwohl er in seinen Sprachexperimenten wohl weitaus ambitionierter und seiner Zeit in manchem weit voraus war.
2 Biographische Annäherung Johann Klaj dürfte vor etwas mehr als 400 Jahren, wohl 1616 – „wie Andreas Gryphius […] im Todesjahr von Shakespeare und Cervantes“9 – in Meißen geboren sein.10 Er studierte in Leipzig und Wittenberg Theologie und bei August Buchner, dem ‚Erfinder‘ der neuen Verskunst, Poesie. 1643 kam er ohne Universitätsabschluss als Kriegs- und Wirtschaftsflüchtling nach Nürnberg, wo er sich eine feste Anstellung und eine Integration ins kulturelle Leben der Stadt erhoffte. Neben Georg Philipp Harsdörffer gehörte der berühmte Johann Michael Dilherr (1604–1669) zu den Mentoren Klajs. Der vormalige Jenaer Theologieprofessor war selbst erst im Vorjahr nach Nürnberg gekommen, um die Leitung des Egidiengymnasiums zu übernehmen. Bald auf die freigewordene Pfarrstelle bei St. Sebald befördert, machte er sich als wortgewaltiger Prediger einen Namen und verbreitete seine mitunter irenischen Gedanken in Erbauungsschriften, Kanzelreden, Leichenpredigten und Liedern. Den mittellosen Exilanten Klaj unterstützte er nicht nur finanziell, sondern verschaffte ihm 1647 auch eine Lehrerstelle an der Latein
9 Hans Recknagel: Johann Klaj. 1616–1656. In: Wolfgang Buhl (Hg.): Fränkische Klassiker. Eine Literaturgeschichte in Einzeldarstellungen. Nürnberg 1971, S. 316–324, hier S. 317. 10 Das genaue Geburtsdatum bleibt bislang unbekannt. Zu Klajs Leben vgl. Conrad Wiedemann: Klaj, Johann der Jüngere. In: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 703 f.; Hans Recknagel: Art. Klaj (Claius), Johann. In: Manfred H. Grieb (Hg.): Nürnberger Künstlerlexikon. Bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. München 2007, Bd. 2, S. 786; Dirk Niefanger: Johann Klaj. In: Brigitte Korn / Michael Diefenbacher / Steven M. Zahlaus (Hg.): Von Nah und Fern. Zuwanderer in die Reichsstadt Nürnberg. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum Fembohaus vom 29. März bis 10. August 2014. Nürnberg 2014, S. 175–178. Vgl. auch den Beitrag von Werner Wilhelm Schnabel in diesem Band.
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Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
schule von St. Sebald. Dilherr – den man etwas flapsig „eine Art Kulturreferent der Stadt“ genannt hat11 – war es auch, der die Aufführung von Klajs Dramen bzw. Redeactus12 im Rahmen des von ihm selbst gegründeten Auditorium publicum neben St. Egidien (heute Willstätter-Gymnasium) ermöglichte. Im Saal des Augustinerklosters (in der Nähe des Weinmarkts) fand er hier ein interessiertes, wenngleich nicht unkritisches Publikum. In einem dieser Dramen Klajs, in der Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi, kann man ein bemerkenswertes Ankündigungsgedicht des Gönners lesen, das ganz offenbar dem Versuch geschuldet ist, Klaj bei den Honoratioren Nürnbergs als wichtige intellektuelle Stimme ins Gedächtnis zu rufen bzw. ihn als eine solche im Kreis der Stadtgelehrten zu implementieren:
Ihr Herren von dem Raht/ Ihr grossen Stadtregierer/ Ihr alle/ die ihr seyd der klugen Künste Führer/ Wann morgen/ liebt es Gott/ die Predigt früh wird auß/ Hört dem Poeten zu/ was er vom Musenhauß Euch süsses bringen wird. Es müssen sich verkriechen Die grosse Mutter ROM/ und alle Lügengriechen/ Wann unser Sprache strahlt. Die/ wann sie sich erhitzt/ Erschallet/ prallet/ brült/ sie wetterleucht/ und blitzt.13
Dilherrs Verse erscheinen schon auf den ersten Blick als eine Klajsche Poetik in nuce: Im Sinne der ‚Querelle‘ betont er selbstbewusst eine Absetzung von der Antike bei gleichzeitiger Aufwertung der deutschen Muttersprache. Ganz anders als es Opitz meint, erscheint nun die Poesie als „verborgene Theologie“,14 und zwar im aktuellen Gewand einer Dichtung, die mit geradezu göttlicher Inspiration etwas Wichtiges zu sagen hat: „Hört dem Poeten zu/ was er vom Musenhauß | Euch süsses bringen wird.“ Dilherrs Plädoyer, Klajs Poesie als religiös inspirierte Texte neben die Predigt zu stellen und ihr eine eigene Wertigkeit zuzusprechen, ist erstaunlich, zumal wenn dieses Plädoyer von einem der bekanntesten Prediger der
11 Recknagel, Johann Klaj (wie Anm. 9), S. 318. 12 Vgl. Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69) und Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 26). 13 Johann Michael Dilherr: Der Herr fährt auf […]. In: Johann Klaj: Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi. Nürnberg 1644, fol. A4r. 14 Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey. Studienausgabe. Hg. v. Herbert Jaumann. Stuttgart 2002, S. 14: Die „Poeterey“ sei „anfangs nichts anderes gewesen als eine verborgene Theologie“.
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Stadt stammt. Es passt aber durchaus zu Klajs ambitionierter Lobrede der Teutschen Poeterey (1645), in der der durch den heiligen Furor inspirierte Dichter durch „eine sonderbare Himmelsgnade“15 auszeichnet wird, über die er exklusiv seit seiner Geburt und den ersten Kindheitstagen verfügt. Die letzten Verse Dilherrs zitieren in den farbigen Verben Klajs Rede:16 Der Ton, den die Poesie Klajs anschlägt, ist von Emotionalität (frühneuzeitlich: Affekten) geprägt, die kongenial in Form übertragen wird. Wenn Klajs Dichtung sich „erhitzt“, ja dann „erschallet“ sie, „prallet/ brült“, dann „wetterleucht[et]“ sie „und blitzt“. Diese sprachlich ausgedrückte Emotionalität, diese Form gewordenen Affekte sind das, was Klajs Dichtung – nicht nur aus der Sicht Dilherrs – vor anderen Barockdichtern auszeichnet und spätere Diskurse der Empfindsamkeit und Aufklärung auf ihre Weise ‚unzeitgemäß‘ anklingen lässt. Bemerkenswert ist, dass dieses Merkmal von Klajs Dichtung schon von seinem Gönner gesehen wurde, von den Adressaten der Klajschen Dichtung und der Dilherrschen Ankündigungsverse – den „Edlen/ Ehrenvesten/ Fürsichtigen/ Hoch- und Wolweisen HERREN Herren Burgermeistern und Rahte der weitberühmten Freien Käiserlichen Reichs-Stadt Nürnberg“17 – aber offenbar nicht. Denn obwohl Klaj nicht wenige Gelegenheitspoeme und auch größere Texte wie das genannte Drama zu Ehren Nürnberger Honoratioren verfasste, konnte er auf Dauer keine repräsentative und finanziell absichernde Stelle in der Reichsstadt erhalten – die Position als Collega tertius an der Sebalder Lateinschule, die er 1647 bekam, musste wohl eher als vorübergehende Notlösung dienen, zumal mit der Eheschließung im folgenden Jahr und der Geburt eines ersten Sohnes ein Jahr später auch zusätzliche soziale und familiäre Verpflichtungen zu erfüllen waren. Immerhin war es dem Zuwanderer damit gelungen, in eine sehr gut beleumundete und auch in literarischen Kreisen bekannte Familie von Ärzten einzuheiraten, die mit der Herkunft aus der rekatholisierten Oberpfalz selbst einen exulantischen Hintergrund hatte.18 Um Etablierung und Aufstieg voranzutreiben, nahm Klaj das auf Dilherrs Vermittlung erfolgte Angebot gerne an, im kleinen mainfrän-
15 Johann Klaj: Lobrede der teutschen Poeterey. Nürnberg 1645, S. 19; Textausschnitt auch bei Marian Szyrocki (Hg.): Poetik des Barock. Stuttgart 1977, S. 87 f., hier S. 88. 16 Vgl. Klaj, Lobrede, S. 18 (Szyrocki, S. 87). 17 Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. A2r. 18 Georg Andreas Will: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon oder Beschreibung aller Nürnbergischen Gelehrten beyderley Geschlechtes nach Ihrem Leben/ Verdiensten und Schriften […]. Fortgesetzt von Christian Konrad Nopitsch. 8 Bde. Nürnberg-Altdorf 1755–1758 und 1802–1808, hier Bd. III, S. 426–431; ebd. VII, S. 336 f.; vgl. Theodor Verweyen / Wolfgang Srb: Auf den Spuren eines hessisch-mitteldeutschen Späthumanismus. In: Dirk Niefanger / Werner Wilhelm Schnabel (Hg.): Positionierungen. Pragmatische Perspektiven auf Literatur und Musik der Frühneuzeit. Göttingen 2017 (Schriften des Frühneuzeitzentrums Potsdam, 4), S. 108, 132 f.
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Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
kischen Kitzingen „Seelsorger und Kantor“ zu werden.19 Zu diesem Behufe ließ er sich Ende 1650 an der Nürnberger Universität in Altdorf ordinieren. Bald darauf siedelte er nach Kitzingen um; hier, in der „Diasporagemeinde“20 konnte er als Pfarrer mit vielen ganz unterschiedlichen Verpflichtungen tätig werden. 1656, mit 40 Jahren, erlag er dort „während des Mittagsmahles“ einem Schlaganfall.21
3 Literaturgeschichtliche Annäherung Der Barockgelehrte, Poet, Dichtungstheoretiker, Redner, Lehrer, Panegyriker, Friedensdichter, Theologe, Kinderbuchautor und Flugblattschriftsteller hat vor allem seit dem frühen 20. Jahrhundert im Zusammenhang mit der ‚Wiederentdeckung‘ und Neubewertung des Barock einen geradezu legendären Ruf: Er galt schon früh als „der wahre Fürst des Nürnberger Parnasses“22 und noch in der jüngeren Forschung – bei Renate Jürgensen – firmiert er als „der wohl begabteste Lyriker des 17. Jahrhunderts in ganz Deutschland“.23 Peter Czoik rechnet ihn zu den „großen Formbegabten und Klangmalern des deutschen Literaturbarock“,24 nicht ohne ihn allerdings – Kühlmann offenbar falsch verstehend – als versteckten Jesuiten zu lesen. Ferdinand van Ingen nannte ihn zu Recht „das eigentliche Sprachgenie der Nürnberger.“25 Conrad Wiedemann fasste ihn etwas modernistisch als einen „Bohemien und genialischen Einzelgänger“ auf,26 der „ein Mann […] von mächtigem Ansehen“ gewesen sei, „jäh im Zorn und wohl auch in der Liebe“.27 Klajs Leben, heißt es an anderer Stelle, schillere „stetig zwischen Erfolgsstory und Sozialfall“.28 Und Richard Alewyn rückte – so die Erinnerung Klaus Gar
19 Wiedemann, Johann Klaj und seine Redeoratorien (wie Anm. 12), S. 19. 20 Peter Czoik: Johann Klaj. In: Literaturportal Bayern (https://www.literaturportal-bayern.de/ autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=118723324, eingesehen am 21.9.2016 – dort mit unpassendem Porträtstich des Neuburger Superintendenten Johannes Kleinau). 21 Wiedemann, Johann Klaj und seine Redeoratorien (wie Anm. 12), S. 20. 22 Herbert Cysarz: Barocklyrik, Bd. I: Vor- und Frühbarock. 2. Aufl. Leipzig 1937, S. 69. 23 Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006, S. 51. 24 Czoik, Johann Klaj (wie Anm. 20). 25 Ferdinand van Ingen: Georg Philipp Harsdörffer und die Pegnitz-Schäfer Johann Klaj und Sigmund von Birken. In: Deutsche Dichtung. Bd. 2. Reformation, Renaissance und Barock, S. 195– 211, hier S. 204. 26 Wiedemann, Johann Klaj und seine Redeoratorien (wie Anm. 12), S. 5. 27 Cysarz, Barocklyrik I (wie Anm. 22), S. 69. 28 Conrad Wiedemann: „Im Himmel wird es laut“. Über die diesseitigen Jenseitsvisionen des Johann Klaj. In: John Roger Paas (Hg.): Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 243–256, hier S. 249.
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bers – einzelne Proben aus dem Pegnesischen Schäfergedicht hinsichtlich ihrer artistischen Vollendung in die Nähe der großen Romantiker Brentano und Eichendorff.29 Insbesondere die Dramen Klajs – „Experimente […] mit nicht-aristotelischen Dramenstrukturen“, die, so Titzmann, von der Forschung bislang „zu wenig gewürdigt wurden“30 – hatten unter Dichterkollegen schon früh Beachtung gefunden, wenn auch keine unkritische. Immerhin befasste sich der Aufklärer Johann Elias Schlegel (1719–1749) eben nicht nur mit Shakespeare und Gryphius,31 sondern auch mit den Dramen Klajs. Ihnen hielt er zwar deutliche Regelverstöße vor; aber der Nürnberger Poet habe, schreibt Schlegel, von der „Art dieser Regeln nichts gewusst“.32 An einer „natürlichen Geschicklichkeit zum Trauerspiele“ habe es ihm indes wohl „nicht […] gemangelt.“33 Er verbuchte sie daher als eine besonders bemerkenswerte historische Form szenischer Rede – und das in einer Zeit, in der Gottsched und andere den ‚barocken Schwulst‘ längst strikt ablehnten. Die Kenntnis der Dramen Klajs, so Schlegel, gehöre „zur Geschichte des Schauplatzes“, zur Historie des Theaters in Deutschland.34 Und die Forschung ist sich längst einig, dass Johann Klaj innerhalb der Pegnitzschäfer eine zentrale Rolle gespielt hat. „Wohl keine Gruppe der Zeit zeigt eine solche Lust am literarischen Experiment wie die Nürnberger“,35 allen voran: Johann Klaj. „Einmalig und großartig, zumindest im Kreis der Pegnitzschäfer“, sei, so Recknagel zurecht, „Klajs Sprachgewalt.“36 Bedenkt man all dies, verwundert es doch, dass Johann Klaj in der literaturgeschichtlichen Forschung im engeren Sinne wie in der Wahrnehmung durch die interessierte Öffentlichkeit stets im Schatten der anderen beiden bedeutenden Nürnberger Barockautoren Georg Philipp Harsdörffer und Sigmund von Birken (1626–1681) sowie der wichtigsten geistlichen Dichterin des Jahrhunderts, der (später Nürnberger) Poetin Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694), geblieben ist. Selbst die bedeutende Dichtersozietät, die er mitbegründet hat, hat
29 Vgl. Klaus Garber: Zum Bilde Richard Alewyns. Paderborn 2005, S. 27. 30 Michael Titzmann: Zur Dichtung der Nürnberger ‚Pegnitz-Schäfer‘: ‚O Pan / der du in Wäldern irrest‘. Ein Gedicht von Birken und Klaj und sein Kontext. In: Albrecht Weber (Hg.): Handbuch der Literatur in Bayern. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1987, S. 221–234, hier S. 223. 31 Vgl. Johann Elias Schlegel: Vergleichung Shakespeares und Andreas Gryphs und andere dramentheoretische Schriften. Hg. v. Steven D. Martinson. Stuttgart 1984. 32 Johann Elias Schlegel: Nachricht und Beurtheilung von Herodes dem Kindermörder. In: Werke, Dritter Theil. Hg. von Johann Heinrich Schlegel. Kopenhagen, Leipzig 1764, S. 8. 33 Schlegel, Nachricht (wie Anm. 32), S. 26. 34 Schlegel, Nachricht (wie Anm. 32), S. 26. 35 Titzmann, Zur Dichtung der Nürnberger (wie Anm. 30), S. 223. 36 Recknagel, Johann Klaj (wie Anm. 9), S. 321.
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Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel
auf der Schauseite eines Gedenksteins im Irrhain bei Kraftshof ausschließlich den Nürnberger Patrizier Harsdörffer als Gründer und ersten Präses verewigt – für den jüngeren, oft originelleren, aber dann wieder aus der Reichsstadt abgewanderten sächsischen Migranten (ebenso wie für seinen aus Böhmen stammenden Kollegen Betulius/Birken) blieb es bei einer unkommentierten Nennung ‚am Rande‘.37
Abb. 5: Gedenkstein im Irrhain der Pegnitzschäfer bei Kraftshof (Foto: Werner Wilhelm Schnabel)
37 Der Gedenkstein, ursprünglich für den Kaufmann Johann Friedrich Heinrich Cramer († 1778) errichtet, wurde erst im Jubiläumsjahr 1894 für die drei bestimmenden Poeten der Frühzeit des Ordens umgewidmet: vgl. Hermann Rusam: Der Irrhain des Pegnesischen Blumenordens zu Nürnberg. Des löblichen Hirten- und Blumen-Ordens an der Pegnitz Irr-Wald bei Kraftshof. Nürnberg 1983 (Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft, 33), S. 43.
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Während zu den ersten beiden Präsides des Pegnesischen Blumenordens wie zur Greiffenberg in den letzten Jahren einige Sammelbände erschienen sind,38 hat es bislang niemand für nötig befunden, auch zu Johann Klaj, dem (zweiten) Gründungsmitglied der ältesten heute noch existierenden deutschen Literaturgesellschaft, etwas Vergleichbares zu initiieren. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Klaj ähnlich vielseitig wie Harsdörffer oder Birken, aber wesentlich origineller oder artistischer, vielleicht auch risikoreicher als beide geschrieben hat. Seine Ausnahmestellung war bereits den zeitgenössischen Beobachtern bewusst. Man meint dies in den Versen des schon ‚gereifteren‘ Altdorfer Studenten und späteren kursächsischen Rates Samuel Hund (1609–nach 1660) herauszuhören, wenn er in einem etwas hölzernen Buchbegleitgedicht für Klaj39 diesen nicht nur als einen Meister der Reime rühmt, sondern auch sein „hurtige[s] Wesen“ hervorhebt, dessen Dichten ein „Vberlauffen alle[r] Schranken“ darstelle. Mit seinen ebenso ‚klüglichen‘ wie ‚künstlichen‘ Versen zeige er deutlich, wozu die deutsche Sprache fähig sei. Durch seine „Sprachen-lehre“ werde er unweigerlich zum Begründer einer neuen deutschen Rednertradition; den „schwätzigen Römer[n]“ und den „glatten Frantzosen“, die die deutsche Wohlredenheit zuvor „hönisch“ abgetan hätten, würde nun gerade aus Nürnberg gleichwertige Konkurrenz entgegengestellt. Der Gedankengang endet schließlich mit der Zuversicht auf den Erfolg der in der Reichsstadt tätigen, aufs Beste zusammenwirkenden Gruppe: Der Handel ist leicht: Dein Dilherr stimmt die Saiten/ Der Spielende spielt/ man hört ihn auch von weiten/ Und dein gelehrter Vogel singt/ Herr Clajus schöne Reimen zwingt/ Man wird auf vielen Chören Dein Ruhm=Gerüchte hören.
38 Vgl. etwa Doris Gerstl (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg 2005; HansJoachim Jakob / Hermann Korte (Hg.): Harsdörffer-Studien. Mit einer Bibliographie der Forschungsliteratur von 1847 bis 2005. Frankfurt/M. 2006; Stefan Keppler-Tasaki, / Ursula Kocher (Hg.): Georg Philipp Harsdörffers Universalität. Beiträge zu einem uomo universale des Barock. Berlin 2011 – Klaus Garber / Hartmut Laufhütte / Johann Anselm Steiger (Hg.): Sigmund von Birken (1626–1681). Ein Dichter in Deutschlands Mitte. Berlin 2019 – Gesa Dane (Hg.): Scharfsinn und Frömmigkeit. Zum Werk von Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694). Bern u. a. 2013; Mireille Schnyder u. a. (Hg.): Das Wunderpreisungsspiel. Zur Poetik von Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694). Würzburg 2015. 39 Vgl. Samuel Hund: DJe muhtigen Geister […]. In: Johann Klaj: Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. Jijv–Jiijv.
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Während Dilherr gewissermaßen als Initiator und Impressario der musikalisch-literarischen Stadtkultur erscheint und Harsdörffer (‚der Spielende‘ in der Fruchtbringenden Gesellschaft) als souveräner, bereits erfolgreicher Instrumentalist auftritt, der Rektor der Sebalder Schule und geistliche Dichter Johann Vogel (1589–1663) den Part des Sängers übernommen hat, wird Klaj hier als Schöpfer der Texte gerühmt, deren außergewöhnliche Kraft in Zukunft breite Wahrnehmung und Wertschätzung erfahren würden. Wäre dem tatsächlich so gewesen, würde sich der hier vorliegende Sammelband erübrigen. Tatsächlich aber steht Klaj für ein Dichten, das von Anfang an nicht unumstritten war. Nicht nur sein Lebenswandel oder -weg, der späteren Interpreten bisweilen bizarr erschien, sondern auch seine neuartigen Verse scheinen höchst diskussionswürdig gewesen zu sein. Darauf deutet der Umstand, dass sogar die Begleitgedichte zu seinen Schriften mitunter kritische Einwände thematisierten, die von anderen vorgebracht wurden. Christian Betulius (1619– 1677), selbst Glaubensflüchtling aus Eger und älterer Bruder des jugendlichen Poeten Sigismund Betulius, der sich später Sigmund von Birken nennen sollte, räumte ganz offen ein, dass die Hervorbringungen des Meißner Poeten „nicht von allen“ goutiert worden seien.40 Zur Verwunderung nicht nur der einfachen Leute, sondern auch der gelehrten Welt habe Klaj aber eindrucksvoll gezeigt, „was die Teutsche Zung vermög“ und mit der „Lieblichkeit“ und ‚Zierlichkeit‘ seiner Sprache gezeigt, wo der Weg zu Klio führe. Auch Hinweise wie die des Studenten und späteren Juristen Rudolf Carl Geller (* um 1629), dass angesichts der öffentlich vorgetragenen Lieder „Neidhart blökt und tobet“,41 oder die Anmerkung Birkens, dass die sprachliche Kunstfertigkeit „NeiderSchmach“ provoziere,42 lassen darauf schließen, dass die Auftritte des Meißner Zuwanderers alles andere als unumstritten waren. Immerhin beschritt er Wege, die auch die Zeitgenossen als neu wahrnahmen.43 Und auch Klaj selbst bemerkte selbstbewusst, dass er in die „neuübliche Schreibekunst“ (die er in verschiedenen Titelformulierungen seiner frühen Schriften bereits wiederholt betont
40 M. C. B. (= M. Christian Betulius): Johannes Clajus. Versetzet/ Hinaan/ süse Clio. In: Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. Jijv. 41 Rudolf Carl Geller: ALs das Eiß das Band der Flüsse […]. In: Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. Jivr. 42 Sigismund Betulius: Wiederkehr. In: Johann Klaj: Der Leidende Christus […]. Nürnberg 1645, S. 71. 43 Vgl. Samuel Hund: WO will hin Nürenberg dein Ruhm und so viel Ehre? […]. In: Klaj, Der Leidende Christus (wie Anm. 42), S. 70: „Thut viel/ was nie gethan.“ Der Verfasser rät dem Adressaten dabei übrigens auch, nicht zu vergessen, dass im Verhältnis von Nürnberg und Meißen „jenes Amme zwar/ diß dannoch Mutter bleibet“.
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hatte)44 manche „hierinnen unverhörte[] Sache“ eingebracht habe.45 Mit seiner Schreibart und Orthographie positionierte er sich also bewusst als Neuerer und Außenseiter, der gegen gewohnte Lese- und Hörgewohnheiten agierte. Dem dienten zunächst auch die ungemein reichhaltigen Anmerkungen seiner Frühschriften, in denen er nicht nur gelehrte Sachkommentare und Quellenreferenzen, sondern darüber hinaus auch Einblicke in die Anlage und ‚Gemachtheit‘ seiner religiösen Dichtungen gab – ein Verfahren, das Kritikern gewissermaßen den Wind aus den Segeln nehmen sollte und erkennbar um Verständnis für seine durchdachten Strukturen, seine wechselnden Vers- und Strophenformen, seine sprachlichen und lautmalerischen Experimente und gewagten Metaphern warb. Klajs formstarke Poesie stieß bei den eher konservativen Zeitgenossen gleichwohl auf heftige Ablehnung. Der Hamburger Erdmann Neumeister (1671–1756) etwa bemerkte, Klaj habe sich bei seiner Dichtung „vom gesunden Maß der deutschen Sprache allzu weit entfernt“,46 eine Einschätzung, die Johann Herdegen (1692–1750), der Historiker des Pegnesischen Blumenordens, noch 50 Jahre später wiederholte.47 Demgegenüber war der offensive Impetus, mit der der „Teutsche Eiferer“48 für die Muttersprache eintrat und dies immer wieder in geradezu aggressiven Bildern zum Ausdruck brachte,49 um die Mitte der 1640er Jahre schon kein eigentliches Skandalon mehr. Bei Rezipienten, die gegenüber ‚Neuem‘ aufgeschlossener und zudem sprach- und kulturpatriotisch eingestellt waren, erwarb sich Klaj mit dem von ihm gepflegten „Kunstteutschem Vers“50 hingegen rasch auch begeisterte Unterstützung. Hier wurde der Bewunderung für die „nach neuer Art gebundenen Reden reiche Zier“ Ausdruck verliehen, mit denen er „meisterlich“ eine Ver-
44 Etwa: „Jn ietzo neuübliche hochteutsche Reimarten verfasset“ (Aufferstehung JES. CHRJSTJ […], Nürnberg 1644); „Jn jetzo Kunstübliche Hochteutsche Reimarten verfasset“ (Höllen- und Himmelfahrt, wie Anm. 13). 45 Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), S. 24. 46 Erdmann Neumeister, zit. nach Jürgensen, Melos conspirant singuli in unum (wie Anm. 23), S. 52. 47 Vgl. Jürgensen, Melos conspirant singuli in unum (wie Anm. 23), S. 53 unter Bezug auf Amarantes, Nachricht, S. 236 f. 48 Sigismund Betulius: STille! was hör ich? Stein-Waldbeseelende Lieder […]. In: Johann Klaj: Herodes der Kindermörder […]. Nürnberg 1645, fol. Jivr. 49 „Der Römer/ der ihm hat bißher sehr viel getraut/ | Ist gegen Teutsch ein Wind und Klingel ohne Laut“; „Jetzt kann ein teutscher Mann sich recht behutsam schützen/ | Den Feind zurükke haltn mit seiner Spracheblitzen“ (Klaj, Aufferstehung, wie Anm. 44, fol. Aijv). 50 Johann Michael Dilherr: WEr jener Weisen Rei’/ aus weit entlegnem Ort […]. In: Klaj, Herodes (wie Anm. 48), fol. Aivr.
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gegenwärtigung der geschilderten Ereignisse und Sachverhalte erreiche;51 gerühmt wurde das Vermögen Klajs, den Zuhörer mit sprachlichen Mitteln direkt in die Handlung hineinzuziehen und dadurch „Erstaunen“ zu erregen.52 Selbst sein Lehrer Justus Georg Schottel (1612–1676) unterstrich den Eindruck, dass in Klajs Versen „Teutscher Sprache volle Zier“ erscheine und ihm nicht nur die Liebe der Frommen, sondern auch Lob und Ruhm der Gelehrten einbringen werde.53 Man pries den „wunderbegabten Poeten“, vor dem sogar die Musen erröten müssten,54 bezeichnet ihn als „Meisner Schwan“55 und rief ihn als „teutsche Clio“ aus;56 Harsdörffer – der ansonsten durchaus kritische Anmerkungen platzierte57 – setzte ihn gar mit Orpheus gleich, der die dunklen Anschläge (gegen die deutsche Sprache) zunichte mache.58 Beide zusammen fungierten in der Wahrnehmung der damaligen Literaturliebhaber als ‚Vorsänger‘ eines Chores, wobei dem Patrizier das ‚Spiel‘, Klaj aber das ‚Gefühl‘ zugemessen wurde.59
4 Klajs Dichtung als avantgardistische Literatur Mit der Bildlichkeit des Voranschreitens und der Vorbildfunktion für andere wird das Attribut der ‚Avantgarde‘ gewissermaßen nahegelegt. Tatsächlich ist der Begriff schon Mitte des 17. Jahrhunderts ins Deutsche eingewandert, hat hier
51 Johann Vogel: WAnn Herr Clajus/ was im Himmel […]. In: Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. Jijr. 52 Georg Philipp Harsdörffer: Wiederkehr/ Entgegengesetzt den Verächteren der Teutschen Sprache. In: Klaj, Aufferstehung (wie Anm. 44), fol. Giijr. 53 Justus Georg Schottel: GRimmer Tod du liegst gebunden […]. In: Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. Jv–Jijr. 54 Johann Vogel: WEr wollte dem grossen Besieger der Höllen […]. In: Klaj, Aufferstehung (wie Anm. 44), fol. Giijv. 55 Sigismund Betulius: STille! was hör ich? Stein-Waldbeseelende Lieder […]. In: Klaj, Herodes (wie Anm. 48), fol. Jivr. 56 Johann Grav: JHr/ dessen kluger Geist […]. In: Klaj, Aufferstehung (wie Anm. 44), fol. Giijv– Givr. 57 Georg Philipp Harsdörffer: Liebwerther Herr/ geehrter Freund […]. In: Klaj, Herodes (wie Anm. 48), S. 55–62, hier S. 61; ders.: Liebwerther Herr/ geehrter Freund […]. In: Johann Klaj: Der Leidende Christus (wie Anm. 42), S. 30–34. 58 Georg Philipp Harsdörffer: ALs Euridice durchspatzierte die Auen […]. In: Klaj, Höllen- und Himmelfahrt (wie Anm. 13), fol. Jr–v. 59 Rudolf Carl Geller: WJe sind die Pierinnen […]. In: Klaj, Herodes (wie Anm. 48), fol. Jivv: „Harsdorff/ Klajus singen vor/ | Last uns folgen ihrem Chor“. Dort auch die Zuordnung von ‚Welt‘ und ‚Geist‘ bzw. ‚Welt‘ und ‚Himmelszelt‘ an die beiden ‚avantgardistischen‘ Autoren.
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aber zunächst eine militärische Bedeutung (Vorhut, Spähtrupp).60 Im 19. Jahrhundert bekommt er politische Implikationen: Er bezieht sich dann auf elitäre Gruppierungen, die auf gesamtgesellschaftliche Veränderungen drängen.61 Als „Sammelbegriff für Kunstströmungen“, die den „traditionellen Kunstbegriff sprengen“,62 etabliert sich die Bezeichnung ‚Avantgarde‘ aber wohl erst im 20. Jahrhundert vor allem für zeitgenössische Kulturphänomene im Kontext der ‚klassischen Moderne‘.63 Recht bald nutzt man in diesem Zusammenhang die Spezifikation ‚historische Avantgarde‘, um sich von einer un- oder überhistorischen Klassifikation abzusetzen. Prägend waren hier Peter Bürgers Studien zur Theorie der Avantgarde (mit Bezug auf Duchamp, Picasso, Warhol usw.) sowie für die jüngere literaturgeschichtliche Anwendung wohl die Studien und Sammelbände von Walter Fähnders.64 Im Bereich des modernen Theaters verweist man gerne auf einen einschlägigen Band von Erika Fischer-Lichte.65 In der Kombination miteinander werden die Vorstellungen des ‚Barocken‘ und der ‚Avantgarde‘ gemeinhin als Gegensätze verwendet und häufig in ein ‚von-bis‘oder ‚von-zur‘-Verhältnis gesetzt; sie bilden nach gängiger Vorstellung also Gegenpole in einer Bewegung vom Alten und Überholten zum Progressiven und Zukunftsträchtigen.66 Tatsächlich ist allerdings vereinzelt auch in der Frühneuzeit-Forschung das Auftauchen des Avantgarde-Begriffs zu notieren.67 Bemerkenswerter Weise liest man ihn hier schon 1966, also deutlich vor Bürger und Fähnders und zwar explizit
60 Vgl. Der Duden. Hg. v. Günther Drosdowski u. a. Bd. 7: Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. Mannheim 21989, S. 56; Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Bearb. von Elmar Seebold. Berlin, New York 231999, S. 70. 61 Prominent etwa in Lenins kommunistischer Programmschrift Was tun? (1902). 62 Georg Jäger: Avantgarde. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. v. Klaus Weimar u. a., Bd. 1, S. 183–187, hier S. 183. 63 Vgl. Hannes Böhringer: Avantgarde – Geschichte einer Metapher. In: Archiv für Begriffsgeschichte 22 (1978), S. 90–114. 64 Vgl. Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. Frankfurt/M. 1974; Walter Fähnders: Avantgarde und Moderne (1890–1933). Lehrbuch Germanistik. Stuttgart, Weimar 1998; Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909–1938). Hg. v. Wolfgang Asholt / Walter Fähnders. Stuttgart, Weimar 1995; Hubert van den Berg / Walter Fähnders (Hg.): Metzler Lexikon Avantgarde. Stuttgart 2009. 65 Vgl. Erika Fischer-Lichte (Hg.): TheaterAvantgarde. Wahrnehmung – Körper – Sprache. Tübingen, Basel 1995. 66 Vgl. etwa Hannes Böhringer: „Auf die Verbindung kommt es an, und daß sie vorher ein bißchen unterbrochen wird“ (Hugo Ball, 1916). In: Helmar Schramm / Ludger Schwarte / Jan Lazardzig (Hg.): Spuren der Avantgarde: Theatrum anatomicum. Frühe Neuzeit und Moderne im Kulturvergleich. Berlin, New York 2008 (Theatrum scientiarum, 4), S. 3–9. 67 Vgl. etwa Schramm/Schwarte/Lazardzig, Spuren der Avantgarde (wie Anm. 66).
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in Bezug auf Johann Klajs experimentelle Dichtung.68 Eine solche, weniger historisch-normative als systematische Verwendung des Begriffs sieht sich im Einklang mit kunstsoziologischen Analyseansätzen, die das Auftreten, die Selbstpositionierungen, Funktionen und Wirkungen von Avantgarden und Derrièregarden (im Plural)69 auch in anderen Epochen und weit über den Literaturbetrieb hinaus konstatieren;70 beschreibbar werden damit Konkurrenzen im kulturellen Markt, bei denen durch die Akzentuierung spezifischer Vorstellungen von Zeitgemäßheit und Zukunftsfähigkeit erfolgversprechende Positionen besetzt werden. Hierbei orientiert man sich an der älteren Bedeutung des Begriffs, die das Phänomen des Voranschreitens oder Vorkämpfen ins Zentrum rückt. Versteht man ‚Avantgarde‘ in diesem Sinn als Ausdruck für Kunstströmungen, die übliche Ausdrucksmöglichkeiten radikal und experimentell erweitern, insbesondere mit der Intention, diese ästhetisch wie sozial begründete Erweiterung als Spielraum einer zukünftigen Kunst zu etablieren,71 so wird man Johann Klaj durchaus als ‚avantgardistischen‘ Künstler und die frühen Pegnitzschäfer als ‚avantgardistische‘ Künstlergruppe rubrizieren können. Auch wenn die „barocke Literatur […] trotz ihrer oft avantgardistischen Stillage Gesellschaftdichtung“72 bleibt, wenn sie sich also nicht zuletzt an Gelegenheiten, Anlässen, Mäzenen, Auftraggebern und deren Anforderungen ausrichtet, wie es ohne Zweifel auch bei Johann Klaj zu konstatieren ist: Einer Nutzung ungewöhnlicher und nach eigenem Verständnis für die Zukunft wegweisender Verfahren widerspricht dies keineswegs. In einem solchen Sinne ist der inzwischen oft zu einer Art Signatur der literarischen Moderne verengte Begriff durchaus auch in anderen Zusammenhängen zu verwenden.73 Festzuhalten bleibt immerhin, dass der Nürnberger Barockdichtung im Urteil der neueren literaturwissenschaftlichen Forschung gerade wegen Klajs durchaus gewagten Formexperimenten eine besondere Bedeutung in der deutschen Literatur- und Kulturhistorie attestiert wird. Meids umfassende Literaturgeschichte des
68 Vgl. Wiedemann, Johann Klaj und seine Redeoratorien (wie Anm. 12), S. 75. 69 In diesem Sinne auch: Manfred Hardt (Hg.): Literarische Avantgarden. Darmstadt 1989 (Wege der Forschung 648) oder Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Übers. von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt/M. 2001, S. 401. 70 Alfred Smudits u. a.: Kunstsoziologie. München 2014 (Lehr- und Handbücher der Soziologie), S. 133. 71 Zum zeitkritischen Impetus solcher Avantgarden vgl. Niklas Luhmann: Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt/M. 1997, S. 467, 471. 72 Recknagel, Johann Klaj (wie Anm. 9), S. 320. 73 Willkürlich ausgewählte Beispiele: Franziska Koch: Die ‚chinesische Avantgarde‘ und das Dispositiv der Ausstellung. Konstruktionen chinesischer Gegenwartskunst im Spannungsfeld der Globalisierung. Bielefeld 2016; Stefan Trinks: Antike und Avantgarde. Skulptur am Jakobsweg im 11. Jahrhundert. Jaca – León – Santiago. Berlin 2012.
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17. Jahrhunderts konstatiert nicht zu Unrecht, dass im barocken Nürnberg „Klaj die eigentliche sprachschöpferische Kraft“ gewesen sei,74 während Birken und Harsdörffer eher als Netzwerker und Auftragsdichter erfolgreich und für die Kulturentwicklung der Reichsstadt relevant waren. Klajs Schäfergedichte,75 Festbeschreibungen, Flugblätter, sein Kinderbuch oder seine Dramen76 wirken spielerisch wie kaum andere zeitgenössische Texte, überaus kreativ, oft übertrieben klangverliebt und nutzen ausgiebig den von der etablierten Opitz-Schule kritisierten, aber sehr musikalisch klingenden Daktylus. Unverständnis und Widerstand der „ästhetischen Orthodoxie“,77 die dem Poeten deshalb entgegenschlugen, belegen seine schon von den Zeitgenossen empfundene Distanz zum eingespielten Literaturbetrieb und dessen poetologischen Regelsätzen überdies. Andererseits gilt es grundsätzlich zu bedenken, dass Klaj keine grundsätzliche Neuorientierung der Poesie anstrebte, sondern durchaus auch ältere Textverfahren verwendete und sich mitunter an eingeführten Werthorizonten ausrichtete. Das ‚Avantgardistische‘ als ein Signum seiner Dichtung schlechthin herauszustreichen, würde dem vielgestaltigen und ohne Zweifel sich auch an spezifischen Traditionen (etwa der geistlichen Dichtung oder der Renaissance-Poetiken) orientierende Schaffen Klajs nicht gerecht. Eine derartige Auszeichnung stünde deshalb in Gefahr, als werbliche Etikettierung missverstanden zu werden, der man missgünstig eine mehr rhetorische denn historisch-kritische Aufwertung des Forschungsgegenstandes unterstellen könnte. Deshalb haben sich die Herausgeber – nach der freundlichen Intervention eines besorgten Kollegen – entschlossen, Klajs Dichtung nicht schon im Titel ihres Sammelbandes als ‚avantgardistisch‘ zu rubrizieren und damit die Vorgabe eines gar zu eindeutigen Interpretationsansatzes zu vermeiden. Als etwas provokative Anfrage an die bisherige Literaturgeschichte, die Johann Klaj – wie erwähnt – bisher eindeutig zu stiefmütterlich behandelt hat, sollen die hier angedeuteten Überlegungen zum ‚Avantgarde‘-Charakter der Nürnberger Barockdichtung aber durchaus verstanden werden. Deren literarische Möglichkeiten und Spielräume78
74 Volker Meid: Die deutsche Literatur im Zeitalter des Barock. Vom Späthumanismus zur Frühaufklärung. München 2009, S. 182, vgl. S. 119 und 176. 75 Vgl. Klaus Garber: Der Locus amoenus und der Locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln, Wien 1974. 76 Vgl. Paul, Reichsstadt und Schauspiel (wie Anm. 12). 77 Bourdieu, Regeln (wie Anm. 69), S. 401. 78 Vgl. Wilfried Barner: Spielräume. Was Poetik und Rhetorik nicht lehren. In: Hartmut Laufhütte u. a. (Hg.): Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 2000 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 35), Bd. 1, S. 33–67 und Jörg Wesche: Literarische Diversität. Abweichungen, Lizenzen und Spielräume in der deutschen Poesie und Poetik der Barockzeit. Tübingen 2004 (Studien zur deutschen Literatur, 173).
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gilt es gerade anhand dieses Autors in besonderer Weise auszuloten. Es ist eine Hauptaufgabe der Forschung, diese Spielräume in Relation zu den historischen und sozio-kulturellen Möglichkeiten möglichst genau – mit Geertz möglichst ‚dicht‘79 – zu beschreiben.
5 Zu Aufbau und Herangehensweise des Autorenbandes Zwar erscheint Klajs Werk vergleichsweise schmal, doch sind viele und gerade die scheinbar weniger ‚poetischen‘ Texte bislang kaum erforscht worden. Diese sind für die Kulturgeschichte der Barockzeit, insbesondere jene der Reichsstadt Nürnberg, aber kaum wertvoll genug zu taxieren. Zu nennen wären etwa seine umfangreichen Dichtungen zu den Nürnberger Friedensexekutionsverhandlungen (1650), seine Beiträge zu den Kernschriften des Pegnesischen Blumenordens, seine bukolische Lyrik, seine geistlichen Lieder, seine Dichtungstheorie, sein religionsdidaktisches Kinderbuch, sein Gelegenheitsschrifttum zu Nürnberger Anlässen freudiger oder trauriger Art, seine Flugblätter zu unterschiedlichen sozialen Themen wie Hexen-Furcht, Druckerkunst oder Waisenkindern, die (in ihrer Komplexität auf ganz unterschiedliche Rezipientengruppen abgestimmten) theologischen Texte oder seine innovativen dramatischen Werke, über deren gattungsspezifische Zuordnung die Forschung bis heute uneins ist. Dies alles gilt es neu in den Blick zu nehmen, zu analysieren, zu ordnen und möglichst dicht zu beschreiben. Nicht zuletzt gilt es die Texte nach neueren Erkenntnissen auch denkgeschichtlich zu verorten und sozial- wie regionalgeschichtlich zu kontextualisieren. Dem will dieser Sammelband in einem interdisziplinären, methodisch offenen, vor allem aber kulturgeschichtlich interessierten Zugriff erstmals gerecht zu werden. Das einerseits überschaubare, andererseits aber auch ausgesprochen vielfältige Œuvre des Autors bringt es mit sich, dass nicht wenige Texte in mehreren Beiträgen von unterschiedlichen Standpunkten aus behandelt werden. Da die Herausgeber aber eine Forschung favorisieren, die Auslegungen, Lektüren oder Kontextualisierungen aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nimmt, zumindest aber Einzelnes kontrovers diskutieren sollte, sehen sie es nicht als Problem, wenn gleiche Texte von unterschiedlichen Autoren bearbeitet werden –
79 Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum verstehen kultureller Systeme. Übers. v. Brigitte Luchesi u. a. Frankfurt/M. 41995.
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vielmehr haben sie eine vermeintliche Doppelbelegung von Themen sogar befördert. Angestrebt wird eine Lektüre der Texte Klajs, die zeigen kann, dass es mit einem einfachen und eingleisigen Verständnis der komplexen Zeugnisse und ihrer historischen Einbettung eben nicht getan ist. Die einzelnen Abschnitte des Autorenbandes fokussieren jeweils einen zentralen Themenbereich: Zu Beginn gilt das Interesse der Biographie Klajs, den Erfahrungshorizonten, die ihn prägten und mit denen er auf verschiedene Weise spielte, den kulturellen Kontexten, in denen er sich bewegte und von denen er gerade in einer Stadt wie Nürnberg vielfältig profitieren konnte. Sie dienten auch seiner Positionierung im literarischen Feld,80 dem Anschluss und der Abgrenzung von Autoritäten, Gönnern und Wegbegleitern, zu denen sich durchaus komplexe Beziehungen entwickelten. Im engeren Sinne poetologisch und praxeologisch orientiert ist der Abschnitt über Klajs Dichtungstheorie und deren tatsächliche Umsetzung in der Poesie. Die folgenden Aufsätze umkreisen zentrale Schaffensbereiche des Autors: die Friedensdichtungen und die multimediale Inszenierung des Nürnberger Friedensexekutionsprozesses, die Schäferdichtung mit ihrem gesellschaftlichen Utopismus, die bislang wenig beachteten dramatischen oder dramenähnlichen Schriften und schließlich die ‚Kleine Literatur‘ – eine gewiss etwas freche Adaptation des poststrukturalistischen Ausdrucks von Gilles Deleuze, der mit diesem Begriff euphemistisch ja gerade das ‚Große‘ im ‚Kleinen‘ betonen wollte –, wobei ein religionsdidaktisches Kinderbuch ansehnlichem Umfangs, komplexe geistliche Lieder, hintersinnige Kasualpoeme und die darin zu beobachtenden Text-Bild-Relationen in den Fokus geraten. Schließlich gilt die Aufmerksamkeit dem Verhältnis von Dichtung und Musik, das Klaj immer wieder umkreist hat und aufregende rezeptionsgeschichtliche Fragestellungen eröffnet.
6 Dank Die meisten Beiträge basieren zunächst auf Vorträgen, die vom 22. bis 24. September 2016 auf der interdisziplinären und internationalen Tagung „Johann Klaj (1616–1656). Friedensdichter – Poet – Theologe“ gehalten wurden. Im Germanischen Nationalmuseum trafen sich damals Literaturwissenschaftler, Kunsthistoriker und Historiker aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, der
80 Programmatisch hier: Dirk Niefanger / Werner Wilhelm Schnabel: Positionierungen. Notwendiger Vorbericht zu einer pragmatischen Perspektive auf frühneuzeitliche Kultur. In: Niefanger/ Schnabel, Positionierungen (wie Anm. 18), S. 9–30.
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Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika, um sich über den Autor und sein Werk auszutauschen, um neue Fragen an alte Texte zu stellen und das Schaffen des Wortkünstlers in die zeitgenössischen Rahmenbedingungen einzubinden. Die Stadt, in der Klaj den Großteil seiner literarischen Werke verfasst hat, und der Ort, an dem das Archiv des Pegnesischen Blumenordens verwahrt wird, boten dafür eine besonders inspirierende Atmosphäre, und ein im Rahmen der Tagung und in Kooperation mit BildungEvangelisch (Nürnberg) organisiertes Gesprächskonzert mit Musik und Texten von Nürnberger Weggefährten Klajs – moderiert von Irmgard Scheitler in der Sebalduskirche81 – stellte überdies ein besonderes Erlebnis dar. Gedankt sei an dieser Stelle neben den damals organisatorisch Tätigen und Klaus Garber, der, als eine Art Senior Principal Investigator, im Vorfeld wichtige Anregungen und unermüdliche Ermunterungen gab, auch noch einmal den Förderern – der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der KostPocherʼschen Stiftung (Nürnberg). Sie haben die Durchführung der Tagung erst ermöglicht. Zu Dank verpflichtet sind die Herausgeber des Bandes und Organisatoren der Tagung weiter den Mitarbeitern des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, insbesondere Frau Dr. Silvia Glaser und den Herren Dr. Johannes Pommeranz und Dr. Frank Matthias Kammel, den unermüdlichen Hilfskräften des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur der Friedrich-Alexander-Universität und Frau Evi Böhm für ihre um- und weitsichtigen, nicht nur organisatorische Hilfen. Anders als die leider ephemere musikalische Vorführung am traditionshaltigen Ort82 können die wissenschaftlichen Erträge des Treffens in gedruckter Form dokumentiert werden.83 Unser Dank gilt nicht nur allen Beiträgern, die ihre Vorträge verschriftlicht, referenziert und z. T. erheblich ausgebaut haben, sondern auch den Autoren, die wir im Nachgang noch für ergänzende Texte und Zusammenstellungen gewinnen konnten. Auch wenn damit bei weitem nicht jeder denkbare Aspekt des Klajʼschen Schaffens behandelt und kontextualisiert werden konnte, decken die Aufsätze doch ein breites Spektrum von Aspekten ab, das die Bedeutung des Autors und seines Umfeldes in Textanalyse und Konspekt herausstreicht. Allen Beteiligten gilt unser Dank schließlich auch für ihre Geduld ange
81 Beteiligt waren Manja Stephan (Sopran), Katja Kuzminykh (Viola da gamba) und Margit Schultheiß (Harfe/Continuo). 82 Teile des Konzerts sind anschließend immerhin in einer Radiosendung des Programms BRKlassik auch einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden („Was Teutschen behagt, ich hab es gesagt“. Musikalisches Feature von Thorsten Preuß, 10.12.2016). 83 Nicht in diesem Band eingehen konnten aus unterschiedlichen, aber nachvollziehbaren Gründen leider die Tagungsbeiträge von Amy Newhouse und Alexander Weber. Vgl. hierzu das Klaj-Kapitel in der demnächst erscheinenden Monographie von Alexander Weber: Das Drama als Lesetext.
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sichts der Verzögerungen der Drucklegung, die sich bei einem größeren Beiträgerkreis fast notgedrungen einstellen. Es ist nicht zuletzt das Verdienst der Hedwig Linnhuber – Dr. Hans Saar-Stiftung und der Kost-Pocherʼschen Stiftung (beide Nürnberg), dass das Buch nun der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgelegt werden kann. Die Lücke, die mit diesem Autorenband geschlossen werden mag, eröffnet freilich zugleich eine Vielzahl neuer Forschungsperspektiven, deren Bearbeitung der Zukunft vorbehalten bleiben muss.
Dieser Band ist Ferdinand van Ingen, dem großen Barockforscher, zugedacht.
Erlangen im Februar 2019
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Biographie und kulturelle Kontexte
Werner Wilhelm Schnabel
Kleine Klaj-Chronik Biographische Daten – Anlässe poetischer Produktion – Kontextereignisse
Vorbemerkung Chroniken können nicht eben auf die Sympathie ästhetischer Feingeister unter den Literaturwissenschaftlern zählen. Ihr simples Ordnungsschema erscheint einfallslos: es stelle Nicht-Zusammengehöriges allein wegen seiner zufälligen zeitlichen Nachbarschaft nebeneinander und verleite zur ‚Faktenhuberei‘ – der Positivismusvorwurf liegt nicht fern; die enthaltenen Informationen seien disparat und in der Reihung von ‚Wichtigem‘ und scheinbar ‚Nebensächlichen‘ von sehr unterschiedlicher Relevanz; sie blieben zudem punktuell, ließen die großen Zusammenhänge außer Acht oder fragmentierten sogar bereits erarbeitete Wissenszusammenhänge – so könnten sie weder literarische Traditionen noch ästhetische Entwicklungen oder Gattungsfragen sinnvoll entwickeln und ließen damit das eigentlich Literarische außer Acht; mit ihrem Insistieren auf Historizität und Kontextbezogenheit seien sie zudem nicht geeignet, das (vermeintlich) Überzeitliche von Dichtung angemessen widerzuspiegeln; nicht alles sei wissenswert, und nicht alles Wissenswerte lasse sich außerdem zeitlich genau verorten, so dass immer wieder darstellerische Kompromisse nötig seien. Ganz grund- und haltlos sind solche Vorbehalte natürlich nicht. Tatsächlich beschränkt sich die Chronistik auf Datierbares, ganz unabhängig davon, ob es in das Darstellungsinteresse oder den Argumentationsgang einer ‚Geschichtserzählung‘ passt. Das hat dazu geführt, dass selbst Textausgaben und Werkbibliographien heute nicht selten eher unter gattungssystematischen oder thematischen, oft wertbesetzten Gesichtspunkten als nach der Ordnungskategorie der chronologischen Abfolge strukturiert werden. Auch die Klaj-Philologie macht hiervon keine Ausnahme. Konrad Wiedemann hat seine zweibändige Ausgabe der Klajschen ‚Redeoratorien‘ und Friedensdichtungen nichtchronologisch nach Sachbetreffen strukturiert, seine Bibliographie nach der Erscheinungsform der Texte gegliedert; Gerhard Dünnhaupt hat die Einblattdrucke, die zum Teil ja eng mit Klajs anderen Werken zusammenhängen, als eine gesonderte Gruppe innerhalb seiner (nicht
https://doi.org/10.1515/9783110669480-002
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streng) chronologischen Bibliographie erfasst;1 Renate Jürgensen hat in ihrer grundlegenden Bibliographie zur Frühzeit des Pegnesischen Blumenordens eine Einordnung nach Gattungssystematik bzw. nach Publikationsmedien vorgenommen und die Gemeinschaftspublikationen gesondert verzeichnet.2 All das ist aus dem jeweiligen Erkenntnis- und Darstellungsinteresse heraus nachvollziehbar. Auf der anderen Seite hat die strenge Beachtung der Chronologizität, ja die Wahl der einfachen Chronik-Form aber auch einige Vorteile, die nicht wegzudiskutieren sind. Sie bestehen weniger in einem Ausweichen vor dem modischen Vorwurf, dass auch ‚Klio dichte‘ – immerhin reduziert Chronistik bewusst den Anteil der Narration und konzentriert sich weitestmöglich auf den Versuch reiner Faktographie. Maßgeblicher dürfte sein, dass sie sich einer künstlichen, oft genug deduktiv gesetzten Vor-Ordnung der Dinge verweigert. Sie nimmt selbst keine Instrumentalisierung von Sachverhalten vor, hält zugleich aber ganz unterschiedliche Zugriffe offen und lässt darauf basierende Interpretationen zu. Chronistik bereitet das eruierte Material lediglich auf und stellt es für die (nach verschiedenen Methoden und Moden verfahrende) Bildung von Zusammenhängen zur Verfügung. Sie misst sich selbst damit lediglich eine dienende Funktion zu. Mit ihrer streng zeitlichen Reihung erlaubt die chronikalische Darbietungsform überdies die Einordnung in historische Kontexte, die ansonsten unter Umständen nicht wahrgenommen werden würden. Diese mögen beispielsweise biographischer Art sein, denn bestimmte Lebenslagen des Autors mögen durchaus Auswirkungen auf die Wahl seiner Themen und Formen oder die Beziehung zu seinen Adressaten gehabt haben. Insbesondere bei Klaj ist dies augenfällig, kann man die weitaus überwiegende Zahl seiner Werke doch der Casualpoesie zurechnen. Seine Texte sind also in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu bestimmten Ereignissen entstanden und reagieren direkt auf sie. Als anlassbezogene Werke sind sie häufig auch mehr oder minder präzise zu datieren: Hochzeits- und Namenstagspoeme, Buchbegleitgedichte sind in aller Regel kurz vor einem genau bestimmbaren Ereignis entstanden; Epicedien und andere Beiträge zu Funeralschriften meist unmittelbar nach einem traurigen Vorfall. Eine Wahrnehmung derartiger Texte als ausschließlich ‚ästhetische‘ Produkte verfährt deshalb entkontextualisierend und enthistorisierend – sie lässt zentrale Entstehensumstände und damit auch potentielle Funktionalisierungen außer Acht; zugleich verzichtet sie bei der Analyse u. U. darauf, wichtige Anspielungspotentiale zu erkennen. Gerade Casualpoetica sind Redehandlungen, die innerhalb einer konkreten und
1 Dünnhaupt, Personalbibliographien IV, S. 2351–2372. (Die Auflösung der verwendeten Kurztitel ist aus dem Literaturverzeichnis am Ende des Beitrags ersichtlich.) 2 Jürgensen, Melos, S. 50–63 u. passim.
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meist auch zeitlich genau zu verortenden Kommunikationssituation verstanden werden müssen. Eine Beachtung der Chronologie lenkt das Augenmerk zum anderen auf das Nacheinander der poetischen Werke, die ja auch als eine Art ‚Reihe‘ verstanden werden können. Interne Bezugnahmen, thematische Referenzen, aber auch Entwicklungen eines Poeten, Umorientierungen seines Kontaktkreises und seines Schaffens, sich möglicherweise ändernde Schwerpunkte und Ausrichtungen seiner Tätigkeit lassen sich nur erkennen, wenn man die Reihenfolge des Entstehens ernst nimmt. Das trifft nicht minder für die Rezeption der Dichtungen eines Autors zu, die zum Teil schon mit kurzer Verzögerung, zum Teil auch erst weit nach seinem Tod festgestellt werden kann. Auch die Aufnahme seiner Texte in zeitgenössische oder spätere Sammelwerke oder deren Erwähnung in (literatur-)geschichtlichen Darstellungen erlauben hier Rückschlüsse auf die Art und Weise, den Umfang und die diachrone und räumliche Verteilung von Wahrnehmungsprozessen. In ähnlicher Weise gilt dies für die Thematisierung durch die Wissenschaft, die ja ihrerseits gewissen Moden und Konjunkturen unterliegt. Schließlich ist es zur Rekonstruktion des Lebens und Schaffens einer historischen Person durchaus von Belang, von welchen politischen oder militärischen Ereignissen oder auch sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklungen sie unmittelbar betroffen war. Im Falle Klajs sind das nicht nur die Ereignisse des ‚schwedischen Kriegs‘ in Mitteldeutschland, sondern auch die späteren Erfahrungen mit Krieg und Kriegsfolgen, Diplomatie und politischer Repräsentation oder auch dem patrizischen Herrschaftssystem in seinem Zufluchtsort, der Reichsstadt Nürnberg. Regionale, ja lokale Gegebenheiten und Geschehnisse spielen in der Wahrnehmung des Einzelnen in Zeiten einer beschränkteren Informationskultur sicher eine wichtigere Rolle als die ‚großen Ereignisse‘ oder Prozesse, die oft erst im Nachhinein an Relevanz gewinnen. Auf sie wird reagiert – und das im alltäglichen Leben ebenso wie im Medium anlassbezogener Literatur. Was hier geboten werden soll, ist deshalb keine Analyse einzelner Texte und keine Interpretation mit weitreichenden Ansprüchen, sondern der Versuch, mit der Zusammenstellung datierbarer Fakten eine bescheidene, aber belastbare Basis für die weitere Beschäftigung mit dem Autor zu schaffen. Gesammelt und anhand von Archivalien ergänzt wurden die spärlichen biographischen Nachweise, die die Literatur eruiert hat. Dabei konnten nicht nur bisher als gesichert angenommene Informationen relativiert werden (etwa das meist ohne Fragezeichen genannte Geburtsjahr Klajs, seine angebliche Untätigkeit während der Nürnberger Jahre oder sein literarisches Verstummen in Kitzingen); auch bisher Unbekanntes wurde im Einzelfall entdeckt (etwa die Geburt dreier Kinder in Nürnberg und Kitzingen, die das bisherige Klischee von der ‚Geldheirat‘ mit einer deutlich älteren Frau korrigiert, oder die sicher durch die nötige Versorgung der kleinen
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Kinder bedingte schnelle Wiederverheiratung der Witwe mit dem Vikar ihres verstorbenen Mannes). Maßgeblicher für einen literaturwissenschaftlichen Zugang im engeren Sinne sind freilich sicher die werkbezogenen Daten. Als Ordnungsprinzip fungieren hier die konkreten Anlässe für die Dichtungen Klajs, da dieser seine Texte nur im Ausnahmefall tagesgenau ausgewiesen hat. Anders als in gängigen Bibliographien, die lediglich das Erscheinungsjahr von Werken angeben, wurden diese Anlässe gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme literaturexterner Quellen möglichst präzise datiert. Bei Publikationen ohne erkennbaren Anlass wurden nach Möglichkeit publikationsinterne Datierungen (etwa in Vorwort oder Zueignung) herangezogen, um eine entsprechende Einordnung vornehmen zu können. Lediglich nach der Jahreszahl datierbare Werke sind – sofern nicht abweichende Zuordnungen nahelagen – am jeweiligen Jahresende einsortiert. In einigen Fällen war eine nur halbwegs überzeugende Einordnung auch gar nicht zu treffen – diese undatierten Publikationen, die nicht unmittelbar auf konkrete Ereignisse rekurrieren, wurden mit der Markierung „(1644/50)“ unter dem Jahr 1650 erfasst. Mit dem Umzug nach Kitzingen begann für Klaj im Anschluss eine neue Lebensphase, die literarisch nur noch weniger produktiv war und wohl kaum noch in Frage kommt. Texte Klajs sind nicht sehr leicht zu finden. Er hat sie mit unterschiedlichen Namensansätzen, Namensschreibungen, Kürzeln, Pseudonymen und Gesellschaftsnamen versehen, so dass eine Recherche stets mit zahlreichen verschiedenen Suchbegriffen erfolgen muss.3 Erhebliches hat die vorliegende Arbeit der umfangreichen Zusammenstellung von Renate Jürgensen4 zu verdanken. Sie hat die bis dahin maßgebliche Bibliographie von Dünnhaupt beträchtlich erweitert und die Datenlage für Klaj wie für viele andere der Blumengenossen auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Nahezu alle bei Dünnhaupt und Jürgensen vorgefundenen, die verstreut in der Sekundärliteratur genannten und die im VD17 aufgenommenen Belege (die weniger Treffer umfassen, aber meist detailliertere, freilich auch nicht immer vollständig oder auch nur korrekt transkribierte Titel verzeichnen) konnten anhand der Originale oder anhand von Digitalisaten noch einmal überprüft werden; die Titelaufnahmen wurden vereinheitlicht und erweitert, genaue Datierungen nachgetragen und gegebenenfalls in Nürnberger Kirchenbüchern,5 Ratsverlässen und Chroniken recherchiert und ergänzt. Bei Bei-
3 Eine Übersicht über die unterschiedlichen Namensschreibweisen in der Gemeinsamen Normdatei: http://d-nb.info/gnd/118723324. 4 Jürgensen, Melos. 5 Verfügbar im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg bzw. über das Kirchenbuchportal Archion (https://www.archion.de/).
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trägen in Sammelveröffentlichungen wurden auch Zueignungsempfänger und (meist) sämtliche Mitbeiträger aufgeführt, da derartige Angaben für die Rekonstruktion von Kontaktkreisen und Beziehungsgeflechten wichtig erscheinen und in der durchwegs hierarchischen Reihung auch Rückschlüsse auf die soziale Wahrnehmung Klajs erlauben.6 Dabei wurden die auch vom VD17 (z. T. unvollständig, z. T. in nicht nachvollziehbarer Reihung) aufgeführten Namen überprüft und in die richtige (d. h. in der Regel sozialhierarchische) Reihenfolge gebracht, nicht selten korrigiert, ergänzt, präzisiert und normalisiert sowie manche nur mit Initialen benannten Autoren identifiziert. Lebenszeitangaben finden sich bei den Mitbeiträgern, die genauer bestimmbar waren, im Personenregister dieses Bandes, um die oft umfangreichen Auflistungen zu entlasten.7 Die Gedichte Klajs waren außerdem mit genauen Folien- oder Seitenangaben zu versehen, die Initien buchstabengenau aufzunehmen und – zur Kennzeichnung des Verhältnisses zwischen Verfasser und Empfänger – auch vorhandene Zueignungsformeln im Wortlaut zu nennen. In einzelnen Fällen konnten bisher nicht wahrgenommene Belege (etwa Stammbucheinträge) namhaft gemacht werden. Standortangaben zu den benutzten Exemplaren wurden in der Regel nur gemacht, wenn sich im VD17 kein Nachweis findet; ansonsten genügt der Verweis auf die dortige Nennung, zumal in nicht wenigen Fällen mittlerweile auch Volldigitalisate der Texte verlinkt sind. Weitere Standortnachweise sind bei Dünnhaupt und Jürgensen greifbar, ohne dass sie hier noch einmal übernommen werden mussten. Vollständigkeit kann aufgrund der disparaten Überlieferungslage, der sehr unterschiedlichen Erfassungsdichte wichtiger Bibliotheksbestände mit mutmaßlichen Unica und dem ständigen Fortschreiten der bibliographischen Erfassung freilich nicht beansprucht werden – das Auftauchen weiterer Casualgedichte Klajs ist also nicht auszuschließen. Alle hier aufgeführten (gut 340) Titel und Initien von Klaj-Texten sind am Ende durch einen alphabetischen Index (in modernisierter Schreibung) erschlossen. Gar so schmal, wie gelegentlich behauptet, ist sein Werk also gar nicht gewesen.
6 Die vorlagengemäße Einordnung hilft im übrigen auch bei der Identifizierung von namensgleichen Personen, indem die Plazierung am Angang üblicherweise auf eine höhere, die am Ende auf eine geringere soziale Stellung bzw. auf geringeres Alter hindeutet. 7 Nachweise sind dort naheliegenderweise nicht genannt. Zahlreiche einschlägige Personalien können aber eruiert werden über Steinmeyer, Matrikel Altdorf II, Will/Nopitsch, Gelehrtenlexikon, Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, Grieb, Künstlerlexikon und den jährlich aktualisierten Index Personarum, die in Hinblick auf Nürnberg wesentlich umfangreichere Informationen bieten als die gängigen biographischen Nachschlagewerke.
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Eingefügt wurden außerdem – wie oben schon begründet – Angaben zu Kontextereignissen jeglicher Art, die für das Leben Klajs und sein literarisches Schaffen von unmittelbarer Bedeutung waren. In zugegebenermaßen subjektivem Ermessen wurden auch wichtige Marksteine der Wahrnehmung Klajs durch Zeitgenossen und Nachgeborene und wichtige Forschungs- und Publikationsergebnisse festgehalten. Sie können ebenso wie die Aufnahme seiner Texte in Anthologien und Sammlungen als Rezeptionsbelege gelten. Die Datierung erfolgt bis 1700 – im Unterschied zu manch jüngerer Sekundärliteratur – prinzipiell nach dem julianischen Kalender. Er hatte im protestantischen Kulturraum meist bis zu dieser Zeit Geltung und entspricht somit der Überzahl der erhaltenen Quellenbelege und der Wahrnehmung durch die hier benannten Akteure. Allfällig nach dem gregorianischen Kalender datierte Ereignisse (wie die in Klajs letztem Aufenthaltsort Kitzingen, der politisch dem Würzburger Bischof unterstand und den neuen Kalender auferlegt bekommen hatte), wurden in den Alten Stil umgerechnet. Klajs literarisches Schaffen beginnt – von einer jugendlichen Arbeit zu Ehren seines akademischen Lehrers August Buchner abgesehen – mit der Notwendigkeit, als Flüchtling ohne abgeschlossene Ausbildung oder Berufserfahrung in der Reichsstadt Nürnberg zu überleben. Der begabte junge Mann gewann schnell die Protektion Johann Michael Dilherrs, des erst knapp anderthalb Jahre zuvor eingestellten Gymnasialdirektors, Schulinspektors und Theologie-, Philologie- und Philosophieprofessors am Nürnberger Auditorium publicum. Von diesem einflussreichen Theologen, der die Befähigung des mittellosen Migranten erkannte, bekam er vielfältige Möglichkeiten geboten, sein literarisches Talent öffentlich zu unter Beweis zu stellen. Mit seinen Präsentationen vor einem interessierten Publikum und den dabei erprobten neuen – rhetorisch-musikalischen – Formen nutzte Klaj diese Chancen mit Nachdruck. Zugleich versuchte er mit schriftstellerischen Mitteln Zugang zu den Kreisen zu bekommen, die ihm finanzielle Unterstützung oder gar berufliches Vorankommen ermöglichen konnten. Selbst der in der literarischen Welt bereits arrivierte Georg Philipp Harsdörffer tat sich mit dem deutlich jüngeren und gesellschaftlich weit unter ihm stehenden jungen Mann zusammen, wenn es galt in patrizischen Kreisen mit einer umfangreichen und technisch raffinierten Hochzeitsdichtung Achtung und Aufmerksamkeit zu gewinnen (1644 Okt 14) oder später die Friedensbankette hochwohlgebohrener Gesandter und Fürsten zu verewigen. Ziemlich rastlos war der zunächst einkommenslose Kriegsflüchtling außerdem damit beschäftigt, sich auf dem Weg über formal und sprachlich z. T. außergewöhnliche Casualdichtungen innerhalb Nürnbergs eine geachtete Position und eine berufliche Stellung zu erarbeiten, die ihm ein hinlängliches Einkommen sichern konnte. ‚Stinkfaul‘, wie es Harsdörffer einmal im Ärger moniert hat (1646 Mai 31) und wie es Teile der Literatur seither genüsslich
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weiterverbreiten, war der zugewanderte Sachse in seiner Nürnberger Zeit also keineswegs – das zeigt nicht zuletzt die hier vorgelegte Zusammenstellung ganz deutlich. Freilich hatte der vermögende Patrizier mit den existentiellen Nöten eines zunächst stellungslosen bzw. nur spärlich besoldeten Migranten wenig Erfahrung. Er beobachtete es deshalb mit Missfallen, wenn der hochbegabte Klaj seine poetische Energie in immer neue Hochzeits-, Namenstags- oder Trauerpoeme für die wohlsituierte Nürnberger Ehrbarkeit, das Patriziat, das Milieu der Schul- und Kirchendiener oder das zahlungsbereiter Kleinbürger investierte, statt sie für vermeintlich anspruchsvollere Dichtungs- oder Übersetzungsprojekte einzusetzen. Klajs Zwang, einen sicheren Lebensunterhalt für sich und seit 1648 dann auch für seine Familie zu erreichen, war dem saturierten Patrizier fremd – der ebenso mittellose, aber persönlich erheblich ehrgeizigere Böhme Sigismund Betulius (später Sigmund von Birken) wiederum mag den Sachsen wohl eher als Konkurrenten auf dem beschränkten Nürnberger ‚Markt‘ gesehen haben. So ausgedehnt waren die Karrieremöglichkeiten für arme Migranten in politisch und militärisch sehr ernsten Zeiten dort nicht. Mit seiner Strategie der Andienung und des Protektionsgewinns, die ohne Zweifel immer wieder geldwerte ‚Verehrungen‘ seitens der Bedichteten abwarf, hatte Klaj immerhin Erfolg. Ohne seine stete Präsenz im gesellschaftlichen und literarischen Leben der Reichsstadt und ohne die Unterstützung durch wichtige Förderer wie Dilherr hätte er als Fremder wohl kaum eine (mäßig besoldete) Lehrerstelle an der Sebalder Lateinschule erreicht; ohne die gerade auch mit Dichtungen erarbeitete Gunst seiner Vorgesetzten in Schule und Kirche und das Wohlwollen der patrizischen Oligarchie wäre er kaum als Pfarrer für die Diasporagemeinde Kitzingen vorgeschlagen worden. Anlassbezogene ‚Gebrauchs-‘Dichtung als Bildungs- und Leistungsausweis und als Möglichkeit, Zugang zu einflussreichen Kreisen zu erhalten, zeigt beim Schaffen Klajs einmal mehr ihre durchaus pragmatische Bedeutsamkeit innerhalb der barocken Gesellschaft. Sie diente ohne Zweifel auch der Positionierung des Autors im Sozialgefüge seines Zufluchtsortes,8 der sich von seinem ‚Markenwert‘, den er im akademisch gebildeten Milieu und bei den Entscheidern erwarb, weiteres Fortkommen versprechen konnte. Nach einer Phase des mit literarischen Mitteln zielstrebig verfolgten Aufstiegs in ein Pfarreramt und dem Erfolg seines Vorhabens hat Klaj seinen Wirkungsschwerpunkt dann – wie er selber schrieb (1654 Dez 07) – auf die Belehrung seiner Gemeinde und die geistliche Verkündigung gelegt. Das scheint – wie aus verschiedenen Verlautbarungen seiner Umgebung erschließbar ist – nicht die
8 Niefanger/Schnabel, Positionierungen.
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Ausflucht eines angeblichen Alkoholikers, sondern eine durchaus ernsthafte Entscheidung gewesen zu sein, zumal Muster paränetischen und konsolatorischen Prosa-Wirkens durchaus auch aus seiner Nürnberger Zeit greifbar sind (1647 Dez 24). Dafür hatten die alten und gelegentlich hämischen und vor allem auf die eigene Wahrnehmung bedachten Nürnberger Dichterkollegen freilich offenbar kaum Verständnis. Die Seelsorgetätigkeit scheint bei ihnen keinen so hohen Stellenwert genossen zu haben wie die Beteiligung an den ambitionierten poetischen Projekten und Gemeinschaftsarbeiten, die für den Blumenorden charakteristisch waren. Literarisch verstummt ist der nun mit einem geistlichen Amt versehene Klaj in seinen letzten Jahren entgegen älteren Ansichten freilich keineswegs. Auch ab 1651 lassen sich trotz seiner Eingewöhnungsprobleme in der unterfränkischen Diasporagemeinde, trotz offenbar ernster Schwierigkeiten mit den lokalen Honoratioren, der Vergrößerung seiner Familie und massiven gesundheitlichen Beschwerden vereinzelt weitere Casualdichtungen nachweisen. Sie bezogen sich freilich weniger auf seinen neuen Wirkungsort Kitzingen, in dem er es vor allem mit Kleinbürgern und allenfalls mit benachbarten Reichsrittern zu tun hatte; vielmehr belegen sie seine aufrechterhaltenen Kontakte in die Reichsstadt an der Pegnitz, die neben der exulantenadeligen Hautevollée auch engere Bekannte niederen Standes umfassten. Überdies überarbeitete und ergänzte er auch bereits erschienene Werke wie das Das gantze Leben Jesu Christi, mit dem er einige Jahre zuvor ein neues Paradigma kindgerechter Lehr- und Erbauungsliteratur geschaffen hatte, und pflegte auch neue überregionale Kontakte innerhalb der dichtenden Pfarrerschaft. Freilich: der eigentliche Anlass und Motor für die ebenso rastlose wie zielstrebige dichterische Produktivität Klajs während seiner Nürnberger Zeit – die Andienung an Förderer und potentielle Gönner und der Gewinn gesellschaftlicher Reputation – war nun entfallen. Die poetischen Übungen, mit denen er im Kreis seiner ‚Mitstreiter‘ sicher der innovativste und experimentierfreudigste war, waren ihm wohl eher Mittel als Selbstzweck; dass es neben der Dichtung, dem poetologischen Nachdenken darüber und dem Beifall der Gelehrtenzirkel auch noch wichtigere Dinge gab, die der Mühe wert waren, mag ihm nicht verborgen gelieben sein. Dieser lebensweltliche Sachverhalt darf – bei aller Bewunderung der avantgardistischen Sprachgestaltung und der poetologischen Aufladung seiner Dichtungen – nicht ganz vergessen werden. Er wird in erster Linie bei einer streng chronologischen Auflistung und einer sozialhistorischen Kontextualisierung seiner (literarischen und literaturexternen) Lebenszeugnisse deutlich.
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Chronik 1604 Okt 14 1607 Nov 01 1616?
Geburt Johann Michael Dilherrs in Themar als Sohn eines Advokaten.9 Geburt Georg Philipp Harsdörffers in Nürnberg als Spross einer Patrizierfamilie. Mutmaßliche Geburt Klajs in der Stadt Meißen als Sohn des Tuchbereiters Diederich Klaj († vor 1648). Das angebliche Geburtsjahr wird erstmals 1745 in den „Acta scholastica“ von Biedermann erwähnt.10 Ein Taufeintrag findet sich in den Kirchenbüchern der Frauenkirche und der St. Afrakirche in Meißen von 1615 bis 1617 allerdings nicht; die Kirchenbücher der Trinitatiskirche sind aus dieser Zeit nicht erhalten.11 Die Angaben zum Vater stammen aus den späteren Proklamationsund Traueinträgen Klajs (siehe 1648 Sep 03 und 1648 Sep 25). Prager Fenstersturz. Die demonstrative Defenestrierung zweier kaiserlicher Statthalter und eines Kanzleisekretärs durch die Stände bildet das Fanal für die böhmische Ständeinsurrektion und wird später zum Anlass des Dreißigjährigen Krieges stilisiert. Wahl Kfst. Friedrichs V. von der Pfalz (1596–1632) zum König von Böhmen. Wahl Ehzg. Ferdinands von Österreich (1578–1637) zum Kaiser. Beginn der eigentlichen militärischen Aktionen gegen den böhmischen König Friedrich. Niederlage des ‚Winterkönigs‘ gegen kaiserlich-ligistische Truppen in der Schlacht am Weißen Berg vor Prag. Die Rekatholisierung führt in den folgenden Jahren zur Auswanderung von rund 150.000 Flüchtlingen meist nach Sachsen.
1618 Mai 13
1619 Aug 16 1619 Aug 18 1620 Jul Ende 1620 Okt 29
1621 Sommer bzw. 1628 Sommer Deposition Klajs an der Universität Leipzig?12 1623 Mär 20 Georg Philipp Harsdörffer wird an der Universität Altdorf immatrikuliert.
9 Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, Nr. 236. 10 Biedermann, Acta scholastica V, S. 383. 11 Freundliche Auskunft des Regionalkirchenamts Dresden vom 8.11.2016. 12 Erler, Matr. Leipzig I, S. 62; Franz, Klaj, S. 4; Klaj, Redeoratorien, S. 4*.
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Erscheinen des Buchs von der Deutschen Poeterey von Martin Opitz (1597–1639), dessen poetologische Forderungen die akademischen Dichter (und Klaj) fortan als Referenzschrift beschwören. Geburt Sigismund Betulius‘ in Wildstein bei Eger. Die Pfarrersfamilie muss 1628 emigrieren und kommt 1629 nach Nürnberg, wo der Vater Daniel Betulius (eigtl. Birkner, um 1582–1642) Diakon an der Heilig-Geist-Kirche wird.13 Der Sohn nennt sich erst ab seiner Nobilitierung 1654 Sigmund (von) Birken. Klaj besucht wohl die Ratsschule in Meißen.14 Erlass des Restitutionsedikts, das die Rekatholisierung des seit 1552 säkularisierten altkirchlichen Besitzes der evangelischen Territorien im Reich anordnet und erheblichen protestantischen Widerstand gegen den Kaiser weckt. Pestepidemie in Meißen. Der schwedische König Gustav II. Adolf (1594–1632) landet auf Usedom, um in den ‚deutschen Krieg‘ einzugreifen. Der sächsische Kurfürst Johann Georg I. (1585–1656) wendet sich vom Kaiser ab und versucht eine neutrale protestantische Partei zu schaffen, die sich sowohl gegen Gustav Adolf wie gegen den Kaiser verteidigen will (Leipziger Konvention). Zerstörung der Stadt Magdeburg durch kaiserliche Truppen unter Johann Tserclaes Gf. Tilly (1559–1632) und Gottfried Heinrich Gf. von Pappenheim (1594–1632). Rund 20.000 Bürger kommen ums Leben. Die Aktion gilt als Fanal des enthemmten und unbarmherzigen Vorgehens der kaiserlichen Partei. Der Kaiser geht militärisch gegen alle Unterzeichner der Leipziger Konvention vor und trägt den Krieg nach Süddeutschland. Nürnberg gibt seine bisherige Neutralität auf und tritt auf die Seite Gustav Adolfs über, der zehn Tage zuvor in Nürnberg einmarschiert ist. Schlacht an der Alten Veste bei Zirndorf. Gustav Adolf kann die Vereinigung des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von
1626 Apr 25
ab ca. 1627 1629 Feb 24
1630 1630 Jun 26 1630 Winter
1631 Mai 10
1631 Sommer
1632 Mär 31
1632 Aug 21–24
13 NDB 2, 1955, S. 256 f. (Hellmut Rosenfeld). 14 Franz, Klaj, S. 5 f.
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Wallenstein (1583–1634) mit dem bayerischen Heer nicht verhindern. Seuchen führen in der von Flüchtlingen überfüllten Stadt Nürnberg zum Tod von über 35.000 Menschen15 – weit mehr als der Hälfte der Vorkriegsbevölkerung; bis zum Kriegsende stagniert die Bevölkerungszahl bei etwa 25.000 Menschen. Meißen wird von kaiserlichen Truppen erobert, die Umgebung geplündert.16 Gustav Adolf fällt in der Schacht bei Lützen. In der Schlacht bei Nördlingen werden die Schweden von Ligisten und Kaiserlichen geschlagen und der Umschwung im Kriegsverlauf eingeleitet. Das von 1443 bis 1629 als brandenburgisch-ansbachische Pfandherrschaft verwaltete, dann vom Würzburger Bischof ausgelöste und rekatholisierte, zwischenzeitlich von Schweden gehaltene Kitzingen wird von der schwedischen Besatzung nach der verlorenen Schlacht von Nördlingen an den kaiserlichen Feldherrn Piccolomini übergeben.17 Den ansässigen Protestanten – über 1000 sind schon 1628/29 enigriert18 – wird Religionsfreiheit zugesichert, woran sich die würzburgische Obrigkeit in der Folge aber nicht gebunden sieht. Sie weist die Geistlichen aus und erlässt im März 1635 ein Verbot des evangelischen Kultus.19 Iohannes Claius Misnensis wird unter dem Rektorat des Prof. hist. Reinhold Franckenberger (1585–1664) an der Universität Wittenberg immatrikuliert.20 Zu seinen Lehrern gehört August Buchner (1591–1661), der dort als Professor der Poetik und Rhetorik und als Universitätsbibliothekar wirkt und eine größere Zahl ambitionierter Dichtungsinteressierter um sich geschart hat.21 Seine wirkungsmächtigen poetologischen Vorlesungen sind als Mitschriften handschriftlich verbreitet, erscheinen allerdings erst nach seinem Tod im Druck. Klaj wen-
1632/35
1632 Okt 10 1632 Nov 06 1633 Sep 06
1634 Feb 12
1634 Aug 19
15 16 17 18 19 20 21
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Endres, Endzeit, S. 279. Abelin, Chronick, S. 620. LAELKB: Kons. Bayreuth, Nr. 2487, tom. I, S. 32. Kern, Kitzinger Exulanten, S. 129–135; Simon, Kirchengeschichte, S. 427 f. Franz, Klaj, S. 29. Weissenborn, Album Academiae Vitebergensis I, 1934, Textband, S. 381. VD17: 7:719063B mit Link auf Volldigitalisat; Wiedemann, Klaj, 1966, S. 8.
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1635 Mai 10
1636 Sep 24 1636–1645 1636 und 1639
1637 Mai 28 1637 Sommersemester
1637 1639 Apr 23 1641 Jul
1641
1641 Nov
det sich nach dem philosophischen Grundstudium der Gottesgelehrtheit zu. Der wichtigste Wittenberger Theologe ist der von 1629 bis 1646 an der Hochschule lehrende Johann Hülsemann (1602–1661), ein prominenter Vertreter der lutherischen Reformorthodoxie; weitere Theologieprofessoren sind Paul Röber (1587–1651) und Jacob Martini (1570–1649). Die Bestimmungen des Prager Friedens kommen den Protestanten entgegen und sollen den Frieden wiederherstellen. Kursachsen und Nürnberg wechseln wie viele andere zur kaiserlichen Partei über. In der Schlacht bei Wittstock schlagen die Schweden die verbündeten kaiserlichen, ligistischen und sächsischen Truppen. Schwedische Truppen verwüsten Sachsen. Außerhalb der Wittenberger Stadtmauern gelegene Gebäude der Universität werden zerstört, um dem Feind keine Unterschlupfmöglichkeiten zu bieten.22 Meißen wird von schwedischen Truppen erobert und sechs Tage lang geplündert und zerstört. An der ständig vom Krieg bedrohten Universität Wittenberg lassen sich nur noch 12 Neuankömmlinge (weniger als ein Zwanzigstel bis Dreißigstel des Zulaufs in Friedenszeiten) immatrikulieren. In der Stadt wüten Seuchen, denen auch drei Medizinprofessoren zum Opfer fallen.23 Georg Philipp Harsdörffer wird Assessor am Nürnberger Stadtgericht und übt dieses Amt bis 1655 aus. Pirna wird von den Schweden erobert und verwüstet. (Datum der Zueignung) Erscheinen der Teutschen Sprachkunst von Justus Georg Schottel (1612–1676), zu dem Klaj später ein engeres Verhältnis unterhält. Harsdörffer veröffentlicht den ersten Band seiner ‚Frauenzimmer-Gesprächspiele‘, dem bis 1649 noch sieben weitere folgen. Harsdörffer wird von Hans Philipp von Geuder (1597–1650) als ‚Der Spielende‘ in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen.24
22 Friedensburg, Geschichte, S. 381. 23 Friedensburg, Geschichte, S. 360. 24 Conermann, Mitglieder, S. 427.
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1642 Sep 11
1642 Okt 24
1642 Nov 02 1642 1642 Dez
1643 Jul 15
1643, Ende?
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Der vorher als Prof. hist., poes. und theol. in Jena wirkende Johann Michael Dilherr (1604–1669) hält seine Antrittsrede als Direktor des Nürnberger Egidiengymnasiums.25 Er ist zugleich Inspektor der Nürnberger Schulen, Stipendiaten, Buchhandlungen und Druckereien sowie Bücherzensor und soll auf die nächste freiwerdende Predigerstelle befördert werden.26 Eröffnung des Auditorium publicum und Beginn des Vorlesungsbetriebs im ehemaligen Egidienkloster27 – einer propädeutischen Fortbildungseinrichtung, die geeignete Nürnberger Gymnasiasten durch Vorlesungen in verschiedenen Wissensgebieten auf das Universitätsstudium (in Altdorf) vorbereiten soll. Schwedischer Sieg über die Kaiserlichen in der Schlacht bei Leipzig. Zittau und Leipzig werden von den Schweden erobert und verwüstet. Druck der (in zwei unterschiedlichen Ausgaben publizierten) Schrift Augusti Buchneri JOAS Der heiligen Geburt Christi zu Ehren gesungen. Auß dem Lateinischen ins Deutzsche versetzt Von Johanne Clajo (Wittenberg, Johann Hake, 4 Bll., 4°).28 Zueignung an August Buchner. Klaj firmiert noch immer als Student der Theologie. – JOAS. Geistliches Hirten-Gedichte. DJe kalte Winternacht/ Die hatte nun vmb hült/ … Sigismund Betulius verläßt Nürnberg und kann sich (auf Befördern Dilherrs) mit öffentlicher Unterstützung zum Studium nach Jena begeben.29 Johann Klaj kommt als Kriegsflüchtling in die halb entvölkerte Reichsstadt Nürnberg,30 um dort Zuflucht zu suchen. Möglicherweise ist er durch Buchner an Georg Philipp Harsdörffer
25 Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, 1965, Nr. 236; Paul, Reichsstadt, S. 245. 26 Birken, WuK 11/1, S. 42. 27 Paul, Reichsstadt, S. 245; Paul, Singen, S. 162–165. 28 VD17: 1:638482D mit Link auf Volldigitalisat bzw. VD17: 7:719063B mit Link auf Volldigitalisat; Reprograph. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [183]–[190]. 29 Betrübte Pegnesis, S. 156. 30 Zu Reise und möglichen Reiseeindrücken siehe den Beitrag von Peter Fleischmann in diesem Band.
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vermittelt worden, mit dem er in Korrespondenz steht. Harsdörffer gilt ebenso wie Dilherr als Förderer armer Exulanten und bedürftiger Studenten.31 Immerhin soll der Patrizier Klaj „wegen seiner Geschicklichkeit und schönen Gaben, die er in verschiedenen Gedichten von sich spüren ließ, seiner besondern Freundschaft gewürdiget“ und sich mit ihm gemeinsam „so wohl in gebundener, als ungebundener Rede“ geübt haben.32 Einen Antrag auf Aufnahme ins Bürgerrecht stellt der Zuwanderer mangels Vermögens nicht. Truppeneinquartierungen in Nürnberg und Truppendurchzüge durch das Territorium.33 Erstes Weihnachtsfest und bald darauf erste Publikation Klajs in Nürnberg mit jahreszeitlich naheliegender Andienung an die dortigen Gönner. Druck: Johannis ClaJ Weyhnacht-Liedt Der Heiligen Geburt Christi zu ehren gesungen. Jm Jahr 1644 (o.O., 12 Bll., 4°).34 Begleitgedicht von Johann Michael Dilherr. – Denen Edlen … Seinen allerseits Hochgeehrten PATRONEN. MEin erstes Weynacht-Lied nam Buchner in die Hand … Johannes Clajus. (Zueignung an Michael Braun, Stadtgerichtsrat, Georg Philipp Harsdörffer, Stadtgerichtsbeisitzer, und Georg Christoph Geller, Stadtgerichtsschreiber) – Cum Deo & Musis. WJe werd ich mich noch eins an deinen Strom erfrischen … Gedruckte Einladung Dilherrs zur morgigen Veranstaltung des Auditorium publicum, bei der der aus Meißen stammende Kriegsflüchtling und Apollojünger Klaj eine Deklamation in Hexametern über die Geschenke der Heiligen drei Könige vortragen wird (1 Bl., 2°).35 Beginn der Mitwirkung Klajs an den Veranstaltungen des Auditorium publicum. Der (nicht erhaltene) Text nimmt auf den kurz zurückliegenden Dreikönigstag und auf seine Exilsituation Bezug.
1643 Dez 21 ff.
1643 Dez 25
1644 Jan 18
1644 Jan 19
31 Franz, Klaj, S. 14 f. 32 Amarantes, Nachricht, S. 5. 33 StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschrift 472, S. 677 f. 34 VD17: 1:638484U mit Link auf Volldigitalisat; reprograph. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [191]–[214]. 35 VD17: 75:691500F. Vgl. Paul, Reichsstadt, S. 241, 258 f.
41
Kleine Klaj-Chronik
1644 Apr 23
1644 Apr 24
Dilherr lädt in einem Flugblatt zu einem deutschen Vortrag Klajs über die Auferstehung Christi ein (1 Bl., 2°);36 kürzlich (wohl 1644 Jan 19) hat er bereits einen lateinischen Vortrag gehalten. Die jetzige Vorstellung findet – thematisch passend – unmittelbar nach Ostern (Apr 21) statt. Rezitation der ‚Auferstehung Jesu Christi‘ durch Klaj im neuen Auditorium bei St. Egidien.37 Druck: Aufferstehung JES. CHRJSTJ Jn ietzo neuübliche hochteutsche Reimarten verfasset und in Nürnberg Bey hochansehnlicher Volkreicher Versammlung abgehandelt (Nürnberg, Wolfgang Endter, 4 Bll., 43 S., 2 Bll., 4°).38 Andienende Zueignung an die patrizische Obrigkeit Nürnbergs, deren Adelsstatus trotz der Formulierungen Klajs rechtlich freilich mehr als zweifelhaft ist. Begleitgedichte von Johann Michael Dilherr (23.4.1644), Georg Philipp Harsdörffer, dem Rektor der Sebalder Schule Johann Vogel, Johann Graf und Christian Betulius. – fol. Aijr–Aiijv: Vberreichungsschrifft. JHr grossen Vätter nemt/ nemt hin diß mein Gedichte/ … Jhrer Adelichen Herrlichkeiten unterthäniger Johann Clajus. (Zueignung an Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Nürnberg, mit Kommentar) Der Rat der Reichsstadt hat Klajs Teutsches carmen, von der Aufferstehung Christi als Druck erhalten. Wegen einer Verehrung will man warten, bis zu Pfingsten ein weiteres angekündigtes Carmen eingeht.39 Gemeinsam mit dem Druck ist ein handschriftliches Zueignungsgedicht Klajs abgegeben worden, das er später in etwas veränderter Form auch als Beitrag für den „Poetischen Schauplatz“ Rists verwendet (1645 Dez 27):40
1644 Mai 25
36 VD17: 75:691502W; erneut abgedruckt auch im Vorspann der Druckausgabe. 37 Es handelt sich entgegen den Angaben bei Wiedemann (Klaj, S. 11) nicht um den Ostersonntag, sondern um den Mittwoch nach Ostern, was auch durch den bei Paul (Reichsstadt, S. 241) zitierten Chronikbeleg gestützt wird; Wiedemann gibt auch den Ort (bei ihm: Sebalduskirche) falsch an. 38 VD17: 32:669680P mit Link auf Volldigitalisat. Reprogr. Neudruck: Klaj, Redeoratorien, S. [1]– [55]. 39 StaatsAN: RV 2292, fol 7r; vgl. Franz, Klaj, S. 17. 40 StaatsAN: Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866. Vgl. Bürger, Und giebet.
42
Werner Wilhelm Schnabel
–
Omnimodam Salutem à fonte Salutis CHRISTO JEHSU. Quae fulminante lingua fulget Teutone … Nobilissimarum Vestrarum Magnificentiarum Subjectiss. Cliens. J. Claius. Johann Michael Dilherr und der Lorenzer Organist Sigmund Theophil Staden (1607–1655) veranstalten im Saal des Ayermannschen Gartens unter großer Beteiligung ein ‚Historisches Konzert‘, in dem die geschichtliche Entwicklung der Musik und ihr Gebrauch und Missbrauch in Ton und Vortrag vorgeführt werden.41 Ungewöhnlich heftiges Unwetter über Nürnberg, dass nach Auskunft eines Chronisten „männiglich deß Jüngsten tages dabey erwartet“.42 Tod des Hans Adam Seutter (1643–1644), des gut einjährigen Sohnes eines Nürnberger Handelsmanns. Leichenpredigtdruck: Christliche Einweyhung Deß newerweiterten Gottsackers bey S. Johannis/ Beschehen auß Gottes Wort/ vnd mit dem entseelten Leiblein/ deß nunmehr seeligen Knäbleins Hanns Adam/ Deß Erbarn vnd Fürnemen Hanns Adam Seutters/ Handelsmanns/ Eheleiblichen Söhnleins/ Welches den 13 Junii 1644. zu Nürmberg in GOtt seelig verschieden/ vnd hernach den 16 ejusdem, Christlichem Gebrauch nach beerdiget worden/ Von M. Wolffgang Jacob Dümlern/ Pfarrern bey S. Johannis (Nürnberg, Jeremias Dümler o.J., 10 Bll., 1 gef. Bl., 4°).43 6 Beiträge von Sebastian Hainlein, Albert Volckart, Daniel Wülfer, Johann Vogel und Johann Georg Volkamer sowie – fol. Cijr–v: V. WAs hat man guts gehört/ was hat man guts erfahren … Setzet es auß mitleiden schleunigst auf J. Klaj der H. Schrifft beflies. und gekrönt. Poet. [Die Poetenkrönung fand erst im Folgejahr statt; vgl. 1645 Mär 25 – offenbar ist der Druck der Funeralschrift also erst mit deutlichem Abstand zum Ereignis erfolgt.] Dilherr lädt in einem Flugblatt zu einem deutschen Redeactus Klajs am folgenden Tag ein (1 Bl, 2°).44
1644 Mai 31
1644 Jun 10
1644 Jun 13
1644 Jun 15
41 StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschriften, Nr. 475, fol. 170r ff. (außer Zählung). Vgl. Wade, Historisches Konzert. 42 StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschriften, Nr. 433, fol. 23v–24r. 43 VD17: 75:690668G. 44 VD17: 29:722577P mit Link auf Volldigitalisat; erneut abgedruckt im Vorspann der Druckfassung.
Kleine Klaj-Chronik
43
Rezitation der ‚Höllen- und Himmelfahrt Christi‘ im großen Saal des Augustinerklosters.45 Druck: Höllen- und Himmelfahrt JES. CHRJSTJ/ nebenst darauf erfolgter Sichtbarer Außgiessung GOTTES deß Heiligen Geistes. Jn jetzo Kunstübliche Hochteutsche Reimarten verfasset/ und in Nürnberg Bey Hochansehnlichster Volkreichster Versamlung abgehandelt durch Johann Clajen/ der H. Schrifft Befliessenen (Nürnberg, Wolfgang Endter, 4 Bll., 56 S., 4 Bll., 4°).46 Begleitgedichte von Johann Michael Dilherr (15.6.1644), Georg Philipp Harsdörffer, dem braunschweig-lüneburgischen Hofpräzeptor Justus Georg Schottelius (8.7.1644), Johann Vogel, Christian Betulius, Samuel Hund und Rudolf Carl Geller. Aus mehreren Lobgedichten wird deutlich, dass die neuartigen Verse Klajs offenbar nicht von allen goutiert werden (fol. Jijv) und zudem Neidhart blökt und tobet (fol. Jivr). – fol. A2r–A3r: Vberreichungsschrifft. SO geht es in der Welt/ die Zeit in sich verbunden … Jhrer Adelichen Herrlichkeiten unterthänigster Johannes Clajus. (Zueignung an den Rat und die Bürgermeister der Reichsstadt) Namenstag von Johann Michael Dilherr. Gratulationsdruck: NOMINALIA Viri Plurimùm Reverendi atque Excellentissimi Dn. JOANNIS MICHAELIS DILHERRI, Theologi, Oratoris & Poetæ incomparabilis, decantata ab Amicis & Cultoribus XXVI. IVNII MDCXLIV (o.O. 1644, 6 Bll., 4°).47 7 Beiträge von Georg Philipp Harsdörffer, Johann Vogel, Johannes Graf, Johann Hieronymus Imhoff, Christian Betulius, Christian Eschenbach sowie – fol. Br–B2r: VI. Qvartus redux vigesimus jam Iunius, … gratulabundus accinebat Johannes Clajus. Der Buchhändler und Verleger Jeremias Dümler liefert der Stadt Nürnberg zwei Exemplare von „Clai Tractetlein“. Dafür stellt er dem Losungamt 20 kr. in Rechnung, die am 17. August
1644 Jun 16
1644 Jun 26
1644 Jul 13
45 Nach dem von Paul (Reichsstadt, S. 241) zitierten Beleg aus einer Nürnberger Chronik fand der Vortrag nicht an Pfingsten (9.6.1644, falsch datierend Wiedemann, Klaj, S. 11), sondern am Dreifaltigkeitssonntag (also Trinitatis = 16.6.1644) statt. 46 VD17: 23:236321K; reprogr. Neudruck: Klaj, Redeoratorien, S. [57]–[127]. Vgl. Wiedemann, Klaj, 1966, S. 11 f. 47 VD17: 125:016899G.
44
Werner Wilhelm Schnabel
zusammen mit anderen Posten zur Auszahlung angewiesen werden.48 Der Rat hat Klajs gedruckte „Höllen- und Himmelfahrt“ erhalten. Er überlässt es den Losungern, für diese Schrift und die kürzlich eingegangene eine Verehrung festzulegen, die allerdings erst im November ausbezahlt wird (siehe 1644 Nov 16).49 Gemeinsam mit dem Druck hat Klaj ein handschriftliches Widmungsgedicht eingereicht:50 – Heil von dem Brunnen des Heiles, Friede von den Friedefürstenn CHRJSTO JESU. Die güldne Sonn in kurzer Zeit durchrennet … Jhrer Adelichen Herlichkeiten Unterthänigster Johannes Clajus. Gratulationsgedicht zur Buchpublikation von Hieronymus Walch (1589–1668): Kurtze Beschreibung Der Bergsäffte vnd Tugenden Deß heilsamen vnd berühmten Sawer-Brunnens/ Bey der Stadt Göppingen/ An der Vils gelegen: Sampt einem nutzlichen Begriff etlicher Gelehrten Leute hiervon/ zu vnterschiedlichen zeiten/ in Druck außgegangener Meinungen. Verfertigt Durch Hieronymum Walchen/ Medic. D. vnd bestelten Physicum Ordinarium zu gedachtem Göppingen (Nürnberg, Endter 1644, 16 Bll., 8°).51 Begleitgedichte von Johann Georg Fabricius, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Christoph Kerler sowie – fol. Bvjr–v: III. Die Göttin deß Edlen- und heilsamen Göppinger SauerBrunnens redend: JHr armen Sterblichen steht stille/ schaut den Fluß: … Auß höchstpflichtschuldigster Ehrerbietung setzet dieses auff Johannes Clajus. Nürnberg am letzten deß Heumonats/ Jm Jahr/ m. dc. xliv. Harsdörffer lobt in einem Brief an Carl Gustav von Hille (vor 1590–1647), den Erzschreinhalter der Fruchtbringenden Gesellschaft, Klaj und dessen Gedichte in unterschiedlichen Reimarten.52
1644 Jul 22
1644 Jul 31
1644 Aug 24
48 StaatsAN: Rep. 54a II, Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866. 49 StaatsAN: StaatsAN: Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866; Bürger, Und giebet, S. 5. 50 StaatsAN: Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866; vgl. Bürger, Und giebet, S. 3 f. 51 VD17: 32:633890V mit Link auf Volldigitalisat. 52 Franz, Klaj, S. 23.
Kleine Klaj-Chronik
1644 ff. 1644 Sep 22
Klaj ernährt sich in Nürnberg als Hauslehrer.53 Juristische Promotion von Johann Georg Richter (1620–1683), Sohn des einflussreichen Nürnberger Juristen und Prokanzlers der Universität Altdorf Georg Richter (1592–1651): Gratulationsdruck: FAUTORUM ET AMICORUM Vota & elogia In Honorem VIRI clarissimi DN. JOANNIS GEORGII RICHTERI, G. Filii, Scipta: Cum in Inclyta Noribergensium Academia Altdorphina, Ab Excellentissimo & Consultissimo VIRO DN. WILHELMO LUDWELL, ICto celeberrimo, Antecessore & Consiliario Norico, h. t. Amplissimi ICtorum ordinis Decano Spectatissimo, UTRIUSQUE IURIS DOCTOR PUBLICA SOLENNITATE RENUNCIARETUR […] (Altdorf, Cunigunda Scherff 1644).54 Beiträger: Georg König, Johann Ulrich, Caspar Hofmann, Georg Noessler, Ludwig Jungermann, Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, Johannes Weinmann, Johann Fabricius, Jacob Bruno, Jacob Tyde, Christoph Adam Ruprecht, Johann Paul Felwinger, Paul Hayer, Johann Vogel, Martin Beer, Hieronymus Ammon, Sebald Schnell, Albrecht Richter, Hieronymus Agricola, Georg Christian Stöberlein, Daniel Oder, Salomon Burger sowie – fol. B3r–B3v: XXI. ALma Themis, viroque gerens Astrea bilancem … Ad Pegnesum cantitabat Johannes Clajus. Patrizische Doppelhochzeit von Carl Erasmus Tetzel von Kirchensittenbach (1623–1667) mit Anna Felicitas Haller von Hallerstein (1621–1684) sowie von Hieronymus Wilhelm Schlüsselfelder (1616–1672) mit Maria Salome Tetzel von Kirchensittenbach. Zu diesem Anlass verfassen Harsdörffer und Klaj als Auftragsdichtung55 ein PEGNESISCHES SCHAEFERGEDJCHT/ in den BERJNORGJSCHEN GEFJLDEN (Nürnberg, Wolfgang Endter 1644, 47 S., 4°),56 in dem sie als Strephon und Clajus figurieren.57 Die bei dieser Gelegenheit vorgetragene Prosaekloge wird später zum Gründungsakt des Pegnesischen Blumenordens stilisiert.58 Eine Titelausgabe erscheint
1644 Okt 14
53 54 55 56 57 58
45
Herdegen, Nachricht, S. 234. VD17: 125:028046V. Amarantes, Nachricht, S. 7. VD17: 75:704841S. Auflistung der Einzelbeiträge bei Jürgensen, Melos, S. 2 f. Fortsetzung der Pegnitzschäferei, 1645, S. 28–32.
46
Werner Wilhelm Schnabel
noch im gleichen Jahr,59 ein Neudruck 1673 im Rahmen von Birkens ‚Pegnesis‘ (siehe 1673 Jul 11). Von Klaj stammen die Texte – S. 3: JHr brünstig-verliebte verlobete Hertzen … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 6 f.: Ach/ Gegenhall/ ich will dich etwas fragen: … – S. 7: Jhr Nymfen dieses Stroms/ ihr Qwellinwohnerinnen/ … – S. 8: Du schöne Käiserin/ du Ausbund Teutscher Erden … – S. 9 f.: Wann die braunen Meisnerhirten … – S. 18: Was raucht und dampfet so: Heu/ daß Vulkan hier sitzet/ … – S. 20: Hellgläntzendes Silber/ mit welchem sich gatten … – S. 25–26: So lang die Pfeiler fest/ kann kein Gebäue wanken: … (Wechselgesang mit Strephon) – S. 29 f.: Was ist die Lieb? ein ungeheure Glut/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 31: Alles was lebet und webet/ das liebet/ Alles was liebet/ ist stetig betrübet. … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 31–34: Wie lebt doch der bey Menschen auf der Erden/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 34 f.: Was wünschen wir diesen gedoppelten Beyden … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 35 f.: Vier fromme Hertzen hertzen/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 37: Es verbleibe bey ihnen ehliche Wonne/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 37 f.: Jhr Pegnitz-Najaden verziehet zu giessen/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 39 f.: Die Sonne steiget auf/ die Fürstin der Planeten/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 41–43: Als der güldne Sonnenpracht Seine Flammen aufgestekket/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 43: Viererley Lettern melden der Höhesten heiligen Namen … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 44: Was ihr Verlangen heischt/ erwünsch ich allen Vieren … (Wechselgesang mit Strephon).
59 Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2354.
Kleine Klaj-Chronik
–
47
S. 45: Sie fragen nicht darnach/ Daß jüngst der Pabst gestorben … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 47: Auf güldenes Leben! glükliche Nacht/ … Weiterer Casualdruck zu diesem Anlass: MELIMELA GAMICA in raros Honores In raros Honores & festivas Nuptiarum solennitates, Cum Viri Magnifici, Nobilißimi, Amplißimi atque Prodentißimi, Dn. JOHANNIS JACOBI TEZELII à Kirchensittenbach/ in Vorra & Artelßhofen/ etc. Inclutæ Reipubl. Noriberg. Septem-Viri, Reique militaris Præfecti vigilantissimi, ut & illustrissimi Ducis Würtenbergens. Ordinumque Franconiæ Consilarii celeberrimi, FILIVS, Nobilißimus ac splendidißimus CAROLUS ERASMUS TEZELIUS à Kirchensittenbach/ etc. duceret Viri Magnifici, Nobilißimi, Amplißimi ac Prudentißimi, Dn. JOHANNIS ALBERTI HALLERI ab Hallerstein/ &c. Ejusdem Reipubl. Norib. Septem-viri dignissimi & in rebus bellicis Consiliarii meritissimi, FILIAM unicam, Virginem omnibus virtutibus egregiè exornatam, ANNAM FELICITATEM, Et Viri itidem Magnifici, Nobilißimi, Ampliß. Prudentißimique Dn. CAROLO SCHLUSSELFELDERI, Reipubl. Noricæ Senatoris & Scholarchæ quondam laudatissimi, FILIUS, Nobilissimus ac spectatissimus HIERONYMUS WILHELMUS SCHLUSSELFELDERUS, duceret Prædicti Magnifici Dn. TEZELII, &c. FILIAM, Fœminei Sexus Coronam, Virginem MARIAM SALOME, lectissimam, Oblata d. 14. Octobris Anno M.DC.XLIV. (Nürnberg, Wolfgang Endter 1644, 20 Bll., 2 gef. Bll, 4°).60 Beiträge von Georg Richter, Daniel Oder, Caspar Hofmann, Johann Saubert, Johann Michael Dilherr, Christoph Welhammer, Johann Georg Fabricius, Johann Hellwig, Christoph Adam Ruprecht, Johann Paul Felwinger, Sigmund Faber, Johannes Gundermann, Georg Streng, Justus Daniel Heering, Daniel Wülfer, Johann Vogel, Johann Götz, Georg Mayer, Veit Herel, Friedrich Tucher, Georg Widmann, Gabriel Nützel, Jobst Christoph Kreß d.J., Hieronymus Ammon, Johann Hieronymus Imhoff, Thomas Cleusl, C. H. K., Johann Melchior Haller von Hallerstein, Adam Rudolph Schlüsselfelder, Gustavus Philippus Tetzel, Johann Christoph Dietherr, Johann Christoph Falckner, Cornelius Marci, Johann Georg Richter, Johann Georg Schwingshär
60 VD17: 125:020975W mit Link auf Volldigitalisat; Jürgensen, Melos, S. 3.
48
Werner Wilhelm Schnabel
1644 Okt 16
1644 Okt 27
1644 Okt 28
lein, Adam Staden, L. R. R., Jacob Pfinzing von Henfenfeld, Ludwig Rösel sowie – fol. Ev–E2v: Concertatio Pastoralis Anacreontica, alternatim decantata. … [Wechselgesang von Clajus (Klaj) und Strephon (Harsdörffer)]. Dieses Datum – zwei Tage nach der Hochzeit der Patrizierpaare – wird von Amarantes-Heerdegen nach der bereits von Birken (gemäß einer Erzählung Klajs selbst) berichteten Gründungslegende als ‚Gründungsdatum‘ des Pegnesischen Blumenordens festgehalten.61 Da die Empfänger der Gelegenheitsdichtung sich nicht entscheiden können, welchem der beiden Dichter sie den ausgesetzten Preis zuerkennen wollen, teilen diese den erhaltenen Blumenkranz unter sich auf. Gedruckte Einladung Dilherrs zur morgigen Rezitation Klajs in deutschen Versen, die zur Überraschung des Auslandes neuerdings neue qualitative Höhen erreicht haben (1 Bl., 2°).62 Eine Thematik wird nicht ausdrücklich genannt; aufgrund des Wiederabdrucks in der Druckversion handelt es sich aber eindeutig um die ‚Lobrede der deutschen Poeterei‘.63 (Simon und Juda = Allerheiligen) Klaj trägt im großen Saal des Augustinerklosters eine Lobrede der deutschen Dichtung vor. Druck: Lobrede der Teutschen Poeterey/ Abgefasset und in Nürnberg Einer Hochansehnlich-Volkreichen Versamlung vorgetragen Durch Johann Klajus (Nürnberg, Wolfgang Endter 1645, 4 Bll., 27 S., 2 Bll., 4°).64 Begleitgedichte von Johann Michael Dilherr (27.10.1644) und Georg Philipp Harsdörffer (27.10.1644). – fol. Av–A3r: HEult nicht der Nordenwind! der rauhe Felderfeind … E. Wol-Edl. Gestr. Dienstergebener Knecht. J. Kla-
61 Amarantes, Nachricht, Titelkupfer und S. 6–9, 15 (dabei allerdings eine falsche Datierung der anlassgebenden Hochzeit). Konkurrierende Datierungen bereits auf das Jahr 1642 werden ebd. S. 13–17 verworfen. Vgl. auch Laufhütte, Gründung, S. 263–266. 62 VD17: 75:691515A mit Link auf Volldigitalisat. 63 Paul (Reichsstadt, S. 241) hat für diesen Vortrag eine verlorene Prosarede über den Kindermord des Herodes vermutet; aufgrund der Thematik der Einladung und der Bezugnahmen im späteren Druck der ‚Lobrede‘ ist die hier vorgenommene Zuordnung aber wesentlich wahrscheinlicher. – Siehe auch den Beitrag von David L. Smith in diesem Band. 64 VD17: 23:302245X mit Link auf Volldigitalisat. Reprogr. Neudruck: Klaj, Redeoratorien, S. [377]–[416]. – Siehe auch die Beiträge von Stefanie Stockhorst und Stefanie Arend in diesem Band.
Kleine Klaj-Chronik
1644 Okt
1644 Nov 16
49
jus. (Zueignung an den Kaufmann und Mäzen Johann Jobst Schmidmaier von Schwarzenbruck, 1611–1647). Sigismund Betulius kehrt nach deprimierenden Studienerfahrungen in Jena nach Nürnberg zurück. Hier macht er die Bekanntschaft Harsdörffers und Klajs. In der späteren Gedenkschrift des Ordens auf Birken wird seine literarische Sozialisation eng mit der Person Klajs verbunden: Er fande auch damals (erlängerte Asterio) den trefflichen Dichter/ Herrn Johann Klaj/ einen Meißner/ und von seiner Hand etliche teutsche Kunst-reden/ insonderheit das schöne/ von wolbesagten Beyden gespielte Hirten-Gedicht/ welches in der/ von ihme hervorgegebenen Pegnesis das erste ist. Dieser letztere (unterredete Myrtillus) ist mein erster und einiger Lehrer in der Poesy gewesen/ den ich ewig ehre/ und hat er die wenige/ in der Natur liegende/ Fünklein/ bey mir/ rege gemacht/ daß sie bißhero noch immer geglimmet haben.65 Klaj scheint also auch der Lehrer des jungen Martin Limburger (1637–1692), späteren Pfarrers in Kraftshof und Präses des PBO, gewesen zu sein. Klaj bekommt für die beiden im Mai (1644 Mai 25) und Juli (1644 Jul 22) an den Nürnberger Rat eingereichten Druckschriften eine Verehrung von 6 fl. ausbezahlt.66 Heirat zwischen dem Nürnberger Juristen Johann Georg Richter (1620–1683) und Catharina Gammersfelder (1618–1668), Tochter des Nürnberger Handelsmanns Christoph Gammersfelder († 1646). Sammelgratulatorium: EPITHALAMIA, In Nuptias Cl. & Consultiss Viri, JOANNIS GEORGII RICHTERI, U.I.D. & Advocati Norici, Sponsi Viri Magnifici, Ampliss. & Consultissimi, GEORGII RICHTERI IC. Patriæ Reipub. aliisque Imperii Ordinibus à Consiliis, Academiæ Altorphinæ Procancellarii, Filii: ET Florentissimæ Virginis, non minus suorum splendore, quàm propriis virtutibus Ornatissimæ, Sponsæ CATHARINÆ, Genere, Virtute & Integritate Ampliß. Spectatissimique Viri, CHRISTOPHORI GAMMERSFELDERI, Reipub. Norib. Senatus amplioris, Filiæ: XXV. Novembr. ipso d. Catharinae celebratas. A.S. MDCXLIV (Nürnberg, Wolfgang Endter 1644).67 Beiträger:
1644 Nov 25
65 Betrübte Pegnesis, S. 173 f. 66 StaatsAN: Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866; Bürger, Und giebet, S. 5. 67 VD17: 125:017249W.
50
Werner Wilhelm Schnabel
1644 Nov
1644 Dez 23
Georg König, Tobias Oelhafen von Schöllenbach, Caspar Hofmann, Georg Noessler, Ludwig Jungermann, Johann Saubert, Cornelius Marci, Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, Johann Christoph Molitor, Johannes Weinmann, Johann Fabricius, Jacob Bruno, Jacob Tyde, Christoph Adam Ruprecht, Johann Paul Felwinger, Daniel Wülfer, Johann Vogel, Gottfried Bernhard, Conrad Iberer, Martin Beer, Salomon Burger, Johann Georg Schwingshärlein, Hieronymus Ammon, Adam Staden, Ludwig Rösel, Thomas Cleusl, Christian Betulius, Benedict Bock, Sebald Schnell, Albrecht Richter, Christoph Gammersfelder, Paul Weber, Michael Grumbach, Johann Christoph Arnschwanger, Martin Johannis, Michael Praun, Jacob Doppelmayr, Johannes Gräff, Simson Rues, Rudolf Carl Geller, Johann Georg Volkamer, Georg Schröder, Gaudentius Bonamicus sowie – fol. C4v–D2r: XXXII. HEtt ich Opitz teutsche Leyer/ … Johannes Clajus. Disputation des aus Dresden stammenden und dort später als Kammer-Revisions-Kommissar wirkenden Jurastudenten Christian Nicolai (1622–1676) in Altdorf unter Wilhelm Ludwell (1589–1663). Druck: DISPUTATIO JURIDICA DE BENEFICIO CESSIONIS BONORUM […] (Altdorf, Scherff 1644, 24 Bll., 4°).68 Begleitgedichte von Ludwig Jungermann, Matthias Schneider, Wolfgang Sultzer und Adam Georg Faber sowie – fol. F4r: Anapestische Ringelreimen An Herrn Christian Nicolai/ als derselbe zu Altdorff eine vnterredung von Abtretung der Güter gehalten. BEsieger des volkes entscheider deß zweyen … Zu freundwilligster Ehrbezeugung übersendet dieses von Nürnberg Johann Klajus. Harsdörffer – als ‚Der Fertige‘ neues Mitglied in der ‚Deutschgesinneten Genossenschaft‘, die Philipp von Zesen (1619– 1689) im Vorjahr gegründet hat – schlägt in einem Brief an diesen neben Wenzel Scherffer von Scherffenstein, Jesaias Rompler von Löwenhalt, Samuel Hund, Sigismund Betulius und Johann Michael Moscherosch auch Klaj zur Aufnahme vor: Joh. Clajus, ein wohlgeborner Poet, hat hier öffentlich geistliche Lieder auf die hohen Feste und jüngsthin eine freie Rede
68 VD17: 3:011195S mit Link auf Volldigitalisat.
Kleine Klaj-Chronik
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von deutscher Poeterei hören lassen: Kann heißen der Fremde und zum Gemäl haben eine Hand mit einem Rosenbusch und unter den Rosen die Jerusalemsblume. Jetzt arbeitet er an dem Kindermord Herodis.69 Klaj wohnt offenbar wie die beiden mittellosen Brüder und böhmischen Exulanten Christian und Sigismund Betulius, aber auch mehrere von auswärts kommende Schüler und eine Reihe junger Angehöriger des Patriziats im Haus Johann Michael Dilherrs (siehe 1644 Dez 27).70 Dabei handelt es sich wahrscheinlich um das ehemalige Klostergebäude des 1633 nach Nürnberg verlegten Gymnasium Aegidianum, dem Dilherr vorstand. Üblicherweise werden in solchen Schulen mit überregionalem Einzugsbereich auch Kost und Logis angeboten. Heirat zwischen dem Direktor des Egidiengymnasiums Johann Michael Dilherr und der böhmischen Exulantin Maria Deschauer (1604–1664), geb. Schmidt, Witwe eines Kaufmanns aus Eger. Hochzeitsschrift: Vnverwelkliches MYRTENKRÄNZLEJN auf Herren Johann Michael Dilherrens/ und Dessen Hertzvielgeliebten Vertrauten/ Frauen Marien Deschauerin/ HOCHZEJTLICHES ERENFEST/ gewunden vnd gebunden von DEROSELBEN höchstverpflichteten Haußgenossen (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1644, 14 Bll., 4°).71 16 Beiträge von Christian Betulius, Peter Relouw, Andreas Auer, Christoph Ausfeld, Michael Grumbach, Christian Eschenbach, Christoph Hieronymus Kreß von Kressenstein, Marx Christoph Kreß von Kressenstein, Johann Paul Imhoff, Johann Christoph Tucher, Georg Gottlieb Pömer, Tobias Tucher, Johann Baptist Imhoff, Jacob Doppelmayr, Sigismund Betulius sowie
1644 Dez
1644 Dez 27
69 Dissel, Zesen, S. 23, 55 f.; Franz, Klaj, S. 22 f.; Birken, WuK 13, S. 86 (Kempe an Birken, 21.6.1670 N.S.). 70 Stauffer, Birken I, S. 6 f. erwähnt das Sebalder Pfarrhaus; allerdings wurde Dilherr erst Ende 1646 als Sebalder Pfarrer berufen. Quellenkritische Beurteilung von Hartmut Laufhütte in Birken, WuK 11/I, S. XVII–XIX. Der dort vorgebrachte Einwand, dann müßten auch Harsdörffer und andere prominente Zeitgenossen zu den Mietern im Hause Dilherr gezählt haben, verfängt allerdings nicht: Deren Beiträge stehen in einem anderen Sammelgratulatorium zu diesem Ereignis (VD17: 75:654050M). Auszuschließen sein dürfte auch ein Haus der in Nürnberg weitverbreiteten, vermögenden Ehrbarenfamilie Dilherr (von Thumenberg), mit der der Geistliche nur entfernt verwandt war (zu dieser Familie vgl. etwa Aign, Dilherrbuch). 71 VD17: 125:015647U. – Vgl. auch Paas, In Praise, S. 607–612.
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Werner Wilhelm Schnabel
–
1645
1645 Jan 11
1645 Jan 12
fol. C3r–Dv: Zugab. Adam vnd Evens Paradiß Hochzeit. DEr ungeformte Klumpf lag noch in düstren Dünsten … Johannes Klajus. In den Pegnesischen Blumenorden werden aufgenommen: der kursächsische Rat Samuel Hund (* 1609, Myrtillus), der Privatlehrer Sigismund Betulius (1626–1681, Floridan), der Arzt Johann Hellwig (1609–1674, Montano), der Diakon Christoph Arnold (1627–1685, Lerian), der Korrektor und Lehrer an der Sebalder Schule Johann Sechst († 1674, Alcidor), der Bauschreiber Friedrich Lochner (1602–1673, Periander), der Wedeler Pastor Johann Rist (1607–1667, Daphnis aus Cimbrien) und der Grammatiker und Wolfenbütteler Prinzenerzieher Justus Georg Schottelius (1612–1676, Fontano). Gedruckte Einladung Dilherrs zum am Folgetag stattfindenden Vortrag Klajs (1 Bl., 2°);72 erneut abgedruckt in der Druckausgabe von ‚Herodes der Kindermörder‘. (‚Sonntag nach Obrist‘) Rezitation einer gebundenen Rede vor dem Auditorium publicum mit musikalischer Untermalung. Druck: HERODES der Kindermörder/ Nach Art eines Trauerspiels ausgebildet und Jn Nürnberg Einer Teutschliebenden Gemeine vorgestellet durch Johan Klaj (Nürnberg, Wolfgang Endter 1645, 4 Bll., 62 S., 1 Bl., 4°).73 Begleittexte von Johann Michael Dilherr (11.1.1650), Georg Philipp Harsdörffer (Brief), Sigismund Betulius74 und Rudolf Carl Geller, – fol. Av–Aijr: ES ist unschwer zu erweisen/ … Nürnberg/ am Fest der Darstellung Christi im Tempel/ des lauffenden M. DC. XXXXV. Jahrs. Jhr HochAdel. Herrl. unterthänigster J. Klaj (Prosa-Zueignung [2.2.1645] an die Nürnberger Patrizier Lucas Friedrich Behaim, Kirchenpfleger und Schulherr, Johann Albrecht Pömer, Georg Imhoff und Jobst Christoph Kreß von Kressenstein). Heirat zwischen dem aus Leipzig stammenden Juristen Benedict Winkler (1621–1680) und der patrizischen Kaufmannstochter Maria Magdalena Peller von Schoppershof (1625–
1645 Mär 10
72 VD17: 29:722580S mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Paul, Reichsstadt, S. 235 f. 73 VD17: 12:634585Q; reprogr. Neudruck bei Klaj, Redeoratorien, 1965, S. [129]–[200]. – Siehe auch Heitner, Popularizations sowie die Beiträge von Franz M. Eybl und Bernhard Jahn in diesem Band. 74 Birken, Birken-Wälder, Nr. 16.
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1661). Sammelgratulatorium: VERBA VOTIVA, SOLEMNI FESTIVITATI nuptiarum Generis & omnis elegantioris cultus dignitate præstantißimi Dn. BENEDICTI WINKLERI, auff Delitz/ Viri Amplissimi, spectatissimi & integerrimi, Dn. GEORGII VVINKLERI, auff Delitz/ Filii, Sponsi, CUM lectissima, omnique virtutum choragio florentissima Virgine MARIA MAGDALENA, VIRI Honoratissimi atque eximiâ auctoritate præclarissimi, Dn. TOBIÆ PELLERI, civis & numerosioris Senatus apud Norimbergenses adiuncti &c. Filia, Sponsa, X. Mart. Anni MDCXLV, Norimbergæ celebratum, Dicta (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1645, 16 Bll., 4°).75 21 Beiträge von Johann Saubert, Cornelius Marci, Johann Michael Dilherr, Sebastian Hainlein, Johann Vogel, Johann Riedner, Michael Manner, Christoph Ludwig Dietherr, Johannes Weck, Paul Winkler, Johann Jacob Imhoff, Christoph Gottfried Pfinzing von Henfenfeld, Joachim Nützel, Christian Mirus, Christoph Peller, Johann Lucas Peller, Michael Grumbach, Martin Reyher, H. S. R. M., Johann Christoph Schmidmaier sowie – fol. *v–*2v (Post-missa): II. I An den Herrn Hochzeiter. HErr/ der ist reiff an Witz/ der stets die rechte Zeit … – fol. *3r: II. Todten-Sarg Verehret der J. Braut/ uf Ableiben Jhrer Jungferschaft.76 EJa gebet/ Bräutlein/ hin … – fol. *3v–*4r: III. An die Gäste/ Freudenwekker. LVstig Jhr Herren! Heute sol wachen … Aufgesetzet und abgespielet von Einem/ so der Beyden Verlobt- und Verliebten/ als der Poeterey Gefliessenem. Dichterkrönung Klajs durch den Nürnberger Juristen und (seit 1644) Hofpfalzgrafen Georg Achaz Heher (1601–1667).77 Die von der älteren Literatur behauptete Krönung bereits in Wittenberg78 hat wohl nicht stattgefunden – allerdings hat sich Klaj bereits im Vorjahr (1644 Jun 13) als Poeta laureatus bezeichnet;79 von nun an wird er es regelmäßig tun. Gedruckte Einladung Dilherrs zu einer Rezitation Klajs am Folgetag nach Predigt und Chor; darin wird auch die Laurea
1645 Mär 25
1645 Mär 29
75 76 77 78 79
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VD17: 75:705661Y. Klaj, Friedensdichtungen, 1968, S. 36*. Franz, Klaj, S. 19. Herdegen, Nachricht, S. 235. Deshalb Koronationsdatum bei Flood, Poets Laureate II, S. 1005: „not after 1644“.
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Werner Wilhelm Schnabel
tur des Vortragenden erwähnt (1 Bl., 2°).80 Erneut abgedruckt in der Druckfassung des ‚Leidenden Christus‘. Die Veranstaltung findet am Sonntag vor Karfreitag (Apr 04) statt. Rezitation des ‚Leidenden Christus‘. Druck: Der Leidende CHRJSTUS/ Jn einem Trauerspiele vorgestellet Durch Johann Klaj/ Der H. Schrifft Beflissenen/ und gekrönten Poeten (Nürnberg, Wolfgang Endter 1645, 4 Bll., 71 S., 4°).81 Musik von Sigmund Theophil Staden. Begleittexte von Johann Michael Dilherr (29.3.1645), Georg Philipp Harsdörffer, Christian Brehme (Dresden), Samuel Hund (Gebershagen), Sigismund Betulius82 und Rudolf Carl Geller (Figurengedicht). Die neuartige Dichtkunst des Autors erweckt allerdings offenbar nicht nur Begeisterung, sondern auch NeiderSchmach (S. 71). – fol. Av–Aiijr: HochEdle/ Ehrenveste/ Fürsichtige/ Hochund Wolweise/ insonders großgünstige/ hochgeehrte Herren. JN Sprüchwörtern Salomons … Gegeben am xvj. Tag des Blumenmonats/ Jm Jahre M.DC. XLV. Jhr HochAdel: Herrlichk: in Vnterthänigkeit dienstergebener Johann Klaj. (Prosa-Zueignung [16.5.1645] an die Nürnberger Patrizier Nicolaus Albrecht Rieter, Johann Wilhelm Kreß von Kressenstein, Burkhard Löffelholz, Christoph Derrer, Leonhard Grundherr, Paul Harsdörffer, Georg Christoph Behaim und Andreas Georg Paumgartner) Klaj wird mit dem Gesellschaftsnamen ‚Der Fremde‘ als 23. Mitglied in die Rosenzunft der ‚Deutschgesinneten Genossenschaft‘ Philipp von Zesens aufgenommen.83 Sein Kleinod erhält er in einem Gedicht von Zesen zugewiesen. Auch Wenzel Scherffer von Scherfenstein, Johann Michael Moscherosch, Samuel Hund und Sigismund Betulius werden an diesem Tag Mitglied der Hamburger Dichtersozietät. Heirat zwischen dem aus Niederösterreich exulierten Pfarrer Andreas Jahn (1588–1652) und Maria Simon. Gemeinsam mit Georg Philipp Harsdörffer und Sigismund Betulius verfasst
1645 Mär 30
1645 Apr 03
1645 Mai 06
80 VD17: 75:691520U mit Link auf Volldigitalisat. 81 VD17: 23:252675C mit Link auf Volldigitalisat. Reprogr. Neudruck: Klaj, Redeoratorien, S. [201]–[280]. Vgl. Steiger, Zorn und Gericht. 82 Birken, Birken-Wälder, Nr. 17. 83 Zesen, Helikonisches Rosenthal, S. 80; Amarantes, Nachricht, S. 849; Dissel, Zesen, S. 59; NDB 2, 1955, S. 257 (Hellmut Rosenfeld).
Kleine Klaj-Chronik
1645 Mai
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Klaj eine Hochzeitsschrift: Der Pegnitz Hirten Frülings Freude/ Herrn M. Andre Jahnens und Jungfer Marien Simons Myrtenfeste gewidmet/ den vj. des Blumen Monats. Jm Jahre M. DC. XLV. (o.O. 1645, 4 Bll., 4°).84 Beitext von Johann Saubert (2.4.1645). Beiträge Klajs: – fol. Aijr–v: Willkommen Westwind/ Kältezwinger/ Blumenvater/ Blütenbringer … – fol. Aiijv–Aivv: Es schmeltzet der Schnee/ … (Wechselgesang mit Floridan und Strephon). (Datierung der spätesten Zuschrift) Erscheinen von Harsdörffers GESPRECHSPJELE Fünfter Theil; Jn welchem Unterschiedliche/ in Teutscher Sprache niebekante Erfindungen/ Tugendliebenden Gesellschaften aus zuüben/ Vorgestellet worden: Benebens einer Zugabe/ überschrieben Die Reutkunst/ Durch einen Mitgenossen der hochlöblichen Fruchtbrjngenden Gesellschaft (Nürnberg, Wolfgang Endter 1645).85 Begleitgedichte von dem Unverdrossenen (Carl Gustav von Hille), dem Suchenden (Justus Georg Schottelius, 10.12.1644), dem Friedfertigen (Paris von dem Werder, 16.5.1645), Christian Brehme (5.5.1645), Conrad Hildebrand (24.2.1645), Georg Conrad Osthof, Johann Rist, Jesaias Rompler von Löwenhalt, Philipp von Zesen, Johann Hellwig, Samuel Hund (12.1.1645 mit Bezug auf Strefon und Klajus), Sigismund Betulius, Johann Sechst, Christoph Arnold sowie – fol. )()()()()(ijv–)()()()()()(v: XIV. Fortsetzung des vorhergehenden Schäfergedichts. DAs allgemeine Weltliecht/ die Goldbestralte Sonne … Dieses nun hab ich/ so gut ich vermöcht/ abgefasset und dem gepriesenen Schäfer STREPHON mit gebührender Ehrbezeigung übergeben wollen/ welcher es auch hoffentlich lesewürdig erachten wird und nach reiffer Uberlegung mehr das Wollen als das Vollbringen gutheissen Seines untergebenen Joh. Klajens (eingeordnet unter den Pegnitzschäfern als Fortsetzung einer Schäferei von Samuel Hund und vor einer Fortsetzung durch Sigismund Betulius).
84 VD17: 125:001648F. 85 VD17: 23:234650D mit Link auf Volldigitalisat.
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Werner Wilhelm Schnabel
1645 Jun 01
1645 Jun 25
1645 Jun 25
Namenstag Georg Philipp Harsdörffers. Gratulationsdruck: Des Süßspielenden STREPHONS Namens-feyer feyret unsre Pegnitz Schäferleyer den 1 Des Rosenmonats (o.O., 4 Bll., 4°).86 Beiträge von Johann Hellwig, Johann Georg Volkamer und Friedrich Lochner sowie von Klaj: – fol. Aiijr: Jm Fall Hirt Strephon sitzt am gläsernen Gewässer … – fol. Aiijv: Was schöne Farben sind in dieses Band gewebet … – fol. Aivr: Daß mein Klee das Kraut der Bienen … Heirat zwischen dem Maler Johann Christian Ruprecht (um 1600–1654)87 und der Tuchhändlerstochter Helena Brandmayer (1618–1674). Hochzeitsdruck: Hochzeitliches Ehrenfeyer Deß Wolvornehmen vnd Kunstreichen Herrns Johann Christian Ruprechts Röm. Käis. Maj. befreyten Hofmahlers Vnd Der Erbaren vnd Tugendreichen Jungfer Helenen Brandmayers (Nürnberg, Michael Endter 1645, Einblattdruck, 2°).88 – MEin Geist ermuntert sich/ ich kan nicht länger schweigen … J. Klaj gekrönt. Poet. Tod des Hans Georg Christoff Günther (*† 1645), Söhnlein eines Okulisten und Wundarzts. Leichenpredigtdruck von Wolfgang Jacob Dümler (1610–1676): Ephraim Gottes thewrer Sohn vnd trautes Kind/ Auß dem 31. Cap. Jeremiæ. Bey trauriger Leichbegängnuß Hanns Georg Christoff/ Deß Edlen/ Vesten vnd Kunsterfahrnen Herrn/ Johann Georg Günthers/ von Keyserlicher Majestät/ sowol von Churfürstl. Durchleucht zu Sachsen/ hochprivilegirter vnd befreyter wie auch von der Hochlöbl. Wienerischen Medicinischen Facultät/ Examinirten/ Approbirten/ Confirmirten Oculisten/ Stein- vnd Bruchschneiders/ Leib- vnd WundArtzts/ ersten/ einigen vnd Eheleiblichen Söhnleins. Welches zu Nürnberg/ den 25. Junij/ 1645. in GOtt seelig entschlaffen/ vnd hernach den 27 ejusdem auff St. Johannis Kirchhoff ehrlich zur Erden bestattet worden. Zubetrachten fürgestellt in der Kirch zu S. Johannis. Durch M. Wolfgang Jacob Dümlern/
86 VD17: 75:692535T mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Jürgensen, Melos, S. 5 f.; Stauffer, Birken II, S. 1102 f. 87 Der Maler, der zeitweilig auch in Wien lebte, hat u. a. mehrere Patriziersöhne im Malen unterrichtet (Grieb, Künstlerlexikon III, S. 1289). 88 VD17: 125:045128W.
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Pfarrern daselbsten (Nürnberg, Jeremias Dümler 1645, 19 Bll., 4°)89. Zueignung an den Vater und die Mutter Regina geb. Klüplin sowie den Okulisten und Wundarzt Christoph Eckmann, den Gegenschreiber am Unschlittamt Georg Clemens Gretschmann sowie Anna Sabina Doppelmayr als Paten. 9 Beiträge von Dominicus Beer, Wolfgang Jacob Dümler, Georg Walther, Friedrich Lochner, Christoph Eckmann, Georg Clemens Gretschmann, Christoph Schmidt, Thomas Schmidt sowie – fol. Ev–Eijr: Postmissa. V. Trostgedicht. WEr diesen Jammerkrieg/ das Brennen/ Rauben/ Schiessen/ … Mitleidentlich fügete dieses hier an Joh. Klaj gekrönt. Poet. Mit dem Neutralitätsvertrag von Kötzschenbroda enden die unmittelbaren Kampfhandlungen in Sachsen. Das Land wird durch Truppendurchmärsche aber weiterhin ausgeblutet. Beiträge Klajs zur gemeinsam mit Sigismund Betulius herausgegebenen Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey/ behandlend/ unter vielen andern rein-neuen freymuthigen Lust-Gedichten und Reimarten/ derer von Anfang des Teutschen Krieges verstorbenen Tugend-berümtesten Helden Lob-Gedächtnisse; abgefasset und besungen durch Floridan und Klajus/ Die PegnitzSchäfer. mit Beystimmung jhrer andern Weidgenossen (Nürnberg, Wolfgang Endter 1645).90 Begleitgedichte von Georg Philipp Harsdörffer und Christian Betulius. Zueignung Floridans An Alle Edle Liebhaberer und Hochmögende Fördere/ der Teutschen Sprache. Die Gemeinschaftsarbeit enthält u. a. auch Beiträge von Corydon, Strephon (= Georg Philipp Harsdörffer), Lerian (= Christoph Arnold), Montano (= Johann Hellwig) und Alcidor (= Johann Sechst).91 Von Klaj stammen die Texte – S. 28: WJsset derhalben/ daß Die Göttin/ welche stäts mit tausend Augen sieht/… – S. 29–31: HOer/ wo bist du/ Echo? sey uns Echo hier … Du hast vernommen ja/ was unser Zanken ist? … (Wechselgesang mit Strephon und Echo).
1645 Aug 27
1645
89 VD17: 125:019543A. 90 VD17: 12:634595W. Siehe auch den Beitrag von Nora Ramtke in diesem Band. 91 (Unvollständige) Auflistung der Einzelbeiträge bei Jürgensen, Melos, S. 4 f.
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Werner Wilhelm Schnabel
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S. 34–36: ES fünken/ und flinken/ und blinken Buntblümichte Auen/ (Wechselgesang mit Floridan). – S. 38–41: NEhmt war/ wie öde liegt der Teutschen ädler Grund … So recht/ so muß es seyn/ so ist des Glükkes Lauf/ … (Wechselgesang mit Floridan). – S. 59–61: Pan/ der du in Wäldern irrest/ … (Wechselgesang mit Floridan). – S. 73 f.: JCh lieb den stillen Pfad/ Entfernet von Geplärr/ … – S. 78: Der kekke Lachengekk kaxet/ krekkt/ und quakkt … – S. 84–86: UNsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewust … (Wechselgesang mit Floridan). – S. 100: Sobald ich werden soll/ muß meine Mutter sterben: … In einer zweiten Ausgabe der ‚Fortsetzung‘ aus dem gleichen Jahr wird der Name Klajs auf dem Titelblatt unterschlagen: Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey/ behandlend unter vielen andern rein-neuen freymuthigen Lust-Gedichten und Reimarten/ derer von Anfang des Teutschen Krieges verstorbenen Tugend-berümtesten Helden Lob-Gedächtnisse; abgefasset und besungen durch Floridan/ den Pegnitz-Schäfer. mit Beystimmung seiner andern Weidgenossen (Nürnberg, Wolfgang Endter 1645, 4 Bll., 104 S., 4°).92 Mit Begleitgedichten von Georg Philipp Harsdörffer und Christian Betulius. Patrizische Heirat zwischen Wilhelm Kreß von Kressenstein (1618–1675) und Clara Viatis (1622–1666). Sammelgratulatorium: Epithalamia Nobilißimo Viro-Juveni DN. GUILIELMO CRESSIO à Kressenstain/ etc. Patricio. Nobilissimi, Amplissimi & Prudentissimi Viri Dn. Johan-Guilielmi Cressii à Kressenstain in Crafftshof & Neunhof Reip. Norib. Senatoris & Provinciæ Præfecti dignissimi Nuncque Consulatum Seniorum gerentis. Filio Sponso, Cum lectissimâ & pudicissimâ Virgine CLARA Honoratissimi & Spectatissimi Dn. Bartholomæi Viatis, Numerosioris Consilii Adjuncti p. m. Filiâ Sponsa, Nuptias auspicatissimas celebranti Die 13. Octobr. Anni MDCXLV. Boni ominis & gratulationis ergò ab amicis & fautoribus scripta & oblata (Nürnberg,
1645 Okt 13
92 VD17: 23:231771S. Reprographischer Nachdruck in der Neuausgabe des Pegnesischen Schäfergedichts von Klaus Garber 1966. – Vgl. Stauffer, Birken I, S. 11–13 sowie die Beiträge von Ralf Schuster und Klaus Garber in diesem Band.
Kleine Klaj-Chronik
Jeremias Dümler 1645, 9 Bll., 4°).93 16 Beiträge von Johann Ulrich, Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, J. H. D., Georg Philipp Harsdörffer, Albert Volckart, Johann Vogel, Johann Wilhelm von Furtenbach, Hieronymus Ammon, Adam Staden, Ludwig Rösel, Thomas Cleusl, H. M., Pantophilus Harmonicus, Sigmund Faber sowie – fol. Br–Bijr: XIII. Dithyrambus nuptialis. SVrge, Musa, surge plausus … Debitæ observ. e. decantat. à Johann. Clajo SS. Theol. addict. & Poët. Laureat. Cæsar. Heirat zwischen dem Stadtalmosenpfleger Joachim Schlaudersbach (1616–1674) und der Patrizierin Clara Scheurl von Defersdorf (1617–1693). Sammelgratulatorium: ΓΛΜΗΛΙΟΝ In festum Nuptiale Nobilissimi ac Eminentißimi Viri DN. JOACHIMI Schlauderspachs/ Patricii NORICI &c. VIDUI, Celebrantis Nuptias secundùm Cum Nobilißimâ utudem ac laudatißimâ Virgine CLARA, Nobilißimi pariter atque Amlißimi Viri Dn. Johan. Christophori Scheurls/ Patricii Apud Norimberg: p. m. derelictâ Filiâ. Noribergæ 10. Novembris, celebrandum Anno Salutis M. DC. XLV. (Nürnberg, Jeremias Dümler 1645, 10 Bll., 4°).94 18 Beiträge von Sebastian Hainlein, Wolfgang Bröstel, Zedeckieldanus Echalius, Paul Joachim Haller von Hallerstein, Christoph Scheurl, Christoph Gottfried Pfinzing von Henfenfeld, Hieronymus Scheurl, Christoph Christian Scheurl, Georg Lorenz Heher, Johann Vogel, Hieronymus Ammon, Johann Ludwig Wider, Johann Jacob Wider, Johann Hieronymus Löffelholz, Tobias Frölich, Hans Altdurst sowie – fol. Bijr–Bivr: XV. Wechsel-Lied. Die Allzeitjungfrau Diana an die Pegnitznymphen. TRaubenvater/ Hitzbezwinger/ Wiesenschleifer/ Obstanbringer … Zu glükwünschendem Wolergehen verfertigte dieses Joh. Klaj gekrönt. Poet. Heirat zwischen dem Nürnberger Arzt Heinrich Magnus Heigel (1613–1683) und Anna Maria Curio, Tochter des Hauptmanns Leo Curio, in Basel. Sammelgratulatorium: Quod bonum, faustum, felix, fortunatumque sit, MATRIMONIUM Nobilißimi ac Clarißimi VIRI Dn. HENRICI MAGNI HEIGEL Norimbergensis Medicinæ Doctoris, SPONSI: ET Pudißimæ Lectißi
1645 Nov 10
1645 Nov 10
93 VD17: 125:021217P. 94 VD17: 125:031213M.
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mæque VIRGINIS ANNÆ MARIÆ VIRI Nobil. Strenui Dn. LEONIS CURIONIS Capitanei Regis Galliæ & Navarræ b.m. Filiæ, SPONSÆ: Basileæ d. 10. Novembr. solenniter confirmatum, Faustæ congratulationis ergò cohonestatum à Patronis, Fautoribus, Amicis (Basel, Georg Decker 1645, 4 Bll., 4°).95 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, Gregor Hilling, Ulrich Agricola, P. H., Paul Heigel, Johann Haistenius, Johann Jacob Genath sowie – [fol. 3v–4r]: VIII. DER Mond hat sich verkrochen Zusammt den Sternen-heer/ … Eilfertig doch Wolmeynender setzet es auff in Nürnberg Johann Klaj/ gekrönter Poet. Hochzeit des Nürnberger Stadtphysikus Johannes Röder (1620–1681) mit der Nürnberger Arzttochter Maria Rosina Schmid (Fabricius) (* 1626). Gratulationsdruck: ΕΥΦΗΜΙΑΙ, V. Cl. Dn. JOHANNI RÖDERO, Phil. & Med. Doctori ac Physico Noribergensi Ordinario, Spectatissimi & Integerrimi Viri, Dn. Nicolai Röderi, Numerosioris Senatus in Republ. Norib. Adjuncti & Mercatoris honoratissimi FILIO, Cum Florentissimâ omniumque Virtutum elogiis commendatissimâ Virgine MARIA ROSINA, Viri Clarissimi, Excellentissimi atque Experientissimi, Dn. Johan. Georg. Fabricii, Phil. ac Med. Doctoris, Pricip. Palatin., Comitis Hohenloic. ac Reipubl. Noriberg. Physici Ordinarii FILIA, Die XVII. Novembris, Anno M. DC. XLV. Nuptias feliciter celebranti à Fautoribus & Amicis, prosperioris ominis ergò, DICTÆ (Nürnberg, Wolfgang Endter 1656, 14 Bll., 4°).96 32 Beiträge von Georg Richter, Johann Ulrich, Johann Saubert, Cornelius Marci, Johann Michael Dilherr, Georg Noessler, Ludwig Jungermann, Johann Georg Richter, Moritz Hoffmann, Abdias Trew, Christoph Adam Ruprecht, Johann Paul Felwinger, Johannes Gundermann, Albert Volckart, Johann Vogel, Johann Riedner, Michael Manner, Georg Widmann, Christoph Ludwig Dietherr, Georg Christian Stöberlein, O. F., Wolfgang Ambrosius Fabricius, F. L. O. S., Christoph Gaßner, Michael Praun, Johann Martin Brendel, Johannes Gräff, Hieronymus Ammon, Johann Rehlin, Johann Hieronymus Wurfbain, Sigmund Schul sowie
1645 Nov 17
95 VD17: 1:048768T. 96 VD17: 125:031125C.
Kleine Klaj-Chronik
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–
fol. Dv–Dijv (Post-Missa): V. EJn Kopff voll Sorgenwanken/ … Schertzet es wolmeinend J. Klaj/ gek. P. Separater Druck: Lustgedicht Zu hochzeitlichem Ehrenbegängniß Herrn D. Johann Röders/ und Jungfer Maria Rosina Schmidin/ auf der siebenröhrigen Schilffpfeiffen Pans wolmeinend gespielet von den Pegnitzhirten (Nürnberg, Wolfgang Endter, 2 Bll., 4°).97 Beiträge von Strephon (= Georg Philipp Harsdörffer), Periander (= Friedrich Lochner), Alcidor (= Johann Sechst), Floridan (= Sigismund Betulius), Lerian (= Christoph Arnold) sowie – fol. A2r: III. Klajus/ der Grünende. Die mit Klee bekleidten Auen … Namenstag des Ratsschreibers Wolfgang Franck (1602–1658). Gratulationsdruck Klajs: HERREN Wolfgang Franckens Namensgedächtnüß (o.O. 1645, 4 Bll., 4°).98 – Langkurtze Satzreimen. ZWar ich hab mich ja gedrungen … Zu dienstschuldiger Glückwünschung satzte dieses auff: J. Klaj der heil. Schrifft befliess. und gekrönt. Poet. Eintrag Klajs im (zweiten) Stammbuch des Sigismund Betulius, das dieser ausdrücklich Den theuren Fruchtbringenden auch fürtrefflichen Blumgenossen und Kunstliebenden vorbehalten hat (offenbar unmittelbar vor Betulius’ Abreise nach Wolfenbüttel):99 – Heulet, weint, ihr Pegnitzhirten … En manum et mentem Tuj Joh. ClaI. SS. Theol. addict. Poë. Laur. Cæs. Betulius/Birken nimmt den Text (um die Dedikationsformel gekürzt) später in seine Guelfis (1669 Apr 10) und in seine seit den frühen 1670er Jahren entstandene handschriftliche Lebensbeschreibung auf.100 Betulius geht auf Harsdörffers Empfehlung nach Wolfenbüttel, um dort als Erzieher der braunschweig-lüneburgischen Prinzen zu arbeiten, wo er aber bald wieder seinen Abschied nimmt. Anschließend reist er bis 1648, zeitweilig als Hofmeis
1645 Nov 30
1645 Winter?
1645 Dez 07
97 VD17: 125:014355Q mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Stauffer, Birken I, S. 15 f. 98 VD17: 125:017056U; vgl. Bircher, Franckens Namensgedächtnüß. 99 Abschrift Birkens in seinem ‚zweiten‘ Stammbuch: GNM: Hs. 152.818a, fol. 182v–183r. Das ‚erste‘ Stammbuch, ehemals auch im GNM verwahrt, ist verschollen. – Siehe auch den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. 100 Birken, Prosapia, S. 37, 87.
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Werner Wilhelm Schnabel
ter arbeitend, durch Norddeutschland und knüpft dort Kontakte u. a. zu Joachim Pipenburg (Lüneburg), Johann Rist (Wedel), August Varenius (Rostock) und Andreas Tscherning (Rostock).101 (Datierung der Vorrede) Dilherr nimmt neben einigen Liedern anderer Pegnitzschäfer auch eines der Klajschen ‚Andachtslieder‘ (siehe 1646) in seine mehrfach gedruckte Sammlung Weg zu der Seeligkeit (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646, 5 Bll., 758 S., 52 Bll., 12°)102 auf: – S. 655–660: Ein Lied von dem himmlischen Pelican/ JEsu Christo. Jm Thon: Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc. 1. ENtbrenne du mein gantzes Jch … J. K. Zwei lateinische Huldigungsgedichte Klajs für Johann Rists Poetischer Schauplatz/ Auff welchem allerhand Waaren Gute und Böse Kleine und Grosse Freude und Leid-zeugende zu finden. (Hamburg, Heinrich Werner 1646, 8°)103 enthält u. a. ein Lob der Poeten Ann den vortreflichen und süßklingenden Tichter Herren Johann. Klaien zu Nürenberg (S. 152–155). Klaj wird auch an anderer Stelle in dieser Sammlung lobend erwähnt (etwa S. 7). Begleitgedichte von Johannes Bellihn, Georg Conrad Osthof, Sigismund Betulius, Georg Philipp Harsdörffer, Gerhard Schepler, Andreas Tscherning, Franz Müller (25.11. 1645), Balthasar Frisius (9.11.1645), Josias Dreier sowie – fol. bv–b2v: THEATRUM RISTIANUM. QUid ROMA jactas Orbis & urbium … – fol. b2v–biijr: Aliud. QUæ fulminante lingua fulget Teutone, … Officiosissimæ Venerat: Ergo cecinit. Norimbergæ die Johann: Evangelistæ Anni M. D. XLV. JOHANNES Clajus SS. Theol. addict. & Poeta Laur. Cæsar.104 Der Nürnberger Arzt und Naturkundler Johann Georg Volkamer (1616–1693) wird als Helianthus in den Pegnesischen Blumenorden aufgenommen.
1645 Dez 15
1645 Dez 27
1646
101 Betrübte Pegnesis, S. 184–202. 102 LAELKB: Scheurl 124; nicht im VD 17. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 103 VD17: 3:005844D. Die z. T. fehlenden Gedichte Klajs enthalten im Exemplar GNM: HR 1494. 104 Dieses Gedicht wurde – in etwas veränderter Form – bereits als handschriftliche Zueignung von Klajs ‚Auferstehung Jesu Christi‘ an den Nürnberger Rat verwendet (siehe 1644 Apr 24).
Kleine Klaj-Chronik
1646 Jan 11
Tod des Apothekers Johann Volland (1600–1646). Funeralschrift: Christliches Leichgedechtnuß deß Weyland ERbarn/ Fürnemen vnd Kunstreichen Herrn JOHANNIS VOLLANDI, gerühmbten Apotheckers in der Bindergassen allhier; Welcher in kräfftigem Trost Gottes deß Heiligen Geistes/ vnd in wahrem Erkantnuß seines Erlösers Christi Jesu/ den 11. Januarii/ Anno 1646 sanfft/ still vnd seeliglich entschlaffen: dessen Leichnam darauff den 15. Januarii vff dem Kirchhof zu S. Johanis/ in gewiser Hoffnug der frölichen Aufferstehung zum ewigen Leben/ ehrlich vnd mit Begleitung einer grossen Meng Volcks zur Erden bestattet worden; Der betrübten Fraw Wittib vnd hinderlassnem Sohn zum Trost vffgesetzt vnd zusamm gebracht durch gute Freund vnd Verwanthe (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1646, 36 Bll., 1 Faltblatt).105 25 Beiträge von Johann Saubert, Johannes Gundermann, J. B. S., Georg Streng, Johann Heinrich Omeis, Conrad Fronmüller, Johann Vogel, Georg Schröder, Johann Ludwig Wider, Zacharias Wider, Johann Jacob Wider, Martin Beer, Christoph Ludwig Dietherr, Georg Ingolstetter, Theodosius Wider, Johann Martin Brendel, Paul Haußschwender, Erhard Faber, Anton Mülholzer, Gerhard Trekel, Johann Helling sowie – fol. F3r–F4r: XVI. Die menschliche Lebenskürtz soll man mit Wolthun erlängern. WAnn jetzt/ das Wasserfell der lockre Schnee bedecket … Mitleidentlich verfertigte dieses Joh. Klay der H. Schrifft Befließ- vnd gekrönter Poët. Heirat zwischen dem Juristen Johannes Kreiselmann (1611– 1659) und der Kaufmannstochter Regina Sophia Pfaud (* 1625). Sammelgratulatorium: SERTUM MYRTEUM in auspicatas Nuptias SPONS. Viri Clarissimi & Consultissimi Dn. JOHANNIS KREUSELMANNI, U.J.D. Reipubl. Noriberg. Advocati dexterrimi: Nec non SPONSÆ Lectissimæ & Florentissimæ Virginis REGINÆ SOPHIÆ, Viri Spectatissimi atque Honorati Dn. LUCÆ PFAUDII, Civis & numerosioris Senatûs in incluta Norica Adjuncti, Filiæ charissimæ. à Fautoribus & Amicis, cum festive applause concinnatum Die XII. Januarii, Anni 1646 (Nürnberg, Endter 1646, 12 Bll., 4°).106 26 Beiträge von Johann Ulrich, Johann Saubert,
1646 Jan 12
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105 VD17: 75:690853Y. 106 StadtBN: Will I 1150. 4° (51); nicht im VD17.
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Werner Wilhelm Schnabel
1646
1646 Feb 13
Jacob Brinckmann, Georg Christoph Stirn, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Paul Felwinger, Johann Baptist Schumacher, Marcus Kraer, Johann Heinrich Omeis, Paul Georg, Johann Vogel, Hieronymus Ammon, Adam Staden, P. F. J. F., Christoph Ludwig Dietherr, Johannes Scultetus, D. S. H. G. V. L. V. L., Lucas Friedrich Pfaud, Rudolf Carl Geller, Johannes Gräff, Georg Friedrich Ernst, Walter Geller, Thomas Cleusl, Ludwig Rösel, Joachim Nützel von Sündersbühl, Paucifacius Epilogus sowie – fol. B2r–B3v: XV. Pervigilium Nuptiale. NVnc amet, qui non amavit, quæque amavit, nunc amet … En Excellentiss. Dn. Neonymphe promissum Tui Joh. ClaI, P.L.C. Franken wird erneut unmittelbares Kriegsgebiet zwischen den schwedischen Truppen General Wrangels und der bayerischen Soldateska Kfst. Maximilians I. von Bayern. Ermordung des aus Lübeck stammenden, bei Johann Doppelmayr in Nürnberg in Kondition stehenden Kaufmannslehrlings Johann Schlütter (1623–1646) durch marodierende Reiter in der Nähe von Hilpoltstein.107 Funeralschrift von Wolfgang Jacob Dümler (1610–1676): Trauer-Klag/ Welche der König David/ über den entleibten Kriegs-Obristen/ Abner geführet/ auß 2. Sam. 3. v. 33. Bey Ansehlicher vnd Volckreicher Leichbegängnuß/ Deß Weyland Erbarn vnd Fürnehmen Johann Schlütters/ Jungen-Gesellens/ deß Ehrnvesten/ Großachtbarn vnd Wolfürnehmen Herrn/ Heinrich Schlütters/ Handelsmanns/ auch Wahl-Herrn vnd Vorstehers S. Anna Closters zu Lübeck/ Eheleiblichen vnd Einigen Sohns; Welcher Freytags den 13. Februarii 1646. (neben andern seinen Raißgefehrten) auff freyer Kaiserlicher Landstrassen von einer rauberischen Partey angesprengt/ tödtlich geschossen/ 17. Stund hernach zu Hilpoltstein seelig verschieden/ vnd zu Nürmberg den 19. Febr. Christlich vnd Ehrlich zur Erden bestattet worden; Einfältig in der Kirchen S. Johannis erklärt/ vnd auff deß S. Verstorbenen Person gezogen/ Von M. Wolffgang Dümlern/ Pfarrern daselbst. Sampt andern beygefügten Klag- vnd Trostschrifften (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1646, 64 S., 4°).108 39 Beiträge von Georg Richter, Johann Michael Dilherr, Johann Gabriel
107 Siehe auch StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschrift 475, fol. 176r. 108 VD17: 75:689935S.
Kleine Klaj-Chronik
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Wurfbain, Johann Georg Richter, Johann Georg Fabricius, Johann Georg Volkamer (Figurengedicht), Johann Röder, Johann Jacob Rüd, Hieronymus Schultheiß, Sebastian Jacob Krauß, Georg Philipp Harsdörffer, Daniel Wülfer, Johann Vogel, Hieronymus Ammon, Adam Staden, Ludwig Rösel, Georg Widmann, Christian Betulius, Albrecht Richter, Jacob Doppelmayr, Paul Haußschwender, Simson Rues, Rudolf Carl Geller, Benedict Bock sowie – fol. Nv–O4r: XX. Johann Klaj Trostschrifft an deß Seligverblichenen Herrn Johann Schlütters höchstbetrübte Eltern. JCh kann mir hertzbetrübte Eltern leicht … Folgt der TrawerGesang auß dem 2. Buch Samuel am 3. v. 33. 34. 1. ACh ihr Mordergrimten Waffen … Druck (Datierung der Vorrede): Christoph Fürers von Haimendorff, Ritters, Desz Eltern geheimen Rahts/ vordersten Losungers/ Schultheissen/ vnd Obristen Kriegshaubtmanns der Stadt Nürnberg/ auch des löblichen Fränkischen Kraises Kriegsrahts Reis-Beschreibung. Jn Egypten/ Arabien/ Palästinam/ Syrien/ etc. mit beygefügter Landtafel/ vnd derselben Erklärung: Sambt kurtzem Anhang Jacob Fürers von Haimendorff/ seines Bruders/ Constantinopolitanischer Reise (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646, übersetzt von Georg Richter).109 Herausgegeben von Georg Richter. Begleitgedichte von Daniel Oder, Johann Ulrich, Johann Saubert, Johann Michael Dilherr, Georg Philipp Harsdörffer, im Anhang – fol. Eeer–Eeeijv: FAMA FURERIANA Mantissa. FAMA FÜRERIANA. Vates. NUper ad fontes triplices sedebam, … clarigata buccinatore Joh. Clajo, P.L.C. Harsdörffer beklagt sich in einem Brief an Betulius bitter über die dichterische Untätigkeit Klajs, der ‚stinkfaul‘ sei. Mit der von Klaj betriebenen Übersetzung der ‚Philomela‘ von Jacob Balde S.J. (1604–1668) gehe es nicht voran.110 Tod des einflussreichen Ratsherrn Johann Jacob Tetzel (1595– 1646), der durch zahlreiche Stiftungen hervorgetreten ist. Trauerdruck: THRENODIÆ Beatis Manibus Viri MAGNIFICI, NOBILISSIMI, maximè Strenui atq[ue] Prudentissimi, Dn. JO
1646 Mai 04
1646 Mai 31
1646 Jun 19
109 VD17: 23:247695K; Digitalisat: http://diglib.hab.de/drucke/qun–228–1s/start.htm. 110 Birken, WuK 9, S. 11.
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Werner Wilhelm Schnabel
1646
1646 Jun 22
HANNIS IACOBI TETZELII, à Kirchensittenbach/ in Vorra & Artelshofen/ etc. Inclutæ Reipubl. Noriberg. Septemviri dignissimi, Reique militaris Præfecti & Chiliarchæ meritissimi, nec non Ordinum Franconiæ & Illustrissimi Ducis Würtenbergens. Consiliarii celeberrimi, Cum maximo Patriæ luctu, tum suorum tumque omnium bonorum gravi desiderio piè in eadem denati, Die XIX. Junii Anno M. DC. XLVI. A Fautoribus & Amicis fusæ (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646, 36 Bll., 4°).111 56 Beiträge, darunter – fol. G3v–H3r: L. Tetzlische Trauerfahnen/ auffgesteckt Durch Joh. Klaj/ gekrönten Poeten. JCH dencke dessen noch/ als meine Lyr sich wagte … (Figurengedicht ‚Trauerfahne‘) Der in ähnlicher Situation wie Klaj befindliche böhmische Exulant Christian Betulius (1619–1677), Bruder des Sigismund Betulius, wird Lehrer am Nürnberger Egidiengymnasium.112 Heirat zwischen dem Gymnasiallehrer Christian Betulius und Anna Maria Rubinger (1626–1677), Tochter des ehemaligen Steuerpräfekten von Eger. Sammelgratulatorium: VOTA, Pro auspicatissimis Nuptiis, VIRI Humanissimi atque Eruditissimi, Dn. M. CHRISTIANI BETULII, EGRANI, Gymnasii Ægidiani Collegæ, BIRI Reverendi, atque Clarissimi, DN. DANIELIS BETULII, ad Sp. S. Diaconi quondam meritissimi FILII, Cum VIRGINE lectissima, omnibusque Virtutibus ornatissima, ANNA MARIA, VIRI Ampl. ac Prudentissimi DN. JOHANNIS RUBINGERI, Ærarii Publici apud Egranos olim præfecti fidelissimi, FILIA, die XXII. Junii An. 1646. Norimbergæ instituendis: FUSA à Fautoribus & Amicis (Nürnberg, Sartorius 1646, 16 Bll., 4°).113 41 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, Johann Hellwig, Johann Röder, Georg Philipp Harsdörffer, Christian Chemnitius, Johannes Gundermann, Hieronymus Schultheiß, Daniel Wülfer, Johann Riedner, Adam Zanner, Michael Manner, Georg Widmann, Wilhelm Bühel, Johann Rehlin, Johann Carl Stephani, Benedict Bock, Johann Adam Rubinger, Conrad Hofmann, Johann Sechst, Christian Eschenbach, Sigismund
111 VD17: 1:032829A mit Link auf Volldigitalisat. 112 Burger/Erhard/Wiedemann, Pfarrerbuch Bayerisch-Schwaben, Nr. 100. 113 VD17: 125:026588E.
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Kleine Klaj-Chronik
Betulius,114 Johann Christoph Tucher, Tobias Tucher, Stephan Tucher, Georg Frischmann, Christoph Arnold, Georg Bolster, Wolfgang Ambrosius Fabricius, Christoph Waldmann, J. D., Rudolf Carl Geller, Johann Fabricius, Adam Volckmann, Caspar Hammerschmid, Johann Vogel, Christoph Ludwig Dietherr, Sixt Zeiler, J. F. sowie – fol. B4v–Cv: XXI. Hochzeit Laute/ Oder/ Außbund eines wolgesitteten Weibes. ES lege wer da wil ein Weib/ an seinen Leib; … im Schertzen/ ohne Schertzen schrieb es Joh. Klaj. gek. Poët. In einem Brief an Betulius distanziert sich Harsdörffer zunehmend von Klaj, den er nicht mehr als einen der ‚Unsrigen‘ zu erkennen vermöge. Klaj habe seine Anstellung verloren und halte sich nur noch im Wirtshaus auf. Er trinke entweder Bier oder schlafe und prostituiere die Kunst wie eine Hure (wohl eine Anspielung auf seine umfangreiche Tätigkeit als Casualpoet). Auf Briefe von Rist, Coler und Pipenburg habe er nicht geantwortet. Die von ihm angefangenen Werke bringe er nicht zu Ende. Von seinem ‚Kampf der Riesen und Zwerge‘ habe man noch nichts gesehen.115 Tod des Patriziers Christoph Andreas Gugel von Diepoltsdorf (1586–1646), langjährigen Pflegers in Hersbruck. Leichenpredigtdruck von Sigmund Faber (1599–1669): Christlicher LeichSermon/ Bey trawriger Begræbniß Weiland Deß Edlen vnd Ehrnvesten Christoph Endres Gugels von Brand/ wolverordneten vnd wolverdienten Herrn Pflegers seligen allhier zu Herspruck: Welcher Freytag nach Mittag den 24. Julii deß 1646. Jahrs auff diesem Pflegambt in GOtt selig verschieden vnd den 29. Julii in die Pfarrkirchen begraben worden/ seines Alters im 61. Jahr; Gehalten durch Sigismundum Fabrum, Pfarrern zu Herspruck (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646, 36 S., 4°).116 13 Beiträge von Sigmund Faber, Paul Freher, Benedict Mauricius, Johann Gackstatt, Johann Caspar Benz, Andreas Freher, Justinus Hardesheim, Conrad Bittner, Johann Georg Alberti gen. Steyer, Jacob Ernst Windhesel, Johann Sigmund von Furtenbach, Johann Wilhelm
1646 Jul 04
1646 Jul 24
114 Zu einem ungedruckt gebliebenen Begleitgedicht Betulius’, in dem er auch auf Klaj Bezug nimmt, vgl. Birken, Betuletum, Nr. 3. 115 Birken, WuK 9, S. 12. – Siehe auch den Beitrag von Rosmarie Zeller in diesem Band. 116 VD17: 125:035974P.
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Werner Wilhelm Schnabel
von Furtenbach sowie (als letzter unter den separat numerierten alia) – S. 36: III. Grabschrifft. HJer schlummert sanfft im Sand vom Guglischen Geblüte … Satzte es Johann Klaj der H. Schrifft Beflissener vnd gekrönt. Poet. Tod des Lorenzer Predigers Cornelius Marci (1594–1646). Funeralschrift von Jacob Peter Schechs (1607–1659): CORNELIOMNEMA: Das ist/ Christlöbliches Ehrengedächtniß deß Ehrwürdigen/ Großachtbarn vnd Hochgelehrten Herrn M. Cornelii Marci […] (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646).117 Zahlreiche Beiträge, darunter: – S. 89–92: Des üm die Kirche Gottes wolverdienten/ seligstverblichenen Predigers Herrn M. Cornelj Marxens Himmelabschallender Trost/ an seine hinterlassene Gemeine/ höchstbetrübte Wittib/ leidtragende Kinder und trauerklagende Freunde/ Zu singen auf die Weise: Wo ist mein junger Fürst und Herr hinkommen? Oder Ach Gott erhör mein Seuftzen/ Angst und Klagen. Aufgesetzet von Johann Klaj/ der H. Schrifft Beflissenen und gekrönten Poeten. Die Gemeine: ACh Gott/ ach Gott/ er ist hinweggegangen/ … (Datierung der spätesten Zuschrift) Erscheinen von Harsdörffers GESPRECHSPJELE Sechster The[i]l; in welchem Vielerley seltene Fragen/ Gedichte/ und Geschichte/ zu nutzlicher Belustigung allen Tugend- und Sprachliebenden Gesellschaften/ behandelt werden: Samt Beylage XII. Andachtsgemählen. Durch einen Mitgenossen der hochlöblichen FRUCHTBRJNGENDEN GESELLSCHAFT (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646). Begleitgedichte von dem Nehrenden (= Fst. Ludwig I. von Anhalt-Köthen, 5.7.1646), dem Mindernden (= Martin Milag, 6.7.1646), dem Ordnenden (= Christian Gueintz, 20.5.1646), Johann Rist (16.7.1646), Jesaias Rompler von Löwenhalt, Enoch Hartmann (18.6.1646), Montano (= Johann Hellwig), Helianthus (= Johann Georg Volkamer), Samuel Hund, Amyntas (= Georg Conrad Osthof), Sigismund Betulius, Periander (= Friedrich Lochner), Johann Sechst, Lerian (= Christoph Arnold) sowie – fol. )()()()(viijv–)()()()()(iiijv: X. Die Zigeunerische Kunstgöttinen/ oder Der freyen Künste und Wissenschaften Reise
1646 Jul 27
1646 Jul
117 VD17: 39:109258C. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
Kleine Klaj-Chronik
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fahrt aus eim Königreich in das ander. DEs Himmelswagenzeug/ so träg und rükwarts läufft … Aus dienstlichem Wolmeinen gesetzt durch Johann Klajen/ gekrönten Poeten. (Übertragung einer Ode von Jacob Balde).118 Harsdörffer berichtet brieflich an Betulius, dass Klajs Schriften – außer dem ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘ – in Nürnberg nicht mehr erhältlich seien.119 Heirat zwischen dem Patrizier Lazarus Haller (1607–1657) und Maria Magdalena von Thill († 1671). Sammelgratulatorium: VOTA SECUNDA Secundis Nuptiis Viri Nobilissimi atque Amplissimi Dn. LAZARI HALLERI ab Hallerstein, Dicasterii Norici Adsessoris eximii: Ut & Nobilissimæ atque Lectissimæ Virginis MARIÆ MAGDALENÆ, Nobilissimi atque Amplissimi Viri Dn. GEORGII von TILL in Härlach, æque Dicasterii Norici Adsessoris meritissimi Filiæ Honoris & Amoris ergo à Fautoribus & Amicis DEVOTA. Norimb. die 3. Augusti Anno 1646 (Nürnberg, Endter 1646, 14 Bll., 4°).120 22 Beiträge von Georg Achaz Heher, Daniel Oder, Johann Michael Dilherr, Johannes Gundermann, Georg Philipp Harsdörffer, Heinrich Martin Bayer, Georg Stephan Bayer, Christoph Sigmund von Thill, Paul Hönn, Johann Baptist Imhoff, Jacob Pfinzing von Henfenfeld d. J., Martin Pfinzing von Henfenfeld, Christoph Gottfried Pfinzing von Henfenfeld, Johann Carl Stephani, Conrad Hofmann, Johann Rehlin, Christian Eschenbach, Michael Praun, Christoph Scheurl, Tobias Sebastian Praun sowie – fol. C4r–D2r (Post-Missa): I. Pindarischer Hochzeitgesang. 1. Satz. WEiber seelen die sind feige/ … Seinem hochgeehrten Herrn Beförderer und Wolthäter setzet dieses zu dienlicher Bezeugung Joh. Klaj/ gek. Poet. Heirat zwischen dem Notar und Ratsgerichtsschreiber am Untergericht Albrecht Richter (* 1616) und der Schreinerstochter Barbara Segemann (* 1619). Hochzeitssdruck: Bona Verba Auspicatis Nuptiis Ornatißimi & Docti Viri-Iuvenis, ALBERTI Richters/ Not. Publ. Cæs. & Reipubl. Patriæ in Judicio inferiori Dicographi, VIRI Spectatissimi, Conradi Richters/ Civis & ordini
1646 Aug 01
1646 Aug 03
1646 Sep 09
118 Näher Kühlmann, Balde. 119 Birken, WuK 9, S. 13. 120 VD17: 75:660332R.
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Werner Wilhelm Schnabel
numerosioris Senatus apud Noribergenses adscripti p. m. filii, SPONS. Cum Virgine lectißima & pudicißima Barbara, Viri Honestiss. MATTHIÆ Seegenmanns/ Civis in prædicta Republ. p. m. filiâ, SPONSA. Ad diem 9. Septemb. Anno 1646. Noribergæ celebrandis, à Fautoribus & Amicis faustæ acclamationis ergò adornata (Nürnberg, Dümler 1646, 10 Bll., 4°).121 18 Beiträge von Georg Richter, Daniel Oder, Johann Georg Richter, Johann Vogel, Hieronymus Ammon, Johann Georg Schwingshärlein, Adam Staden, Ludwig Rösel, Thomas Cleusl, M. J. R., Jacob Doppelmayr, Rudolf Carl Geller, Simson Rues, C. W., Albert Krabler, Matthias Oesterlein sowie – fol. Br–Biijr: X. Hochzeit Gesang. Warumb die Vorfahren geglaubet/ daß die Liebsgöttin auß den Meeresschaum jhren Vrsprung habe. Ruff. MAnn streitet einen Streitt/ woher die Venus kommen … Dichtets der einsame Schäfer Klaj. Eintrag Klajs ins Stammbuch des aus Henneberg stammenden Präzeptors Paul Wilhelm Bert (1619–1693):122 – אלוהים ידאה׃qvippe ἐν ἀπόροις πόρον . εὐπορεῖν τοῦ θεοῦ ἴδιον ἐστί. hinc rebus in adversissimis generosissimos gero spiritus. Weil, wann ich mich nieder lege, mir Gott machet Bahn und Wege, Wo der Mensch weiß keine Stege. En tuum languidum erga te v. candidum J. Clajum SS. Theol. Stud., P.L.C. Norimbergæ die 15 Septemb. Ao. MDC XLVI. Ermordung des auf Marktreise nach Würzburg befindlichen Nürnberger Kaufmanns Christoph Willing (1600–1646) bei einem Raubüberfall in der Nähe von Neustadt/A. Leichenpredigtdruck von Michael Weber (1593–1668): Kurtze Leich-Lection verrichtet Bey der trawrigen Begräbnuß deß Erbarn vnd Fürnehmen Christoph Willing/ Christlichen Handelsmanns allhier/ welcher neben andern guten Leuten den 16 Sept. vnschuldig ermordet/ vnd den 21 dieses ehrlich begraben worden 1645. Durch M. Michael Weber/ Seniorn bey S. Sebald […] (Nürnberg, Jeremias Dümler 1646, 10 Bll., 4°).123 4 Beiträge von Johann
1646 Sep 15
1646 Sep 16
121 VD17: 125:024004M. 122 StadtBN: Nor. H. 1289, S. 667; vgl. Schnabel, StBN, Nr. 83/290. Für Hilfe bei der Transkription gilt Prof. Dr. Werner Taegert, Bischberg, herzlicher Dank. 123 VD17: 125:019690R.
Kleine Klaj-Chronik
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Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Justus Daniel Heering sowie – fol. Biijv–Bivv: III. Trocheischer Gesang. 1. GOtt du bester Friedemacher … Eylfertig satzte es auff Joh. Klaj der H. Schrifft Beflissener vnd gekrönter Poet. Tod der steiermärkischen, im Kindbett verstorbenen Exulantenadeligen Beatrix von Egk und Hungersbach, geb. von Saurau (1615–1646), zweite Frau des Christian von Egk (1599– 1675). Leichenpredigtdruck von Johann Jacob Rüd (1590– 1654): Einfältige Sermon/ über der Hochansehlichen und Volckreichen Leichbegängnuß/ Weiland der Wolgebornen Frauen/ Frauen BEATRIX, Freyin zu Egkh und Hungerspach einer Gebornen Freyin von Sarau/ zu Lobming etc. Welche Anno 1646. den 24. Septembris zu Nürnberg in Christo seelig verschieden/ und nachmaln den 5. Octobris/ in der Kirchen zu S. Johannis/ in jhr Ruhebetthlein gesetzt worden; Gehalten VON M. Johanne Jacobo Rüdio, Diacono bey der Kirchen zu S. Lorentzen (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1646, 22 Bll., Stammtafelstich von Lucas Schnitzer, 4°). 5 Beiträge von Johann Jacob Rüd, Christoph Ludwig Dietherr, Paul Wilhelm Bert, Gerhard Trekel von Stade sowie – fol. E3v–E4r: III. Alles ist eitel. ACh Gott! was ist es doch um aller Menschen Leben? … Auß höchstpflichtschuldigstem Mitleiden verfertigte dieses Johann Klaj der H. Schrifft Beflissener und gekrönter Poët. Dichterkrönung Betulius’ in Wolfenbüttel durch Martin Gosky (um 1586–1656). Harsdörffer grüßt in einem Brief an Betulius von den Nürnberger Freunden, neben Hellwig und Sechst wird ausdrücklich auch Klaj genannt.124 Heirat zwischen dem angehenden Stadt- und Ehegerichtsassessor Georg Christoph Volckamer von Kirchensittenbach (1610–1679) und Maria Magdalena Harsdörffer von Enderndorf (1624–1686), einer Schwester Georg Philipp Harsdörffers. Sammelgratulatorium: Festivitas nuptialis Nobilissimi atque præstrenui Viri, DN. GEORGII CHRISTOPHORI VOLCAMERI, Cohortis Militum præfecti &c. Magnifici, Nobilissimi atque Am-
1646 Sep 24
1646 Okt 1646 Okt 17
1646 Nov 01
124 Birken, WuK 9, S. 17.
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Werner Wilhelm Schnabel
plissimi Viri Dn. GEORGII CHRISTOPHORI VOLCAMERI, Senatoris quondam Norici & Scholarchæ meritiss. Filii Sponsi: ut & Nobilißimæ atque Lectißimæ Virginis MARIÆ MAGDALENÆ, Nobilissimi atque Amplissimi Viri, DN. PHILIPPI HARSDOERFFERI &c. p. m. FILIÆ SPONSÆ. A Fautoribus & Amicis boni ominis ergo, II. Kalend. Novembris, decantata (Nürnberg, Wolfgang Endter 1646, 10 Bll., 4°).125 21 Beiträge von Wolfgang von Gemmingen, Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Johann Georg Fabricius, Johann Hellwig, Johannes Gundermann, Georg Philipp Harsdörffer, Christoph Ludwig Dietherr, Johann Marx, Christian Betulius, Johann Rehlin, Martin Pfintzing von Henfenfeld, Johann Paul Paumgartner von Holnstein, Johann Sigmund von Furtenbach, Johann Wilhelm von Furtenbach, Georg Tobias Oelhafen von Schöllenbach, Johannes Held, M. S. J. K. P. S., Bonparentus vom Ende sowie – fol. B4r–Cr (Postmissa): I. Pindarischer Hochzeitgesang. Satz. Bräutigam. SJlber- Gold- und Perlenkronen … Joh. Klaj gekrönter Poet. Tod des Sebalder Pfarrers Johann Saubert (1592–1646). Leichenpredigtdruck von Michael Weber (1593–1668): Christliche Trawr- vnd Leichpredigt/ auß dem Buch der Weißheit c. III. v. 1. 2. seqq Bey der Volckreichen/ Trawrigen Leichbestattung Deß Geistreichen vnd werthen Manns/ Herrn JOHANNIS SAUBERTI, Wolverdienten Predigers zu S. Sebaldi/ Antistitis Ministerii Ecclesiastici vnd Bibliothecarii in deß H. Römischen Reichs Freyen Reichs-Stadt Nürnberg. Gehalten in der Kirchen St. Rochi auff dem newen Gottsacker/ den VI. Nov. 1646. Von M. Michaële Webero, Diacono & Seniore in der Pfarrkirchen St. Sebaldi (Nürnberg, Wolfgang Endter 1647).126 Trauergedichte von Cornelius Marci, Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Justus Daniel Heering, Daniel Wülfer, Michael Korn, Johann Vogel, V. D., Johann Minck, L. H., Johann Pfann sowie – S. 114–117: Des Theuren Gottsgelehrtens/ üm seine Kirche wolverdientens/ anjetzo sterbenden Predigers/ Johann Sauberts/ auf dem Todbett ausgepressete Abschiedsworte/ ab
1646 Nov 02
125 VD17: 125:014825X. 126 VD17: 1:048841G.
Kleine Klaj-Chronik
gemerket von Johann Klaj/ der H. Schrifft Beflissenen und gekrönten Poeten. Auf die Weise: Hertzlich thut mich verlangen/ etc. NVn ist die Zeit verhanden/ … Weiterer Trauerdruck: ΘΡΗΝΩΔΙΑΙ in Beatissimum quidem, sed toti CHRISTI Ecclesiæ obitum luctuosissimum VIRI Plurimùm Reverendi, Excellentiss. Clarissimi DN. JOHANNIS SAUBERTI, Theologi celeberrimi, Pastoris ad D. Sebaldi gravissimi, Antistitis totius Ministerii Norib. vigilantissimi & Bibliothecarii fidelissimi, meritissimi, D. II. Nov. A.O.R. MDCXLVI. 4. Pomerid. placidissimè in JESU suo dulcissimo ex doloris castro ad æternam requiem evocati, D. VI. eiusd. in Cœmiterio S. RockI terræ usque ad diem Restitutionis omnium, redditi, Ab iis, qui vivum reverebantur, & pie defunctum, dum vivent, venerabuntur, Condolentiæ testandæ E. (Nürnberg, Wolfgang Endter 1647, 58 Bll., 4°).127 137 Beiträge, darunter – fol. I2v–I3r: XCIII. VUlnerata Musa CLAI funerata pulvere … Ultimum debit. Observ. & Gratitud. τεκμήειον Joh. Claj, SS. Theol. addict. & Poët. Laur. Cæsarei. Tod des Nürnberger Apothekers Wolfgang Stöberlein (1589– 1646). Gelegenheitsdruck: THRENODIÆ Beatis Manibus VIRI Integerrimi & Peridissimi [!] Dn. Wolfgangi Stöberlini Civis & Pharmacopœi in Inclutâ Noricorum Republicâ primarii & Collegii Pharmacevtici Senioris. Cum bonorum omnium luctu, suorumque desiderio inexplebili piè placideque denati Die VIII. Novembris Anno MDCXLVI. à Fautoribus & amicis fusæ (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1646, 24 Bll., 4°).128 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Veit Gertner, Sebastian Hainlein, Johann Georg Fabricius, Johann Conrad Rhumelius, Michael Ruprecht Besler, Sigmund Rüdel, Johann Hellwig, Heinrich Plancus, Johann Willibald Hopffner, Gregor Hilling, Johann Georg Volkamer, Heinrich Magnus Heigel, Johann Röder, Christoph Nicolai, Georg Philipp Harsdörffer, Johannes Gundermann, Johann Heinrich Omeis, Martin Beer, Johann Vogel, Christian Betulius, Johann Christoph Zunner, Hieronymus Ammon, Sigmund Schellhammer, Christoph Ludwig Dietherr, Johann Rehlin, Johann Sechst, Paul Wilhelm Bert, Georg Chris
1646 Nov 08
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127 VD17: 1:049830X. 128 VD17: 125:033950M.
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Werner Wilhelm Schnabel
tian Stöberlein, Christian Mirus, Quirin Moscherosch, Georg Jacob Lang, Matthäus Keller, Gerhard Trekel von Stade, J. G. K., Georg Friedrich Grätter, Paul Hohenner, David Heinlein, Paul Hochstater, Johann Leonhard Stöberlein sowie – fol. D2v–D3v: XXVIII. Die hochbetrübte Frau Wittib redet jhre Freunde und hinterlassene Kinder an. 1. JHr meine Freunde weinet … Auß herzlichem Mitleiden dichtet es Johann Klaj/ der H. Schrifft Befl. und gekrönt. Poët. (Adressiert wird die seit 1626 zweite Ehefrau des Verstorbenen, Anna Veronica geb. Nürnberger, von deren fünf Kindern 1646 nur noch der Sohn Johann Leonhard und die Tochter Magdalena Veronica am Leben sind).129 Antrittspredigt Dilherrs als Pfarrer von St. Sebald und damit als Antistes der gesamten Nürnberger Geistlichkeit.130 Gratulationsschrift: CADUCEUM SACRUM, VIRO PLURIMUM REVERENDO, CLARISSIMO ATQUE EXCELLENTISSIMO Dn. JOH. MICHAELI DILHERRO &c. NOVO ECCLESIÆ SEBALDINÆ ANTISTITI, GRATULANTUR AMICI ET DISCIPULI (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius 1646, 4 Bll., 4°).131 5 Beiträge von Christian Betulius, Johann Rehlin, Christian Eschenbach, Johann Sechst sowie – fol. Aijv–Aiijv: III. *Allusio ad concionem inauguralem, I. Adventus habitam. PRæco scandit doctilinqvis Solyméa culmina, … Johannes Clajus SS. Theol. addict. & Poët. Laur. Cæs. Klaj verfasst ein Begleitgedicht für Johann Rists Allerunterthänigste Lobrede An die Allerdurchlaüchtigste Unüberwindlichste Römische Kaiserliche Maiestätt/ Herren Ferdinand den Dritten […] (Hamburg, Jacob Rebenlein 1647, 4 Bll., 136 S., 4°).132 Die Schrift entsteht anlässlich der Verleihung der Laureatur und des Adels an Rist und enthält eine Vielzahl von Glückwunschgedichten vornehmer Herren und vertrauter Freunde Rists, darunter:
1646 Nov 29
1646 Dez 17
129 Jacob Peter Schechs: Kostbare Seelen-Artzney […]. Nürnberg 1646 [Leichenpredigt auf Wolfgang Stöberlein], fol. C2v [StadtBN: Will II 1116]. 130 Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, 1965, Nr. 236. 131 VD17: 125:027035B. 132 VD17: 23:249832S mit Link auf Volldigitalisat.
Kleine Klaj-Chronik
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1646 Dez 18
S. 123–125: Der zweigespitzte Musenberg/ Denen zweien gekröhneten grossen Poeten Opitzen und Risten gewidmet. AUsserhalb der Nerons mauren/ … Auf Nürenberg am 17 des Wintermonats Jm heil Jahr 1646 übersendet dieses Johann Klay der H. Schrifft Befließner und Gekrönter Poet. Tod der Maria Magdalena Walther (1614–1646), geb. Held, Ehefrau des Gold- und Silberhändlers Georg Walther (* 1612). Funeraldruck: Christliches Leichgedächtnuß der weyland Erbarn und Viel-Ehren-Tugendreichen Frawen MARIA MAGDALENA, deß Erbarn vnd Fürnehmen Georg Walthers/ Handelsmann/ eine geborne Heldin/ Eheliche Haußfraw/ Welchs in waarem Erkantnuß Jesu Christi/ jhres Erlösers vnd Seligmachers/ den 18. Decembr. Freytags vmb halber drey/ der grössern Vhr/ selig entschlaffen/ vnd den 22 Decembr. An. 1646. Ehrlich auff den Kirchhof zu S. Johannis zur Erden bestattet. Dem betrübten Herrn Wittiber/ vnd hinderlassenen Kinderlein zum Trost auffgesetzt/ vnd zusammen gebracht Durch Gute Freund vnd Bekannte (Nürnberg, Dümler 1646, 20 Bll., 4°). 20 Beiträge von Georg König, Ludwig Jungerman, Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Jacob Bruno, Jacob Tyde, Christoph Adam Ruprecht, Johann Paul Felwinger, Wolfgang Jacob Dümler, Tobias Ruprecht, Isaac Jacquet, Andreas Freher, Justinus Hardesheim, Hieronymus Ammon, Adam Staden, Georg Christoph Walther, Johannes Held, Johann Georg Löber sowie – fol. Eijv–Eiijr: XVII. Der Todt ist allenthalben. ES ist ein elend Thun üm aller Menschen Leben … Johann Klaj/ der H. Schrifft gefliss. vnd gekrönt. Poet. Druck: [Georg Philipp Harsdörffer:] Der schönen DIANA DRJTTER THEJL. Jn fünff Büchern begriffen. Durch H. C. G. Polo in Spanischer Sprache beschrieben. Anjetzo Das erstemal gedolmetscht und mit neuüblichen Reimarten außgezieret. Durch Einen Liebhaber der Teutschen Sprache. (Nürnberg, Michael Endter 1646, 1 Bl, 243 S., 8 u. 7 Bll., 12°).133 Die Übersetzung (nach der lateinischen Version des Caspar von Barth 1634) ist nach Auskunft Betulius’ mit Hilfe Klajs entstanden, der viele, möglicherweise alle Verseinlagen verdeutscht hat, ohne dass dies im Buchtitel oder im ‚Vorbericht‘ Erwähnung fände; auch
1646
75
133 VD17: 23:286749W.
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(1644/46)
Werner Wilhelm Schnabel
an der Überarbeitung der ersten beiden Bände (Übersetzung von Hans Ludwig von Kuefstein 1619) scheint Klaj beteiligt gewesen zu sein.134 Im Druck Zueignung an den Blumenorden und Begleittexte bzw. -gedichte von Wahrmund von der Tannen (Jesaias Rompler von Löwenhalt), Johann Michael Dilherr, Johann Hellwig, Montano (Johann Hellwig) und Sigismund Betulius sowie – fol. M3v–M4v: IV. Dithyrambus Pastoralis. DIthyrambejs resonabo metris … CLAIVS. Druck zu Ehren des Nürnberger Druckers und Verlegers Wolfgang Endter (1593–1659): Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren vnd Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg (wohl Nürnberg, Wolfgang Endter o.J., Einblattdruck mit zwei allegorischen Kupferstichen, 2°).135 Text gemeinsam mit Georg Philipp Harsdörffer. – Sp. 2: Ward ich andern beygesetzt. GLeichwie der Hauchlaut H scheint wenig zwar zu nützen/ … Zu Glückwünschender Ehrbezeigung fügete dieses an Johan. Klaj. Druck: Johan Klaj gekrönten Poëtens AndachtsLieder (Nürnberg, Johann Friedrich Sartorius, 14 Bll., 4°).136 Zueignung an Christoph Fürer von Haimendorf (1578–1653), Ältesten Losunger der Reichsstadt. – fol. A2r–A4v: MorgenLied/ auf die Weise: Nun lob mein Seel den HErrn. AVf/ auf mein Geist nim Flügel/ … – fol. A4v–B4r: II. KriegsTrost/ abgesehen auß dem 2 Buch der Könige am 19. und auß dem Esai. 37. Capitel Gesangsweise außgefertiget Auf die Weise: An Wasserflüssen Babilon. ACh Teutschland nicht mehr Teutsches Land/ … (der Text ist auch auf einem undatierten Einblattdruck erschienen; siehe unten). – fol. B4r–Cv: III. Jch ruhe in den FelßLöchern.137 Auf die Weise: Wie nach einer Wasserquälle. WAnn der Wolcken Nacht aufsteiget/ …
1646
134 Birken, Prosapia, S. 25, 79; Birken, Betuletum, Nr. 1; Jürgensen, Melos, S. 51. – Siehe auch den Beitrag von Rosmarie Zeller in diesem Band. 135 VD17: 3:696394F. Siehe auch den Beitrag von Dieter Martin in diesem Band. 136 VD17: 12:634596D; reprograph. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [263]–[289]. Siehe auch die Beiträge von Ernst Rohmer und Irmgard Scheitler in diesem Band. 137 Aufgenommen wird das Symbolum Johann Michael Dilherrs.
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Kleine Klaj-Chronik
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fol. Cv–C4v: IV. Ein Lied von dem himlischen Pelican/ JEsu Christo. Jm Thon: Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc. ENtbrenne du mein gantzes Jch/ … – fol. Dr–D2r: AbendLied. Auf die Weise: Jch danck dir lieber Herre/ etc. DJe Sonn hat sich verkrochen …138 Druck: Kriegstrost/ Abgesehen auß den andern Buch der Könige am 19. vnd auß dem Esaiae 37. Cap. Gesangsweise außgefertiget. Jm Thon: An Wasserflüssen Babilon/ etc. (Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit Kupferstich, 2°).139 Der Text auch in den ‚Andachtsliedern‘ (1646). – ACh Teutschland nicht mehr teutsches Land … J. Kl. Beratung des Nürnberger Rats über ein Gesuch Klajs, ihm angesichts seiner Dürftigkeit zu einer Stelle zu verhelfen. Es wird den Kirchenpflegern und Scholarchen überlassen, ob sie ihm vorübergehend eine nichtbesetzte Pfarrstelle oder einen anderen Unterhalt verschaffen wollen, bis eine passende Kirchenoder Schulstelle für ihn frei werde.140 Waffenstillstand zwischen Schweden, Franzosen und Bayern, der aber bald wieder gebrochen wird. (Unstandesgemäße) Heirat zwischen dem Nürnberger Jurastudenten Benedict Utz (1615–1652) und der Patrizierin Ursula Behaim (1618–1669). Sammelgratulatorium: SERTA NUPTIALIA, V. CL. DN. BENEDICTO UZIO, J. U. Candidato dignissimo, &c. Sponso, Et Nobilissimæ ac Pudicißimæ Virgini, URSULÆ, Nobilißimi atque Amplßimi Viri, Dn. Alberti Behaimi, Patricii quondam Reip. Noribergens. honoratissimi & Sylvæ Laurentian. ibidem Præfecti laudatissimi, FILIÆ Sponsæ, In auspicatum felicis Connubii principium & successum, ipso solemnis festivitatis die, qui fuit 9. Martii, Anni 1647. à Fautoribus, Consanguineis & Amicis CONTEXTA (Nürnberg, Jeremias Dümler 1647, 11 Bll., 4°).141 20 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Georg Christoph Stirn, Johann Georg Fabricius, Johann Röder, M. T. R., Johann Vogel, Georg Widmann, Christian Betulius, J. G. S., Christoph Ludwig
(1646)
1647 Jan 12
1647 Mär 04 1647 Mär 09
138 Anspielung auf ein bereits mehrfach aufgenommenes Gedicht Opitzens aus den ‚Teutschen Poemata‘ von 1624; siehe den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 139 GNM: HB 19424 und HB 14926/1314; nicht im VD17; vgl. Coupe, Broadsheet I, S. 82 f.; ebd. II, Nr. 241; Paas, Broadsheet VII, S. 309, Nr. P–2177. 140 Franz, Klaj, S. 24. 141 VD17: 125:014809Q.
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Werner Wilhelm Schnabel
1647 Mär 29
Dietherr, Adam Staden, Johann Sigmund von Furtenbach, Johann Wilhelm von Furtenbach, Johann Jacob Löffelholz von Colberg, Christoph Gottfried Pfinzing von Henfenfeld, Johann Sigmund Praun, Friedrich Lochner, Christoph Aegidius Utz sowie – fol. Bijr–Biijv: XII. J. K. Schäfer-Gedancken. SOll ich denn ja meiner Jahre nicht geniessen in der Welt … Heirat zwischen dem Nürnberger Kaufmann Georg Christoph Hönn (1621–1674) und der Kaufmannstochter Clara Susanna Schnabel (1625–1663). Sammelgratulatorium: MUNERA POETICA, Florentissimo & Spectatissimo Viro-Iuveni, DN. GEORGIO CHRISTOPHORO Hönnio, Integerrimi ac Honoratißimi Viri, Dn. Georgii Hönnii, Negotiatoris ap. Norimbergenses præstantissimi, FILIO SPONSO, & Lectißimæ, virtutum ac Pietatis nitore, Morumque elegantiâ maximè Conspicuæ Virgini, CLARÆ SUSANNÆ, Viri Eminentißimi atque Laudatißimi, Dn. Danielis Schnabelii, Mercatoris in eâdem Republ. Norimb. Primarii, FILIÆ SPONSÆ, die 29. Martii, Anno χριςογονίαs 1647 cum Nuptialis Festivitas solemni ritu perageretur, à Fautoribus, Propinquis & Amicis bona manu EXHIBITA (Nürnberg, Jeremias Dümler 1647, 12 Bll., 4°).142 19 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, Heinrich Magnus Heigel, Johann Röder, Johann Vogel, Christian Betulius, Justinus Hardesheim, Cornelius Hönn, Johann Stephan Decker, Heinrich Clerford (= Friedrich Lochner), Johannes Scultetus, D. S. N., Michael Praun d.J., J. B., Johann Ulrich Dilherr, Georg Christoph Stirn, Johann Haistenius, Der Mittagsfreude Mitgenoß, Georg Fabricius, Georg Christoph Hirn sowie – fol. A4r–v: VIII. Pindarischer Hochzeitgesang. Satz. SEy willkommen Frostbezwinger/ Blumenmahler/ Tulpenbringer/ … Der Schäfer Klaj. Heirat zwischen dem Ratsregistrator und späteren Hersbrucker Stadtschreiber Ludwig Rösel und Barbara Schnitzer (* 1619), Tochter des Kaufmanns Johannes Schnitzer. Hochzeitsschrift: Thalamus secundus Literaßimi VIRI LUDOVICI RÖSELII, REIPUBLICI NORIMBERG. REGISTRATORIS SPONSI, ET Lectißimæ Virginis BARBARÆ, VIRI Quondam Honoratißimi
1647 März 31
142 VD17: 125:014409T.
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Kleine Klaj-Chronik
Johannis Schnitzeri, Senatus apud Norimbergenses numerosioris & Mercatoris primarii SPONSÆ, Floribus Pieriis conspersus à Fautoribus & Amicis exhibitus Die XXXI. Martii Anno 1647. quo nuptialis festi solennitas peragebatur (Nürnberg, Jeremias Dümler 1647, 11 Bll., 4°).143 16 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Johann Mülegk, Jacob Brinckmann, Johann Vogel, Johann Riedner, Georg Widmann, Hieronymus Ammon, Adam Staden, Thomas Cleusl, J. H. P., der Schäfer Periander (= Friedrich Lochner), Mattes Dadan, Gervasius Cosmus Idoneus, Adam Volckmann, Johann Christoph Arnschwanger sowie – fol. Br: VIII. EN Rosa sculptricis, sculpendo sculpet amœnam … Honoris ergò fecit Joh. Clajus. Tod des Collega tertius an der Sebalder Lateinschule Johann Ursinus. Klaj wird zu seinem Nachfolger berufen.144 Rektor ist Johann Vogel (1589–1663), Konrektor Johann Dietlin. Eine damit zusammenhängende Bürgerrechtsannahme Klajs ist entgegen den Behauptungen in der Literatur nicht nachweisbar.145 Heirat zwischen dem Arzt Johann Conrad Rhumelius (1597– 1661), dem späteren Schwager Klajs, und Ursula Helfrich (* 1610), nachgelassener Tochter des Handelsmanns Nicolaus Helfrich. Hochzeitsschrift: FAVENTIÆ, datae Calamo Thalamo tertiùm recentato JANI CHUNRADI RHUMELI MEDICI. Cum Virgine Morum integritate & pudoris venustate Spectabili URSULA, Ex commendatissimâ & honoratissimâ HELFRICHIORUM Familiâ. […] (Nürnberg, Jeremias Dümler 1647).146 11 Beiträge von Johann Georg Fabricius, Johann Hellwig, Johann Georg Volkamer, Heinrich Magnus Heigel, Johann Röder, Christoph Ludwig Dietherr, Johannes Molitor, Gerhard Trekel, Achatz von SeltenFreud, Gregor Hilling sowie – fol. A4v–Br: VII. HEroos tonet alter Hexametros! … Officiosissimæ Vener. erg. f. J. Clajus P.L.C. Heirat zwischen dem Endterschen Verlagskorrektor Johann Sechst († 1674) und der Neberschmiedstochter Susanna Grün
1647 Mai 05
1647 Mai 12
1647 Mai 25
143 144 145 146
VD17: 125:021237B. Herdegen, Nachricht, S. 236; Waldau, Zion, S. 17; Franz, Klaj, S. 24. StaatsAN: Rep. 52b, Reichsstadt Nürnberg, Amts- und Standbücher, Nr. 311. VD17: 125:018757U.
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Werner Wilhelm Schnabel
wald (* 1617). Sammelgratulatorium: SUCCLAMATIONES VOTIVÆ VIRO Præstantissimo atque Eruditissimo, Dn. JOHANNI SEXTO, Elnbogâ-Bohemo, celebris Typographiæ Endterianæ. p. t. Correctori perindustrio; VIRI Prudentià & Auctoritate Conspicui, Dn. MATTHÆI SEXTI, Senatoris apud Wonsidelienses dignissimi, FILIO Ac Virgini Lectissimæ & Pudicissimæ SUSANNÆ; VIRI Perquam Honesti atque Integerrimi, JOHANNIS Grünwalds/ Civis Norimbergensis, piè defuncti, FILIÆ: SPONSIS. Christiano ritu, die XXV. Maii Anno O. R. M. DC. XLVII. copulandis: Ingeminatæ à Fautoribus, Cognatis, Amicis (Nürnberg 1647, 12 Bll., 4°).147 43 Beiträge von Adolph Friedrich von Herberstein, Michael Walther, Johann Georg Dorsch, Wolfgang Adam Pachelbel von Gehag, Johann Christoph Herpfer, Daniel Oder, Johann Michael Dilherr, Johannes Weinmann, Martin Wolff, Daniel Wülfer, Johann Hellwig, Gregor Hilling, Johann Georg Volkamer, Georg Philipp Harsdörffer, Jacob Knespel, Caspar Hammerschmidt, Georg Christoph Streissel, Dominicus Beer, Justus Daniel Heering, Martin Beer, Johann Vogel, Adam Zanner, Georg Widmann, Christian Betulius, Johann Georg Schwingshärlein, Caspar Hübler, Johann Sauer, David Zachariae, Jacob Ernst Windhesel, Periander (Friedrich Lochner), Christoph Arnold, Johann Hetzel, Matthäus Keller, Gerhard Trekel von Stade, Martin Nürnberger, Georg Ingolstetter, Adolph Saubert, Johann Christoph Wider, Johann Ludwig Wider, Johann Jacob Wider, Zacharias Wider, Theodosius Wider sowie – fol. C2r–v: Postmissa. I. Majo nubere mense bonum: MOllis gramineis Lascivia regnat in hortis … Florifero in prato penes albida lilia CLAJUS cantavit ista disticha. Bayreuth: Heirat zwischen dem ehemals nürnbergischen, nun brandenburgischen Hof- und Lehengerichtsadvokaten Johann Mülegk († 1655) und Maria Magdalena Göring (1610–1670), Witwe des Creußener Pfarrers Johann Dambach (1590–1646) und späterer Ehefrau des Sigismund Betulius/Birken. Sammelgratulatorium: BONA VERBA Nuptiis Auspicatissimis VIRI Clarißimi & Consultißimi Dn. JOHANNIS MULEGKII I. U. DOCTORIS, OLIM Dicasterii Norici; nunc verò Advocati Brandenburgici cele
1647 Sep 07
147 VD17: 125:020988A.
Kleine Klaj-Chronik
1647 Dez 01
berrimi Sponsi, Cum Honestißimâ, omniumque virtutum laude commendatissimâ Matrona MARGARETHA MAGDALENA Viri plurimùm Reverendi Dn. M. JOHANNIS DAMBACHII, Pastoris quondam Creusensis, & Capituli Byruthini Senioris vigilantissimi, relicta viduâ Sponsa, 7. Septembr. feliciter celebrandis Byruthi Anno quo En aMor! enDeCor! en paX Laeta res VrgIt In orbe! à Fautoribus & Amicis DICATA & TRANSMISSA (Nürnberg, Jeremias Dümler 1647, 10 Bll., 4°).148 17 Beiträge von Jacob Brinckmann, Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Johann Conrad Rhumelius, Johann Hellwig, Johann Leonhard Rinder, Michael Korn, Johann Vogel, Johann Riedner, Johann Wolfgang Kleesattel, Georg Widmann, Hieronymus Ammon, Adam Staden, Ludwig Rösel, Thomas Cleusl, Melissus Bombyphilus, Johann Rasp sowie – fol. C2r (Serò missa): I. POstquam protulerit faciem Pomóna decoram, … Gratulab. fundeb. Joh. Clajus, P.L.C. (Datierung der Zueignung an die Kollegen an der Sebalduskirche) Druck einer Predigtsammlung von Johann Michael Dilherr: Himmlisches Freudenmahl auff Erden/ Welches/ in Sechs kurtzen Wochen-Predigen/ über die Wort Pauli I. Cor. XI. v. 23. &c. Von dem H. Abendmal/ Jn der Kirchen Bey S. Sebald in Nürnberg gezeiget/ vnd selbigen nützliche Gebetlein vnd Gesänge beygefüget worden/ von Johann Michael Dilherrn (Nürnberg, Jeremias Dümler 1647, 12 Bll., 185 S., 21 Bll., 12°).149 Begleitgedichte von Johann Vogel, Georg Philipp Harsdörffer sowie – fol. J8v–J11v: Ein Lied/ Von deß H. Abendmahls Nutzen/ abgesehen auß dem Eingange der fünfften Predigt. auff die weise: Wie schön leuchtet der Morgenst. 1. EJns sprach der kühne Jonathan/ … J. K. Tod des Johann Jobst Schmidmaier von Schwarzenbruck (1611–1647), eines großzügigen Förderers der Universität Altdorf und Freundes Dilherrs. Funeraldruck von Johann Michael Dilherr: Frommer Christen Threnensaat/ und Freudenernd […]. Dazu Druck einer separaten Prosarede unter dem Titel Johann Klaj/ gekrönten Poetens Trost-schrifft (Nürnberg 1648,
1647 Dez 24
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148 VD17: 125:014876N; vgl. Stauffer, Birken II, S. 1103. 149 VD17: 39:119626T. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
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4 Bll.: fol Ar–A4v, 4°)150 mit Zueignung an die Witwe AnnaMaria Schmidmaier, geb. Heigel (1605–1664). Darin drei Gedichttexte: – fol. Aiijr: Greifft also dieser Gott sehr weit mit seinen Armen … – fol. Aivr: Er darff nun nicht mehr sehen/ … – fol. Aivv: GOtt grüsse dich/ mein Tod/ du Anzug alles guten/ … Zum gleichen Anlass erscheint eine Funeralschrift der Universität Altdorf von Johann Paul Felwinger (1606–1681): POST FUNERA VIRTUS Nobilissimi atque Præstrenui DN. JOHANNIS IODOCI Schmidmajers ab & in Schwartzenbrugk/ etc. Patr. Norimberg. descripta & AltdorphI in publico Magnorum ac Honoratissimorum Virorum consessu pridiè Festi Petro-Paulini recitata / A JOHANNE PAULO Felwinger/ Metaph. & Log. P.P. Universitatis hodiè Rectore (Nürnberg, Jeremias Dümler 1648, 44 Bll., 4°).151 Darin zahlreiche Trauergedichte, als Beilage die Prosarede Klajs: – fol. K5r–K8v: Johann Klaj/ gekrönten Poetens. Trostschrifft. Der aus Meiningen stammende Theologiestudent Paul Wilhelm Bert (1619–1693), der in Nürnberg als Informator eines Sohnes des Exulantenadeligen Gall von Racknitz (1590–1658) untergekommen ist,152 publiziert Der zwar Flüchtige/ Doch wegen der Flucht Trostreiche JESUS. Denen Gottliebenden Exulanten/ wie auch/ allen hochbeträngten Christen in einer Predigt/ in der so benannten Augustiner Kirch zu Nürnberg/ einfältig abgehandelt […]. (Nürnberg, Heinrich Pillenhofer). 35 Begleitgedichte von Georg Augustin von Stubenberg, Otto Gall von Stubenberg, Gustav von Racknitz, Georg Andreas von Petschawitsch, Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Johann Fabricius, Johann Hellwig, Johann Röder, Georg Philipp Harsdörffer, Martin Beer, Johann Vogel, Georg Widmann, Christian Betulius, Christoph Ludwig Dietherr, Sigmund Schellhammer, Johann Christoph Schurtz, Thomas
1647
150 VD17: 23:302249C mit Link auf Volldigitalisat. 151 VD17: 39:112231K mit Link auf Volldigitalisat. 152 Zur Verbindung zwischen Racknitz und den Repräsentanten des Blumenordens vgl. Schnabel, Der Exulanten Preiß, S. 65, zur ‚Exulantenschrift‘ Berts siehe Schnabel, Exulanten, S. 465 f.
Kleine Klaj-Chronik
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Cleusl, Friedrich Lochner, Christian Eschenbach, Johann Christoph Arnschwanger, Caspar Steiniger, Johann Veit Stoll, Jacob Pfinzing von Henfenfeld d.J., Maximilian Oelhafen von Schöllenbach, Christoph Gottfried Pfinzing von Henfenfeld, Georg Polster, Gustav Maximilian Richter, Joachim Wendel Hofmann, Christoph Arnold, Gerhard Trekel von Stade, Georg Christoph Haupolt, Valentin Lattermann und Johann Georg Stierle. Darunter: – fol. D4v–D5v: XVII. DEr Morgenröthe Hind wird frü vom Hund gejaget … Zu Belobung dieser Predigt verfertigte dieses Seinem vielgeehrten HErrn Berten/ Johann Klaj/ SchulCollega zu S. Sebald und gekrönter Käiserl. Poët. Druck: Kurtzer Extract, Aus Herrn JOHANNIS CLAIJEN Weihnacht-Liede/ Andächtigen frommen Christen/ den die Poëtischen Redarten nicht allerdings bekant/ Zu vermehrung geistlicher Weynacht-Freude/ vnd wünschung eines frölichen vnd angenehmen Neuen-Jahrs/ Wollmeinentlich offeriret vnd demütig übergeben Von DIRICO Henrichs/ Des HERREN JESV; vnd Teutscher Vers-Gedichte Liebhabern/ Jhrem allezeit willig geflissenen Diener (o.O. 1647, 12 S.).153 – S. 2–11: OB sichs in gantzer Welt so jämmerlich gleich findet/ … – S. 11 f.: Indulci Iubilo. etc. SEit nu von Hertzen froh/ Gotts Sohn daß A vnd O/ … In den Pegnesischen Blumenorden werden auf Vermittlung Rists bzw. Betulius’ aufgenommen: Sophia Nicolai, Gattin des dänischen Kanzlers in Stade (Diana), Georg Conrad Osthof in Celle (Amyntas) und der Kantor in Dannenberg Anton Burmeister (Filanthon). Bis 1658 finden keine Neuaufnahmen mehr statt. Zueignung der Sammlung Johann Klaj Weihnacht Gedichte (Nürnberg, Jeremias Dümler, 24 Bll., 12°)154 an Lucas Friedrich Behaim, Kirchenpfleger und Scholarch, Johann Albrecht Pömer, Georg Imhoff und Jobst Christoph Kreß von Kressenstein.
1647
1648
1648 Jan 01
153 VD17: 12:650435R. 154 VD17: 3:313424V ; reprograph. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [215]–[262]. – Siehe auch den Beitrag von Franz M. Eybl in diesem Band.
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1648 Jan 10
Begleitgedicht von Johann Georg Styrzel (1591–1668), Ratsherr in Rothenburg/T. (Dezember 1647). – fol. A vijr–A viijr: Des Dichters Liebe zu dem Neugebornen JEsulein. WAs tufftet so/ das im Geruche hafft/ … – fol. A viijr–A xr: II. Vätterseufftzen nach der Christnacht/ gesungen am heiligen Abend. David: JHr sterblichs Volck/ der ich nicht sterblich bin … – fol. A xr–B ijv: III. Hochfeierliche Empfängnuß Christi. DEr Höchsten zu der Zeit/ als Eva gantz vermessen/ … – fol. B ijv–B vjr: IV. Lob der Gottes Gebärerin. MOrgenroth/ kömt bunt gefahren/ … – fol. B vv–B vjv: V. Jn der Christnacht. SEy Willkommen heilge Nacht … – B vjv–B vijv: VI. Das sonder- und wunderbare Geheimnuß der Menschwerdung JEsu Christi. Das Sein Nütz nichts/ wen der nicht der gibt Sein/ sein fein … – B viijr–B viijv: VII. Liebesmacht. Die den Sohn Gottes auß den hohen Himmel in den Stall herab getrieben. WEr dich grosses kleines Kind … – B viijv–B ixr: VIII. Wiegengesänglein. Schönster der schönen … – B ixr–xijv: IX. Schäferlied bey dem Kripplein Christi. KJnd bethrene nicht die Augen … – B xijv–B xiijr: X. Seufftzer einer glaubigen Seele nach Bethlehem. Jm Thon: Gelobet seystu JEsu Christ. ACh hätten doch die Sternen bracht/ … – B xiijr–xivr: XI. Einer glaubigen Seelen Verbannisirung der Weltlust. Kann gesungen werden: wie Vom Himmel hoch do kom ich her/ etc. GOtt leidet noth und ich bin hold … (Datierung der Vorrede Klajs) Druck: Das gantze Leben Jesu Christi Mit schönen Kupffern abgebildet/ neuen Reimarten und Biblischen Sprüchen außgezieret. Durch Johann Klaj/ der heiligen Schrifft Beflißenen und gekrönten Käyserlichen Poeten. Mit einer Vorrede H. Johann Michael Dilherrns (Nürnberg, Paul Fürst, Christoph Lochner 1648, 80 Bll., 64 Kupferstiche mit neutestamentlichen Motiven von Peter Rollos, 8°).155 (Veränderte Auflage: 1651). Die emblematische Lebensbeschrei-
155 VD17: 1:075595A. – Siehe den Aufsatz von Dirk Niefanger in diesem Band.
Kleine Klaj-Chronik
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bung Christi wendet sich an Väter, die damit ihre Kinder religiös unterweisen sollen. Darin neben zwei Vorreden auch – (unfol. Vorspann:) Ein Kinderlied Jn welchen das Jesukindlein die Kinder zum beten und studieren vermahnet. Auff die weise/ Singen wir auß Hertzen grund. Hört das hertze Jesulein … Durchzug kaiserlicher und bayerischer Truppen durch Nürnberger Gebiet, wobei viele Greueltaten verübt werden.156 Heirat zwischen dem Kaufmann Ambrosius Boner (* 1617) und der Juweliers- und Kaufmannstochter Sabina Jahn (* 1628). Sammelgratulatorium: Fröliche Glückwünsche auff das Hochzeitliche Ehrenfest deß Erbarn Ambrosii Boners etc. mit der Erbarn vnd Tugendreichen Jungfrauen Sabina/ Deß Erbarn vnd Fürnehem Martin Janns/ deß grössern Rahts vnd wolbenamten Handelsmanns/ Welches den 8. Martii diß 1648. Jahrs Christlicher Ordnung nach angestellet worden/ auffgesetzt von guten Freunden in Nürnberg (Nürnberg, Wolfgang Endter 1648, 8 Bll., 4°).157 9 Beiträge von Johann Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Johannes Gundermann, Heinrich Boner, Paul Georg, Johann Vogel, Adam Staden, Servatius Reinmund sowie – fol. Biijr–v: VIII. MJr ist zu Ohren kommen deß Bohners Freyheit hier … So wünschet der Schäfer Kläj. Druck: [Johann Hellwig:] ORMVND Das ist/ Lieb- und HeldenGedicht/ in welchem des Hoflebens Sitten/ Gefahren und seltene begebenheiten eigentlich ab- und ausgebildet werden/ verfasset von dem weitberümten Jtaliäner Francesco Pona; und Durch einen Liebhaber der Teutschen Muttersprache in das Teutsche übergesetzet (Frankfurt/M., Johann David Zunner 1648).158 Zueignung an Hzg. Anton Ulrich von BraunschweigLüneburg. Begleitgedichte von Georg Philipp Harsdörffer und den Blumengenossen Helianthus (Johann Georg Volkamer), Myrtillus (Samuel Hund), Floridan (Sigismund Betulius) und Amintas (Georg Conrad Osthof), Alcidor (Johann Sechst), Periander (Friedrich Lochner), Lerian (Christoph Arnold) sowie
1648 Feb 1648 Mär 08
1648 Mär
156 StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschrift 475, fol. 183v. 157 VD17: 75:652784R. 158 VD17: 3:308850Z; vgl. Jürgensen, Melos, S. 12 f.
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Werner Wilhelm Schnabel
–
1648 Mai 24
fol. (*)(*)v–(*)(*)iijv: III. Der Hof ist eine Gedultsschuele. GLeichwie des Königs haubt ein Nest ist voller Sorgen/ … Seines hochgeehrten pflichtschuldigster Klajus. Heirat zwischen dem Diakon an der Marienkirche und Professor am Auditorium Martin Beer (1617–1692) und der Witwe Magdalena Gärtner († 1662). Sammelgratulatorium: BONA VERBA DICTA NVPTIIS M. MARTINI Beer/ P. P. & ad B. Mariæ Vicar. V. REV. ET CLARIS. Dn. M. MICHAELIS Beer/ ad S. LaurentI Disposit. FILII Quas Cum HONESTISSIMA MATRONA MAGDALENA VIRI INTEGERRIMI Dn. STEPHANI Gärtner/ B. M. relicta Vidua celebravit D. XXIV. MAII (Nürnberg, Wolfgang Endter 1648, 6 Bll., 4°).159 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Sebastian Hainlein, Johann Hellwig, Dottor di Piena Camera, Albert Volckart, Marcus Kraer, Johann Maier, Johann Vogel, G. S. L. R., Johann Riedner, Michael Manner, Christian Betulius, Johann Sechst, Johann Elias Reu, Christian Schröttel sowie – fol. A4v–Ar: DAs unbejahrte Jahr/ deß Jahres Jahrmarck stralet … J. Klaj/ gek. Poet. Tod der Susanna Clara Geilinger (1619–1648), geb. Schmid, erste Frau des Hieronymus Geilinger (1617–1649), Pfarrers in Neunhof (bei Lauf) und Beerbach, im Kindbett. Leichenpredigtdruck von Wolfgang Jacob Müller (1614–1661): Aller Christen Krieg vnd Sieg/ Bey Christlicher Leichbegängniß/ Der Erbarn vnd Tugendreichen Frauen Susanna Clara/ einer gebornen Schmidin von Nürnberg. Deß Ehrwürdigen/ Achtbarn vnd Wohlgelehrten Herrn/ M. HIERONYMI Geilingers/ Pfarrherrns zu Neuhof vnd Berbach/ hertzliebsten Ehewirthin/ welche den 26. May in der Nacht zwischen 10. vnd 11. Vhr Anno 1648. zu Lauff gestorben/ vnd den 28. diß/ am Tag der H. Dreifaltigkeit/ zu Berbach ehrlich zur Erden bestattet worden: Einfältig erklärt durch M. Wolffgang Jacob Müller/ Pfarrherrn zu Ottensaas (Nürnberg, Heinrich Pillenhofer 1648, 24 S., 4°).160 6 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Wolfgang Jacob Müller und Christian Betulius sowie separater Bei
1648 Mai 26
159 VD17: 75:680557K. 160 VD17: 125:033541R.
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1648 Mai 26
1648 Jun 28
161 VD17: 12:121012S.
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trag (2 Bll., Nürnberg 1648, 4°) für den Vater der Verstorbenen, einen Nürnberger Handelsmann: – Christlich-wolgemeintes Grabmahl/ Welches/ seiner hertzvielgeliebten/ nunmehr aber abgelebten Tochter/ Frauen Susannen Claren/ Christoph Schmidt/ Als Vatter/ zur letzten Ehrngedächtnuß durch Johann Klaj auffrichten lassen … Die Seeligverstorbene Singet auff die Weise: Jch hab mein Sach Gott heim gestellt/ etc. 1. JCh hab ein guten Kampff gekämpfft/ … (Datierung der Vorrede) Druck einer Predigtsammlung des aus Kamenz stammenden Justus Daniel Heering (1609– 1649), die dieser 1646 als Montagspredigten in der Sebalduskirche gehalten hatte: Die veste JEsus-Burg/ das ist/ Einfältige/ doch schrifftmässige Erklärung deß Sechs vnd Viertzigsten Psalms Davids/ darinnen die Christliche streitende Kirche auff Erden abgebildet ist/ als eine veste Burg vnd Gottes-Stadt/ so von geist- vnd leiblichen Feinden hefftig berennt/ bedrängt/ belägert/ angelauffen/ vnd bestürmet/ aber vom HERRN ZEBAOTH/ CHRJSTO JESU/ jhrem Allmächtigen Schutzherrn/ trewlichst beschirmet vnd erhalten wird. Bey diesen langwirigen/ schweren/ grundverderblichen Kriegsläufften/ da es scheinet/ als ob vnsere Evangelische Kirch zu Trümmern gehen/ vnd wir kein Volck Gottes mehr seyn würden/ auffgesetzt und der Christlichen Gemein zu Nürnberg in der Pfarrkirchen bey S. Sebald/ zu sonderbarem Trost in 21. Früpredigten die Montag im Jahr 1646. fürgetragen […] (Nürnberg, Endter 1648, 16 Bll., 496 S., 16 Bll., 8°).161 Vorrede von Johann Michael Dilherr. Begleitgedichte von Johann Hellwig, Johann Georg Volkamer, Georg Philipp Harsdörffer, Albert Volckart, Sigmund Faber, Johann Vogel, Georg Widmann und Johann Sechst, sowie – fol. )()(viijr–v: Belobungen der vnüberwindlichen JEsusBurg. 1. DJe veste JEsus-Burg/ jhr JEsus-Bürger/ schawet … Johann Klaj/ gek. Poet. Tod des Scholarchen Lucas Friedrich Behaim (1587–1648), dem Klaj zwei seiner Schriften zugeeignet hatte (siehe 1645
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Werner Wilhelm Schnabel
1648 Jul 05
Jan 12 und 1648 Jan 01). Die im Folgejahr gedruckte Epicediensammlung162 bleibt ohne einen Beitrag Klajs. Tod der Anna Maria Golling (1615–1648), geb. Schiller, verw. Schmaus, Ehefrau des Weißbierbrauers Johann Golling (1611–1688), im Kindbett.163 Funeralschrift von Nicolaus Molitor (1591–1654): Leichsermon Vber den Tödlichen Abgang Der Erbarn vnd Tugendsamen Frawen ANNÆ MARIÆ deß Erbarn Johann Gollings allhie Ehelichen Haußfrawen/ Welche den 5. Julii diß Jahrs/ als sie 32. Jahr/ 8 Monat vnd 3. Tag erlebet/ im Kindbett/ in Gott seelig verschieden/ Vnd den 9. Julii Christlich zur Erden bestattet worden/ Gehalten auff S. Rochi Kirchhof/ Durch M. Nicolaum Molitorem, Diaconum zu St. Lorentzen (Nürnberg, Wolfgang Endter 1648, 48 S., 4°).164 18 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Johannes Gundermann, Johann Maier, Johann Lobherr, Johann Vogel, Friedrich Lochner, Christoph Molitor, M. J. S., Johann Sigmund Eser, C. W., Johann Freißhirn, Carl Friedrich Lochner, sowie – S. 26–34: X. Johann Klaj/ gekrönten Poetens/ Trostschrifft an Den Erbarn Herrn Johann Golling/ etc. (Prosarede) Heirat zwischen dem Patrizier Philipp Jacob Tetzel von Kirchensittenbach (1624–1669) und Maria Helena Baier (1631– 1676). Hochzeitsdruck: Pegnesisches Schäfergedicht/ in den Nördgauer Gefilden/ angestimmet von Filanthon und Floridan/ abgemercket Durch Den Schäfer Klaj (o.O., 4 Bll., Titelkupfer wie das Pegnesische Schäfergedicht von 1644, 4°).165 – DEr Sommer ist dahin/ der Schnitter bindet Garben/ … (als Sprecher treten in der Versekloge lediglich die Schäfer Filanthon [Anton Burmeister] und Floridan [Sigismund Betulius] auf). Patrizische Heirat zwischen Wilhelm III. Imhoff (1622–1690) und Maria Helena Pömer (1632–1716), Tochter des Scholarchen Albrecht Pömer (1597–1654). Sammelgratulatorium: ARA NUPTIALIS, Nobilißimo ac Splendidißimo DN. GUILIEL
1648 Aug 07
1648 Aug 21
162 StadtBN: Will I 1150. 4° (52). 163 Zahn, Inschriften III/1, Nr. 4103. 164 VD17: 125:036035A. 165 VD17: 75:673062L mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Jürgensen, Melos, S. 12; Stauffer, Birken II, S. 1105–1107. Siehe auch die Beiträge von Nora Ramtke und Klaus Garber in diesem Band.
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MO IM-HOFIO, PATRICIO NORIBERG. EMINENTISSIMO, Viri Nobilißimi & Amplißimi Dn. Guilielmi Im-Hofii, patr. ac majoris Senatus apud Noriberg. Collegæ honoratissimi, FILIO SPONSO, Nec non Nobilissimæ pariter & Florentissimæ Virgini, MARIÆ HELENÆ, Magnifici, Nobilissimi atque Prudentissimi Viri Dn. Alberti Poemeri, Reip. Norib. Senatoris Ampliss. & Universitatis Altorfinæ Scholarchæ gravissimi, FILIÆ SPONSÆ, Boni ominis ac honoris ergò, Anno 1648, die 21. Augusti, quo-ipso sacra peragebantur connubialia, Votivis Amicorum Symbolis EXTRUCTA & ADORNATA (Nürnberg, Jeremias Dümler 1648, 12 Bll., 4°).166 38 Beiträge von Michael Praun, Johann Georg Richter, Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Daniel Wülfer, Georg Christoph Stirn, Johann Georg Fabricius, Johann Conrad Rhumelius, Johann Hellwig, Heinrich Plancus, Johann Willibald Hopfner, Gregor Hilling, Heinrich Magnus Heigel, Johann Röder, Christoph Nicolai, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Paul Felwinger, Johannes Gundermann, Albert Volckart, Martin Beer, Johann Caspar Benz, Johann Vogel, Johann Riedner, Michael Manner, Georg Widman, Christian Betulius, Hieronymus Ammon, Friedrich Lochner, Johann Baptist Fabricius, Johann Baptist Imhoff, Johann Wilhelm von Furtenbach, Tobias Sebastian Praun, Hieronymus Scheurl, Johann Christoph Pömer, Georg Fabricius, Lorenz Heilbronn, Festinans Imitativus sowie – fol. B4r–v: XXVII. Schiffer vnd Buhler Glücksstern. EJn kühner Schiffersmann/ der sich im Herbst will wagen … Höchstpflichtschuldigst doch eylfertigst dichtete es Joh. Klaj gekr. Poet. Tod der ursprünglich aus Herzogswalde stammenden Exulantin Margarethe Hänning (1567–1648), in erster Ehe verheiratet mit dem Schulmeister und späteren Dekan Matthäus Gloger († 1600), in zweiter Ehe mit dem Hofmaler Friedrich Lochner († 1621) in Öls. Leichenpredigtdruck: Decus Matronale, Das ist: Das rechte FrawenLob/ auß dem 31 Cap. Prov. in einer Leichpredig/ bey dem Volckreichen Begraebnuß Der weyland Erbarn vnd Tugentsamen Frawen MArgaretha Haennigen/ deß weyland Erbarn vnd Kunstreichen Herrn Friderich Lochners/ Bur
1648 Aug 25
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166 VD17: 125:026566B.
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gers und Fürstl. Hof-Mahlers allhie/ hinderlassenen Wittib: Welche nach harter langwüriger außgestandener Leibesschwachheit den 25. Augusti dieses 1638 Jahr/ zur Olsen seliglich entschlaffen/ nnd folgenden 29 ejusdem war der Festtag S. Johannis Enthauptung/ vnd zugleich der 13 Sontag nach Trinitatis, Christlichem Gebrauch nach/ daselbst bey der Pfarrkirchen zu S. Johannis mit gebürlichen Ceremonien zur Erden bestattet worden; abgehandelt und erkläret Von M. GEORGIO SEIDELIO, Fürstlichem Mönsterbergischem Olßnischem Hofprediger/ vnd Pfarrer zur Olß (Nürnberg, Jeremias Dümler 1648, 20 Bll., 4°).167 27 (überwiegend aus Nürnberg stammende) Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Johann Hellwig (2 Texte, darunter ein Figurengedicht), J. G. V. D., Johann Röder, Georg Philipp Harsdörffer, Johannes Gundermann, Albert Volckart, Jacob Peter Schechs, Justus Daniel Heering, Johann Ludwig Wider, Johann Vogel, Adam Zanner, Johann Jacob Wider, Johann Adam Rubinger, Johann Sechst, Johann Baptist Fabricius, Johann Haistenius, Johann Heinrich Pfeiffer, Christian Eschenbach, Friedrich Lochner, Carl Friedrich Lochner sowie – fol. D4v: XIIX. WEr wollte doch ein Weib ein solches Weib nicht lieben … Seinem vielgeliebten Nebenhirten Periander setzte dieses eylfertig auff Schäfer Klajus. [Klaj dichtete also im Namen des Nürnberger Bauschreibers und Magistrats-Registrators Friedrich Lochner (1602–1673), eines Sohns der Verstorbenen und seit 1645 Mitglied im Pegnesischen Blumenorden] Patrizische Heirat zwischen Johann Jacob Haller (1623–1692) und Anna Helena Löffelholz (1630–1703). Sammelgratulatorium: ΔΩΡΑ sive MUNERA NUPTIALIA VOTIVA Festivo die XXVIII. m. Augusti Nobilissimo & Spendidissimo DN. JOH. JACOBO HALLERO AB HALLERSTEIN, VIRI MAGNIFICI, NOBILISSIMI, ET PRVDENTISSIMI DN. JOHANNIS ALBERTI HALLERI AB HALLERSTEIN, &c. JNCLYTÆ REIP. NORIMBERG. Septemviri Gravissimi, & Præfecti Rei Militaris Vigilantissimi &c. FILIO, SPONSO, & Nobilissimæ Genere, & formæ, virtutum
1648 Aug 27
167 LAELKB: Fen. II 342.4°(17); nicht im VD17.
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que ornamentis condecoratissimæ Virgini ANNÆ HELENÆ VIRI MAGNIFICI, NOBILISSIMI, AMPLISSIMI DN. BURCKARDI LOEFFELHOLTZII à COLBERG &c. Reip. Eiusdem Norimb. Septemviri Eminentissimi, & Provincialis Prudentissimi &c. FILIÆ, SPONSÆ, amanter oblata à Familiæ Nobilis. utriusque observantibus Fautoribus & Amicis (Nürnberg, Heinrich Pillenhofer 1648, 10 Bll., 4°).168 24 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius Georg Philipp Harsdörffer, Conrad Sachs, Johann Vogel, Georg Widmann, Christian Betulius, Hieronymus Ammon, Thomas Cleusl, Wolf Jacob Löffelholz, Maximilian Oelhafen von Schöllenbach, Johann Melchior Haller von Hallerstein, Johann Georg Haller von Hallerstein, Georg Tobias Oelhafen von Schöllenbach, Johann Joachim Löffelholz von Colberg, Johannes Gundermann, Wolfgang Jacob Dümler, Martin Beer, Johann Riedner, Christoph Paul Spies, Hans Lauterholz sowie – fol. Br–B2v: XII. DJe Weldvermehrende Liebs-Göttin … So viel hatt gesehen und gehöret der Schäfer Klaj (Prosa und Gedicht) Kirchliche Proklamation der Eheabsicht zwischen Klaj und seiner Braut, der in Neumarkt geborenen Maria Elisabeth Rhumelius (vor 1628–1664), hinterlassener Tochter des aus Nördlingen stammenden, ab 1595 als Physicus ordinarius in Neumarkt tätigen und seit 1628 als Exulant in Nürnberg ansässigen Arztes Johann Conrad Rhumelius (1574–1630) und dessen zweiter Frau.169 Betulius grüßt aus dem sächsischen Dannenberg, wo er sich als Prinzessinerzieher aufhält, brieflich die Nürnberger Blumengenossen, unter denen er u. a. den dichtfertigen Klajus aufführt.170 Eheschließung Klajs mit Maria Elisabeth Rhumelius.171 Die Zeremonie findet als Chorhochzeit in der Sebalduskirche statt.
1648 Sep 03
1648 Sep 06
1648 Sep 25
168 VD17: 75:680270C. 169 LAELKB: Pfarrarchiv Nürnberg-St. Sebald, Kirchenbuch L 56, fol. 62v. Die Neumarkter evangelischen Kirchenbücher sind erst ab März 1628 erhalten, so dass das Geburtsdatum der Braut nicht mehr eruiert werden kann (freundliche Auskunft Dr. Bruno Lengenfelder, Diözesanarchiv Eichstätt, vom 15.12.2016). 170 Birken, WuK 9, S. 26. 171 LAELKB: Pfarrarchiv Nürnberg-St. Sebald, Kirchenbuch S 25, fol. 129v, Nr. 117; Wiedemann, Klaj, S. 17.
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Werner Wilhelm Schnabel
Zu diesem Anlass erscheint die Gratulationsschrift Amores nuptiales Johannis ClaI, Poëtae Laureati Cæsarei, Et MARIÆ ELISABETHÆ, Virginis Florentissimæ, Viri quondam Nobilis, Excellentissimi, nec non Experientissimi DN. JANI-CUNRADI RHUMELII, Medicinæ Doctoris & Poëtae celeberrimi, Filia, à Fautoribus & Amicis faventer & lubenter decantati ipso die Festivitatis, qui erat VII. Calend. Octobris, Anni M. DC. XLVIII (Nürnberg, Wolfgang Endter, 10 Bll., 4°).172 19 Epithalamien von Johann Georg Styrzel (Rothenburg/T.), Johann Michael Dilherr, Johann Hellwig, Johann Rist (Wedel), Daphnis aus Cimbrien (1.9.1648), Christian Gueintz, Johann Caspar Esebeck (Creglingen), Johannes Maier, Justus Daniel Heering, Johann Vogel, Johannes Dietlein, Georg Widmann, Christian Betulius, Christian Christiani, Johann Ulrich Augenstein, Georg Bolster, Georg Wolfarth, Leonhard Stör, Georg Otto und Hilarius Kurtzweil. Separates Sammelgratulatorium der Pegnitzschäfer unter dem Titel: Schäferische Hochzeitgemähle Dem Hirten Klaj/ an seinem Ehlichen Ehrentage Wolmeinend überreicht durch seine Weidgenossen (Nürnberg, 2 Bll., 8°).173 Beiträger: Strephon (Georg Philipp Harsdörffer), Montano (Johann Hellwig), Helianthus (Johann Georg Volkamer), Periander (Friedrich Lochner), Alcidor (Johann Sechst), Lerian (Christoph Arnold), Floridan (Sigismund Betulius?),174 Filanthon (Anton Burmeister) und Frau Vitalia. Truppen des schwedischen Regiments Douglas machen das Nürnberger Umland unsicher.175 Unterzeichnung des Friedens von Osnabrück, der den Dreißigjährigen Krieg im Reich beendet. Die Nachricht vom Friedensschluss erreicht Nürnberg.176 Untersuchungen des Rats gegen Georg Philipp Harsdörffer, der in einem ‚Lobgesang‘ auf den schwedischen Marschall Carl Gustav Wrangel politisch unliebsam Partei ergriffen hat;
1648 Okt 1648 Okt 14 1648 Okt 18/19 1648 Nov 08–10
172 VD17: 125:014569N; vgl. Jürgensen, Melos, S. 10–12. 173 VD17: 75:664782N mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Jürgensen, Melos, S. 10; Stauffer, Birken I, S. 46 f. 174 Siehe den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. 175 Betrübte Pegnesis, S. 201. 176 Ernstberger, Ausklang, S. 259.
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1648 Nov 14
Drucker und Verfasser werden kurzzeitig inhaftiert und ernsthaft ermahnt.177 Tod des Augsburger Pfarrers Paul Jenisch (1602–1648). Funeralschrift von Philipp Weber (1619–1678): Der Gerechten Sichere Rühe/ vnd rühige Sicherheit […] (Augsburg, Johann Ulrich Schönig 1648, 1 Bl., 24 S., 32 Bll., 4°).178 Darin 70 Trauergedichte mit zahlreichen Nürnberger Belegen, darunter – fol. K3r–v: LIII. VIndelicis surgunt Augustæ mænia portis, … Ita Beatissimos Manes prosequitur Johannes Clajus P.L.C. – fol. K3v–K4r: LIV. Marmor beatè Defuncti. PRæfica quæ? Charites, quæ pompaque? Ternio trina. … Grabstein. WEr klagt Herr Jenischen? die Huld vnd Kunstgöttinnen/ … I. C. Rückkehr des erkrankten Betulius nach Nürnberg, wo er sich in der Folge zunächst als Hauslehrer adeliger Jünglinge ernährt.179 Mutmaßliches Erscheinen einer Titelauflage der zuvor 1620 in Frankfurt mit Stichen unterschiedlicher Künstler erschienenen emblematischen Philotheca Petrarchiana unter dem Titel Glück und Vnglück-Spiegel (Nürnberg, Paul Fürst, 128 Bll., quer–8°).180 Darin zum neuen Frontispiz von Andreas Khol (1624–1657) – fol. )(ijr–iijv: Erklärung deß Kupffertittels. Ein Schiffmann hoffet steiff wenn Mast und Ruder krachen … Joh. Klaj. gekrönt. Poet. Druck einer Einladung Dilherrs zum Vortrag einer deutschen Rezitation Klajs am folgenden Tag. (1 Bl., 2°).181 Besonderes Lob des Vortragenden KLAJ/ den die Teutsche Clio vor den Teutschen Prudentz schätzt. Dieses Dichters schöne Wort wie die Himmelstropffen fliessen/ Vnd wie süsser Honigseim von dem Munde sich ergiessen.
1648 Nov 20
1648
1649 Jan 02
177 Jöns, Literaten, S. 90–92; Paas, Poeta incarceratus. 178 VD17: 1:037968W mit Link auf Volldigitalisat. Zum zweifachen Druck vgl. Stauffer, Birken I, S. 47–49. 179 Datierung nach Birken, WuK 11, S. XXIII; auf den 20. Oktober datiert Betrübte Pegnesis, S. 201 f., 205; NDB 2, 1955, S. 256 (Hellmut Rosenfeld). 180 Nicht im VD17. Vgl. Martin, Petrarcas Glück und Unglück-Spiegel. 181 VD17: 75:691522K mit Link auf Volldigitalisat.
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Werner Wilhelm Schnabel
1649 Jan 03 1649 Jan 06 1649 Feb 02
Rede Klajs vor dem Auditorium publicum über die Geburt Christi.182 Deutsche Rede Sigismund Betulius’ vor dem Auditorium über den Frieden.183 Tod der Anna Sabina Doppelmayr (1611–1649), geb. Schyrer, Ehefrau des Genannten Johann Doppelmayr (1603–1661). Leichenpredigtdruck von Johann Jacob Rüd (1589–1654): Christliche Predigt Von der Gottseligen Geberenden Sterbenden Rahel. Bey Höchstbetrübter vnd Volckreicher Begräbniß der Erbarn/ Ehrn- vnd viel Tugendreichen Frawen ANNÆ SABINÆ, Deß Erbarn vnd Fürnemen Herrn Johann Doppelmayrs/ Genanten deß grössern Rahts/ gewesenen Hertzlieben Ehelichen Haußfrawen/ Welche Anno 1649. den 2. Februarii Nachts zwischen 9. vnd 10. der kleinern Vhr in Kindsnöhten sanfft vnd selig eingeschlaffen/ vnd den 8. darauff auff dem Kirchhof zu S. Johannis Christlich vnd Ehrlich zur Erden bestattet worden. Gehalten in der Kirchen daselbsten Von M. Johanne Jacobo Rüden/ der Kirchen zu St. Lorentzen Diacono (Nürnberg, Wolfgang Endter 1649, 120 S., 3 Bll., 4°).184 2 Trauerreden von Sebastian Jacob Krauß, Benedict Bock und 24 Beiträge (plus ein Notendruck) von Georg Richter, Johann Georg Richter, Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Peter Weller von Molsdorf, Johann Georg Fabricius, Johann Röder, Rudolf Weller von Molsdorf, Johannes Gundermann, Hieronymus Schultheiß, Justus Daniel Heering, Sebastian Riegel, Georg Schröder, Bernhard Westcken, Salomon Burger, Adam Staden, Albrecht Richter, Johann Lang, Tobias Christoph Schmidt, Johann Christoph Volland, J. G. S., J. H. D., M. B. N. J. D., Trostlied von J. V. (= Johann Vogel) mit Noten von Sigmund Theophil Staden sowie – S. 111–113: XVIII. Johann Klaj gekrönten Poetens Trostschrifft (Prosarede) (Aschermittwoch) Friedensdankfest in der Stadt Nürnberg und ihrem Landgebiet.185 Hochzeit des aus Willstätt stammenden Theologiestudenten Quirin Moscherosch (1623–1675), eines Bruders des Dichters
1649 Feb 08 1649 Feb 27
182 183 184 185
Paul, Reichsstadt, S. 267 f. Einladung Dilherrs vom Vortag: VD17: 75:691525G mit Link auf Volldigitalisat. VD17: 125:019377Q. Ernstberger, Ausklang, S. 260.
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Kleine Klaj-Chronik
Johann Michael Moscherosch (1601–1669), mit der Nürnberger Schneiders- und Turmwächterstochter Susanna Hübner (1625–1675). Gratulationsdruck: Glükk. zu. dem. Herren. Bräutigam. Quirin Moscherosch etc. und. seiner. Jungfern. Braut. Susannen Hübnerin. gesungen in dem Pegnesischen Lust- und Kunst-Gefilde. den xxvii tag Hornung im Jahr unsers Heyls m. dc. xlix. (Nürnberg, Lochner 1649, 8 Bll., 4°).186 12 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Georg Philipp Harsdörffer, Quirin Moscherosch, Johann Georg Kremel, Wolf Murrer, J. G., Johann Hübner sowie – fol. Aijr–Aiijr: III. SO stets alleine bleiben/ … [dazu Nachtrag fol. Bivv:] Truck-Fehler. Jn allzugschwinder Eilung/ ist bey dem ersten Teutschen Lied/ die unterschrift vergessen worden/ welche also lauten sollte/ Hertz-wolmeynende setzete dieses auf. Johan Klai. welches dem günstigen Leser nicht verhalten sollen. (Datierung der Zueignung) Druck des mit Betulius bekannten, als braunschweigischer Generalsuperintendent in Celle wirkenden Michael Walther (1593–1662): HARMONIA BIBLICA, Sive BREVIS ET PLANA CONCILIATIO LOCORUM VETERIS ET NOVI TESTAMENTI apparenter sibi contradicentium, per aliquot REGVLARVM præscriptionem, & bis mille propè EXEMPLORUM decisionem, illustrata ac iusto debitoque ordine concinnata […] (6. Aufl. Nürnberg, Wolfgang Endter 1649, 24 Bll., 1264 S., 38 Bll.; erweiterte Neuauflagen 1654 und 1665).187 Begleitgedichte von Salomon Glaß, Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Georg Philipp Harsdörffer, Jacob Honold, Dominicus Beer, Johannes Maier, Justus Daniel Heering, Martin Beer, Georg Widmann, Christian Betulius, Sigismund Betulius sowie – fol. f3v–f4r: Cœli & Concordia Terræ! COelico micat theatro Cœlicûm Symphonia … Magni Nominis Theologi submississimus cultor Johan. Clajus, SS. Theol. addict. & P.L.C. [neu gedruckt auch in der Auflage 1654, fol. fv–f2r mit der gleichen Zueignungsformel und der Unterschrift Johan. Clajus, Pastor Evangelicus Kizingensis & P.L.C.]
1649 Mär 01
186 VD17: 125:026711S; dazu Schäfer, Dilherr. 187 VD17: 1:050605U; vgl. Stauffer, Birken I, S. 80 f.
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Werner Wilhelm Schnabel
1649 Mär 08
Joachim Pipenburg (1596–1661), ein norddeutscher Gönner Betulius’, erhält in Lüneburg eine Ratsstelle. Von Betulius initiierter Glückwunschdruck: Ehrenzuruf/ auf H. Joachim Pipenburgs in Lüneburg betrettene Rahtstelle/ Jn welche Er/ nächstverwichenen Jahrs am 8. Tag des Lenzen-Monds durch einhällige Wahl erhoben worden; Jn einer Geistlichen Schäferey zugesrieben von Sigismund Betulien. aus Nürnberg (Nürnberg, Pillenhofer 1650, 106 S., 12°).188 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Rist, Peter Basse, Caspar Sagittarius, Christian Betulius, Bartholomäus Bothe, Albert Schultetus und Arnold Möller d.Ä. sowie – S. 50–52: IIX. Jch halte jenen Kopf vor trefflich seicht gelehret/ … Johann Klaj/ der Hh. Gotteslehr Beflissener und K. G. Poët. Neudruck ohne das Klaj-Gedicht 1679 unter dem Titel Pipenburgische RahtStelle: beglückwünschet von Floridan. A. C. M D C L. im 2. Band der ‚Pegnesis‘ (siehe 1679 Sep 25). Gedruckte Einladung Dilherrs zu einem Redeactus am folgenden Tag, den der wohlbenamete Hr. Johann Klaj/ gekrönter Kais. Poet in ungebundener und gebundener Rede halten wird (1 Bl., 2°).189 (Sonntag vor Ostern) Redeactus Klajs nach dem Frühgottesdienst vor dem Auditorium publicum über das Leiden Christi. Druck: siehe 1650 Mär 25.190 Heirat zwischen dem aus Steyr stammenden Exulanten und Handelsmann Wolf Achaz Gutbrod († 1677) und Helena Koch (* 1623), Tochter eines Nürnberger Kaufmanns. Sammelgratulatorium: Poetische Aufzüge zu Hochzeitlichen Ehren Des Erbarn vnd Wolvornemen Herrn Wolfgang Achatius Gutbrods/ als Hochzeiters/ und dann Der Ehrentugendreichen Jungfrauen Helena Köchin/ als Hochzeiterin/ am 2. Tag Aprilis von etlichen Pegnitzschäfern vorgestellet (o.O. 1649, 10 Bll., 4°).191 7 namentlich verschlüsselte Beiträge u. a. von Philo-Boccatius,
1649 Mär 17
1649 Mär 18
1649 Apr 02
188 LAELKB: Fen. II. 87. 12° (2); nicht im VD17; vgl. Jürgensen, Melos, S. 17; Stauffer, Birken I, S. 91–93 (mit irrtümlicher Datierung). 189 VD17: 75:691519F mit Link auf Volldigitalisat. 190 Paul, Reichsstadt, S. 267 f. 191 VD17: 125:018401Z; vgl. Jürgensen, Melos, S. 13 sowie Stauffer, Birken I, S. 58 f.
Kleine Klaj-Chronik
1649 Apr 04
1649 Apr Anf.
1649 Apr 22
192 193 194 195
97
Emilius Bustisgundus (Sigismund Betulius), C. Orland (Christoph Arnold), Heinrich Clerford (Friedrich Lochner) sowie – fol. Av–Aijv: [I.] Die tröstliche Zigeinerin. JCh wuste warlich nicht/ ob traumend ich gewesen/ … Wolmeinend angebracht von J. Clairpensier (= Johann Klaj?). – fol. Aiijr: II. Die gute Brodköchin. Zuletzt gibt man das Best/ zuletzt gibt man den Braten … Inter pecora Bœotica sedens super saxa per alta decantabat Gratulabundus Pastor Philo-Boccatius.192 Heirat zwischen dem Altdorfer Juraprofessor Nicolaus Rittershausen (1597–1670) und Regina Catharina Mülegk, geb. Meder, Witwe eines Nürnberger Bürgercapitains, später verh. Otto. Sammelgratulatorium: SECUNDI AMORES NICOLAI RITTERSHUSII IC. Professoris Academici, Inclytæ Reip. Noribergensis Consiliarii ET REGINÆ CATHARINÆ, Iohannis Henrici Mülleggii, &c. p.m. viduæ, DECANTATI ab amicis IV. Aprilis Anno Christi M.DC.XLIX (Nürnberg, Heinrich Pillenhofer 1649, 14 Bll., 4°).193 15 Beiträge von G. N. D. [viell. Georg Noessler, D., Prof. med. in Altdorf], Johann Conrad Rhumelius, Moritz Hoffmann, Jacob Tyde, Jacob Lagus, M. C. A., M. C. E., Sigismund Betulius, R. R. R., Ludwig Rösel, Adam Staden, I. H. Pfeiffer [Johann Heinrich Pfeiffer?], Johann Jacob Sambstag, Johann Sigmund Hager sowie – fol. A4v–Bv: VI. SOnne du güldene Fackel der Erden/ … Pflichtschuldigs vnd wolmeynend auffgesetzt/ von J. Klai. Eintreffen der ersten Gesandten zum Friedensexekutionskongress in Nürnberg, den der Rat aus Angst vor Unruhen gerne an einen anderen Ort verlegt hätte. Hierbei sollen noch strittige Detailfragen der Westfälischen Friedensschlüsse geregelt werden. Eintreffen des kaiserlichen Plenipotentiarius Ottavio Piccolomini (1599–1656) mit großem Gefolge in Nürnberg.194 Kaiserliche und Bayern werden in der Sebalder Stadthälfte einquartiert.195
Zuschreibung an Klaj bei Stauffer I, S. 59 in Anschluss an Curt von Faber du Faur. VD17: 75:672031D. Meiern, Acta pacis executionis I, S. 31. Ernstberger, Ausklang, S. 261.
98
Werner Wilhelm Schnabel
1649 Apr 24
Eintreffen des schwedischen Generalissimus Pfgf. Carl Gustav (1622–1660) und seines großen Gefolges in Nürnberg. Schweden und Franzosen werden in der Lorenzer Stadthälfte untergebracht. Tod des Sebalder Diakons Justus Daniel Heering (1609–1649), der im Vorjahr einen Beitrag zu Klajs Hochzeitsdruck beigesteuert hatte. Leichenpredigtdruck von Michael Weber (1593–1668): Kurtze und einfältige Leich-Sermon gehalten Auß den Worten Christi/ Johan. 14. v. 19. Jch lebe/ vnd jhr solt auch leben: Bey der trawrigen/ doch Christlichen Leichbegängniß deß Weiland Ehrwürdigen vnd Wolgelehrten Herrn M. JUSTIDANIEL Herings/ wolverdienten Diaconi bey der Kirchen zu S. Sebaldi in Nürnberg/ Welcher allda Anno 1649. den 1. Maii in Christo seinem Erlöser glaubig vnd seelig verschieden/ vnd nachmaln den 4. dieses ehrlich vnd Christlich bey S. Johannis zur Erden bestattet worden/ von M. MICHAEL Weber/ Diacono daselbsten (Nürnberg, Endter 1649, 16 S., 12 Bll., 4°).196 24 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Johann Hellwig, Johann Georg Volkamer, Sigmund Faber, Johannes Gundermann, Albert Volckart, Johann Heinrich Omeis, Johann Sauer, Benedict Mauritius, Johann Gackstadt, Johann Vogel, Johann Riedner, Christian Betulius, Hieronymus Ammon, Friedrich Lochner, Friedrich Ferber, Paul Weber, Christoph Arnold, Sigismund Betulius, Paul Wilhelm Bert und Johann Höfer sowie – fol. Diijv–Divv: XVI. Trostgedicht. 1. WEr wolte doch nicht trawren … Seinem vngern vermisseten nachtbarlich hertzfrommen Freund setzet es wehmütig auff Joh. Klaj/ gekr. Poet. (Pfingstmontag) Predigt des schwedischen Hofpredigers Daniel Lüdemann (siehe 1649 Okt 10) in der Sebalduskirche.197 Gedruckte Einladung Dilherrs zu einem am Folgetag stattfindenden deutschen Redeactus Klajs (1 Bl., 2°).198 Rede Klajs über das typologische Verhältnis des alttestamentarischen Josef und Jesu vor dem Auditorium publicum.199
1649 Mai 01
1649 Mai 14 1649 Mai 22 1649 Mai 23
196 197 198 199
VD17: 75:695453Y. StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschrift 475, fol. 197v. VD17: 75:691547L mit Link auf Volldigitalisat (im Katalogisat falsche Datierung). Paul, Reichsstadt, S. 267.
Kleine Klaj-Chronik
1649 Jun 06
99
Tod des Frankfurter Ratsherrn, Diplomaten und Gelehrten Johann Maximilian zum Jungen (1596–1649). Leichenpredigtdruck von Johann Conrad Mohr (1606–1671): ÆTERNITATIS COGITATIO. Christ-Nutzliche Betrachtung vnnd Nachsinnung der Seeligen Ewigkeit: Bey Hoch- vnd Wolansehnlicher sehr Volckreicher Leichbestattung Deß Weyland Wol-Edel/ Gestreng/ Vest vnd Hochweisen/ Herrn Johann Maximilians zum Jungen/ Gewesenen Schöpfen vnd deß Raths/ auch ältern Scholarchen allhier/ Seeligen Andenckens/ Welcher in diesem 1649. Jahr Mitwochs den 6. Junii A.C. ein wenig vor 12. Vhrn vmb Mittag/ im HErrn seeliglich entschlaffen/ vnd darauff Sambstags den 9. desselben Monats Christlöblichem Gebrauch nach/ mit grossem Trauren bey S. Catharinen zur Erden bestattet vnd in sein Ruhkämmerlein ist geleget worden. Abgehandlet vnd auff Begehren zum Truck verfertiget Durch Johann Conrad Mohrn/ der Teutschen und Frantzösischen Kirchen Evangelischen Predigern in Franckfurt […] (Frankfurt/M., Wolfgang Hoffmann 1649, 95 S., 2 Bll., 4°).200 39 Beiträger: Georg Calixt, Conrad Horneius, Justus Feuerborn, Johann Michael Dilherr, Gregor Tülsner, Johannes Reutz, Hermann Conring, E. S. D., Christian Gerlach, Johann Hellwig, Georg Philipp Harsdörffer, Heinrich Julius Scheurl, Johann Brennecke, Gerhard Titius, Jacob Caspari, Georg Philipp Liechtstein, Gerhard Münch, A. Uffenbach, Bernhard Waldschmidt, Joseph Balthasar Finck, Johann Balthasar Ritter, Johann Claudius, Johann Georg Bütner, Johann Matthiae, T. A. F., Johann Vogel, Anton Itter, Heinrich Kleinschmidt, Samuel Hund, Wilhelm Olphenius, Michael Caspari, Daniel Lommer, Matthäus Volland, Johann Grambs, Johann Harpff, Conrad Schudt, Johannes Reck, Naaman Benßen, sowie – S. 88 f.: XXXV. DJß ist der Zeiten-Lauff/ von Anbegin der Zeiten/ … Sein Beyleid zu bezeugen schrieb es Johann Klaj/ der H. Schrifft Befl. vnd gekrönt. Poet. Heirat zwischen dem braunschweig-wolfenbüttelschen Konsistorialrat, Dichter und Sprachgelehrten Justus Georg Schottel (1612–1676) und Anna Maria Sobbe (1626–1679), Tochter eines Wolfenbütteler Juristen. Auf Bitten Schottels vom
1649 Jun 12
200 VD17: 1:033116N mit Link auf Volldigitalisat.
100
Werner Wilhelm Schnabel
24.4.1640 offenbar von Betulius zusammengestellte Hochzeitsschrift:201 CARMINA VOTIVA In nuptialem Festivitatem, VIRI Amplissimi, & Consultissimi, DN. IUSTI GEORGII SCHOTTELII, J. U. D. Consiliarii Gvelphici. Domum ducentis, Lectissimam & pulcro virtutis & Pietatis decore eminentissimam Virginem, ANNAM MARIAM, Viri qvondam Amplissimi & Consultissimi, Dn. THOMAE Sobbens/ J. U. D. unicam relictam Filiam. In urbe Einbecâ duodecimo die Junii Anno 1649. celebrandam. transmissa à PRINCIPIBUS, Fautoribus & Amicis (Wolfenbüttel, Stern 1649, 8 Bll., 4°).202 Beiträger: Anton Ulrich Hzg. von Braunschweig und Lüneburg, Ferdinand Albrecht Hzg. von Braunschweig und Lüneburg, Joachim von Glasenapp auf Gramenz, Joachim Goetz, H. i. H., Enoch Gläser, Plat de Ver, Johann Michael Dilherr, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Hellwig, Sigismund Betulius sowie – fol. B4v: Sideribus rutilat dum tellus fœta coruscis, … Hoc qvalecunque irato Apolline expressit officiosiss. congratul. e. Joh. Clajus, SS. Theol. cultor, & P. L. C. (Figurengedicht in Form eines Kelches) Erstes schwedisches Friedensbankett.203 Heirat zwischen dem Weißbierbrauer Johann Golling (1611– 1688) und der Wirtstochter Anna Maria Trummer (* 1631). Sammelgratulatorium: Fröliche Ehrengedancken Auff die Hochzeitlichen Frewden deß Erbarn Johann Gollings/ Bräutigams/ Vnd Der Tugendreichen Junfrawen Anna Maria/ Deß auch Erbarn Balthasar Trummers Ehelicher Tochter/ Braut/ Welche den 9. Julii des 1649. Jahrs Christlicher Ordnung nach angestellet worden/ verfasset vnd fürgetragen Von günstigen Herrn vnd guten Freunden (Nürnberg, Wolfgang Endter 1649, 8 Bll., 4°).204 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Johannes Gundermann, Jacob Peter Schechs, Johann Lobherr, Johann Vogel, Ein dieser Wanderschaft Mitgenosse, Johann Hoefer und C. W., Willibald am Ende sowie
1649 Jun Ende 1649 Jul 09
201 202 203 204
Stauffer, Birken I, S. 63 f. VD17: 3:627770R mit Link auf Volldigitalisat. Ernstberger, Ausklang, S. 267 f. VD17: 125:018680E. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
Kleine Klaj-Chronik
–
1649 Jul 15
1649 Jul/Aug
1649 Aug 11
1649 Aug 12 1649 Aug 24
fol. A4v–Br: VIII. Klio/ jo Klio/ jo lasse dich hören … Seinem wolgewolten Gutthäter dichtete dieses zu allem ersinnlichen Wolergehen J. Klaj/ gekr. Poet. (mit Noten) Eintrag Klajs ins Stammbuch des aus Kamenz stammenden Theologiestudenten Theodor Schäffer, der sich auf der Durchreise in Nürnberg aufhält:205 – fol 7r: Jntegram nobis sine labe vitam, prosperam nobis sine clade mortem, Christe, stellatasque JEHOVAH, tandem annue sedes, Norimb. 15 Julij A. M D C IL. Hisce Prosperos apprec. VIALES et omnigenam felicitatem Præstantiss.mo Dno. Posess. Joh. Clajus. SS. Theol. addict. & P.L. Cæsar. Stocken der Nürnberger Exekutionsverhandlungen aufgrund schwedischer Maximalforderungen und kaiserlicher Unnachgiebigkeit.206 Gedruckte Einladung Dilherrs zu einem Actus Klajs in deutscher gebundener Rede am folgenden Tag (1 Bl., 2°).207 Der Vortragende wird darin als der werthe Teutsche Schwan gerühmt. (Tag St. Laurenzi) Rede Klajs über das Martyrium des Hl. Lorenz vor dem Auditorium publicum. Johann Georg Styrzel hat eine kleine Elegie zu Ehren des gemeinsamen Freundes Klaj geschrieben, die er seinen Briefpartner Sigismund Betulius bittet, dem Empfänger zu übergeben.208 Beim darin erwähnten Arbeitsvorhaben Klajs handelt es sich wohl um den Engel- und Drachen-Streit (siehe 1649 Sep 29). Heirat zwischen dem Registrator und späteren Gerichtsschreiber Johann Jacob Krüger (* 1617) und der Handelsmannstochter Regina Meichsner (* 1625). Sammelgratulatorium: SERTVM MYRTEVM, JOHANNI-JACOBO CRÜGERO, REIPUBL. PATRIÆ Registratori, Sponso, Viri Honestissimi & Eruditi Dn. NICOLAI CRÜGERI itidem Registratoris Filio, & Sponsæ Virgini lectißimæ nec non pudicißimæ REGINÆ, Viri Spectati & Integerrimi PAULI MEICHSNERI Mercatoris, p. m. relictæ Filiæ, ipsa festivitate Nuptiarum, 3. Septemb. 1649 è flosculis Poëticis/ à Fautoribus &
1649 Sep 03
205 206 207 208
101
NsStaatsAO: Slg 10, Best. 297 J, Nr. 106, fol. 7r; vgl. Schieckel, Findbuch, Nr. 1667. Oschmann, Exekutionstag, S. 243–275. VD17: 75:691540G mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Paul, Reichsstadt, S. 267. GNM: PBlO.C.352.4. – Siehe den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band.
102
Werner Wilhelm Schnabel
Amicis nexum & plexum (Nürnberg, Jeremias Dümler 1649, 8 Bll., 4°).209 14 Beiträge von Johann Leonhard Frisch, Tobias Ruprecht, Johann Vogel, Christian Betulius, Hieronymus Ammon, Thomas Cleusl, A. G. A., Hieronymus Agricola, S. B. K. G. P. (Sigismund Betulius, kaiserlich gekrönter Poet), Rudolf Carl Geller, Johann Höfer, Johann Leonhard Lindstatt, Adam Staden sowie – fol. A2v–A3v: [V.] Krieg. DAß keine Lieder klingen … Fried. DAß feine Lieder klingen … So beschencket seine werthe und liebte Hochzeitere Joh. Klai gekr. Poet. Unterzeichnung des lange strittigen Interimsexekutionsrezesses. Heirat zwischen dem Schweinfurter Pfarrer Johann Andreas Piccart (1620–1666) und der Nürnberger Kaufmannstochter Maria Magdalena Schwarz (1628–1661). Sammelgratulatorium: FACES NUPTIALES PRÆLATÆ VIRO Perquam Reverendo & Clarissimo, Domino M. JOHANNI ANDREÆ PICCARTO, ECCLESIASTÆ ET PROFESSORI SWINFURTENSI SPONSO. Ejusque Lectissimæ & Florentissimæ Virgini Sponsæ MARIÆ MAGDALENÆ VIRI Spectatissimi & Integerrimi Domini FRIDERICI Schwartzen Mercatoris Norimbergensis b. m. relictæ Filiæ a Fautoribus, Amicis, Consanguineis ipso Festivitatis die XI. m. Septembr. Anni M DC XLIX (o.O. 1649, 8 Bll., 4°).210 13 Beiträge von Michael Ludovici, Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Tobias Ruprecht, H. G. Renos, Jonathan, Johann Wolfgang Soner, Paul Drezel, Wolfgang Danneberg, Matthäus Liebkind, Paul Wilhelm Bert, J. M. Krebs sowie – fol. Aivv–Bv: VII. Hochzeitliches Ehrenfeyer. WJe wan sich Seewerts stillt der Wellen Wallen-wüten … Aus Schwägerlicher Pflicht/ neben wüntschung alles nur ersinnlichen Wolergehens Diechtete dieses Johann Klaj/ gekr. Poet. Heirat zwischen dem Patrizier Johann Jacob Pömer (1614–1669) und der Witwe Maria Jahn, geb. Los († 1655). Sammelgratulatorium: OMINA FELICIA NUPTIIS Nobilitatis, eruditionis & peritiæ rerum laude admodum conspicui Viri, Dn. JOHANNIS JACOBI, ex antiquissima in Repub. Noribergensi Pœmerorum familia Patri
1649 Sep 11 1649 Sep 11
1649 Sep 17
209 VD17: 75:676234E. 210 VD17: 125:030942G.
Kleine Klaj-Chronik
cii, SPONSI, cum Fœmina omni virtutum amore & decore splendidissima MARIA, quondam integerrimi & spectatissimi Viri, Dn. MARTINI JAHNII, p.m. numerosioris Senatus ibidem Adiuncti, relicta Vidua, nunc SPONSA ipso die Festivitatis, qui erat XVII. Septembris An. M.DC.IL. à Fautoribus & Amicis Dicta (Nürnberg, Wolfgang Endter 1649, 10 Bll., 4°).211 Beiträger: Michael Ludovici, Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz, Daniel Wülfer, Sebastian Hainlein, Johann Georg Fabricius, Johann Röder, Johannes Gundermann, Paul Georg, Johann Vogel, Johannes Dietlein, Christian Betulius, Johann Joachim Löffelholz, Johann Christoph Pömer, Adam Staden, Sigismund Betulius, Johann Martin Jahn, Georg Widmann, Paul Wilhelm Bert, Johann Hieronymus Löffelholz sowie – fol. Bv–Bijv: XIII. Hochzeitgedichte. DJe Sonne führt die Pferde … Eilfertig/ doch wolmeinend wünschte dieses Johann Klaj/ gekrönter Poet. Heirat zwischen Wilhelm Capella aus Osnabrück und Helena Susanna Jahn (* 1632), Tochter des Nürnberger Juweliers Martin Jahn († 1648). Sammelgratulatorium: Manipulus Votorum corculis binis, Juveni egregiâ indole, variâ peregrinationis atque mercaturæ peritiâ probatissimo, Dn. WILHELMO Capellen/ Osnabruccensi, Sponso, & Lectissimæ nec non pudicissimæ HELENÆ-SUSANNÆ, Sponsæ, Spectatissimi & integerrimi Viri Dn. MARTINI JAHNII, p. m. numerosioris Senatus Adjuncti, Filiæ. ipsâ Festivitate Nuptiarum 17. Sept. 1649. à Fautoribus & Amicis oblatus (Nürnberg, Wolfgang Endter 1649, 10 Bll., 4°).212 13 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Sebastian Hainlein, Johann Georg Volkamer, Paul Georg, Johann Vogel, Christoph Arnold, S. B. K. G. P. (Sigismund Betulius), Friedrich Lochner, Georg Andreas Reutter, J. B., Johann Martin Jahn, J. V. R., Löffelgans sowie – fol. Aivr–v: VI. Vergleichung der Kauffmannschaft mit dem heiligen Ehstande. MAn hat von Anfang her die Kauffleut hochgeachtet/ … Seinem wolgewolten Gutthäter setzte dieses/ mit Glückwünschung zur neuen Handlung/ Johann Klaj/ gekrönter Poet.
1649 Sep 17
103
211 VD17: 125:017328F. 212 VD17: 125:014370Q
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Werner Wilhelm Schnabel
1649 Sep 25
Schwedisches Friedensbankett im Großen Saal des Nürnberger Rathauses. Das emblematische Programm haben Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj und Johann Vogel entwickelt; für die musikalische Ausgestaltung zeichnet Sigmund Theophil Staden verantwortlich.213 Der aufwendigen Feier folgen in rascher Folge weitere Bankette der Verhandlungsparteien, die an verschiedenen Orten veranstaltet werden.214 Druck: Schwedisches Fried- und Freudenmahl/ zu Nürnberg den 25. des Herbstmonats/ im Heiljahr 1649. gehalten in jetzo neu-üblichen Hochteutschen Reimarten besungen VON Johann Klaj/ der H. Schrifft Ergebenen/ und gekrönten Poeten (Nürnberg, Jeremias Dümler, 20 Bll., 4°).215 Zueignung an den schwedischen Generalissimus Carl Gustav (1622–1660), Pfalzgraf bei Rhein und späteren König von Schweden, und die Gäste der Veranstaltung. Der Text geht 1650 im wesentlichen in die ‚Irene‘ ein. – Krieges-Krieg/ Friedens-Sieg. ES war ein wüster Ort/ da kein Thier nicht hinkömmet/ … Druck: Abbildung deß Schwedischen Löwens/ Welcher den 25 Sept. 1649. Jahrs bey Jhrer Hochf. Durchl. deß Herrn Generalissimi Friedenmahl/ so in deß H. Röm. Reichstatt Nürnberg hochansehlichst gehalten/ roht und weissen Wein in 6. Stunden häuffig auß seinem Rachen fliessen lassen (o.O., Einblattdruck mit Kupferstich).216 Text: – DEr Stadt und Landmann sich üm diesen Löwen dringet/ … J. K. Leicht variierter Nachdruck des Blattes unter dem Titel: Abbildung deß Schwedischen Löwens/ welcher den 25. deß Herbstmonats dieses lauffenden Jahres bey Jhrer Hochf. Durchl. deß Herrn Generalissimi Friedenmal rohten und weissen Wein in 6. Stunden häuffig auß dem Rachen fliessen lassen (Einblattdruck, 2°).217 – DEr Stadt- und Landmann sich üm diesen Löwen dringet/ … J. K.
213 214 215 216 217
Siehe den Beitrag von Mara R. Wade in diesem Band. Ernstberger, Ausklang, S. 270 f. VD17: 12:636060V mit Link auf Volldigitalisat. VD17: 14:001034M mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Harms, Illustr. Flugblätter II, Nr. 325. VD17: 23:675885Y mit Link auf Volldigitalisat.
Kleine Klaj-Chronik
105
Weitere Zuschreibung:218 Springendes Fried- und Freudenlied Denen Lobwürdigsten/ Tapffern und Weltberühmten Kriegsund Sieges-Helden Zu Vnsterblichen Ehrenruhm und Lobgedächtnuß auffgesetzet vnd Bey dem Jn Nürnberg den 24 Herbstmonat im Jahr 1649. einmüthig angestelten hochvertreulichen Fried- vnd Freudenmahl zu frölicher Auffmunterung überreichet Durch Victorinus Friedenhold […] (O.O. 1649, 4 Bll., 4°).219 Auch dieser Text wird 1650 teilweise in die „Irene“ aufgenommen: – DEr Friede mit Teutschland sich heute vermählet: … (Datum nach Dünnhaupt) Druck: JOhann Klaj gekrönten Poetens Engel- und Drachen-Streit (Nürnberg, Jeremias Dümler, o.J., 26 Bll., 4°).220 Begleitgedichte von Johann Rist (Wedel), Johann Caspar Esebeck (Creglingen), Magnus Melchior Kautz und Christoph Arnold. – fol. Av–Aijv: Zueignungs-Schrifft an Jhr HochFürstl. Durchl. Poet. DJe Sonne gieng Berg-ab mit jhrem Flammen-Wagen/ … Jhr HochFürstl. Durchl. Gehorsamster Diener Johann Klai/ gekrönter Poet. (Zueignung an den schwedischen Generalissimus Carl Gustav Pfalzgraf bei Rhein) Heirat zwischen dem Losungamtmann Johann Hieronymus Oelhafen von Schöllenbach (1608–1675) und der Patrizierin Anna Sabina Holzschuher (1611–1675). Sammelgratulatorium: TEDÆ NUPTIALES Nobilissimo & florentissimo Juveni Dn. JOHANNI HIERONYMO OELHAFIO, PATRITIO NORIMBERGENSI, Sponso, Viri Nobilißimi & Amplißimi Dn. GABRIELIS OELHAFII, SENIOris in Majoratu Schöllenbacensi, & redituum Ecclesiasticorum provincialium Cœnobii Augustiniani, Curatoris FILIO, & Nobilißimæ, nec non Lectißimæ Virgini, ANNÆ SABINÆ, Sponsæ, Viri itidem Nobilissimi & Amplissimi Dn. VITI ENGELHARDI HOLTZSCHUERI, à Neubürg, Sylvæ Noricæ, quæ Sebaldi dicitur, Pręfecti, FILIÆ, Ipsis Hilariis Junoniis Calend. Octob. Anni M DC IL. ACCENSÆ & PRÆLATÆ à Fautoribus & Consanguineis (Nürnberg, Jeremias Dümler 1649, 7 Bll., 4°).221 13 Beiträ
1649 Sep 29
1649 Okt 01
218 Jantz, Recovered Work. 219 VD17: 7:685056W mit Link auf Volldigitalisat. 220 VD17: 23:252683U mit Link auf Volldigitalisat. Reprogr. Neudruck: Klaj, Redeoratorien, S. [281]–[331]. 221 VD17: 75:671244Q.
106
1649 Okt 02
1649 Okt 10
1649 Okt 20
Werner Wilhelm Schnabel
ge von Johann Michael Dilherr, Johann Georg Fabricius, Johann Vogel, Veit Holzschuher, Georg Holzschuher, Georg Widmann, H. E. Oelhafen (= Hans Ernst Oelhafen?), G. T. O. (= Georg Tobias Oelhafen?), Carl Welser, C. W. P. N. (Carl Welser, Patricius Noricus?), Georg Christoph Holzschuher sowie – fol. A4r–v: VII. Schöne deine Tugend deine Liebligkeit … Mit Wüntschung alles ersinlichen Wolergehens/ dichtete dieses Johann Klaj gekrönter Poet. Taufe des Sohnes Paul Gottfried Klaj.222 Pate ist der Junggeselle Nicolaus Helfrich, wohl nachgelassener Sohn des gleichnamigen Handelsmanns, für dessen Schwester Klaj gut zwei Jahre zuvor ein Epithalamium verfasst hatte (1647 Mai 12). Der Kindsvater wird als poëta coronatus et collaborator Schol. Sebald. ausgewiesen. Promotion des schwedischen Hof- und Feldpredigers und späteren Generalsuperintendenten von Bremen-Verden Daniel Lüdemann (1621–1677) zum Doktor der Theologie in Jena.223 Gratulationsdruck: VIRO plurimum Reverendo, Amplissimo & Excellentissimo, Dn. DANIELI LÜDEMANNO, PaswalcaPomerano, Serenissimo & Celsissimo Principi, ac Domino, Domino CAROLO GUSTAVO, Com. Pal. ad Rhen. Duci Bavariæ, Comiti in Veldenz & Spanheim/ etc. Exercitus Suecici gloriosissimi GENERALISSIMO à Concionibus, Confessionibus & Consilijs sacris, de LICENTIA adsumendi gradus in Theologia summi gratulantur NORIMBERGÆ Amici (Nürnberg, Heinrich Pillenhofer 1649, 4 Bll., 4°).224 13 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Johann Fabricius, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Johann Georg Volkamer, Georg Philipp Harsdörffer, Johannes Maier, Martin Beer, Georg Widmann, Gustav Philipp Tetzel sowie – fol. A4v: XIII. CAndidissime lucidissimorum, … DV Daniel hast deines Printzen Gunst/ … Seinem wolgewolltem Schutzfreunde eilete dieses. Johann Klaj. Tod Pfalzgraf Johann Ludwigs von Sulzbach (1625–1649). Druck: Allzufrühes Ableben Deß Durchleuchtigen/ Hochgebor-
222 LAELKB: Pfarrarchiv Nürnberg-St. Sebald, Kirchenbuch S 8, S. 800. 223 Datierung nach: Altes und Neues aus den Herzogthümern Bremen und Verden 3 (1771), S. 295. 224 VD17: 125:030891B mit Link auf Volldigitalisat.
Kleine Klaj-Chronik
nen Fürsten und Herrns/ Herrns Johann Ludwigs/ Pfaltzgravens bey Rhein/ Hertzogs in Bäiern/ Jülich/ Cleve vnd Berg/ Gravens zu Veldentz/ Sponheim/ der Marck/ Ravensburg und Mörse/ Herrn zu Ravenstein/ etc. Zu Friedstellung der Hochfürstlichen hinterbliebenen Betrübten/ In einem Pindarischen Leich-Liede besungen Von Johann Klaj/ der H. Schrifft Ergebenen und gekr. Poeten (Nürnberg, Wolfgang Endter, 4 Bll., 8°).225 – Pindarischer Leich-Gesang. … WJe wann es jetzt eist … Weitere Zuschreibung eines pseudonymen Einblattdrucks zu diesem Anlass:226 Klage vnd Trost Vber den leider! gar zu frühzeitigen/ aber allerseligsten Abschied Deß Durchleuchtigen vnd Hochgebornen Fürsten Herrn Joh. Ludowigs/ Pfaltzgrafen bey Rhein/ Hertzogen in Bäiern/ zu Gülich, Cleve vnd Berg/ etc. Grafens zu Veldentz/ Spanheimb/ Marck/ Ravenspurg vnd Mörs/ Herrn zu Ravenstein. Auß vnterthäniger Schuldigkeit zu Bezeugung hertzliches Mitleidens auffgesetzet vnd zu Erweckung Christlicher Gedult der Leidtragenden Fraw Mutter und Herren Brüdern Vnterthänigst übergeben Von Johanne Ceropœo (Nürnberg, Wolfgang Endter 1649, 8 S., 4°):227 – Jm Buch der Weißheit am 4. Capit. Der Gerechte/ ob er gleich zu zeitlich stirbt/ … WEr wird mehr vmb Tugend ringen … Heirat zwischen dem mit Betulius bekannten Lüneburger Syndikus Heinrich Krolow († 1666) und Magdalene Wulkow, Tochter eines Lüneburger Juristen und Bürgermeisters. Hochzeitsdruck der Pegnitzschäfer: Glükwünschende Gedichte Auf den Hochzeitlichen Ehren-Tag Deß Ehrenvesten und Hochgelarten Herren Heinrich Krolowen/ Beyder Rechten Candid. & Consiliarii, der Stadt Lüneburg. und Der WolEhren- und Tugendreichen Junfern Magdalenen Wulkowen/ Des Edlen/ Vesten/ Hochgelarten vnd Hochweisen Herren Wilhelm Wulkowen/ beyder Rechten Doctorn vnd wolverdienten Burgermeisters daselbsten/ Eheleiblichen Tochter. Welcher gehalten den 29. Tag deß WeinMonats Jm Heil-Jahre MDCXLIX. vbersendet von Vornehmen Freunden vnd Pegnitzschäferen aus Nürnberg
1649 Okt 29
107
225 VD17: 23:232307Z; Digitalisat: http://www.gbv.de/vd/vd17/23:232307Z. 226 Vgl. Jantz, Recovered Work, S. 109. 227 VD17: 12:125250F.
108
Werner Wilhelm Schnabel
1649 Nov 08
(Hamburg, Michael Pfeiffer 1649, 12 Bll., 4°).228 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Georg Philipp Harsdörffer, Sigismund Betulius (Sommer 1649)229 und Christoph Arnold sowie – fol. A3v-A4r: DAß keine Lieder klingen … Daß feine Lieder klingen … Zu allem unversinlichen Wolergehen eilete dieses Joh. Klaj. gekrönt. Poet. – fol. Bivv (in: Hochzeitliches Schäfer-Gedicht in Besprechung der Pegnitzhirten übersendet von Floridan): Die Jun[g]fräuliche Jugend Zier … So viel Blumen in den Matten … (Wechselgesang Strefon – Klajus). – fol. Cv (ebd.): Nunmehr sollen hell im Schiessen und von Leichen unverfärbt … – fol. Cijr (ebd.): Was sollen aber wir/ du Friedensgeber du/ … – fol. Cijv (ebd.): Jn den bekrönt-begrünten Wiesen … Tod der Anna Kob, Witwe des Ratsherrn Stephan Kob in Hildburghausen; sie war offenbar die Stiefmutter des Altdorfer Juraprofessors und Nürnberger Konsulenten Johann Kob (1590– 1661), des Doktorvaters von Johann Vogel, Klajs direktem Vorgesetzten.230 Funeraldruck: PARENTALIA Beato funeri Viduæ pietate, fide in Deum, virtutibusque ornatissimæ, ANNÆ &c. Viri Prudentißimi, DN. STEPHANI KOBII, Senatus Hilberthusani Senioris optimè meriti, τοῦ νῦν ἐν ἁγίοις, Conjugis quondam fidelissimæ, dilectissimæ, FACTA: Quæ, postquam à Filio, DN. M. SEBASTIANO KOBIO, Rectore Sch. Aræflavianæ dexterrimo &c. τὰ θρεπτήρια octo annis & sex mensibus ἐκ τοῦ νόμου ἀντιπελαργικοῦ acceperat, A. M D CXLIX. d. IIX. Novemb. horâ post primam antelucanâ, In ædibus ejusd. anno ætatis octogesimo, sanâ & integrâ mente inter preces & suspiria animam Deo datori: Corpus terræ mandandum transscripsit […] (Nördlingen, Friedrich Schultes/Praetorius 1649, 8 Bll., 4°).231 Beiträge von Johann Kob, Johann Michael Dilherr, Johann Marcellus Westerfeld, Tobias Staude, Johann Bruninck, Justus Jacob
228 VD17: 7:685108K; Digitalisat: http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=PPN59 1434075; vgl. Jürgensen, Melos, S. 14; Stauffer, Birken I, S. 75–78. 229 Stauffer, Birken I, S. 77. 230 Vgl. Will, Gelehrtenlexicon II, S. 301. 231 VD17: 125:029299R; vgl. Stauffer, Birken I, S. 78 f. – Für Hilfe bei der Transkription wird Werner Taegert herzlich gedankt.
Kleine Klaj-Chronik
1649 Nov 05
1649 Nov 14
1649
1650 Jan 01
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Leibnitz, Georg Hauff, Johannes Gundermann, Christoph Siegfried, Marcus Kraer, Christian Ernst, Johann Vogel, Philipp Holl, Johann Georg Sauer, Daniel Haakius, Georg Widmann, Christian Betulius, Sigismund Betulius, Sigismund Ernst, Leonhard Hirschbach, Leonhard Sturm, Johann Herrnschmid, Caspar Deutter, Johann Adam Seefried, I. I. L., Johann Sechst, Paul Wilhelm Bert, Georg Andreas Reutter, M. S. K., Albert Casimir Kob, Johann Friedrich Kob sowie – fol. Bv: ES sieht der Sternen-Gott von seinem SternenSchlosse/ … Zu bezeugung Christliches mitleidens fertigte dieses Johann Klai/ gekrönt. Poet. Tod der Patrizierin Maria Pömer, geb. Fürer (1611–1649). Funeralschrift: Christliches Leben und seliges Sterben der Edlen/ Viel-Ehrn- und Tugendreichen Frauen Maria/ Deß Edlen und Ehrnvesten Herrn Wolff Jacob Pömers deß Jüngern/ und deß Ehrlöblichen Stadtgerichts Beysitzers allhier Ehlichen Hausfrauen/ einer gebornen Fürerin von Haymendorff (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 12 Bll., 4°).232 Beiträge von Georg Philipp Harsdörffer, Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Tobias Ruprecht, Christian Betulius, Sigismund Betulius, Johann Christoph Pömer sowie – fol. Cijv–Ciijv: IV. Trostlied. VAter/ Witwer/ Freunde kräncken/ … Denen höchstbetrübten Hochadelichen Leidtragenden schrieb es pflichtschuldigst Johann Klaj. Der Verleger Jeremias Dümler liefert fünf Exemplare von Klai Freudenmahl bei der Stadt ab und berechnet dafür 50 kr., die im Rahmen einer Sammelzahlung erst am 9.3.1650 beglichen werden.233 Der Gymnasiallehrer Christian Betulius verlässt Nürnberg, um eine Pfarrstelle in Balgheim (Territorium der Reichsstadt Rottweil) anzutreten.234 (Datierung der Zueignung) Druck einer Predigtsammlung von Daniel Lüdemann (1621–1677): Jüngstes Gericht in etlichen Sontags- vnd Wochen-Predigten Durch DANIELEM Ludemann/ der H. Schrifft Licentiatum, auch Fürstlich-Pfaltzgrävischen
232 LAELKB: We 334. 4° (37); nicht im VD17. 233 StaatsAN: Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866. 234 Burger/Erhard/Wiedemann, Pfarrerbuch Bayerisch-Schwaben, Nr. 100.
110
Werner Wilhelm Schnabel
Hofpredigern (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 23 Bll., 525 S., 43 Bll., 12°).235 Zueignung an Carl Gustav Pfalzgraf bei Rhein. Begleitgedichte von Michael Ludovici, Johann Michael Dilherr, Justus Jacob Leibnitz sowie – fol. )()(ixv: IN cunctas vigilant crepericrepa fulmina pœnas … devotæ gratulat. e. fud. Johannes Clajus, SS. Theol. add. & P.L.C. – fol. )()(xr–)()(xijr: Lied vom Jüngsten Tag/ Zu singen auff die Stimme: Es ist gewißlich an der Zeit/ etc. JCh ruh vnd habe keine Ruh … Zu Erweckung eiverheisser Andacht vnd Dienstbezeugung gegen dem Herrn Vrhebern dieser Jüngst-Gerichts-Andachten fügete dieses bey Johann Klaj/ der hochheil. GOttes Lehre Ergebener vnd gekrönter Poet. Tod der Patrizierin Ursula Rieter von Kornburg (1584–1650), geb. Dietherr von Anwanden, Witwe des Älteren Geheimen Rats und Vordersten Landpflegers Nicolaus Albrecht Rieter (1574–1646). Sammeldruck mit Epicedien: Rieterische lobwirdige Sterbkunst/ vnd Ehren-Seulen/ Zu vnsterblichem Nachruhm/ Der Edlen/ viel Ehr- vnd Tugendreichen Frawen Vrsulæ/ deß Edlen/ Ehrnvesten/ Fürsichtig vnd Hochweisen Herrn Niclaus Albrecht Rieters/ zu vnd von Kornburg vnd Kalbensteinberg/ deß ältern geheimen Rahts vnd vordersten Landpflegers/ Sel. hinterlassnen Witib/ einer gebornen Dietherrin/ Welche in Christo jhrem Erlöser An. 1650. Dienstag den 5. Februarii vernünfftig vnd selig eingeschlaffen/ vnd Freytags hernach den 8. Febr. in jhr Ruhbettlein bey St. Johannis versetzt worden/ Auffgerichtet Von Bekandten vnd Verwandten (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 12 Bll., 4°).236 16 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Christoph Ludwig Dietherr, Johannes Gundermann, Oswald Wandersleben, Johann Georg Imhoff, Johann Georg Dietherr, Sigmund Benedict Moser, Georg Christoph Holzschuher, Johann Vogel, Johann Christoph Arnschwanger, Paul Wilhelm Bert, Leonhard Haß, Sigismund Betulius, Johann Christoph Seeling sowie – fol. Cr–v: XI. Das menschliche Leben ist eine arbeitsame Schiffart. 1. LEben ist kein Kinder-Spiel/ … Der Gott- und
1650 Feb 05
235 VD17: 75:651239Q. 236 VD17: 125:033060U; vgl. Stauffer, Birken I, S. 88 f.
111
Kleine Klaj-Chronik
1650 Feb 11
1650 Feb 18
Menschbeliebten Matronen zu Ehren schrieb es Johann Klaj/ gekr. Poet. Heirat zwischen dem Druckersohn Wolfgang Endter d. J. (1622– 1655) und der Handelsmannstochter Helena Clara Schacher (1631–1670). Sammelgratulatorium: ACCLAMATIONES GRATULATORIÆ, Festivitati Nuptiarum Ornatissimi atque Politissimi Viri-Juvenis WOLFGANGI ENDTERI, Præstantissimi ac multùm Conspicui Viri, Dn. WOLFGANGI ENDTERI, Ordini numerosioris Senatus apud Noribergenses Adscripti & Bibliopolæ celebratissimi, Filii natu maximi, SPONSI, Et Lectissimæ ac Pudicissimæ Virginis HELENÆ CLARÆ, Integerrimi & Honoratißimi Viri, Dn. MAURITII SCHACHERI, itidem majoris Senatus Adjuncti & Mercatoris spectatissimi, Filiæ unicae, SPONSÆ, NORIMBERGÆ Ad diem II. Februarii Anni 1650. celebrandarum, bonæ Scævæ ergo, consecratæ à Fautoribus & Amicis (Nürnberg 1650, 12 Bll., 4°).237 25 Beiträge von Daniel Lüdemann, Johann Michael Dilherrus, Johann Leonhard Frisch, Justus Jacobus Leibnitz, Johann Fabricius, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Johann Georg Volkamer, Christoph Gottlieb Dietherr, Georg Philipp Harsdörffer, Tobias Ruprecht, Georg Christoph Müller, Johann Vogel, Adam Zanner, Georg Widmann, Christian Betulius, Johann Sechst, Sebastian Abesser, Leonhard Mangolt, Christoph Hieronymus Knoblach, Christoph Endter, Paul Endter, E. E. Quirinus, Severus Jocosus sowie – fol. Biijv–Bivv: XVII. NVn/ GOTTLob/ die Tyranney … Mit Wünschung alles nur ersinnlichen Wolergehens/ schertzte es wolmeinend J. K. Heirat zwischen dem Handelsmann Johannes Doppelmayr (1603–1661) und Martha Winckler (* 1625). Sammelgratulatorium: VOTA SECUNDA NVPTIIS TERTIIS Dn. Johannis Doppelmaieri cum Virgine Lectissima Martha Winckleriana celebratis Norimbergæ die Concordiæ, qui erat 18. Februar. Anno M. DC. L. Dicta & transmissa à Fautoribus & Amicis (Nürnberg, Endter 1650, 16 Bll., 4°).238 31 Beiträge von Georg Richter, Johann Georg Richter, Johann Michael Dilherr, Johann Fabricius, Johann Georg Fabricius, Johann Röder, Johannes Gundermann,
237 VD17: 75:680392M. 238 VD17: 125:027711W.
112
Werner Wilhelm Schnabel
Johann Maier, Tobias Ruprecht, Sebastian Jacob Krauß, Friedrich Ferber, Johann Vogel, Johann Riedner, Georg Widmann, Sigmund Schul, Johann Lang, Tobias Christoph Schmidt, Johann Christoph Volland, Johann Christoph Molitor, Johann Georg Müller, Johann H. Dippert, Benedict Bock, Adam Zanner, S. B. (= Sigismund Betulius?), Hieronymus Ammon, Adam Staden, Albrecht Richter, Georg Andreas Reutter, Georg Fabricius sowie – fol. Cv–Cijv: XVII. Hochzeitwunsch. I. WEn deß grimmen Meeres Bäumen … Seinem wolgewolten Gutthäter wünschet hiermit alles nur-ersinnliches Wolergehen Johann Klaj/ der hochh. Gottes-Lehre Ergebener und gekrönter Poet. Heirat zwischen Joachim Christian Neu (1611–1675), Sohn eines brandenburg-ansbachischen Kammerrats, und der Steuerbeamtentochter Helena Murr (1614–1691). Sammelgratulatorium: BONA VERBA in Festivitatem nuptialem Nobilissimi, Amplissimi & Consultissimi Viri, Dn. JOACHIMI CHRISTIANI Neu/ U.I.D. & Ducatus Würtembergici Consiliarii laudatissimi, Nec non Nobilissimæ, lectissimæ, pudicissimæque Virginis HELENÆ Murrin/ Patritiæ Noricæ, NORIMBERGÆ, D. IV. Martii. Faventer & luculenter decantata Anno Messiano M. DC. L. (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 8 Bll., 4°).239 9 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Christoph Ludwig Dietherr, Hieronymus Murr, J. V. R. (= Johann Vogel, Rektor?), Sigismund Betulius, Paul Wilhelm Bert, Georg Widmann sowie – fol. Aiijr–Avjv: VI. DA die güldne Sonnen-Kertze in dem Mertze … Glückwünschend und wolmeinend fertigte diß J. Klaj/ gekr. Poet.240 Datierung des Dedikationstexts für den Druck Johann Klaj/ der hochheiligen Gotteslehre Ergebenens/ und gekrönten Poetens/ Trauerrede über das Leiden seines Erlösers. (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 4 Bll., 46 S., 1 Bl., 4°).241 Zueignung an Bartholomäus Wolfsberg († 1684), Rat des Pfalzgrafen Carl Gustav bei Rhein und auf Betreiben Harsdörffers seit dem Vor
1650 Mär 04
1650 Mär 25
239 VD17: 125:031217S. 240 Birken, Birken-Wälder II, S. 646 f. 241 VD17: 12:634594P mit Link auf Volldigitalisat. Reprogr. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [291]–[346]. Siehe auch den Beitrag von Bernhard Jahn in diesem Band.
Kleine Klaj-Chronik
1650 Mai 11
113
jahr Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft.242 Begleitgedicht von Johann Vogel. Die Ausgabe beruht wohl auf dem am 18.3.1649 gehaltenen Schulactus Klajs.243 Tod der Magdalena Pipenburg (1603–1650), geb. Ott, Frau des Lüneburger Ratsherrn Joachim Pipenburg. Wahrscheinlich auf Initiative Betulius’ entstandener Sammeldruck, der allerdings erst im Folgejahr erscheint: Untödliches Nachleben/ und Bästes hinterbliebenes Theil/ der WolEhren- und VielTugendreichen Fr. MAGDALENEN/ Weiland H. M. Daniel OTTENS/ Predigers an der Kirche zu S. Johannis in Lüneburg/ Ehleiblichen Tochter; welche der Erde T. 11. Jäners J.J. 1603 geworden und T. 11. BlumenM. J.J. 1651 [sic!] wieder entworden: Jn etlichen Lob- Klag- und Trostschrifften ausgebildet/ und an dero getreuen Ehfreund H. JOACHJM PJPENBVRG/ Hochbenamten Rathsund Gerichtsherrn daselbst/ als nunmehr herzbetrübten Witwer/ übersendet von Wolgönnern und Freunden (Nürnberg, Heinrich Pillenhofer 1651, 48 Bll., 4°).244 27 Beiträge von Sigismund Betulius, Joachim Lütkemann, Johann Michael Dilherr, Johann Georg Styrzel, Daniel Wülfer, Georg Philipp Harsdörffer, Der Rüstige (Johann Rist, 18.10.1651), Joachim Hecht (3.6.1651), Peter Basse, Johann Michael Moscherosch, Enoch Gläser, Christoph Arnold (10.6.1651), Justus Georg Schottelius, Paul Schütte, Johann Hellwig, Matthias Saltzsieder, Valentin Gadebusch, Johann Möller, Joachim Berkholz, Bartholomäus Bothe, Georg Widmann, Carl Gottlieb Harsdörffer, Sigmund Schellhammer, Friedrich Scherertz (15.6.1651), Friedrich Lochner, Daniel Schultz, Joachim Beneke sowie – fol. Jiijr–Jivr (Spat-Nachgesendete): VII. Pindarisches Lied. 1. Satz. GLükk der Seelen/ Wunsch der Zeiten … Johann Klaj/ Pfarrherr der Evangelischen Gemeine zu Kitzingen/ Käys. Gekr. Poet. Klaj hat seinen Beitrag also ebenfalls erst 1651 (nach seiner Berufung zum Pfarrer) verfasst; dieser wird 1670 und 1679 von Birken in eigene Sammlungen aufgenommen (siehe 1670 Feb 14 und 1679 Sep 25).
242 Conermann, Mitglieder, 1985, S. 675–677. 243 Paul, Reichsstadt, S. 267 f. 244 LAELKB: Fen. II. 342. 4° (16); nicht im VD 17; vgl. Jürgensen, Melos, S. 17 f.; Stauffer, Birken I, S. 122 f.
114
Werner Wilhelm Schnabel
1650 Mai 23? 1650 Jun 03
1650 Jun 06
1650 Jun 11
(Verlorener) Redeactus Klajs zur Himmelfahrt Christi vor dem Auditorium publicum?245 (Pfingstmontag) Der Nürnberger Rat veranstaltet eine populäre Lustbarkeit für das breite Volk, bei der erstmals seit neun Jahren wieder ein Fischerstechen zugelassen wird.246 Die Veranstaltung, auf der auch der beliebte Spruchsprecher Wilhelm Weber (1601–1660) auftritt, wird von den akademischen Poeten des Blumenordens nicht zur Kenntnis genommen. Der Rothenburger Altbürgermeister Johann Georg Styrzel (1591–1668) erkundigt sich bei Sigismund Betulius brieflich nach dem Erscheinungstermin einiger Schriften Klajs, die in den Frankfurter Messkatalogen angekündigt sind.247 Patrizische Heirat zwischen Georg Jacob Pömer von Diepoltsdorf (1620–1673) und Maria Salome Oelhafen von Schöllenbach (1630–1670). Sammelgratulatorium: POMOERIUM OLIVIFERUM, Quod Nobilissimo & Splendidissimo Viro-Juveni DN. GEORGIO JACOBO PÖMERO, Patricio Noribergensi eximio, Magnifici, Nobilissimi, Amplissimi atque Prudentissimi Viri, Dn. GEORGII ABRAHAMI PÖMERI, Inclytæ Reip. Norib. Triumviri ac Rei Militaris Præfecti Supremi, &c. FILIO SPONSO, nec non Nobilissimæ ac Florentissimæ Virgini, MARIÆ SALOMÆ, Viri Nobilissimi, Amplissimi & Cunsultissimi, Dn. TOBIÆ ÖLHAFII à Schöllenbach, Patricii Norici, JC. & Diversis Imperii Ordinibus, potissimum verò Reipubl. Patriæ Consiliarii, &c. FILIÆ SPONSÆ, in auspicatissimas Nuptias XI. die Mensis Iunii an. M DC L. Noribergæ solemnissimè celebratas Votivis carminibus ADORNARUNT Fautores & Amici (Nürnberg, Wolfgang Endter, 14 Bll., 4° o.J.).248 25 Beiträge von Otto Otto von Mauderode, Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Daniel Wülfer, Johann Georg Fabricius, Johannes Gundermann, Martin Beer, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Vogel, Johann Riedner, Georg Widmann, Hieronymus Ammon, Christoph Scheurl, Veit Holzschuher, Tobias Sebastian Praun, Johann
245 Vgl. Paul, Reichsstadt, S. 269. Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit dem im Vorjahr zum gleichen Datum vorgetragenen Actus vor (im VD17 falsch datiert; siehe dort). 246 StadtAN: E 17/I, Nr. 814, S. 556; StaatsAN: Rep. 52a, Nürnberger Handschrift 475, fol. 207r; Ernstberger, Ausklang, 1968, S. 282; Schnabel, Nichtakademisches Dichten, S. 66. 247 Birken, Betuletum II, S. 469. 248 VD17: 125:014357E; Stauffer, Birken I, S. 98 f.
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Kleine Klaj-Chronik
1650 Jun 16
Martin Brendel, Johann Hieronymus Löffelholz, Johann Georg Imhoff, H. E. Ö. (= Hans Ernst Oelhafen?), Georg Tobias Oelhafen, Adam Staden, Sigismund Betulius, Friedrich Lochner, Carl Friedrich Lochner sowie – fol. Bijv–Bivr: XII. Hochzeit-Gedicht. 1. ES wird viel seltzam Wesen … Zu allen beyderseits Adelichen Eltern/ denen neuverliebt- und verlobten/ nur ersinnlichem Wolergehen fertigte diß Joh. Klaj/ gekr. Poet. Unterzeichnung des schwedisch-kaiserlichen Friedensexekutionshauptrezesses im Nürnberger Rathaus. Dazu Gedicht Klajs zur Abbildung/ der/ bey der völlig-geschlossenen Friedens-Unterschreibung gehaltenen Session, in Nürnberg den 26. 16. Junij 1650 (Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck, Kupferstich von Andreas Khol nach I.H., 2°). Das Blatt erscheint in mehreren Versionen mit und ohne Nennung des Stechers und Verlegers.249 – EJn andrer mag im Blut die rohte Feder netzen … Johann Klaj/ gekr. Poet. Das Gedicht erscheint im gleichen Jahr auch als Separatdruck: Warhaffter Verlauff/ was sich bey geschlossenem und unterschriebenen Frieden zu Nürnberg auf der Burg begeben Den 16/26 Iunii/ im Jahr 1650 (Nürnberg, Jeremias Dümler, 4 Bll., 4°).250 Zudem findet es – wenig verändert – Eingang in Klajs ‚Geburtstag des Friedens‘ (s. u. 1650 Okt 25). Unmittelbar nach der Unterzeichnung wird der Inhalt in der Stadt feierlich bekanntgegeben und unter dem Jubel der Bevölkerung gefeiert.251 Dazu weitere Publikation Klajs: Nürnbergisches Denckwürdiges Freüden Fest, wegen deß Völlig-geschlossenen und daselbst einhellig Unterschriebenen ReichsFriedens den 26/16 Junij jetzlauffenden 1650 Jahrs (Nürnberg, Paul Fürst 1650, Einblattdruck mit Kupferstich nach Leonhard Heberlein, 2°):252 – ES liegt in Nordgaus-Land da sonst die Flur-Göttinnen/ … J. K.
249 250 251 252
VD17: 75:710553H; 14:006339N; 23:697887D. VD17: 23:713649R. Oschmann, Exekutionstag, S. 409. VD17: 75:710626S.
116
1650 Jun 19
Werner Wilhelm Schnabel
Ein neuerlicher Druck des Blattes mit verändertem Stich (mit Beschriftungen) erscheint offenbar noch im gleichen Jahr.253 Zuschreibung eines pseudonymen Einblattdruckes:254 Glückwünschung An deß Heiligen Römischen Reichs hochberühmte Stadt NURNBERG/ Als in derselben die Friedenshandlungen glücklich fortgesetzet worden/ Einem Edlen vnd Hochweisen Raht daselbst Unterthänigst übergeben Von Johanne Ceropœo (Nürnberg [Jeremias Dümler], Einblattdruck mit separatem Kupferstich, quer-2°).255 – DV schöner Nerons-Berg! Erfrewe dich der Ehren/ … Unfalltod des Johann Georg Besserer (1635–1650), Sohn eines kurmainzischen, bambergischen und würzburgischen Faktors und Ratsherrn aus Kitzingen. Leichenpredigtdruck von Michael Weber (1593–1668): Einfältige Leich-Sermon aus dem Buch der Weißheit cap. 4. v. 10. seq. Von zeitlichem Absterben Junger Gottseeliger Leute etc. Auch Was von dem Tod derer zu halten/ welche durch Unglück plötzlich umb ihr Leben kommen? Bey trauriger Leichbegängnus des Erbarn Johan-Georg Besserer/ Jungengesellen/ welcher den 19. Junii An. 1650. in dem kalten Wasserbade plötzlich ertruncken/ und nachmaln den 28. dieses/ auf dem Kirchhoff zu S. Johannis/ in Volckreicher Versammlung/ mit grossem Betrauren/ zur Erden bestattet worden. Gehalten in der Kirchen daselbsten/ VON M. Michaële Weber/ Diacono und Seniore in der Pfarrkirchen S. Sebaldi (Nürnberg, Jeremias Dümler 1650, 28 Bll., 4°).256 24 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johann Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Sebastian Hainlein, Johannes Gundermann, Johann Vogel, Johann Riedner, Michael Manner, Georg Widmann, Wilhelm Bühel, Joachim Nützel von Sündersbühl, Johann Christoph Frisch, Johann Wilhelm Schlüsselfelder, Carl Welser, Andreas Staden, Georg Friedrich Ernst, Sigmund Gottlieb Krimbler, Johann Wilhelm Bühel, Wolfgang Örtel, Johann
253 VD17: 75:710578K. 254 Vgl. Jantz, Recovered Work, S. 109 (nach Drugulin). 255 VD17: 75:710529K mit Link auf Volldigitalisat (ohne Kupfer); weiteres Exemplar: http:// www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details.aspx?objectId=14 66240&partId=1&people=121617&peoA=121617–2–23&sortBy=producerSort&page=1 (mit Kupfer). 256 VD17: 125:035554D.
Kleine Klaj-Chronik
1650 Jun 19
Christoph Volland, Jacob Degen, Christoph Gottfried König, Wolfgang Schmidt – fol. F2r–F3r: X. Pindarische Klag-Ode. 1. Satz. JEderman kan ietzo dencken/ … Denen hinterbliebenen Leidtragenden zum Trost/ fertigte diß Johan Klaj/ gekrönter Poet. Tod des Kupferstechers und Verlegers Matthäus Merian (1593–1650) in Langenschwalbach. Sammeldruck mit Trauergedichten: MEMORIA MERIANÆA sive EPICEDIA, In præmaturum & luctuosum Obitum Viri egregii & Artium celebritate nominatissimi, DOMINI MATTHÆI MERIANI, Civis FrancofurtoMænani, Bibliopolæ ac cælatoris ingeniosissimi: QUI CURANDÆ VALETUDInis ergo ad Acidulas Sualbaco-Cattimelibocaas profectus, animam ibi 19. Iunij Deo Creatori ac Servatori suo reddidit: Cujus corpus Francofurtum revectum, 22. ejusdem Anno MDCL. ad D. Petri tumulatum est: SCRIPTA AB AMICIS (Frankfurt/M., Wolfgang Hoffmann 1650, 14 S., 4°).257 Beiträger: Johann Georg Styrzel, Johann Peter Lotichius, Johann Vogel, I. S. F. à P., Philipp Ludwig Authaeus, Hermann Adolph Autaeus, Jacob Balde, Johann Georg Schleder, N. C. sowie – S. 4–6: Sonnet. DER/ der sich nicht beweibet/ … Dem Abgelebten zum Vnsterblichen Nachruhm schrieb dieses Joh. Klaj gekrönter Poet. Unterzeichnung des französisch-kaiserlichen Friedensexekutionshauptrezesses.258 Daniel Lüdemann, zu dessen Promotion Klaj im Vorjahr ein Glückwunschgedicht beigesteuert hat (siehe 1649 Okt 10), hält als schwedischer Hof- und Feldprediger eine Friedenspredigt in Nürnberg.259 Großes Friedensbankett in einem neuerrichteten Barackenbau am Johannisser Schießplatz, veranstaltet vom kaiserlichen Gesandten Ottavio Piccolomini.260 Es wird in einem Schauspiel von Sigismund Betulius theatralisch verherrlicht. ‚Nachbankett‘ für die niedrigeren Stände.261
1650 Jun 22 1650 Jun 23
1650 Jul 04
1650 Jul 07
257 258 259 260 261
117
VD17: 23:000461G mit Link auf ein Volldigitalisat. Oschmann, Exekutionstag, S. 417. Altes und Neues aus den Herzogthümern Bremen und Verden 3 (1771), S. 295. Ernstberger, Ausklang, S. 273–276. Ernstberger, Ausklang, S. 276.
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Werner Wilhelm Schnabel
1650 Jul 13
Der schwedische Generalissimus Pfgf. Carl Gustav reist aus Nürnberg ab.262 Als einziger schwedischer Verhandlungsführer bleibt Bengt Oxenstierna in der Stadt. 1650 Jul 14 Druck: Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens, wie solche bey Jhrer Fürstl: Gnad: Duca de Amalfi zu Nürnberg gehaltenen Friedensmahle beim hellen Tage anzusehen gewesen (wohl Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit Kupferstich, 2°). Gedicht Klajs (Zuschreibung):263 – ES hat das alte Rom viel herrlich Thun gebauet/ … 1650 Jul 20 Der Nürnberger Rat bewilligt die Aufstellung eines Monumentum Pacis, wofür aber der Rat des kaiserlichen Verhandlungsbevollmächtigten Piccolomini eingeholt werden soll. Inzwischen sollen sich Johann Michael Dilherr, Georg Philipp Harsdörffer, Hieronymus Ammon, Johann Klaj und Johann Vogel Gedanken über eine emblematische Auszier des Friedensdenkmals machen. Die Vorschläge liegen bereits am 24. Juli vor; das Monument wird dann aber doch nicht errichtet.264 1650 Jul 20–Aug 28 Armbrustschießen auf der Hallerwiese. Druck: Eigentliche Abbildvng des wegen völliggeschlosenen ReichsFriedens in Nürnberg gehaltenen Armbrust Schießens, welches den 29 Julij seinen Anfang genomen, vnd den 28 des Augustmonats sich freudig geendet, Darbey Michäll Stoy das beste gewonnen. Anno 1650. (Einblattdruck mit Kupferstich und gestochenem Text, 2°):265 – Ein waßer das da fleust bleibt hell, vnd gantz nicht stincket … Denen Lobwürdigen H. Schützenmeistern vnd gesammten Löblichen Armbrust-Schützen zu sonderbaren Ehren fügete dises bej J. Klaj. gekr. Poet. Das gleiche Blatt als Faltblatt eingelegt 1652 in Betulius’ ‚Fried-erfreuete Teutonie‘, rechts oben bez.: Fol. 146.266
262 Oschman, Exekutionstag, S. 435. 263 VD17: 23:244835T mit Link auf Volldigitalisat; Klaj, Friedensdichtungen, 1968, S. 32*: Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2369. 264 StaatsAN: Rep. 60a, Reichsstadt Nürnberg, Verlässe des Inneren Rates 2374, fol. 44r–46r, hier fol. 44v bzw. fol. 57v–60r, hier fol. 58r; vgl. Jöns, Literaten, S. 96 f. 265 VD17: 23:675907S mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Mielke/Falk, Schnitzer, 1999, Nr. 59/I. 266 Mielke/Falk, Schnitzer, 1999, Nr. 59/II. Als Separatum: GNM: M.S. 319/1423. Der Stich wurde später in verkleinerter Form auch für einen Einblattdruck von Birken (Armbrust-Schiessen/ Gehal
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Kleine Klaj-Chronik
Der gleiche Anlass (mit einem in Details veränderten Stich von Lucas Schnitzer und der oben mittig eingefügten Seitenangabe Fol. 65) verarbeitet auch in Klajs ‚Geburtstag des Friedens‘ mit einem anderen Gedichttext (s. u. sowie 1768):267 – S. 65–67: Armbrust-Schiessen/ Welches den 29. Heu-Monats seinen Anfang und den 28. deß Augusts sein freudiges End genommen. DA/ wo der Pegnitz-Fluß sich aus der Stadt ergeusst … Dieser zweite Stich findet sich unter dem Titel ArmbrustSchiessen Gehalten auf der Allerwiesen vor Nürnberg … auch auf einem Einblattdruck mit einem Gedicht von Sigismund Betulius.268 Erstmals nach 36 Jahren findet der traditionelle Nürnberger Tuchmachertanz wieder statt, der wie alle öffentlichen Lustbarkeiten während der Kriegsjahre verboten war.269 Der kaiserliche Plenipotentiarius Ottavio Piccolomini reist aus Nürnberg ab.270 Paul Wilhelm Bert (1619–1693), mittlerweile Pfarrer in Meiningen, veröffentlicht sein JahrGedächtniß JESU, auf die Sonnund Festtäge eingerichtet/ und in neu-übliche Reim-Arten verfasset/ SonntagsTheil (Nürnberg, Jeremias Dümler 1650).271 Darin nach Zueignung an zahlreiche sächsische und hennebergische Honoratioren 17 Begleitgedichte von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Christoph Ludwig Dietherr, Johann Georg Volkamer, Johann Ebermaier, Johann Georg Imhoff, Johann Vogel, Georg Widmann, Christian Betulius, Sigismund Betulius, Friedrich Lochner, Johann Joachim Löffelholz, Johann Veit Stoll, A. S., G. C. E. und J. H. E. sowie – fol a8r–a8v: XI. WEr heilge Wercke treibet/ … Woleilend/ doch wolmeinend fertigte dieses seinem geehrten Freunde Joh. Klaj. gekr. Poët.
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ten auf der Allerwiesen …) verwendet und schließlich auch ohne Text vertrieben (GNM: M.S. 319/ 1423; Mielke/Falk, Schnitzer, 1999, Nr. 60/I–II). 267 Klaj, Geburtstag des Friedens, S. 65–67. 268 VD17: 23:675907S. 269 Ernstberger, Ausklang, S. 283 f. 270 Oschmann, Exekutionstag, S. 437. 271 VD17: 12:106026U; vgl. Stauffer, Birken I, S. 114 f.
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(Datierung einer Zueignung) Druck: Geburtstag Deß Friedens/ Oder rein Reimteutsche Vorbildung/ Wie der großmächtigste Kriegs- und Siegs-Fürst MARS auß dem längstbedrängten und höchstbezwängten Teutschland/ seinen Abzug genommen/ mit Trummeln/ Pfeiffen/ Trompeten/ Heerpaucken/ Musquetenund Stücken-Salven begleitet/ hingegen die mit vielmalhunderttausend feurigen Seuftzen gewünschte und nunmehrerbetene goldgüldene JRENE mit Zincken/ Posaunen/ Flöten/ Geigen/ Dulcinen/ Orgeln/ Anziehungen der Glocken/ Feyertägen/ Freudenmalen/ Feuerwercken/ Geldaußtheilungen und andern Danckschuldigkeiten begierigst eingeholet und angenommen worden: entworfen von Johann Klaj/ der Hochh. GottesLehr. ergeben. und Gekr. Käiserl. Poeten. (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 4 Bll., 78 S., 4°).272 Zwei Ausgaben mit eingedruckter Zueignung einerseits an die Gesandten des Kaisers, der Kurfürsten und der Stände auf den Nürnberger Friedensexekutionsverhandlungen (mit Figurengedicht), andererseits an den kgl. schwedischen Bevollmächtigten Bengt Oxenstierna (1623–1702). Begleitgedicht von Johann Michael Dilherr. – fol. (*) iijr–(*) ivv: Zuschrifft an Der Röm. Käis. auch zu Hungarn und Böhmen Königl. Majest. … Herren Rähten/ Botschafften und Abgesandten/ … KEin Etna hat also gehitzet und gebrant … Jhr Gnaden Vntergebener Johann Klaj. (mit Figurengedicht) – [alternativ:] fol. (*) iijr–(*) ivv: Dem Hochwolgebornen Herrn/ Herrn Benedict Oxenstirn/ … Seinem allergnädigsten Herren/ etc. HOchwolgeborner Herr/ gnädiger Herr etc. Die sich auf deß Himmels Lauff verstehen … Jhr Hochwolgeb. Gnaden Gehorsamster Diener Johann Klaj (dat. Nürnberg 25.10.1650). – S. 1–15: Geburtstag deß Friedens. DJß ist der Zeiten Lauf von Anbeginn der Zeiten/ … – S. 15–34: Lustfreudiges Friedenfest. EJn anrer mag im Blut die rote Feder netzen …
272 VD17: 23:251479T mit Link auf Volldigitalisat; reprograph. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [97]–[182]. Im Exemplar GNM: Merkel D 1125 zwei Autographen Klajs mit Übersichten über die Sitzordungen bei den Friedensfeiern (Stauffer, Birken I, S. 153). Siehe auch die Beiträge von Seraina Plotke und Irmgard Scheitler in diesem Band.
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S. 34–56: Tempel deß Friedens. HJer/ wo der Mannheit Blüt die Mannheit schärfer wetzet/ … – S. 56–60: Castell deß Vnfriedens. WJe Friede nun allhier im grünen wird geschauet; … – S. 61–62: Die Nymfe Noris An die Stadt Nürnberg. VNd du/ du Nürenberg/ dein Lob das muß bekleiben/ … – S. 63–64: Außtheilung der Friedenschilling. DAmit die Kinder auch deß Friedens möchten dencken/ … – S. 65–67: Armbrust-Schiessen/ Welches den 29. Heu-Monats seinen Anfang und den 28. deß Augusts sein freudiges End genommen. DA/ wo der Pegnitz-Fluß sich aus der Stadt ergeusst/ … – S. 68–69: Verneurung deß künstlich gehauenen MetzgerOchsens. AVson die Kalbe lob/ die Myron hat gegossen/ … – S. 75–78: IV. Chor. David Geistlicher Orpheus. Psalm 148. Kann gesungen werden: Wie erschienen ist der herrlich Tag. LObt GOtt ihr Himmel schön polirt/ … Offizielles Ende der Evakuationskommission, die die Demobilisierung der fremden Besatzungen im Reich regeln soll, ohne damit aber zu einem Abschluss gekommen zu sein.273 Heirat zwischen Johann Andreas Endter (1625–1670), Sohn des Verlegers und Buchhändlers Wolfgang Endter (1593– 1659), und Susanna Ayermann († 1669), Tochter des Handelsmanns und Marktvorgehers Thomas Ayermann (1586–1662). Sammelgratulatorium: LIPSIA VOTIVA; sive GAMELIA Thalamo Præstantissimi atque Politissimi Viri Dn. JOH. ANDR. ENDTERI, SPONSI, Eximii multùmque Conspicui Viri, Dn. WOLFGANGI ENDTERI, Ordini numerosioris apud Noribergenses Adscripti & Bibliopolæ celebratissimi, Filii, & Honestissimæ ac Lectissimæ Virginis SUSANNÆ, SPONSÆ, Integerrimi & Honoratissimi Viri, Dn. THOMÆ AYERMANNI, itidem majoris Senatus Adjuncti & Marcatoris spectatissimi, Filiæ, dilata & à Fautoribus atque Amicis, ipso Nuptiarum die, qui fuit XXIX. Octobris Anni M. DC. L. boni Ominis ac faustæ Acclamationis ergo, Lipsiâ Norimbergam transmissa. (Nürnberg 1650, 16 Bll., 4°).274
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273 Oschmann, Exekutionstag, S. 438. 274 StadtBN: Will I 1151. 4° (80); LAELKB: Spit. V. 50. 4° (59); nicht im VD 17. Vgl. die Beiträge von Hans Otto Keunecke und Dieter Martin in diesem Band sowie Paisey, Bemerkungen.
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27 Beiträge aus Leipzig (I–IX) und Nürnberg (X–XXV) sowie zwei Postmissa, darunter – fol. C2v–C4r: XXI. Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels/ aufgesetzet von Johann Klaj/ P. L. ES wird in der gantzen Welt schön Gewerbe hoch geehret/ … Patrizierheirat zwischen Gabriel Nützel (1624–1687) und der Ratsherrntochter Maria Jacobina Tetzel († 1702). Sammelgratulatorium: Verba Utilia Nobilissimo ac Splendidissimo Dn. GABRIELI NÜZELIO ab & in Sünderspühl/ Patricio Norinbergensi eminentissimo, Viri Nobilissimi atque Amplissimi DN. GABRIELIS NÜZELII ab & in Sünderspühl/ Dicasterii Norici Assessoris quondam meritissimi, FILIO SPONSO, & Nobilissimæ genere & formæ virtutumque ornamentis florentissimæ Virgini, MARIÆ JACOBINÆ, Viri Magnifici, Nobilissimi, maximè Strenui atque Prudentissimi, DN. JOHANNIS JACOBI TEZELII à Kirchensittenbach/ in Vorra & Artelshofen/ &c. Inclytæ Reipub. Norinberg. Septem-Viri gravissimi, Reique militaris Præfecti vigilantissimi, ut & Ordinum Franconiæ Illustrissimique Ducis Würtenberg: Consiliarii eleberrimi, p. m. Filiæ Sponsæ, Nuptias solenni festivitate celebrantibus, dicta à Fautoribus & Amicis ipso die Catharinæ, qui incidit in 25. Mensis Novembris, Anno QVo NorInbergæ GerManIs pVbLICa CVnCtIs PaX tanta eXtrVCta est: GratIa qVanta LoCo est (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 22 Bll., 4°).275 48 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Johan Leonhard Frisch, Justus Jacob Leibnitz, Johann Georg Fabricius, Johann Conrad Rhumelius, Johann Frischmuth, Sigmund Faber, Johannes Gundermann, Oswald Wandersleben, Sebastian Jacob Krauß, Martin Beer, Georg Mayer, Johann Vogel, Johann Riedner, Johannes Dietlin, Georg Widmann, J. G. J. H., Adam Staden, Erhard Faber, Gustav Philipp Tetzel von Kirchensittenbach, Carl Dietelmaier, Peter Maier, Wolfgang Eschenwecker, Johann Christoph Falckner, Jobst Christoph Peller, Conrad Falckner, Johann Röder, Postliminius Marozelus, Georg Friedrich Behaim, I. R., Johann Ludwig Wider, Christoph Lochner, A. D. S. O. F., Georg Siegfried Koler, Carl Welser, Heinrich Langsam sowie
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275 VD17: 75:665973D.
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fol. C3v–Dr: XVIII. Catharinalia Gamica. ICh weiß nicht/ Edles Par/ was ich wol solte singen/ … Dero neuverliebtverlobten Hochzeiteren zu allem gedeilichen Wolergehen wünschet diß Joh. K. Eintrag ins Stammbuch des aus Augsburg stammenden Theologiestudenten und späteren Pfarrers ebd. Johannes Vetter (1626–1674),276 der nach Abschluss seiner Studien in Jena auf der Rückreise in seine Heimatstadt auch Nürnberg berührt.277 Ein zweiter Nürnberger Eintrag stammt von Johann Michael Dilherr. Das eingeschriebene Distichon geht auf Ambrosius zurück;278 neben Klajs Unterschrift wird später ein Sterbekreuz gesetzt: – unfol.: Tu da, Nate DEI, vitæ nos neve pudere, neve etiam mortis pœnituisse qveat. Eximio Domino Posess. apprecatus oia. ad votum fluentiæ J. Clajus P. L. C. Norimberg. 27 Novemb. Anni Jubilæo Pacificj. Notendruck mit Ritornell-Liedern von Johann Erasmus Kindermann (1616–1655):279 Musicalische FRJEDENS-FREVD/ Welche mit 1. und 2. singenden Stimmen/ beneben 3. Violen in Rittornello (so man will) kann Musicirt werden/ sambt dem General-Baß/ Componirt Durch Iohannem Erasmum Kindermann/ Norimbergensem zu St. Egidien Organisten. Jm Jahr NVrnberg VMbgsetzt heIst frIsCh grVn Rebn/ seIn WeInberg Werth FrIDstraVbn thV gebn (Nürnberg, Wolfgang Endter 1650, 13 Bll., 2°).280 Zueignung an die sechs schwedischen bzw. deutschen Kongressdelegierten. 14 Lieder, davon die ersten acht Liedtexte von Johann Vogel und fünf (oder sechs) von Klaj, sowie ein Sonett Klajs und zwei Distichen von Johann Michael Dilherr.
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276 Wiedemann, Augsburger Pfarrerbuch, Nr. 251. 277 WLB: Cod. hist. 2° 889–5, fol. 114r (im Sammelalbum allograph auf das Jahr des Westfälischen Friedens 1648 datiert); vgl. Krekler, Autographensammlung Frommann, S. 793, Nr. 222 (dort im Kontext des Itinerars datiert auf das Jahr des Friedensexekutionsrezesses 1650). Für die Übermittlung eines Digitalisats danke ich Frau Dr. Kerstin Losert, WLB, herzlich. 278 Vgl. die für Abraham Bucholzer nachgewiesene Verwendung bei Kindervater, Nordhusa illustris, S. 77. 279 Kindermann war eng mit der Familie Rhumelius bekannt. Klajs spätere Frau hatte bereits 1643 die Patenschaft für eine seiner Töchter übernommen (Kindermann, Werke I, S. XXVI). 280 Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2365. Neuausgabe: Kindermann, Werke I, S. XXX; ebd. II, S. XLVI–L, 97–118, die Klajschen Lieder: S. 111–118. Vgl. Schlage, Vokalmusik, S. 105–107, 179. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
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Klajs Liedtexte X–XII haben auch in seine Irene Eingang gefunden (1651 Anfang). – IX. Der 133. Psalm. In der Melodey: Allein Gott in der Höh. etc. Wie trefflich schön und überfein … Joh. Klaj – X. Der 96. Psalm. In der Melodey: Nun lob mein Seel den Herrn. Kommt, stimmet vor dem Herren …Joh. Kl. – XI. Psalm 85. Auff die Melodey deß Morgensterns. Du hast, o Herr, dein Volck geliebt … Joh. Kl. – XII. Psalm 126. Auff die Melodey: Nun freut euch lieben Christen gmein. Als Teutschland Gott durch seine Macht … Joh. Kl. – XIII. Psalm 147. Nach der Melodey: Allein Gott in der Höh. Auff Dactilischen Sprung. Auff singet dem Herren … Joh. Kl. – XIV. Nun so singen wir mit Schalle … – DJe süsse Singekunst, das Kind der Kastalinnen …281 Johann Hellwig publiziert Die Nymphe NORJS JN Zweyen Tagzeiten vorgestellet; DArbey mancherley schöne Gedichte/ und warhafte Geschichte/ nebenst unterschiedlichen lustigen Rätzeln/ Sinn- und Reimenbildern/ auch artigen Gebänden mitangebracht DURCH einen Mitgenossen der PegnitzSchäfer etc. (Nürnberg: Jeremias Dümler 1650). Darin Gedichtbeiträge Klajs: – S. 66 f.: Der Teutschen Teutscher Sprach sich nirgend andre gleichet/ … (Wechselgesang mit Strephon). – S. 70 f.: HEulet/ weint/ ihr PegnitzHirten/ … J. K. (veränderter Neudruck in Birkens ‚Guelfis‘; siehe 1669 Apr 10). – S. 88: Nun wolan! höret an/ was ich sag/ was ich klag/ … (Figurengedicht in Form einer Schalmei). – S. 93: MAn schneid mich/ das es schmirtzt/ wie zeugen meine Threnen/ … (Rätsel). – S. 99: OFt die Sonn ein Wölklein dekkt … – S. 166: MEiner Liebsten grösster Ruhm soll in diesem Wunsche stehen: … (siebenständiges Sinnbild). – S. 176 f.: DJeser Pierinnen Stadt ihren Preiß mit Recht erhaltet/ … (Gesang mit anderen Blumengenossen). – S. 191: Sein Selbsterkenntnis lehrt/ … – S. 192–193: DU guldnes Himmelskind! du langgewünschtes Gut! … (Reyenlied zusammen mit sechs anderen Pegnitzschäfern).
281 Nach Dünnhaupt. Ein Originaldruck war nicht greifbar.
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(um 1650?)
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Elias Maior (1588–1669) gibt in Breslau eine Übersetzung eines lateinischen Textes über das Leiden Jesu Christi von Clajus heraus: Das Leyden vnseres Heylandes/ ausz dem Lateinischen Johannis Claji vbergesetzt/ mit Dreyen darzu gefügten Leidens-Andachten/ von M. Eliâ Majore (Breslau, Georg Baumann, 23 S.).282 Wahrscheinlich handelt es sich entgegen der Zuschreibung im VD17 aber nicht um einen Text des Nürnbergers Klaj, sondern um die Übersetzung eines Textes des sächsischen Lehrers und Pfarrers Johannes Clajus (1535–1592), der eine größere Zahl geistlicher Dichtungen hinterlassen hat. – Alß nun deß Himmelß Zier/ die Sonn’ jhr Tage-Reise … Druck: Güldenes Kleinod/ Welches die rechtglaubigen Christen erster Kirchen zur Erinnerung der heilig hochgelobten Dreyeinigkeit an jhrem Halse vnd auff jhren Hertzen getragen (Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit allegorischem Kupferstich von Andreas Khol, 2°).283 – Erläuterung. MAn kann in Gottes Wort von Gottes Wesen lesen/ … JK. Druck: Eigentlicher Entwurf und Abbildung deß Gottlosen und verfluchten Zauber Festes (wohl Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit Kupferstich von Matthäus Merian nach Michael Herr, 2°, nach einem älteren Flugblatt von 1626 mit gleichem Bildmotiv, aber anderem Text).284 Gestochener Text: – Böckereiten, Gabelfahren, Unzucht Täntze, Adlers Klauen … J Klaj. Druck: Ein schön Christliches Newes Lied Einer Christglaubigen angefochtenen Seelen Ritterliche Angstkämpffung/ Männliche Feindsdämpffung/ Grünende SiegsKrönung/ Gantz lieblich zusingen (Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit überarbeitetem Kupferstich von Peter Isselburg, 2°).285 – JCh halt dir auß mein Gott in meinen Nöthen/ … J. Klaj. Druck: Passions-Schiff Auf welchen alle Christen/ vermittelst wahren Glaubens/ starcker Hoffnung und thätiger Liebe/ durch
282 VD17: 1:637813H. Zu Clajus vgl. ADB 4, 1876, S. 270–272 (Eckstein). 283 VD17: 75:709124L mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Coupe, Broadsheet I, S. 28; ebd. II, Nr. 219 und Abb. 10. 284 Siehe den Beitrag von Hans-Joachim Jakob in diesem Band. 285 VD17: 23:674593U mit Link auf Volldigitalisat. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
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diß Threnen-Thal in das Gelobte Vatterland/ segeln können (Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit Kupferstich, 2°).286 Text: – DEr Himmel färbet sich/ der Tag der wird zur Nacht/ … Joh. Klaj. Ein Einblattdruck aus dem gleichen Verlag mit gleichem Titel und Kupferstich erscheint auch mit einem anderen (unbez.) Gedicht.287 Dieses konnte neuerdings überzeugend Sigismund Betulius zugewiesen und auf Ende 1652 datiert werden.288 Druck: Christlich-Gottselige Betrachtung/ Deß volgültigen Leidens Jesu Christi/ und deren allhier vorgebildeten Werckzeuge (Nürnberg, Paul Fürst, Einblattdruck mit Kupferstich, 2°).289 – WEr Christi Marter recht bedenckt/ … Joh. Klaj. Druck: Schlösser im Luft/ mit tau und Tuft: Leiden oft Noht/ nicht wegen Brodt (o.O. um 1650? Einblattdruck mit sehr grobem Holzschnitt, 2°).290 Darin: – WAs neues/ was wunders/ was selzame Sachen … – Gott ist das Schloß/ … I. K. Druck: Myrrhenbaum Todt Christi (Einblattdruck mit Darstellung des an einem Myrrhenbaum gekreuzigten Christus und gestochenem Text, o.O.u.J, 2°).291 – So tröpflet tropfenweiß der Myrrhen, Myrrhen Stamm … J. K. Neu-auspolierter Venus-Spiegel. Jn welchen drey der allerschönsten Weibesbilder/ so jemals auf Erden gelebet/ vorgestellet werden. (Nürnberg, Paul Fürst o.J., Einblattdruck, 2°).292 – KOmmt her/ ihr die ihr denckt auf Freyen Tag und Nacht/ …
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286 GNM: HB 24669/1337; nicht im VD17; vgl. Coupe, Broadsheet I, S. 173; ebd. II, Nr. 283 und Abb. 98. 287 VD17: 23:676666M mit Link auf Volldigitalisat; dazu Harms, Illustr. Flugblätter III, Nr. 109. 288 Stauffer, Morphologie, Nr. 102. 289 GNM: HB 25542/1199; nicht im VD17; vgl. Coupe, Broadsheet I, S. 25 f.; ebd. II, Nr. 42 und Abb. 6; Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2371. 290 Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2370 (die Zuschreibung erscheint wegen der z. T. sehr dürftigen Qualität der Verse mehr als zweifelhaft). Nicht im VD17. Kopie: Faber du Faur, German Baroque Literature, Rolle 123, Nr. 526e. 291 StaatsB Bamberg: VI G 175; nicht im VD17. Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2370. 292 Harms/Kemp, Illustr. Flugblätter IV, Nr. 24 (Cornelia Kemp): ohne Zuschreibung. Der unbezeichnete Text des satirischen Flugblattes wurde von Jürgensen, Melos, S. 58 – leider ohne weitere Begründung – Klaj zugeschrieben.
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Tod des patrizischen Kaufmanns Tobias Peller von Schoppershof (1599–1650). Leichenpredigtdruck von Johann Michael Dilherr: Frommer Christen Sehnliche Abschieds-Begierd: Bey Volckreicher Leichbegängniß: Deß Weiland Ehrbarn vnd Vesten Juncker Tobias Pellern/ Genanten deß groessern Rahts/ vnd Weitberühmten Kauffherrns/ In Nürnberg; Welcher daselbst den 4. Decembr. deß jüngstverwichenen 1650. Jahrs/ sanfft vnd selig/ in dem HERRN entschlaffen/ vnd darauff den 9. Dec. zu seinem Ruhebettlein/ auff dem Kirchhoff bey S. Johanns/ gebracht worden. Erkläret von Johann Michael Dilherrn/ Predigern bey S. Sebald/ vnd Professorn (Nürnberg, Wolfgang Endter 1651, 19 Bll., 4°).293 Beiträge von Johannes Gundermann, Friedrich Ferber, Georg Bolster, Johann Riedner, Georg Widmann, J. W. S., ein Lied von Johann Vogel (vertont von David Schedlich) sowie – Anhang Grab-Lied. über dem seligen Absterben auß dieser Welt Deß Edlen/ Vesten vnd Wolfürnehmen Herrn Tobias Peller/ Fürnehmen Handelsmann allhie etc. Auß Christlichen Mitleiden/ bey seiner Erdbestättigung mit 6. singenden Stimmen componirt vnd zu musiciren gerichtet durch Iohann Erasmum Kindermann zu St. Egid. Organisten (o.O. 1651, 2 Bll. 4°):294 Jch hab einen guten Kampff gekämpfft … J. K. (mit Noten von Johann Erasmus Kindermann; gekürzte Version von 1648 Mai 26). Gesandtschaft der protestantischen Bürger Kitzingens an den Würzburger Fürstbischofs Johann Philipp von Schönborn (1605–1673, reg. seit 1642).295 Sie beanspruchen – obwohl innerhalb des katholischen Territoriums lebend – nach den Normaljahrsbestimmungen des Westfälischen Friedens aufgrund der langjährigen Verpfändung an das Markgraftum Ansbach und der von dort eingeführten Reformation das Recht, einen evangelischen Pfarrer einzustellen. Mit dem Bischof hat man sich wohl im Herbst 1650 bei den Nürnberger Friedensexekutionsverhandlungen entsprechend geeinigt.296
1650 Dez 06
293 VD17: 1:039087M und 125:032662N. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 294 Vgl. Schlage, Vokalmusik, S. 186. 295 Ruland, Beschwerden, S. 24–26. 296 Franz, Klaj, S. 29 f. Zum rechtlichen Hintergrund vgl. Rohmer, Klaj, S. 9 f.
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Gnadenbrief des Würzburger Fürstbischofs für die evangelischen Bürger Kitzingens, in dem erneut öffentliche evangelische Gottesdienste auf der Basis der unveränderten Confessio Augustana von 1530 zugestanden werden.297 Allerdings darf der Pfarrer angesichts der ungelösten juristischen Probleme mit dem Markgraftum nicht aus Ansbach berufen werden, sondern soll aus Sachsen oder Nürnberg kommen; auch hat die Stadt den neuen Kalender anzunehmen. Die Gemeinde erhält die baufällige, jenseits des Mains liegende Marienkirche in Etwashausen zugewiesen, in der allerdings auch katholische Gottesdienste stattfinden sollen.298 Der Nürnberger Rat nominiert Klaj auf Betreiben Dilherrs als Pfarrer für Kitzingen, dessen evangelische Gemeinde um die Stellung eines Geistlichen gebeten hat. Prüfung und Ordination Klajs durch die Universität Altdorf unter Vorsitz des Theologieprofessors Georg König (1590– 1654) auf Anordnung der Nürnberger Scholarchen: Cl. Vir Dn. Iohannes Claius Poëta Coronatus, et hactenus apud Noribergenses in Schola Sebaldina Præceptor Classicus, ab Evangelico Coetu Civitatis Kizingensis ad officium Pastoratus legitimè vocatus, & â Nob. ac Prud. Dnn. nostris Scholarchis nobis commendatus, ex eorundem mandatô â nobis examinatus & ordinatus est.299 Dedikation des Drucks: Johann Klaj/ der Hochheil. Gottes Lehre Ergebenens und gekrönten Poetens FReudengedichte Der seligmachenden Geburt Jesu Christi/ Zu Ehren gesungen (Nürnberg, Jeremias Dümler, 22 Bll., 4°).300 Prosazueignung an den schwedischen Generalfeldmarschall Carl Gustav Wrangel (1613–1676). Vertont von dem Lorenzer Organisten Sigmund Theophil Staden (1607–1655). Klaj hat sich vor dem Würzburger Fürstbischof und seinen Räten einer Prüfung seiner Geschicklichkeit, ohntadelhaften und
1650 Dez Ende
297 LAELKB: Kons. Bayreuth, Nr. 2487, tom. I, S. 38; vgl. Oertel, Corpus Gravaminum VII, S. 1780 f.; Franz, Klaj, S. 29; Hock, Kitzingen, S. 191–193; Brommer, Rekatholisierung, S. 148–150. 298 Ruland, Beschwerden, S. 28–31; Rohmer, Klaj, S. 10. 299 UBE: Ms. 2405, fol. 57r. 300 VD17: 23:252681D mit Link auf Volldigitalisat. Reprogr. Neudruck: Klaj, Redeoratorien, S. [333]–[375]. Eingehend kommentierte Neuedition bei Keller, Weihnachtsdichtung, S. 65–208. Neuauflage o.J. erwähnt bei Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2366.
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unverdächtigen Handel und Wandels zu unterziehen.301 Er wird daraufhin vom Bischof als evangelischer Pfarrer von Kitzingen instruiert und bestätigt.302 Nachfolger Klajs an der Sebalder Schule wird der aus Dinkelsbühl stammende Theologe Johann Ulrich Augenstein († 1694), der u. a. in Altdorf, Kopenhagen und Straßburg studiert hat.303 Klaj hält seine Antrittspredigt in der Kirche von Etwashausen.304 Der Status der Kitzinger Gemeinde bleibt allerdings labil, weil der Bischof die Duldung nur als Gnadenakt versteht und jeglicher Konflikt schnell zu seiner Rücknahme führen kann. Die Gemeinde hat selbst für Kirche und Schule, Pfarrer und Lehrer, Dotation, Vermögen und Unterhaltung ihres Kirchenwesens zu sorgen.305 Der Pfarrer ist also einerseits dem bischöflichen Landesherrn unterstellt, befindet sich aber auch in Abhängigkeit von dem 24köpfigen Gemeindeausschuss, der die innerkirchlichen Angelegenheiten regelt und die Gemeinde nach außen vertritt. Taufe des Sohnes Johann Michael Klaj in Nürnberg. Pate ist Johann Michael Dilherr.306 Im Taufbuch wird der Vater noch als poëta laureatus et collab. zu S. Sebaldj geführt. Druck: JRENE/ das ist/ Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650. Mit vielen feyrlichen Begengnissen/ Gastmalen/ Feuerwercken/ Musicen/ und andern denckwirdigen Begebenheiten/ nach Poetischer Reimrichtigkeit/ vorgestellet und mit nothwendigen Kupferstücken gezieret/ durch Johann Klai/ dieser Zeit Pfarrherrn der Evangelischen Gemeine zu Kitzingen und gekrönten Käiserl. Poeten. (Nürnberg, Wolfgang Endter d.Ä. o.J., 4 Bll., 88 S., 4°).307 Zueig-
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301 So die Bestimmung im Gnadenvertrag; Ruland, Beschwerden, S. 30; Hock, Kitzingen, S. 191–193. 302 LAELKB: Kons. Bayreuth, Nr. 2487, tom. I, S. 42; vgl. Franz, Klaj, S. 30. 303 Waldau, Zion, S. 17; Steinmeyer, Matr. Altdorf II, S. 32. 304 LAELKB: Kons. Bayreuth, Nr. 2487, tom. I, S. 42. 305 LAELKB: Kons. Bayreuth, Nr. 2487, tom. I, S. 45 f. 306 LAELKB: Pfarrarchiv Nürnberg-St. Sebald, Kirchenbuch S 8, S. 849. 307 VD17: 23:251479T mit Link auf Volldigitalisat. Reprograph. Neudruck bei Klaj, Friedensdichtungen, S. [3]–[96]. Die enthaltenen Kupferstiche (S. 41/42, 45/46, 82/83) stammen z. T. aus älteren Flugblattdrucken Birkens von 1649 (Stauffer, Birken I, S. 71, 72, 97). Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
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nung an Carl Gustav, Erbprinz von Schweden, unterschrieben Johann Klai/ dieser Zeit Pfarrer zu Kitzingen/ und gekrönter Käiserl. Poet. Beitrag von Georg Philipp Harsdörffer. In den Text sind Teile vorgängiger Flugblätter eingegangen. – fol. (a) iijr–v: Zuschrifft. BEllona/ welche dich begabt mit wehrten Palmen/ … Euer Königlichen Hoheit unterthänigster Knecht Johann Klai/ dieser Zeit Pfarrer zu Kitzingen/ und gekrönter Käiserl. Poet. – fol. (a) ivr: JRENE oder Deß Friedens Bildniß auf dem Tittelblat. Die gehäuffte Sündflut … – S. 1–31: Geburtstag deß Friedens. WAnn eine Brunst entbrennt und reisset auß den Dächern … – S. 32–70: Schwedisches Fried- und Freudenmal. TViskons Teutsches Volck/ (wann es in seinen Wercken … – S. 71–88: Lustfreudiges Feldpanqvet. WAnn jetzt der Norden heult/ der rauhe Blumenfeind/ … Namenstag des Friedrich Cahlenus (1613–1663), Konrektor am Gymnasium in Halle/S. und späterem Rektor in Hof/S. Gratulationsdruck: HELENES CRATER Viro Clmo Dn. M. FRIEDERICO CAHLENO Poete Cæs. Coronato Gymnasii Hallensis Pro-Rectori dudum meritissimo Ejusd. Nominali Non. Martiis Feliciter reduce â CULTRICIBUS PIERISIN devotè propinatus. anno M DC LI. (Halle/S., Rappoldt 1651, 6 Bll., 4°).308 Beiträge von F. C. M. & P. C. C., Johann Gottfried Herrich, Martin Brachman, Christoph Leder, Johannes Praetorius, Heimbert Oppichinus, Johann Gottlieb Cunradi, Michael Andreas Hübner, G. Jacobi, Jeremias Josephi, Johann Sigmund Cressius, Christoph Freier, Heinrich Hartstein, Samuel Krumpholtz, Elias Gebler, W. E. Michelbach, Tobias Hildebrand, Jeremias Simon, Johann Heinrich Tobing, Johann Gottfried Olearius, Roman Rese sowie – fol. [A4v]: Pax rediit, lenisque quies, cassantque tumultus … Johann Clajus, R. Misn. (ob es sich hier um den mittlerweile in Kitzingen amtierenden Klaj handelt, ist mehr als zweifelhaft: während dieser stets seine Stellung und seine Laureatur hervorhob, verweist die abgekürzte Identifizierung hier eher auf einen nicht weiter bekannten Rektor in
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Meißen; auch die übrigen Beiträger stammen durchgehend aus dem mitteldeutschen Raum). Der Rothenburger Jurist Johann Georg Styrzel (1591–1668) berichtet in einem Brief an Sigismund Betulius ironisch von der neuen, arbeitsaufwendigen Stellung Klajs in der ‚Provinz‘, der vorerst ohne Diakon auskommen müsse. Immerhin würden die Aufgaben zumindest durch den guten Wein versüßt, wenn auch das Bier schlechter sei als anderswo. Klaj habe sich bis jetzt zwar noch nicht brieflich beim Schreiber gemeldet; die Informationen stammten jedoch von zuverlässigen Gewährsleuten.309 Johann Georg Styrzel berichtet Betulius brieflich vom Ärger Klajs mit seiner Gemeinde und seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.310 Die von den Kitzingern auch gegenüber den Würzburger Behörden erhobenen Vorwürfe gegen Klaj betreffen seine angeblich nachlässige Amtsführung, die sich in der Beschränkung auf Sonntagspredigten und die Vernachlässigung von Kinderlehre, Wochenpredigt und Betschule zeige, und auf seine Nachgiebigkeit gegenüber katholischen Forderungen wie etwa in der Kalenderfrage. Auch für den (allerdings nicht ganz unparteiischen)311 Kollegen Bartholomäus Dietwar (1592–1670) ist Klaj ein stolzer prächtiger Mann, dem es nur um große Besoldung zu thun war, aber sich sein Amt sauer werden zu lassen, war er nicht gewillt.312 Die Kitzinger haben in dem im markgräflichen Mainbernheim tätigen und sich bei ihnen andienenden Johann Conrad Wolffart († 1666) einen Adjunkten für Klaj gefunden, da dieser mit der Versorgung der Stadtgemeinde und der zugehörigen Dörfer Buchbronn, Repperndorf und Hohenheim überfordert ist.313 Klaj wehrt sich erfolglos (aber beschwichtigt durch eine Gehaltserhöhung) gegen die Anstellung des Älteren, der ihn zuvor wegen seiner Konzilianz gegenüber den Katholiken kri-
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309 Wiedemann, Klaj, S. 19; Birken, Betuletum II, S. 485. – Siehe auch den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. 310 Wiedemann, Klaj, S. 19 f. 311 Rohmer, Klaj, S. 10. 312 Wirth, Dietwar, S. 135; Franz, Klaj, S. 31 f. 313 Wirth, Dietwar, S. 137; Franz, Klaj, S. 31.
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tisiert hat und auch bei den Dorfbewohnern als wetterwendisch bekannt ist. Johann Conrad Wolffart hält in Etwashausen seine erste Predigt als Pfarradjunkt.314 (Datierung der Vorrede) Justus Georg Schottel (1612–1676) veröffentlicht in zweiter, erweiterter Ausgabe seine erstmals 1641 erschienene Teutsche SprachKunst/ Vielfaltig vermehret und verbessert/ darin von allen Eigenschaften der so wortreichen und prächtigen Teutschen Haubtsprache ausführlich und gründlich gehandelt wird. Zum anderen mahle heraus gegeben […] (Braunschweig, Christoph Friedrich Zilliger 1651).315 Darin erstmals 13 Begleitgedichte von Johann Wilhelm von Stubenberg, Joachim von Glasenapp (1600–1667), Johann Michael Dilherr, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Camman, Johann Rist, Johann Michael Moscherosch, Christian Gueintz, Samuel Gerlach, Johann Vogel, Sigismund Betulius, Jacob Lagus sowie – fol. B7v–Cr: 11. An den Suchenden. WEr hette wol geglaubt daß Teutsch-Land alles hette/ … Seinem hochgeehrten Herren übersendet aus Nürnberg Johannes Clajus. Der Beitrag datiert also noch aus der Nürnberger Zeit und ist erst jetzt zum Druck gelangt. In einem Brief an Sigismund Betulius berichtet Johann Georg Styrzel von der fleißigen Amtsverrichtung Klajs auf seiner einträglichen Stelle. Dieser habe zwar wiederholt Grüße ausrichten lassen, aber immer noch nicht selbst geschrieben.316 Klaj erleidet auf der Kanzel einen Schlaganfall und fällt für mehrere Monate aus.317 Genesung erhofft er von einer Sauerbrunnenkur. In einem Brief an Johann Georg Styrzel spottet Sigismund Betulius über die vermeintliche Trunksucht Klajs, die ihn nicht mehr zum Schreiben kommen lasse. Früher sei er in der Lage gewesen, gleichzeitig zu trinken und zu schreiben.318
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Franz, Klaj, S. 31. VD17: 12:130725H; vgl. Stauffer, Birken I, S. 124 f. Birken, Betuletum II, S. 485 f. – Siehe auch den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. Franz, Klaj, S. 32. Birken, Betuletum, Nr. 69. – Siehe auch den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band.
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(Datum der Vorrede) In des hamburgischen Syndicus Gottfried Schultze (1611–1665) Historischer Chronica APPENDIX, Oder Kurtzer Anhang/ Darinnen begriffen/ was im 1649. vnd 1650. Jahr sich weiter begeben vnd zugetragen (Lübeck, Heinrich Schernwebel 1651) wird die im Vorjahr erschiene Flugschrift Klajs zum Friedensschluss in Nürnberg erneut abgedruckt:319 – S. 106–112: Warhafftiger Verlauff/ was sich bey geschlossenem … Frieden zu Nürenberg auf der Burg begeben … EJn andrer mag im Blut die rohte Feder netzen … Tod des fränkischen Reichsgrafen Georg Friedrich Schenk von Limpurg auf Obersontheim, Speckfeld und Sommerhausen (1596–1651). Leichenpredigtdruck von Johannes Spindler (1609–1692): Trinum Vanum. Dreyfache Menschliche Eytelkeit. Auß dem Prediger Salom. am II. Cap. vers. 8. betrachtet/ vnd bey der trawrigen Sepultur/ Weyland deß Hochwolgebornen Herrn/ Herrn GEorg Friderichen/ Herrn zu Lympurg/ deß H. Röm. Reichs Erbschencken vnd Semper-Freyen (Welcher Freytags den 5. Decembris deß 1651. Jahrs zu Sommerhausen in seinem Erlöser JEsu Christo sanfft vnnd selig eingeschlaffen/ Dero Gn. Todtsverblichener Leichnam hernach Donnerstags den 15. Januarii, dises 1652. Jahrs/ daselbst/ mit Christlichen vnd Herrlichen Ceremonien in sein Ruhe-Bett gelegt worden) Jn der Pfarrkirchen bemelten Sommerhausens bey Volckreicher Versammlung vorgetragen/ vnd auff gnädigen Befelch/ zum Truck gegeben Von M. Johanne Spindlero, Lympurgischen Pfarrern zu Obern-Sonntheim (Ansbach, Johann Lentz 1652, 50 S., 27 Bll., 4°).320 Mit zwei Trauergesängen (von Nicolaus Höhn) und 16 weiteren, z. T. umfangreichen Beiträgen von Johann Samuel Brunner, Philipp Ernst Assum, Melchior Adam Pastorius, Christoph Fronmüller, Johann Conrad Wolffart, Johann Heinrich Saur, Andreas Gramann, Johann Rosa, Martin Johannis, Friedrich Ruß, Georg Düring, Johann Georg Alberti, Thomas Hasius, Johann Ulrich Dangries und Johannes Spindler sowie – fol. Livv–Mv: IV. CYgnus arundiferis, pede remige navigat undis ceu vorticosus balneat? … Der Seeligverblichene Herr
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319 VD17: 3:602169S mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Stauffer, Birken I, S. 111 f. 320 Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2367 f.; nicht im VD17. Digitalisat: http://reader. digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb11209486.html
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singet auff diese Weis. Jch hab mein Sach Gott heimgestellt. 1. Jch hab ein guten Kampff gekämpfft/ … Wehmütig schrieb es Johann. Klaj/ P.L.C. vnd Evangelischer StattPfarrer zu Kitzingen (in Details geänderte Version von 1648 Mai 26). Mit einer neuen, um einen Dialog zwischen Vater und Kind erweiterten Einleitung versehene Neuauflage von Klajs bereits 1648 erschienenem ‚Leben Jesu Christi‘ (vgl. 1648 Jan 10): Daß gantze Leben Jesu Christi mit schönen Figuren Sprüchen und Reimen Außgezieret. Durch Johann Klaj etc. (Nürnberg, Paul Fürst 1651, 80 Bll., 64 Kupferstiche mit neutestamentlichen Motiven von Peter Rollos, 8°).321 Angebliche Neuauflage der ‚Weihnacht-Gedichte‘.322 Sigmund Theophil Staden publiziert seine siebenbändige Liedersammlung Erste Stimm [Andere Stimm; Dritte Stimm; BASS. CONT.; VIOLIN. I.; VIOLIN. II.; VIOLA] Theils Musicalischer Friedens-Gesänger/ Welche Denen Höchst: und Hochansehlichen/ bey denen Friedens-Executions-Tractaten/ zu Nürnberg angewesten/ Keys. Königl. Chur. vnd Fürstl. auch anderer deß H. Röm. Reichs Stände Herren Plenipotentiarien, Generaln, Räthen/ Pottschafften/ und Abgesandten/ Zu unterthänigst. unterthänig. und gehorsamen Ehren/ Von underschiedlichen berümbten Poëten gedichtet/ und durch Sigmund Theophilum Staden/ Organisten bey St. Lorentzen/ und Instrumental-Musicum der Stadt Nürnberg/ in die Noten gebracht/ Auch Bey denen angestelten Friedens-Panqueten/ und Frewden-Mahlzeiten/ mit dreyen Stimmen und dreyen Instr. sambt dem Basso ad Organum, oder Theorba, musicirt worden (7 Hefte, Nürnberg, Michael Endter 1651, je 9 Bll., 4°).323 Darin jeweils 12 Liedtexte u. a. von Georg Philipp Harsdörffer, Adam Staden und Johann Vogel sowie – fol. Bv: V. Friedens Danck-Lied. EHre sey Gott ij in der mächtigen Höhe … J. K.
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321 Jürgensen, Melos, S. 56. Kopie: Faber du Faur, German Baroque Literature, Rolle 124, Nr. 525a. – Siehe auch den Aufsatz von Dirk Niefanger in diesem Band. 322 Jürgensen, Melos, S. 56. 323 VD17: 75:706245Y, 75:706247P, 75:706248W, 75:706249D, 75:706251Z, 75:706252G, 75:7062 54X, jeweils mit Link auf Volldigitalisat. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
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Kleine Klaj-Chronik
–
fol. Bijr: VI. STeh auff/ steh auff/ du Morgenstern … J. K. (Datum der Zueignung) Druck: Erster Theil/ Herrn J. M. Dilherrns Predigers bey S. Sebald Evangelischer Schlußreimen der Predigen/ So Er im Jahr Christi 1649 gehalten; Mit dreyen singenden Stimmen/ zweyen Discanten, einem Bass, mit Numeris und signis gezeichnet/ zu einem Positiv, Regal, Spinet, Clavicymbel oder Theorb: accomodirt, und componirt durch J. E. Kindermann Organisten bey S. Egidien. BASSUS Generalis & Vocalis … (Nürnberg, Wolfgang Endter 1652).324 Darin – Cantus Secundus. WJe/ wann die Schiffer sehn/ den längst erwünschten Port … Als Kantor und Lehrer in Kitzingen amtiert der aus Darmstadt stammende Johann Georg Alberti gen. Steyer († 1665), der zuvor in Hersbruck als Rektor gewirkt hat, dann in Nürnberg ansässig gewesen und wohl in zeitlicher Nähe zu Klaj nach Kitzingen berufen worden ist. Ab Juli 1655 (nach seiner Vertreibung?) ist er als ansbachischer Pfarrer in Laubendorf und Kirchfarrnbach eingesetzt.325 Klaj berichtet in einem Brief von seinem Schlaganfall und der derzeitigen Amtsuntüchtigkeit.326 Klaj erbittet beim Bischof die Erlaubnis, dass sein Kantor gelegentliche Predigten halten dürfe, da der Adjunkt nicht alle anfallenden Aufgaben erledigen könne.327 Diese Bitte wird bewilligt und Klaj zugesichert, dass er seine Pfarrstelle lebenslang behalten könne. Johann Georg Styrzel berichtet Sigismund Betulius brieflich von der ernsten Erkrankung Klajs, die durch sein schweres und mit großem Engagement wahrgenommenes Predigeramt schon vor Wochen ausgebrochen sei. Sie werde durch eine
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324 Nicht im VD17. Siehe Kindermann, Werke I, S. XCIX–CI; Schlage, Vokalmusik, S. 192. – Ein Exemplar oder eine Verfilmung des Partiturdrucks (offenbar in der Bibliothèque Nationale de France, Département de la Musique: Rés. 571) war leider nicht zugänglich. Der Standort im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (so Klaj, Friedensdichtungen, S. 36*) ließ sich nicht verifizieren. 325 Vgl. Steinmeyer, Matr. Altdorf II, S. 24; Simon, Ansbachisches Pfarrerbuch, Nr. 14; Stählin, Gelegenheitsgedichte II, S. 3. 326 Franz, Klaj, S. 32. 327 Franz, Klaj, S. 32.
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Sauerbrunnenkur hoffentlich gelindert werden können, falls Klaj so lange durchhalte.328 (Datierung der Zueignung) Druck einer Prosakeloge Betulius’ anlässlich des Todes der schon knapp zwei Jahre zuvor verstorbenen Magdalena Pipenburg (siehe 1650 Mai 11): Unverbrüchliches Ehrenmahl/ Welches dem werten Gedächtniß Seiner theuren Wolthäterinn Fr. MAGDALENEN PJPENBURGS/ aus trauriger Dankpflicht/ auf der Ruhstätt ihrer seeligen Gebeine/ gesetzet Der Schäfer Floridan (o.O.u.J., 48 S., 4°).329 Darin wird Klaj zwar erwähnt; ein von Stauffer erwähnter Beitrag von ihm findet sich darin aber nicht. Heirat zwischen dem Kaufmann Johann Christoph Lange (1622–1666) und Dorothea Maria Endter (* 1630), Tochter des Buchdruckers und -händlers Wolfgang Endter (1593–1659), später verh. Nürnberger. Sammelgratulatorium: Glückwünschung auff Deß Erbarn und Fürnemen Herrn Johannis Christophori Langens/ Deß Erbarn und Wolfürnemen Herrn Christophori Langens/ deß Grössern Rahts/ Eheleiblichen Sohns/ und Der Erbarn und Ehrntugendreichen Jungfrauen Dorotheæ Mariæ/ Deß Erbarn und Wolfürnemen Herrn Wolffgang Endters/ deß ältern/ deß Grössern Rahts und Buchführers Eheleiblichen Tochter/ Hochzeitlichen Ehrentag/ gehalten in Nürnberg am 4. Tag deß Augustmonats 1652. Aus wolmeinendem Gemüt überreichet von Deren Gönnern und guten Freunden (o.O. 1652, 20 Bll., 4°).330 35 Beiträge von Abdias Trew, Justus Jacob Leibnitz, Johann Georg Fabricius, Johann Röder, G. P. H. (= Georg Philipp Harsdörffer), Georg Streng, Johann Sauer, Georg Christoph Müller, M. S. J. K. (= M. Sebastian Jakob Krauß?), Adam Zanner, Johann Jacob Wider, Georg Widmann, Johann Sechst, Georg Andreas Reutter, Johann Kißling, Friedrich Lochner, Christoph Endter, Johannes Pfeiffer, Paul Endter, F. E. W., Johann Daniel Beck, Wolfgang Örtel, Jacob Tyde, Johann Paul Felwinger, Johann Conrad Dürr, Johann Fabricius, Johann Gabriel Wurfbain, Johann Georg Volkamer, J. H. D., Paul Weber, Johann Vogel, Michael Manner, Georg Fabricius, D. N. D. W. G. J., sowie
328 Birken, Betuletum II, S. 486. – Siehe auch den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. 329 Stauffer, Birken I, S. 144 f.; nicht im VD17. 330 VD17: 125:016097Y.
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fol. Aiijv–Aivv: VI. Wolgemeintes Hochzeit-Gedichte. BLeich ist jetzt die beste Lust/ … auffgesetzt von Joh. Clajo, P.L.C. Chur-Meintz. Evangelischen Stadt-Pfarrern in Kitzingen.331 Styrzel berichtet Betulius von der Besserung des Gesundheitszustandes Klajs, nachdem dieser den Kitzinger Sauerbrunnen besucht habe. Dieser gehe bereits wieder seinen Amtsgeschäften nach.332 Geburt des Sohnes Johann Christoph Klaj; die Taufe erfolgt erst zehn Tage später, wobei der Kitzinger Arzt Johann Conrad Kayser333 die Patenschaft übernimmt. Ein Sterbeeintrag ist in Kitzingen nicht nachweisbar.334 Druck: Aller Verlaßnen Wittiben vnd Vatterlosen Waysen/ zu Gott im Himmel abgeschicktes Seufftzen vnd erhörtes Gebett. (Nürnberg, Paulus Fürst, Einblattdruck mit Kupferstich, 2°).335 – JCh bring zu meinem Gott mein Angstgebett mit schalle/ … J. K. Der evangelische Pfarrer Mainstockheims, ein benachbarter Kollege Klajs, wird von der bischöflichen Regierung wegen angeblicher Invektiven gegen die römische Kirche abgesetzt und in Würzburg inhaftiert.336 Betulius wirkt als Erzieher bei der Nürnberger Patrizierfamilie Rieter. (Datierung der Zueignung) Der Regensburger Journalist und Historiker Johann Georg Schleder (1597–1685) nimmt in dem von ihm zusammengestellten 6. Band des Theatrum Europaeum, der Ereignisse von 1647 bis 1651 behandelt, Teile der Festbeschreibung aus den Feiern zum Exekutionsrezeß aus Klajs Irene auf.337
331 Zur Kontextualisierung Schnabel, Dichtertum und Pfarrerberuf. 332 Siehe den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. 333 Er erscheint in den Kitzinger Kirchenbüchern (1620 und 1632) ansonsten unter dem Namen Johann Christoph Kayser; vgl. GFF: FR 142/09, s.v. 334 Dekanatsarchiv Kitzingen: Taufbuch Kitzingen 1652, S. 18 f. (für freundliche Hilfe sei Herrn Dekan Hanspeter Kern, Kitzingen, herzlich gedankt); GFF: FR 142/07, S. 560. 335 VD17: 23:676852L mit Link auf ein Volldigitalisat; vgl. Coupe, Broadsheet I, S. 37; ebd. II, Nr. 14. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 336 Schmitt, Chronik, S. 106. 337 Theatrum Europaeum, 1663, S. 937 f., 940 f.
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Werner Wilhelm Schnabel
(Datierung der Vorrede) Druck des von Dominicus Beer herausgegebenen Gesangbuchs von Johann Michael Dilherr: Der Jrdischen Menschen himmlische Engelfreude: das ist/ Neü zugerichtetes und mit Fleiß durchsehenes Gesang-Büchlein. Jn welchem nicht allein die gewöhnliche alte Kirchenlieder der vorigen/ sondern auch viel neue der itzigen Reinen Lehrer/ und anderer Gottsgelehrten Männer/ (derer Namen an dem Register beigefügt) auf mancherlei Fälle zubefinden. Mit Fünff nutzlichen Registern/ und einer Vorrede Johann Michael Dilherrns Prediger bei Sanct Sebald in Nürnberg/ und Professor daselbsten (Nürnberg, Wolfgang Endter 1653, 22 Bll., 720 S., 24 Bll.).338 Darin rund 270 Lieder,339 darunter – S. 337–342: Schönes Lied vom Nutzen deß H. Abendmals. H. Joh. Klay/ dieser Zeit Evangelischen Pastoris zu Kitzingen in Francken/ und gekrönten Poæten. Jm Ton: Wie schön leüchtet der Morgenstern. EJns sprach der kühne Jonathan/ … Tod des Michael Capella (1646–1653), letztes Söhnlein des Nürnberger Handelsmanns Eberhard Capella und seiner Frau Susanna, geb. Lang, zu deren Hochzeit Klaj ein Epithalamium verfasst hatte (1649 Sep 17). Leichenpredigtdruck von Wolfgang Jacob Dümler (1610–1676): LeichKlage und Trost HJOBS bey trauriger Leichbegängnus Des Gottseeligen und frommen Knäbleins Michael Cappelens/ Des Erbarn und Fürnehmen Eberhard Cappelens/ Handelsmanns und Jnwohnern zu Nürmberg/ eheleiblichen letzten Söhnleins/ Welches Anno 1653, den 22. Octobris, seines Alters 7 Jahr und 5 Monat in Christo seelig verschieden/ und den 25. hernach auf S. Johannis Kirchhof Christlich zur Erden bestattet worden. […] Sambt angefügten Klag- und Trostschrifften. Von einem guten Freund zusammen getragen/ und denen betrübten Eltern zum Trost dem Truck übergeben (Altdorf, Georg Hagen 1654, 32 Bll., 4°).340 22 Beiträge von Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer, Justus Jacob Leibnitz, Johann Georg Volkamer, Jacob Peter Schechs, J. R., Matthäus Ayerschöttel, Hieronymus Schultheiß, Johann Sau
1653 Okt 22
338 VD17: 39:149470D; vgl. Stauffer, Birken I, S. 192 f. 339 Wölfel, Gesangbuchgeschichte, S. 57–59. Eine zweite, erweiterte Auflage erschien 1671. 340 LAELKB: Fen. II. 513. 4° (c); nicht im VD17.
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Kleine Klaj-Chronik
1654 Mai 05
1654 Okt 11
bert, Caspar Arnold, Christoph Arnold, Georg Pfeiffer, Johann Baumann, Johann Vogel, Sebastian Kob, Georg Widmann, Georg Andreas Reutter (31.10.1653), Georg Freytag, Georg Paul Hannoldt, Michael Pancratz, G. M., Evert Schlütter sowie – fol. Fr–F2v: XI. Gottes Trost/ Friede und Freude in dem Heiligen Geist! … (Trauerrede mit Gedicht:) WAß? Jhr Eltern wolt ihr threnen … Johann Klai/ Evangelischer StattPfarrer in Kitzingen. Sigismund Betulius wird von Ks. Ferdinand III. in den Adelsstand erhoben und zum kaiserlichen Hofpfalzgrafen ernannt.341 Fortan führt er den Namen ‚von Birken‘. Tod der Exulantin Anna Catharina von Racknitz (1595–1654), Gattin des steiermärkischen Exulanten Gall von Racknitz (1590–1658). Leichenpredigtdruck von Dominicus Beer (1598– 1663): Bewehrtes Heil- und Trostpflaster/ welches Aus den Worten Hiobs Cap. 19. v. 25. 26. 27. Jch weiß daß mein Erlöser lebt/ etc. Præparirt und zubereitet/ Und bey trauriger und wehmütiger Leichbegängniß Der Hoch-Wolgebornen Frauen/ Frauen Annae Catharinae Frauen von Rägkhnitz/ einer gebornen Schrattin/ Freyin. Deß Hoch-Wolgebornen Herrn/ Herrn Galln/ Freyherrn zu Rägkhnitz/ vff Pernegg/ S. Ulrich/ OberMarpurg/ und OberKimberg/ etc. der Röm. Käis. Majestät Ferdinandi II. Glorwürdigsten Andenckens/ gewesten Cammerherrns/ Hertzgeliebtesten Frauen Gemahlin / welche Mittwochs den 11. Octobr. zwischen 7 und 8 der kleinern Vhr zu Nachts An. 1654. Jhres Alters im 60. Jhres Ehestands im 40. und Jhres Exilii im 25. Jahr zu Nürnberg/ gottselig verschieden/ und Mittwochs den 1. Novemb. am Tag Allerheiligen/ mit Herrlichen Ceremonien und vieler grossen Betrauren in S. Johannis-Kirchen/ in Jhr Ruhbettlein versetzet worden. Denen Hinterlassenen Hochbetrübten zu Linderung Jhres Schmertzens Applicirt und auffgelegt worden. Von M. Dominico Beern/ Diacono der Pfarrkirchen zu S. Lorentzen (Nürnberg, Wolfgang Endter 1654, 2 Bll., 100 S., 4°).342 38 Beiträge sowie – Beilage: Grablied. JCh hab ein guten Kampff gekämpfft … Joh. Klaj/ P. L. C. (mit Noten für vier Violinen, Singstimme
341 Betrübte Pegnesis, S. 206 f.; ADB 2, 1875, S. 660 f. (F. Spehr). 342 VD17: 125:032741X. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band.
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1654 Dez 07
1655 Anfang
und Basso continuo von Johann Erasmus Kindermann; gekürzte Version von 1648 Mai 26). Brief Klajs an den damals in Stuttgart und Göppingen wirkenden Theologen Johann Heinrich Calisius (1633–1698), der als ‚Cloridan‘ selbst Mitglied des Blumenordens ist.343 Klaj sieht als seine wichtigste Aufgabe nun nicht mehr die Dichtkunst, sondern die Sorge für das Heil seiner Gemeinde von der Kanzel aus. – Clarissime Vir. OLim tuus excellentissimus Colerus … Tuus ex asse Johan. Clajus P. L. C. Pastor Orthodoxus. Druck der Liedersammlung des Johann Heinrich Calisius (1633–1698): Kloridans von Wohlau auß Elsisien Blauer Kornblumen oder einfältiger Hirten-Gesänge Dreifaches Bündlein (Ulm, Balthasar Kühn 1655, 208 S., 2 Bll., 8°).344 Darin Begleitgedichte von Johann Matthias Schneuber, A. Calisius, Jesaias Rompler von Löwenhalt, Sigismundus Betulius, Johannes Puecher, Lorenz Bernhard Knörzer, Enoch Gläser, S. F. P. S., B. Thyresius, Andreas Ammann, Gottfried Calisius, Philipp Jacob Pöddecker sowie – S. 17 f.: Amor Cos Poetarum. WEr die Sinnen scharff will wetzen/ … Zu dienstwilliger Schuldigkeit schrieb es Der bekante MajnSchäffer Klai. – S. 30 f.: (lat. Brief an den Autor, siehe 1654 Dez 07) Heirat zwischen dem Lüneburger Ratsherrn Joachim Pipenburg und Anna Magdalena Damman. Birken gibt im Folgemonat ein (verschollenes) Schäfergedicht heraus: P. P. Herrn Joachim Pipenburgs u. a. m. Andres Ehgelübde. Beglückwünschet von Floridan. Jm Wein Monde/ des 1655ten Heil Jahres. (Hamburg, Michael Pfeiffer 1655, 14 Bll., 4°).345 Druck erst 1679 im zweiten Band der ‚Pegnesis‘ (2. Teil, S. 111–152 mit wohl falscher Datierung auf 1654) unter dem Titel GOtt-andächtige Winters-Betrachtung: verfasset durch Floridan.346 Begleitgedichte von Strefon (= Georg Philipp Harsdörffer), Montano (= Johann Hellwig), Helianthus (= Johann Georg Volkamer),
1655 Sep 15
343 Abdruck siehe 1654 Aug 30; ebenso: Klaj, Friedensdichtungen, 1968, S. 16*. 344 VD17: 3:609309U; vgl. Dünnhaupt, Personalbibliographien II, S. 2368; Stauffer, Birken I, S. 208 f. 345 Stauffer, Birken I, S. 212 f. 346 VD17: 12:185437B.
Kleine Klaj-Chronik
Lerian (= Christoph Arnold), Periander (= Friedrich Lochner), Alcidor (= Johann Sechst) sowie – S. 150 f.: Klajus. Zwo Hände sich verbinden/ … Klajs Verhältnis zu seiner Gemeinde eskaliert, nachdem diese ohne sein Wissen seinen Kantor entlassen hat. Im Zorn wirft er einen Beschwerdeführer aus seinem Haus.347 Dilherr ist über das Verhalten Klajs gegenüber seiner Gemeinde erbost.348 Rechtfertigungsschreiben Klajs an den würzburgischen Amtmann in Kitzingen als Reaktion auf Klagen seiner Gemeinde.349 Dies provoziert ein Klageschreiben der Gemeinde nach Würzburg. Der Organist und Komponist Johann Erasmus Kindermann stirbt in Nürnberg. Georg Philipp Harsdörffer wird in den Kleinen Rat der Reichsstadt Nürnberg aufgenommen. Klaj ist mit seiner Frau nach Würzburg gereist, um sich dort persönlich gegen die Klagen zu verteidigen.350 Er erhält vom Bischof Rückendeckung. Beerdigung des Landadeligen Lorenz von Münster auf Niederwerrn (1596–1655) in Kitzingen. Leichenpredigtdruck: HochAdliches Aufgewecktes Blut/ Sighaffter Heldenmuth/ Ersiegtes Himmelsgut/ abgelernet Den guten Streiter JEsu CHristi/ dem Apostel Paulo aus dessen 2. Sendschrifft an seinen Mitkämpfer Timotheum am 4. Capit. vers. 6/7/8. bey Woladelicher und ansehnlicher Leichbegängnus deß Hoch-Edlen/ Gestrengen und Wolmannvesten Herrens Lorentz von Münster/ auf Niderwehren/ klein Eibstadt/ und Kißingen/ Rittmeisters/ dessen verblichener Cörper/ den 7. Junii S.N. in der Evangelischen Kirchen bey Kitzingen in sein Ruhbetlein eingesencket und in seiner Leichpredigt in etwas erleutert worden. Von Johann Klajo P. L. C. und Evangelischen Stadt-Pfarrern daselbsten. (Nürnberg, Wolfgang Endter 1655, 12 Bll., 4°).351 Zueignung an Johann Wilhelm Zobel von Giebelstadt (kaiserl. Obristleutnant),
1655 Frühjahr
1655 Mär 20 1655 Apr 12
1655 Apr 14 1655 Apr 16 1655 Apr 24
1655 Mai 29
347 348 349 350 351
141
Franz, Klaj, S. 33. Franz, Klaj, S. 33. Franz, Klaj, S. 33. Franz, Klaj, S. 33. LAELKB: Fen. II. 524. 4° (m); nicht im VD17. Dazu Elmore, Klaj’s Last Work.
142
Werner Wilhelm Schnabel
Hans Heinrich Zobel von Giebelstadt, Amalia Catharina von Jöstelsberg, geb. Zobel von Giebelstadt, Anna Elisabeth von Rothschütz, geb. von Crailsheim, und Anna Johanna von Steinau gen. Steinrück zu Eversbach. Zuschrift Klajs dat. 3./ 13.6.1655. Darin: – fol. Ciijv–Civr: Leich-Ode. 1. DEr Lentz ist nicht mehr Lentz; Er fleucht wie ein Geflügel … Seinem wolgewolleten S. Junckern/ setzete dieses Zum letzten Ehrendienste wemüthig Johan. Klaj/ Pfarrer. Klaj ist der Beichtvater des auf Schloss Niederwerrn ansässigen Verstorbenen gewesen. Tod Klajs durch einen Schlaganfall während des Mittagessens.352 Beerdigung Klajs in Kitzingen.353 Johann Georg Styrzel berichtet Birken vom Tod Klajs, dessen poetische Ausnahmebegabung er würdigt.354 Ein von Styrzel nahegelegtes Nachrufgedicht auf Klaj hat Birken nicht verfasst. Klajs bisheriger Adjunkt Johann Conrad Wolffart († 1666) wird zu seinem Nachfolger als Pfarrer in Kitzingen bestimmt.355 Ordination des aus Nürnberg stammenden Magisters Johann Sigmund Eser (1629–1687) zum Diakon in Kitzingen.356 Dieser, Sohn eines Nürnberger Handelsmanns, ist 1650 in Altdorf zum Magister promoviert worden. 1653 hat er in Helmstedt unter dem humanistischen Ireniker Georg Calixt (1586–1656) disputiert und den Druck neben anderen Nürnberger Pfarrern seinem Mentor Johann Michael Dilherr dediziert.357 (Datum der Zueignung) Der Bremer Philologe und Jurist Alhard Moller/Möller nimmt Textausschnitte u. a. aus den
1656 Feb 16 1656 Feb 18 1656 Feb 24
1656 Mär 1656 Mär 25
1656 Mai 25
352 Wiedemann, Klaj, S. 20. 353 GFF: FR 142/07, S. 560; Wiedemann, Klaj, S. 20. 354 Wiedemann, Klaj, S. 21. – Siehe auch den Beitrag von Ralf Schuster in diesem Band. 355 Simon, Ansbachisches Pfarrerbuch, Nr. 3341. 356 Steinmeyer, Matr. Altdorf II, S. 177. – LAELKB: Verzettelung der Nürnberger Kirchenbücher. 357 Georg Calixt (Praes.), Georg Sigmund Eser (Resp.): De Statv Animarvm Separatarvm, Præsertim Beatarvm, Et De Cvltv, Qvi Eis Convenit Exercitatio […]. Helmstedt 1653, fol. A2r. Näher zu seiner Würdigung Johann Paul Felwinger: Character Eruditæ Honestatis Præstantissimi atque Doctissimi Juvenis M. Johannis Sigismundi Eseri, Norimbergensis, Scriptus Ab Amplissimo Philosophorum Collegio in Universitate Altdorphina. Altdorf 1650.
Kleine Klaj-Chronik
Weihnachtsgedichten Klajs in sein Tyrocinium poeseos teutonicae (Braunschweig 1656, ²1675) auf.358 Heirat von Klajs Witwe Maria Elisabeth, geb. Rhumelius, mit dem neuen Pfarradjukten Johann Sigmund Eser.359 Aufnahme Birkens in die Fruchtbringende Gesellschaft als ‚Der Erwachsene‘.360 Tod Harsdörffers in Nürnberg. (Datierung der Zueignung) Johann Rist stellt den geistlichen Dichter Klaj in seinem „Neuen musikalischen Seelenparadies“ (1660) in eine Reihe mit den Edlen/ grossen und unvergleichlichen Dichter-Helden Opitz, Fleming, Harsdörffer, Dach und Tscherning.361 In einem Gedicht für Johann Wilhelm von Stubenberg (1619– 1663) in Wien erinnert Birken an die frühen Zeiten des Ordens, in denen im Kreis der Blumengenossen auch mein Klajus lieblich pfiffe. Nunmehr sei dieser aber nicht mehr Schäfer, sondern (im Tode) der Muse Uranie vermählt. Dort, wo Strephon (= Harsdörffer) und Klajus seien, werde wohl auch er bald hinfinden.362 Birken schickt an Stubenberg erneut ein Gedicht, in dem er sich mit der Vergangenheit des Blumenordens beschäftigt. Klajens Pan-schalmey sei mittlerweile ebenso verklungen wie die Stimme Strephons und Montanos. Er betrauere diese helle[n] Dichter kerzen zwar von Herzen; sie seien aber nun dorthin versetzt, Wo Sie aller Lust geniessen, Wo Sie Ehr’ und Glükk ergetzt Ewig Nektarströme fliessen.363 Der Lehrer und Theologe Gotthilf Treuer (1632–1711) nimmt Ausschnitte von Klaj-Texten in seine rhetorische Schatzkammer Deutscher Daedalus (Frankfurt/O. 1660, ²1675) auf.364 Neuauflage von Harsdörffers Übersetzug der DIANA, Von H. J. De Monte-Major (3 Tle. Nürnberg: Michael Endter 1661) (siehe
1656 Okt 01 1658 Mär 1658 Sep 17 1659 Dez 13
1660 Jan/Feb
1660 Apr 06
1660
1661
358 359 360 361 362 363 364
143
Möller, Tyrocinium, S. 28, 35 f., 49–51, 64 f.; vgl. Keller, Weihnachtsgedicht, S. 11. GFF: FR 142/07, S. 560. Betrübte Pegnesis, S. 211; Burkhardt, Briefwechsel, S. 22 f. Rist, Seelenparadies, fol. dijr. Birken, WuK 9, S. 225. Birken, WuK 9, S. 228. Keller, Weihnachtsdichtung, S. 11.
144
Werner Wilhelm Schnabel
1661
1646). Die Beteiligung Klajs ist erneut nur durch einen Gedichtbeitrag Birkens indirekt ersichtlich.365 Druck: Neu-vermehrtes vollständiges GEsangbuch/ Darinnen 600. Christliche und trostreiche/ so wol alte als neue Gesänge/ Fürnemlich des Herrn Lutheri/ wie auch anderer Evangelischen Lehrer und Autoren. Ordentlich zusammen gebracht/ Und in Fünff Haupt-Theil verfasset mit nützlichen Registern/ Nebenst Herrn D. Johann Habermans andächtigem Gebetbuch/ Jtem einem Buß- Beicht- und Communion-Büchlein/ sambt anderen Gebethen/ so in allerhand Noth und Anliegen zu Wasser und zu Lande nützlich können gebraucht werden […] (Braunschweig, Christoph Friedrich Zilliger 1661, 12 Bll., 24 und 936 S., 6 Bll., 184 S., 1 Bl., 53 S., 12°).366 Darin ein Lied Klajs: – S. 274: Ejns sprach der kühne Jonathan … Zwei Aufführungen von Klajs ‚Engel- und Drachen-Streit‘, adaptiert von Christian Funck (1626–1695) zur Einweihung der oberen Klassen des Altenburger Gymnasiums.367 Druck: Johann Klajens erneuerte/ vermehrtes/ und in fünff unterschiedene Handlungen eingetheiltes Freuden-Spiel/ der Engel- und Drachen-Streit genennet/ welches in Beyseyn Jhrer Durchlauchtigkeiten/ der Gnädigsten Herrschafft/ zu Altenburg auff der Schule und auff dem Rath-Hause/ bey Einweyhung der Obern Classen/ Anno M.DC.LXJJ. den J. und JJ. Octobers/ auffgeführet und gehalten hat M. Christian Funck/ Schul-Rector daselbst (Altenburg: Johann Michael, 26 Bll., 8°).368 Zueignung an Magdalena Sibylla Hzgin. von Sachsen-Altenburg (1617–1668), geb. Kurprinzessin von Sachsen. Die Vorlage ist nach Ausweis der Vorrede von einem hochdeutschen Poeten in gute Reime gesetzt worden; ein oratorischer Vortrag in lateinischer Sprache ist geplant. Birken wird Präses des Pegnesischen Blumenordens. (Datum der Zueignung) Justus Georg Schottel erinnert in seiner Ausführliche[n] Arbeit Von der Teutschen Haubt Sprache vergleichsweise ausführlich an Klajs wolfliessende Tractätlein in Teutscher Sprache (S. 1203).
1662 Okt 01–02
1662 1663 Mär 01
365 366 367 368
Siehe den Beitrag von Rosmarie Zeller in diesem Band. VD17: 39:147313Y. VD17: 27:727149K mit Link auf Volldigitalisat. VD17: 23:252683U mit Link auf Volldigitalisat.
Kleine Klaj-Chronik
145
Birken schickt seiner ‚Innigfreundin‘ Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694) ein Buch mit Gedichten von Klaj nach Österreich.369 Beerdigung der Maria Elisabeth Eser, geb. Rhumelius, verw. Klaj, in Kitzingen.370 Birken ruft in seinem Gedicht Jn Cleodors AndenkBuch für Martin Kempe (1642–1683) die gute alte Zeit des Blumenordens auf, wo dein Klajus Lieder pfiff.371 Birken erwähnt in einem Gedicht für Johann Rist die inzwischen verstorbenen und ‚seligen‘ Blumengenossen, darunter auch Klaj.372 Rist preist in einem Brief an Birken den Blumengenossen Myrtillus, in dessen Schaffen er wahrnimmt, das Herr Claius in Ihm wider lebet!373 Auch in der zweiten Auflage von Hellwigs Ormund wird Klajs Ehrengedicht auf den Roman abgedruckt (s. 1648 Mär) Johann Sigmund Eser wird Pfarrer in Kitzingen.374 Der Jenaer Theologiestudent Paul Gottlieb Berlich nimmt ein Andachtslied Klajs in seine Anthologie Biblischer Perlen-Schatz oder Gedenck-Reime mit Ansetzung der VII. Buss-Psalmen und anderer geistlichen nothwendigen Gebetlein in welchem nicht allein der Inhalt, sondern auch die gewisse Zahl eines ieglichen Capituls in sonderliche Zahl Buchstaben eingeschlossen richtig zubefinden […] (Jena, Johann Jacob Bauhofer 1667) auf:375 – S. 250–255: Ein Lied von dem himmlischen Pelican Jesu Christo. Entbrenne du/ mein gantzes Ich … Johannes Praetorius (1630–1680) nimmt in seine Kompilationsschrift Blockes-Berges Verrichtung auch den von Klaj stammenden Text des Hexenflugblatts (siehe 1644/50) auf.376
1664 Feb 12
1664 Jun 03 1665 Sep
1665 Dez 16
1666 Mär 02
1666 1667 1667
1668
369 Birken, Tagebücher I, S. 102. 370 GFF: FR 142/07, S. 560. 371 Birken, WuK 13, S. 37. 372 Birken, WuK 9, S. 63. 373 Birken, WuK 9, S. 66. 374 Buchwald, Geschichte, S. 137. 375 Klaj, Friedensdichtungen, 1968, S. 36*. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 376 Siehe den Beitrag von Hans-Joachim Jakob in diesem Band.
146
Werner Wilhelm Schnabel
1669 Jan
1669 Mär
1669 Apr 08
1669 Apr 10
Der Königsberger Dichter Martin Kempe (1642–1683) erhält von dem Nürnberger Kaufmann und PBO-Mitglied Andreas Ingolstetter (1633–1711) ein Paket mit Schriften Klajs zugesandt, die in Königsberg nicht erhältlich sind.377 Der Bayreuther Pegnitzschäfer Joachim Heinrich Hagen (1648– 1693) fragt bei Birken an, ob eine geplante Gratulationsschrift zu einer bevorstehenden kursächsisch-brandenburgischen Hochzeit eher die literarische Form eines Poetischen Gedicht[s] (wie der ‚Kressische Ehrentempel‘ von Martin Limburger) oder die einer Teütschen Lobrede (wie die ‚Lobrede der deutschen Poeterey‘ von Klaj) haben sollte.378 Birken schickt als passende Vorbilder Limburgers ‚Ehrentempel‘ und seine eigene ‚Guelfis‘. Tod Dilherrs in Nürnberg.379 Der Pegnesische Blumenorden publiziert zu seinen Ehren ein Himmel-klingendes SCHAEFERSPJEL, in dem ‚unser Klajus‘ als Mitgründer des Ordens erwähnt wird.380 (Datum der Zueignung) Druck von Birkens GUELFJS oder NiderSächsischer Lorbeerhayn: Dem HochFürstlichen uralten Haus Braunsweig und Lüneburg gewidmet/ auch mit Dessen Alten und Neuen Stamm-Tafeln bepflanzet: durch Sigmund von Birken/ in der Hochlöbl. Fruchtbring. Gesellschaft den Erwachsenen (Nürnberg, Johann Hoffmann 1669, 29 Bll., 405 S., 5 Bll., 12°).381 Darin Texte zahlreicher anderer Pegnitzschäfer, u. a. in etwas veränderter Form ein schon im Stammbuch Birkens (siehe 1645 Winter) eingetragenes und später in Johann Hellwigs ‚Nymphe Noris‘ (1650) publiziertes Gedicht des süsspielenden Klajus: – S. 127 f.: Heulet/ weint/ ihr PegnitzHirten! … Klajus. Tod von Birkens zweiter Frau Margareta Magdalena geb. Göring, verw. Mülegk (1616–1670). Der Witwer gibt dazu zwei Sammlungen mit Trauergedichten heraus, darunter die Schäferei Floridans Lieb- und Lob-Andenken seiner Seelig-entseelten Margaris: im Pegnitz-Gefilde/ bey frölicher Frülingszeit/ traurig angestimmet. Jm Jahr 1670 (Nürnberg, Felsecker 1670,
1670 Feb 14
377 378 379 380 381
Birken, WuK 13, S. 73 (Kempe an Birken, 13.6.1669 N.S.), 75 (ders. an dens., 25.6.1669). Stauffer, Birken II, S. 716. Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, 1965, Nr. 236. VD17: 23:249340F mit Link auf Volldigitalisat. VD17: 23:231785D mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Stauffer, Birken II, S. 698–703.
Kleine Klaj-Chronik
288 S., 12°).382 Darin aufgenommen ein Beitrag Klajs zur Trauerschrift für Magdalena Pipenburg (siehe 1650 Mai 11), erneut gedruckt im 2. Band der ‚Pegnesis‘ Birkens (siehe 1679 Sep 25). – S. 128–130: 1. Satz. Glück der Seelen/ Wunsch der Zeiten … Der Arzt und spätere Universalgelehrte Christian Franz Paullini (1643–1712) sucht nach einem Druck des ‚Pegnesischen Schäfergedichts‘ von Harsdörffer und Klaj, das in Kopenhagen aber nicht zu erhalten ist.383 (Datierung der Zuschrift) Birken veröffentlicht die PEGNESJS: oder der Pegnitz Blumgenoß-Schäfere FeldGedichte in Neun Tagzeiten: meist verfasset/ und hervorgegeben/ durch Floridan (Nürnberg, Wolfgang Eberhard Felsecker 1673, 9 Bll., 612 S., 8 Bll., 12° bzw. Titelauflage)384 als Anthologie älterer Gedichte des Ordens. Darin – S. 1–56: Pegnesisches SchäferGedicht/ in den Berinorgischen Gefilden/ angestimmet von Strefon und Klajus. Jm Jahr M DC XLIV (siehe 1644 Okt 14). – S. 57–120: Der Pegnitz-Schäfere Gesellschaft-Weide und Frülings-Freude: Kompilation aus der ‚Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey‘ (siehe 1645) und ‚Der Pegnitz-Hirten Frülings-Freude (siehe 1645 Mai 06). Darin Beiträge Klajs: – 84 f.: Willkommen/ Westwind/ Kält-bezwinger/ … (Klaj nicht namentlich zugewiesen) – 89 f.: Es glänzet die Höh/ … (Wechselgesang mit Strephon und Floridan) – S. 90 f.: Wer in eisen-schweren Jahren … (Wechselgesang mit Strephon und Floridan) – S. 92–94: Es fünken und flinken und blinken … (Wechselgesang mit Strephon und Floridan) – S. 97 f.: Der Wiesenklee. Wie der Bockgefüste Pan … – S. 104 f.: Die Einfalt. Ich liebe stillen pfad/ entfernet von Geplärr/ … – S. 108: Der kekke Lachengekk koakset stäts und kwakkt/ … – S. 117 f.: Das mich geboren hat/ hat einen rohten Kopf: …
1672 Apr
1673 Jul 11
147
382 VD17: 12:185439S; vgl. Stauffer, Birken I, S. 123; ebd. II, S. 739–743. 383 Birken, WuK 13, S. 363 (Paullini an Birken, 21.4.1672). 384 VD17: 12:185387D und 23:231935G; vgl. Stauffer, Birken II, S. 841–845.
148
Werner Wilhelm Schnabel
–
1676 Okt 16
S. 118 f.: Dem Weibsvolk bin ich lieb. Das zauset meinen Bart/ … (Datierung der Vorrede) Der Altdorfer Theologieprofessor Johann Saubert d.J. (1638–1688) gibt in den Druck: Nürnbergisches Gesang-Buch/ Darinnen 1160. außerlesene/ so wol alt als neue/ Geist- Lehr- und Trostreiche Lieder/ auf allerley ZeitFreud- und Leid-Fälle der gantzen Christenheit gerichtet/ und mit Voransetzung der Autorum Namen/ auch theils vortreflichschönen Melodien/ Noten und Kupffern gezieret/ zu finden […] (Nürnberg, Christoph Gerhard 1676; Titelauflage 1677; erweiterte Ausgabe von Conrad Feuerlein 1690).385 Darin werden insgesamt 160 Lieder von Pegnitzschäfern aufgenommen, darunter auch mehrere geistliche Lieder Klajs, die z. T. aus dessen 1646 erschienenen ‚Andachtsliedern‘, z. T. aus Casualdrucken stammen: – S. 225–227: JEsus/ der himmlische Pelican. 197.) Joh. Klajus. Mel. Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc. ENtbrenne Du/ mein gantzes Jch/ … – S. 754–756: 698.) Joh. Klajus. Mel. Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc. EJnst sprach der kühne Jonathan/ … – S. 1180: 1129.) Joh. Klajus. Mel. Jch hab mein Sach GOtt heimgestellt/ etc. JCh hab ein guten Kampff gekämpfft/ … (nach der Version von 1650 Dez 04) (Datum der Zuschrift) Erscheinen von Birkens Poetik Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst/ oder Kurze Anweisung zur Teutschen Poesy/ mit Geistlichen Exempeln: verfasset durch Ein Mitglied der höchstlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft Den Erwachsenen. Samt dem Schauspiel Psyche und Einem Hirten-Gedichte (Nürnberg, Christoph Riegel 1679).386 Darin wird auch des nun im Himmel singenden PegnitzSchäfers und Poeten Klajus und seiner vorbildgebenden geistlichen Dichtung gedacht (S. 296 f.) und werden einzelne Textbeispiele Klajs aufgenommen: – S. 218: Zu unverfälschter Treu. Zwo Hände sich verbinden/ … (hier als nicht namentlich zugewiesene Emblemsub
1679 Sep 04
385 VD17: 3:608488Q; vgl. Stauffer, Birken II, S. 930–935; Koch, Kirchenlied III, S. 478. Siehe auch den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 386 VD17: 12:130456U mit Link auf Volldigitalisat; vgl. Stauffer, Birken II, S. 1029–1039.
Kleine Klaj-Chronik
scriptio; ursprünglich aus der Hochzeitsschrift für Joachim Pipenburg, siehe 1655 Sep 15; erneut wiedergegeben im 2. Band der „Pegnesis“, siehe 1679 Sep 25). – S. 297–300: Bei Eder/ jenem Thurn/ gieng dorten auf der Weide … (Ausschnitt aus dem „Freudengedichte der Geburt Christi“ [siehe 1650 Dez 24], Vers 537–767).387 Aus dieser Schrift (fol. ):(iiijr) rührt auch die falsche Datierung der Ordensgründung auf 1642 her, die in der späteren Literatur verschiedentlich übernommen wurde (vgl. 1680).388 (Datierung der Zuschrift) Birken ediert eine Sammlung älterer Texte des Blumenordens: Pegnesis Zweyter Theil: begreifend Acht Feldgedichte der Blumgenoß-Hirten an der Pegnitz/ Geistliches Inhalts: meist verfasset/ vnd hervorgegeben durch Floridan (Nürnberg, Wolfgang Eberhard Felsecker 1679).389 Darin auch einige Beiträge Klajs: – 2. Teil, S. 37–39: Glück der Seelen/ Wunsch der Zeiten … (in: S. 1–110: EhrenGedächtnis der Edlen Magdalis an der Ilmenau A. C. M DC LI; siehe 1650 Mai 11 und 1670 Feb 14) – 2. Teil, S. 150 f.: Klajus. Zwo Hände sich verbinden … (in: S. 111–152: GOtt-andächtige Winters-Betrachtung: verfasset durch Floridan; siehe 1655 Sep 15 und 1679 Sep 04) Eine unter Aufsicht von Magnus Daniel Omeis in Altdorf gehaltene akademische Rede (Georg Wolfgang Carbach: Oratio de palmariis iisque hodie florentibus eruditorum Societatibus)390 übernimmt fälschlicherweise das von Birken stammende Jahr 1642 als Gründungsjahr des Pegnesischen Blumenordens – ein Datum, das Omeis auch später noch weiterverbreitet.391 Tod Birkens in Nürnberg. Der schweinfurtische Konsulent Johann Hoefel (1600–1683) nimmt ein Lied Klajs in sein Historisches Gesang-Buch (Schleusingen, Sebastian Göbel 1681) auf:
1679 Sep 25
1680
1681 Jun 12 1681
387 388 389 390 391
149
Keller, Weihnachtsdichtung, S. 11. Belege bei Amarantes, Nachricht, S. 11-13. Stauffer, Birken I, S. 123; ebd. II, S. 1040–1043. VD17: 7:691167B. Amarantes, Nachricht, fol. )(v–)(2r sowie S. 11–13.
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Werner Wilhelm Schnabel
–
S. 119–122: Von Jonathan/ dem kühnen Helden. 1. Samuel, 14. Joh. Klajus/ Pfarrer zu Kitzingen. Mel. Wie schön leuchtet der Morgenstern. 1. EJnst sprach der kühne Jonathan/ … In der ‚Betrübten Pegnesis‘, einer Erinnerungsschrift des Blumenordens an seinen früheren Präses, wird der Stellenwert Klajs als Impulsgeber und poetischer Lehrer Birkens und Martin Limburgers ausdrücklich herausgehoben (siehe 1644 Okt). Habilitationsdisputation des Leipziger Magisters Erdmann Neumeister (1671–1756). Druck unter dem Titel De POËTIS GERMANICIS Hujus seculi præcipuis Dissertatio Compendiara. Additæ et sunt POËTRIÆ; Haud raro etiam, ut virtutis in utroque sexu gloria eo magis elucescat, comparebunt POËTASTRI. De singulis vero H. L. Q. S. ad diem XVI. Januarii exponent publice M. Erdmann Neumeister/ et Friedrich Grohmann (o.O. 1695).392 Darin wird anhand eines kurzen Textausschnitts Klajs angeblich affektierte und unschickliche Schreibart getadelt, die leicht Überdruss erwecke; andererseits hätte er mit seiner Einbildungskraft nach Überzeugung des Verfassers durchaus ein herausragender Dichter werden können (S. 60 f.).393 Die auf gewandelten poetologischen Werthorizonten beruhende Charakterisierung wird unverändert auch in die Ausgaben von 1706 und 1708 übernommen. – S. 60: Es blincken/ es flincken/ es wincken die Sternen/ … Im ‚Hildburghausischen Gesangbuch‘394 findet sich unter Nr. 495 ein Lied Klajs: – S. 514 f.: Ioh. Klaius. Mel. Jch hab mein Sach GOTT etc. JCh hab ein’n guten Kampff gekämpfft/ … Im ‚Schleusingischen Gesangbuch‘ (Geistliche Hertzens-Music/ Oder Neu-verfertigtes Schleusingisches Gesangbuch/ Darinnen Herrn D. Mart. Lutheri Wie auch anderer Evangelischer Lehrer und frommer Christen/ Geist- und Trost-reiche Psalmen und Lieder/ neben etlichen lateinischen Hymnis und Kirchen-Collecten/ nach Ordnung der Jahrs-Zeiten/ des Catechismi/ und anderer gewissen Titul/ Samt einer Zugabe/ christlicher Morgen- und
1684
1695 Jan 16
1700 ca.
1701
392 VD17: 39:150056D. 393 Herdegen, Nachricht, S. 237; Wiedemann, Klaj, S. 25–27; Neumeister, De poetis, S. 196 f. 394 http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10590257.html.
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Abend-Gebet befindlich. Schleusingen: Sebastian Göbels sel. Erben, Georg Wilhelm Göbel) findet sich ein Lied Klajs: – S. 537: Ich hab ein guten Kampf gekämpft … Die Gründliche Anleitung Zur Teutschen accuraten Reim- und Dicht-Kunst/ durch richtige Lehr-Art/ deutliche Reguln und reine Exempel vorgestellet […] (Nürnberg, Wolfgang Michahelles 1704) des Altdorfer Poetikprofessors und Präses des PBO Magnus Daniel Omeis (1646–1708) würdigt Klaj als einen hurtigund tiefsinnigen Poëten (S. 44), spart sein Werk unter den Textbeispielen aus dem Wirken des Blumenordens aber weitestgehend aus. Von der experimentellen Lyrik Klajs distanziert er sich mittelbar, indem er den Mitgliedern des PBO aufträgt, sich der neuen unbekannten Wörter/ und der verworfenen Zusammenfügungen in den Versen [zu] enthalten (S. 50). Der Theologe und Hymnologe Johann Caspar Wetzel (1691– 1755) widmet Klaj in seiner ‚Historischen Lebensbeschreibung der berühmtesten Liederdichter‘ einen kurzen Artikel, in dem er Nachdrucke seiner Lieder in zwei Gesangbüchern nachweist, aber auch auf die kritische Bewertung des Autors durch Neumeister (siehe 1695 Jan 16) hinweist.395 Der Mediziner und Schriftsteller Daniel Wilhelm Triller (1695– 1782) kritisiert Klajs ‚Leidenden Christus‘ in seiner eigenen Übersetzung des ‚Christus Patiens‘ von Hugo Grotius, da er zu frei mit seiner Vorlage umgegangen sei.396 Johann Christoph Gottsched (1700–1766) zieht in seiner ‚Critischen Dichtkunst‘ (2. Aufl.) Zitate aus Klajs Gedichten als abschreckende Beispiele lächerlicher Lautmalerei und verunglückter Wortspiele heran.397 Der braunschweig-lüneburgische Jurist, Archivar und Historiker Johann Gottfried von Meiern (1692–1745) nimmt in seine Dokumentensammlung zu den Nürnberger Friedensexekutionsverhandlungen auch einen Gedichttext über das Feuerwerk zum Abschluss der Verhandlungen (Castell des Unfrie
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395 Wetzel, Liederdichter II, S. 42. 396 Wiedemann, Klaj, S. 27 f. 397 Gottsched, Dichtkunst 1737, S. 222 f. und 237 (VII. Hauptstück, § 14 und § 29); die Passage wird weitgehend unverändert auch in den späteren Auflagen (3. Aufl. 1742 und 4. Aufl. 1751: S. 236 f., 252 f.) übernommen.
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dens) auf, das von Johann Klay, gekrönten Poeten, Reimweis besungen und mit Anmerckungen erläutert worden sei.398 (vgl. 1650 Okt 25) Der Leipziger Student und Gottschedianer Johann Elias Schlegel (1719–1749) bespricht Herodes der Kindermörder, nach Art eines Trauerspieles ausgebildet und in Nürnberg einer teutschliebenden Gemeine vorgestellet, durch Johann Klaj. Nürnberg 1645 außerordentlich kritisch in den ‚Beyträge[n] zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit, herausgegeben von einigen Liebhabern der deutschen Litteratur‘ (Bd. 7, Leipzig 1741, 27. Stück, S. 355–378). Er entdeckt in diesem Stück, welches so gar lächerlich ist, die gröbsten Fehler gegen die Regeln der Dramatik. In der dritten Auflage seiner ‚Critischen Dichtkunst’ nimmt Gottsched ein neues Beispiel aus Klajs ‚Der leidende Christus‘ (V. 735–738) als Beispiel einer sapphischen Odenstrophe auf.399 An anderer Stelle führt er Klaj als einen von etlichen Autoren an, die sich bemüht hätten, die Möglichkeiten verschiedener Silbenmaße auch im Deutschen zu zeigen und allerlei Exempel davon zu geben.400 Eine schon von Georg Andreas Will401 monierte Verwechslung mit Johannes Clajus d.Ä. (1535–1592) liegt nicht vor, da Clajus in seiner ‚Prosodia‘ von 1589 lediglich lateinische Beispiele anführt, Gottsched hier aber auf die deutsche Dichtungspraxis, nicht auf eine poetologische Lehrschrift Bezug nimmt. Der Nürnberger Heiliggeist-Prediger und Professor für Logik und Hebräisch am Auditorium publicum Johann Herdegen (1692–1750) (PBO: Amarantes) stellt in seiner Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Pegnesischen Blumenordens Biographien der bisherigen Mitglieder zusammen und gibt dabei auch knappe Informationen zu Klajs Lebenslauf und
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398 Meiern, Acta Pacis Executionis, S. 445–447. 399 Gottsched, Dichtkunst 1742, S. 397 (Kap. XII, § 21) (= Ausgew. Werke VI/1, 1971, S. 477); desgleichen in der 4. Aufl. 1751, S. 400 (12. Hauptstück, § 23). 400 Gottsched, Dichtkunst 1742, S. 385 (Kap. XII, § 9) (=Ausgew. Werke VI/1, 1971, S. 464); desgleichen in der 4. Aufl. 1751, S. 386 (XII. Hauptstück, § 9). 401 Will, Gelehrtenlexikon I, S. 195 f. So auch noch der Kommentar in den Ausgewählten Werken Gottscheds von 1978 (Bd. VI/4, S. 111).
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Schriften. Dabei distanziert er sich von der manieristischen Dichtart des Ordensmitgründers.402 In den ‚Acta Scholastica‘ wird unter den „Schul-Nachrichten“ ein kurzes Biogramm Klajs geboten, das auf den Angaben Wetzels und Herdegens beruht und erstmals sein vermeintliches Geburtsjahr nennt.403 Der Altdorfer Historiker Georg Andreas Will (1727–1798) nimmt Klaj in sein ‚Nürnbergisches Gelehrtenlexikon‘ auf, wobei er die skeptischen Wertungen bezüglich seiner gar gezwungenen Schreibart übernimmt.404 Johann Christoph Gottsched (1700–1766) behandelt mehrere Schualctus Klajs in seinem ‚Nötigen Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst‘. Da er deren Machart allerdings nicht recht in sein poetologisches System einer klaren Scheidung von Epik und Dramatik einordnen kann, veranlasst ihn das zu Bewertungen wie ein recht sonderbares Stück oder ein wunderliches Stück – immerhin werde die Handlung in wunderlich vermischten Liedern, langen Versen, Gesprächen und andern übertriebenen Erfindungen vermittelt. Zudem sei die Schreibart sehr schwülstig, und voll falsches Witzes. Mit dem Singspiel ‚Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Christi‘ sei gleichsam der Anfang mit musicalischen Sachen in der Kirche gemacht worden.405 Aufnahme des Klaj-Gedichts über die Schießveranstaltung auf der Hallerwiese aus dem Geburtstag des Friedens von 1650 in: Vom Nahmen der Hallerwiese. Ein Nachtrag zu den heurigen Lustbarkeiten daselbst. (O.O. 1768, 4 Bll., 8°).406 Der Göttinger Philosophieprofessor und Literarhistoriker Friedrich Bouterwek (1766–1828) konstatiert in seiner ‚Geschichte der Poesie und Beredsamkeit‘, dass Klaj für die lyrische Poesie geboren war, über lyrische Wärme und eine gewisse Anmuth des Styls verfügt habe. Nur durch falsche Einflüsse habe
Amarantes, Nachricht, S. 234–238. Biedermann, Acta scholastica V, S. 383 f. Will/Nopitsch, Gelehrtenlexikon I, 1755, S. 195–197; ebd. V, 1802, S. 166. Gottsched, Nötiger Vorrat, 1757, S. 197–199, 204. StadtBN: Will I 9. 8°.
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er sich auf dramatische Texte eingelassen, wo er nur lyrische Sprecher habe auftreten lassen.407 Der Dessauer Bibliothekar und Dichter Wilhelm Müller (1794– 1827) füllt den 9. Band seiner Anthologiereihe ‚Bibliothek deutscher Dichter des siebzehnten Jahrhunderts‘ durch Auserlesene Gedichte von Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj, Sigmund von Birken, Andreas Scultetus, Justus Georg Schottel, Adam Olearius und Johann Scheffler (Leipzig, F. A. Brockhaus 1826, zu Klaj S. 65–76). Der Basler Philologe und Kulturhistoriker Wilhelm Wackernagel (1806–1869) druckt in seinen ‚Proben der deutschen Poesie seit dem Jahre MD‘ (Deutsches Lesebuch, 2; Basel ²1840) mehrere Ausschnitte aus Dichtungen Klajs ab (Sp. 409–414). Zahlreiche Ausschnitte aus Klajs Dichtungen versammeln die von dem Berliner Historiker und Theologen Friedrich August Pischon (1785–1857) herausgegebenen Denkmäler der deutschen Sprache von den frühesten Zeiten bis jetzt. Eine vollständige Beispielsammlung zu seinem Leitfaden der Geschichte der deutschen Literatur […]. Dritter Theil, welcher die Zeit vom Jahre 1620 bis 1720 umfasst (Berlin, Duncker und Humblot 1843, S. 339–350). Der Germanist Friedrich Julius Tittmann (1814–1883) publiziert seine Göttinger Habilitationsschrift über die ‚Nürnberger Dichterschule‘, zu der er neben den beiden schöpferischen Ordensgründern Harsdörffer und Klaj v. a. den angeblich unkreativeren Birken zählt.408 Der Dresdener Hofbibliothekar und Literaturhistoriker Johann Georg Theodor Grässe (1814–1885) schätzt Klaj als wo möglich noch affectirter, witzloser und platter, als seine schon angeführten beiden andern Cumpane (Harsdörffer und Birken) ein und rechnet ihn in die große Anzahl der literarischen Sonderlinge der Deutschen Vorzeit. Insbesondere kritisiert er dessen ‚blümelnde‘ Kirchenlieder und die Friedensdichtungen, die ihm saft-, kraft- und geschmacklos erscheinen.409
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407 Bouterwek, Geschichte X, S. 183–185, 266–273, hier S. 184 und 266. 408 Stauffer, Birken I, S. XLIII. 409 Grässe, Geschichte III, S. 581, 589, 598.
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Der Berliner Obertribunalrat und Musikwissenschaftler Carl von Winterfeld (1784–1852) widmet der Zusammenarbeit von Klaj und Sigmund Theophil Staden (fälschlich: Johann Staden) im Anschluss an Tittmann ein Kapitel in seinem Buch ‚Zur Geschichte heiliger Tonkunst‘ und geht darin dem Verhältnis zum evangelischen Oratorium nach.410 Der Hymnologe Albert Friedrich Wilhelm Fischer (1829–1896) rechnet Klajs Lied ‚Ich hab ein guten Kampf gekämpft‘ zu den 4500 wichtigsten und verbreitetsten Kirchenliedern aller Zeiten.411 In die ‚Allgemeine Deutsche Biographie‘ wird ein biographischer Artikel zu Klaj aufgenommen, den der Leipziger Privatdozent für Deutsche Sprache und Literatur Wilhelm Creizenach (1851–1919) verfasst hat.412 Zum 250. Jubiläum der Gründung des Pegnesischen Blumenordens wird der Irrhain bei Kraftshof instandgesetzt. Bei dieser Gelegenheit wird ein ursprünglich für den mäzenatischen Tuchhändler Johann Friedrich Heinrich Cramer („Irenander“) († 1778) erbauter Gedenkstein umgewidmet an Harsdörffer als den Gründer des Blumenordens 1644 und mit einer bronzenen Porträttafel des Patriziers versehen. Der Mitgründer Klaj und Birken, der einflussreichste Autor der Frühzeit des Ordens, werden nur auf den Seiten ohne weitere Auszeichnung erwähnt.413 Albin Franz veröffentlicht eine erste Monographie zu Klaj und seinem Schaffen, die noch auf viele im Zweiten Weltkrieg in Würzburg zerstörte Quellen zurückgreifen kann. Die Untersuchung ist auf Veranlassung des Marburger Germanisten Ernst Elster (1860–1940) entstanden. Die Hymnologen Albert Friedrich Wilhelm Fischer und Wilhelm Tümpel (1855–1915) nehmen mehrere Texte Klajs in den 5. Band ihrer großangelegten Sammlung ‚Das deutsche evangelische Kirchenlied des siebzehnten Jahrhunderts‘ auf: – S. 31–33 (Nr. 38): Ein Lied von dem himlischen Pelican, JEsu Christo … ENtbrenne du, mein gantzes Jch …
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Winterfeld, Tonkunst I, S. 86–110. Fischer, Kirchenlieder-Lexicon I, S. 334. ADB 16, 1882, S. 50 f. Rusam, Irrhain, S. 42 f., 50, 58 f.
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–
S. 33: (Nr. 39): AbendLied … DJe Sonn hat sich verkrochen, … – S. 34–35 (Nr. 40): Ein Lied, Von deß H. Abendmahls Nutzen, abgesehen auß dem Eingang der fünfften Predigt … EJns sprach der kühne Jonathan … – S. 35 f. (Nr. 41): Psalm 133. Jn der Stimme: Allein Gott in der Höh. 1. WJe treflich schön und überfein … – S. 36 (Nr. 42): Sterbelied … ICh hab ein guten Kampff gekämpfft … Der Wiener Komponist Ernst Krenek (1900–1991) vertont in seiner ‚Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen‘ (op. 72) einen Textausschnitt Klajs aus dem ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘.414 Willi Flemming (1888–1980) nimmt Klajs ‚Geburt Jesu Christi‘ in seine Oratorien- und Festspiel-Anthologie auf und würdigt den sprachmusikalischen Ansatz des Autors.415 Herbert Cysarz (1896–1985) würdigt Klaj als den bedeutendsten Nürnberger Barockdichter und einen der größten seines Jahrhunderts.416 Der tschechisch-jüdische Komponist Gideon Klein (1919– 1945) vertont in seinen ‚Drei Liedern op. 1 Hohe Stimme und Klavier‘ neben Gedichten von Goethe und Hölderlin unter dem Titel ‚The Fountain‘ auch einen Textausschnitt Klajs aus dem ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘.417 Der aus Wien stammende und in Prag lebende Übersetzer Erik Adolf Saudek (1904–1963), ps. Karel Brož, nimmt den KlajText in seine Anthologie deutscher Barockautoren auf, den er im Jahr zuvor für Gideon Klein übertragen hat.418 Bei einer Bombardierung der Würzburger Innenstadt durch die US-amerikanische Luftwaffe419 werden wichtige Bestände des Kreisarchivs (heute Staatsarchivs) Würzburg vernichtet,
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1933
1937
1940
1941
1944 Jul 21
414 Siehe den Beitrag von Thorsten Preuß in diesem Band. 415 Wiedemann, Klaj, S. 33. 416 Cysarz, Barocklyrik I, S. 64. 417 Siehe den Beitrag von Thorsten Preuß in diesem Band. 418 Karel Brož: Růže Ran.Básnĕ nĕeckého baroku. Prag 1941; Erik A. Saudek: Labut´a růže. Překlady poezie od Shakespeara k Rilkovi. 2. Aufl. Prag 1997. Siehe den Beitrag von Thorsten Preuß in diesem Band. 419 Siehe Knell, Untergang, S. 14–16.
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1955
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darunter zahlreiche Materialien zur Kitzinger Wirkungszeit Klajs und seinem Verhältnis zum Würzburger Bischof. Der Schweizer Komponist Peter Mieg (1909–1990) vertont in einem ‚Barock-Zyklus‘ auch einen Textausschnitt Klajs aus dem ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘.420 Der amerikanische Germanist Blake Lee Spahr (1924–2006) veröffentlicht seinen Führer zum Archiv des Pegnesischen Blumenordens, der erstmals einen Überblick über die dort lagernden Handschriften und reichhaltige Informationen zum Umfeld Birkens gibt. Der Wiener Schriftsteller Gerhard Rühm (* 1930) gibt eine kleine Anthologie über die Pegnitzschäfer heraus, die einen Neuabdruck von Gedichten u. a. aus dem ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘ und aus Klajs ‚Geburtstag des Friedens‘ bietet.421 Neuauflage der ein gutes Jahrhundert alten Untersuchung von Julius Tittmann über die ‚Nürnberger Dichterschule‘ (siehe 1847). Conrad Wiedemann (* 1937) gibt auf Veranlassung von Erich Trunz (1905–2001) einen auf zwei Bände angelegten reprographischen Nachdruck von Werken Klajs heraus, dessen erster Band sechs ‚Redeoratorien‘ und die ‚Lobrede der Teutschen Poeterey‘ enthält. Klaus Garber (* 1937) publiziert einen reprographischen Neudruck des ‚Pegnesischen Schäfergedichts‘ und seiner Fortsetzung. Conrad Wiedemann veröffentlicht die bahnbrechende Untersuchung „Johann Klaj und seine Redeoratorien“. Mit der von Heinz-Otto Burger (1903–1994) geförderten Arbeit rückt er den bis dahin kaum beachteten Autor in den Fokus der Barockforschung. In Wien entsteht eine Dissertation über die geistlichen Spiele Klajs.422 Conrad Wiedemann publiziert einen reprographischen Nachdruck der ‚Friedensdichtungen und kleineren poetischen Schriften‘ Klajs.
1965
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1966
1966
1967 1968
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420 Siehe den Beitrag von Irmgard Scheitler in diesem Band. 421 Rühm, Pegnitzschäfer, S. 10, 12, 14–15, 20–23, 26, 36 f., 40 f., 45 f., 48 f., 67. 422 Görlich, Spiele.
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Martin Keller gibt ein Buch zu ‚Johann Klajs Weihnachtsdichtung‘ heraus, in dem er das ‚Freudengedichte‘ von 1650 ediert und eingehend kommentiert; dabei werden u. a. auch präzise Aussagen zu Klajs Lektüreerfahrungen gemacht. Thomas Bürger (* 1953) entdeckt in den Nürnberger Stadtrechnungsbelegen zwei handschriftliche Zueignungsgedichte Klajs an den Nürnberger Rat.423 Markus Paul revidiert in seiner Erlanger Dissertation ‚Reichsstadt und Schauspiel‘ tradierte Einschätzungen der Klajschen ‚Redeoratorien‘ und kann sie als Schulactus im Zusammenhang des Auditorium publicum identifizieren.424 Dieter Martin (* 1962) macht ein bisher unbekanntes Buchbegleitgedicht Klajs zu einem Emblembuch nach Petrarca-Motiven zugänglich.425 Renate Jürgensen stellt mit ihrem biobibliographischen Repertorium „Melos conspirant singuli in unum“ auch die KlajPhilologie auf ein gänzlich neues Fundament, indem sie eine Fülle bislang unbekannter Casualschriften Klajs namhaft macht und mit Standortnachweisen versieht.426 Im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, dem Verwahrort des Archivs des Pegnesischen Blumenordens, findet unter dem Titel „Johann Klaj (1616–1656). Friedensdichter – Poet – Theologe“ eine internationale und interdisziplinäre Tagung zu seinem 400. Geburtstag statt. Es handelt sich um die erste wissenschaftliche Tagung, die speziell diesem Autor gewidmet ist. Organisation: Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Im Rahmen der Tagung findet in der Nürnberger Sebalduskirche ein von Irmgard Scheitler (* 1950) moderiertes Gesprächskonzert mit vertonten Texten Klajs und seines unmittelbaren Umfelds statt. Darbietende: Manja Stephan (Sopran), Katja Kuzminykh (Viola da gamba) und Margit Schultheiß (Harfe/ Continuo).
1984
2002
2006
2006
2016 Sep 22–24
2016 Sep 23
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Bürger, Und giebet. Paul, Reichsstadt, S. 235–280. Martin, Petrarcas „Glück und Unglück-Spiegel“ Jürgensen, Melos, 2006, S. 50–63 u. passim.
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2016 Dez 10
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Musikalisches Feature von Thorsten Preuß im Rundfunkprogramm BR-Klassik unter dem Titel „Was Teutschen behagt, ich hab es gesagt“ als Hommage auf den 400. Geburtstag Klajs.
Archivalien Dekanatsarchiv Kitzingen: Taufbuch Kitzingen 1652. GFF (Gesellschaft für Familienforschung in Franken, Nürnberg): FR 142 (Walter Schneider: Personen-Verzeichnis der Evang.-Luther. Kirchengemeinde Kitzingen am Main 1533–1904). GNM (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Bibliothek): Hs. 152.818a (Stammbuch Sigismund Betulius / Sigmund von Birken). PBlO.C.352.4 (Brief Johann Georg Styrzels an Sigismund Betulius, 24.8.1649). LAELKB (Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg): Kons. Bayreuth, Nr. 2487, tom. I (Pfr. Schöner / Pfr. Kaiser, Pfarrbuch oder allgemeine Beschreibung des gesammten Kirchenwesens in der evangel. luther. Pfarrei Kitzingen, Dec. Kleinlangheim, 1833). Pfarrarchiv Nürnberg-St. Lorenz, Kirchenbuch L 56 (Proklamationen St. Sebald und St. Lorenz 1646–1668). Pfarrarchiv Nürnberg-St. Sebald, Kirchenbücher S 8 (Taufen 1632–1654) und S 25 (Trauungen 1641–1663). Verzettelungen der Nürnberger Kirchenbücher.
NsStaatsAO (Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg): Slg 10, Best. 297 J, Nr. 106 (Stammbuch Theodor Schäffer).
StaatsAN (Staatsarchiv Nürnberg): Rep. 52a, Nürnberger Handschriften, Nr. 433 (Naturkatastrophen in Nürnberg). Rep. 52a, Nürnberger Handschrift 472 (Nürnberger Chronik bis 1673), 475 (Nürnberger Chronik 1601–1690). Rep. 54a II, Reichsstadt Nürnberg, Losungamt, Stadtrechnungsbelege, Bündel 866. Rep. 52b, Reichsstadt Nürnberg, Amts- und Standbücher, Nr. 311 (Bürgerrechtsaufnahmen 1631–1725). Rep. 60a: Reichsstadt Nürnberg, Verlässe des Inneren Rates, Nr. 2374.
StadtAN (Stadtarchiv Nürnberg): E 17/I, Nr. 814 (Nürnberger Chronik bis 1679).
StadtBN (Stadtbibliothek Nürnberg, Handschriftenabteilung): Nor. H. 1289 (Stammbuch Paul Wilhelm Bert).
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UBE (Universitätsbibliothek Erlangen, Handschriftenabteilung): Ms. 2405 (Matricula illorum, qui apostolico ordinationis ritu ad S.S. Ministerium inaugurati fuerunt [Altdorfer Ordiniertenbuch 1583–1807]). WLB (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart): Cod. hist. 2° 889–5, fol. 114r (Blatt aus dem Stammbuch Johannes Vetter).
Gedruckte Quellen und Literatur (ohne die Beiträge dieses Bandes) Abelin, Johann Philipp: Historische Chronick Oder Warhaffte Beschreibung aller vornehmen vnd denckwürdigen Geschichten/ so sich hin vnd wider in der Welt/ von Anno Christi 1629. biß auff das Jahr 1633. zugetragen […]. Frankfurt/M. 1633. Aign, Theodor: Das große Diherrbuch. In: Mitteilungen aus der Stadtbibliothek Nürnberg 12/3 (1963), S. 1–11. Amarantes [= Johann Herdegen]: Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- und BlumenOrdens an der Pegnitz Anfang und Fortgang/ biß auf das durch Göttl. Güte erreichte Hundertste Jahr […]. Nürnberg 1744. Bircher, Martin: „Herren Wolfgang Franckens Namensgedächtnüß“. Eine unbekannte Dichtung von Johann Klaj. In: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 21 (1994), S. 26–29. Die Betrübte Pegnesis/ Den Leben/ Kunst- und Tugend-Wandel Des Seelig-Edlen Floridans/ H. Sigm. von Birken/ Com. Pal. Cæs. Durch 24 Sinn-bilder/ in Kupfern Zur schuldigen NachEhre/ fürstellend/ Und mit Gespräch- und Reim-Gedichten erklärend/ Durch ihre BlumenHirten. Nürnberg 1684. Biedermann, Johann Gottlieb: Acta Scholastica, Worinnen nebst einem gründlichen Auszuge derer auserlensten Programmatum der gegenwärtige Zustand Derer Berühmtesten Schulen und der dahin gehörigen Gelehrsamkeit entdecket wird. Bd. V. Leipzig (1745). Birken, Sigmund von: Betuletum. Hg. v. Hartmut Laufhütte / Ralf Schuster. 2 Bde. Berlin, Boston 2017 (Werke und Korrespondenzen, 4/1–2 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 90– 91). Birken, Sigmund von: Birken-Wälder. Hg. v. Klaus Garber / Christoph Hendel / Hartmut Laufhütte. 2 Bde. Berlin, Boston 2014 (Werke und Korrespondenzen, 2/I–II = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 77–78). [Birken, Briefwechsel 9] Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Georg Philipp Harsdörffer, Johann Rist, Justus Georg Schottelius, Johann Wilhelm von Stubenberg und Gottlieb von Windischgrätz. Hg. von Hartmut Laufhütte / Ralf Schuster. 2 Bde. Berlin, Boston 2007 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 9/1–2 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 53–54). [Birken, Briefwechsel 11] Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer und Caspar von Lilien. Hg. von Almut Laufhütte / Hartmut Laufhütte / Ralf Schuster. 2 Bde. Berlin, Boston 2015 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 11/1–2 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 81–82). [Birken, Briefwechsel 13] Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Mitgliedern des Pegnesischen Blumenordens und literarischen Freunden im Ostseeraum. Hg. von Hartmut
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Laufhütte / Ralf Schuster. 2 Bde. Berlin, Boston 2012 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 13/1–2 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 65–66). Birken, Sigmund von: Prosapia / Biographia. Hg. von Dietrich Jöns und Hartmut Laufhütte. Tübingen 1988 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 14 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 41). [Birken, Tagebücher] Die Tagebücher des Sigmund von Birken. 2 Bde. Hg. von Joachim Kröll. Würzburg 1971/74 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII/6,1–2). Bouterwek, Friedrich: Geschichte der Poesie und Beredsamkeit seit dem Ende des 13. Jahrhunderts. Bd. 10. Göttingen 1817 (Geschichte der Künste und Wissenschaften, III/10). Brommer, Hanna: Rekatholisierung mit und ohne System. Die Hochstifte Würzburg und Bamberg im Vergleich (ca. 1555–1700). Göttingen 2014. Buchwald, G[eorg Apollo]: Geschichte der Evangelischen Gemeinde zu Kitzingen. Aus den Urkunden erzählt. Leipzig 1898. Bürger, Thomas: „Und giebet auch den Kleinesten das leben“: zu zwei handschriftlichen Gedichten Johann Klajs. In: Wolfenbütteler Barocknachrichten 11 (1984), S. 1–5. Burger, Helene / Hermann Erhard / Hans Wiedemann: Pfarrerbuch Bayerisch-Schwaben (ehemalige Territorien Grafschaft Oettingen, Reichsstädte Augsburg, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Memmingen, Nördlingen und Pfareien der Reichsritterschaft in Schwaben). Neustadt/A. 2001 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 77). Burkhardt, C[arl] A[ugust] H[ugo]: Aus dem Briefwechsel Sigmund von Birkens und Georg Neumarks 1656–1669. In: Euphorion, Ergänzungsheft 3 (1897), S. 12–55. Conermann, Klaus: Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft 1617–1650. 527 Biographien, Transskription aller handschriftlichen Eintragungen und Kommentare zu den Abbildungen und Texten im Köthener Gesellschaftsbuch. Weinheim, Deerfield Beach FL 1985 (Fruchtbringende Gesellschaft. Der Fruchtbringenden Gesellschaft geöffneter Erzschrein. Das Köthener Gesellschaftsbuch Fürst Ludwigs I. von Anhalt-Köthen 1617–1650, 3). Coupe, William A.: The German Illustrated Broadsheet in the Seventeenth Century. Historical and Iconographical Studies. 2 Bde. Baden-Baden 1966–1967 (Bibliotheca Bibliographica Aureliana, 17 und 20). Cysarz, Herbert: Barocklyrik. Bd. I: Vor- und Frühbarock. Leipzig 1937. Dissel, Karl: Philipp von Zesen und die Deutschgesinnte Genossenschaft. Wissenschaftliche Beilage zum Osterprogramm des Wilhelm-Gymnasiums in Hamburg 1890. Hamburg 1890. Dünnhaupt, Gerhard: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Zweite, verbesserte und wesentlich vermehrte Auflage des Bibliographischen Handbuches der Barockliteratur. 6 Tle. Stuttgart 1990–1993. Elmore, Lamar: Johannes Klaj’s Last Known Work. In: Modern Language Notes 93/3 (1978), S. 361–373. Endres, Rudolf: Endzeit des Dreißigjährigen Krieges. In: Gerhard Pfeiffer (Hg.): Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt. München 1971, S. 272–279. Erler, Georg (Hg.): Die jüngere Matrikel der Universität Leipzig 1559–1809. Bd. I: Die Immatrikulationen vom Wintersemester 1559 bis zum Sommersemester 1634. Leipzig 1909. Ernstberger, Anton: Ausklang des Westfälischen Friedens am Nürnberger Reichskonvent 1648– 1650. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 31 (1968), S. 259–285. Faber du Faur, Curt von: German Baroque Literature, Yale Collection. Mikrofilmedition. 1971. Fischer, Albert Friedrich Wilhelm: Kirchenlieder-Lexicon. Hymnologisch-literarische Nachweisungen über ca. 4500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder aller Zeiten in alphabetischer Folge nebst einer Uebersicht der Liederdichter. 2 Bde. Gotha 1878–1879.
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Werner Wilhelm Schnabel
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Index der Titel und Initien Klajscher Texte (Die Lemmata erscheinen hier in modernisierter Form) Abbildung der bei der völlig-geschlossenen Friedens-Unterschreibung gehaltenen Session 1650 Jun 16 Abbildung des schwedischen Löwens 1649 Sep 25 Abendlied 1646, 1911 Ach Deutschland, nicht mehr deutsches Land 1646, (1646) Ach Gott, ach Gott, er ist hinweggegangen 1646 Jul 27
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Ach Gott, was ist es doch um aller Menschen Leben? 1646 Sep 24 Ach hätten doch die Sternen bracht 1648 Jan 01 Ach ihr mordergrimmten Waffen 1646 Feb 13 Ach, Gegenhall, ich will dich etwas fragen 1644 Okt 14 Adam und Evens Paradieshochzeit 1644 Dez 27 Aller verlaßnen Wittiben und vaterlosen Waisen zu Gott im Himmel abgeschicktes Seufzen und erhöhrtes Gebet 1652 Alles ist eitel 1646 Sep 24 Alles was lebet und webet, das liebet. Alles was liebet, ist stetig betrübet 1644 Okt 14 Allusio ad concionem inauguralem 1646 Nov 29 Allzufrühes Ableben des durchleuchtigen … Johann Ludwig, Pfaltzgrafen bei Rhein 1649 Okt 20 Alma Themis viroque gerens Astrea bilancem 1644 Sep 22 Als der güldne Sonnenpracht seine Flammen aufgestecket 1644 Okt 14 Als Deutschland Gott durch seine Macht 1650 Als nun des Himmels Zier, die Sonn’, ihr Tage-Reise (um 1650) Amor cos poetarum 1655 Anfang An den Herrn Hochzeiter 1645 Mär 10 An den Suchenden 1651 Aug 20 An die Gäste, Freudenwecker 1645 Mär 10 Anapestische Ringelreimen an Herrn Christian Nicolai, als derselbe zu Altdorf eine Unterredung von Abtretung der Güter gehalten 1644 Nov Andachtslieder 1646 Armbrust-Schießen, welches den 29. Heu-Monats seinen Anfang und den 28. des Augusts sein freudiges End genommen 1650 Jul 20, 1650 Okt 25 Auf, auf, mein Geist nimm Flügel 1646 Auf, güldenes Leben! Glückliche Nacht 1644 Okt 14 Auferstehung Jesu Christi, in jetzt neuübliche hochdeutsche Reimarten verfasset 1644 Apr 23, 1644 Apr 24, 1644 Mai 25 Auff singet dem Herren 1650 Augusti Buchneri Joas 1642 Dez Auson die Kalbe lob, die Myron hat gegossen 1650 Okt 25 Außerhalb der Neronsmauren 1646 Dez 17 Austeilung der Friedenschilling 1650 Okt 25 Bei Eder, jenem Turm, ging dorten auf der Weide 1679 Sep 04 Bellona, welche dich begabt mit wehrten Palmen 1651 Anfang Belobungen der unüberwindlichen Jesus-Burg 1648 Mai 26 Besieger des Volkes, Entscheider des zweyen 1644 Nov Bleich ist jetzt die beste Lust 1652 Aug 04 Böckereiten, Gabelfahren, Unzucht-Tänze, Adlers-Klauen (1644/50), 1668 Candidissime lucidissimorum 1649 Okt 10 Castell des Unfriedens 1650 Okt 25, 1738 Catharinalia Gamica 1650 Nov 25 Christlich-gottselige Betrachtung des vollgültigen Leidens Jesu Christi und deren allhier vorgebildeten Werkzeuge (1644/50) Christlich-wohlgemeintes Grabmal 1648 Mai 26 Coeli et Concordia Terrae 1649 Mär 01 Coelico micat theatro Coelicum Symphonia 1649 Nov?
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Concertatio Pastoralis Anacreontica, alternatim decantata 1644 Okt 14 Cum Deo et Musis 1643 Dez 25 Cygnus arundiferis, pede remige navigat undis ceu vorticosus balneat? 1651 Dez 05 Da die güldne Sonnen-Kerze in dem Märze 1650 Mär 04 Da, wo der Pegnitz-Fluß sich aus der Stadt ergeußt 1650 Jul 20, 1650 Okt 25 Damit die Kinder auch des Friedens möchten denken 1650 Okt 25 Das allgemeine Weltlicht, die goldbestrahlte Sonne 1645 Mai Das ganze Leben Jesu Christi 1648 Jan 10, 1651 Das menschliche Leben ist eine arbeitsame Schifffahrt 1650 Feb 05 Das mich geboren hat/ hat einen roten Kopf 1673 Jul 11 Das Sein nütz nichts, wenn der nicht, der gibt Sein, sein fein 1648 Jan 01 Das sonder- und wunderbare Geheimnis der Menschwerdung Jesu Christi 1648 Jan 01 Das unbejahrte Jahr, des Jahres Jahrmarkt, strahlet 1648 Mai 24 Daß feine Lieder klingen 1649 Sep 03, 1649 Okt 29 Daß keine Lieder klingen 1649 Sep 03, Okt 29 Daß mein Klee das Kraut der Bienen 1645 Jun 01 David, Geistlicher Orpheus. Psalm 148 1650 Okt 25 Dem Weibsvolk bin ich lieb. Das zauset meinen Bart 1673 Jul 11 Der Deutschen deutscher Sprach sich nirgend andre gleichet 1650 Der Friede mit Deutschland sich heute vermählet 1649 Sep 25 Der Himmel färbet sich, der Tag, der wird zur Nacht (1644/50) Der Höchsten zu der Zeit, als Eva ganz vermessen 1648 Jan 01 Der Hof ist eine Gedultsschule 1648 Mär Der kecke Lachengeck kaxet, kreckt und quackt 1645, 1673 Jul 11 Der leidende Christus, in einem Trauerspiele vorgestellet 1645 Mär 29, 1723, 1742 Der Lenz ist nicht mehr Lenz. Er fleucht wie ein Geflügel 1655 Mai 29 Der Mond hat sich verkrochen zusammt dem Sternenheer 1645 Nov 10 Der Morgenröte Hind wird früh vom Hund gejaget 1647 Der Sommer ist dahin, der Schnitter bindet Garben 1648 Aug 07 Der Stadt- und Landmann sich um diesen Löwen dringet 1649 Sep 25 Der Tod ist allenthalben 1646 Dez 18 Der ungeformte Klumpf lag noch in düstren Dünsten 1644 Dez 27 Der Wiesenklee 1673 Jul 11 Der zweigespitzte Musenberg, denen zweien gekröneten großen Poeten Opitzen und Risten gewidmet 1646 Dez 17 Der, der sich nicht beweibet 1650 Jun 19 Des Dichters Liebe zu dem neugebornen Jesulein 1648 Jan 01 Des Himmelswagenzeug, so träg und rückwarts läuft 1646 Jul Des teuren Gottsgelehrten/ um seine Kirche wohlverdienten, anjetzo sterbenden Predigers, Johann Sauberts, auf dem Todbett ausgepressete Abschiedsworte 1646 Nov 02 Des um die Kirche Gottes wohlverdienten, seligstverblichenen Predigers Herrn M. Cornelii Marxens Himmelabschallender Trost an seine hinterlassene Gemeine … 1646 Jul 27 Die Einfalt 1673 Jul 11 Die feste Jesus-Burg, ihr Jesus-Bürger, schauet 1648 Mai 26 Die gehäufte Sündflut 1651 Anfang Die güldne Sonn in kurzer Zeit durchrennet 1644 Jul 22 Die Göttin des Edlen- und heilsamen Göppinger Sauerbrunnens redend 1644 Jul 31
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Die gute Brodköchin 1649 Apr 02 Die hochbetrübte Frau Wittib redet ihre Freunde und hinterlassene Kinder an 1646 Nov 08 Die jungfräuliche Jugend-Zier 1649 Okt 29 Die kalte Winternacht, die hatte nun umhüllt 1642 Die menschliche Lebenskürz soll man mit Wohltun erlängern 1646 Jan 11 Die mit Klee bekleidten Auen 1645 Nov 17 Die Nymphe Noris an die Stadt Nürnberg 1650 Okt 25 Die sich auf des Himmels Lauf verstehen 1650 Okt 25 Die Sonn hat sich verkrochen 1646, 1911 Die Sonne führt die Pferde 1649 Sep 17 Die Sonne ging bergab mit ihrem Flammenwagen 1649 Sep 29 Die Sonne steiget auf, die Fürstin der Planeten 1644 Okt 14 Die süße Singekunst, das Kind der Kastalinnen 1650 Die tröstliche Zigeunerin 1649 Apr 02 Die weltvermehrende Liebs-Göttin 1648 Aug 27 Die zigeunerischen Kunstgöttinnen, oder: Der freien Künste und Wissenschaften Reisefahrt aus eim Königreich in das ander 1646 Jul Dies ist der Zeiten Lauf von Anbeginn der Zeiten 1649 Jun 06, 1650 Okt 25 Dieser Pierinnen Stadt ihren Preiß mit Recht erhaltet 1650 Dithyrambeis resonabo metris 1646 Dithyrambus nuptialis 1645 Okt 13 Dithyrambus pastoralis 1646 Du guldnes Himmelskind! Du langgewünschtes Gut 1650 Du hast, o Herr, dein Volk geliebt 1650 Du hast vernommen ja, was unser Zanken ist? 1645 Du schöne Kaiserin, du Ausbund deutscher Erden 1644 Okt 14 Du, Daniel, hast deines Prinzen Gunst 1649 Okt 10 Du schöner Nerons-Berg! 1650 Jun 16 Ehre sei Gott in der mächtigen Höhe 1651 Eia gebet, Bräutlein, hin 1645 Mär 10 Eigentliche Abbildung des wegen völliggeschlosenen Reichsfriedens in Nürnberg gehaltenen Armbrustschießens 1650 Jul 20 Eigentlicher Entwurf und Abbildung des gottlosen und verfluchten Zauber-Festes (1644/50) Ein andrer mag im Blut die rote Feder netzen 1650 Jun 16, 1650 Okt 25, 1651 Nov 27 Ein Kinderlied, in welchem das Jesukindlein die Kinder zum Beten und Studieren vermahnet 1648 Jan 10 Ein Kopf voll Sorgenwanken 1645 Nov 17 Ein kühner Schiffersmann, der sich im Herbst will wagen 1648 Aug 21 Ein Lied von dem himmlischen Pelican, Jesu Christo 1645 Dez 15, 1646, 1667, 1911 Ein Lied von des H. Abendmahls Nutzen 1647 Dez 01, 1911 Ein Schiffmann hoffet steif, wenn Mast und Ruder krachen 1648 Ein schön christliches neues Lied, einer christglaubigen angefochtenen Seelen ritterliche Angstkämpfung, männliche Feindsdämpfung, grünende Siegskrönung (1644/50) Ein Wasser, das da fleußt, bleibt hell, und ganz nicht stinket 1650 Jul 20 Einer glaubigen Seelen Verbannisierung der Weltlust Jan 01 Einst sprach der kühne Jonathan 1647 Dez 01, 1653 Aug 19, 1661, 1676 Okt 16, 1681, 1911 En Rosa sculptricis, sculpendo sculpet amoenam 1647 März 31
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Engel- und Drachen-Streit 1649 Sep 29, 1662 Okt 01–02 Entbrenne du, mein ganzes Ich 1645 Dez 15, 1646, 1667, 1676 Okt 16, 1911 Er darf nun nicht mehr sehen 1647 Dez 24 Erklärung des Kupfertitels 1648 Erläuterung (1644/50) Es blinken, es flinken, es winken die Sternen 1695 Jan 16 Es fünken und flinken und blinken buntblümichte Auen 1645, 1673 Jul 11 Es glänzet die Höh 1673 Jul 11 Es hat das alte Rom viel herrlich Thun gebauet 1650 Jul 14 Es ist ein elend Tun um aller Menschen Leben 1646 Dez 18 Es ist unschwer zu erweisen 1645 Jan 12 Es lege, wer da will, ein Weib an seinen Leib 1646 Jun 22 Es liegt in Nordgaus-Land da sonst die Flur-Göttinnen 1650 Jun 16 Es schmelzet der Schnee 1645 Mai 06 Es sieht der Sternen-Gott von seinem Sternen-Schlosse 1649 Nov 08 Es verbleibe bei ihnen ehliche Wonne 1644 Okt 14 Es war ein wüster Ort, da kein Tier nicht hinkömmet 1649 Sep 25 Es wird in der ganzen Welt schön Gewerbe hoch geehret 1650 Okt 29 Es wird viel seltsam Wesen 1650 Jun 11 Fama Fureriana Mantissa 1646 Mai 04 Fortsetzung der Pegnitz-Schäferei … 1645 Fortsetzung des vorhergehenden Schäfergedichts 1645 Mai Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Christi 1650 Dez 24, 1757 Friedens-Danklied 1651 Geburtstag des Friedens 1650 Okt 25, 1651 Anfang, 1768 Gleichwie der Hauchlaut H scheint wenig zwar zu nützen (1644/46) Gleichwie des Königs Haubt ein Nest ist voller Sorgen 1648 Mär, 1666 Glück der Seelen, Wunsch der Zeiten 1650 Mai 11, 1670 Feb 14, 1679 Sep 25 Glückwünschung an des Heiligen Römischen Reichs hochberühmte Stadt Nürnberg 1650 Jun 16 Gott leidet Not und ich bin hold 1648 Jan 01 Gott, du bester Friedemacher 1646 Sep 16 Gottes Trost, Friede und Freude in dem Heiligen Geist! 1653 Okt 22 Gott grüsse dich, mein Tod, du Anzug alles Guten 1647 Dez 24 Gott ist das Schloss (1644/50) Grablied 1654 Okt 11 Grablied über dem seligen Absterben aus dieser Welt des … Herrn Tobias Peller 1650 Dez 04 Grabschrift 1646 Jul 24 Grabstein 1648 Nov 14 Greift also dieser Gott sehr weit mit seinen Armen 1647 Dez 24 Güldenes Kleinod, welches die rechtglaubigen Christen erster Kirchen zur Erinnerung der heilig hochgelobten Dreieinigkeit an ihrem Halse und auf ihren Herzen getragen (1644/50) Hätt’ ich Opitz’ deutsche Leier 1644 Nov 25 Heil von dem Brunnen des Heiles 1644 Jul 22 Hellglänzendes Silber, mit welchem sich gatten 1644 Okt 14 Herodes, der Kindermörder 1645 Jan 12, 1741 Heroos tonet alter Hexametros 1647 Mai 12 Herr, der ist reif an Witz, der stets die rechte Zeit 1645 Mär 10
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Heult nicht der Nordenwind, der rauhe Felderfeind 1649 Okt 28 Heulet, weint, ihr PegnitzHirten 1645 Winter, 1650, 1669 Apr 10 Hier schlummert sanft im Sand von Guglischem Geblüte 1646 Jul 24 Hier, wo der Mannheit Blüt die Mannheit schärfer wetzet 1650 Okt 25 Hochfeierliche Empfängnis Christi 1648 Jan 01 Hochzeitgedicht 1650 Jun 11 Hochzeitgedichte 1649 Sep 17 Hochzeitgesang 1646 Sep 09 Hochzeit-Laute. Oder: Ausbund eines wohlgesitteten Weibes 1646 Jun 22 Hochzeitliches Ehrenfeuer 1649 Sep 11 Hochzeitwunsch 1650 Feb 18 Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi 1644 Jun 16, 1644 Jul 22 Hört das hertze Jesulein 1648 Jan 10 Ich bring zu meinem Gott mein Angstgebet mit Schalle 1652 Ich denke dessen noch, als meine Lyr sich wagte 1646 Jun 19 Ich hab ein guten Kampf gekämpft 1648 Mai 26, 1650 Dez 04, 1651 Dez 05, 1654 Okt 11, 1676 Okt 16, 1700 ca., 1701, 1878/79, 1911 Ich halt dir aus, mein Gott, in meinen Nöten (1644/50) Ich halte jenen Kopf vor trefflich seicht gelehret Mär 08 Ich kann mir herzbetrübte Eltern leicht 1646 Feb 13 Ich lieb den stillen Pfad, entfernet von Geplärr 1645, 1673 Jul 11 Ich ruh und habe keine Ruh 1650 Jan 01 Ich ruhe in den Felslöchern 1646 Ich weiß nicht, edles Paar, was ich wohl sollte singen 1650 Nov 25 Ich wußte wahrlich nicht, ob traumend ich gewesen 1649 Apr 02 Ihr armen Sterblichen steht stille, schaut den Fluß 1644 Jul 31 Ihr brünstig-verliebte verlobete Herzen 1644 Okt 14 Ihr großen Väter nehmt, nehmt hin dies mein Gedichte 1644 Apr 24 Ihr meine Freunde weinet 1646 Nov 08 Ihr Nymphen dieses Stroms, ihr Quellinwohnerinnen 1644 Okt 14 Ihr Pegnitz-Najaden verziehet zu gießen 1644 Okt 14 Ihr sterblichs Volk, der ich nicht sterblich bin 1648 Jan 01 Im Fall Hirt Strephon sitzt am gläsernen Gewässer 1645 Jun 01 In cunctas vigilant crepericrepa fulmina poenas 1650 Jan 01 In den bekrönt-begrünten Wiesen 1649 Okt 29 In der Christnacht 1648 Jan 01 In dulci jubilo 1647 Integram nobis sine labe vitam 1649 Jul 15 Irene oder Des Friedens Bildnis auf dem Tittelblatt 1651 Anfang Irene, das ist: Vollständige Ausbildung deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650 1651 Anfang Jedermann kann jetzo denken 1650 Jun 19 Jesus, der himmlische Pelikan 1676 Okt 16 Joas. Geistliches Hirten-Gedichte 1642 Kein Ätna hat also gehitzet und gebrannt 1650 Okt 25 Kind, beträne nicht die Augen 1648 Jan 01 Klage und Trost über den leider gar zu frühzeitigen, aber allerseligsten Abschied 1649 Okt 20
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Klio, jo Klio, jo lasse dich hören 1649 Jul 09 Kommt her, ihr, die ihr denkt auf Freien Tag und Nacht (1644/50) Krieges-Krieg, Friedens-Sieg 1649 Sep 25 Kriegstrost, abgesehen aus dem 2. Buch der Könige am 19. und aus dem Jesaia 37. Kapitel 1646, (1646) Langkurze Satzreimen 1645 Nov 30 Leben ist kein Kinder-Spiel 1650 Feb 05 Leich-Ode 1655 Mai 29 Liebesmacht, die den Sohn Gottes aus den hohen Himmel in den Stall herabgetrieben 1648 Jan 01 Lied vom Jüngsten Tag 1650 Jan 01 Lob der Gottesgebärerin 1648 Jan 01 Lob des weltgepriesenen Buchhandels 1650 Okt 29 Lobrede der deutschen Poeterei 1644 Okt 28 Lobt Gott, ihr Himmel schön polirt 1650 Okt 25 Lustfreudiges Feldbankett 1651 Anfang Lustfreudiges Friedenfest 1650 Okt 25 Lustig, ihr Herren! Heute soll wachen 1645 Mär 10 Majo nubere mense bonum 1647 Mai 25 Man hat von Anfang her die Kaufleut hochgeachtet 1649 Sep 17 Man kann in Gottes Wort von Gottes Wesen lesen (1644/50) Man schneid mich, das es schmirzt, wie zeugen meine Tränen 1650 Man streitet einen Streit, woher die Venus kommen 1646 Sep 09 Marmor beate Defuncti 1648 Nov 14 Meiner Liebsten größter Ruhm soll in diesem Wunsche stehen 1650 Mein Geist ermuntert sich, ich kann nicht länger schweigen 1645 Jun 25 Mein erstes Weinacht-Lied nahm Buchner in die Hand 1643 Dez 25 Mir ist zu Ohren kommen des Bohners Freiheit hier 1648 Mär 08 Mollis gramineis Lascivia regnat in hortis 1647 Mai 25 Morgenlied 1646 Morgenroth kommt bunt gefahren 1648 Jan 01 Myrrhenbaum Tod Christi (1644/50) Neu-auspolierter Venus-Spiegel (1644/50) Nun ist die Zeit verhanden 1646 Nov 02 Nun lob mein Seel den Herrn. Kommt, stimmet vor dem Herren 1650 Nun wolan! Höret an, was ich sag, was ich klag 1650 Nun, Gottlob, die Tyranney 1650 Feb 11 Nunc amet, qui non amavit, quaeque amavit, nunc amet 1646 Jan 12 Nunmehr sollen hell im Schießen und von Leichen unverfärbt 1649 Okt 29 Nun so singen wir mit Schalle 1650 Nuper ad fontes triplices sedebam 1646 Mai 04 Nürnbergisches denkwürdiges Freudenfest wegen des völlig-geschlossenen und daselbst einhellig unterschriebenen Reichs-Friedens 1650 Jun 16 Ob sichs in ganzer Welt so jämmerlich gleich findet 1647 Oft die Sonn ein Wölklein deckt 1650 Olim tuus excellentissimus Colerus 1654 Dez 07 Omnimodam Salutem a fonte salutis 1644 Mai 25
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Pan, der du in Wäldern irrest 1645 Passions-Schiff, auf welchen alle Christen, vermittelst wahren Glaubens, starker Hoffnung und tätiger Liebe, durch dies Tränen-Tal in das Gelobte Vaterland segeln können (1644/50) Pax rediit, lenisque quies, cassantque tumultus 1651 Mär 07 Pegnesisches Schäfergedicht in den berinorgischen Gefilden 1644 Okt 14, 1673 Jul 11 Pegnesisches Schäfergedicht, in den Nördgauer Gefilden angestimmet von Filanthon und Floridan, abgemerket durch den Schäfer Klaj 1648 Aug 07 Pervigilium nuptiale 1646 Jan 12 Philomela 1646 Mai 31 Pindarische Klagode 1650 Jun 19 Pindarischer Hochzeitgesang 1646 Aug 03, 1646 Nov 01, 1647 Mär 29 Pindarischer Leichgesang 1649 Okt 20 Pindarisches Lied 1650 Mai 11, 1670 Feb 14, 1679 Sep 25 Postquam protulerit faciem Pomona decoram 1647 Sep 07 Praeco scandit doctilinquis Solymea culmina 1646 Nov 29 Praefica quae? Charites, quae pompaque? Ternio trina 1648 Nov 14 Psalm 133 1911 Quae fulminante lingua fulget Teutone 1644 Mai 25, 1645 Dez 27 Quartus redux vigesimus jam Junius 1644 Jun 26 Quid Roma jactas Orbis et urbium 1645 Dez 27 Schäfer-Gedanken 1647 Mär 09 Schäferlied bei dem Kripplein Christi 1648 Jan 01 Schiffer und Buhler Glücksstern 1648 Aug 21 Schöne, deine Tugend, deine Lieblichkeit 1649 Okt 01 Schönes Lied vom Nutze des H. Abendmahls 1653 Aug 19 Schönster der Schönen 1648 Jan 01 Schwedisches Fried- und Freudenmahl 1649 Sep 25, 1651 Anfang Sei willkommen Frostbezwinger, Blumenmaler, Tulpenbringer 1647 Mär 29 Sei willkommen, heilge Nacht 1648 Jan 01 Sein Selbsterkenntnis lehrt 1650 Seit nun von Herzen froh/ Gotts Sohn das A und O 1647 Seufzer einer glaubigen Seele nach Bethlehem 1648 Jan 01 Sideribus rutilat dum tellus foeta coruscis 1649 Jun 12 Sie fragen nicht darnach, daß jüngst der Papst gestorben 1644 Okt 14 Silber-, Gold- und Perlenkronen 1646 Nov 01 So lang die Pfeiler fest, kann kein Gebäue wanken 1644 Okt 14 So recht, so muß es sein, so ist des Glückes Lauf 1645 So stets alleine bleiben 1649 Feb 27 So tröpflet tropfenweiß der Myrrhen Myrrhen-Stamm (1644/50) So viel Blumen in den Matten 1649 Okt 29 Sobald ich werden soll, muß meine Mutter sterben 1645 So geht es in der Welt, die Zeit in sich verbunden 1644 Jun 16 Soll ich denn ja meiner Jahre nicht genießen in der Welt 1647 Mär 09 Sonne, du güldene Fackel der Erden 1649 Apr 04 Sonnet 1650 Jun 19 Springendes Fried- und Freudenlied 1649 Sep 25 Steh auf, steh auf, du Morgenstern 1651
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Sterbelied 1911 Surge, Musa, surge plausus 1645 Okt 13 Tempel des Friedens 1650 Okt 25 Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens 1650 Jul 14 Tetzlische Trauerfahnen 1646 Jun 19 Theatrum Ristianum 1645 Dez 27 Toten-Sarg, verehret der Jungfrau Braut auf Ableiben ihrer Jungferschaft 1645 Mär 10 Traubenvater, Hitzbezwinger, Wiesenschleifer, Obstanbringer 1645 Nov 10 Trauerrede über das Leiden seines Erlösers 1649 Mär 18, 1650 Mär 25 Trochäischer Gesang 1646 Sep 16 Trostgedicht 1645 Jun 25, 1649 Mai 01 Trostlied 1649 Nov 05 Trostschrift 1649 Feb 02 Trostschrift 1647 Dez 24 Trostschrift an den ehrbarn Herrn Johann Golling 1648 Jul 05 Trostschrift an des seligverblichenen Herrn Johann Schlütters höchstbetrübte Eltern 1646 Feb 13 Tu da, Nate Dei, vitae nos neve pudere 1650 Nov 27 Tuiskons Teutsches Volk, wann es in seinen Werken 1651 Anfang Und du, du Nürenberg, dein Lob, das muß bekleiben 1650 Okt 25 Unsrer Hürden Hirtenlust ist noch vielen unbewußt 1645 Vater, Witwer, Freunde kränken 1649 Nov 05 Väterseufzen nach der Christnacht, gesungen am Heiligen Abend 1648 Jan 01 Vergleichung der Kaufmannschaft mit dem heiligen Ehstande 1649 Sep 17 Verneurung des künstlich gehauenen Metzger-Ochsens 1650 Okt 25 Vier fromme Herzen herzen 1644 Okt 14 Viererlei Lettern melden der Höhesten heiligen Namen 1644 Okt 14 Vindelicis surgunt Augustae maenia portis 1648 Nov 14 Von Jonathan, dem kühnen Helden 1681 Vulnerata Musa Claj funerata pulvere 1646 Nov 02 Wahrhaffter Verlauf, was sich bei geschlossenem und unterschriebenen Frieden zu Nürnberg auf der Burg begeben 1650 Jun 16 Wann der Wolken Nacht aufsteiget 1646 Wann die braunen Meißnerhirten 1644 Okt 14 Wann eine Brunst entbrennt und reißet aus den Dächern 1651 Anfang Wann jetzt das Wasserfell, der lockre Schnee, bedecket 1646 Jan 11 Wann jetzt der Norden heult, der rauhe Blumenfeind 1651 Anfang Ward ich andern beigesetzt (1644/46) Warhafftiger Verlauf, was sich bei geschlossenem … Frieden zu Nürenberg auf der Burg begeben 1651 Nov 27 Warum die Vorfahren geglaubet, daß die Liebsgöttin aus dem Meeresschaum ihren Ursprung habe 1646 Sep 09 Was duftet so, das im Geruche haft 1648 Jan 01 Was hat man guts gehört, was hat man guts erfahren 1644 Jun 13 Was ihr Verlangen heischt, erwünsch ich allen Vieren 1644 Okt 14 Was ist die Lieb? ein ungeheure Glut 1644 Okt 14 Was raucht und dampfet so: Heu, daß Vulkan hier sitzet 1644 Okt 14
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Was schöne Farben sind in dieses Band gewebet 1645 Jun 01 Was sollen aber wir, du Friedensgeber du 1649 Okt 29 Was wünschen wir diesen gedoppelten Beiden 1644 Okt 14 Was Neues/ was Wunders/ was seltsame Sachen (1644/50) Was? Ihr Eltern wollt ihr thränen 1653 Okt 22 Wechsel-Lied. Die Allzeitjungfrau Diana an die Pegnitznymphen. Nov 10 Weiberseelen, die sind feige 1646 Aug 03 Weihnacht-Gedichte 1648 Jan 01, 1651 Weihnacht-Lied, der Heiligen Geburt Christi zu Ehren gesungen 1644 Weihnacht-Lieder 1647 Weil, wann ich mich nieder lege 1646 Sep 15 Wen des grimmen Meeres Bäumen 1650 Feb 18 Wer Christi Marter recht bedenkt (1644/50) Wer dich, grosses kleines Kind 1648 Jan 01 Wer die Sinne scharf will wetzen 1654 Aug 30 Wer diesen Jammerkrieg, das Brennen, Rauben, Schiessen 1645 Jun 25 Wer hätte wohl geglaubt, daß Deutschland alles hätte 1651 Aug 20 Wer heilge Werke treibet 1650 Sommer Wer in eisenschweren Jahren 1673 Jul 11 Wer klagt Herr Jenischen? Die Huld- und Kunstgöttinnen 1648 Nov 14 Wer wird mehr um Tugend ringen 1649 Okt 20 Wer wollte doch ein Weib, ein solches Weib nicht lieben 1648 Aug 25 Wer wollte doch nicht trauren 1649 Mai 01 Wie Friede nun allhier im Grünen wird geschauet 1650 Okt 25 Wie lebt doch der bei Menschen auf der Erden 1644 Okt 14 Wie trefflich schön und überfein 1650, 1911 Wie wann es jetzt eist 1649 Okt 20 Wie wann sich seewärts stillt der Wellen Wallen-Wüten 1649 Sep 11 Wie wann die Schiffer sehn den längst erwünschten Port 1652 Jan 06 Wie werd ich mich noch einst an deinem Strom erfrischen 1643 Dez 25 Wie der bockgefüsste Pan 1673 Jul 11 Wiegengesänglein 1648 Jan 01 Willkommen Westwind, Kältezwinger, Blumenvater, Blütenbringer 1645 Mai 06, 1673 Jul 11 Wisset derhalben, daß die Göttin, welche stets mit tausend Augen sieht 1645 Wohlgemeintes Hochzeit-Gedichte 1652 Aug 04 Zuletzt gibt man das Best, zuletzt gibt man den Braten 1649 Apr 02 Zuschrifft an der Röm. Käis. auch zu Ungarn und Böhmen Königl. Majest. … Herren Rähten 1650 Okt 25 Zuschrift 1651 Anfang Zwar ich hab mich ja gedrungen 1645 Nov 30 Zwo Hände sich verbinden 1655 Sep 15, 1679 Sep 04, 1679 Sep 25
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Nürnberg in den 1640er Jahren 1 „Das Reich ist schier kein corpus mehr, sondern ein sceleton“ Von der Forschung ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass aus der frühen Neuzeit kaum autobiographische Aufzeichnungen, Tagebücher oder Briefe erhalten sind. Abgesehen von dem geringeren Grad der Alphabetisierung beruht dieses Defizit an Ego-Dokumenten auf dem vielfachen Untergang privater Überlieferung von Einzelpersonen und Familien. Darüber hinaus sind gerade im Dreißigjährigen Krieg in den durch militärische Handlungen betroffenen Gebieten viele Pfarrarchive bzw. die dort geführten Kirchenbücher vernichtet worden, weshalb aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts nur wenige authentische Quellen zur Verfügung stehen. Die heute in den Archiven vorhandenen Quellen sind fast ausschließlich obrigkeitlicher oder herrschaftlicher Provenienz und müssen deshalb entsprechend vorsichtig interpretiert werden. Über die Selbstwahrnehmung der Individuen, ihr Verständnis von Alltag und Gesellschaft sowie ihre Wertvorstellungen und Erfahrungen erfahren wir leider sehr wenig. Insofern ist es ein Glücksfall, dass Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (um 1622– 1676) viele authentische Begebenheiten in seinen letzten zehn Lebensjahren literarisch verarbeitet hat. Seit seinem 17. oder 18. Lebensjahr war er Soldat in einem kaiserlichen Regiment und gegen Ende des Kriegs konnte er noch zum Schreiber aufsteigen, der sowohl als Akteur wie auch als Augen- oder Ohrenzeuge über einen sehr breiten Erfahrungshorizont verfügte. Aus anderer ständischer Perspektive liegt glücklicherweise für die Jahre von 1636 bis 1648 ein Briefwechsel vor, der zwischen einem Ratsherrn aus Nürnberg und einem Diplomaten im Haag, der Residenz der Grafen von Holland, geführt worden ist. Ludwig Camerarius (1573–1651) war gebürtiger Nürnberger, der im Gefolge des kalvinistischen Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz und danach unter dessen Sohn Friedrich V. zunächst große Karriere gemacht hatte, bis er nach dem Sturz seines Herrn als böhmischer Winterkönig mit in den Strudel gezogen wurde. Dem Niedergang seines Dienstherrn konnte er entgehen, nachdem er zum Gesandten der schwedischen Krone im Haag berufen worden war. Eher zufällig kam er Mitte der 1630er Jahre wieder in Kontakt mit seiner Vaterstadt, welche der Diplomat längst verlassen und später auch nicht mehr gesehen hatte. Korrespondenzpartner war Lukas Friedrich Behaim (1587–1648), der nach Kavalierstour durch Frankreich und Italien und anschließender Pilgerfahrt in das Heilige Land https://doi.org/10.1515/9783110669480-003
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1622 in den Kleineren Rat aufgenommen wurde und ab 1642 dem Spitzengremium der Sieben Älteren Herren angehörte. Aus einem 1636 begonnenen vertraulichen Meinungsaustausch entspann sich eine bis 1648 anhaltende, rege, fast intime Korrespondenz zwischen dem Diplomaten Camerarius in Den Haag und dem Ratsherrn Behaim in Nürnberg. Eine derart dichte Überlieferung von Briefen privaten und politischen Inhalts aus der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Kriegs in Deutschland ist äußerst selten.1 Die Schreiber bedienten sich gelegentlich einiger Decknamen und Chiffren, weil die Korrespondenz in den Kriegswirren über eine Entfernung von 650 Kilometern immer wieder abgefangen werden konnte. Zentrales Thema der Briefe waren der Zustand des Reichs und die Zukunft der Deutschen, nachdem Frankreich im Jahr 1635 als kriegführende Macht auf den Plan getreten war. Im Prager Frieden vom 30. Mai 1635 hatten sich der katholische Kaiser und die evangelisch-lutherischen Reichsstände geeinigt und wollten den Glaubenskrieg beenden, jedoch unter Ausschluss der kalvinischen Kurpfalz. Aber die antihabsburgische Politik Kardinal Richelieus führte zu einer ungewollten Fortsetzung der nur noch zerstörerischen Auseinandersetzungen um territoriale und politische Machtansprüche auf deutschem Boden. Zwischen Behaim und Camerarius bestand in der Beurteilung dieser Situation Konsens. In ihrer Korrespondenz wurden immer wieder die Bedrückungen und das unsägliche Leid der Bevölkerung angesprochen, und beide erflehten förmlich den Friedensschluss, der erst 1648 eintreten sollte. Sie beklagten den leidigen Zustandt unsers zu Grundt verderbten lieben Vatterlandts (1636), daß elende, betrauerliche Wesen und gleichsam eine Universal Combustion in dem Reich, […] in deme so viel 1000 armer Leüht durch daß Schwert, Feuer und Hunger täglich hingerissen werden (1637), ferner Landverderben und Blutvergießen (1637), die durchgehende Ruina des Römischen Reichs (1637), das exteris zum Raub undt zur Ausbeüt wurde (1640), die andauernd verübte grausame Blutstürtzungen, General Landtverderben und unchristliche Religionsverfolgungen (1645) und schließlich im Friedensjahr 1648 die ernüchternde Erkenntnis: Das Reich ist schier kein corpus mehr, sondern ein sceleton.2
1 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Behaim-Archiv, Briefwechsel Lukas Friedrich Behaim, Briefwechsel Faszikel IV–VIII, Kopierbücher, Heft 6–11. – Anton Ernstberger (Hg.): Ludwig Camerarius und Lukas Friedrich Behaim. Ein politischer Briefwechsel über den Verfall des Reiches 1636–1648. München 1961 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, 60). 2 Ernstberger, Briefwechsel (wie Anm. 1), S. 25, 27, 33, 36, 43, 88, 189, 231.
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2 Nürnberg vor der Schlacht an der Alten Veste 1632 Dabei befanden sich der Diplomat Camerarius in der fernen Residenzstadt an der Nordsee und der Ratsherr Behaim in seinem Kaufmannshaus an der Zisselgasse in Nürnberg noch in einer verhältnismäßig komfortablen Situation. Sie lebten in Sicherheit hinter schützenden Mauern, Zwingern und Gräben einer mächtigen Stadt. In Deutschland zählte man um 1650 zwischen 17 und 20 Millionen Einwohner. Davon gehörte die überwiegende Mehrheit der bäuerlichen Bevölkerung an, die ohne jeglichen Schutz auf dem Land in Dörfern oder Weilern leben. Ihr Anteil wird auf 85 % bis 90 % geschätzt. Wehrlosigkeit und Unsicherheit waren die Grunderfahrung dieser Menschen, denn bei Hungersnöten, Fehden, Raubzügen und Plünderungen eilte ihnen niemand zu Hilfe und auf Ersatz ihres Schadens brauchten sie gar nicht hoffen. Dagegen waren die Bürger eine privilegierte Minderheit; sie lebten in Städten, deren Tore abends geschlossen und erst nach Morgengrauen wieder geöffnet wurden. Im Deutschen Reich gab es viele Groß-, Kleinund Minderstädte, wobei Nürnberg im sechzehnten Jahrhundert neben Augsburg, Köln und Lübeck zu den vier größten Städten gehörte, die im Durchschnitt etwa 50.000 Einwohner zählten. Es waren immer wieder äußere Ereignisse, die Anlass zum Ausbau der Stadtbefestigung gegeben hatten.3 Angesichts der hussitischen Bedrohung wurde zwischen 1427 und 1437 der gewaltige, die Stadt umgebende Graben auf einer Länge von etwa fünf Kilometern ausgehoben. Nach dem Ersten Markgrafenkrieg hatte der Rat 1455 die Landwehr, ein Annäherungshindernis aus Wall und Graben im Abstand von 500 bis 800 Metern vor der Stadt anlegen lassen. Zwischen 1538 und 1545 wurde die Reichsveste im Norden durch gewaltige fünfeckige Bastionen mit symmetrischem Grundriss gesichert, und als Folge des Zweiten Markgrafenkriegs ließ der Rat zwischen 1556 und 1559 die vier großen Tortürme ummanteln und zu Rundtürmen mit Geschützböden aufmauern. Wegen der fortgeschrittenen Waffentechnik folgten 1563/64 die Bastionierung des Neutors und 1613 diejenige des östlichen Wöhrder Tors. Nach der Erhebung Friedrichs V. von der Pfalz zum König der Böhmen, der Schlacht am Weißen Berg bei Prag am 8. November 1620 und der anschließenden Flucht des Winterkönigs nach Den Haag, hatte man in Nürnberg damit begonnen die alte Land-
3 Eine moderne Darstellung der bedeutenden Nürnberger Stadtbefestigung bleibt weiterhin Desiderat, weshalb immer noch auf den kleinen Überblick von Hanns Hubert Hofmann: Die Nürnberger Stadtmauer. Nürnberg 1967, verwiesen werden muss.
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wehr zu verstärken und insbesondere 1622 die Vorstädte Wöhrd und Gostenhof mit Schanzanlagen zu sichern. Wie trügerisch diese passive Sicherheit sein konnte, zeigte das traumatische Schicksal der ehemaligen Hansestadt mit Bischofssitz Magdeburg, deren Bevölkerung auf 32.000 bis 35.000 Einwohner geschätzt wurde. Nach früher Hinwendung zur Reformation galt die Stadt, die sich im Dreißigjährigen Krieg neutral zu verhalten versuchte, als ein Bollwerk des Protestantismus. Trotzdem wurde Magdeburg im Frühjahr 1631 zum Ziel kaiserlicher Truppen und Tilly, der Feldherr der Katholischen Liga, ließ nach erfolgreicher Belagerung die entblößte Stadt am 20. Mai durch sein knapp 27.000 Mann zählendes Heer stürmen. Wie nie zuvor hauste die Soldateska mehrere Tage lang in der in Brand gesetzten Stadt. Die Einwohner wurden geplündert und zu tausenden ermordet, viele Frauen wurden vergewaltigt. Dem größten Massaker in der Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs fielen fast alle Einwohner zum Opfer und nur etwa 1.500 kamen mit ihrem Leben davon.4 Im evangelischen Deutschland dürfte dieses Fanal pure Existenzangst hervorgerufen haben, auch wenn das kaiserliche Herr unter Tilly am 17. September 1631 bei Breitenfeld im Norden Leipzigs von Schweden und Sachsen unter der Führung Gustav II. Adolfs und des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen vernichtend geschlagen wurde. Damit begann der Siegeszug des schwedischen Königs durch die Pfaffen Gasse, die Hochstifte am Main, und weiter in den Süden des Reichs. Nach Einnahme der Festung Marienberg im Oktober 1631 errichtete Gustav II. Adolf eine königlich schwedische Landesregierung über die Hochstifte Würzburg und Bamberg, die bis 1634 Bestand hatte.5 Die Reichsstadt Nürnberg bemühte sich weiterhin um eine neutrale Haltung, doch infolge der Präsenz des schwedischen Königs war der Rat schließlich gezwungen ein Militärbündnis mit Gustav II. Adolf einzugehen. Als der König am 31. März 1632 seinen Einzug in der Stadt hielt, wurde er von der hiesigen Bevölkerung mit Jubel empfangen. Nach der Schlacht bei Rain am 15. April 1632, in der Tilly tödlich verwundet wurde, überquerte Gustav II. Adolf die Donau und zog im Mai in die kurbayerische Residenzstadt München ein. Der Krieg war nun endgültig im Süden des Reichs angekommen, nachdem man lange Zeit von Kampfhandlungen weitgehend verschont geblieben war.
4 Matthias Puhle: „… gantz verheeret!“ Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg. Halle/S. 1998. – Helmut Asmus / Manfred Wille (Hg.): 1200 Jahre Magdeburg – Die Jahre 805 bis 1631. Bd. 1. Magdeburg 2005, S. 556–561. 5 Rudolf Endres: Der Dreißigjährige Krieg. In: Andreas Kraus (Hg.): Handbuch der Bayerischen Geschichte 3/1. München 1997, S. 486–495. – Peter Engerisser: Von Kronach nach Nördlingen. Der Dreißigjährige Krieg in Franken, Schwaben und der Oberpfalz 1631–1635. Weißenstadt 2004, S. 592–614 (= Zeittafel).
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Allerdings hatten Bevölkerung und Rat Nürnbergs sowie insbesondere die Hintersassen auf dem Land schon seit mehr als zehn Jahren schlimme Erfahrungen machen müssen. Auf Druck Ferdinands II. hatte sich die Reichsstadt nach Auflösung der evangelischen Union 1621 weitgehend neutral verhalten, was der Kaiser am 3. Oktober 1622 mit der Erhebung der Akademie Altdorf zur Universität honorierte – allerdings gegen Zahlung von 25.000 Gulden an Hilfsgeldern.6 Als Mitglied der 1608 gegründeten Union hatte Nürnberg zuvor schon etwa 250.000 Gulden aufbringen müssen und derartige Zahlungen mussten wegen der vielen Durchzüge von Truppen, Einquartierungen und Kontributionen weiter fortgesetzt werden. Das Nürnberger Landgebiet wurde von den Truppen des kurpfälzischen Feldmarschalls Peter Ernst II. Graf von Mansfeld und des kurpfälzischen Statthalters in der Oberpfalz Christian I. Fürst von Anhalt-Bernburg, danach von denen des kaiserlichen Generalleutnants Johann Tserclaes Graf von Tilly, des kaiserlich-ligistischen Generalfeldmarschalls Gottfried Heinrich Graf von Pappenheim, des kurbayerischen Oberst Otto Friedrich Freiherr von Schönburg und weiteren Kontingenten durchstreift. Spektakulär verlief dabei am 29. Mai 1627 der Überfall der beiden Markgrafen Johann und Johann Georg von Brandenburg-Kulmbach auf das von Nürnberg weitab gelegene Landstädtchen Velden, dessen Bürgerschaft, geflüchtete Bauern und ein kleines reichsstädtisches Aufgebot die Angreifer nach siebenstündigem Kampf in die Flucht schlagen konnten.7 Die kriegerischen Parteien beider Seiten, „ganz gleich ob katholisch oder protestantisch, sogen das Land durch erpresserische Brandschatzungen und Plünderungen aus und verübten kaum zu beschreibende Gewalttätigkeiten, vor allem auf dem ungeschützten flachen Land. Mehrfach wurde das Nürnberger Gebiet auch zum Musterungs- und Sammelplatz ausgerufen, woraufhin dann die Reichsstadt die Verpflegung, Bewaffnung und Munition für die ausgehobenen Truppen zu stellen hatte.“8 Wegen der Nähe zum Königreich Böhmen, zum Kurfürstentum Bayern und zu der 1621 von Herzog Maxi
6 Hanns Christof Brennecke / Dirk Niefanger / Werner Wilhelm Schnabel (Hg.): Akademie und Universität Altdorf. Studien zur Hochschulgeschichte Nürnbergs. Köln, Weimar, Wien 2011 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 69). 7 Wilhelm Schwemmer: Velden a. d. Pegnitz. Aus der Geschichte einer alten Stadt. Velden 1976 (Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft, 24), S. 26–31 (beispielhafte Darstellung für die Belastungen und Verwüstungen im Nürnberger Hinterland). – Staatsarchiv Nürnberg, Handschriften 161, vor fol. 300r. 8 Rudolf Endres: Politische Haltung bis zum Eintritt Gustav Adolfs in den Dreißigjährigen Krieg. In: Gerhard Pfeiffer (Hg.): Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt. München 1971, S. 270. – Rudolf Endres: Der Dreißigjährige Krieg in Franken: Anlaß – Ablauf – Schrecken – Schutzmaßnahmen – Auswirkungen – Wiederaufbau. In: Gustav Adolf, Wallenstein und der Dreißigjährige Krieg in Franken. Neustadt/A. 1982 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns, 14), S. 11–15.
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milian I. von Bayern besetzten und rekatholisierten Oberpfalz war die Reichsstadt zwischen die Fronten geraten. Als 1627 erneut Truppendurchzüge drohten, wandte sich der Rat hilfesuchend an die Kurfürsten und damit an das Reich. Nur bei Maximilian I. stieß man auf Gehör, doch die Stadt musste dafür einen ideell sehr hohen Preis zu zahlen. Der bayerische Kurfürst war ein begeisterter Sammler von Werken Albrecht Dürers und nach langen Verhandlungen konnte er im September 1627 in München die „Vier Apostel“, das geistige Vermächtnis des berühmten Künstlers an seine Vaterstadt aus dem Jahr 1526, in Empfang nehmen.9 Im Gegenzug zu dem unwiederbringlichen Verlust bekamen die ausgepowerte Stadt und das geschundene Land eine nur kurze Zeit anhaltende Verschnaufpause.
Abb. 1: Staatsarchiv Nürnberg, Handschriften 161, vor fol. 300r. Erfolgloser Überfall auf das nürnbergische Städtchen Velden am 29. Mai 1627
9 Gisela Goldberg / Bruno Heimberg / Martin Schawe: Albrecht Dürer. Die Gemälde der Alten Pinakothek. München 1998, S. 542–549.
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Im Jahr 1632 war diese Episode aber längst Geschichte, denn nach der Eroberung Prags durch den kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein im Mai, der Belagerung Kronachs durch den schwedischen Oberst Claus Hastver, einem Reitergefecht bei Pegnitz im Juni sowie Überfällen auf Freystadt in der Oberpfalz und Gefechten bei Burgthann trafen schließlich im August die beiden feindlichen Heere bei Nürnberg aufeinander. Die Taktik Gustav II. Adolfs, durch Besetzung und Verwüstung des Kurfürstentums Bayern Wallenstein in den Süden zu zwingen, war nicht aufgegangen. Denn in Böhmen hatte der kaiserliche Generalissimus im Mai 1632 eine neue Armee aufgestellt, die sich mit der von Regensburg nach Norden ziehenden bayerischen Armee vereinigen konnte. Über Amberg, Neumarkt in der Oberpfalz, Roth und Schwabach stieß Wallenstein im Juli 1632 nach Nürnberg vor, wo er rund um Zirndorf an der Alten Veste etwa sieben Kilometer westlich von Nürnberg ein weiträumiges befestigtes Lager errichten ließ. Die kaiserliche Armee zählte etwa 50.000 Mann zuzüglich einem Tross zur Versorgung der Soldaten, der wahrscheinlich ein Drittel der kämpfenden Truppe umfasste.10 Dieses gewaltige Heerlager bestand vom 17. Juli bis zum 23. September 1632 und musste entsprechend versorgt werden. Im weiten Umkreis plünderten und verwüsteten die Soldaten das Umland. Das Heer des schwedischen Königs Gustav II. Adolf wird auf 27.000 Mann geschätzt. Es hatte sich schon Ende Juni rund um Nürnberg niedergelassen, wo Soldaten, Bürger und Bauern einen weiten Kranz von bastionsartigen Redouten aus Palisaden und starken Wällen mit zwei großen Schanzen im Westen, der Sternschanze und der Bärenschanze, aufwarfen. König Gustav II. Adolf bezog Quartier in dem befestigten Schloss Lichtenhof im Glacis der Reichsstadt. „Hier standen sich nun die beiden größten Heere ihrer Zeit 63 Tage lang einander bis auf Plänkeleien und kleinere Gefechte untätig gegenüber.“11 Schließlich ging der schwedische König zum Angriff über und führte seine Truppen am 31. August an Wallensteins Lager heran. Die Schlacht an der Alten Veste dauerte vom 1. bis zum 4. September. Wegen einsetzenden Regens brach Gustav II. Adolf den Kampf ab, bei dem er erstmals keinen Sieg davon trug. Am 18. September gab er den Befehl zum Aufbruch, und das schwedische Heer zog Richtung Westen über Neustadt an der Aisch nach Windsheim. Am 23. September verließ auch Wallenstein die Stellung und zog Richtung Forch
10 Helmut Mahr: Wallensteins Lager bei Zirndorf und die Schlacht an der Alten Veste 1632. In: Gustav Adolf, Wallenstein und der Dreißigjährige Krieg in Franken. Neustadt/A 1982 (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns, 14), S. 67–70. – Helmut Mahr: Wallenstein vor Nürnberg 1632. Sein Lager bei Zirndorf und die Schlacht an der Alten Veste, dargestellt durch den Plan der Gebrüder Trexel 1634. Neustadt/A. 1982. – Engerisser, Kronach (wie Anm. 5), S. 505–515. 11 Ernst Mummenhoff: Altnürnberg in Krieg und Kriegsnot. II.: Aus den schlimmsten Tagen des dreißigjährigen Kriegs. Nürnberg 1917.
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heim.12 Der Kampf hatte unentschieden geendet, und erst am 16. November des folgenden Jahrs fand bei Lützen südlich von Leipzig die entscheidende Schlacht statt, bei der König Gustav II. Adolf gefallen ist.
3 Das große Sterben in Stadt und Land Auch wenn die beiden Heere Nürnberg längst verlassen hatten, litten die Stadt und das Land unter den verheerenden Folgen des kriegerischen Geschehens. Aus Angst um Hab und Gut hatten sich lange vor der Schlacht an der Alten Veste tausende von Menschen samt ihrem Vieh aus den Dörfern, aber auch viele Einwohner brandenburg-ansbachischer und bambergischer Orte und unnützes Gesind in die Stadt geflüchtet. Etwas Vermögendere fanden Unterkunft in Wirtshäusern und bei manchen Bürgern, wogegen die meisten Bauern ihnen zugewiesene Plätze innerhalb der Landwehr belegten. Zwar haben nach dem Abzug der Heere Gustav II. Adolfs und Wallensteins viele Geflüchtete Nürnberg wieder verlassen, aber nun erst begann die eigentlich kritische Phase. Auf Gassen und Plätzen häufte sich der Mist, vor den Toren lagen Aas und totes Vieh, weshalb sich rasch ein furchtbarer Gestank ausbreitete. Aufforderungen und Mandate des Rats gegen diese Missstände und die Warnung vor einer infectio aeris blieben weitgehend folgenlos. Ohne Herberge und wegen überfüllter Spitäler und des Lazaretts blieben Kranke auf dem Pflaster liegen und sind dort auch verstorben. Verwaiste Kinder vom Land bettelten und suchten Aufnahme in den beiden Findelhäusern. Im weiten Umkreis rund um die Stadt machte sich Nahrungsknappheit bemerkbar, allmählich breiteten sich wegen des gravierenden Hygieneproblems Krankheiten und Seuchen aus.13 Trotz Überbelegung drangen verwundete Soldaten zum Teil gewaltsam in das Sebastianspital unterhalb von St. Johannis und das dortige Schießhaus, in das Franzosenhaus bei Heilig-Kreuz sowie in das Pesthaus bei St. Rochus ein. Nachdem schon sehr viele Einheimische und Fremde bis Ende des Jahres 1632 wegen ansteckender Krankheiten gestorben waren, waren Anfang Dezember die ersten Pesttoten zu beklagen. Doch erst im Sommer 1634 setzte das große Wüten der Pest ein, das im Januar 1635 wieder abflaute. Aus zeitgenössischen Aufzeichnungen geht hervor, dass in den Jahren 1632/33 insgesamt 15.660 Personen und 1634 nochmals 18.700 bis etwa 22.000 gestorben sind. Trotz vieler rechnerischer Unschärfen und unter Berücksichtigung der Einquartierung einer schwedischen Garnison von mehr als 4.000 Mann kann davon ausgegangen
12 Mahr, Wallensteins Lager (wie Anm. 10). 13 Mummenhoff, Altnürnberg (wie Anm. 11), S. 22–49.
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werden, „daß Nürnberg im Jahre 1634 etwa die Hälfte seiner Einwohnerschaft durch Pest und andere Seuchen verlor.“14 Ernährungsmangel, Skorbut, Flecktyphus, rote Ruhr und die Pest dürften als Folge der Schlacht an der Alten Veste Anfang September 1632 in den nächsten Jahren bis zu zwei Drittel der einheimischen Bevölkerung dahingerafft haben. Von diesem Verlust hat sich das Gemeinwesen, das um 1800 nur etwa 25.000 Menschen zählte, nicht mehr erholt. Als der angehende Theologe Johann Klaj im Jahr 1644 nach Nürnberg zuwanderte, ist er in eine halb entvölkerte Stadt gekommen. Bei seiner etwa zweiwöchigen Wanderung von Wittenberg auf der gut 330 Kilometer langen Strecke dürfte er über Bayreuth kommend in Gräfenberg erstmals Nürnberger Gebiet betreten haben. Hier stieß er auf mehrere Brandruinen, nachdem kaiserliche Truppen am 15. September 1632 in dem kleinen Landstädtchen von über 100 bewohnten Gebäuden 29 einschließlich der vier Torhäuser niedergebrannt hatten.15 Über Eschenau und Heroldsberg wird sich Klaj auf der Landstraße der Stadt von Norden genähert haben. Er passierte kleinere Ansiedlungen, bis er am Laufertor angekommen war und um Einlass bat. Auf diesem Tagesmarsch sind ihm weitgehend verlassene und völlig zerstörte Dörfer aufgefallen, wie dies am Beispiel von Kraftshof im Knoblauchsland ca. sechs Kilometer nördlich von Nürnberg belegt werden kann. Allein dieses stattliche Dorf wurde 1632 erstmals zerstört, am 2. Juli 1633 geplündert, am 15. Juli 1633 ein zweites Mal gebrandschatzt und am 6. August 1634 ein letztes Mal angezündet. „Etliche Häuser und Nebengebäude lagen danach 15 Jahre in Schutt und Asche“, ehe eine Wiederansiedlung und ein Aufbau aller Hofstellen ab der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts stattfand.16 Auch wenn es sich nicht um unmittelbares Kriegsgebiet gehandelt hat, sind gemäß der damaligen Kriegführung die hier ansässigen Bauern zum eigentlichen Opfer geworden. Ihnen wurden das gesamte Getreide, das Vieh und die wenigen Wertsachen geraubt, sie wurden gebrandschatzt bzw. mussten sich von der Androhung des Niederbrennens ihrer Höfe loskaufen und sie konnten von Glück reden, wenn sie noch mit dem Leben davon gekommen sind.
14 Mummenhoff, Altnürnberg (wie Anm. 11), S. 73, Anm. 4; von der gesamten jüngeren Forschung sind diese Angaben nicht angezweifelt bzw. quellenkritisch überprüft worden. 15 Gerhard Gundelfinger: Häuserchronik der Stadt Gräfenberg. Gräfenberg 2001, S. 25. 16 Rainer Fensel: Kraftshof. Haus- und Sozialgeschichte eines nürnbergischen Dorfes. Nürnberg 2001 (Quellen und Forschungen zur fränkischen Familiengeschichte, 9), S. 26. – Ähnlich Max Rumpf / Hans Behringer: Bauerndorf am Großstadtrand. Stuttgart, Berlin 1940, S. 92 f. – Bertold von Haller: Baugeschehen und Kriegszerstörungen: Großgründlach im Spiegel der Waldamtsakten, Teil I. In: Herbert May / Markus Rodenberg (Hg.): Der Reichswald. Holz für Nürnberg und seine Dörfer. Bad Windsheim, Lauf a. d. Pegnitz 2013, S. 151–153.
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Zufälligerweise sind gerade aus dem Raum nördlich von Nürnberg authentische, zeitgenössische Aufzeichnungen überliefert, von denen eingangs die Rede gewesen ist. Sie stammen von dem Theologen Andreas Spiegel († 1649), der von 1630 bis 1649 die Pfarrei Eltersdorf versehen hat und seit 1634 auch für die Pfarreien Bruck und Tennenlohe sowie vorübergehend 1642/43 für diejenige von Großgründlach zuständig gewesen ist.17 Der Chronist resümierte nüchtern und objektiv die Ereignisse, dabei immer wieder Bemerkungen über seine Befindlichkeit einstreuend. Allerdings hatte auch er sich von 1631 bis 1637 hinter die schützenden Mauern von Nürnberg in exilio zurückgezogen und gottesdienstliche Verrichtungen bevorzugt bei St. Johannis und nur sporadisch vor Ort getätigt. Von den umliegenden Orten zeichnete er 1635 ein erschütterndes Bild: Muggenhof lag verbrannt und in Aschen, Schniegling war ganz öd und unbewohnt, in Kronach ist auch niemand allda anzutreffen, Großgründlach war so verfallen, dass polnische Reiter kein Quartier nehmen konnten, in Reutles war alles abgebrannt bis uf zwei Häuser, Steinach, Herboldshof und Kleingründlach waren menschenleer, in Boxdorf gab es nur noch einen Bauern und lediglich in Mannhof stand noch die Wirtschaft.18 Nach Abzug der Truppen waren die überlebenden Bauern wieder in ihre Dörfer zurückgekehrt und versuchten ihre Höfe wieder zu bestellen. Als sich aber am 12. März 1637 etwa 1.400 kaiserliche Reiter näherten, haben die Leute aus Eltersdorf fluchtartig in die Stadt sich begeben mit ihrem Viehe, die übrigen aber in den Wald und Stauden sich versteckt.19 Dazu hatten sie allen Grund, denn wenige Tage zuvor musste Pfarrer Spiegel über die nahe gelegenen Ortschaften Thon und Kleinreuth notieren: Hac septimana stupratae sunt foeminae dure a militibus [diese Woche sind die Frauen von den Soldaten hart geschändet worden]. Die steten Durchzüge und Einquartierungen haben den Hintersassen auf dem Land weiterhin schwer zugesetzt, so 1638 in seiner eigentlichen Pfarrei Eltersdorf: Von da an hab ich nichts mehr allhie verrichten können, weil die Leute durch die streifende Soldaten gar zerstreuet und das ganze Dorf öde worden und ganz unbewohnt geblieben. Ist den armen Leuten nicht allein das Futter hinweggeführet worden, sondern auch nicht im geringsten nichts in Häusern geblieben, sondern alles entwendet wor
17 Rudolf Großner / Bertold Frhr. von Haller: „Zu kurzem Bericht umb der Nachkommen willen“. Zeitgenössische Aufzeichnungen aus dem Dreißigjährigen Krieg in Kirchenbüchern des Erlanger Raums. In: Erlanger Bausteine 40 (1992), S. 9–108; ebd. S. 81–83 eine Aufstellung über die Vernichtung fast aller bäuerlichen Anwesen in Eltersdorf, von denen 1642 gerade sieben von einst 64 wieder bewohnt waren. – Matthias Simon: Nürnbergisches Pfarrerbuch. Die evangelisch-lutherische Geistlichkeit der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes, 1524–1806. Nürnberg 1965 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 41), S. 220 (Nr. 1351). 18 Großner/Haller, Aufzeichnungen (wie Anm. 17), S. 51. 19 Großner/Haller, Aufzeichnungen (wie Anm. 17), S. 58.
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den, Beil, Hauen, Schaufel, Halmmesser, Rechen, ja sogar der Pflüge und Eggen nicht verschonet worden. Zu Bruck sind wir noch geblieben […] bis auf die Karwochen. Da ist der Gewalt zu groß worden, den Leuten ist das Futter weggeführet, teils die Betten und sonsten, was nur ein wenig gewesen, alles weggenommen worden; dann neben den Soldaten auch andere Bauersdieb von Fürth mitgeloffen, welche alles genommen, was die Soldaten liegen lassen.20 Bei manchen Einzelschicksalen nannte der Chronist auch die Namen der Betroffenen, doch sucht man emotionale Teilnahme oder gar Betroffenheit vergeblich. Diese Beobachtung trifft auch für die gesamte Nürnberger Chronistik zu, obwohl deren Urheber Augenzeugen eines massenhaften Sterbens gewesen sind, wie es sich letztmals in den schlimmsten Pestzeiten über 200 Jahre zuvor ereignet hatte.
4 Stagnation und Wandel Das äußere Erscheinungsbild Nürnbergs hat kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs durch das grandiose, ursprünglich vierflügelig geplante Rathaus noch einen ganz markanten städtebaulichen Akzent erhalten. Zwischen 1616 bis 1622 ließ der Rat gegenüber dem Ostchor von St. Sebald und anschließend an den bestehenden Trakt von 1340 eine prachtvolle Renaissancefassade mit drei stattlichen Portalen errichten. Nach Protesten aus der Bürgerschaft wegen Kostensteigerungen wurde der vierte, östliche Flügel nicht mehr hochgezogen. Der Nürnberger Prestigebau gilt als Reaktion auf die Planungen der Reichsstadt Augsburg, in der man von 1615 bis 1624 ein ähnlich prunkvolles Rathaus hat bauen lassen, welches bis zum Ende des Alten Reichs das höchste Gebäude in Deutschland geblieben ist. Interessanterweise ging diesen Projekten die unter Herzog Maximilian I. 1610 begonnene und 1619 vollendete Residenz in München voran, deren Hauptfassade 1616 mit der „Patrona Bavariae“ als Bronzestatue einen programmatischen Figurenschmuck erhalten hat. Der letzte große kommunale Neubau in Nürnberg war 1628 das sogenannte Fechthaus auf der mitten in der Stadt gelegenen Insel Schütt. Über quadratischem Grundriss erhoben sich drei Galerien, auf denen 3000 Zuschauer Platz fanden. Dieser multifunktionale Bau diente allerlei Vergnügungen, darunter „Ochsen- und Bärenhatzen, zirzensischen Spektakeln von Akrobatikkünstlern und Seiltänzern, Pferdeturnieren sowie dem Schaufechten der Fechtschulen.“21 Damit ist die Bautätigkeit des Rats erlahmt, und vonsei
20 Großner/Haller, Aufzeichnungen (wie Anm. 17), S. 62. 21 Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 47.
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ten der Bürgerschaft dürfte angesichts halb entvölkerter Wohnhäuser zunächst ebenfalls kein Bedarf für Um- geschweige denn Neubauten vorhanden gewesen sein. Erst eine Generation nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs kam es wieder zu sichtbaren Veränderungen im Stadtbild, was auf demographische und wirtschaftliche Erholung zurückzuführen ist. Abgesehen von der prächtigen Stuckierung der Kirche des Heilig-Geist-Spitals durch den italienischen Meister Carlo Brentano in den Jahren 1662/63 gingen der Neubau der Barfüßerkirche zwischen 1682 bis 1689 und derjenige der Egidienkirche von 1711 bis 1718 jeweils auf Brandkatastrophen zurück. Nach dem verheerenden Feuer im ehemaligen Egidienkloster 1696 ließ der Rat schon ein Jahr danach das Alte Gymnasium als zweigeschossige, repräsentative Dreiflügelanlage wieder herstellen. Mit dem Bau des Weizenbräuhauses 1672, der Errichtung des Tritonbrunnens auf dem Neuen Bau (Maxplatz) 1689 und der Erneuerung der Barfüßerbrücke (Museumsbrücke) 1700 sowie der Karlsbrücke 1728 erschöpfte sich jedoch die städtische Bautätigkeit bis zum Ende des Alten Reichs. Denn die Verschuldung der Reichsstadt war infolge der Zahlungen an Kaiser und Reich, durch viele Kontributionen, eigene Aufwendungen für Militär und Fortifikation sowie der allgemeinen Münzverschlechterung auf etwa 7,5 Millionen Gulden am Ende des Dreißigjährigen Kriegs angestiegen. Für den reichsstädtischen Haushalt waren die Folgen des Zweiten Markgrafenkriegs 1552/53 verheerend gewesen. Erstmals sahen sich die Losunger mit massiven Schulden in Höhe von 4,5 Millionen Gulden konfrontiert, die aber bis 1618 auf ca. 1,84 Millionen Gulden gesenkt werden konnten. Es ist sehr beachtlich, dass es den Verantwortlichen nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs innerhalb von zwölf Jahren gelungen ist, die Schuldenlast mehr als zu halbieren. Doch die späteren Kriege gegen König Ludwig XIV. von Frankreich, der zweite Türkenkrieg und der Spanische Erbfolgekrieg stürzten die kaisertreue Reichsstadt in ein tiefes Defizit, so dass im 18. Jahrhundert etwa die Hälfte des Haushalts für den Schuldendienst aufgewendet werden musste. Nürnberg verfügte bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit über keinen finanziellen Spielraum mehr, was eines der am besten gehüteten Staatsgeheimnisse geblieben ist.22 Davon unabhängig entwickelte sich eine florierende private Ökonomie, wie das Beispiel des Nürnberger Landgebiets zeigt. Zunächst zögerlich, dann jedoch kontinuierlich begann der Wiederaufbau der zerstörten Höfe. Vom Rat gefördert
22 Wilhelm Schwemmer: Die Schulden der Reichsstadt Nürnberg und ihre Übernahme durch den bayerischen Staat. Nürnberg 1967 (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg, 15), S. 8 f.
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und von den beiden Waldämtern Sebaldi und Lorenzi sehr streng überwacht, wurde weiterhin auf sparsamen Umgang mit dem wertvollen Baustoff, Werkstoff und Brennstoff Holz geachtet. Dies führte zu einer Abkehr von tradierten Bauformen im ländlichen Bereich und zur zunehmenden Verwendung von Sandstein beim Hausbau, bei dem auch die vornehmen Herrensitze des Nürnberger Patriziats als Vorbild dienten. Als erste Neubauten entstanden schon ab den 1640er Jahren Wirtshäuser, gefolgt von Bauernhäusern, die in der Barockzeit mit Volutengiebeln und bekrönenden Vasen oder Kugeln geschmückt wurden. Allerorten entstanden große Giebelhäuser mit Sparrendach, die sich von den aus dem Hochmittelalter bis in das sechzehnte Jahrhundert überlieferten Bauformen wesentlich unterschieden haben. Die älteren Bauten mit einem Innengerüst, auf dem das Dach lastete, wurden mit dem eigentümlichen Begriff „Schwedenhaus“ bezeichnet. Diese besondere nürnbergische Terminologie geht auf die Erinnerung an die Schwedenzeit bzw. den Dreißigjährigen Krieg zurück, nach dessen Ende eine in Material und Konstruktion ganz andersartige Bauweise üblich geworden war.23 Das Heilige Römische Reich ist demographisch und ökonomisch durch den Dreißigjährigen Krieg um etwa zwei Generationen zurückgeworfen worden. Auch für die Reichsstadt Nürnberg und insbesondere für ihr Landgebiet hat es etwa fünfzig Jahre gedauert, bis das Vorkriegsniveau wieder erreicht worden ist. Allerdings trifft die früher verbreitete These, es habe bis zum Ende des Alten Reichs in Nürnberg weitgehend Stagnation und Verfall geherrscht, nicht zu. Vielmehr setzte ab dem späten 17. Jahrhundert eine kulturelle und wissenschaftliche Blüte ein, deren Träger ein wieder erstarktes Bürgertum gewesen ist. Es entstanden zahlreiche Kunst- und Realiensammlungen und bedeutende private Bibliotheken wie diejenige des Theologen Johann Michael Dilherr (1604–1669), des Altdorfer Juristen Christoph Peller (1630–1711), des Arztes Christoph Jakob Trew (1695–1769), der Theologen Adam Rudolf Solger (1693–1770) und Georg Theodor Strobel (1735–1794) und vor allem des Polyhistorikers Georg Andreas Will (1727–1798).24
23 Herbert May: „Ausgebrettert“ und mit „Wetterseiten aus Steinen“. Phänomene des bäuerlichen Hausbaus um Nürnberg vor 1800. In: Herbert May / Markus Rodenberg (Hg.): Der Reichswald. Holz für Nürnberg und seine Dörfer. Bad Windsheim, Lauf a. d. Pegnitz 2013, S. 50–153. – Herbert May: Grundzüge des bäuerlichen Hausbaus um Nürnberg vom 16. Jahrhundert bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Bad Windsheim 2013 (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, 69), S. 70–78. 24 Renate Jürgensen: Stadtbibliothek. In: Handbuch der Historischen Buchbestände in Deutschland. Bd. 12 (Bayern I-R). Hildesheim 1996, S. 115 f., 132–134. – Christine Sauer: Rats- und Stadtbibliothek von der Einrichtung bis zum Verlust der Eigenständigkeit. In: Christine Sauer (Hg.): 642 Jahre Stadtbibliothek Nürnberg. Von der Ratsbibliothek zum Bildungscampus. Wiesbaden 2013 (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg, 26), S. 9–97.
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Ungebrochen geblieben ist die Anziehungskraft für viele Künstler und Wissenschaftler wie den aus Regensburg gebürtigen Astronomen Georg Christoph Eimmart (1638–1705) oder den Frankfurter Maler Joachim von Sandrart (1606–1688), der 1661 hier die erste Malerakademie im deutschsprachigen Raum gegründet hat. Zwischen 1650 und 1820 werden allein 23 Buch- und Kunstbuchverlage gezählt, da Nürnberg eines der Zentren für den Druck von Bibeln, Musikalien und illustrierter naturwissenschaftlicher Werke war. Den Ruf der Stadt in alle Welt hat der schwäbische Konvertit Johann Baptist Homann (1664–1724) bzw. dessen Erben getragen. Die von ihm hier begründete Offizin fertigte Karten von fast allen Ländern der Erde, die sich von der französischen und niederländischen Konkurrenz durch besondere Genauigkeit und ein einheitliches Format auszeichneten.25 An der Sebalduskirche wirkte der Organist Johann Pachelbel (1653–1706), dessen Kompositionen Johann Sebastian Bach ganz wesentlich beeinflussten. Die große Tradition des Baus von Musikinstrumenten, besonders von Lauten, Violinen, Orgeln und Trompeten wurde fortgesetzt, und im Jahr 1700 hat der Flötenmacher Johann Christoph Denner (1655–1707) die erste Klarinette entwickelt. Allerdings ist gleichzeitig auch eine gesellschaftliche und politische Erstarrung eingetreten, denn im Gegensatz etwa zur Reichsstadt Augsburg hat sich das oligarchische Patriziat der Aufnahme der neuen großbürgerlichen, wirtschaftlich sehr erfolgreichen Elite versagt. Galt Nürnberg bis zum Anfang der Frühen Neuzeit noch als ein politisches Zentrum im Reich, so hat auch infolge der Hinwendung zur Reformation seit 1525 ein schleichender Bedeutungsverlust eingesetzt. Vorletzte Höhepunkte stellten der Kurfürstentag von Oktober/November 1611 wegen der Nachfolge Kaiser Rudolfs II. und der Gesandtenkongress von Februar bis Juli 1640 im Nürnberger Rathaus dar, auf dem die Kurfürsten Vorbereitungen zu einem Friedensschluss treffen wollten. Als das Reich ein Jahrzehnt später mit dem Westfälischen Frieden nach dreißig Jahren verheerenden Kriegs endlich zur Ruhe fand, rückte Nürnberg ein letztes Mal in den Mittelpunkt des europäischen Geschehens. Im Rathaus verhandelten 1649/50 eineinhalb Jahre lang die europäischen Kriegsparteien über die Demobilmachung ihrer gewaltigen, noch in Deutschland stehenden Armeen, über die Räumung besetzter Plätze und Entschädigungszahlungen. Am 26. Juli 1650 konnte der Reichsfriedensrezess unterzeichnet werden, nachdem schon während der Verhandlungen der pfälzische Graf Karl Gustav von Zweibrücken am
25 Michael Diefenbacher / Markus Heinz / Ruth Bach-Damaskinos (Hg.): „auserlesene und allerneueste Landkarten“. Der Verlag Homann in Nürnberg 1702–1848. Nürnberg 2002 (Ausstellungskataloge des Stadtarchivs Nürnberg, 14).
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25. September 1649 zu einem große Friedensmahl eingeladen hatte, das Joachim von Sandrart in einem monumentalen Gemälde festgehalten hat.26
5 Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj in der Ständegesellschaft des 17. Jahrhunderts
Die Gesellschaft war streng nach Ständen gegliedert, was stets an der Anrede, an der Kleidung, an den Zeremonien bei Taufen, Hochzeiten und Begräbnissen sowie insbesondere am Beruf ersichtlich wurde. Allein durch Geburt bzw. Herkommen war festgelegt, wer welchen Platz im hierarchischen Gefüge einnehmen würde, und nur in den seltensten Fällen ist ein sozialer bzw. ständischer Aufstieg möglich gewesen. In Nürnberg herrschte seit dem späten Mittelalter ein straffes patrizisches Regiment, das sich um 1500 aus einem vornehmen Kreis von etwa dreißig Familien zusammensetzte. Dieser städtische Adel ist im Laufe der folgenden 200 Jahre durch Verarmung, Abwanderung und genealogisches Erlöschen auf nur noch zwanzig Geschlechter geschrumpft, bis man im Jahr 1729 sechs und 1788 weitere drei Familien kooptierte. Nur Angehörige aus den ratsfähigen Geschlechtern konnten als Geblütsadel in den regierenden Kleineren Rat mit 26 älteren und jüngeren Bürgermeistern und acht Alten Genannten – sowie den völlig unbedeutenden Vertretern von acht Handwerken – aufgenommen werden. Hier bestimmten ausschließlich die ranghöchsten Sieben Älteren Herren das politische Geschehen, und nur aus diesem Kreis wurden die zwei bzw. drei ranghöchsten Ämter des Rates (die beiden Losunger und der dritte oberste Hauptmann) und damit auch der Reichsstadt besetzt. Im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts zogen sich die Geschlechter allmählich vom Handel zurück, der die Grundlage ihres Reichtums gebildet hatte. Sie formierten sich als Patriziat oder als Stadtadel und traten in Konkurrenz mit dem vornehmeren, auf dem Land ansässigen oder an Fürstenhöfen tätigen Geblütsadel, der ihnen aber die erhoffte Anerkennung versagte.27 Zur sozialen Abgrenzung innerhalb der städtischen Gesellschaft ließ der Rat sogenannte Hoffartsordnungen (abgeleitet von hochfahrt im Sinne von Aufwand,
26 Antje Oschmann: Der Nürnberger Exekutionstag 1649–1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, 17). – Doris Gerstl: „Sandrarts Friedensmahl“. In: G. Ulrich Großmann / Franziska Bachner / Doris Gerstl (Hg.): Von teutscher Not zu höfischer Pracht: 1648–1701. Köln 1998, S. 26– 33. 27 Peter Fleischmann: Rat und Patriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert. Nürnberg 2008 (Nürnberger Forschungen, 31/1–3).
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äußere Pracht, stolzes Gebaren) publizieren. Im Grunde handelte es sich dabei um Kleiderordnungen, die bis zur letzten, 1693 im Druck erschienenen immer differenzierter wurden. Entsprechend der Hoffartsordnung von 1618 hat man zwischen sechs Ständen unterschieden; dabei ist die quantitativ große, auf etwa ein Drittel der städtischen Bevölkerung geschätzte Unterschicht überhaupt nicht berücksichtigt worden: 1. Stand = Angehörige alter Geschlechter, 2. Stand = Kaufleute mit eigenem Vermögen, gleichzeitig Genannte des Größeren Rats, 3. Stand = Kaufleute mit kleinerem Vermögen und die acht Handwerker des Kleineren Rats, gleichzeitig Genannte des Größeren Rats, 4. Stand = Kaufleute und Handwerksmeister ohne Zugehörigkeit zum Größeren Rat, 5. Stand = Krämer und Handwerksmeister, 6. Stand = Handwerksgesellen, Dienstknechte, Dienstmägde.28 Georg Philipp Harsdörffer (1. November 1607–17. September 1658) stammte aus einer Ratsfamilie, die erst gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts nach Nürnberg zugewandert war. Die ersten Generationen waren als Kaufleute tätig und spezialisierten sich auf Metallurgie und das Montanwesen, bei dem sie noch bis um 1600 im Eisfelder Saigerhandel und im Mansfelder Kupferbergbau aktiv gewesen sind. Parallel dazu erfolgte 1450 die erstmalige Aufnahme und bis gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts die wenig einflussreiche Mitwirkung im Kleineren Rat. Georg Philipp stammte aus einer von insgesamt sieben in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs blühenden Linien des weitverzweigten Geschlechts. Von seinen drei ihm vorangegangenen Generationen war keiner in den regierenden Rat gekommen.29 Der vermögende Vater Philipp II. Harsdörffer (1577–1631) hat dem einzigen Sohn eine sehr gute Ausbildung zukommen lassen, die ihn für ein höheres und damit auch lukratives Amt im Stadtstaat prädestinierte. Nach Unterricht auf öffentlichen Schulen und bei Privatlehrern wurde er am 20. März 1623 im Alter von sechzehn Jahren an der Universität Altdorf immatrikuliert. Drei Jahre später wechselte er an die Juristische Fakultät nach Straßburg und ab 1627 durfte er sich auf eine letztlich fünfjährige Kavalierstour durch Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande und die Schweiz begeben. Dabei absolvierte er 1630 ein Se
28 Julia Lehner: Die Mode im alten Nürnberg. Modische Entwicklung und sozialer Wandel in Nürnberg, aufgezeigt an den Nürnberger Kleiderordnungen. Nürnberg 1984 (Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte, 36), S. 24 f., 188–192. – Jutta Zander-Seidel: Textiler Hausrat. Kleidung und Haustextilien in Nürnberg von 1500–1650. Nürnberg 1990. 29 Fleischmann, Rat und Patriziat (wie Anm. 27), S. 545–569.
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mester an der Universität Siena. Nach seiner Rückkehr 1633 kam Harsdörffer gleichsam unter die Fittiche des zwölf Jahre älteren Ratsherrn Johann Jakob I. Tetzel (1595–1646), der als einer der Chefdiplomaten des Nürnberger Rats fungierte. Am 9. Juni 1634 heiratete Georg Philipp Susanna Fürer von Haimendorf (1616– 1646) und erst daraufhin erfolgte die übliche Aufnahme in den Größeren Rat und seine Berufung als Assessor am Untergericht, die einem juristischen Referendariat gleichkam. Seit 1637 amtierte Harsdörffer als Beisitzer am Stadtgericht und hätte beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ratslaufbahn gehabt. Allerdings musste er sich gedulden, weil schon zwei seiner Vettern 1633 in den Kleineren Rat aufgenommen worden waren; denn eine eiserne Regel der ungeschriebenen Verfassung besagte, dass nie mehr als zwei Angehörige einer Familie im 42 Köpfe zählenden Kleineren Rat vertreten sein durften. So musste Georg Philipp mehr als zwanzig Jahre in untergeordneter Stellung auf das Ableben eines der beiden Vettern warten, während derer er 1644 mit Johann Klaj den Pegnesischen Blumenorden begründete. Als David II. Harsdörffer (1584–1654), der 1647 zum älteren Bürgermeister aufgestiegen war, am 18. Juli 1654 im Alter von 70 Jahren verstarb, öffnete sich für Georg Philipp bei der nächstfolgenden Ratswahl am 17. April 1655 endlich die Türe der Ratsstube. Ihm war jedoch kein langes Leben beschieden, weshalb er im inneren Machtzirkel weitgehend bedeutungslos geblieben ist. Denn zum Aufstieg in ein hohes Amt waren nach einem Paradigmenwechsel im sechzehnten Jahrhundert nicht mehr alte Herkunft – und die Harsdörffer galten hier als junges Geschlecht – sondern ein hohes Lebensalter ausschlaggebend, weil nicht mehr Befähigung sondern Anciennität das entscheidende Kriterium für ein Spitzenamt geworden ist.30 Doch die eigentliche Leistung Harsdörffers, der aufgrund seiner literarischen Neigungen im November 1642 von Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen worden ist, lag bekanntlich auf anderem Feld. Im Gegensatz zu dem sozial sehr hochstehenden Harsdörffer war Johann Klaj (1616?–1656) der Sohn eines einfachen Handwerkers aus Meißen. Der Vater übte den ehrbaren, aber nicht sehr angesehenen Beruf eines Tuchbereiters aus, der gewebte und gewalkte Tücher durch Rauhen, Scheren und Pressen zum Verkauf herrichtete. Obwohl von ehelicher Abstammung war dies eine sehr schlechte Voraussetzung, um in der ständischen Gesellschaft reüssieren zu können. Nach Immatrikulation an der kursächsischen Universität Wittenberg am 19. August 1634 hielt sich Klaj dort ungewöhnlich lange auf, ohne jedoch sein Studium insbesondere bei dem einflussreichen Professor für Poetik, August Buchner (1591–1661), mit einem akademischen Titel zu beenden. Recht unvermittelt und in den Quellen
30 Fleischmann, Rat und Patriziat (wie Anm. 27), S. 557 f.
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des reichsstädtischen Archivs leider nicht nachweisbar, tauchte Klaj Anfang des Jahres 1644 „mittellos, ohne familiären Konnex, ohne Berufsaussichten“ plötzlich in Nürnberg auf.31 Angesichts dieses sozialen Hintergrunds ist es verständlich, dass der Scholar ohne höhere akademische Weihe das Bürgerrecht gar nicht beantragt hat, weil er weder einen Berufsabschluss vorweisen konnte noch über das erforderliche Mindestvermögen von 200 Gulden verfügte.32 Durch den Kontakt mit dem vornehmen Ratsherrn Georg Philipp Harsdörffer und dem arrivierten, ursprünglich aus dem gräflich-hennebergischen Themar stammenden Theologen Johann Michael Dilherr, seit 1642 Direktor des Egidiengymnasiums und ab 1646 Prediger an der Sebalduskirche, dürfte Klaj zunächst eine Stellung als Privatlehrer erhalten haben. Dem Nürnberger Netzwerk zur Förderung des talentierten, aber verarmten Klaj ist der Ratskonsulent Dr. Georg Achatius Heher (1601–1667) zuzuordnen. Er war der Sohn eines nicht minder einflussreichen reichsstädtischen und 1623 in den Adelsstand erhobenen Juristen, der ebenfalls 1629 eine Anstellung beim Rat erhielt und dem gleich dem Vater am 6. Februar 1643 das kaiserliche Palatinat verliehen wurde. Allein unter Ferdinand II. ist etwa 330 Mal das kleine Palatinat oder die Würde eines Hofpfalzgrafen als Vertreter des Kaisers verliehen worden, dem das Recht zur Ernennung von Notaren, zur Legitimation Unehelicher, zu Beurkundungen im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und zur Verleihung akademischer Würden gestattet worden ist; das zuletzt genannte pfalzgräfliche Promotionsrecht wurde seit der Zeit um 1500 um das Recht zur Ernennung von poetae laureati erweitert, da eine Dichterkrönung als akademische Würde angesehen wurde. Übrigens ist Sigmund Betulius (1626–1681) am 16. Mai 1654 von Kaiser Ferdinand III. in den Adelsstand erhoben und ebenfalls zum kaiserlichen
31 Andreas Will: Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon. Nürnberg, Altdorf 1755. Bd. 1. S. 195–197. – Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908 (Beiträge zur deutschen Literaturwissenschaft, 6), S. 3–34. – Matthias Simon: Ansbachisches Pfarrerbuch. Die Evangelisch-Lutherische Geistlichkeit des Fürstentums Brandenburg-Ansbach 1528–1806. Nürnberg 1957 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 28), S. 245 (Nr. 1493). – Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprachund Kunstwissenschaft, 26), S. 9 f. (Zitat); allerdings ist die Behauptung, „Nürnberg war eine der wenigen deutschen Städte, die der große Krieg nahezu ungeschoren gelassen hatte“, völlig unzutreffend. 32 Kein Nachweis in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Amts- und Standbücher 311 (= Verzeichnis der Neubürger 1631 bis 1725), und in: Reichsstadt Nürnberg, Ratsverlässe 2280– 2291. – Werner Schultheiß: Das Bürgerrecht der Königs- und Reichsstadt Nürnberg. Beiträge zur Verfassungsgeschichte der deutschen Städte. In: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971. Bd. 2. Göttingen 1972, S. 184.
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Hofpfalzgrafen ernannt worden, wonach er sich „von Birken“ nennen durfte. Schon zwei Jahre nach seiner eigenen Standeserhebung hat Dr. Georg Achatius Heher, der 1648 in den Dienst der Herzogs von Sachsen Coburg-Gotha übergetreten und 1652 in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen worden ist, den in Nürnberg mittlerweile literarisch und im öffentlichen Leben mehrfach hervorgetretenen Klaj am 25. März 1645 zum Dichter gekrönt.33 Dabei handelte es um einen Ehrentitel wahrscheinlich in der Absicht das Renommee des Poeten zu vergrößern. Obwohl er keine Magisterwürde vorweisen konnte, haben die vier Kirchen- und Vormundherren im Jahr 1647 den mittlerweile 31 Jahre alten Klaj als Lehrer der dritten Klasse an der angesehenen Sebalder Lateinschule berufen.34 Damit ist der Collega tertius auch in der schulischen Hierarchie am unteren Ende eingereiht worden, denn allein dem primarius von sechs Lehrkräften stand ein doppeltes Einkommen zu.35 Man kann dieses schmale Salär nur als eine Art Grundsicherung verstehen. Insofern ist es erstaunlich, dass sich Klaj am 25. September 1648 mit Maria Elisabeth Rummel verheiratet hat. Sie war eine Tochter des Arztes Dr. Johann Konrad Rummel (1574–1630), der 1628 infolge der Rekatholisierung der Oberpfalz durch Kurfürst Maximilian I. seinen Wirkungsort Neumarkt verlassen hatte und sich in der Vorstadt Wöhrd ansässig machen durfte. Rummels Tochter und spätere Ehefrau Klajs war keine Bürgerin der Reichsstadt, da nur die in Nürnberg wohnenden und vom Rat in das Bürgerrecht aufgenommenen Personen diesen besonderen rechtlichen Status genossen, der den Einwohnern in den beiden Vorstädten Wöhrd und Gostenhof sowie in den Landstädten verwehrt war. Von ihren Brüdern, beide sehr angesehene Ärzte, hat der Rat nur Dr. Johann Konrad Rummel jr. (1597–1661) am 1. Dezember 1630 in das Bürgerrecht aufgenommen, ihn als einen der geschworenen Ärzte zugelassen und sogar schon 1632 in den Größeren Rat der
33 Will, Gelehrten-Lexicon II (wie Anm. 31), S. 58–60. – Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 11. München, Leipzig 1880. S. 291 f. – Jürgen Arndt: Zur Entwicklung des kaiserlichen Hofpfalzgrafenamtes von 1355–1806. In: Jürgen Arndt (Bearb.): Hofpfalzgrafen-Register, Bd. 1. Neustadt/A. 1964. S. V–XXIV; S. 79–85 (= Sigmund von Birken 1654–1681). – Karl Friedrich von Frank (Bearb.): Standeserhebungen und Gnadenakte für das Deutsche Reich und die Österreichischen Erblande bis 1806. Bd. II. Senftenegg 1970, S. 179. 34 Keine Nennung Klajs bei Gerhard Schröttel: Johann Michael Dilherr und die vorpietistische Kirchenreform in Nürnberg. Nürnberg 1962. – Wiedemann, Klaj (wie Anm. 31), S. 10. – Renate Jürgensen: Utile cum dulci. Mit Nutzen erfreulich. Die Blütezeit des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg 1644 bis 1744. Wiesbaden 1994; darin zahlreiche Nennungen Klajs. 35 Wegen Archivalienverlusten zu Beginn des 19. Jahrhunderts leider kein Nachweis in: Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Kirchen- und Vormundamt; vgl. ebd. 1914 (= Lateinschule St. Sebald, Wöchentliche Einnahmen und Ausgaben 1767–1772); Ämterrechnungen / Kirchenamt 130 (= Jahresrechnung 1650/51).
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Reichsstadt Nürnberg kooptiert.36 Dagegen hat Johann Pharamund Rummel (Lebensdaten unbekannt) die Reichsstadt verlassen und später eine Stellung als Leibarzt bei einem Fürsten zu Anhalt bekommen.37 Der bescheidene soziale Aufstieg Klajs wurde durch seine Ordination am 18. Dezember 1650 in der nürnbergischen Universitätsstadt Altdorf und seine Berufung als Pfarrer in das hochstiftisch-würzburgische Kitzingen, das gerade aus brandenburg-ansbachischer Pfandschaft ausgelöst worden war, gekrönt. Damit dürfte Klaj mancher materiellen Sorge enthoben worden sein, doch war ihm andererseits kein langes Leben mehr beschieden.38
36 Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Ratsverlässe 2116, fol. 62v; ebd. 2140, fol. 77r; Ämterbüchlein 149, fol. 129r. – Will, Gelehrten-Lexicon III (wie Anm. 31), S. 426–431. – Johann Ferdinand Roth (Hg.): Verzeichniß aller Genannten des größeren Raths. Nürnberg 1802, S. 120. – Manfred H. Grieb (Hg.): Nürnberger Künstlerlexikon III. München 2007, S. 1285 f. 37 Will, Gelehrten-Lexicon III (wie Anm. 31), S. 431. – Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Ratsverlässe 2136, fol. 75r. 38 Simon, Ansbachisches Pfarrerbuch (wie Anm. 31), S. 245 (Nr. 1493). – Ernst Rohmer: Johann Klaj in Kitzingen. Bohemien oder Pastor orthodoxus? In: Pegnesischer Blumenorden in Nürnberg. Festschrift zum 350jährigen Jubiläum. Nürnberg 1994, S. 7–15.
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Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650 1 Forschungslage Die Geschichte des Nürnberger Buchwesens im siebzehnten Jahrhundert hat noch keine fundierte Darstellung des gesamten Zeitraumes oder einzelner Abschnitte erfahren. Es gibt aber mehrere Arbeiten, deren Titelfassungen einen solchen Sachverhalt vermuten lassen könnten.1 Bei dem Aufsatz von Lore Sporhan-Krempel und Theodor Wohnhaas handelt es sich um eine höchst verdienstvolle Auflistung von über 700 Personen aus dem Bereich des Buchwesens, die mit den wichtigsten Daten zu Leben und Berufsausübung in jeweils wenigen Zeilen vorgestellt werden. Hier findet sich eine Fülle vor allem von biographischem Material, auf das sich spätere Arbeiten stützen konnten und können. Es ist eingearbeitet in die im folgenden Absatz genannten Nachschlagewerke. Der Titel der Studie von Lore Sporhan-Krempel führt leider in die Irre. Entgegen der Themaformulierung wird ausschließlich die Familie Endter behandelt. Die Arbeit von Olga Fejtová befasst sich nur einleitend mit der Literaturproduktion; Hauptthema ist die Literaturrezeption, wie sie sich vor allem in den Buchbeständen der privaten Bibliotheken abbildet. Dominik Radlmaier nimmt in seiner gut lesbaren, attraktiv und informativ illustrierten Einführung vor allem die Unternehmen von Simon Halbmaier, Wolfgang Eberhard Felsecker, Johann Tauber und das der Familie Endter in den Blick. Neben diesen die gesamte Epoche tatsächlich oder scheinbar umfassenden Arbeiten finden sich Untersuchungen zu einzelnen Protagonisten des Nürnberger Buchwesens oder zu speziellen mediengeschichtlichen Fragestellungen in diesem
1 Lore Sporhan-Krempel / Theodor Wohnhaas: Zum Nürnberger Buchhandel und graphischen Gewerbe im 17. Jahrhundert. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 13 (1973), Sp. 1021–1080; Lore Sporhan-Krempel: Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg im 17. Jahrhundert. In: Paul Raabe (Hg.): Bücher und Bibliotheken im 17. Jahrhundert in Deutschland. Hamburg 1980 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens, 6), S. 25–37; Olga Fejtová: Die bürgerliche Buchkultur in Nürnberg im 17. Jahrhundert. In: Acta Comeniana. Internationale Revue für Studien über J. A. Comenius und Ideengeschichte der Frühen Neuzeit 17 (2003), S. 151–182; Dominik Radlmaier: Weltliteratur aus Nürnberger Pressen. Das reichsstädtische Verlagswesen im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. In: Norica. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg 9 (2013), S. 73–81.
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Zeitabschnitt. Die dort publizierten Ergebnisse sind vor allem in zwei Kompendien zusammengeführt worden; die beiden Standardwerke sind unentbehrliche Helfer des Buchhistorikers.2 Dazu treten eine Edition des amtlichen Verzeichnisses der im Buchgewerbe Tätigen3 und die verschiedenen Möglichkeiten zur bibliographischen Recherche, die das VD 17 bietet. Von dieser Quellenbasis ausgehend versucht die hier vorgelegte Studie, einen Überblick über das Buchwesen in dem genannten, eng umrissenen Zeitraum innerhalb des siebzehnten Jahrhunderts zu geben. Damit soll eine Grundlage geboten werden für Überlegungen, die den Autor betreffen und seine Beziehungen zu Buchdruckern, -verlegern und -händlern und damit schließlich für die Beantwortung der Frage nach dem Verhältnis zwischen Literatur und Buchgewerbe im Nürnberg jener zehn Jahre von 1640 bis 1650.4
2 Buchverlag Im Anfang war der Drucker. Die heute geläufige Aufteilung des Buchwesens in die drei großen Geschäfts- oder Funktionsbereiche Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel findet sich in der Frühzeit des Buchdrucks noch gar nicht und im siebzehnten Jahrhundert erst in Ansätzen. In aller Regel finanzierte der Drucker seine Vorhaben selber, und man nennt ihn dann „Drucker-Verleger“. Oft begegnen auch Buchführer in der Funktion des Verlegers, zuweilen nur für ein einzelnes Werk, bisweilen aber auch mit mehreren Produktionen, so dass
2 Manfred H. Grieb (Hg.): Nürnberger Künstlerlexikon. Bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. 4 Bde. München 2007 sowie Christoph Reske: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, 2. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden 2015 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 51). 3 Verzeichnis der Buch- und Zeitungsdrucker, Buchhändler, Verleger, Briefmaler und Formschneider 1513–1806 nach den Ämterbüchlein der Reichsstadt Nürnberg (im Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 62) mit einem Beitrag über Wesen und Zweck und dem Gesamtverzeichnis der im Staatsarchiv Nürnberg vorhandenen Ämterbüchlein und aller darin verzeichneten Ämter und Berufe von Peter Fleischmann. Erstellt von Lore Sporhan-Krempel († 1994) und Theodor Wohnhaas. Bearb. und mit Registern versehen v. Manfred H. Grieb. In: Michael Diefenbacher / Wiltrud Fischer-Pache (Hg.), Manfred H. Grieb (Bearb.): Das Nürnberger Buchgewerbe. Buch- und Zeitungsdrucker, Verleger und Druckhändler vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Aus Archiven zusammengestellt v. Lore Sporhan-Krempel (†) und Theodor Wohnhaas. Nürnberg 2003 (Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg, 31), S. 560–739. 4 Die Behandlung dieses Themas als Forschungsdesiderat kenntlich gemacht bei Blake Lee Spahr: Nürnbergs Stellung im literarischen Leben des 17. Jahrhunderts. In: Albrecht Schöne (Hg.): Stadt, Schule, Universität, Buchwesen und die deutsche Literatur im 17. Jahrhundert. München 1976, S. 73–83, hier S. 75–77.
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man in diesen Fällen vom “Sortimenter-Verleger“ spricht. Dass ein Buchführer auch gleichzeitig als Verleger auftritt, liegt in den Usancen des damaligen Buchhandels beim Warenerwerb begründet. Die Buchführer erhielten die Bücher für das Sortiment, das sie in ihrem Ladengeschäft führten, in aller Regel nicht durch Kauf, sondern durch Tausch auf den jeweiligen Messen („Changeverkehr“). Dafür aber mussten ihnen Stücke aus eigener Verlagsproduktion zur Verfügung stehen. Da der Verleger-Sortimenter von der Auflage eines von ihm finanzierten Werkes nur einen Teil für den lokalen Buchhandel benötigte, blieben ihm die anderen Stücke für den Tausch. Wenn er z. B. von einer Auflage von 550 Stück 50 für die eigene Buchhandlung vorsah und 500 für den Tausch einsetzte, konnte er 50 verschiedene Titel mit je 10 Exemplaren in sein Sortiment aufnehmen. Wenn man im angenommenen Beispiel die Auflage verdoppelt, was technisch völlig unproblematisch war und bei einem Werk mit einem Umfang von nur einigen Bögen auch von den Kosten her kein größeres Problem darstellte, dann kommt man auf eine Größenordnung von 100 Titeln, die ein Sortimenter-Verleger seinem Ladengeschäft mit nur einer Veröffentlichung aus eigener Produktion hinzufügen konnte. Diesem System wohnt folglich eine beachtliche Hebelwirkung inne. Weil mit jedem Buch aus eigener Produktion ein Vielfaches an Zuwachs für das eigene Ladengeschäft möglich wird, wächst ein Unternehmen, das wirtschaftlich stärker ist als seine Mitbewerber, überproportional schnell. Dieser Effekt wird in Nürnberg besonders deutlich bei der Familie Endter sichtbar. Unternehmer, die sich rein auf den Verlag beschränkten, nicht über eine eigene Produktionsstätte verfügten und auch nicht als Buchhändler begegnen, waren im 17. Jahrhundert die Ausnahme. In Nürnberg findet man im hier untersuchten Zeitraum Anfänge dieses Geschäftsmodells beim Kunsthändler und Buchverleger Paul Fürst, der im Folgenden noch vorgestellt wird. Zum vollständigen Bild der im siebzehnten Jahrhundert gängigen Betriebspraxis im Buchwesen gehört auch der Hinweis, dass es das Geschäftsmodell des Verlags an sich im Nürnberger Wirtschaftsleben und anderswo schon seit dem 14. Jahrhundert gab. Kapitalkräftige Unternehmer stellten den Handwerkern die Rohstoffe für die Bearbeitung zur Verfügung („Gezeugsverlag“) oder sie schossen das benötigte Kapital vor (“Geldverlag“) und sie organisierten hier wie dort die Vermarktung der Erzeugnisse.5 Bei der Herstellung von Büchern hielt diese Wirtschaftsform erst sehr viel später Einzug: die großen Verlagshäuser erlebten ihre Blütezeit nicht vor dem 18. Jahrhundert.
5 Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. völlig neu bearb. Aufl. (im Folgenden zitiert als LGB2), Bd. 8. Stuttgart 2014, S. 62–64; Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Hg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg 1999, S. 1135.
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Die Nürnberger amtlichen Gewerbeverzeichnisse notieren seit 1513 die Buchdrucker, seit 1529 die Formschneider, seit 1548 die Buchführer und die Briefmaler und ab 1636 auch die Kunstführer und Kupferstecher, nicht aber die Verleger; und das bleibt so bis zum Ende der Aufzeichnungen im Jahr 1806. Es wird also, wer im gegebenen Untersuchungszeitraum in Nürnberg Verleger finden will, bei den Druckern, den Buchführern und den Kunstführern suchen müssen. Das galt für den Autor des siebzehnten Jahrhunderts und das gilt für den Buchhistoriker unserer Tage.
2.1 Drucker-Verleger und Sortimenter-Verleger Mit der erwähnten Eintragung der Buchdrucker in das Ämterbüchlein war eine eidliche Verpflichtung auf die einschlägigen Vorschriften verbunden, von denen hier vor allem die Regelungen der (Vor-)Zensur von Belang waren. Da die Aufsicht führende Behörde neben den jeweiligen Eigentümern der Offizinen auch weiteres Personal in die Pflicht nehmen wollte, wurden nach und nach auch Mitarbeiter der Betriebe mit eingetragen und auch sie mussten die Einhaltung der Zensurbestimmungen versprechen und diese Zusage beschwören. Bei diesen Vorgängen hat der Kanzlist zwischen dem Leiter der Offizin und den Angestellten, die durchwegs als Setzer bezeichnet werden, zumeist nicht unterschieden, sondern er hat die Beteiligten häufig unterschiedslos in die Gruppe der Buchdrucker eingereiht. Das macht es heute schwierig, die einzelnen Firmeninhaber nur anhand des Ämterbüchleins zu identifizieren. Denn es finden sich – zumal seit dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts – in der Rubrik „Buchdrucker“ stets mehr Namen als es selbständige Unternehmungen gab. Weil eindeutige Unterscheidungen zu selbständig tätigen Betreibern einer Offizin hier nicht zufriedenstellend möglich sind, wurden alle in der Rubrik der Buchdrucker Aufgeführten berücksichtigt. Dort wo die Stellung als Setzer angegeben war, wurde dieses mit übernommen, ebenso der Dienstherr, wenn er erwähnt wurde. Sehr oft wird man sich unter dem namentlich genannten Setzer eines Betriebes den Faktor, also etwa den Geschäftsführer im heutigen Sprachgebrauch, vorzustellen haben. Will man die jeweils zu bestimmten Zeiten tätigen Druckereibetriebe ermitteln, dann kann man sich daher nicht einfach auf die Liste der im Ämterbüchlein eingetragenen Buchdrucker stützen, sondern man muss einen anderen Weg beschreiten. Mithilfe des VD 17 und der dort angebotenen Suchoptionen lässt sich ein Verzeichnis der verschiedenen Offizinen generieren, und man kann die Dauer ihrer Aktivität ermitteln. Da die Arbeiten am Kernprojekt VD 17 zwar abgeschlossen sind, gegenwärtig aber immer noch neue Titelmeldungen hinzukommen und da dieses auch für geraume Zeit so bleiben wird, ist es denkbar, dass die im Augenblick gefundenen Angaben vielleicht noch einmal modifiziert werden müssen.
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Die Bestände der Stadtbibliothek Nürnberg sind jedoch vollständig eingearbeitet und daher wird man für die Verleger, Drucker und Buchhändler der Reichsstadt schon jetzt von einer soliden Datenbasis ausgehen können. Diese Feststellung gilt sicher für Bücher und für Einblattdrucke, die überwiegend Text enthalten. Sie stimmt so wohl nicht für Blätter, bei denen die Illustrationen gegenüber dem Text das größere Gewicht haben und die im siebzehnten Jahrhundert in der Regel in der Technik des Kupferstichs gefertigt wurden. Solche Stücke sind eher in die graphischen Kabinette als in die Bibliotheken gelangt und daher im VD 17 nicht immer in der wünschenswerten Dichte zu finden. So kennt das VD 17 beispielsweise nur zwei Titel, die Sigmund von Birken bei Paul Fürst herausbrachte, Roger Paas aber zählt in seiner Untersuchung 15 Stücke.6 Das VD 17 kann für und bei Detailstudien wie etwa der Untersuchung des Schaffens einzelner Autoren nur einen Einstieg bieten und macht weitere Recherchen in den entsprechenden Spezialwerken keineswegs überflüssig.7 In der folgenden Aufstellung werden die Namen der Drucker und Buchführer normiert nach der Vorlage des VD 17. Es wurden alle Drucker und Buchführer in alphabetischer Reihenfolge aufgenommen, deren Tätigkeitszeit in die zehn Jahre von 1640 bis 1650 fällt, bzw. sich mit diesem Zeitraum überschneidet. Von diesen Personen wurden auch biographische Nachrichten aus dem Ämterbüchlein und aus anderen Quellen mit notiert, die über den Berichtszeitraum hinaus reichen. Bei den Einträgen im Ämterbüchlein ist eine Besonderheit zu beachten. Sie wurden nicht am Beginn des Kalenderjahres getätigt, sondern erst nach der ersten Sitzung des neugewählten Kleinen Rates. Dessen Amtsperiode lief von Osterfest zu Osterfest, so dass die alljährlich neue Aufstellung im Ämterbüchlein jeweils frühestens am Mittwoch nach Ostern erfolgte.8 Ein Buchdrucker, der beispielsweise im vorhergehenden Jahr noch eingetragen war und in die neue Liste nicht aufgenommen wurde, kann somit im neuen Kalenderjahr durchaus noch einige Monate lang aktiv gewesen sein. Eine feste Eingruppierung der einzelnen Personen in bestimmte Berufs- oder Funktionseinheiten ist wegen der vielen in der Praxis des Buchgeschäfts zu beobachtenden Mischformen nicht möglich. Buchdrucker sind gleichzeitig oder sequentiell auch Buchführer und umgekehrt. Eine solche Gliederung ist auch nicht
6 John Roger Paas: Sigmund von Birkens anonyme Flugblattgedichte im Kunstverlag des Paul Fürst. In: Philobiblon 34 (1990), S. 321–339. 7 Für die Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens steht jetzt zur Verfügung das Werk von Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 50). 8 Fleischmann, Verzeichnis (wie Anm. 3), S. 560.
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unbedingt vonnöten. Sieht man die Sache vom Standpunkt der Literaturgeschichte aus, fällt der Blick auf den Dichter jener Jahre. Er musste jemanden finden, der seinen Text publizierte und vielleicht auch noch bewarb, verbreitete und ihm auf diese Weise Publikum verschaffte. Das war für ihn und seine künstlerische und wohl auch für seine materielle Existenz bedeutsam. Ob der Geschäftspartner eher Drucker oder Verleger oder Buchhändler oder Händler mit Kupferstichen war, hatte für den Autor demgegenüber geringere Bedeutung. Jeremias Dümler (* 10.11.1598 in Rothenburg o. d. T., † 12.4., ▭ 16.4.1668 in Nürnberg)9 Im Ämterbüchlein wird Jeremias Dümler als Buchdrucker von 1634 bis 1653, als Buchführer von 1633 bis 1652 eingetragen. Das VD 17 verzeichnet von ihm 444 Drucke, davon 248 von 1640 bis 1650. Dümler hatte 1633 die Witwe des Druckers Simon Halbmaier geheiratet, in dessen Offizin er beschäftigt war.10 Da der Rat die Anzahl der Druckereibetriebe limitiert hatte, war die Heirat einer Druckerwitwe ein damals üblicher Weg zur beruflichen Selbständigkeit. Jeremias Dümler führte die nach dem Haus Endter zweitgrößte Firma in Nürnberg; in Frankfurt und Leipzig unterhielt er Niederlassungen. Er ließ als Verleger auch außerhalb von Nürnberg produzieren. Zumindest ein Fall ist belegt. In seiner Geburtsstadt Rothenburg o. d. T. druckte Jacob Mollyn 1636 ein umfangreiches Werk des dortigen Gymnasialrektors Johann Seyboth auf Kosten von Dümler.11 Wie viele seiner Zunftgenossen produzierte Dümler Kalender, die mit ihren hohen Auflagenzahlen und als periodisch wiederkehrende Handelsobjekte gute und vor allem regelmäßige Einnahmen und Gewinne brachten.12 Immer wieder
9 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 292; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 792–794; Geburtsdatum nach Lore Sporhan-Krempel / Theodor Wohnhaas: Jeremias Dümler, Buchhändler, Verleger und Buchdrucker zu Nürnberg 1598–1668. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 7 (1967), Sp. 1773–1796, hier Sp. 1774. Bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 1), S. 792 irrtümlich als Taufdatum wiedergegeben. Sterbedatum nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 292. 10 Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Dümler (wie Anm. 9), Sp. 1775. 11 VD17: 29:727551B. 12 Klaus Matthäus: Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens. Die Entwicklung der in Nürnberg gedruckten Jahreskalender in Buchform. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969), Sp. 965–1396 (zugl. Diss. Erlangen 1968), hier Sp. 1131. Hier (Sp. 1162) auch Angaben zur Auflagenhöhe, die man in einer Größenordnung von bis zu 10.000 ansetzen kann. Um 1800 werden von solchen Stücken 15.000 bis 20.000 hergestellt. Vgl. Hans-Otto Keunecke: Die Druckereien der Familie Messerer in Ansbach, Schwäbisch Hall und Öhringen. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 71 (2016), S. 1–22, hier S. 8, Anm. 61.
Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650
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Abb. 1: Jeremias Dümler. Kupferstich von Johann Alexander Böner. Deutsches Buch-und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, Grafische Sammlung, Bö-Bl/P/0579
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wurde er auch für den Rat tätig, in dessen Auftrag und auf dessen Kosten er Verordnungen, Mandate, Patente und Ähnliches fertigte.13 Diese Produkte stellten nicht seine Haupteinnahmequelle dar, sicherten aber zusätzliche und risikofrei zu erzielende Einkünfte. Er versorgte den Markt auch mit leicht verkäuflichen Nachrichten über die aktuellen politischen Ereignisse und geriet dabei gerade in den vierziger Jahren einige Male in Konflikt mit der Zensur.14 Desgleichen brachte er Musikdrucke heraus und Veröffentlichungen von Mitgliedern des Pegnesischen Blumenordens. Harsdörffer erscheint 16mal als Autor bei Dümler, Klaj 20mal, und Sigmund von Birken begegnet 22mal im VD 17 als Verfasser bei Dümler, wobei die hier Aufgeführten keineswegs immer als alleinige Urheber selbständiger Werke auftreten, sondern sehr oft als Beiträger, etwa in Gelegenheitsdrucken, aufgeführt werden. Trotz der Handelshemmnisse während des Dreißigjährigen Kriegs verfügte Dümler über weitgespannte Geschäftsbeziehungen, die er nutzte, um im Auftrag verschiedener Reichsstädte als deren Agent tätig zu werden. Er übermittelte nicht nur Nachrichten, sondern tätigte auch Käufe als Kommissionär u. a. für Rothenburg, Kempten und Schweinfurt.15 Bei einem dieser Vorgänge erfahren wir auch etwas über die wirtschaftliche Lage von Jeremias Dümler, der finanzkräftig genug war, dass die Stadt Rothenburg ihn um ein Darlehen bitten konnte.16 Gesellschaftliche Anerkennung spiegelt sich wider in seiner Berufung zum Genannten im Jahr 163517 und damit zum Mitglied des Größeren Rates und 1657 in der Ernennung zum Gassenhauptmann.18 1653 verkaufte er sein Unternehmen an Wolf Endter d.J. und dessen Bruder Johann Andreas. Bezeichnenderweise musste er sich dabei verpflichten, „künftig keines Buchhandels oder Druckens, weder für sich, noch durch andere, von seinetwegen, nicht mehr zu unterfangen, noch den Endtern an ihrer führenden Handlung einigen Eintrag zu tun oder zutun verstatten“.19 Die Familie Endter hatte damit ihren wichtigsten Konkurrenten übernommen und konnte ihre dominierende Stellung in Nürnberg weiter ausbauen.20 Bei dieser Geschäftsübergabe be
13 Sporhan/Wohnhaas, Dümler (wie Anm 9), Sp. 1779–1780. 14 Ebd., Sp. 1783–1784. 15 Ebd., Sp. 1787–1788. 16 Ebd., Sp. 1788; weitere Angaben zu Dümlers ökonomischen Verhältnissen ebd., Sp. 1791– 1792. 17 Ferdinand Roth: Verzeichniß aller Genannten des Größern Raths. Nürnberg 1802. Nachdruck, hg. und kommentiert von Peter Fleischmann. Neustadt a. d. Aisch 2002, S. 123. 18 Diefenbacher/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 3), S. 88, Regest Nr. 573. 19 Zit. nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Dümler (wie Anm. 9), Sp. 1796. 20 So kamen lt. VD17 beispielsweise 1654 und 1655 jeweils 77 % der Titel in Nürnberg bei Endter heraus.
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hielt Dümler sich allerdings vor, weiterhin „mit gebundenen Büchern“ zu handeln.21 Damit waren nach damaligem Sprachgebrauch antiquarische Werke gemeint. Seine Witwe veröffentlichte 1668 einen Lagerkatalog dieses Bestandes („Catalogus bibliothecae sive librorum compactorum Norimbergae apud viduam Jeremiae Dümleri venalium“). Er zählte über 3.000 Titel auf, von denen nur ein sehr kleiner Teil von weniger als sieben Prozent als zeitgenössisch eingeordnet werden kann.22 Dümler hat also nicht nur das übliche Verkaufsgeschäft mit aktueller Literatur, sondern auch Antiquariatsbuchhandel betrieben und damit seinem Ladengeschäft zusätzliche Frequenz verschafft. Michael Endter d.J. (≈ 6.7.1613 in Nürnberg, † 15.4.1682 in Regensburg [auf einer Reise?])23 Im Ämterbüchlein wird Michael Endter als Buchdrucker von 1642 bis 1653, dann wieder von 1656 bis 1682, davon 1678 bis 1680 als Vorgeher, und als Buchführer von 1645 bis 1682 eingetragen. Von 1642 bis 1682 erschienen bei ihm gegen 500 Veröffentlichungen, davon 30 in der Zeit von 1642 bis 1650, darunter auch Texte von Harsdörffer und Dilherr. Michael Endter war ein Sohn von Georg d.J. Endter. Nach dessen Ableben im Jahr 1629 hatte die Witwe den Betrieb für die unmündigen Söhne weitergeführt. Sie erregte verschiedentlich den Unwillen des Rates, weil sie katholische Bücher druckte, und man hat sie deswegen mehrfach – auch gemeinsam mit ihrem Sohn Michael – in Haft genommen.24 Michael Endter konnte als Erbe seines Vaters ein kaiserliches Privileg für katholische Gebetbücher nutzen.25 Dass er es getan hat, ist nicht sicher; denn entsprechende Veröffentlichungen mit ihm als Drucker oder Verleger sind nicht aufzufinden; er müsste sie anonym herausgebracht haben. In sein öffentlich und offiziell wahrnehmbares Verlagsprogramm hätten sie jedenfalls nicht gepasst.
21 Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Dümler (wie Anm. 9), Sp. 1791. 22 Ebd., Sp. 1793. Ein Expl. in der Stadtbibliothek Nürnberg. 23 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 345; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 794–796; Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1035; Todesdatum zuerst bei Roth, Verzeichnis (wie Anm. 17), S. 127, Anm. 1. Zur Familie ist immer noch heranzuziehen Friedrich Oldenbourg: Die Endter. Eine Nürnberger Buchhändlerfamilie (1590– 1740). München, Berlin 1911 (zugl. Diss. Leipzig). Die seither erschienenen Untersuchungen verzeichnet und eingearbeitet in den einzelnen Personenartikeln bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2). Besonders wichtiges und reiches Material bietet die Quellenpublikation Diefenbacher/ Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18). 24 Die Nachweise weiter unten bei „Kunigunde Endter“ (Anm. 108). 25 Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 795.
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Abb. 2: Michael Endter d.J. Kupferstich von Georg Wolfgang Knorr. Aus: Friedrich Roth-Scholz: Icones bibliopolarum et typographorum. Nürnberg 1726–1742. Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, Grafische Sammlung, Bö-Bl/P/0657
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Er druckte neben naturwissenschaftlichen Büchern vielfach Werke der Schönen Literatur und er pflegte protestantische Autoren. Georg Philipp Harsdörffer und Sigmund von Birken hat er verlegt, Johann Michael Dilherr ist von 1643 bis 1679 mit 46 Titeln vertreten. Bemerkenswert sind zwei mittelalterliche Texte, die er herausbringt. Den „Tristrant“ des Eilhart von Oberg legt er zweimal auf,26 und Michael Endter ist im 17. Jahrhundert damit der einzige Drucker in Deutschland, der diesen Text veröffentlicht. Den „Wigalois“ des Wirnt von Grafenberg nimmt er ebenfalls zweimal unter die Presse.27 Von diesem Werk findet sich im 17. Jahrhundert nur noch eine weitere Ausgabe: 1611 in Hamburg gedruckt von Lorenz Schneider und verlegt von Heinrich Dose.28 Das wohl bedeutendste Verlagsprodukt von Michael Endter war der „Orbis sensualium pictus“ von Johann Amos Comenius, den er 1658 in einer zweisprachigen Ausgabe publizierte; die Übersetzung ins Deutsche hatte Sigmund von Birken verfasst.29 Der Titel wurde bei ihm und seinen Nachfolgern allein im 17. Jahrhundert insgesamt 25mal aufgelegt. Michael Endter war zumeist Drucker und Verleger seiner Produktionen, mindestens einmal aber hat er auch als Lohndrucker gearbeitet; 1644 stellt er einen umfangreichen Sammelband mit Altdorfer Disputationen für den Sortimenter-Verleger Michael Külsner her.30 Im öffentlichen Leben nahm er eine herausgehobene Stellung ein; 1646 wird er Genannter und damit Mitglied des Größeren Rates31 und 1682 wird er zum Gassenhauptmann ernannt.32
Wolfgang Endter d.Ä. (≈ * 4.7.1593 in Nürnberg, † 17.5., ▭ 21.5.1659 in Nürnberg)33 Im Ämterbüchlein wird Wolfgang Endter d.Ä. als Buchdrucker von 1619 bis 1655 und als Buchführer von 1638 bis 1654 eingetragen. Wir kennen von ihm über
26 1644 und 1653, VD17: 1:632088B und 7:667595U. 27 1643 und 1653, VD17: 1:631860S und 23:709404P. 28 VD17: 1:659606D. 29 VD17: 23:284186H. Sigmund v. Birken als Übersetzer belegt bei Kurt Pilz: Johann Amos Comenius. Die Ausgaben des Orbis Sensualium Pictus. Eine Bibliographie. Nürnberg 1967 (Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg, 14), S. 40–42. 30 VD17: 1:044174U. 31 Roth, Verzeichnis (wie Anm. 17), S. 127 32 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 3), S. 225, Regest Nr. 1367. 33 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 346; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 784–787; Taufdatum nach Sporhan-Kempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1035; so auch Sporhan-Krempel, Buchdruck (wie Anm. 1), S. 27. Lt. Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 346 ist das Taufdatum auch das Geburtsdatum. Begräbnisdatum nach Sporhan/Wohnhaas, Sp. 1035, Sterbetag nach Grieb, S. 346.
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1.300 Drucke aus den Jahren von 1619 bis 1659, davon 609 aus den zehn Jahren von 1640 bis 1650; Johann Klaj ist in dieser Zeit elfmal als Autor vertreten.
Abb. 3: Wolfgang Endter d.Ä. Kupferstich von Johann Dürr. Aus: Funeralpredigt für Wolfgang Endter. Universitätsbibliothek Erlangen, Handschriftenabteilung, Porträtsammlung
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Die Familie Endter dominierte im 17. Jahrhundert das Nürnberger Buchwesen; Wolfgang d.Ä. hatte daran einen bedeutenden Anteil. Die ersten drei Jahrzehnte seiner insgesamt vierzigjährigen Berufsausübung fielen mit dem Dreißigjährigen Krieg zusammen. Zwar war die Stadt Nürnberg selber innerhalb ihrer Mauern nicht direkt von den Zerstörungen des Kriegs betroffen, aber viele hatten sich hierher geflüchtet, und dieser Bevölkerungszuwachs und sich ausbreitende Krankheiten brachten erhebliche Probleme mit sich. Außerhalb der Stadt waren Handel und Wandel massiv behindert und erschwert. Trotzdem gelang es Wolfgang Endter, Verbindung zu den Märkten zu halten, die Messen zu besuchen und seine Geschäfte wirtschaftlich höchst erfolgreich zu führen. An den beiden Messestandorten Frankfurt und Leipzig unterhielt er eigene Niederlassungen und er konnte Papiermühlen in der Oberpfalz, im Umland von Nürnberg, in Oberschwaben und im Bodenseegebiet erwerben.34 Mit seinem Verlagsprogramm bediente er vor allem das protestantische Kundenspektrum. Er druckte und vertrieb unter anderem Erbauungsliteratur, Schulbücher, Volksbücher, aber auch Gesangbücher.35 Ökonomisch bedeutungsvoll waren Kalender, die mit ihren hohen Auflagen entsprechende Gewinne abwarfen.36 Auf dem Gebiet des Kalenderverlags waren die Endter, nachdem Sartorius und Lauer als Konkurrenten weggefallen waren, neben Dümler die einzigen Produzenten und nach dem Ausscheiden Dümlers hielten sie auf diesem Gebiet ein Monopol in der Reichsstadt. Nach dem Eingreifen des schwedischen Königs Gustav Adolf in die kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 1630 und dem Wechsel der Reichsstadt in das schwedische Lager im März 1632 nahm Wolfgang Endter entsprechende Titel ins Programm. Der weimarische Hof- und schwedische Feldprediger Nicephor(us) Kessel (inus) publizierte bei Endter in den Jahren 1632 und 1633 sieben Titel, es gibt einen Begrüßungsglückwunsch für Gustav Adolf 1632, ein Lobgedicht bei Eroberung Regensburgs und Funeralpredigten für Gustav Adolf. 1634 beteiligte Wolfgang Endter sich mit dem hohen Betrag von 8.000 fl. an einem Darlehen für die Schweden. Im Mai 1635 wechselte Nürnberg erneut die Seiten und trat zu den Kaiserli
34 Sporhan-Krempel, Buchdruck (wie Anm. 1), S. 29. 35 Eine Aufstellung von Musikdrucken der Familie Endter bietet Theodor Wohnhaas: Die Endter in Nürnberg als Musikdrucker und Musikverleger. Eine Übersicht. In: Kurt Dorfmüller / Georg von Dadelsen (Hg.): Quellenstudien zur Musik. Wolfgang Schmieder zum 70. Geburtstag. Frankfurt a. M. 1972, S. 197–204. 36 Zu Wolfgang Endter als Kalenderdrucker s. Matthäus, Kalenderwesen (wie Anm. 12), Sp. 1143–1158.
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chen über; dessen ungeachtet verwendete Endter in seiner Papiermühle in Wangen 1636 noch das schwedische Wappen als Wasserzeichen.37 1644 erschien bei ihm anlässlich einer patrizischen Eheschließung ein Hochzeitscarmen von Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj, „Pegnesisches Schaefergedicht in den Berinorgischen Gefilden“, das als poetische Grundsteinlegung des Pegnesischen Blumenordens gilt.38 In der Folge wurde Endter zum Hausdrucker der Pegnitzschäfer und in seinem Verlag brachte er u. a. von 1647 bis 1653 die drei Bände des berühmten „Poetischen Trichter“ von Harsdörffer heraus, der in seiner umgangssprachlich derivierten Form so bekannt wurde, dass seine Erwähnung an dieser Stelle nicht umgangen werden kann.39 Die enge Verbindung, die sich zwischen dem Verleger und seinen Autoren ergab, dürfte vorrangig ökonomischer Natur gewesen sein; doch wird man das als ganz natürlich werten wollen. Sie wird auch in Gedichten sichtbar, die Klaj und Harsdörffer ihrem Verleger Wolfgang Endter und seinem Sohn Johann Andreas widmeten. Von Klaj stammt „Das Lob des weltgepriesenen Buchhandels“, das 1650 in der Gratulationsschrift anlässlich der Heirat von Wolfgang Endters Sohn Johann Andreas mit Susanna Ayermann herauskam.40 Dasselbe Ereignis feierten in einem Einblattdruck auch die „gesamten Druckerey Verwandten“ der Firma Endter.41 Dieses Stück wird hier mit aufgeführt; denn es ist eine wichtige Quelle für die Unternehmensgeschichte, weil es siebzehn damals bei Endter Tätige namentlich als Gratulanten aufzählt. Ein zweiter Widmungsdruck für Wolfgang Endter verdankt sich den gemeinsamen dichterischen Bemühungen von Harsdörffer und Klaj. Sie huldigten ihrem Verleger mit je einem Poem und ließen die Texte in zwei Kolumnen nebeneinander setzen: „Ehrengedichte der kunstlöblichen Druckerey des erbaren und wol
37 Sporhan-Krempel, Buchdruck (wie Anm. 1), S. 30. 38 VD17: 75:704841S; dort sind für dasselbe Jahr zwei weitere Ausgaben genannt (32:674901S und 125:021211T), die ebenfalls bei Wolfgang Endter herauskamen. Es handelt sich hierbei aber offensichtlich nur um zwei verschiedene Exemplare derselben Ausgabe in unterschiedlichem Bibliotheksbesitz; die Fingerprints sind identisch. 39 VD17: 14:019688V. 40 Nicht im VD17; Exemplare in der Stadtbibliothek Nürnberg (Signatur: Will I 1151. 4° ) und im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg (Signatur: Spit. V. 50. 4° ); Abdruck des Gedichttextes in: Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 169–170, Regest Nr. 1039 sowie bei David Paisey: Einige Bemerkungen aus Gelegenheitsgedichten über Wolfgang Endter den Älteren und sein Nürnberger Unternehmen sowie ein Lobgedicht auf den Buchhandel von Johann Klaj. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 15 (1975), Sp. 1293–1296, hier Sp. 1295–1296. – Siehe auch den Beitrag von Dieter Martin in diesem Band. 41 VD17: 3:657881V.
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vornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg“.42 Am unteren Rand dieser sehr zweckgedachten Hervorbringung finden sich in der Bordüre elf Namen. Bei der Identifizierung hilft der erwähnte Einblattdruck, den die Endterschen Mitarbeiter anlässlich der erwähnten Hochzeit von Johann Andreas Endter dem Brautpaar zudachten. Unter den dort aufgelisteten siebzehn Namen finden sich sieben der elf Unterzeichner, so dass man auch die restlichen vier Genannten zum Personal der Firma Endter rechnen darf, das sich auf diese Weise am gedruckten Lob der Druckkunst und ihres Nürnberger Vertreters Wolfgang Endter beteiligte. Diese gemeinsamen Auftritte der Autoren zusammen mit den in der Druckerei Angestellten kann man auch so deuten, dass die Dichter sich hier – in einem weiteren Sinne – ebenfalls zum Personal des Druckers/Verlegers rechnen. Der Verleger wird das ohnehin schon so gesehen haben. Im Jahr 1641 gelang Wolfgang Endter ein besonders folgenreicher Vertragsabschluss. Er gab ab diesem Jahr die Kurfürstenbibel oder Weimarer Bibel heraus, für die er den Druckauftrag und ein Privileg von Herzog Ernst dem Frommen von Sachsen-Weimar erhalten hatte.43 Von 1641 bis 1768 erschienen vierzehn Auflagen dieses Bestsellers.44 Die wirtschaftliche Macht der Endterschen Unternehmen, die nach dem Ausscheiden des Patriarchen Wolfgang Endter durchaus nicht abnahm, führte mehrfach zu Beratungen im Nürnberger Stadtregiment, zumeist veranlasst durch Klagen von Mitbewerbern. Einige Beispiele, die keineswegs eine vollständige Aufstellung bieten, mögen zur Veranschaulichung dienen. 1641 prüft der Rat die Größe des Betriebs, vermutlich auf eine Beschwerde der Druckerkollegen hin, und stellt fest, „dass Wolf Endter durch die starke anzahl der pressen, so er gebraucht, nicht wider die ordnung handelt.“45 Als Hieronymus Lochner 1654 um eine Konzession für einen Buchladen einkommt, schlägt der Rat ihm die Bitte zunächst ab, erwägt aber, diesen Entschluss zu revidieren, weil „die Endter die ganzen buchhandlungen an sich ziehen und ein monopolium daraus machen.“46 Dass auch
42 VD17: 3:696394F; undatierter Druck, vom VD17 „ca. 1650“ angegeben; bei Jürgensen, Melos (wie Anm. 7), S. 57 „um 1644/46“. – Siehe auch den Beitrag von Dieter Martin in diesem Band. 43 Hermann Oertel: Die Frankfurter Feyerabend-Bibeln und die Nürnberger Endter-Bibeln. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 70 (1983), S. 75–116. Zur neueren Ergänzung und besonders zur bibliographischen Trennung von der oft auch als Kurfürstenbibel bezeichneten Dilherr-Bibel s. Rolf-Dieter Jahn: Die Weimarer ernestinische Kurfürstenbibel und Dilherr-Bibel des Endterverlags in Nürnberg 1641–1788. Versuch einer vollständigen Chronologie und Bibliographie. O.O.u.J. [Odenthal 1986]. 44 Oertel, Feyerabend-Bibeln (wie Anm. 43), S. 104. 45 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 243, Regest Nr. 1518. 46 Ebd., S. 448, Regest Nr. 2832.
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die Buchbinder wirtschaftlich bedrängt werden, gibt man 1665 zu Protokoll: „Und weiln hierbei auch vorkommen, dass die Endter alles pergamen, item bretter und andere materialien an sich kaufen, und die buchbindern hernach solches von ihnen zu nehmen [gezwungen sind] auch in andere weg mehr das ganze handwerk sehr pressen, […].47 Im Jahr 1651 begann Wolfgang Endter, sich aus dem aktiven Geschäft zurückzuziehen und übergab den Buchhandel an seine Söhne Wolfgang d.J. und Johann Andreas d.Ä. Im selben Jahr stiftete er auch das Buchdruckergrab auf dem Johannisfriedhof, dessen Reliefplatten ein Bild vom Inneren einer damaligen Schriftgießerei und Druckerei vermitteln, „sowol fremden als einheimischen Buchdruckern, Setzern und Schriftgießern zu sondern Ehren und stets wärenden Angedenken“.48 Wolf Endter, den man 1637 zum Genannten und Mitglied des Größeren Rates berufen hatte,49 bat 1651 um Aufnahme in den Adelsstand und Kaiser Ferdinand III. verlieh ihm unter dem 17. Juni 1651 Titel und Wappen. Paul Fürst (≈ 17.2.1608 in Nürnberg, † 10.9., ▭ 11.9.1666 in Nürnberg)50 Im Ämterbüchlein werden die Kunstführer erst ab 1636 vermerkt, zunächst gemeinsam mit den Kupferstechern. Ab 1665 werden diese abgetrennt und in einer eigenen Gruppe notiert. Paul Fürst wird von 1636 bis 1667 bei den Kunstführern eingetragen.51 Das VD17 führt von ihm 190 Verlagswerke auf, 61 davon in den Jahren von 1640 bis 1650; acht dieser Titel erschienen mit Texten von Klaj. Fürst hatte 1637 auf dem Erbweg die Firma seines Schwiegervaters Balthasar Caymox übernommen, der neben Illustrationswerken vor allem Kupferstiche verlegt hatte. Diese Art des Geschäftsbetriebes führte er fort; er bezeichnete sich selber als Kunsthändler.52 Dabei ist hier unter Kunst Druckgraphik zu verstehen. Sein Hauptgeschäft waren Kupferstiche, oft in der Gestalt des mit längerem Text versehenen Flugblattes. Bücher im herkömmlichen Verständnis des Wortes finden sich in seinem Verkaufs- und Vertriebsprogramm nur ganz vereinzelt, und dann handelt es sich um Bildwerke. Im Berichtszeitraum etwa erschien nur ein
47 Ebd., S. 220, Regest Nr. 1322. 48 Zit. nach Lore Sporhan-Krempel: Das Buchdruckergrab auf dem St. Johannis-Friedhof zu Nürnberg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 6 (1966), Sp. 1067–1072. 49 Roth, Verzeichnis (wie Anm. 17), S. 124. 50 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 436; nicht bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2); Tauf- und Beerdigungsdaten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1038; Datum des Sterbetages nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 436. 51 Staatsarchiv Nürnberg, Bestand Reichsstadt Nürnberg, Rep. 62, Nr. 155–186. Im Jahr 1667 ist sein Ableben mit einem Kreuz markiert. Die Kunstführer wurden nicht in die bei Anm. 3 genannte Edition der Buchdrucker und Buchführer aufgenommen. 52 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 436; zu Caymox s. ebd., S. 220.
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Buch von ihm: „Das ganzte Leben Jesu Christi“ (1648), ein Kupferstichwerk mit Texten von Johann Klaj.53 Fürst erkannte die Möglichkeiten, die sich in Nürnberg durch die Mitglieder der dortigen literarischen Szene ergaben, und nachdem es 1644 zur Gründung des Pegnesischen Blumenordens gekommen war, gewann er Birken, Klaj und Harsdörffer als Autoren für seine Blätter.54 Er bediente auch die Kaufinteressen des katholischen Süddeutschland, indem er Drucke mit Heiligenbildern und vergleichbare Stücke in sein Verlagsprogramm aufnahm und vertrieb. Fürst zog Nutzen aus der gestiegenen Nachfrage nach illustrierten Werken und er wurde in der Mitte des Jahrhunderts der führende Verleger von Flugblättern über Nürnberg hinaus, wobei die Produktion einen besonderen Schub durch den Friedenskongress der Jahre 1649–1650 erhielt.55 Drei Jahre vor Beginn der Konferenz konnte er mit der Berufung zum Genannten im Jahr 1646 und damit zum Mitglied des Äußeren Rates eine herausgehobene Position im Sozialgefüge der Stadt einnehmen.56 Über den Alltag aktueller Ereigniskommentierung und über die Formgruppe der Einblattdrucke hinaus griff Fürst, als er 1653 von der Witwe des Wappenmalers und Graphikers Johann Sibmacher die zu dessen bekanntem Wappenbuch gehörenden Kupferplatten und die restlichen Exemplare des ausgedruckten Werkes ankaufte. Danach veranstaltete er mehrere Auflagen des Heraldik-Klassikers.57 Ein gewichtiger Mitbewerber entstand dem Unternehmen von Paul Fürst, als Jacob von Sandrart 1656 von Regensburg nach Nürnberg übersiedelte und beispielsweise Birken als Autor abwarb.58 Auch Johann Hoffmann, der 1658 begann,
53 VD17: 1:075595A. – Siehe den Beitrag von Dirk Niefanger in diesem Band. 54 Nachweise in den Standardwerken zur Flugblattliteratur aufgezählt bei John Roger Paas: The changing landscape of the competitive Nuremberg print trade. The rise and fall of Paulus Fürst (1608–1666). In: Richard Kirwan / Sophie Mullins (Hg.): Specialist markets in the early modern book world. Leiden; Boston 2015, S. 35–63, hier S. 47, Anm. 9. Harsdörffer begegnet schon vor 1644 mit einem Titel als Autor bei Fürst: „Vollständiges Trincir-Büchlein“ (1640): VD17: 23:298595Z. Vgl. dazu Werner Wilhelm Schnabel: Vorschneidekunst und Tafelfreuden. Georg Philipp Harsdörffer und sein „Trincirbuch“. In: Doris Gerstl (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg 2006, S. 158–174. 55 Paas, Changing landscape (wie Anm. 54), S. 36–37; Karl Schottenloher: Flugblatt und Zeitung. Ein Wegweiser durch das gedruckte Tagesschrifttum Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Jahre 1848, neu hg., eingel. und erg. v. Johannes Binkowski. München 1985 (Bibliothek für Kunstund Antiquitätenfreunde, 21), S. 275–282. 56 Roth, Verzeichnis (wie Anm. 17), S. 127. 57 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 316–317, Regest Nr. 1969. Zu Sibmacher vgl. LGB2, Bd. 7 (2007), S. 78 und Stadtlexikon Nürnberg (wie Anm. 5), S. 975–976. 58 Paas, Changing landscape (wie Anm. 54), S. 59.
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in Nürnberg Flugblätter zu produzieren, bedrohte mit seinen Bilderbögen das Fürst’sche Geschäft.59 Diesen neuen Konkurrenten war Fürst nicht gewachsen. Ein Prozeß gegen seinen Schwager, den er 1660 verlor, beförderte den Niedergang seines Verlags und seiner Kunsthandlung; 1666 nahm er sich das Leben.60 Christoph Gerhard (* 30.10.1624 in Sudeck, jetzt Ortsteil von Diemelsee, Kr. Waldeck-Frankenberg, † 9.9., ▭ 13.9.1681 in Nürnberg)61 Als Buchführer im Ämterbüchlein von 1654 bis 1659, als Buchdrucker von 1654 bis 1683 eingetragen. Das VD17 kennt 613 Werke von ihm aus den Jahren von 1650 bis 1683. Er übernahm die Druckerei von Heinrich Pillenhofer. Bedeutung erlangte er als Drucker der bei Paul Fürst verlegten Ausgabe des Sibmacherschen Wappenbuches von 1657–1667. Johann Güntzel (aus Pölzig, Kreis Greiz, ▭ 1.5.1657 in Nürnberg)62 Im Ämterbüchlein wird er von 1629 bis 1653 als Buchführer, 1630 auch als Buchdrucker eingetragen. Er erscheint im VD17 als Verleger von zwei Titeln in den Jahren 1625 und 1629, also außerhalb des hier betrachteten Zeitraumes, beide Male mit Abraham Wagenmann als Drucker. Seine Buchhandlung verkaufte Güntzel 1652 an Georg Haas.63 Michael Külsner (≈ 2.10.1569 in Nürnberg, † 13.4., ▭ 16.4.1652 in Nürnberg)64 Im Ämterbüchlein wird er von 1594 bis 1651 als Buchführer eingetragen, sein Buchladen befand sich hinter dem Rathaus. Das VD17 verzeichnet elf Titel von ihm. Bei zehn Werken zwischen 1602 und 1646 ist er als Verleger anzusprechen. Das elfte produzierte er 1648 als Druckerverleger in der Offizin von Johann Friedrich Sartorius, die er in diesem Jahr von seinem insolvent gewordenen Geschäftspartner übernommen hatte. Eine herausgehobene Stellung im öffentlichen
59 Zu Johann Hoffmann vgl. LGB2, Bd. 3 (1991), S. 504 und Stadtlexikon Nürnberg (wie Anm. 5), S. 455. 60 Der Suizid mitgeteilt von Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1038. 61 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 463; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 797–780; biographische Angaben nach Grieb, Künstlerlexikon; bei Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1039 nur das Datum der Beerdigung. 62 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 526; biographische Daten nach Sporhan-Krempel/ Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1040. 63 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 526. 64 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 863; nicht bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2); Taufund Begräbnisdaten auch bei Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1053.
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Leben nahm er als Genannter und damit Mitglied des Größeren Rates seit 1610 ein.65 Johann Lauer (* 1560 in Coburg, ▭ 25.8.1641 in Nürnberg)66 Im Ämterbüchlein wird er als Buchdrucker von 1615 bis 1642 (nicht aber 1638) und von 1599 bis 1642 (auch 1638) als Buchführer eingetragen. Das VD17 führt 49 Drucke von 1601 bis 1628 von ihm auf. Johann Lauer war zunächst als Buchbinder, dann als Verleger und Buchführer tätig; die Einrichtung einer eigenen Druckerei gelang nur nach der Überwindung von Problemen mit den konkurrierenden Berufskollegen. Eine Hauptproduktionslinie waren Kalender, wobei es ihm zugute kam, mit dem Mathematiker Simon Marius einen produktiven Kalenderschreiber zum Schwiegersohn zu haben. Marius starb 1624, und als dessen Kalendermanuskripte, die bis zum Jahr 1629 reichten, in Publikationen umgesetzt waren, beendete Lauer 1628 seine Druckaktivitäten.67 Er war in erster Ehe verheiratet mit einer Tochter von Michael Endter d.Ä. Zum Genannten und Mitglied des Größeren Rates wurde er im Jahr 1607 bestellt.68 Eine seiner Töchter ehelichte später den Buchhändler und Verleger Jakob Pillenhofer, der 1661 das Haus und die Druckerei seines Schwiegervaters von den Erben erwarb.69 Christoph Lochner d.J. (≈ 4.2.1603 in Nürnberg, † 26.7.1677 in Nürnberg)70 Im Ämterbüchlein wird Christoph Lochner d.J. als Buchdrucker von 1635 bis 1640 und dann wieder von 1660 bis 1676 eingetragen. Als Setzer erscheint er bei seinem Vater Christoph d.Ä. von 1620 bis 1621, dann 1634 bei Wolfgang Endter d.Ä., dann von 1641 bis 1643 bei Jeremias Dümler und dann wieder 1649 bei Michael Endter. Als Buchführer wird er von 1640 bis 1664 verzeichnet. Christoph Lochner war Spross einer Buchdrucker- und Buchhändlerfamilie. Begründet hatte sie Christoph Lochner d.Ä., der von 1588 bis 1614 in Nürnberg
65 Roth, Verzeichnis (wie Anm. 17), S. 109. 66 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 891; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 776–778; Geburtsdatum nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 891; Beerdigungsdaten nach SporhanKrempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1055. 67 Matthäus, Kalenderwesen (wie Anm. 12), Sp. 1133. 68 Ebd. Sp. 1133. Matthäus zieht als Quelle den entsprechenden Ratsverlass heran und kann damit den Schreibfehler „Hauer“ bei Roth, Verzeichnis (wie Anm. 17), S. 108 korrigieren. 69 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 891. 70 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 933; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 789–792; biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1056.
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wirkte. Zu der Familie gehörten neben Christoph d.J. dessen Bruder Ludwig, Margarethe, die Witwe von Christoph d.J., sein Sohn Johann Christoph und mit Johann Christoph II. ein weiterer Verwandter. Sie waren sämtlich außerhalb des hier behandelten Zeitraumes in der Reichsstadt tätig. Die von der Familie Lochner geführte Buchhandlung geht zurück auf das 1531 von Hans Ott gegründete Unternehmen, das 1554 durch Heirat in die Familie Lochner kam. Von ihr ging das Geschäft 1793 an Ernst Christoph Grattenauer, von dort 1834 an Christian Heinrich Korn. Seit 1919 wird die Buchhandlung unter dem Namen Korn & Berg geführt und ist derzeit die älteste noch bestehende Nürnberger Buchhandlung.71 Christoph Lochner stellte von 1640 bis 1650 neun Titel her, sechs Werke für den Verleger Paul Fürst, dazu 1649 ein Hochzeitscarmen aus der Feder mehrerer Pegnitzschäfer, darunter auch Johann Klaj.72 Da solche Kasualschriften in aller Regel auf Kosten der Besteller gefertigt wurden und praktisch außerhalb des Buchmarktes standen, kann man Lochner hier kaum als Verleger ansprechen, so dass er nur bei den beiden restlichen Titeln aus der Zeit von 1640 bis 1650 als Finanzier der Buchherstellung angesehen werden kann. Seine finanzielle Lage war wohl durchgängig schlecht. 1642 und 1655 wird in Ratsbeschlüssen seine „Armut“ berücksichtigt.73 Heinrich Pillenhofer (▭ 16.4.1652 in Nürnberg)74 Im Ämterbüchlein ist der Sohn von Jakob Pillenhofer weder als Drucker noch als Buchführer eingetragen. Wir kennen aber 53 Produktionen von ihm aus dem Zeitraum von 1646 bis 1653, darunter sehr viele Gelegenheitsschriften. Johann Klaj findet man bei ihm einmal, als Verfasser eines beigedruckten Gedichtes in einer Trauergedächtnisschrift im Jahr 1648.75 In seinen Drucken nennt Heinrich Pillenhofer sich zumeist mit Vor- und Nachnamen, bei einem Dutzend Titel jedoch findet sich nur der Nachname. Das kann man nur dadurch erklären, dass eine Abgrenzung gegen eine andere Druckerei gleichen Namens nicht für nötig erachtet wurde, und
71 Vgl. Elisabeth Bauer: Die Geschichte der Verlagsbuchhandlung Korn & Berg in Nürnberg. Mag.-Arb. (masch.-schr.) Erlangen 1990. 72 VD17: 125:026711S. Das VD17 hat zwei Titel irrigerweise Christoph Lochner d.J. zugeordnet, die aber Christoph Lochner d.Ä. zuzurechnen sind: 23:263754V und 1:007362H. 73 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 442, Regest Nr. 2785 und S. 443, Regest Nr. 2799. 74 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1149; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 797; biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1064. 75 VD17: 125:033541R
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man kann somit auch diese Veröffentlichungen seiner Werkstatt zuweisen. Sein Vater Jakob kommt ganz offensichtlich für keinen dieser Titel als Drucker in Frage. Man hat die Vermutung geäußert, der Vater Jakob habe zwar offiziell die Offizin besessen, die praktische Berufsausübung jedoch seinem Sohn Heinrich übertragen.76 Mehrfach druckt Heinrich Pillenhofer für den Verleger Paul Fürst.77 Jakob Pillenhofer (* 1593 in Neukirch b. Sulzbach, ▭ 11.2.1676 in Nürnberg )78 Im Ämterbüchlein wird er als Buchdrucker von 1644 bis 1653 und als Buchführer von 1644 bis 1670 und dann wieder von 1672 bis 1675 genannt. Er hatte die Tochter des Buchdruckers und -händlers Johann Lauer geheiratet, wie aus seiner Bezeichnung als dessen Schwiegersohn im Jahr 1636 hervorgeht. Man möchte annehmen, dass er nach dem Ableben seines Schwiegervaters im Jahr 1641 dessen Betrieb übernommen hat; doch fehlt dafür jede Nachricht. Es ist also eher wahrscheinlich, dass Pillenhofer sich selbständig gemacht hat, ohne sich auf die Druckerei und das Bücherlager seines Schwiegervaters zu stützen. Für eine vom Erbe seines Schwiegervaters unabhängige Betriebsgründung spricht auch, dass Pillenhofer 1661 (!) das Lauersche Anwesen zusammen mit der Druckerei von dessen Erben käuflich erworben hat. Es findet sich allerdings kein Werk, das Jakob Pillenhofer als Drucker nennt. Das VD17 führt war sechs Titel von ihm an, doch heißt es viermal „In Verlegung Jakob Pillenhofers“ und zweimal „Bei Jakob Pillenhofer zu finden“. Das heißt, Jakob Pillenhofer tritt hier in jedem Falle als Verleger auf. Lediglich ein Erzeugnis aus dem Jahr 1671 kann ihm als Drucker zugerechnet werden, denn da ist sein Sohn bereits verstorben und im Impressum heißt es nur „e prelo Pillenhoferiano“.79 Man sollte ihn aber trotz dieses einen Titels und trotz der entsprechenden Einreihung im Ämterbüchlein nicht als Buchdrucker bezeichnen; er war Sortimenter-Verleger. Johann Friedrich Sartorius (* in Ansbach, † nach 1649 in Nürnberg)80 Im Ämterbüchlein wird Johann Friedrich Sartorius als Buchdrucker von 1618 bis 1645, als Buchführer von 1645 bis 1649 eingetragen. Er blieb aber auch nach 1645
76 Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 796. 77 S. VD17: 23:644473R, 23:277212X, 23:302211X und 23:286183U. 78 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1149; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 796; die biographischen Daten nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1149. 79 VD17: 75:692117Y. 80 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1296; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 780–782; biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1068.
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weiterhin als Drucker tätig, und es lassen sich von 1646 bis 1648 von ihm 41 Drucke nachweisen, davon ca. 26 Gelegenheits- bzw. Hochschulschriften, 13 Produktionen für andere Verleger und nur dreimal nennt er sich selber ausdrücklich als Verleger (und Drucker). Johann Klaj findet sich bei ihm als Autor einmal, im Jahr 1646.81 Sartorius heiratete 1617 die Witwe des Buchdruckers Georg Leopold Fuhrmann, dessen Druckerei er weiterführte. Seine anfänglichen Aktivitäten als Kalenderdrucker und -verleger gingen nach 1630 massiv zurück.82 Fast alle sonstigen bei ihm erschienenen Titel sind Gelegenheits- oder Hochschulschriften, also solche Arbeiten, bei denen jeweils die Finanzierung durch den Auftraggeber vorausgesetzt werden kann; er arbeitete praktisch ausschließlich auf Rechnung anderer. Einiges produzierte er für Verleger wie Endter in Nürnberg oder Görlin in Ulm. Nur bei wenigen Erzeugnissen ist er selber auch der Verleger; entweder nennt er sich ausdrücklich so oder er ist als Geldgeber erschließbar, weil außer ihm als Drucker sonst kein Beteiligter genannt wird. Dieser weitgehende Verzicht auf eigenfinanzierte Produktionen und die Konzentration auf Gelegenheitsdrucke erklärt sich aus der wirtschaftlichen Lage von Sartorius, der spätestens ab 1631 mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.83 Damit zusammenhängende Maßnahmen, Klagen, Pfändungen und auch Turmstrafen bestimmten seine ökonomische und betriebliche Situation der folgenden Jahre.84 Schließlich kam es 1648 zum endgültigen wirtschaftlichen und sozialen Absturz. Alle Verzögerungen und Stundungen hatten nicht geholfen. Sartorius war zahlungsunfähig und seine Gläubiger, unter ihnen der Sortimenter-Verleger Michael Külsner, vollstreckten in seine Werkstattaurüstung hinein. Dabei wurde der Wert der Offizin von Fachleuten geschätzt und es wurde ein detailliertes Inventar erstellt, das dem Buchhistoriker heute als eine wichtige Quelle zur Gewerbegeschichte dient.85 Die Druckerei wurde von Michael Külsner übernommen und ab 1648 stillgelegt. Külsner produzierte in diesem Jahr allerdings noch eine neue Auflage der „Kurzen Unterweisung des Singens“ von Sigmund Theophil Staden und trat dabei als Drucker in Erscheinung,86 nachdem die vor-
81 VD17: 12:634596D. 82 Matthäus, Kalenderwesen (wie Anm. 12), Sp. 1139. 83 Vgl. Lore Sporhan-Krempel / Theodor Wohnhaas: Zur Geschichte der Offizin Fuhrmann-Sartorius-Külßner in Nürnberg 1574–1648. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 57 (1970), S. 272–280, hier S. 278. 84 Erste gründliche Darstellung bei Matthäus (wie Anm. 12), Sp. 1139–1140. 85 Abgedruckt bei Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Offizin Fuhrmann-Sartorius-Külßner (wie Anm. 83), S. 272–275. 86 VD17: 1:651616A.
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Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650
hergehenden Ausgaben von Külsner verlegt und von Sartorius gedruckt worden waren. Über die weiteren Geschicke der Werkstattausrüstung ist nichts bekannt. Balthasar Scherff (* 13.2.1575 in Lichtenstein b. Zwickau, ▭ 19.4.1643 in Altdorf)87 Im Ämterbüchlein wird Balthasar Scherff als Buchdrucker von 1604 bis 1644 eingetragen. Er arbeitete zunächst als Setzer bei Katharina Dietrich und konnte sich selbständig machen, nachdem er 1607 die Witwe des Druckers Johann Knorr geheiratet hatte. In Nürnberg und Altdorf, wo er seit 1619 eine Filialdruckerei als besoldeter Universitätsbuchdrucker betrieb, erschienen von 1607 bis 1643 über 80 Drucke von ihm.88 Für die Zeit von 1640 bis 1650 sind fünf Schriften bekannt, zwei davon kamen nach seinem Tod heraus; sie waren von seiner Witwe produziert worden.89 Die Druckerei zeigt sich bei diesen Titeln vornehmlich auf die Universität Altdorf hin orientiert. Es finden sich neben einer Predigt des Pfarrers an St. Egidien, Johann Gundermann, drei Titel aus der Gruppe der Hochschulschriften; dazu kommt ein Hochzeitsgedicht für einen Professor der Altdorphina. Einer von Scherff hergestellten Altdorfer „Disputatio iuridica De beneficio cessionis bonorum“ von Christian Nicolai aus dem Jahr 1644 ist ein Gedicht von Klaj beigedruckt.90
2.2 Zusammenfassung In den zehn Jahren von 1640 bis 1650 bestanden in Nürnberg über verschieden lange Zeiträume hinweg insgesamt dreizehn Unternehmen, deren Inhaber als Drucker-Verleger oder als Sortimenter-Verleger Texte veröffentlicht haben. Die folgende Tabelle (Tab. 1) zeigt die Anzahl der pro Jahr hergestellten Titel der Firmen im Vergleich. Die Produktion der beiden Mitglieder der Familie Endter wurde ebenso in einem Posten zusammengefasst wie die Drucke von Vater und Sohn Pillenhofer. Dabei werden naturgemäß Werke ganz unterschiedlichen Umfangs und verschiedenen Gewichtes miteinander in Beziehung gesetzt. So kann durch eine Häufung von Einblattdrucken, Kasualschriften und auch amtlicher Publikationen
87 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1320; Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 775–776; Geburtsdatum nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1320, Begräbnisangabe nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1068. 88 Die „Kurtze Dancksagung zu Gott“ von Martin Luther (VD17: 75:682348H), die das VD17 infolge eines Lesefehlers unter 1667 eingereiht hat, gehört in das Jahr 1617. 89 Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 776. 90 Ein Expl. in der Bayerischen Staatsbibliothek München (Sign.: 4o Diss. 1341, Beibd. 11). Neuerdings auch VD17: 3:011195S.
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anlässlich entsprechender Ereignisse – wie im vorliegenden Fall beim Nürnberger Friedensexekutionskongress von 1649/50 – leicht ein schiefes Bild von der Leistungsfähigkeit einer Offizin oder eines Verlagshauses entstehen. Auch ist zu bedenken, dass manche bibliothekarisch-bibliographische Entscheidung, Teile eines größeren Werkes mit eigenen Titelaufnahmen in das VD17 einzureihen, dem Wissenschaftler nicht immer ohne weiteres einleuchten wird. Hier sind im Einzelfall genauere Prüfungen veranlasst. Da das VD17 trotz der dort verarbeiteten großen Datenmenge von 302.564 Titeln (Stand Juli 2019) nicht die gesamte Literatur des siebzehnten Jahrhunderts erfasst und auch in Zukunft nicht wird erfassen können, ist die Tabelle nicht geeignet, die Aktivitäten der damaligen Verleger korrekt in absoluten Zahlen abzubilden. Es ist aber möglich, die Unternehmen miteinander in Beziehung zu setzen und ihre jeweilige Bedeutung für das Nürnberger Buchwesen zumindest annähernd und im Vergleich untereinander zu erfassen. Da die Bestände der Stadtbibliothek Nürnberg vollständig eingearbeitet sind, wird man für die Reichsstadt schon jetzt von einer soliden Datenbasis ausgehen können. Tab. 1: Nürnberger Literaturproduktion nach dem VD1791 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651 Endter
51
45
43
76
58
61
68
66
49
56
61
74
Dümler
25
31
25
16
17
22
16
33
25
25
47
16
Fürst
17
1
3
34
3
2
6
Gerhard
1
Külsner
1
Lochner
1
4
1
2
Pillenhofer Sartorius
4
24
2
Scherff N.N. Gesamt
1
4
11
2
1
12
28
4
11
10
1
9
4
10
1
6
4
1
7
13
1
3
5
6
16
22
5
104
105
74
105
101
102
119
119
96
109
170
108
91 Aufruf vom 10.02.2017. Einige Drucke wurden hier nicht berücksichtigt: 75:682448P gehört in das 18. Jahrhundert; 23:254632N und 23:313397H erschienen im Selbstverlag des Autors Leonhard Wurfbain; 125:030976G gehört in das Jahr 1618; 125:027389F gehört in das Jahr 1673; 125:016335L gehört nach Altdorf.
221
Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650
Tab. 1 (fortgesetzt)
1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651 Endter zu Gesamt in %
49
42
58
71
57
59
57
55
50
51
35
69
Dümler zu Gesamt in %
24
29
33
15
16
21
13
27
25
22
27
14
Endter + Dümler zu Gesamt in%
73
71
91
86
73
89
70
82
75
73
62
83
Auf den ersten Blick erschließt sich die führende Rolle der Familie Endter. Sie beherrschte mit etwa 50 % der jeweiligen Jahresleistung das Nürnberger Verlagswesen. Gemeinsam mit dem Hause Dümler kontrollierten die Endter gut 75 % der Nürnberger Literaturproduktion. In der folgenden Tabelle (Tab. 2) wird die Dominanz der beiden Unternehmen noch deutlicher.
Tab. 2: Nürnberger Literaturproduktion nach den Messkatalogen92 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651 Endter
28
33
31
25
36
38
39
24
29
33
18
23
Dümler
9
15
7
25
4
12
2
18
7
7
15
14
2
1
2
1
4
3
Fürst Külsner
6
1
Sartorius
1
1
1
1
Pillenhofer
1
93
1
M. Wagner N.N.
2
Gesamt
39
1 54
41
53
41
53
42
43
40
1
2
43
36
38
92 Gustav Schwetschke: Codex nundinarius Germaniae literatae bisecularis. Von dem Erscheinen des ersten Meß-Kataloges im Jahre 1564 bis zu der Gründung des ersten Buchhändler-Vereins im Jahre 1765. Bd. 1. Halle 1850, S. 95–106. Die Quelle wertet die in Leipzig erschienenen Messkataloge aus. Sie enthalten die Titel der Bücher, die zur Frühjahrs- und zur Herbstmesse in Frankfurt und in Leipzig angeboten wurden, einschließlich der in Vorbereitung befindlichen Veröffentlichungen. Dissertationen, Nachdrucke, Kalender und Gelegenheitsschriften finden sich nicht in den Messkatalogen. 93 Der hier genannte Verleger, bzw. Buchführer ließ sich nicht identifizieren.
222
Hans-Otto Keunecke
Tab. 2 (fortgesetzt)
1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648 1649 1650 1651 Endter zu Gesamt in %
72
61
78
47
88
72
92
56
72
77
51
61
Dümler zu Gesamt in %
23
23
18
47
9
23
5
42
18
16
43
37
Endter + Dümler zu Gesamt in%
95
84
96
94
97
95
97
97
90
93
94
98
Hier – bei der Literatur, für die man mit einem überregionalen Interesse rechnete und die man daher auf den beiden großen Messen in Frankfurt und Leipzig anbot – wird die marktbeherrschende Stellung des Hauses Endter noch deutlicher als bei Einbeziehung auch des Kleinschrifttums, das vom VD17 mit berücksichtigt wird und folglich das Bild in der ersten Tabelle mitbestimmt. Nachdem Jeremias Dümler seine Firma 1653 an die Endter verkauft und auf eine weitere Berufsausübung ausdrücklich verzichtet hatte,94 kann man spätestens von diesem Zeitpunkt an von einer Monopolstellung der Endter sprechen. Nach den Messkatalogen der Jahre 1653 bis 1655 stammen in diesen Jahren 90 bis 93 % der Nürnberger Titel für die Leipziger und Frankfurter Buchmessen aus dem Hause Endter.95 Anhand der Messkataloge lässt sich auch feststellen, in welchem Ausmaß der Dreißigjährige Krieg das Buchgewerbe in Nürnberg beeinflusst hat. Erstaunlicherweise hat die Buchproduktion in der Reichsstadt während dieser Zeit nicht ab-, sondern zugenommen. Im Zeitraum von 1591 bis 1619 wurden pro Jahr im Schnitt 23,5 Neuerscheinungen auf den Markt gebracht und in der folgenden Zeitspanne von 1620 bis 1648 waren es 36,8 Titel. Das bedeutet eine Steigerung um mehr als 50 %. Die Verleger in den anderen bayerischen Städten mussten ihre Produktion in den Jahren des Großen Krieges dagegen um fast 37 % zurückfahren.96
94 Vgl. weiter oben bei Anm. 19. 95 Schwetschke, Codex nundinarius (wie Anm. 92), S. 110–113. Den Begriff „Monopol“ verwendet in diesem Zusammenhang 1654 auch der Nürnberger Rat: vgl. weiter oben Anm. 46. 96 Karlheinz Goldmann: Ein Baustein zur Statistik des Nürnberger Buchhandels 1564–1846. In: Norica. Beiträge zur Nürnberger Geschichte. Bibliotheksdirektor a. D. Dr. Friedrich Bock zu seinem 75. Geburtstag die Stadt Nürnberg. Nürnberg 1961 (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Nürnberg, 4), S. 13–20, hier S. 17, Tabelle IV.
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Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650
Nicht alle Buchunternehmer waren wirtschaftlich so erfolgreich wie die Mitglieder der Familie Endter. Es ist aber bemerkenswert, dass von den dreizehn Firmeninhabern, die im Bearbeitungszeitraum aktiv waren, immerhin sechs gesellschaftlich-politische Anerkennung erfuhren, indem man sie zu Genannten und damit zu Mitgliedern des Größeren Rates berief. Die führenden Vertreter des Buchgewerbes wurden als Bürger geachtet und mit öffentlichen Aufgaben betraut. Für einen Autor bedeutete die hier skizzierte Situation, dass er in Nürnberg finanziell leistungsfähige Verleger finden konnte, die eher das Risiko einer Neuerscheinung zu tragen vermochten als wirtschaftlich schwache. Ob sie es auch getan haben, wird man im Einzelfall untersuchen müssen; die Möglichkeit jedenfalls bestand. Aber es gab natürlich auch den Fall, dass es dem Verfasser nicht gelang, einen Verleger zu finden. Wenn er es sich leisten konnte, dann finanzierte der Autor den Druck selber. So überreichte der Rechenmeister Endres Volkamer 1627 dem Rat sein „rechenbüchlein“, weil „er es selbsten verlegt“ und er erhoffte und erhielt ein Geldgeschenk.97 Der Kapellmeister Johann Andreas Herbst zahlte dem Buchdrucker Johann Friedrich Sartorius 1637 für den Druck seines „Danklieds“ 12 fl. Arbeitslohn und 6 fl. für das Papier.98 Der Jurist Leonhard Wurfbain ließ 1640 bei Adam Brenner sein Buch über die Reichsteilung von Verdun 843 erscheinen: „Gedruckt bey Adam Brenner, in Verlegung deß Autoris“.99 Auch bei einem zweiten Titel trug Wurfbain als Autor die Kosten; allerdings handelte es sich dabei nur um einen Einblattdruck.100 Doch waren dieses Einzelfälle und Ausnahmen im Gesamtbild. Die Betreuung bei der Herstellung eines Buches und seine Ausstattung, Papier- und Satzqualität können bei einem ökonomisch leistungsfähigen Verleger tendenziell besser ausfallen als bei einem unterfinanzierten Unternehmen. Auch wird der Autor bei einem wirtschaftlich potenten Verleger eher auf ein angemessenes Honorar rechnen dürfen als bei einem Verleger mit wirtschaftlich eingeschränktem Handlungsradius.101 Und schließlich erreicht das literarische
97 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 19, Regest Nr. 119; das Buch im VD17 nicht nachweisbar. 98 Ebd., S. 480, Regest Nr. 3129; ein in Frage kommender Titel ließ sich im VD17 nicht nachweisen. 99 VD17: 23:254632N. Adam Brenner ist sonst nicht als selbständiger Drucker bekannt. Er war Setzer bei Wolfgang Endter d.Ä. und wird das Buch dort hergestellt haben, vgl. weiter oben bei Anm. 106. Zu Wurfbain vgl. Stadtlexikon Nürnberg (wie Anm. 5), S. 1205. 100 VD17: 23:313397H. 101 Vgl. Harald Steiner: Das Autorenhonorar. Seien Entwicklungsgeschichte vom 17. bis 19. Jahrhundert. Wiesbaden 1998 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, 59). Zugl. Diss. Erlangen. Danach waren Zahlungen des Verlegers an den Autor im 17. Jahrhundert grundsätzlich fest etabliert; es ist jedoch jeder Einzelfall zu prüfen. Ein Bei
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Hans-Otto Keunecke
Erzeugnis einen größeren Leserkreis bei einer Firma mit ausgebreitetem Handelsnetz und entsprechenden Kontakten. Da auch vorzügliche Kupferstecher in der Reichsstadt zu finden waren, die man bei Buchillustrationen benötigte, wird man, was Publikationsmöglichkeiten angeht, im Nürnberg der Jahre 1640 bis 1650 grundsätzlich von einer günstigen Situation für Autoren sprechen wollen. Nachteilig vermag sich die marktbeherrschende Stellung des Verlegers auswirken, weil er auf den Autor Druck ausüben kann etwa durch die Weigerung, ein marktübliches Honorar zu zahlen, oder durch die Ablehnung einer Arbeit, die der Verfasser anderswo nicht unterbringt. Aber es gab neben dem dominierenden Haus Endter durchaus noch andere Verleger, die ein Autor ansprechen konnte und zwei Beispiele auf der Quellengrundlage des VD17 für firmierte Drucke zeigen, dass man sich als Verfasser von Texten keineswegs nur an den mächtigen Endter halten musste. Johann Klaj publizierte von 1640 bis 1650 sechzehn Titel bei Endter, acht bei Fürst, sechs bei Dümler und je einen bei Pillenhofer und Sartorius. Sigmund von Birken brachte im selben Zeitraum drei Titel bei Endter, fünf bei Dümler und vier bei Sartorius heraus. Für Autor und Verleger war es wichtig, gegen etwaige Nachdrucke ihrer Werke geschützt zu sein. Herkömmliches Mittel dafür war ein landesherrliches oder kaiserliches Privileg. Letzteres galt formal zwar für das gesamte Reich, hatte im 17. Jahrhundert aber praktische Bedeutung fast nur noch in den Reichsstädten, weil die jeweiligen Territorialherrn Unterstützung gegen den Nachdruck nur aufgrund selber ausgestellter Privilegien boten. Ein solcher Schutzbrief konnte für den Autor oder für den Drucker (Verleger) ausgestellt werden. In Nürnberg ergriff der Rat zusätzliche Maßnahmen, bei denen es in aller Regel darum ging, den (Erst-)Verleger gegen wirtschaftliche Nachteile abzusichern. Der Rat erließ mehrfach allgemeine Bestimmungen und sprach Nachdruckverbote in einer großen Zahl von konkreten Einzelfällen aus.102 Verleger und Urheber konnten in Nürnberg im gegebenen Fall die Unterstützung durch den Rat erwarten, der durch seine Entscheidungen auf diesem Gebiet günstige Rahmenbedingungen für das Buchgewerbe schuf.
spiel für das Haus Endter aus dem Jahr 1680 führt er auf S. 63–64 und S. 220 an. Mehrere Verträge – allerdings erst aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts – zwischen Autor und Verleger, in denen auch die Honorare geregelt werden, abgedruckt bei Thomas Eichacker: Die rechtliche Behandlung des Büchernachdrucks im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Berlin 2013 (Schriften zur Rechtsgeschichte, 162). Zugl. Diss. Passau 2011, S. 170–181. 102 Ebd. S. 208–274 ausführliche Behandlung dieser Maßnahmen.
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3 Buchdrucker ohne eigene Verlagsproduktion Im Ämterbüchlein finden sich auch die Namen von Buchdruckern, von denen keine Veröffentlichungen bekannt sind. Meist wird es sich um unselbständige Mitarbeiter in Offizinen handeln, deren Status als Setzer aber nicht mit notiert wurde. Um das vorhandene Quellenmaterial vollständig aufzubereiten und zugänglich zu machen, wurde auch dieser Personenkreis mit aufgenommen. Sebastian Anschütz (aus Goslar, ▭ 18.4.1664 in Nürnberg)103 Im Ämterbüchlein wird er von 1650 bis 1654 als Buchdrucker eingetragen. Als Mitarbeiter der Familie Endter ist er für 1650 belegt.104 Im VD17 ließ sich von ihm kein Druck nachweisen. Adam Brenner (Prenner) (Pfarrerssohn aus Laubendorf, jetzt Ortsteil von Langenzenn, ▭ 15.1.1643 in Nürnberg)105 Im Ämterbüchlein wird er 1607 als Setzer bei Sebastian Körber, 1608 bei Balthasar Scherff, 1609 bis 1612 bei Paulus Kauffmann, 1615 bis 1628 bei Johann Lauer und 1629 bis 1643 bei Wolf Endter d.Ä. eingetragen. Es ist zwar ein Buch bekannt, das 1640 unter seinem Namen erschien. Angesichts der Tatsache, dass er stets nur als unselbständiger Setzer vorkommt, nimmt man an, der Titel sei nicht in einer ihm gehörenden Druckerei sondern in der seines Dienstherrn Wolf Endter d.Ä. hergestellt worden.106 Kunigunde Endter (≈ 14.11.1588, ▭ 6.12.1676)107 Im Ämterbüchlein wird sie 1635 bis 1642 als Buchdruckerin eingetragen. Als Witwe von Georg Endter d.J., der katholisch ausgerichtete Texte herausbrachte, die er vor allem in den habsburgischen Erblanden vertrieb, übernahm sie nach dessen Tod (▭ 20.3.1629) den Betrieb. Sie pflegte das Publikationsprofil ihres verstorbenen Mannes weiter und geriet deswegen mehrfach in Konflikt mit dem Rat. Ob-
103 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 30; nicht bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2); biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1023. 104 VD17: 3:657881V; vgl. weiter oben bei Anm. 41. 105 Nicht bei Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2); Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 794; biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1028. 106 Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 794. 107 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 343 (zu: Georg d.J. Endter); Reske, Buchdrucker (wie Anm. 1), S. 788–189; biographische Daten nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 343.
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wohl in den amtlichen Quellen immer wieder von ihr hergestellte katholische Werke erwähnt werden,108 ließ sich im VD17 kein Druck auffinden, der sie im Impressum nennt. Sie hat offensichtlich ihre gesamte Produktion anonym oder vielleicht auch unter einem Pseudonym erscheinen lassen. Paulus Kreutzberger (▭ 18.4.1681)109 Im Ämterbüchlein wird er von 1646 bis 1647 als Buchdrucker, von 1648 bis 1653 als Setzer bei Michael Endter und von 1641 bis 1680 als Formschneider eingetragen. Im VD17 ließ sich von ihm kein Druck nachweisen. Er war auch als Illustrator im Hause Endter tätig und schuf u. a. die Holzschnitte zum „Orbis sensualium pictus“ von Johann Amos Comenius, der in erster Auflage 1658 bei Michael Endter d.J. herauskam.110
Hans Knoblauch (Noblach, Nablach) († 1653/54)111 Im Ämterbüchlein wird er von 1650 bis 1654 als Buchdrucker eingetragen. Im VD 17 ließ sich von ihm kein Druck nachweisen.
Georg Rebe(n)lein (* 25.3.1575 in Rattelsdorf, Saale-Holzland-Kreis, † 15.8.1657 in Hamburg)112 Im Ämterbüchlein wird er als Drucker von 1646 bis 1650 eingetragen. Vorher findet er sich ab 1604 als Setzer bei verschiedenen Dienstherren. Nach 1650 ging er wohl zu seinem Sohn Jakob nach Hamburg, der dort eine Offizin betrieb. Für Nürnberg sind keine Drucke von ihm nachzuweisen. Georg Singer (≈ 27.7.1591, ▭ 22.9.1673)113 Im Ämterbüchlein wird er von 1644 bis 1645 als Buchdrucker, im Jahr 1645 als Buchführer eingetragen. Vermutlich ist er identisch mit dem Buchbinder Georg
108 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 197–205. 109 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2). S. 852; nicht bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2); biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1052. 110 Pilz, Comenius (wie Anm. 29), S. 78–79. 111 Nicht bei Grieb, Künstlerlexikon und bei Reske (beide wie Anm. 2); biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1049. 112 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1202; biographische Daten nach Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 796–797. 113 Nicht bei Grieb, Künstlerlexikon und bei Reske, Buchdrucker (beide wie Anm. 2). Falls er identisch ist mit dem Buchbinder Georg Singer: Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1072.
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Singer (≈ 27.7.1591, ▭ 22.9.1673), Sohn des Kaplans Hans Singer. Von ihm ließ sich im VD17 kein Druck nachweisen. Jobst Spörl d.J. (≈ 23.1.1621, ▭ 10.11.1675)114 Im Ämterbüchlein wird er von 1646 bis 1647 als Buchdrucker, von bis 1648 bis 1653 als Setzer bei Michael Endter und von 1648 bis 1675 als Formschneider eingetragen. Er war der Sohn des Briefmalers und Formschneiders Jobst Spörl d.Ä. Im VD17 ließ sich von ihm kein Druck nachweisen. Während seiner Zeit bei Michael Endter dürfte er als dessen Illustrator gearbeitet haben.115
4 Buchhandel 4.1 Buchführer ohne eigene Verlagsproduktion Neben den weiter oben aufgeführten Verleger-Sortimentern kennen wir aus dem Ämterbüchlein einige Buchhändler, von denen bislang keine Literaturproduktion aufgezeigt werden konnte. Ihre Namen sind im Folgenden aufgelistet. Christian Haas (Has, Hess) (aus Monbronn, jetzt Ortsteil von Miltenberg, † 23.4., ▭ 27.4.1646 in Nürnberg)116 Im Ämterbüchlein wird er von 1597 bis 1598 als Setzer bei Katharina Dietrich, dann von 1605 bis 1646 als Buchführer eingetragen. Für Simon Halbmaier soll er 1618 eine „Apologia“ gedruckt haben.117 Dieser Titel oder andere von ihm ließen sich im VD17 nicht nachweisen. Georg Haas (≈ 25.9.1605 in Nürnberg, ▭ 4.2.1695 in Nürnberg)118 Sohn von Christian Haas. Im Ämterbüchlein wird er von 1647 bis 1695 als Buchführer eingetragen. 1652 kaufte er die Buchhandlung von Johann Güntzel.119 Von Georg Haas ließ sich im VD17 kein Druck nachweisen.
114 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 1461; nicht bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2). 115 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2) S. 1461. 116 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 540; nicht bei Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2). Herkunft nach Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 344, Regest Nr. 2176; Todesdatum nach Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 540; Begräbnisdatum nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1042 zu „Has“. 117 Reske, Buchdrucker (wie Anm. 2), S. 775. 118 Grieb,Künstlerlexikon(wieAnm. 2),S. 540;nichtbeiReske,Buchdrucker(wieAnm. 2);biographische Daten nach Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1), Sp. 1041. 119 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 540.
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Susanne Kauffmann120 Im Ämterbüchlein wird sie von 1637 bis 1644 als Buchhändlerin eingetragen. Sie war die Witwe des Buchhändlers und Verlegers von Musiknoten David Kauffmann († 23.4.1635),121 dessen Geschäft sie fortführte. Von ihr ließ sich im VD17, das allerdings Musica practica nicht mit erfasst, kein Druck nachweisen. Die in den vorstehenden Abschnitten gebotenen Aufstellungen der im Buchgewerbe Tätigen haben einige Berufe außer Acht gelassen, die bei gründlicher Untersuchung des Buchwesens mit einbezogen werden sollten: die Buchbinder, die Schriftkünstler und -gießer, die Papierer, die Formschneider und die Briefmaler, die Stecher und die Radierer. Auch die akademisch gebildeten und sprachenkundigen Korrektoren, die in einigen Offizinen entweder angestellt waren oder dort von Fall zu Fall Aufträge erhielten, wären mit zu behandeln.122 Sie alle zu berücksichtigen hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt, der es aufgegeben war, einen Überblick zu bieten.
4.2 Zur Topographie des Nürnberger Buchhandels Zunächst wird man davon auszugehen haben, dass ein Buchdrucker oder ein Buchhändler das Verkaufsgeschäft in seinem Haus betrieb. Wohnen und Arbeiten fielen im alten Nürnberg räumlich zusammen, und in einigen Fällen ist das im Bereich des Buchgewerbes unmittelbar dokumentiert, wenn beispielsweise die Verkaufsadresse im Impressum eines Buches mit angegeben ist. Aber es sind auch Verkaufsstände für Bücher bekannt, die nicht in räumlichem Zusammenhang mit dem Wohn- bzw. Geschäftshaus des Buchführers standen. Die Quellen dazu zeigen, dass die Buchhändler versuchten, Verkaufsstände möglichst auf dem Markt oder in dessen Umgriff zu installieren. Neben der dort gegebenen hohen Kundenfrequenz wird auch der soziale Status dieses Areals eine Rolle gespielt haben. Der nördliche (Sebalder) Stadtteil war Wohn- und Geschäftsort der sozial Herausgehobenen. Hier hatte man die Kirche des Stadtheiligen errichtet, hier stand das Rathaus und hier wohnten fast alle patrizischen Familien. Schon im 16. Jahrhundert hatten die Buchdrucker in dieser Gegend Verkaufsstände für ihre Produkte aufgeschlagen. Jobst Gutknecht betrieb von 1514 bis 1542
120 Nicht bei Grieb, Künstlerlexikon und bei Reske (beide wie Anm. 2); keine biographischen Daten bei Sporhan-Krempel/Wohnhaas, Nürnberger Buchhandel (wie Anm. 1). 121 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 2), S. 753 zu: David Kauffmann. 122 Beispiele dafür aus dem Hause Endter bei Renate Jürgensen: Gelehrte im Nürnberger Buchgewerbe des 17. Jahrhunderts. In: Wolfenbütteler Barocknachrichten 24 (1997), S. 43–74, hier S. 67–70.
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einen Buchladen im Kürschnerhaus, einem städtischen Gebäude neben der Frauenkirche am Hauptmarkt. Sein Sohn Christoph folgte ihm darin.123 Der Verkaufsstand von Friedrich Peypus fand sich 1515 im Plobenhof, mithin ebenfalls neben der Frauenkirche, und 1534 bis 1535 ist Peypus als Mieter eines städtischen Krams „unter dem Rathaus“ belegt, worunter man sich die Arkaden unter dem Rathaussaal vorzustellen hat.124 Dort hatte auch Johann Petreius zwei Kräme gemietet, wofür – vermutlich wegen einer Überlieferungslücke in den Archivalien von 1524 bis 1534 – nur ein Eintrag für das Jahr 1534 vorliegt.125 1556 wird der dortige Buchladen von Caspar Daubmann erwähnt126 und 1577 der von Bernhard Fischer.127 Auch für das 17. Jahrhundert finden sich entsprechende Belege. 1620 werden mehrere Orte genannt, an denen Bücher verkauft werden: unter dem Rathaus, bei der Schau (der Westseite des Rathauses gegenüber) und an der Sebalduskirche.128 Der Buchladen von Michael Külsner „hinter dem Rathaus“ wird 1633 erwähnt.129 1649 unterhält Jeremias Dümler einen Verkaufsstand auf dem oder am Markt, wie aus einem Ratsverlass hervorgeht.130 Hieronymus Lochner beantragt 1654, einen Laden mit ungebundenen und gebundenen Büchern am Herrenmarkt (Hauptmarkt) einrichten zu dürfen.131 Das wird zunächst abgelehnt; spätestens 1682 jedoch ist der Verkaufsgeschäft installiert.132 In den von der Stadt vermieteten Verkaufsläden „unter dem Rathaus“ finden sich von 1672 bis 1697 Paul Fürst und dessen Erben, von 1664 bis 1693 der Buchhändler Johann Tauber und seine Nachfolger und von 1672 bis 1698 der Buchführer Wolf Eberhard Felsecker und seine Erben in mehreren Krämen.133 Der Buchladen von Abraham Wagenmann (als
123 Hans-Otto Keunecke: Jobst Gutknecht – der Drucker des Nürnberger Rates. In: GutenbergJahrbuch 1987, S. 146–157, hier S. 156. 124 Hans-Otto Keunecke: Friedrich Peypus (1485–1535). Zu Leben und Werk des Nürnberger Buchdruckers und Buchhändlers. Mit einem Kurztitelverzeichnis seiner Drucke. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 72 (1985), S. 1–65, hier S. 18–19. 125 Hans-Otto Keunecke: Johannes Petreius (1496/97–1550). Ein Beitrag zu Leben und Werk des Nürnberger Buchdruckers, Verlegers und Buchhändlers. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 69 (1982), S. 110–129, hier S. 119. 126 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 73, Regest Nr. 411. 127 Ebd., S. 490, Regest Nr. 3204. 128 Ebd., S. 358, Regest Nr. 2247. 129 Ebd., S. 432, Regest Nr. 2711. 130 Ebd., S. 85, Regest Nr. 544. 131 Ebd., S. 448, Regest Nr. 2831. 132 Ebd., S. 44, Regest Nr. 225. 133 Stadtarchiv Nürnberg, Rep. B 17/I, Zinsmeisteramt, Bd. 79, Objekte Nr. 1,7 und 8–11. In der Überlieferung dieses Bestandes klafft eine Lücke für die Jahre von 1573 bis 1671, so dass eine Überprüfung der Mieter für die Zeit von 1640 bis 1650 nicht möglich war.
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Buchführer im Ämterbüchlein von 1610 bis 1629 eingetragen) an der Südweststecke des Rathauses war sogar Namengeber für das daneben liegende Buchgässlein.134 Der Sebalder Stadtteil blieb bevorzugter Standort für das Buchgewerbe bis in das 19. Jahrhundert. Noch 1801 finden sich dort sämtliche 14 Buchhandlungen der Reichsstadt und von den sechs Druckereien werden fünf dort betrieben.135 Daneben traten Buchhändler auch mit ephemeren Verkaufsständen in Erscheinung. Johann Güntzel hatte 1639 einen Kram zur Weihnachtszeit auf dem Markt,136 und von Hieronymus Lochner erfahren wir für das Jahr 1653, dass er seinen Buchladen in der Bindergasse betrieb, aber auf der Weihnachtsmesse eine Bude aufschlagen durfte.137 Gehandelt wurden aber nicht nur verlagsneue Bücher. Es gab auch Buchführer, die Antiquaria vertrieben, wobei diese Stücke im Sprachgebrauch der Zeit als „gebundene Bücher“ bezeichnet wurden, weil Neuerscheinungen in aller Regel als Rohexemplare oder geheftet auf den Markt kamen. Von Jeremias Dümler wurde bereits weiter oben mitgeteilt, dass er neben aktueller Literatur auch mit älteren Titeln handelte; sogar Inkunabeln konnte man bei ihm erwerben.138 Hieronymus Lochner begann seine buchhändlerische Laufbahn als Antiquar, weil er zunächst keine Zulassung zum Handel mit „ungebundenen Büchern“ erhielt.139 Angesichts der dürftigen Forschungslage muss es mit den hier genannten beiden Beispielen sein Bewenden haben. Man wird aber trotzdem von einem etablierten Antiquariatsbuchhandel in Nürnberg im siebzehnten Jahrhundert ausgehen können. So spricht der Rat 1687 von dessen Protagonisten im Plural und von ihnen als von einer mit dem Begriff „antiquarii“ fassbaren Gruppe: „So bleibe es auch der antiquariorum halben bei der vorhin gemachten verordnung, dass dieselben sich der ungebundenen bücher und traktaten ausser etwa akademischer disputationen enthalten sollen.“140
134 Christian Conrad Nopitsch: Wegweiser für Fremde in Nürnberg, oder topographische Beschreibung der Reichsstadt Nürnberg nach ihren Plätzen, Märkten, Gassen, Gäßchen, Höfen, geist- und weltlichen öffentlichen Gebäuden. Nürnberg 1801. Repr. Nachdr. Neustadt/Aisch 1992, S. 20. Ein Kupferstich von Johann Alexander Boener mit einer Ansicht des Rathauses mit dem Buchladen von Wagenmann im Stadtarchiv Nürnberg: E 13/II, Nr. 36. 135 Nopitsch, Wegweiser (wie Anm. 134), S. 20. 136 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 343, Regest Nr. 2166. 137 Ebd., S. 448, Regest Nr. 2830. 138 Vgl. weiter oben bei Anm. 22. 139 Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 448, Regest Nr. 2832. 140 Ebd., S. 47, Regest Nr. 238.
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Neben den konzessionierten Vertretern des Buchhandels gab es auch andere Gewerbetreibende, die Drucke zum Verkauf anboten. So werden Valentin Fuhrmann 1606 Bücher aus seinem Kram gestohlen, die er anschließend bei einer Händlerin, die sichtlich keine Buchführerin ist, auf dem Saumarkt (jetzt Trödelmarkt) wiederfindet.141 Mehrfach klagen die Buchführer darüber, dass die Buchbinder der Stadt nebenbei mit Büchern Handel treiben und der Rat erlegt den Buchbindern daraufhin Beschränkungen auf. So dürfen sie nur „Schul- und Betbücher“ vertreiben und müssen die rohen Bögen dafür bei den hiesigen Druckern erwerben.142 Auch gab es zumindest vereinzelt Kolportagebuchhandel. Jedenfalls beschweren sich die Buchführer 1632 darüber, „dass von etlichen stimplern allerhand pasquillen, zeitungen und andere sachen gedrucket, uff dem markt und gassen offenlich feil herum getragen und verkauft werden.“ Dieser ambulante Bücherhandel wird daraufhin vom Rat untersagt.143 Eine Nachricht aus dem Jahr 1649 legt die Vermutung nahe, die Buchhandlungen seien schon damals nicht nur einfach Verkaufsgeschäfte, sondern auch Orte intellektuellen Austauschs gewesen. Die kaiserlichen Gesandten, die sich des Friedenskongresses wegen in Nürnberg aufhielten, hatten sich beim Nürnberger Stadtregiment darüber beschwert, dass auf dem Markt, v. a. aber „vor Jeremias Dümlers buchladen offenlich referiert worden, was in den drei reichskollegien votiert worden, […] auch gefährliche discurs von des kaisers geringer macht gefallen. Darüber dann der Dümler vernommen worden, welcher sich so gut es sein kann, entschuldigt, als ist erteilt, den Dümler […] zu warnen, sich vor dergleichen inskünftig vorzusehen, solche gefährliche diskurse vor seinem kram nit zu gedulden.“144 Auch ein poetisches Zeugnis für die kommunikative Funktion der Nürnberger Buchhandlungen kann beigebracht werden. In dem schon erwähnten Gedicht von Johann Klaj „Das Lob des weltgepriesenen Buchhandels“ liest man:145
Diese Kunst nun stehet feil in gelehrten Bücherläden, da man kan mit Leuten reden von der Seelen Trost und Heil, wie das Recht sey auszuführen,
141 Ebd., S. 330, Regest Nr. 2067. 142 Ebd., S. 28–30, Regesten Nr. 175 und Nr. 180. 143 Ebd., S. 21, Regest Nr. 137; die ausführliche Beschwerdeschrift der Buchführer vom 26. April 1632 mit Nennung zahlreicher Buchkolporteure, die auch ihre Kinder für dieses Gewerbe einsetzen ebd., S. 340–343, Regest Nr. 2159. 144 Ebd., S. 85, Regest Nr. 544. 145 Zit. n. dem Abdruck in: Diefenbach/Fischer-Pache/Grieb, Nürnberger Buchgewerbe (wie Anm. 18), S. 170.
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diss und jenes zu curiren, was da sey der Sterne Krafft, ja von aller Wissenschaft. Der hat einen schönen Wandel der da führt den Bücherhandel.
Es werden hier zwar Ideal-Vorstellungen in den Text mit hineingewoben, aber Gegenstand des Gedichtes ist keine theoretische Konstruktion, sondern eine tatsächlich bestehende Buchhandlung eines mit Namen genannten Eigentümers. Zwar hebt das im Plural und absolut verwendete Substantiv „in gelehrten Bücherläden“ die Aussage des Dichters ins Allgemeine, aber Ausgangspunkt für diese generalisierende Feststellung ist ganz konkret die in der ersten Strophe vorgestellte Buchhandlung: […] wann Herr Endter von der Messe, von dem Setzer, von der Presse Kunstgefüllte Bücher führt Und damit den Laden ziert. […]
Die Leser konnten das Gesagte über anregende Gespräche beim Buchführer anhand eigener Anschauung und Erfahrung überprüfen; Bild und Wirklichkeit durfte der Dichter da nicht weit auseinanderfallen lassen. Insofern wird es hier erlaubt sein, einen poetischen Text – mit einiger Vorsicht – als historische Quelle zu verwenden. Insgesamt lässt sich das Bild eines lebendigen Buchhandels in Nürnberg zeichnen, betrieben von einer ganzen Reihe tatkräftiger Unternehmer, die ihre Verkaufsläden zumeist am Rathaus und am Hauptmarkt unterhielten. Vielleicht kann man mit aller gebotenen Zurückhaltung sogar von einem Bücherquartier im Umgriff des Rathauses sprechen. Für die poetisch-literarisch, wissenschaftlich oder sonst intellektuell Interessierten boten sich damit nicht nur vielfältige Gelegenheiten, die benötigte Literatur, auch wenn es sich um antiquarische Titel handelte, am Ort zu erwerben. Diesem Personenkreis war gewiss auch wichtig, sich in den Buchläden über Neuerscheinungen unterrichten zu können. Die Buchführer besuchten die verschiedensten Messen und brachten von dort die jüngsten Veröffentlichungen mit in die Reichsstadt.146 Die Ladengeschäfte der Buchführer waren nicht nur Verkaufsplätze, sondern auch Informationsstellen. Offensichtlich waren sie darüber hinaus auch Orte des geistigen Austauschs der Kunden untereinander.
146 Wolfgang Endter d.Ä. beispielsweise bot 1639 in seinem Nürnberg Buchladen 81 Titel an, die er von der Frankfurter Herbstmesse mitgebracht hatte: Oldenbourg, Endter (wie Anm. 23), S. 74.
Buchverlag, Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg 1640 bis 1650
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Buchhandlungen und Druckwerkstätten, Drucker-Verleger und SortimenterVerleger schufen in der Reichsstadt günstige Bedingungen für Autoren aller fachlichen Ausrichtungen, die ihrerseits dem Buchgewerbe Impulse verliehen. Auch Literaten und Poeten konnten sich in Nürnberg gedruckt sehen und machten von den Möglichkeiten, die das Buchgewerbe ihnen bot, Gebrauch. Mitten im Dreißigjährigen Krieg gab es in Nürnberg eine alle Gebiete umfassende und damit auch wissenschaftliche und belletristische Literaturproduktion in einem für die Zeitumstände bemerkenswert großen Umfang.
Frederike Schmäschke
Papierener Barock in Nürnberg Ein Blick auf den Nürnberger Kupferstich der 1640er Jahre
I Vom Suchen und Finden
Abb. 1: Lucas Schnitzer(?), Abbildung des Schwedischen Löwen […], 1649, Kupferstich, 21,4 x 31 cm (Plattenmaß), Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, ohne Inv.-Nr.
Macht man sich in den Beständen der Graphischen Sammlung der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg1 auf die Suche nach der Person Johann Klaj (1616– 1656), so wird man nicht fündig, zumindest nicht auf direktem Weg. Es ist bekannt, dass Klaj Texte zu Flugschriften und Einblattdrucken beigetragen hat, und dennoch findet sich an diesem, vermeintlich besonders relevanten Ort für Nürnberger Druckgraphik zunächst kein Nachweis seines Schaffens. Weitere Recher-
1 Die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg zählen zu den ältesten und größten kommunalen Kunstbeständen Deutschlands. https://doi.org/10.1515/9783110669480-005
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chen zeigen, dass sich sehr wohl Bezüge zur Sammlung herstellen lassen. So findet man zwei Einzelblätter, Kupferstiche aus den Jahren 1649 und 1650. Der frühere Stich mit dem Titel Abbildung deß Schwedischen Löwens, 25. Sept. 16492 zeigt die Löwenfigur, die am 25. September im Zuge der Feierlichkeiten um das Ende des Dreißigjährigen Kriegs in einem Fenster des Nürnberger Ratshauses aufgestellt wurde, um den dort feiernden Menschen Rot- und Weißwein zu spenden (Abb. 1). Die Figur hat sich erhalten und befindet sich heute im Stadtmuseum im Fembo-Haus (Abb. 2).
Abb. 2: Anonym, Schwedischer Löwe, 1649, Holzskulptur, farbig gefasst, Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, ohne Inv.-Nr.
2 Vollständiger Titel: Abbildung deß Schwedischen Löwens, 25 Sept. 1649. Jahrs bey Ihrer Hochf. Durchl. deß Herrn Generalissimi Friedenmahl, so in deß H. Röm. Reichstatt Nürnberg hochansehlichst gehalten, roht und weissen Wein in 6. Stunden häuffig auß seinem Rachen fliessen lassen.
Papierener Barock in Nürnberg
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Der spätere Stich mit der Überschrift Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens3 illustriert eine weitere Festivität im Umkreis des Friedensschlusses in der Reichsstadt (Abb. 3). Auf den Blättern befindet sich jedoch keinerlei Signatur Klajs auf den Blättern. Worin besteht hier also die oben beschriebene Verbindung?
Abb. 3: Lucas Schnitzer, Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens […], 1650, Kupferstich, 23,2 x 33 cm (Blattmaß, beschnitten), Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, ohne Inv.-Nr.
Der Literat tritt erst hervor, wenn Vergleiche mit ähnlichen Kupferstichen auf den Seiten der Digitalen Deutschen Bibliothek angestellt werden (Abb. 4, 5). Sie stammen aus der umfangreichen Friedensdichtung Klajs Irene/ das ist/ Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650, die 1650 von dem Nürnberger Buchhändler, Drucker und Verleger Wolfgang Endter d.Ä. (1593–1659) herausgebracht wurde. Klaj schildert hier in „poetischer Reimrichtigkeit“ die Viel
3 Vollständiger Titel: Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens: wie solche bey Ihrer Fürstl: Gnad: Duca de Amalfi zu Nürnberg gehaltenen Friedensmahle beim hellen Tage anzusehen gewesen.
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zahl der Feierlichkeiten, Gastmahle und Feuerwerke, die im Zuge des Friedensabkommens in Nürnberg stattfinden.4 Die gedruckten Kupferstiche wurden mit seinen Dichtungen bereichert bzw. dienten andersherum als Illustrationen seiner Wortschöpfungen, je nach Perspektive. Als Stecher zeichnet hier Lucas Schnitzer mit seinem Monogramm verantwortlich. Die Exemplare der städtischen Sammlungen wurden demnach ihres Textteils beraubt: Man hat ihn abgeschnitten und scheinbar nur den Bildteil als bewahrungswürdig betrachtet. Auf das Verhältnis von Bild und Text wird später noch einzugehen sein.
Abb. 4: Lucas Schnitzer (?), Abbildung deß Schwedischen Löwens, 25 Sept. 1649, 1649. […], Kupferstich, Bayerische Staatsbibliothek München, Inv.-Nr. Einbl. XI,707
Abb. 5: Lucas Schnitzer, Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens […], 1650, Kupferstich, ca. 59 x 38 cm, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Inv.-Nr. Einbl. Xb FM 206
4 Josef Helfrecht: „Empfahet die Erstlinge hiesiges Flusses…“. Fruchtbarkeitsmotiv und Gestaltungswille der Pegnitzschäfer. In: Matthias Henkel / Ursula Kubach-Reutter (Hg.): 1662–1806. Die Frühzeit der Nürnberger Kunstakademie. Nürnberg 2012, S. 36–41, hier S. 38.
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II Vom Sammeln (I) Zur besseren Kenntnis und Verständnis einer Zeit – und in diesem Fall zur treffenderen Kontextualisierung von Klajs Schaffen in Nürnberg – ist es immer fruchtbar, den Blick über den Tellerrand der eigenen Disziplin zu heben. Im Folgenden soll daher ein Überblick über Protagonisten, Inhalte und die Bedeutung des graphischen Gewerbes im reichsstädtischen Nürnberg einen Beitrag zur Klaj-Forschung liefern. Interessiert man sich nun also für die Bestände der Graphischen Sammlung aus speziell diesem Zeitraum und sucht nach Kupferstichen der 1640er Jahre, so erhält man im Querschnitt eine Vielzahl von unterschiedlichen Formaten, Produzenten und Themen:5 darunter Porträts von Nürnberger Bürgern, Erbaulich-Religiöses, Prospekte (Stadtansichten), Emblematisches, Naturkundliches, Darstellungen von Katastrophen und Alltagsabnormitäten, Wappenbüchlein, Kalender, Festbeschreibungen und Trachtendarstellungen. Diese große Bandbreite fußt auf einer sehr diversen Sammlungsgeschichte,6 wobei die Druckgraphik in der Reichsstadt erst im Verlauf des 17. Jahrhunderts als eigenständiges Sammelgebiet anerkannt wurde. Die städtischen Bestände beruhen im Grundstock auf zwei Sammlungen, die in dieser Zeit entstanden sind: Zum einen die Sammlung der 1662 gegründeten Akademie, deren Kupferstiche vor allem als Vorlagen und Anschauungsmaterial für die dort Lernenden dienten; zum anderen die Sammlung der Stadtbibliothek, die wiederum größtenteils auf den Schenkungen von Susanna Maria Sandrart und Maria Margarete Magdalena von Holzschuher basiert. Im Verlaufe der Jahrhunderte wurden die Bestände der städtischen Sammlung durch weitere Ankäufe, Schenkungen und Nachlässe stetig gemehrt.7 Stets wurde nach größtmöglicher Vollständigkeit auf dem Gebiet der Nürnberger Meister gestrebt.8 Ein Großteil der älteren, vor 1800 entstandenen Graphik liegt als Dauerleihgabe beim Germanischen Nationalmuseum.
5 Trotz fortlaufender Bearbeitung durch die Mitarbeiter und dem mittelfristig geplanten Abschluss ist die Graphische Sammlung bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig digital erfasst und erschlossen. Es ist daher gut möglich, dass bei der oben beschriebenen Suche nicht alle in der Sammlung vorhandenen, zu der Suche passenden Blätter gefunden wurden. Besonders der sogenannte Norica-Bestand, der zwar nach topographischen wie kulturgeschichtlichen Schlagworten geordnet ist, dürfte noch so manchen, bis jetzt unerkannten Schatz bergen. Anders gestaltet sich die Lage bei der Sammlung von Portraitgraphik aus reichstädtischer Zeit: Hier ist der umfangreiche Bestand inzwischen nahezu vollständig digital erfasst. 6 Hierzu ausführlich Wilhelm Schwemmer: Aus der Geschichte der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 40 (1949), S. 97–206. 7 Ebd., S. 110 f. 8 Ebd., S. 174.
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Dieser Beitrag ist in seiner Struktur dualistisch angelegt: Mit Johann Hauer und Paul Fürst rücken zwei Protagonisten in den Fokus, ebenso zwei besonders bedeutende Ereignisse des Jahrzehnts: die Gründung des Pegnesischen Blumenordens und der Reichsexekutionskongress. Die Entscheidung für diese Zweiteilung fußt auf der Vorstellung, dass im Rahmen dieses Beitrags nur ‚ein Fenster‘ in diese Zeit geöffnet werden kann. Hierfür bietet es sich an, gezielt einzelne Personen und Ereignisse herauszugreifen, anhand derer ‚das größere Ganze‘ verständlicher und greifbarer zu vermitteln ist.
III Vom Forschen Während die kunstwissenschaftliche Forschung die Nürnberger Barockmalerei lange Zeit stiefmütterlich behandelt hat und erst in den letzten zwei Jahrzehnten zu diesem Thema grundlegende Quellenarbeit erfolgte und entsprechende Publikationen erschienen,9 hat wiederum die Nürnberger Druckgraphik der hier besprochenen Zeit nicht so einen Verlust an Wertschätzung erleiden müssen. Die Gründe hierfür sind vielfältig; ein entscheidender dürfte jedoch sein, dass im Allgemeinen für die Gattung der Graphik nicht so ein enormer Qualitätsabfall wahrgenommen wurde wie es für andere Gattungen und sogar andere Sparten, wie zum Beispiel die Wirtschaft, nach der großen Dürer-Zeit kolportiert wurde. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etablierte sich in der Forschung die Abkehr von der Ansicht, dass „die Künste während des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland einen absoluten Niedergang erlebt hätten.“10 An dieser Stelle gibt es also durchaus noch Forschungsdesiderate, wenn Andreas Tacke schreibt: „Der Anteil der Nürnberger Zeichner und Stecher kann indes als ein (fast) ungeschriebenes Kapitel zur Geschichte der deutschen Druckgraphik des 17./18. Jahrhunderts genannt werden.“11 Insbesondere die (Bibliotheks-) Forschung der letzten Jahre hat an dieser Stelle jedoch mit Digitalisierungs-Projekten einiges in Bewegung gebracht und viel Quellenmaterial zugänglich ge
9 Andreas Tacke sieht den Grund hierfür in der Konzentration auf Albrecht Dürer (1471–1528) und die sog. Dürerzeit. Andreas Tacke (Hg.): „Der Mahler Ordnung und Gebräuch in Nürnberg“. Die Nürnberger Maler(zunft)bücher ergänzt durch weitere Quellen, Genealogien und Viten des 16., 17. und 18. Jahrhunderts. Berlin, München 2001, S. 13. 10 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 13. 11 Ebd., S. 91.
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macht. Hier sind besonders Plattformen wie VD17, Festkultur online oder der Digitale Portraitindex zu nennen.12 Bei der Beschäftigung mit dem Thema Druckgraphik in der Frühen Neuzeit im Allgemeinen und Druckgraphik dieser Zeit in Nürnberg im Besonderen stößt man immer wieder auf die Früchte jahrzehntelanger Forschung von John Roger Paas. Mit dem epochalen Editionsprojekt „The German Political Broadsheet 1600– 1700“ sowie unzähligen thematisch-affinen Beiträgen hat er als Herausgeber und Autor auf diesem Feld Pionierarbeit geleistet.13 Besonders seine Beiträge über die Verbindungen der Pegnitzschäfer zum graphischen Gewerbe Nürnbergs sind aktuell und hilfreich. Ebenfalls substantielle Forschung hat Andreas Tacke auf dem Gebiet der Frühen Neuzeit, insbesondere der Künstlersozialgeschichte, geleistet. Sein kapitales Werk „Der Mahler Ordnung und Gebräuch in Nürnberg“, eine umfangreiche Quellenedition von Nürnberger Malerzunftbüchern, ebnet den Weg für weitere Forschungen im Bereich der Sozial- und Handwerksgeschichte.14 Ebenso haben Wolfgang Harms und Michael Schilling mit ihren Studien zum Flugblatt Grundlagenarbeit auf dem Gebiet der frühneuzeitlichen Bildpublizistik geleistet.15 Im Folgenden wird ein Einblick in das Leben und Schaffen des Künstlers Johann Hauer (1586–1660) gegeben. Ganz pragmatische Gründe liegen der Wahl Hauers als Protagonist und ‚Stellvertreter‘ der betrachteten Zeit zugrunde: Er war ein minutiöser Dokumentar seines Lebens und seiner Epoche. Zudem haben sich seine Aufzeichnungen erhalten, was keineswegs als Regelfall gelten kann.
IV Der vermeintlich Durchschnittliche Johann Hauer steht exemplarisch für die vielen Nürnberger Künstler der zweiten Garde, die mit ihrem Schaffen zwar maßgeblich zum Ruf der Stadt als Druckzentrum beitrugen, deren Namen und Werk sich aber oftmals nicht eindeutig überliefert hat (Abb. 6).16 Er stellt hier aus zweierlei Gründen eine Ausnahme dar: Zum ei
12 http://www.vd17.de/, http://dbs.hab.de/barock/feast.htm, http://www.portraitindex.de/ [Abruf 25.9.2017]. 13 John Roger Paas: The German Political Broadsheet 1600–1700. 12 Bde. Wiesbaden 1985–2014. 14 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9). 15 Wolfgang Harms / Michael Schilling (Hg.): Das illustrierte Flugblatt der frühen Neuzeit. Traditionen, Wirkungen, Kontexte. Stuttgart 2008; Michael Schilling: Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland bis um 1700. Tübingen 1990. 16 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 15.
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nen konnte er schreiben und hinterließ viele Manuskripte,17 zum anderen bekleidete er über Jahre hinweg verschiedene Ämter in der Reichsstadt, wurde mehrfach zu einem von vier Vertrauensleuten der Nürnberger Malerschaft gewählt und taucht allein deshalb namentlich in Ratsarchivalien auf. Der Flach- und Ätzmaler ging einer Vielzahl von Tätigkeiten und Interessen nach; er arbeitete zeitweise auch als Verleger, Kunsthändler, Dürerforscher und gar als Weinhändler.18
Abb. 6: Anonym, Bildnis des Johann Hauer, 1651/1700, Kupferstich, 13,5 x 9,8 cm (Plattenmaß), Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Inv.-Nr. Gr. A. 12073
17 Unter anderem ist durch ihn auch eine Abschrift Dürers Tagebuch der Niederländischen Reise erhalten, deren Original verloren ging. Die sogenannten Hauer’schen Manuskripte, „Der Mahler Ordnung und Gebräuch in Nürnberg“ liegen (größtenteils) im Archiv des Germanischen Nationalmuseums. Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 15. 18 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 15.
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Trotzdem hebt sich die Grundstruktur seines Lebens, was Vielzahl und Vielseitigkeit seiner Betätigungsfelder angeht, nicht von der einer ganzen Reihe Zeitgenossen19 mit ähnlichen Biographien ab: Er fertigte und verlegte teilweise auch Druckgraphiken, Flugblätter sowie Gelegenheitsschriften, zudem entwarf und radierte er für Nürnberger Buchdrucker Titeleinfassungen und Textillustrationen. An späterer Stelle sind vor allem seine Niederschriften zu den internen Belangen der Nürnberger Flach- und Ätzmaler von Interesse. Seine Ausbildung verläuft den damaligen Konventionen entsprechend: Im Jugendalter geht er bei dem Maler und Radierer Peter Hochheimer in eine vier- bis fünfjährige Lehre. Vermutlich arbeitete er dort nach Ende seiner Lehre noch einige Jahre als Geselle weiter, um seine Ausbildungsschulden abzuleisten.20 Sein Probstück, ein geätzter Harnisch,21 liefert er 1613 ein, wird zum Meister gesprochen und beginnt recht zügig damit, offiziell eine eigene Werkstatt zu führen und selbst Lehrjungen auszubilden.22 Er war mit einer Urenkelin des berühmten Goldschmieds Wenzel Jamnitzer (1508–1585) verheiratet und zeugte mit ihr zehn Kinder, unter anderem den Sohn Rupprecht Hauer, der in seine Fußstapfen als Künstler trat. Er profitierte davon, dass es in den 1620er und 1630er Jahren eine Leerstelle personeller und qualitativer Art in der reichsstädtischen Kunstproduktion gab: „[…] namhafte, aus den Niederlanden eingereiste Künstler verstarben, und eine neue Künstlergeneration war noch nicht aktiv.“23 Seine wiederholte Wahl zum Vertrauensmann der Nürnberger Maler lässt auf ein hohes Renommée Hauers innerhalb der Gemeinschaft der Flach- und Ätzmaler schließen.24 In der Zeit des aufziehenden Dreißigjährigen Krieges wird er zum Gassenhauptmann seines Viertels ernannt. Er starb 1660 im Alter von 73 Jahren und wurde auf dem Friedhof St. Johannis begraben. Für diesen Beitrag sind besonders die ungewöhnlichen und negativen Ereignisse seiner Vita erhellend: 1625 klagten die drei Mitvorgeher Hauers beim Rugamt, dass Hauer nicht als Flachmaler arbeiten dürfe, da er lediglich im Bereich der Ätzmalerei ein Probstück abgeliefert hat. Sie fordern eine generelle Überarbei
19 Die bereits von den Künstlern der Renaissance angestrengte Apotheose des HandwerkerKünstlers muss für Forschungen zu der hier beforschten Zeit nie außer Acht gelassen werden. Dennoch ist der Nürnberger Künstler in der Frühen Neuzeit ist in erster Linie Handwerker. Grundlegend zum Thema Martin Warnke: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers. Köln 1985. 20 Manfred H. Grieb (Hg.): Nürnberger Künstlerlexikon, Bd. 4. München 2007, hier S. 588. 21 Heute im Besitz des Wiener Kunsthistorischen Museums und auf Schloss Ambras ausgestellt. 22 Inoffiziell tat er dies 1611 schon bevor ihm der Meistertitel verliehen worden war. Siehe Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 30–33. 23 Ebd., S. 90. 24 Ebd., S. 30, 35.
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tung der Flachmaler- und Ätzverordnung. Jeder Maler solle nur in dem Handwerk arbeiten dürfen, in dem er auch das Probstück eingereicht habe.25 Hauer wehrte sich nach Kräften und nach einigem Hin- und Her wurde der Streit ohne eine wirkliche Änderung der Verordnung im Jahr 1640 beigelegt.26 Im Anschluss diente die Auseinandersetzung jedoch als Anlass für eine Überarbeitung der Malerordnung und führte schließlich auch zur Entstehung einer selbstständigen Ordnung für die Ätzmaler im Jahr 1659. Bemerkenswert sind an dieser Stelle zwei Aspekte: der offensichtlich hart umkämpfte Markt für visuelle Erzeugnisse zu dieser Zeit und die streng reglementierte Organisation des druckgraphischen Gewerbes in der Reichsstadt. Aus der Vergangenheit heraus hatte sich in der Stadt Nürnberg die Situation entwickelt, dass bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine Art von Zunftverbot herrschte. In Form des Rugamts übte der Magistrat Kontrolle über die Nürnberger Handwerkerschaft aus.27 Analog zu den Zünften anderenorts erfolgte die Organisation der Nürnberger Handwerker über Ordnungen. Eine erste Ordnung für die Zunft der Maler wurde im Jahr 1596 erlassen.28 1629 wurde eine überarbeitete Version der Ordnung bekannt gemacht.29 Wer also unterstand der „Flach- und Etzmalerordnung“? Hauer nennt für 1650 in Nürnberg „[…] underschiedliche Arten der Mahlerei: Mahler, flache Mahler, Conterfetter, Pespectivmahler, Landschaftmahler, in fresco Mahler, Wasserfarbmahler, Miniaturmahler, gfleckelte Mahler, Schmelzwerckmahler, Casormahler, Ezmahler, Glaßmahler, Staffierer, Briefmahler, Wismahtmahler, Freihandmahler, Illuministen, Italianischschlackmahler.[…]“. Hinter der Bezeichnung Flachmaler verbirgt sich die Tätigkeit, die einem Maler im modernen Verständnis am nächsten kommt.30
25 Tacke vermutet hier als primären Grund den Neid der Malerkollegen auf Hauers erfolgreiche (Kopisten-) Werkstatt und den Versuch, diesen zu unterbinden. 26 Vgl. Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 39–44. 27 Vgl. ebd., S. 16 f.: „Zu den Aufgaben des Rugamts gehörten auch der Erlaß neuer und die Veränderung bestehender Handwerksordnungen, […]. Auch der Ablauf der Meisterprüfung und die Anfertigung des Meisterstücks (Probestück) wurde nun genauestens festgelegt und damit streng reglementiert.“; grundlegend zur Organisation des Nürnberger Handwerks: Walter Lehnert: Nürnberg – Stadt ohne Zünfte. Die Aufgaben des städtischen Rugamts. In: Rainer S. Elkar (Hg.): Deutsches Handwerk in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Sozialgeschichte – Volkskunde – Literaturgeschichte. Göttingen 1983 (Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte), S. 71–81. 28 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 21. 29 Ebd., S. 21. 30 Ebd., S. 24.
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Die Etzmaler stellten Druckgraphiken her. Dieses künstlerische Feld zu bearbeiten, wurde jedoch auch von den Malern beansprucht. Vorwiegend aber führten Etzmaler Ätzungen und Gravuren von metallenen Oberflächen aus: „[…] Verzierungen an Waffen und Rüstungen, aber auch von Goldschmiedearbeiten, an wissenschaftlichen Instrumenten oder auch an metallenen Alltags- und Gebrauchsgegenständen“.31 Die Nürnberger Flach- und Ätzmaler achteten peinlichst genau darauf, dass die Goldschmiede ihnen diesen Bereich nicht streitig machten. Ebenso geschützt war die Tätigkeit des Reißens.32 Die von Hauer hergestellten Druckgraphiken sind grob in zwei Kategorien zu unterteilen: die in der Regel unsignierte Graphik für den täglichen Bedarf und die signierte Graphik mit künstlerischer Intention.33 Von der Gebrauchsgraphik des Alltags hat sich deutlich weniger erhalten, was in der Natur der Sache liegt. Zu ihren Funktionen gehörte zum Beispiel die Bekanntmachung historischer Geschehnisse.34 Aus Teilen der Hauerschen Manuskripte kann man erfahren, wie die Ausbildungsbedingungen sich gestalteten, wer welches Probstück ablieferte oder welche Werkstatt auswärtige Lehrlinge und Gesellen annahm. Sie vermitteln einen guten Einblick in die Künstler-Sozialgeschichte der Zeit.35
Das Ganze ist mehr als die Summe seine Teile Schon zu Beginn Hauers Karriere taucht ein für das Nürnberger graphische Gewerbe zentrales Prinzip auf: Kooperation. Die erbrachte Leistung seines Probstücks, oben genannter geätzter Harnisch, bestand konkret aus Entwurf und Ausführung eines neuen Bildprogramms auf der Rüstung. Der Harnisch selbst war schon älter und stammte auch nicht aus seiner Hand, sondern wurde ihm seitens der Obrigkeit vermutlich aus dem Zeughaus zu Verfügung gestellt.36 Dies war für beide Seiten ein Gewinn: Hauer hatte ein geeignetes Ausgangsstück für die Präsentation seines Könnens, während die Stadt eine zuvor schmucklose Rüstung mit neuer, dem zeitgenössischen Geschmack angepasster Ausstattung zurückbekam. Wenn hier auch keine parallel stattfindende
31 Ebd., S. 25. 32 Ebd., S. 25. 33 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9). S. 78. 34 Ebd., S. 79. 35 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 26. 36 Die Rüstung stammt noch aus dem späteren 16. Jahrhundert. Vgl. Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 32.
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Zusammenarbeit zweier Handwerker bzw. Künstler stattfand, so lässt sich dennoch festhalten, dass hier durch die gemeinsame, wenn auch zeitversetzte, Arbeit an einem Objekt dieses an Wert gewinnt. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile gewissermaßen. Ein weiterer, ganz pragmatischer Grund für kooperatives Arbeiten liegt unter anderem auch in den strengen Zunftordnungen der Stadt begründet; wobei der Terminus ‚Zunftordnungen‘ nicht ganz korrekt ist, da, wie oben erwähnt, die Reichsstadt über keine Zünfte verfügte. So waren zwangswiese mehrere Gewerbe an einem Werk beteiligt. Ein Beispiel sind Goldschmiedemeister, die einzelne Arbeitsschritte an andere Werkstätten überweisen mussten, weil sie laut Flach- und Etzmalerordnung nicht dazu befugt waren, sie auszuführen. Auch auf dem Gebiet der Münzmandate galt dies; hier konnten Ätzmaler, Reißer, Formschneider und Medailleure beteiligt sein.37 Wenn man so will, handelt es sich hier um frühneuzeitliches Outsourcing. Ebenso waren an der Herstellung einer Druckgraphik oftmals mehrere Personen unterschiedlicher Profession beteiligt. Hierzu können Bildentwerfer, Zeichner, Stecher, Autor, Drucker und Verleger zählen, wobei manche der Funktionen sich auch in einer einzigen Person vereinen konnten.38 Das Prinzip der Kooperation taucht auch hier immer wieder auf. Bereits seit dem 15. Jahrhundert hatte sich in Nürnberg eine symbiotische Struktur zwischen „Künstlern und Verlegern bei der Herstellung von bebilderten Druckerzeugnissen“39 entwickelt, ein bekanntes Beispiel hierfür ist die sogenannte „Schedelsche Weltchronik“40.
V Der Bildermann Der zweite hier vorgestellte Protagonist ist der Verleger, Buch- und Kunsthändler Paul Fürst (1608–1666). Er ist an anderer Stelle des Systems reichsstädtischer
37 Ebd., S. 140. 38 Schilling zählt für die Herstellung eines Flugblatts sogar folgende potenzielle Parteien auf: „[…] Verleger, Autor (bzw. Kompilator), Drucker, Bildentwerfer, Zeichner, Stecher (bzw. für den Holzschnitt: Formschneider, Patronierer, Briefmaler)“; Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 15), S. 14. 39 John Roger Paas: Deutsche Graphikproduktion in Nürnberg zu Harsdörffers Lebzeiten. In: Doris Gerstl (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg 2005, S. 127–143, hier S. 129. 40 Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Verlegers Anton Koberger mit den Künstlern Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff 1493. Vgl. Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Hg.): Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg 1999, S. 929 f. (Art. Schedelsche Weltchronik).
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Druckgraphik zu verorten.41 Der Nürnberger zählte zu den bekanntesten und zeitweilig auch erfolgreichsten Verlegern und Kunsthändlern in den deutschsprachigen Gebieten des 17. Jahrhunderts, er war ein „Bildermann“42 durch und durch. Seine Karriere war von großen Erfolgen, aber auch herben Niederlagen geprägt; dementsprechend hoch war die Fallhöhe: Verschuldet und bankrott beendet Fürst sein Leben selbst.43 Doch zunächst beginnt, ebenso wie Johann Hauers berufliche Laufbahn, auch Paul Fürsts Karriere auf konventionelle Art und Weise: beim Verleger und Kunsthändler Balthasar Caymox. Dieser erwirtschaftet sein Einkommen vor allem mit Andachtsbildern und allegorischen Drucken, aber auch mit Flugblättern.44 Fürst heiratet dessen Enkelin und übernimmt später das Caymox’sche Gewerbe. Von 1637 an bis zu seinem Tod 1666 erscheint er durchgehend als Kunstführer (Kunsthändler) im Ämterbüchlein, ab 1635 verstärkte er seine verlegerische Tätigkeit in zunehmendem Maße.45 Ab 1646 war er Genannter des Großen Rats.46 Unter seiner Ägide arbeiteten zeitweise die angesehensten Künstler der Stadt, u. a. Lukas Schnitzer, Peter Troschel und Andreas Khol. Sein Portfolio umfasste Porträts und Andachtsbilder, Prospekte und Stadtansichten, sogar Spiele hatte er im Angebot. Sein Verlagsschwerpunkt lag jedoch auf illustrierten Einblattdrucken. Sein umfangreiches Programm war von überregionaler Bedeutung, 423 von ihm herausgegebene Kupferstiche sind heute dokumentiert.47 Paas zeichnet das Bild eines generell sehr vorsichtigen, aber dann punktuell doch wagemutigen Unternehmers, der kein finanzielles Risiko scheute, um neue
41 Ebenso auch Johann Hauer, der wie oben erwähnt teilweise als Verleger und Kunsthändler gearbeitet hat. Trotzdem ist er mehr dem schaffenden Gewerbe zuzuordnen als dem verteilenden Gewerbe Fürsts. Paas hat auch zu der Person Fürsts geforscht und kluge Erkenntnisse gesammelt: vgl. hierzu Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 135. 42 Theodor Hampe: Beiträge zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg. II. Paulus Fürst und sein Kunstverlag. In: Anzeiger der Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 1914/ 1915, S. 3–127, hier S. 4. 43 Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 135. 44 John Roger Paas: The Changing Landscape of the Competitive Nuremberg Print Trade: The Rise and Fall of Paulus Fürst (1608–1666). In: Richard Kirwan / Sophie Mullins (Hg.): Specialist Markets in the Early Modern Book World. Leiden 2015. S. 35–63, hier S. 37. 45 Ämterbüchlein Nr. 155–325. Bei den „Ämterbuch“ handelt es sich um Verzeichnisse von Personen, welche mit Ämtern und Aufgaben des reichsstädtischen „Betriebs“ betraut worden waren. Sie sind mit Unterbrechungen von 1396 bis 1806 in den Beständen des Staatsarchiv Nürnberg überliefert. Grieb bewertet sie als eine reiche Quelle zur Erforschung der Stadtgeschichte und des Handwerks, deren Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft worden sei. Friedrich von Hagen hat sich die Mühe gemacht, Kunsthändler und Kupferstecher aus diesen herauszuextrahieren. 46 Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 20), S. 436. 47 Ebd., S. 436.
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Formen oder Inhalte auszuprobieren.48 Zunächst jedoch knüpfte Fürst an die Geschäftsstrategien seines Erblassers an und vertrieb weiter konventionelle Andachtsbilder – erstaunlicherweise, muss man wohl fast sagen, denn er lebte als Protestant in einer der einflussreichsten protestantischen Städte. Er hat offensichtlich das Potential für den katholischen ‚Erbauungsmarkt‘ in Süddeutschland erkannt, welches in den verständlichen und greifbaren Drucken lag. Obwohl er zeitlebens eine gesunde Distanz zu konfessionellen Fragen wahrte, brachte er eine Reihe von Heiligenbildern und anderen religiösen Themen heraus.49 Eine weitere risikoarme Strategie war die Neuausgabe alter Platten, zum Teil aus dem Nachlass des Caymox, unter seinem Namen. Dies versprach niedrige Produktionskosten, da weder Reißer noch Stecher bezahlt werden mussten. Lediglich ein modernisierter Text wurde manchmal eingesetzt.50 Zudem verfügten die bewährten Blätter über einen Wiedererkennungswert, der potenziellen Käufern eine hohe Qualität garantierte.51 Gleichzeitig wagte Fürst auch den Druck von Blättern, die durch ein ausgefallenes Format oder einen anspruchsvollen Inhalt eine größere Investition erforderlich machten und dementsprechend mit einem höheren finanziellen Risiko verbunden waren. Diese tollkühnen Projekte erwecken nahezu den Anschein, als ob der junge Verleger ganz gezielt durch derart selbstbewusste visuelle Positionen versucht, sich einen bestimmten Ruf aufzubauen.52 Mit Projekten dieser Art hat er letztlich auch einem breiteren Verständnis neuer künstlerischer und literarischer Themen und Techniken Vorarbeit geleistet. An diese Versuche, ob erfolgreich oder nicht, konnten dann wiederum andere Akteure anknüpfen.53 Der Kupferstich diente an dieser Stelle als ein dankbares Experimentierfeld für Künstler, Autoren und Verleger zugleich. Der Medium sind begünstigende Faktoren wie eine schnelle und vergleichsweise günstige Reproduzierbarkeit sowie eine leichte Transportierbarkeit schon immer inhärent gewesen.
48 Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 38–40. 49 Ähnlich arbeitete beispielsweise auch Gerhard Altzenbach in Köln; Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 40. Die Drucke bleiben jedoch eher indifferent und gefällig, die begleitenden Verse glatt. Schilling nennt diese Strategie ein „kalkuliertes Mittelmaß“. Vgl. Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 15), S. 20. 50 Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 39. 51 Druckplatten von Bartel Beham, Hendrik Goltzius, Peter Isselburg, Lucas Kilian und Matthäus Merian zählten zu diesen Neuausgaben. Vgl. hierzu Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 15), S. 57. 52 Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 45. 53 Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 15), S. 277.
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Parallel setzte er weiter auch immer auf risikoarme Herstellungs- und Verkaufsstrategien in Zeiten hoher Papierkosten und der stets drohenden Gefahr durch Raubdrucke. So ließ er in vielen Fällen lieber zwei bis drei kleinere Auflagen drucken, als eine große unverkauft auf Lager halten zu müssen. Ebenso war die Herstellung von Porträts gut kalkulierbar und risikoarm, da die Abnahme durch den Auftraggeber sicher war. Hier konnten die Herstellungskosten zusätzlich gesenkt werden, da einmal geschnittenes Rahmenwerk als Versatzstück für mehrere Porträts verwendet werden konnte.54 Ein Teil seiner Porträtstiche bildete nicht nur in Nürnberg ansässige Personen ab, sondern auch Personen der Zeitgeschichte wie Könige, Fürsten oder vereinzelt auch Heerführer, deren Bildnis in gesamten deutschen Sprachraum auf Interesse stieß.55 Er arbeitete ab der Gründung des Pegnesischen Blumenordens eng mit einigen seiner Mitglieder zusammen, darunter auch mit Johann Klaj und Sigmund von Birken, um die vielleicht bekanntesten und einflussreichsten Vertreter zu nennen.56 Paul Fürsts verlegerisches Werk zeichnet sich durch eine geschickte Adaption des Publikumsgeschmacks, den Willen zu innovativen Druckerzeugnissen und die Zusammenarbeit mit den begabtesten Künstlern der Zeit aus. Fürst hatte erkannt, dass die Wahl der richtigen Kooperationspartner für den Erfolg seines Unternehmens entscheidend war.
VI Vom Sammeln (II) Auf den Part der Rezipienten soll hier nur kurz eingegangen werden. Im Gegensatz zu Produzenten und Verlegern bleiben sie eher ‚stumm‘, weil sie zumeist eine anonymere Größe darstellen als die selbstbewussten und signierenden Stecher, Verleger und Literaten. Über ihr Kauf-, Stifter- und Sammelverhalten kann man dennoch etwas auf indirektem Weg erfahren.
54 Paas, Changing Landscape (wie Anm. 44), S. 19. 55 Ebd., S. 20. 56 Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 135. – Als ein Irrtum hat sich die Vermutung Hampes herausgestellt, dass Fürst auch selber Verfasser der Gedichte und Sprüche auf von ihm herausgegebenen Einblattdrucken gewesen sei. Am 6. Juli 1623 erscheint er in den Akten der Nürnberger Meistersinger als Verfasser eines erhaltenen Meistergesang-Manuskripts in der Handschriften-Abteilung in der Nürnberger Stadtbibliothek. Es handelt von einer von Seeräubern gefangenen Frau. Vgl. Hampe, Beiträge (wie Anm. 42), S. 5. Das dürfte Hampe als Beweis seines dichterischen Talents gereicht haben. Leider fiel Hampe hier einer Verwechslung anheim: Zur selben Zeit wie der Verleger Paul Fürst lebte auch der Hafnermeister und Meistersinger Paul Fürst in Nürnberg. Auf ihn dürften sich die Aktennotizen beziehen. Vgl. Grieb, Künstlerlexikon (wie Anm. 20), S. 588.
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Fest steht, dass in Nürnberg durch das starke Patriziat und die wohlhabende Bürgerschaft zu allen Zeiten eine kunstsinnige und kaufkräftige Klientel als Abnehmer und Auftraggeber bereitstand. Aufgrund der reichspolitischen Stellung gab es in der Noris keine fürstliche Sammlung bzw. Kunstkammer, dafür seit dem 16. Jahrhundert bedeutende Sammlungen von Privatpersonen.57 Vor der Reformation waren es vor allem die Kirchen, die von wohlhabenden bürgerlichen und geistlichen Stiftern bedacht wurden. In der Zeit des Humanismus setzt dann eine neue Sammeltätigkeit ein: Da die Auseinandersetzung mit antikem Geistesgut vorwiegend in der Rezeption antiker Texte stattfand, wurden die entsprechenden Bücher und Manuskripte so zu begehrten Sammlerobjekten und Teilen von Bibliotheken wie der des Nürnberger Stadtarztes Hermann Schedel.58 Insgesamt blieben graphische Arbeiten auf Papier in den frühneuzeitlichen Kunstsammlungen und Bibliotheken trotzdem unterrepräsentiert.59 Ein großer Teil der heute erhaltenen Einzelblätter wurde nicht etwa Blatt für Blatt von Hausierern verkauft, sondern stammt ursprünglich aus wertvollen Sammelbänden; darauf deuten zahlreiche von Hand geschriebene Foliierungen hin.60 Kupferstich in den 1640er Jahren meint deshalb häufig vor allem Buchgraphik. Nürnberg war in jener Zeit eines der großen deutschen Buchzentren, neben Augsburg, Frankfurt, Köln und später Leipzig und Wien.61 Eine Vielzahl von Buch- und Kunstverlagen produzierte eine entsprechende Menge an Büchern. Dass der Markt hierfür eng umkämpft war, belegt beispielsweise ein Brief der Verleger-Gebrüder Endter aus dem Jahr 1669 an Kaiser Leopold I., in dem sie sich über das Eindringen von Handel treibenden Kupferstechern in den Buchhandel beschweren.62
57 Vgl. Theodor Hampe: Kunstfreunde im alten Nürnberg und ihre Sammlungen. In: Mitteilungen der Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 16 (1904). S. 57–123, hier S. 60. Siehe hierzu auch Peter Fleischmann: Anmerkungen zum Patriziat und zu Kunstsammlungen des 16. Jahrhunderts in Nürnberg. In: Kunst des Sammelns. Das Praunsche Kabinett. Meisterwerke von Dürer bis Carracci. Nürnberg 1994, S. 13–25. 58 Hampe, Kunstfreunde (wie Anm. 57), S. 61. 59 Eine Ausnahme sind die graphischen Arbeiten Dürers, die schon zu Lebzeiten des Künstlers zu heißbegehrten Sammlerobjekten wurden. 60 Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 15), S. 301; Heinrich Gürsching: Kupferstich und Kunsthandel. Stahlstich und „Kunstanstalt“ in Nürnberg . In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 40 (1949), S. 207–236, hier S. 214–222. 61 Vgl. Barock in Nürnberg 1600–1750. Aus Anlaß der Dreihundertjahrfeier der Akademie der bildenden Künste (Kat. Ausst. GNM). Nürnberg 1962, S. 96. 62 Barock in Nürnberg (wie Anm. 61), S. 96: „Die Kunsthändler, Kupfferstecher, Kupffertrucker, Formschneider etc. belangend,… dass selbige bey ihrer Handthierung… sich halten sollten, weilen die Erfahrung bezeugt, dass bisshero… viel… Bücher mit unnothwenigen Kupffern angefüllet und denenselben, dadurch ein scheinbahres ansehen gegeben worden, nur zu dem Ende, damit
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VII Standortvorteil Nürnberg Zwei Ereignisse finden in den 1640er Jahren statt, die für die Nürnberger Graphikproduktion von entscheidender Bedeutung sind. Im Jahr 1644 rufen Johann Klaj und Georg Philipp Harsdörfer den Pegnesischen Blumenorden ins Leben. Als Vorbild für diese Poetengesellschaft diente ihnen hier die Accademia degli Intronati in Siena.63 Diese Gründung gab der lokalen ‚Stecherszene‘ einen immensen Schub. Hinkte die Reichsstadt auf literarischer Ebene bis dato ein wenig hinterher und tat sich schwer damit, neue literarische Formen zu adaptieren,64 brach mit der Ordensgründung eine neue Zeitrechnung an. Der Verbund war zugleich Anziehungspunkt und Ausbildungsstätte einer literarischen Gemeinschaft sehr fähiger und aktiver Poeten, die es wie Johann Klaj oder Sigmund von Birken nach Aufträgen und Anerkennung dürstete. Diese Gemeinschaft traf auf expandierende Unternehmer wie beispielsweise Paul Fürst, der für die von ihm verlegten Flugblätter und anderen Druckerzeugnisse Literaten suchte, die hochkarätige Texte hierfür verfassen konnten.65 Ein Paradigmenwechsel findet statt, wenn Georg Philipp Harsdörffer 1646 konstatiert: „Bey dieser Zeit/ ist fast kein Buch verkaufflich/ ohne einen Kupfertitel/ welcher dem Leser desselben/ Jnhalt nicht nur mit Worten/ sondern auch mit einem Gemähl vorbildet.“66 Die humanistischen Kreise der Stadt inszenieren die Verbindung von Literatur und den graphischen Künsten als selbstverständlich und zelebrieren die ‚Verschwesterung‘ der Gattungen.67 Die gegenseitige Durchdringung erreicht einen hohen Grad: Oftmals fertigten die Autoren im Prozess des Schreibens Vorzeichnungen für die Stecher an und
die Kunsthändler denen Buchführern (Buchhändlern) auff solche weiss ihr Stück Brod entziehen, sich in den Buchhandel einschleichen und solche Handthierung verstümpeln wollen, daß dahero mancher Buchhändler öffters gleichsamb ist gezwungen worden, auff Kupffer inventiones zugedencken, und ein werk damit nolens volens zu vertheuern …“. 63 Gerhard Gruner (Hg.): Nürnberg in Jahreszahlen. Nürnberg 1999, S. 173. 64 Paas sieht den Grund hierfür in der vor allem durch die Strahlfigur Hans Sache geprägte Tradition des Meistersangs, der in einem über Jahrhunderte ausgeprägten, festen „Formenkorsett“ steckte. Paas, Changing Landscape (wie Anm. 44), S. 45. 65 Ebd., S. 47. 66 Hier zitiert bei John Roger Paas: Inseparable Muses: German Baroque Poets as Graphic Artists. In: Colloquia Germanica 29 (1996), S. 13–38, hier S. 13. 67 Ebd., S. 14–15. Hier ebenfalls zitiert aus ursprünglich der Teutschen Academie: Von Sandrart schufen in diesem Zusammenhang folgendes sehr ausdrucksstarkes Gedicht: „Es dichten ja zugleich/ der Mahler und der Poet; es muß auch sinnen aus der Redner seine Red: Gemälde/ Vers’ und Wort’/ ist was die dreye bringen. Es redet das Gemähl und spielet im Gedicht; der Redner und Poet auch Wörter-Farben spricht; Nach Nützung sie zugleich und nach Ergetzung ringen. So sind sie dann verwandt/ so sind sie alle drey belobet und beliebt/ Mahl-Redner-Dichterey.“
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nahmen auf diese Art und Weise den Inhalt der Drucke schon vorweg. Paas erkennt zum Beispiel in Sigmund von Birken eine entscheidende vermittelnde Instanz: Nicht nur legte der Poet vielfach den Inhalt der Drucke fest und arbeitet an den Entwürfen, sondern überprüfte zudem auch die gestochenen Platten, bevor sie zum Drucken verwendet wurden. Erschwert wird die Bewertung dieser intermedialen Handlungen jedoch dadurch, dass es wenig konkrete Nachweise für die zeichnerischen Aktivitäten der Poeten gibt, weder autobiographisch noch literarisch. Da viele der Arbeiten (Zeichnungen) niemals signiert wurden, bleiben Zuschreibungen problematisch. Paas folgert daraus, dass eine solche Tätigkeit für einen Poeten des 17. Jahrhunderts nicht als außergewöhnlich, sondern ganz im Gegenteil als Teil einer vollständigen Ausbildung betrachtet wurde. Er stellt die These auf, dass Zeichnen weit verbreitet unter den Poeten des 17. Jahrhunderts war. Vermutlich wurde eine Signatur oftmals als vernachlässigbar angesehen, weil die Dichter-Künstler mit den Zeichnungen und Drucken selten genuin künstlerische Ambitionen verfolgten. Es waren eher pragmatische Gründe, die sie diese Arbeiten ausführen ließen: Sobald sie ihren Zweck, Vorbild für einen Kupfertitel oder eine Illustration zu sein, erfüllt hatten, wurden sie vernichtet bzw. nicht mehr aufbewahrt. Aus diesem Grund haben sich nur wenige visuelle Arbeiten von Barockdichtern erhalten, obwohl es sich um eine verbreitete Praxis handelte. Überspitzt formuliert, stellt diese Kooperation von Literatur und graphischen Künsten „in der Frühen Neuzeit eine Ausnahme der global fortschreitenden Spezialisierungstendenzen“ dar.68
VII Den Glanz der Nürnberger Kunst erzeugen Fremde?69 Das zweite Ereignis, welches nachhaltige Wirkung auf das graphische Gewerbe der Stadt entfalten sollte, war der Friedenexekutionskongress, der 1649 in Nürnberg begann. Ende Oktober 1648 verbreitet sich die Nachricht vom Ende des Dreißigjährigen Kriegs in der Stadt.70 Der Exekutionskongress tritt ab April 1649 auf dem Schoppershof zusammen, um den Westfälischen Frieden vertraglich um-
68 Paas, Inseparable Muses (wie Anm. 66), S. 14–16. 69 Mende schreibt hier im Artikel „Kunst“ im Stadtlexikon Nürnberg (wie Anm. 40), S. 598: „Den Glanz der Nürnberger erzeugen Fremde.“ 70 Am 29.10.1648 bringen Reiter aus Westfalen die Nachricht vom Ende des Dreißigjährigen Kriegs. Die Verhandlungen von Münster und Osnabrück führten am 24.10. zum Westfälischen Frieden. Vgl. Gruner, Nürnberg in Jahreszahlen (wie Anm. 63), S. 174.
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zusetzen. Im Zuge der Verhandlungen finden eine Reihe von Festmahlen,71 Feierlichkeiten mit Feuerwerken und anderen Zusammenkünften statt (Abb. 7, 8, 9). Am 26. Juni 1650 wird der Friedens-Exekutions-Hauptrezess auf der Burg unterzeichnet, welcher seinen endgültigen Abschluss in einem Festbankett mit großem Feuerwerk auf dem Schießplatz von St. Johannis findet, veranstaltet von dem kaiserlichen Verhandlungsführer Ottavio Piccolomini.72
Abb. 7: Anonym (nach Joachim von Sandrart), Nürnberger Friedensmahl 1649, Kupferstich, nach 1649, 17,5 x 25 cm (Blattmaß, beschnitten), Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, ohne Inv.-Nr.
71 Das bekannte Bild Joachim von Sandrarts, Das Friedensmahl im Nürnberger Rathaus, hängt heute im Stadtmuseum im Fembo-Haus. 72 Gruner, Nürnberg in Jahreszahlen (wie Anm. 63), S. 174.
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Abb. 8: Anonym, Feuerwerk anlässlich der Friedens Freuden Mahl, nach 1649, Kupferstich, 16,2 x 27,2 cm (Plattenmaß), Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, ohne Inv.-Nr.
Abb. 9: Anonym, Unterzeichnung des Friedensvertrages auf der Nürnberger Burg am 16. Juni 1650, Kupferstich, nach 1650, 16,3 x 27,7 cm (Plattenmaß), Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, ohne Inv.-Nr.
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Für mehr als ein Jahr wurde Nürnberg nun das Zentrum europäischer Politik. Die Noris war längst nicht so vom Krieg verheert wie andere Orte und strahlte als eine der größten Städte des Reichs eine große Anziehung aus. Diplomaten, Künstler, Handwerker, Verleger und Kaufleute kamen von nah und fern, um von der vibrierenden Atmosphäre und den zu erwartenden Aufträgen durch (tages-)aktuelle Themen und neue Auftraggeber zu profitieren. Der Begriff „temporäre Zentrumsbildung“73 beschreibt diesen Zustand sehr treffend. Denn auch nach Friedensschluss waren noch unzählige kleinere Abmachungen und Entscheidungen weltlicher und geistlicher Art zu treffen. Die Feierlichkeiten sorgten für einen kulturellen Schub in der Stadt und schufen viele Gelegenheiten für Künstler und Poeten, ihr Können in Kupferstichen, Pamphleten, Flugblättern, Schauspielen, Reden und Kompendien unter Beweis zu stellen. Vielfach hatten diese Druckerzeugnisse nicht nur die Funktion, an ein ganz bestimmtes Ereignis zu erinnern, sondern sollten auch die ephemere Festarchitektur und Feuerwerkskunst für das kulturelles Gedächtnis bewahren (siehe Abb. 8). So schreibt auch Joachim von Sandrart (1606–1688): „Kongresse und längere Itinerarstationen“ von Herrschern bedeuten für den Künstler „volle Arbeit/ und Gelegenheit/ sich der Welt verwunderbar zu zeigen.“74 Nach Tacke meint dies allerdings nicht nur, der Öffentlichkeit seine Arbeiten zu präsentieren, sondern auch die „temporären Wissensräume“ und den daraus folgenden Transfer von Kenntnissen, Fähigkeiten etc. zu nutzen. Nürnberger Künstler griffen dieses „Kunstwissen“ bereitwillig auf, lernten auswärtige Innovationen und neue Bild (er)findungen kennen, machten sie sich zu eigen und entwickelten sie für ihre Zwecke weiter. So auch Johann Hauer, der nur zu gerne auswärtige Gesellen einstellte und von ihrem Wissen profitierte. Den Wandergesellen Rudolf Meyer beispielsweise nahm er auf. Dieser hatte zuvor in der Werkstatt Matthäus Merians d.Ä. gearbeitet und verfügte dadurch über eine reiche druckgraphische Erfahrung.75 Sogar über die Grenzen der einzelnen Disziplinen hinweg hatte Hauer ein Gefühl für talentierte Personen, von denen er lernen konnte: Der studierte Mathematiker Lucas Brunn teilte mit ihm sein Wissen auf dem Gebiet der Optik und lehrte ihn, Gläser entsprechend zu schleifen. Mit diesen Gläsern fertigte Hauer wiederum eine eigene ‚camera obscura‘ an, die ihm als Hilfsmittel für seine Architekturzeichnungen und Gemälde diente.76
73 Andreas Tacke: „Was Nürnberg nicht selbst zeugte, kam von allen Orten dahin“. Innovation durch Mobilität. In: Frühzeit Nürnberger Akademie (wie Anm. 4), S. 42–50, hier S. 43. 74 Tacke, Was Nürnberg nicht selbst zeugte (wie Anm. 73), S. 45. 75 Tacke, Was Nürnberg nicht selbst zeugte (wie Anm. 73), S. 47. 76 Tacke, Was Nürnberg nicht selbst zeugte (wie Anm. 73), S. 47.
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Nürnberg war stets eine Stadt gewesen, die durch das Wissen und die Fähigkeiten Zugezogener profitierte. Auch schon Albrecht Dürer d.Ä., der Vater des bekanntesten Sohns der Stadt, zog aus dem heutigen Ungarn in die Reichsstadt, auf der Suche nach Aufträgen und Anerkennung.77 Ebenso profitierte Paul Fürst zunächst von der gestiegenen Anzahl der Druckaufträge. Er konnte die Situation nutzen und stach beispielsweise Konkurrenten wie Jeremias Dümler (1598–1668) aus, indem er die Mehrheit der friedensfeiernden Flugblätter herausgab. Durch den Zuzug von ehrgeizigen auswärtigen Künstlern und Verlegern verlor er in der Folge jedoch rasch quantitativ an Marktanteilen. So lief ihm Jacob von Sandrart bald im Bereich der Kupferstichporträts den Rang ab. Und auch qualitativ verlor er Anteile, da es Sandrart gelang, den Ausnahmepoeten Sigmund von Birken von ihm wegzulocken.78 Klaj hat ebenfalls zu dieser Zeit nicht exklusiv für Fürst gearbeitet, sondern auch für die Verleger Wolfgang Endter d.Ä. (1593–1659) und Dümler gedichtet. Bei Endter erschienen zwei seiner bekanntesten Werke: Geburtstag Deß Friedens und Jrene.79 Ebenso arbeiteten auch Kupferstecher wie Lukas Schnitzer parallel für mehrere Verleger. Die romantische Vorstellung, dass zu der Zeit in Nürnberg eine extrem fruchtbare Atmosphäre mit freiem Geistesaustausch und flexibler Zusammenarbeit herrschte, mag sehr reizvoll und auch berechtigt sein; allerdings nahmen die Autoren und Stecher sicher auch aus pragmatischen Gründen wie purem Geldmangel die Aufträge mehrerer Verleger gleichzeitig an.80 Freilich ging es jedoch auch andersherum: Auswärtige Kunstagenten kamen im Auftrag ihrer fürstlichen Herren in die Stadt, um Nürnberger Kupferstecher zu verpflichten. Georg Forstenheuser (1584–1659) suchte 1644 im Auftrag des Herzogs August d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel einen geeigneten Kandidaten. Seine Wahl fiel hierbei letztlich auf Johann Pfann (1601–1682), welcher an den Hof in Wolfenbüttel zog.81 Zwei Jahrzehnte später pflegt Georg Christoph Eimmart (1638–1705) über viele Jahre eine intensive Zusammenarbeit mit dem schwedischen Hofmaler David Klöcker von Ehrenstrahl.82
77 Die 2016 neu errichtete Ausstellungseinheit „Krone Macht Geschichte. Nürnberg auf einen Blick“ im Stadtmuseum im Fembo-Haus erzählt die Stadtgeschichte Nürnbergs anhand der Biographien von acht zugezogenen Protagonisten. 78 Paas, Changing Landscape (wie Anm. 44), S. 59. 79 Paas, Graphikproduktion (wie Anm. 39), S. 134. 80 Paas, Inseparable Muses (wie Anm. 66), S. 17. 81 Tacke, Der Mahler Ordnung (wie Anm. 9), S. 119. 82 Vgl. Doris Gerstl: Drucke des höfischen Barock in Schweden. Berlin 2000.
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Die Nürnberger Künstlerschaft profitiert enorm von dem Wissen und den Fähigkeiten der internationalen Kollegen. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, ihnen keine eigene Adaption und auch Weiterentwicklung zuzugestehen. Künstler wie Joachim von Sandrart siedeln sich im Nachgang der Ereignisse in Nürnberg an und treiben die Entwicklung einer modernen Auffassung von Kunst und Künstlerschaft mit der Gründung der Akademie 1662 voran.
VIII Auf dem Weg in die Moderne Was zeichnet nun also den Nürnberger Kupferstich der 1640er Jahre aus? An den hier herausgegriffenen Beispielen lässt sich exemplarisch nachvollziehen, wie eng verzahnt Kultur, Politik und Gesellschaft in den 1640er Jahren gewesen sind. Ein Paradigmenwechsel hatte sich bereits in den Jahrzehnten davor vollzogen: das Primat des Bildes, welches bis heute andauert. Texte und andere Druckerzeugnisse konnten sich ohne Bilder nicht mehr am Markt behaupten. Diese Tendenz lässt sich auch an den graphischen Beständen der städtischen Kunstsammlungen ablesen: Bei vielen Graphiken handelt es sich eigentlich nur um ‚Bruchstücke‘, da ihr Textteil abgeschnitten wurde. Auf diese Art und Weise gehen leider Bezüge und Inhalte verloren, die nicht so einfach zu rekonstruieren sind; ein Beispiel ist die oben beschriebene Suche nach Arbeiten, an denen Johann Klaj beteiligt war. Hier gilt es noch weitere Einzelforschungen im Hinblick auf das Verhältnis von Text und Schrift anzustellen. Ebenso ist auf dem Gebiet der Nürnberger Kupferstecher ‚2. Aufzugs‘ noch viel Forschungsbedarf, auch wenn dies für Johann Hauer bereits exemplarisch geschehen ist. Im Herausgreifen der Protagonisten Hauer und Fürst sowie der Gründung des Pegnesischen Blumenordens und der Friedensverhandlungen in Nürnberg schälen sich zwei Leitmotive heraus, die das graphische Gewerbe dieser Zeit besonders auszeichnen. Zum einen handelt es sich hier um das Prinzip der Kooperation. Obschon ein Kupferstich immer ein Medium gewesen ist, welches im Herstellungsprozess durch mehrere Hände ging, ist die Situation in Nürnberg doch eine besondere: Angefangen mit den vom Rugamt vorgegebenen, fast aufgezwungenen Kooperationen bis zu den in diesem Maße vielleicht einzigartigen Verbindungen von Stechern, Verlegern, Autoren mit teilweise ‚vertauschten Rollen‘. Die Gründung des Ordens verstärkte und vertiefte die vorhandenen Beziehungen zwischen Akteuren und Gattungen. Hohes Innovationspotential lag auch in den Kooperationen, die sich aus den Nürnberger Friedensverhandlungen ergaben. Eng damit verbunden ist das zweite Prinzip: Internationalität – wiederum etwas, was im Nürnberg der frühen Neuzeit und auch davor nicht etwas genuin ‚Neues‘ ist. Dennoch gewinnt auch dieses Prinzip zum Ende der 1640er Jahre mit
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den Nachverhandlungen des Dreißigjährigen Kriegs noch einmal deutlich an Auftrieb, als die Stadt für eine kurze Zeit zu einem wahren Sammelbecken von Talenten jeglicher Ausbildung und jeglichen Hintergrunds wird. Die lokalen Künstler zogen ihren Nutzen daraus; Konkurrenz belebt bekannterweise das Geschäft. Neue Techniken und Bild(er)findungen konnten sich verbreiten. Die Erkenntnisse und Errungenschaften beider Leitmotive mündeten indirekt auch mit in die Gründung der Akademie ein gutes Jahrzehnt später, wenn man so will. Beide wirkten sich mittelbar auf die Ausbildung und den Status der Künstler aus und können somit auch als eine Art Katalysator für die Entwicklung eines modernen Verständnisses von Kunst und Künstlertum angesehen werden. Mit Joachim von Sandrart war 1649 ein Künstler anlässlich des Friedensabkommens in die Stadt gekommen, der sich mit Unterbrechung 1656 hier endgültig niederließ. Er wurde der entscheidende Faktor für die Gründung der Kunstakademie. Trotz des großen, eben erst beigelegten Kriegs herrschte in Nürnberg eine pulsierende Atmosphäre gegenseitiger Anregung, fast kann man sogar von einer Aufbruchsstimmung sprechen. Die Stadt zehrte sicherlich noch von ihrer großen Vergangenheit als Buchdruck- und Verlagsmetropole, konnte aber im graphischen Gewerbe durch einen hohen Innovationsdruck und zu Kooperation bereiten Protagonisten eine Rezession verhindern. In den 1640er Jahren wurde der Grundstein gelegt für die wichtigen Entwicklungen der nachfolgenden Jahrzehnte, vor allem für die nächsten Schritte in Richtung Moderne.
Literarisches Feld
Franz M. Eybl
Poetik, Performanz und Publikation Religiöse Dichtung als ästhetische Überbietung bei Prokop von Templin, Jacob Balde und Johann Klaj
Schwerlich ein größerer konfessionskultureller Kontrast ist denkbar als in der poetischen Darstellung des Engelsgrußes an Maria (Lk 1,26-38) durch Prokop von Templin (1608–1680) und Johann Klaj. Prokop dichtet in den beiden Jahrzehnten um die Jahrhundertmitte eine Reihe von Predigtliedern, die in einem lange aufgeschobenen Publikationsprozess ab 1661 erscheinen, Klaj bearbeitet den biblischen Stoff in seinen Weyhnacht Gedichten (1648), die er dann zum Actus der Freudengedichte (1650) umarbeitet und zusammenzieht. Hier zum Vergleich zwei kleine Belege für die ästhetischen und theologischen Differenzen:1 [Prokop von Templin]
[Johann Klaj]
2.
GABRIEL.
Der Engel sprach zu ihr allein: Gegrüst seyst reines Jungfräulein/ Die du bist aller Gnaden voll/ Der HErr bey dir sich findet wol.
O holdselige Jungfer sey gegrüsset/ O begnadete Mutter sey geküsset / Du Sonnengüldne Zier/ du hochgebenedeite Magd/
1 Procopius von Templin OFMCap: Mariale Das ist: Vber hundert vnd sechtzig gelehrte/ geistreiche […] nothwendige nutzliche Predigen. Salzburg 1665, Tl. 1 Mariale Festivale, Mariae Verkündigung, „Das Erste Gesang. Der Englische Gruß. Missus est Angelus Gabriel, &c.“, S. 351; Johann Klaj: Freudengedichte Der seligmachenden Geburt Jesu Christi/ Zu Ehren gesungen. Nürnberg/ Gedruckt vnd verlegt durch Jeremiam Dümler, 1650, Erste Handlung. In: Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock), S. [333]–[375], zit. S. [343] und [345]; Martin Keller: Johann Klajs Weihnachtsdichtung. Das „Freudengedichte“ von 1650 mit einer Einführung seinen Quellen gegenübergesetzt und kommentiert. Berlin 1971 (Philologische Studien und Quellen, 53), S. 65–209 mit wertvollstem Kommentar, die in der Folge zitierten Passagen S. 80–82 und 88–89. – Die Vorfassung „III. Hochfeierliche Empfängnuß Christi“, unpag. In: Johann Klaj: Weyhnacht Gedichte. Nürnberg [1648], fol. A11v sowie fol. B1vf., zitiert nach VD17 3:313424V, ULB Sachsen-Anhalt, Digitalisat, urn:nbn:de:gbv:3:1–361447. Ausgabe: Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock), S. 233–242.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-006
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Vnter den Weibern allezeit Bist du gar hoch gebenedeyt/ Den Gruß ich dir vorsinge/ Vom Himmel ich ihn bringe.
Was allen Mägden ist versagt/ hat GOtt gethan an dir. Du/ du bist allein die Krone keuscher Jugend deß Frauenzimmers liechter Schein/ der Außzug aller Tugend. Der/ der Berge Last mit einem Dreyling fast/ der Sonn und Monden leitet/ der auf den Sternen reitet/ hat dich zur Braut erwehlet/ und sich mit dir vermehlet/ Er suchet seine Lust und will neun Monden lang bewohnen deine Brust.
Prokops Verkündigungsgedicht bietet eine dem Prätext möglichst nahe Versifikation des Ave Maria im Stil der Bibeldichtung, wogegen Klaj in seinen Weihnachtsgedichten das biblische Textsubstrat auf mehreren Stilebenen rhetorisch anreichert und dadurch die Intensität und Wirkung der Darstellung erhöht. Seine Anrede des Erzengels erzeugt mit den anaphorischen Parallelismen des „O“ und des „Du“ einen Gesprächsrahmen marianischer Prädikationen, die den Weg von der „holdseligen Jungfer“ zur „begnadeten Mutter“ vorwegnehmen, auch durch die unverzügliche Überleitung von der zweiten zur vierten Stufe der quinque lineae erotischer Dichtung, also von der allocutio „gegrüsset“ zum basium: „sey geküsset“.2 Nach dreifacher Lobpreisung mit Sonnengold, Gnade und Einzigartigkeit leitet die geminatio „Du/ du bist allein“ einen weiteren Dreischritt nun genetivisch formulierter Zuschreibungen ein, in den Metaphern der Krone, des Leuchtens und der Essenz („Außzug“). Die in kosmischen Bildern gehaltene, wiederum dreifache Periphrase Gottes führt den Bereich des Erotischen („Er suchet seine Lust“) weiter zur Ankündigung der Schwangerschaft. Insgesamt überträgt Klaj die Weihnachtsgeschichte aus dem biblischen Epos von Jacopo Sannazaro (1458–1530) De Partu Virginis von 1526, „und die inhaltlich wie formal freie Übersetzung ist ‚durchschossen‘ mit Worten aus der ‚copia‘ alles Poetischen“.3
2 Heinz Schlaffer: Musa iocosa. Gattungspoetik und Gattungsgeschichte der erotischen Dichtung in Deutschland. Stuttgart 1971 (Germanistische Abhandlungen, 37). 3 Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 29. Demnach ist die Liste der hier angezogenen und paraphrasierten Autoren umfangreich, sie umfasst Opitz, aber auch Gallutius und Hieremias Drexel u. a., und noch direkter lehnt sich Klaj dann beim Gang Mariens zu Elisabeth V. 137– 209 an, wo er ausführlich Gallutius („In visitatione Beatae Virginis“, 1616) und Jacob Baldes erste
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Poetik, Performanz und Publikation
In Fortsetzung der zitierten Stelle beginnt Klajs Erzählerbericht in paargereimten Alexandrinern mit „Die der die Zeitung kömmt/ und auch der Bott schweigt still“, bis dieser die Heilsbotschaft detaillierter ausführt und die „Mutter Braut“ zum Jawort auffordert. Maria gibt sich drein „und will was Gott gewillet [ist]“. Was folgt, ist die theologische Schlüsselstelle dieser Verkündigungsdarstellung: [Prokop von Templin]
[Johann Klaj]
6.
MARIA.
Maria sagt demütiglich:
Ich gebe mich/ spricht sie/ und will was Gott gewillet. Vernunfft erliegt der Glaube siegt/ der Glaub allein den schwancken Zweifel stillet. Ich kenne schon das blanke Feyerkleid/ das krause Haar deß Blauen Herrligkeit/ der Gottheit volle Saal ist üm und üm ümringt mit Engeln überal.
Dem Willen seyn/ ergeb ich mich; Ich bleib meines HErrn Dienerin/ Willig ich ihm gehorsam bin. Nach deinem Wort geschehe mir/ All Augenblick er find mich hier. Der Engel schied von dannen/ Die Jungfrau hat empfangen.
Klaj sieht den Glauben über die Vernunft siegen: „Vernunfft erliegt | der Glaube siegt/ der Glaub allein den schwancken Zweifel stillet“, ein in den Vorlagen so nicht nachgewiesener Vers.4 Beim sola fide bleibt Klaj jedoch nicht stehen. Wenn Maria das „blanke Feyerkleid“ wahrnimmt, „das krause Haar deß Blauen Herrligkeit“, dann ist das eine Evidenz, die nicht der Anblick des Engelserscheinung oder der Glauben, sondern allein die Poesie erzeugt. Denn die hat den Gesandten Gottes überreich ausgestattet, mit einer auf die galante Poesie vorausweisenden, aber Gallutius paraphrasierenden Kostbarkeit der Körperbeschreibung.5 Dagegen
Nachtigallparaphrase („Paraphrasis I: Anima Philomelam ad canendum invitat“) heranzieht; nebst einzelnen Versen oder Wendungen nach Opitz und Schottelius. Vgl. insges. ebd., S. 78–99. 4 Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 88, V. 119; auf die katholische Quelle von Mariens Gehorsam weist Keller allerdings hin: David Corner: Groß-catholisch Gesangbuch, 1631, ebd. S. 89 zu V. 116. – Nicht an die neuere Forschungsdiskussion anschließbar ist das Resultat einer jüngeren linguistischen Untersuchung dieser Verkündigungsrede: „Bis zu dem kommunikativen Ingrediens des Ur-Lautes vorgedrungen zu sein, dies ist das erste Verdienst des Dichters […].“ Matthias Attig: Poetik des Offenbarens. Die Rede des Gabriel in Johann Klajs „Freudengedicht“ von 1650. In: Matthias Clemens Hänselmann / Ralf Schuster (Hg.): Das Motiv der Weihnacht. Untersuchungen zur religiösen Dichtung aus dem Umfeld des Pegnesischen Blumenordens im 17. Jahrhundert. Passau 2013, S. 19–55, zit. S. 55. 5 Tarquinius Galluzzi Sabinus SJ; vgl. Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 210 f. „Genug/ der Herold fleugt in Götter hoher Grösse/ | Es lebt durch seidnen Flor die wolerziemte
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unterstreicht Prokops Gedicht einzig den Gehorsam Mariens: „Der Engel schied von dannen/ | Die Jungfrau hat empfangen.“ Kürzer und bibelnäher kann man die Verkündigung und ihre Wirkung kaum nacherzählen. Der Kontrast zwischen Nürnbergs Dichter und der kapuzinischen Liedpastoral in Behandlung der Verkündigung sticht hervor. Prokop hat sie 1665 als poetische Paraphrase im sermo humilis umgesetzt, während Klajs Darstellung mit großer Kunstfertigkeit die poetischen Register Nürnbergs am geistlichen Stoff vorführt. Die literarischen Differenzen der Stilebene, der Ekphrasis und Evidenz, der Dialogisierung und enumeratio sind Elemente divergierender Literatursysteme in historisch wie geographisch unmittelbarer Nachbarschaft. In ihrer lutheranischen Konfessionskultur folgen Nürnbergs Pegnitzschäfer poetologisch Opitz und Buchner, Prokop steht im Rahmen des katholisch-oberdeutschen Literatursystems mit seiner Stil-, aber auch Konfessionsprogrammatik.6 Noch nicht erfasst ist damit die spezifische Textualität von Klajs Poesien, die sich in ein intertextuelles Geflecht einschreiben und religiöse Stoffe eben auch ins Feld führen, um sich im certamen poeticum hervorzutun. Das wird bei einem vergleichenden Blick sichtbar, der der Antithetik von Kunstverbot und Kunstdemonstration gilt, rhetorisch gesprochen: von celare artem und aemulatio veterum. Dem Verbergen der Kunst im genus suasorium der Predigt obliegt Prokop, das genus demonstrativum ist Klajs hohe Schule. Das erweist ein Vergleich der poetischen Ausgangspositionen, der Performanzen und der Publikationen als Austragungsorte eines literarischen Wettstreits. Mit Jacob Balde wird kurz das dritte, neulateinische Element des kulturellen Wettbewerbs um 1650 erörtert.
Blösse/ | das Stirngestirnte Liecht die Wangenzier bestralt/ | den Rosengleichen Mund mit Lilien untermahlt. | das Wollenweiche Haar sich von der Scheitel strecket/ | den Alabaster Halß wie klares Fließgold lecket/ | So blinckt der Tag der Nacht/ das Liechtentlehnte Liecht/ | neigt nächtlich Wolckenab sein Sichel-Angesicht/ | beleuchtet sich im Meer/ bespiegelt sich in Wellen […]“ Klaj, Freudengedichte (wie Anm. 1), S. [342]. Vgl. Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 78–81, V. 37–45. 6 Zum „Ideal des Unprätentiösen“ in der barocken Kapuzinerlyrik Thomas Althaus: Gesang vom Zerbrechen der Leier. Liedverwerfung und Liedemphase in der Kapuzinerlyrik. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 77–103, hier S. 91. Grundlegend Dieter Breuer: Oberdeutsche Literatur 1565–1650. Deutsche Literaturgeschichte und Territorialgeschichte in frühabsolutistischer Zeit. München 1979 (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Reihe B, Beiheft 11).
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1 Prokop von Templin: Literarische Kunst im Dienst religiöser Botschaft 1.1 Prokops Poesie und ihr Programm: cantiones ex concionibus Prokop von Templins „Dichtung ist Christenlehre und Predigt mit andern Mitteln, Kapuzinerpredigt.“7 Die homiletische Gattung bedient er in den 1660er und 1670er Jahren mit etwa 2200 Predigten insgesamt, vom kleinen Oktavbändchen bis zum ausladenden Folioformat. Perikopenzyklus, Kirchenjahr und zentrale Glaubensinhalte strukturieren diese Bücher, als konfessionelles Propagandamittel ist die Gattung auf die Auslegung und Applikation der Schrift bezogen und durch mehrfache Zensur autoritativ abgesichert. Sicherlich noch in den 1640er Jahren hatte Prokop damit begonnen, „cantiones ex concionibus“ zu produzieren.8 Seine Erstlingspublikation war das Wallfahrtsbüchlein Mariae Hülff Ehren-Kräntzel (Passau: Georg Höller 1642) mit Liedern für den Mariahilfberg in Passau gewesen, wo Prokop als Kapuziner wirkte.
7 Urs Herzog: Deutsche Barocklyrik. Eine Einführung. München 1979, S. 145. Vgl. dort auch die weiterführende Interpretation von Prokops Gedicht „Gott lobende Welt-Music“, S. 135–141. – Zur Biographie bündig sowie zur Arbeitsweise Prokops aufschlussreich Dieter Bitterli: Nachwort. In: Prokop von Templin OFMCap (1608–1680): Encaeniale, Das ist: Hundert Kirch-Tag-Predigen (1671). Hg. und kommentiert von Dieter Bitterli. Amsterdam 1990 (Geistliche Literatur der Barockzeit, 13–14), Bd. II, S. 221–249. Vgl. ferner Veit Gadient: Prokop von Templin als Mensch, Prediger und Dichter. Regensburg 1912; Philip V. Brady: Prokop von Templin (1608–1680). „Redner“ und „Poet“. Zur volksbezogenen Praxis eines dichtenden Kapuziners. In: Wolfgang Brückner / Peter Blickle / Dieter Breuer (Hg.): Literatur und Volk im 17. Jahrhundert. Probleme populärer Kultur in Deutschland. Wiesbaden 1985 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 13), S. 527–541; Robert Pichl: Prokop von Templin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Bd 20. Berlin 2001, S. 741 f.; Dieter Breuer: Die Lieddichtung des Procopius von Templin. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 53– 76. 8 „decrevi pro nunc Conciones mutare in Cantiones”. Prokop von Templin: Hertzen-Frewd vnd Seelen-Trost. Das ist: Himmelische Betrachtvngen vnd solche Lobgesänger/ Dardurch die Gottliebende Seelen vnd Andächtige Hertzen erlustiget/ von der Erden zu jhren GOtt lieblich gelockt/ entzündt/ erhebt vnd erquickt: Wie auch in den allerfürtrefflichsten Glaubens-Geheimnussen erleuchtet: vnd zu den Gott angenemesten Act- oder Tugenden auffgemuntert vnd angeleitet werden. Passau 1660/1661, BSB München, Digitalisat, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10925078–7, „Censvrae. Insinuatio Authoris ad Definitionem Provincialem“, Antwort des Ordensgenerals vom 20. September 1657, gefolgt von einer Notiz Prokops mit besagter Formulierung, fol. a8v. Breuer, Lieddichtung (wie Anm. 7), S. 62, Anm. 20 verweist auf diese Bemerkung ohne Rekonstruktion der Drucklegung.
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Als der Seelsorger für die Publikation seiner Ende der 1650er Jahre beträchtlich angewachsenen Predigtmanuskripte keinen Mäzen findet,9 übernimmt Höller zwar nicht die Predigten, doch immerhin die dazu gefertigten Lieder auf eigenes Risiko in Druck. Jene konnte Prokop erst später „durch Drittmittel“ finanzieren; den vorangeschickten Blumen in Gestalt der Gesänge werde in Form von Predigtbüchern der Garten folgen, dem sie entstammen.10 Der Passauer Organist Georg Kopp komponiert die Musik, es erscheint 1660 der erste, ein Jahr später der zweite Teil von Hertzen-Frewd vnd Seelen-Trost, ebenfalls nach dem Kirchenjahr geordnet. Deutlich verweist der Titel von 1660 zurück auf den Untertitel „Himmelische Lobgesänger“ von 1642 und unterstreicht den Autor als Lieddichter, aber auch die Kontinuität seiner Liedproduktion über fast 20 Jahre. Den Garten der Predigten hat Prokop dann in den Druckorten Passau, Salzburg und München mit einem dichten Publikationsprogramm11 unter Durchmessung aller Anlässe und Themen der Kirchenjahrs-, Fest- und Gelegenheitspredigten zwischen Begräbnis, Kirchweih oder Marienbruderschaftsprozession bestellt. Bereits im Erstlingsdruck der Eucharistiepredigten von 166112 ergänzen „etliche Gesänger“ als „hierzu gehörende“ Lieder die Predigten. In den Predigtausgaben z. T. mit Melodieangaben statt Noten versehen, sind die lyrischen Erweiterungen hypertextuell auf die jeweilige Predigt bezogen und seriell in der Abfolge des Kirchenjahrs bzw. der behandelten religiösen Thematik platziert.
9 Kober hatte die lateinischen Vorreden mit ihren verstreuten Informationen studiert und die Sachlage erkannt. August H. Kober: Procopius von Templin 1609–1680. In: Euphorion 21 (1914), S. 520–546 und S. 702–736; ebd. 22 (1915), S. 25–31 (über Hertzen-Frewd vnd Seelen-Trost, Anm. 8) und S. 268–287 (Bibliographie und „Anhang: Proben aus Procops Werken“, S. 277–287). – Unzutreffend ist die Verkürzung Urs Herzogs, „Procopius von Templin soll, um Druckkosten zu sparen, seine Predigten in Gedichte umgeschrieben haben.“ Herzog, Barocklyrik (wie Anm. 7), S. 184, Anm. 39. 10 „Praelibae nunc flosculos, donec hortus ipse paulatim sequatur, qui hoc vernescente anno 1661. felicitèr è tenebris emergere incipit ad lucem.“ Prokop, Hertzen-Frewd vnd Seelen-Trost (wie Anm. 8), Bd. II, 1661, Leservorrede „Benevole Lector“, fol. a4v. 11 Vgl. die stolze Benennung des Titelblatts „Opusculum I.“ und die Auflistung geplanter Ausgaben in der Leservorrede bereits der homiletischen Erstpublikation (dazu die folgende Anm.). Werner Welzig (Hg.): Katalog gedruckter deutschsprachiger katholischer Predigtsammlungen. Wien 1984–1987 (Österr. Akademie d. Wissenschaften, Sitzungsbericht der Phil.-hist. Klasse 430/484), Bd, 1, Nr. 23/7. Zur Bibliographie Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. 2. verb. Aufl., Bd. V, Stuttgart 1991, Sp. 3239–3254. 12 Prokop von Templin: Eucharistiale, Das ist: Sechs vnd Zwainzig gelehrte Geistreiche/ doch mit grosser Klarheit wol außgeführte dieser Zeit nohtwendige nutzliche Discursen oder Predigen vom Hochwürdigsten Sacrament des Altars. Passau 1661.
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Das eingangs anzitierte Verkündigungsgedicht ist, wie bei Klaj auch, Teil einer mehrgliedrigen Reihe thematisch zusammengehöriger Lieder.13 Sie entfalten als poetisch transferierte Narrationen Aspekte der Verkündigungserzählung und ihrer theologischen Erläuterung im Modus figuralen Denkens, der Parallelisierung von alttestamentlicher Verheißung und neutestamentlicher Einlösung (vgl. Gen 3,1 / Lk 1 sowie Hl 4,11 / Lk 1,38). Dem Ave Maria folgt die zitierte Verkündigung Gabriels. „Der Engelische Gruß“ als kürzestes drittes Gedicht übersetzt das Ave Maria in Gedichtform (Str. 1), legt die Grußadresse „Ave“ aus (Str. 2–4) und schließt mit einer sententiösen peroratio über den Nutzen dieses Gebets (Str. 5). Der vierte Gesang gestaltet Marias Antwort auf Gabriel, was Prokop ins Bild harmonisch singender Nachtigallen kleidet (und in der entsprechenden Predigt14 mit Plinius und weiterer Exempeltradition ausgeführt hatte), und dieses Lied haben Brentano und Arnim gekürzt in Des Knaben Wunderhorn (1805) aufgenommen.15 Allesamt sind Prokops Lieder (bis auf die Wallfahrtslieder von 1642) Paraphrasen einer jeweiligen Predigt.16 Die Relation zwischen Performanz und Publikation besteht dennoch keineswegs in einem möglichen Aufführungszusammen
13 In Prokop, Mariale (wie Anm. 1), 1665 (1667 zum „Mariale Concionatorium Rhythmo-Melodicum“ erweitert) „Folgen Vier hieher gehörige Gesänger.“ (1665: S. 350–353; 1667: S. 366–368) den 15 einschlägigen Predigten. Das Erste Gesang. Der Englische Gruß. Missus est Angelus Gabriel, &c. Es ward gesandt Sanct Gabriel | Von GOtt der grosse Ertz-Engel Das Ander Gesang. Engelisch Gespräch mit Maria. [lat. Bibelverse Gen 3,1 und Lk 1] EJnsmals ein Jungfraw hüpsch vnd schön/ | Gieng weit vnd breit spatzieren/ Das Dritte Gesang. Der Engelische Gruß. Ave Maria, gratia plena [gesamter Text], Amen. Ave Maria voller Gnad/ | Der HErr ist mit dir in der That. Das Vierdte Gesang. Antwort Mariae auff die Engelische Bottschafft. [lat. Hl 4,11 und Lk 1,38] ZWey Nachtigal in einem Thal/ | Offtmals zusammen stimmen/ 14 Die Sibende (52.) Predig. De conformatione Voluntatis B.V.M. cum Divina. Vbereinstimmung Mariae willens mit dem Göttlichen, 1665, S. 321–326. Die conformatio voluntatis ist ein zentraler Aspekt frühneuzeitlich-tridentinischer Frömmigkeit; vgl. Hieremias Drexel: Sonnenwend das ist/ von Gleichförmigkeit deß Menschlichen Willens mit dem Willen Gottes In fünff Büecher abgetheilt. München 1627 u. ö. (Heliotropium seu Conformatio humanae voluntatis cum divina. 1627). Dazu Breuer, Oberdeutsche Literatur (wie Anm. 6), S. 130–133. 15 Vgl. den synoptischen Abdruck bei Kober, Procopius von Templin (wie Anm. 9), S. 725 f. sowie die Interpretation bei Breuer, Lieddichtung (wie Anm. 7), S. 74–76. Hier auch der Hinweis auf Goethes Urteil über „das liebenswürdigste von allen christkatholischen Gedichten“, zit. S. 74. 16 Kobers Frage nach der „Beziehung des Inhaltes der Predigten zu dem der Gedichte ist dahin zu beantworten, daß sich beide inhaltlich vollkommen decken; vollkommen, bis auf die einzelne Phrase. Ich habe den Beweis für die Marienlieder durchgeführt in den Randnoten, die für jede Strophenzeile das Urbild in den Predigten nachweisen.“ Kober, Procopius von Templin (wie Anm. 9), S. 540. „Procop schreibt Predigten in Verse um.“ Ebd., S. 715. – Vgl. auch Gadient, Prokop von Templin (wie Anm. 7), S. 58 f. und 62 f.
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hang von Predigt und Gedichten,17 im Gegenteil. Ihre Realisation ist abseits des Kanzelamtes und kirchlicher Liturgie für die memorierende, nachvollziehende oder die Predigt ersetzende Leserschaft geplant und vorbereitet. Nicht unmittelbar für die liturgische Praxis gedacht, bieten sie leicht fasslich pastorale Inhalte zusammen mit geistlicher „Erlustigung“, ganz der Poetik der verzuckerten oder vergoldeten Pille verpflichtet.18 Es ist der „einsame Leser“, dem Prokop zuarbeitet, dem Wallfahrer, dem Beter, dem einzelnen Sänger. Der Poesie kommt dabei die Funktion der Zierde zu. So hab ich den auch so wol das Buch als die Materien vnnd Predigen zieren wöllen mit dem Rhithmo-Melodico, das ist/ mit vielen Geistlichen wol Theologizirten Reim-Gedichten oder Gesängen/ damit auch was lustiges darbey: Seynd nun bey dieser Edition mit ihren eignen lieblichen Arien oder Melodeyen versehen/ die zu Ende deß Buchs ordentlich zu finden/ jedermann frey heimbgestellet/ sich derselben nach Gelegenheit zu bedienen.19
In Prokops Wortspiel des „Theologizirens“20 sind Religion und Zierde als rhetorische Angemessenheit fachgerechter Poesie aneinander gekoppelt. Der poetische Effekt ist ihm unerheblich, der narrative und performative des Nachlesens, Nachsinnens, Nachsingens zentral. Das Programm der oberdeutschen Literatur steckt den stilistischen Rahmen einer volkssprachlichen Literatur „für alle“, die kapuzinische Ausprägung setzt der literarischen Gestaltung nochmals engere Grenzen.
1.2 Prokops Verfahren: „Die Mucken und die Fliegen“ Diese Zier entwickeln seine geistlichen Gedichte auch durch Prokops Verarbeitung der literarischen Tradition, wie nun im Lied von den Mücken und Fliegen zu 17 Zur Gattungsfrage von Prokops Gesängen vgl. Breuer, Lieddichtung (wie Anm. 7), S. 65 f. – Gadient, Prokop von Templin entfaltet S. 49–57 das Gattungskonzept des Perikopenlieds. 18 Verzierung benötigt der Satiriker wie der Prediger „der Zärtling halber, die keine heilsamen Pillulen können verschlucken, sie seien denn zuvor überzuckert und vergüldt“ (Grimmelshausen, Simplicissimus, Vorrede zu Buch VI). Jörg Krämer: Pflaume und Kerne, Schleckwerck und Pillen? Funktionen unterhaltenden Erzählens bei Harsdörffer, Grimmelshausen und Beer. In: Franz M. Eybl / Irmgard M. Wirtz (Hg.): Delectatio. Unterhaltung und Vergnügen zwischen Grimmelshausen und Schnabel. Bern u. a. 2009 (Simpliciana, Beiheft 4), S. 65–83, zit. S. 65. 19 Prokop von Templin: „Praefatio ad benevolum Lectorem“. In: Prokop, Mariale Concionatorium (wie Anm. 13). In dieser Ausgabe fehlen freilich Noten; zerschlug sich deren Beigabe im Publikationsvorgang? 20 Die vermeintliche Fehlschreibung ist eine produktive poetologische Akzentuierung. Im 18. Jahrhundert ist der Ausdruck „Theologisieren“ pejorativ konnotiert; vgl. das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm zum „Theologisieren“ als angemaßter Rollenrede: „den gottesgelehrten machen oder spielen“ mit Belegen von Campe und Auerbach. DWB Bd. 21, Sp. 366.
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untersuchen, die im Taumel ihrer Sinne in der Kerzenflamme verbrennen. Es thematisiert die Unbesonnenheit falscher Partnerwahl bei der Eheschließung und propagiert „Behutsamkeit im Heyraten“. In jeweils passenden Kontexten (Ehestandspredigten, Jugendseelsorge) erschien das Gedicht in vier, freilich nur geringfügig divergierenden, Fassungen;21 hier die früheste: 1. DIe Mucken vnd Fliehen Dem Licht gern zu ziehen/ Gar in die brennend Flammen Stossens die Köpff zusammen. Wird eine erwischet Die bratet vnd zischet Den Fürwitz sie büssen An Flügeln vnd Füssen; Hab dir hin den Gewin[n]/ Den dir hast gesuchet. 2. Die ander das sihet/ Gleichwol sie auch fliehet Begirig hin ins Fewer/ Ob ihr das schon wird tewer; Ihr selbst sie auffsinget/ Wan[n] sie sich vmbbringet/ Den Leib sampt dem Leben Muß dort sie auffgeben; Phoenixlein/ brat da fein/ Was bist so verruchet?
3. Der heilige Ehstand Wird manchen zum Wehstand/ Ihr Elend müssens sehen/ Doch ist es schon geschehen; Zurück sie gern wollten/ Zuvor sie fein sollten Sich besser bedencken/ Vernünfftig sich lencken/ Aberwitz/ sitz vnd schwitz/ Hast dein Fegfewr funden. 4. Den Ehstand zwar lob ich; Du aber dir abbrich/ Zäm deine böß Begiren/ Die dich in Vnglück führen; Nicht blind darein platze Lern kennen den Schatze/ Traw nicht jeden Knaben/ Den nimmst/ must du haben/ Hilfft nicht mehr Rew vnd Zähr/ Bist zu starck gebunden.
21 Prokop von Templin: „Die Mucken und die Fliegen“. In: Hertzen-Frewd vnd Seelen-Trost (wie Anm. 8), Bd. II, 1661, Nr. 42 „Das zwey vnd vierzigste Gesang. Behutsamkeit im Heyraten“ S. 128; Noten S. 129–130, Text 6 Str. S. 131–134. Abgedruckt ist das Gedicht in Kobers Anhang „Proben aus Procops Werken“, Kober, Procopius von Templin (wie Anm. 9), S. 277–287. - Die Fassung im „Catechismale, Das ist: Dreyhundert Halbstündige Sermones, Oder Kinder-Lehr-Predigen […] für die minderjährige Jugend gerichtet“. 5 Bde. Salzburg 1674–1675, Bd 1: Winterteil, 1674, S. 384– 386 hat wie Hertzen-Frewd II als erstrebenswerte Ehepartner in Str. 6 „Nicht Schwermer vnd Sauffer/ | Noch Spiler vnd Rauffer.“ S. 386, dagegen das Conjugale Das ist: Dreyssig gelehrte […] Discursen oder Predigen Vom Bräut- Ehe- vnd Wittib-Stand. Passau 1663, S. 574–577 abweichend „Nicht Schwärmet vnd Sauffet/ | Noch Spilet vnd Rauffet.“ (S. 577). Zwar bleibt der Imperativ stimmig, die substantivierende Großschreibung jedoch steht ihm entgegen. In der Ausgabe Lignum Vitae, […] zwölff Opuscula P. F. Procopii Capuccini, München 1665 heißt es in weiterer Varianz: „Nicht schwärmet vnd sauffet/ | Noch Spihlet vnd rauffet.“ (S. 471). – Ganz kurz geht Brady, Prokop von Templin (wie Anm. 7) S. 538 f. auf das Gedicht und seinen Kontext ein.
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5. Sey nicht gar zu hitzig; Verständig vnd witzig Werd du mit andrer Schaden/ Sie sihst in Disteln waden; Laß fahren die Reichen/ Nim[m] dir deines gleichen/ Wer still ist vnd fleissig/ Den heyrat/ das heiß ich/ Müssigstehr/ Schlentzengehr Kaufft nicht der sie kennet.
6. Willst Glücksehlig leben? Nach Tugend thu streben/ Ob schon sie nicht ist Herrlich/ Wan[n]s nur ist From[m] vnd Ehrlich/ Nicht Schwermer vnd Sauffer/ Noch Spiler vnd Rauffer. Den Mägdeln vnd Jungen Das Lied sey gesungen. Hüttet euch/ Fewer scheuht/ Daß ihr euch nicht brennet.
Eine Alltagsbeobachtung als Start der Allegorese ist Grundlage emblematischen Denkens und reicht mit der Gattung der „zufälligen Andachten“ bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. Vier Reimpaare enthalten drei beschreibende und einen moralisierenden Satz, der in religiöser Sprache den „Fürwitz“ ins Spiel bringt, den die Tiere „büssen“. Das abwechslungsreiche Metrum entspricht insgesamt Prokops Praxis, der Wechsel im Refrain pointiert die Aussage und unterstreicht den Wechsel der Sprechsituation, werden doch nun, hier ein wenig hämisch, die getäuschten Insekten angesprochen. Auch Strophe zwei unterlegt bereits die ekphrasis mit Moral („ob ihr das schon wird tewer“), sie beschreibt die Beispielwirkung und umspielt ironisch das Geräusch des Verglühens: „Ihr selbst sie auffsinget“. Kein „Phönixlein“ wird wiederauferstehen, sondern Unvernunft verbrennt. Der Refrain wiederholt die kommentierende Sprechsituation und reimt auf die letzte Strophenzeile. Strophen drei und vier gelten der Ehe, indem sie die törichten Insekten als Beschreibung des Ehestandes erneut durchlaufen und somit allegorisieren. Die pastorale Kommentierung verstärkt sich („Zuvor sie fein sollten | Sich besser bedencken/ | Vernünfftig sich lencken/“), auch indem der Refrain den viehischen „Aberwitz“ deutlich benennt und den schlechten Ehestand weiter als „Fegfewr“ allegorisiert. Mit gleicher Lautung, aber anderem Konsonantenstand variieren die Schlussverse dieser Strophen den Reim der ersten beiden. Zugleich bildet die Mittelachse des Gedichts das Scharnier der Redesituation, die von der Beschreibung und Anrede des Bildbereichs einer Naturbeobachtung zur Anrede der implizierten Leserinnen und Leser gelangt und auch das Ich zuerst lobend, dann aber in einer Reihe von Imperativen in beiden Strophen 4 und 5 anweisend einführt, am energischsten in Str. 5 „das heiß ich“. Der ekphrasis folgt die subscriptio, und beides unter dem Motto „Behutsamkeit im Heyraten“ ergibt eine klare emblematische Disposition. Positive geistliche Anleitung zur Selbstregulierung („abbrich“, „zäm“, „lern kennen“) wechselt in Str. 4 mit Warnung zur Vorsicht („nicht blind darein platze“, „Traw nicht jeden Knaben“, hier deutlich auf
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das weibliche Rollenbild ausgerichtet), ebenso steht in Str. 5 Ansporn richtiger Partnerwahl („Verständig vnd witzig | Werd du“, „nimm dir“, „den heirat“) neben Tadel affektiver Impulse („Sey nicht gar zu hitzig“, „Laß fahren“). Argumente bringt die Charakterisierung, dass „böß Begieren … in Vnglück führen“, und die Unauflöslichkeit der Ehe: „den [du] nimmst/ must du haben“, verstärkt vom Refrain, dass Reue und Tränen dann vergeblich seien. Sprichwörter und Sentenzen bestimmen die Argumente der Str. 5, man solle wenigstens aus dem Schaden anderer, die „in Disteln waden“, klug werden („verständig vnd witzig“), nicht sozial über seinem Stand heiraten, weil sich gleich und gleich gerne gesellt („nimm dir deines gleichen“), und auch, wiederum durch die Referenz des Artikels „Den heyrat“ auf heiratswillige junge Frauen gezielt, den stillen und fleißigen Ehepartner wählen, denn „Müssigstehr/ Schlentzengehr | Kaufft nicht der sie kennet“ – „wer dich kennt, der kauft dich nicht“.22 Das abschließende Reimwort weist auf die Schlusszeile des Liedes voraus und appelliert an den Verstand, die Sachlage rechtzeitig zu erkennen. Dieter Breuer hat beobachtet, dass Prokop seine „Argumente gleichsam im lebhaften Dialog mit einem imaginären Kritiker vorbringt und diese Lebhaftigkeit und Unmittelbarkeit durch den Strophenbau mit wechselnder Versart noch verstärkt.“23 In der Schlussstrophe unterstreicht die rhetorische Frage den dialogischen Charakter, wiederum in der Abfolge von Handlungsimpulsen („thu streben“) und Warnung („Hüttet euch/ Fewer scheuht“). Eine concessio stuft Frömmigkeit und Ehrlichkeit gegenüber vermeintlicher Herrlichkeit des Partners / der Partnerin erneut hinauf und fasst als peroratio die Intention und intendierte Zielgruppe („Den Mägdeln vnd Jungen | Das Lied sey gesungen“) zusammen, in nochmaligem Aufruf der Allegorie vom Kerzenflug. Was sich hier als kompakte seelsorgliche Intervention in die Erfahrungs- und Wahrnehmungswelt einfacher Leute und ihrer Lebensregeln ausnimmt, ist indessen über die emblematische Aussagestruktur hinaus Verarbeitung literarischer Tradition und auch intratextuelle Weiterverwendung, denn die „geistliche Lyrik, nicht nur die des Barockzeitalters, lebt von Allegorese und Kontrafaktur.“24 „Fugienda petimus“: mit diesem emblematischen Motto ziert Prokop 1674 in einer Predigt über das Thema „Die Weißheit beklaget sich über der Jugend Liederlich-
22 Karl Friedrich Wilhelm Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexicon. Bd. 2 (1870), Lemma „Kennen“, „37. Wer dich kennet, der kaufft dich nit“, http://www.woerterbuchnetz.de/Wander?lemma=kennen [Abruf 9.9.2017]. 23 Breuer, Lieddichtung (wie Anm. 7), S. 62. – Bereits Kober hebt Prokos „Spiel definierender Fragen und Antworten“, hervor, die „die Illusion eines Gespräches“ erzeugen. Kober, Procopius von Templin (wie Anm. 9), S. 702–736, zit. S. 704. 24 Breuer, ebd., S. 66.
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keit“25 eine weitere Ausführung dieses Deutbildes. Das Seneca-Zitat (Phaedra V. 697) ist als Motto des in der Kerzenflamme verbrennenden Schmetterlings weit verbreitet, während Picinellis Kupfer von 1687 die Phönix-Deutung als Motto trägt: „Vt potiar, patio“ (Abb. 1).
Abb. 1: Picinelli, Mundus Symbolicus (1687), „Papilio“
Picinelli, dessen Mondo Simbolico (Mailand 1653) Prokop herangezogen hat,26 führt aber unter den möglichen Auslegungen des Bildmotivs auch das Motto „FUGIENDA PETO“ auf, mit der Marginalie „Faber sui mali“ und der Prokops Argumentation vorwegnehmenden Applikation auf die sorglose Jugend: „Certè Juventus, ubi libertatem consequitur, papilioni simillima, nonnisi damnis suis inhiat.“27 Das
25 Prokop: Catechismale (Anm. 21), Bd. 2: Frühlingsteil, Salzburg 1674, dritte Predigt am Sonntag Quinquagesimae, S. 102 f. 26 Bitterli, Nachwort (wie Anm. 7), S. 236. Vgl. Gadient, Prokop von Templin (wie Anm. 7) zum „emblematische[n] Typus“ seiner Predigten, S. 59. 27 Philippo Picinelli: Mundus Symbolicus In Emblematum Universitate Formatus, Explicatus, ins Lat. übers. v. Augustin Erath, Köln 1687, Bd. I, lib. IV „Insecta“, cap. 17 Papilio, S. 531–534, zit. Nr. 255, S. 532b mit dem Quellenverweis auf Camerarius. – Das Motto des Emblems bezieht sich auf die Wiederauferstehung des Phönix bzw. des Schmetterlings aus seiner Puppe, Prokop greift mit dem „Phoenixlein“ der zweiten Strophe auch darauf zurück.
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Emblem wirkt über die breite barocke Überlieferung (Johann Arndt) hinaus bis zu Goethes „Selige Sehnsucht“.28 Prokops Textwelt beschränkt sich nicht auf die Hilfs- und Handbücher des Predigtbetriebs.29 Seine Bezüge auf Grimmelshausens Simplicissimus-Roman und Courage sind aufgearbeitet, seine mehrfachen Einarbeitungen etwa der italienischen Emblematapredigten Paolo Aresis dokumentiert.30 Die Autorität der Handbücher setzt er in eine Alltagswelt um, die den Leser anspricht und führt, indem Gespräch und Nähe inszeniert wird. Wirkung erzeugt Prokop mit dem Abrufen eines Lektüreakts, der nicht im Diskurs schul- und normgerechter Poesie entwickelt und geübt wurde, sondern auf dem aszetischen Lesen beruht, der Errichtung eines Gegenübers.31 Die dialogische Leseraktivierung unterstützt genau diesen meditativen Vorgang. Der Patient darf nur den Zucker wahrnehmen, nicht aber die Bitterkeit der Medizin. Pastorale Wirkung erfordert das Verbergen der Kunst, celare artem. Erst in der historisch nächsten Generation katholischer Pastoralliteratur wird, zumal mit Abraham a S. Clara, das delectare gefährlich übers docere wuchern. Doch ist diese homiletische Gestaltung verborgener Intertextualität32 nur ein Subsystem
28 Vgl. Johann Arndt: Vier Bücher vom Wahren Christenthum, Schiffbeck bey Hamburg 1733, BSB München, http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10269890_0010 0.html [Abruf 9.9.2017]. Zur breiten Tradition dieses Emblems Arthur Henkel / Albrecht Schöne (Hg.): Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Taschenausgabe. Stuttgart, Weimar 1996, Sp. 910 f. 29 „Die Predigtliteratur des Barock steht im tiefen Schatten seiner enzyklopädischen Bibliotheken.“ Urs Herzog: Geistliche Wohlredenheit. Die katholische Barockpredigt. München 1991, S. 215. 30 Paolo Aresi: Imprese sacre. 9 Bde (davon 2 Teilbde). Verona u. a. 1613–1640, “eine monumentale Sammlung emblematischer Predigten in italienischer Sprache mit insgesamt 201, in Kupfer gestochenen Sinnbildern von unbekannter Hand. In nicht weniger als 98 [von 100] Predigten des Encaeniale greift Prokop auf Aresi zurück […].“ Bitterli, Nachwort (wie Anm. 7), S. 231; vgl. auch den Einzelkommentar zu jeder Predigt in Prokop, Encaeniale (wie Anm. 7). 31 Thomas Macho: Mit sich allein. Einsamkeit als Kulturtechnik. In: Aleida u. Jan Assmann (Hg.): Einsamkeit. Archäologie der literarischen Kommunikation VI. München 2000, S. 27–44, vgl. hier S. 28: „Worin bestehen die Techniken der Einsamkeit? Sie lassen sich ganz allgemein als „Verdoppelungstechniken“, als Strategien der Selbstwahrnehmung charakterisieren“ (S. 28) und erheischen eine „Ordnung und Disziplinierung des Selbstgesprächs, der inneren Dialoge“ (S. 29). 32 Die spannungsreiche Dialektik zwischen versteckten Bezügen und ausgestellten Autoritäten, die in Text, Marginalnoten oder eigenen Autoritätenregistern publizierte Predigten der Barockzeit aller christlichen Konfessionen mit Glaubwürdigkeit versehen sollen, wäre erst genauer zu modellieren. – Vgl. Franz M. Eybl: Wissenslücken um Abraham a Sancta Clara. Zur Problematik populärer Autorschaft. In: Anton Philipp Knittel (Hg.): Unterhaltender Prediger und gelehrter Stofflieferant. Abraham a Sancta Clara (1644–1709). Beiträge eines Symposions anlässlich seines 300. Todestages. Eggingen 2012, S. 104–121.
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der oberdeutschen Literatur und daher nicht repräsentativ für deren Umgang mit der Welt der Texte. Ein Blick auf Jacob Balde (1603–1668) rückt demgegenüber ein poetisches Verfahren ins Licht, an dessen Vorbildlichkeit und Ruhm sich Klaj abgearbeitet hat.
2 Jacob Baldes Certamen poeticum Jacob Baldes Poetik beruht auf dem Prinzip der novitas als dem „Kernstück seiner Poesieauffassung“,33 die in Bezug auf die Tradition und Zeitgenossenschaft agonal als aemulatio und certamen poeticum in Erscheinung tritt. Bereits seine früheste poetologische Äußerung34 unterstreicht diese Ausrichtung und belegt auch deren Wurzel im Studienbetrieb der jesuitischen Rhetorikausbildung,35 denn Baldes kurze Auflistung in der Überarbeitung des Poema de vanitate mundi von 1638 befasst sich vor allem mit der Frage, wie die Adepten beim Studium der großen Vorbilder die philologische Silbenklauberei überwinden, deren Fülle für das eigene Schreiben nutzbar machen und vor allem die eigene Bilderfindung zu sinnlicher Eindrücklichkeit gebrauchen lernen können. Wie der hochfliegende Adler habe man nicht nur die Sonne im Auge zu behalten, also die antiken Muster, son-
33 Dazu zentral Breuer, Oberdeutsche Literatur (wie Anm. 6), S. 252–259, zit. S. 255. „Das Argument „Novitas“ steht im Mittelpunkt von Baldes poetologischer Selbstrechtfertigung.“ S. 252. 34 „[D]ie vor der Diss. [Dissertatio de Studio Poetico, 1658] systematischste Dichtungsdiskussion findet sich in Van. [De Vanitate Mundi, 1638] 11–13“. Thorsten Burkard: Jacob Balde: Dissertatio de Studio Poetico (1658). Einleitung, Edition, Übersetzung, Kommentar. München 2004 (Münchner Balde-Studien, 3), S. III. – Vor allem unter Gattungsperspektive (Satire, Drama) liest Thorsten Burkard: Die Vorreden zu Baldes Werken. In: Thorsten Burkard u. a. (Hg.): Jacob Balde im kulturellen Kontext seiner Epoche. Zur 400. Wiederkehr seines Geburtstages. Regensburg 2006 (Jesuitica, 9), S. 166–182, weshalb auch hier die Punktation von 1638 nur erwähnt wird (S. 167, Anm. 10). 35 „Die Form der endgültigen Fassung ist die eines Wettkampfes.“ Rudolf Berger: Jacob Balde. Die deutschen Dichtungen. Bonn 1972, S. 19. – Zum Dichterwettstreit im jesuitischen Gymnasium mittels Nachahmung vorgegebener Personalstile vgl. Veronika Lukas: Balde als Leser. Statius, Lucan und Vergil in der Pudicitia vindicata. In: Burkard u. a., Balde im kulturellen Kontext (wie Anm. 34), S. 13–26, hier S. 13–14; zu Baldes bemerkenswertem Umgang mit dem Stil der Vorbilder S. 25 f. – „Die Unterrichtspraxis in Poetik und Rhetorik hat durch das Verfahren des Certamen einen permanenten Konkurrenzdruck im Bereich der Inventio ausgelöst und die Tendenz zur assoziativen Verknüpfung der in gewaltigen Bild-Repertorien inventarisierten und verfügbaren Bestände gefördert.“ Günter Hess: Fracta Cithara oder Die zerbrochene Laute. Zur Allegorisierung der Bekehrungsgeschichte Jacob Baldes im 18. Jahrhundert. In: ders.: Der Tod des Seneca. Studien zur Kunst der Imagination in Texten und Bildern des 17. und 18. Jahrhunderts. Regensburg 2009 (Jesuitica, 10), S. 247–277, hier S. 256.
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dern auch auf die Erde zu blicken, um das Passende im Bereich der Sinnesdaten nicht zu übersehen („Instructiones“, Punkt VIII). Baldes hier anskizzierte Poetik thematisiert den freien Umgang mit den Mustern und Vorbildern und weist auf novitas als entscheidende Kategorie bereits hin, spannt aber die gesamte kurze Punktation gleich durch den Beginn der Leservorrede, deren Schluss sie bildet, in einen ungemein kompetitiven Rahmen, erschien der Text über die Eitelkeit der Welt doch erstmals „in Gestalt eines Wettbewerbs“ mit Kriegsgetöse (Titel). Es gehe dabei weniger um die Erkenntnis der allgemeinen vanitas (denn das wäre selbst eitel), sondern um deren sinnliche Darstellung: „Vanitatem ridendam risu, flendam lachrymis, superbam sarcasmis, miseram commiseratione prosecutus.“36 Mit dieser erweiterten Ausgabe hat Balde die Erstfassung „zu einem Feuerwerk der Verskunst und einem schillernden Welttheater aus[ge]baut“.37 Die einzelnen Gedichttypen und Metren der jeweiligen lateinischen Paraphrasen des deutschen Gedichts erscheinen als Truppengattungen, die Elegien als „pharetratae Amazones“, die Elfsilbler „nihil faemineum ostendant, sed strenuè pugnant“, die Figur des Scazon als „Mancipium crudum & bellicosum“.38 Mit solchen Kampfgenossen skizziert Balde sodann die abschließende Reflexion zur Nachahmung und Überbietung der Alten innerhalb der Vorrede. Erst in den Ausgaben Lukas Straubs von 1649 sowie der Poemata von 1660 ist die Instruktion vom Rest der Leservorrede durch die neu eingefügte, bezeichnende Zwischenüberschrift „Instructiones pro agonalibus Heliconiis“39 abgesetzt und dadurch als kämpferische Kurzpoetik hervorgehoben.
36 Poema de Vanitate Mundi, siue Saeculare Carmen, aliquoties antè quidem vulgatum; sed nunc primùm in modum Certaminis, clamore Martio, fragore turbarum, & quibusdam velut stimulis agitatum tibi sisto. 1638, fol. A6r. Vgl. zur inszenierten Zusammenarbeit des Autors mit seinen poetischen Kampfgenossen Berger, Balde (wie Anm. 35), S. 19–21. 37 Günter Hess: Die Gräber der Philosophen. Jacob Baldes manieristische Bilderfindungen und die Kupferstiche zum Poema de vanitate mundi (1638). In: Burkard u. a., Balde im kulturellen Kontext (wie Anm. 34), S. 247–286; Nachdr. in: Hess, Tod des Seneca (wie Anm. 35), S. 208–246, hier S. 214. – Zum Einfluss dieser Bilderfindungen auf die Nürnberger vgl. Wilhelm Kühlmann: Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer. Zur Interferenz und Rivalität jesuitischer und deutschpatriotischer Literaturkonzeptionen. In: ebd., S. 93–113, hier S. 98. 38 Fol. A9rf. – Zu deren Darstellung bereits auf dem Titelkupfer Hess, Gräber der Philosophen (wie Anm. 37), S. 216 f.; Abb. 37. In seiner faszinierenden Lektüre analysiert und interpretiert Hess die rätselhaften manieristischen Illustrationen Baldes, geht aber auf sein poetologisches Kurzprogramm nicht ein. 39 Zur Ausgabe 1649 (C) Rudolf Berger: Anhang. In: Jacob Balde: Deutsche Dichtungen. „Ode nova dicta Hecatombe de vanitate mvndi“ 1637[,] „Ehrenpreiß 1640. Nachdruck. Hg. von Rudolf Berger. Amsterdam, Maarssen 1983 (Geistliche Literatur der Barockzeit, 3), S. 6; Jacob Balde: Poematum tom. IV. complectens Miscellanea. Köln: Busaeus 1660, S. 11. – Die zwölf poetologischen Punkte bemerkt, aber übergeht kaum kommentiert Berger, Balde (wie Anm. 35), S. 21. Breuer wer
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Baldes bereits 1638 deutliche (und 1649 und 1660 explizite) Überbietungsästhetik nimmt 1648 die Olympia Sacra mit der Intention auf, gegen Balde selbst mit lateinischen Dichtungen in Wettstreit zu treten.40 Der jesuitische Herausgeber Simon Mair (1611–1681) inszeniert den Dichtungswettstreit um die deutsche „Ehrenpreis“-Ode als olympisches Ereignis „apollinarischer“ Spiele in einem marianischen Stadion, wobei aus den antiken olympischen fünf Disziplinen der Wettlauf als „huic Nationi conuenientissim[us]“ gewählt wurde (Vorrede), also keine persönliche Kampf-, sondern die klassische Überbietungsmetapher herrschen solle.41 In welcher Weise poetische aemulatio auch religiös grundiert sein soll und kann, postuliert das (in der Ausgabe 1660 fehlende) Kupfer W. Kilians.42 Es kann durch seine Lektüreanweisung als Titelkupfer verstanden werden (Abb. 2), das nach dem geläufigen Muster der Bilderklärung in Mairs Vorrede entschlüsselt wird. Das Bild ruft in der Relation von Motto, pictura und subscriptio emblematische Relationen auf, ist aber komplexer codiert. Die neue Blume oben auf dem Parnass („Flos nouus in gemino Parnaßi vertice visus“) ist der Ehrenpreis (botanisch Veronica), um dessen Erringen der Kampf geht („Parthenios trahit ad certamen nobile Vates. | Currite. qui primus Florem decerpserit; illi | Imponet meritum Virgo pulcherrima sertum.“). Fünf Bildelemente nehmen Ecken und Zentrum der Darstellung ein. Am Ausgangspunkt des allegorischen Wegs steht rechts unten ein mit Flammenaura als Gott Apoll markierter Sänger mit Lyra, Bogen und Köcher, der als Herrscher der Musen und daher „Vates“ mit einem Pfeil ins gegenüberliegende Eck auf das Ziel, die Pflanze zeigt. Der Weg zum Berg ist gespickt mit Krähenfüßen und erfordert die Überwindung einer dichten Barrikade aus Dornen und Lanzen, deren inscriptio „Spinis vallatur et hastis“ als Rosenattribut wiederum eine marianische Bedeutung mit der Kriegsmetaphorik verbindet. Das zentral aufspringende geflügelte Einhorn kombiniert die Qualität eines Pegasus mit jener der marianischen Symbolik, blickt es doch hinauf auf die rechts oben stehende
tet die „Instructiones“ nach der Ausgabe 1649 (C) als Vorredenpoetik aus (Breuer, Oberdeutsche Literatur [wie Anm. 6], S. 249f.) und entwickelt Baldes novitas-Konzept aus der „Dissertatio de Studio Poetico“ von 1658. 40 „Das Vorbild für eine solche Bearbeitung lieferte das `Certamen poeticum´ von vier Jesuiten über Pater Francks „Der grimme Todt mit seinem Pfeil … [sic]“, erschienen 1635 in Köln und allgemein bewundert.“ Berger, Balde (wie Anm. 35), S. 29. 41 Olympia Sacra In Stadio Mariano Ludis Apollinaribus Celebrata. Sive Certamen Poeticum De Laudibus B. Mariae Virginis Super Ode Parthenia Germanica Vulgò Ehrenpreiß dicta. München: Straub 1648. – Die Verfasserfrage nach dem Anteil Baldes an der Publikation Mairs bleibt problematisch, obwohl das Werk in die Ausgabe der Poemata IV (wie Anm. 39), S. S. 366–422 (ohne das Kupfer) aufgenommen wurde. 42 Zu Baldes arguten Bildinventionen Hess, Gräber der Philosophen (wie Anm. 37). Das Kupfer der „Olympia Sacra“ kurz beschrieben bei Berger, Anhang (wie Anm. 39), S. 18.
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Muse („Virgo pulcherrima“) mit dem siegkrönenden Lorbeerkranz, deren Aura sie als Marienimago kennzeichnet. Die antiken Dichtungsattribute der Darstellung sind sämtlich argut mit der marianischen Symbolwelt belegt und überboten. Umgekehrt baut Baldes poesis sacra seine Aussage mittels der christlich (oder noch enger: marianisch) gesteigerten imitatio veterum.43
Abb. 2: Mair, Olympia Sacra (1638), Kupfer
43 Zu diesem Themenkomplex Andreas Heider (Hg.): Spolia Vetustatis. Die Verwandlung der heidnisch-antiken Tradition in Jakob Baldes marianischen Wallfahrten: Parthenia, Silvae II Nr. 3 (1643). München 1999 (Münchner Balde Studien, 1), vgl. hier S. 14, Anm. 24 mit Hinweis auf die Vorrede Mairs zur „Olympia Sacra“.
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Die so scharfsinnig ins Bild gesetzte aemulatio ist Programm und Grundlage auch des Certamen poeticum, wie die Vorrede von Simon Mair erläutert. Baldes Ehrenpreis habe Nachahmer angelockt, und nun sei nach dem Muster des Autors selbst, der seine Werke (De vanitate mundi, Agathyrsus) eigener aemulatio ausgesetzt und in mehreren Gattungen variiert hat, ein Wettstreit veranstaltet worden: Proritari coeperant iam tum aliqui successu suauissimae Cantilenae, vt Romanâ paraphrasi eam exornare, quisque pro virili suâ, in animum inducerent; aemulaturi exemplum ipsius Auctoris, qui in proprijs libellis, de Vanitate Mundi, itémque in Agathyrso suo, siue Solatio macilentorum, similem lusum multiplici varietate carminum ludens, sibi ipsi bellum indixerat. (Bl. A3r)
Anstoß war der Beschluss der Marienverehrung: „Agite, Mariam Deiparam, celebremus. Sic sanè. Dictum, decretúmque fuit.“ (Bl. A3v) Sodann sei nicht der Fehdehandschuh versandt worden („non quidem chirotecae“), sondern Briefe als Wettkampfeinladung, der viele gefolgt seien, und der Medienwechsel der Herausforderung zum Duell kontextualisiert dieses gerade abseits der Kampfpraktiken der feudalen Gesellschaft im Wettbewerb der respublica literaria. Dass dieser fortdauernde Wettstreit Einladung auch an die Leser ist, wird in einer Reihe von Hortativen deutlich, die als Übertragung der Aufforderung des Kupfers „Currite“ abschließend einladen: „Accepimus oraculum; absoluimus encomium; confecimus cursum: decerpsimus florem.“ (Bl. A5r) „Aemulaturi exemplum ipsius Auctoris“: Das Werk trägt Baldes Namen nicht, gehört jedoch publikationstechnisch in die Nähe von Baldes Odae Partheniae (München 1648) und wird darüber hinaus mit den Odae durch die zweite Vorrede Mairs direkt verklammert, gilt diese doch dem Thema „De Titulo Odae Partheniae“ und der etymologischen wie auch botanisch-pharmazeutischen Bedeutung des Pflanzennamens Ehrenpreis. Das stellt einen direkten Verknüpfungs- und Überbietungszusammenhang her, weil das Certamen über jede Strophe des Ehrenpreis seine lateinischen Variationen entfaltet. Der unverrückbare religiöse Rahmen der Olympia Sacra bleibt die intensive Marienverehrung jesuitischer Prägung. Noch Megalissus’ / Georg Litzels Undeutscher Catholik (1731) zitiert aus dieser Vorrede, um die jesuitische Beschränktheit kollektiver Autorschaft und solchen literarischen Wettstreits zu verurteilen.44 Die jesuitische Wettbewerbsästhetik antwortet hier sehr zeitnah auf die Problemlage der Nürnberger Literaten und Klajs, die ihrerseits die ästhetische Leis44 Georg Litzel: Der Undeutsche Catholik Oder Historischer Bericht Von der allzu grossen Nachläßigkeit der Römisch-Catholischen, insonderheit unter der Clerisey der Jesuiten, Jn Verbesserung der deutschen Sprache und Poesie. Jena 1731, S. 41–43; er zitiert nach der Ausg. Poemata IV (wie Anm. 39), S. 368 und 370.
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tungsfähigkeit der deutschen Dichtersprache gegen die Klassiker und Neulateiner in Stellung brachten. Im Gegensatz zu Prokop geht es um die Demonstration der Kunstfertigkeit. Balde wie Klaj schreiben „Poesis effectrix“.45 Die religiöse Thematik ist artistisches Feld in Unterricht und Darbietung, ist Ästhetik demonstrativer aemulatio.46 Für Klaj kommt die persönliche Behauptungsnotwendigkeit im literarischen Umfeld Nürnbergs wettbewerbsverschärfend dazu. Dass und wie Klaj die Neulateiner und namentlich Balde zu überflügeln sucht, haben Wilhelm Kühlmanns und Conrad Wiedemanns Forschungen im Textvergleich überzeugend dargelegt: „Ich kann ohne Balden schreiben | Verse die mein eigen seyn“.47 Zu untersuchen ist nun, mit welchen Mitteln zwischen dem Schulactus und der Publikation kompetitive Aufladung erzeugt und die Position Klajs im Literaturbetrieb befestigt wird, sowohl in direkter Konkurrenz schreibender Gruppierungen (Jesuiten – Pegnitzschäfer, München – Nürnberg, Latein – Deutsch) als auch im interkonfessionellen Wettbewerb.
3 Verknüpfungen durch Paratexte: Klajs Weihnachtsdichtungen im Druck 3.1 Der Druck des Herodesactus Gegenüber dem performativen Kontext von Klajs Schulactus präsentiert der Druck nochmals eine andere Textsorte als ein simples Libretto, weil das beigegebene Material den Aufführungstext weit überwuchert. In Aufführungspraktiken eingebetteter Text wird zum gedruckten Objekt, das seinerseits neue Praktiken erfor-
45 Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 41. 46 Zum Gestus des Zeigens, der die Pegnitzschäfer insgesamt auszeichnet, vgl. Martin Disselkamp: „Das Singen erscheint […] als gespielt. Zwischen dem Liedgesang und seinen Darstellern liegt die Distanz des Akteurs zu seiner Rolle“, man müsse von einer „literarischen Maske“ sprechen und einer „Präsentation der Kunst der Dichter und Sänger“. Ders.: „Der Pegnitz-Hirten Freuden-Klang“. Zu Funktion und Ideologie bukolischer Lieder in ‚pegnesischen‘ Hochzeitsdichtungen. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 105–138, zit. S. 137. Auch die Lieder der „Freudengedichte“ dienen der Figurencharakterisierung und sind „artifiziell aufgeladen“. Ernst Rohmer: Geistliche Lieder bei Klaj. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 139–157, insbes. S. 153 f., zit. S. 153. 47 Johann Klaj: Herrn Wolfgang Franckens Namensgedächtnuß, 1645, zit. bei Conrad Wiedemann: „Im Himmel wird es laut“. Über die diesseitigen Jenseitsvisionen des Johann Klaj. In: John Roger Paas (Hg.): Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 243–256, hier S. 248; Kühlmann, Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer (wie Anm. 37).
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dert und erzeugt.48 Klajs Leidender Christus von 1645 umfasst 10 Quartbögen, mithin 40 Blatt bzw. 80 Seiten, und die 771 Verse des Actus (plus Nebentext) nehmen davon 29 Seiten ein, allenfalls ein gutes Drittel, der Rest ist Paratext. Klaj, so die Forschungsübereinkunft, inszenierte seine demonstrative „Nachahmung von Musterautoren und Mustertexten“ zwecks Rückbindung der Veröffentlichungen an den Nürnberger Rhetorikbetrieb der exercitia oratoria.49 Doch deutlicher als das demonstrieren Klajs Drucke interkonfessionelle aemulatio. Der nach barockem Muster mit üppigen Fußnoten und/oder Marginalien wuchernde Apparat exponiert die Relation zwischen poetischer Darstellung und mitlaufender Kommentierung als eine wissenschaftliche Beobachtungsanordnung. Die Typographie stellt die philologische Werthaltigkeit des Textes mit her.50 Nur zu diesem Zweck sind alle Libretti mit Verszählung versehen bis aufs Lob der Poeterey, das ja selbst dem philologischen Diskurs angehört, und dem historisch ein wenig späteren Weihnachtslibretto. Indem auch die über das poetische Material ausgetragenen Diskussionen und Empfehlungen der Pegnitzschäfer Eingang in den Apparat finden, dokumentiert dieser sowohl die poetischen Ergebnisse wie auch die poetologischen Reflexionen der Nürnberger Kunstpraxis. Was dabei späteren Generationen als Ballast „gelehrter Dichtung“ und als „luxuria Norica“ anmutete („Nürnberger Aufwand“ verharmlost Günter Merwald den im Lateinischen Neumeisters theologisch ungleich stärker belasteten Terminus der luxuria),51 ist zum historischen Zeitpunkt der Jahrhundertmitte und am historischen Ort der alten
48 „Autoren schreiben keine Bücher: nein, sie schreiben Texte, die zu gedruckten Objekten werden“, deren Lektüre selbst „immer eine in Gesten, Räumen und Gebräuchen verkörperte Praktik“ ist. Roger Chartier: Lesewelten. Buch und Lektüre in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M., New York, Paris 1990 (Historische Studien, 1), S. 12 und S. 8. – Vgl. auch Franz M. Eybl: Typotopographie. Stelle und Stellvertretung in Buch, Bibliothek und Gelehrtenrepublik. In: Hartmut Böhme (Hg.): Topographien der Literatur. Deutsche Literatur im transnationalen Kontext (DFG-Symposion 2004). Stuttgart 2005 (Germanistische Symposien, Berichtsbände, 27), S. 224–243. 49 Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 262; der Aufweis der Unterrichtsbrauchbarkeit und „Unterweisungsfunktion“ (S. 263) der Druckfassungen im Sinne religiöser Inhalte und rhetorischer Verfahren S. 262–264. Zum weiteren Kontext der Nürnberger Literaturbedingungen sehr aufschlussreich Hartmut Laufhütte: Poetenwürde und literarisches Dienstleistungsgewerbe im 17. Jahrhundert. Am Beispiel des Pegnesischen Blumenordens. In: Paas, Der Franken Rom (wie Anm. 47), S. 155–177, der v. a. Birkens Kunstbestrebungen zwischen Patronanz und Ingenium verfolgt. 50 Vgl. zum technischen Apparat und zum Lokalisierungsapparat des barocken Buchs Eybl, Typotopographie (wie Anm. 48), S. 224–231. 51 Erdmann Neumeister: De Poetis Germanicis. Hg. von Franz Heiduk / Günter Merwald [Übers.]. Bern, München 1978 [Reprint d. Ausg. 1695], S. 41 kritisiert Greiffenbergs Stil mit dieser Charakterisierung: „Vocabulis certe inusitatis plane et luxuriem Noricam supergressis tantum non scatet.“
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Reichsstadt ein Legitimations- und Demonstrationsapparat der Achtbarkeit und Leistungsfähigkeit deutscher Literatur. Ein zweiter Aspekt liegt in der interkonfessionellen Herkunft der Quellen. Die typographische und argumentative Verankerung der Poesie im gelehrten Wissen der Zeit unterstreicht die nürnbergische konfessionsquerende Vermittlungskompetenz, wie sie Harsdörffers Transfers aus dem romanischen Kulturraum bezeugen. Auch Klaj errichtet einen intertextuellen Resonanzraum von europäischer Reichweite, beispielhaft im Druck des Herodesactus von 1645. Das Stück gehört thematisch ebenfalls zum weihnachtlichen Festkreis, ist aber im Gegensatz zum späteren Freudengedicht kommentiert, wobei Klaj in der kurzen Vorrede des Kommentars auf das Trauerspiel des Heinsius als Vorlage (Herodes Infanticida Tragoedia, Leiden 1632) sowie auf dessen Kommentierung durch Jean-Louis de Balzac und Claudius Salmasius verweist. Der Stellenkommentar belegt Quellen, zitiert Verse der Autoritäten oder erläutert. „Hiesige Erklärungen werden denen in der Poeterey Vnbewanderten zu gut angefüget“,52 denn die belesenen Bewanderten erkennen den Bezug auch ohne Kommentar. Neben dem Paratexttypus des Kommentars gibt das diesem folgende Begleitschreiben Harsdörffers vor Darlegung seiner Theorie des Trauerspiels einen Hinweis auf die Illustrationen der Titelei und deren poetischer Erklärung, was mit dem Vorredentopos „Erklärung des Kupfertitels“ ein ganz geläufiges Verfahren des barocken Publikationsbetriebs repräsentiert. Dem Druck sind keine Kupferstiche, sondern zwei kleine runde Holzschnitte beigefügt, Herodes auf dem Titelblatt (Abb. 3), Mariamne nach den Widmungsgedichten unmittelbar vor Textbeginn (Abb. 4). Die beiden dort untergebrachten deutschen subscriptiones, jeweils acht paargereimte trochäische Verszeilen auf Mariamne bzw. Alexandriner auf Herodes, sind unsigniert und Harsdörffers Übersetzung, wie sein Brief besagt: „mit hierbeygelegten Versen/ so zu diesem Ende geteutschet/“ können die Bildnisse dem Text des Actus „vorgefüget werden“. Die bekannte Kollektivität des Nürnberger Dichtungsbetriebs erfährt hier einen zusätzlichen Beleg.
„Von ohne Zweifel ungewöhnlichen Wörtern ist es [das „Büchlein“, FE] ganz voll, und es wimmelt darin fast auch von solchen, die Nürnberger Aufwand übersteigen.“ (S. 175). 52 Herodes der Kindermörder/ Nach Art eines Trauerspiels ausgebildet. Nürnberg: W. Endter 1645. In: Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. [129]–[200], hier S. 29 [165]. Der Stellenkommentar umfasst S. [165]–[190], also 26 Seiten, der poetische Text 27.
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Abb. 3: Klaj, Herodes der Kindermörder, Herodes
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Abb. 4: Klaj, Herodes der Kindermörder, Mariamne
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Zugleich aber bietet Harsdörffer eine weitere Ausdehnung intertextueller Bezüglichkeiten des Herodesactus. Die Bildnisse nämlich entstammen, so Harsdörffer, einem französischen Werk, das „der Jesuit Laimermann“ ins Lateinische übersetzte, freilich ohne die Abbildungen, vermutlich aus Kostengründen („zu Ersparung der Vnkosten“): DErselbe hat hier mitkommend zu empfahen/ die Bildniß Herodes und Mariamne/ welche der Jesuit Laimermann seiner Lateinischen Vbersetzung/ vielleicht zu Ersparung der Vnkosten/ nicht beygebracht; in dem Frantzösischen Exemplar aber sind sie/ nach alten Müntzen/ in Kupfer gestochen/ und kön[n]en des Herren Werke/ mit hiebeygelegten Versen/ so zu diesem Ende geteutschet/ vorgefüget werde. [sic]53
Das Werk, auf das Harsdörffer Klajs Herodesdichtung bezieht und aus dem er Paratext bereitstellt, war kein Drama, denn Harsdörffer spricht ohne Namensnennung vom 1624 erstmals erschienenen Cour Sainte des Jesuiten Nicolas Caussin (1583–1651), ein in vielen Auflagen verbreitetes, in mehrere Sprachen übersetztes und bis ins 18. Jahrhundert fortwirkendes Werk.54 Die frz. Ausgabe von 1640 bezeichnet sich bereits als zehnte Auflage, und das Werk ist mit dem Titelwortlaut der ersten deutschen Übersetzung als Heilige Hoffhaltung, Daß ist Christliche Underweysung Hocher StandtsPersonen, Sampt deren Exempel, so bey Hoff Gottseeliglich gelebt haben erschienen (Konstanz 1651) und in der zweiten Jahrhunderthälfte mehrfach aufgelegt und z. T. bearbeitet worden. Caussin war auch Rhetoriker, Affekttheoretiker und Ordensdramatiker, sein Felicitas-Drama hat Gryphius übersetzt und bearbeitet, aber ein Herodesdrama ist nicht überliefert. Als Fürst erscheint Herodes jedoch bereits im ersten Teil des später auf fünf Teile anwachsenden Werkes von der Heiligen Hofhaltung, als es um die Tugenden und deren Hindernisse bei Hof geht, für deren negative Handhabung Herodes (mit Mariamne), für die positive Haltung aber Kaiser Theodosius der Jüngere die Exempel abgeben. Bald erschien eine lateinische Übersetzung als Aula Sancta complectens tomi primi libros tres (Wien: M. Rictius 1635), übersetzt vom Jesuiten Henricus Lamormain (1575–1647), und wenig später der Auszug Aula impia Herodis, pia Theodosii Iunioris et Magni castra impietatis victricia (Köln: Kinck 1643).55 Dass es sich um
53 Klaj, Herodes (wie Anm. 52), S. 55 [191]. 54 Nicolas Caussin: La Cour sainte, ou l’institution chrestienne des grands, avec les exemples de ceux qui dans les cours ont fleury dans la saincteté. Paris: S. Chappelet 1624. 55 Nicolaus Caussinus: Avla Impia Herodis, Pia Theodosii Ivnioris Et Caroli Magni Castra Impietatis Victricia. Köln: Kinck 1643. Das von Harsdörffer gegenüber den frz. Ausgaben vermisste Porträt des Herodes ist in dieser Ausgabe als bloßer typographischer Rahmen gesetzt S. 134 (mit der korrekten subscriptio), ebenso wird verfahren mit Theodosius S. 210, Martianus S. 213, Eudocia
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Harsdörffers „Laimermann“ und ein unmittelbar aktuelles Werk handelt, liegt auf der Hand. Hält man sich die gehäuften Buchstaben i, m und n in der zeitgenössischen Schreibschrift vor Augen, kann auch ein Lesefehler des Setzers bei Wiedergabe dieses Namens in Frage kommen. Harsdörffer kennt nicht nur die lat. Übersetzung ohne Bilder, aber mit der inscriptio und den lateinischen Versen Caussins in der Übersetzung Lamormains, sondern auch die frz. Originalausgabe und ihre Illustrationen,56 die er beilegt und deren Beitexte er übersetzt, aus dem Lateinischen, aber unter Kollation des französischen Textes: „Jn dem Frantzösischen stehet L`ordüre cimentée des massacres, ist aus dem Latein abgesehen/ Lutum sanguine maceratum: Ich habe es gebe[n]/ der blutgemengte Koht/ jedoch auf Verbesserung.“ Harsdörffer zitiert ungenau, aber übersetzt trefflich: Vber Herodes Bildniß. Herodes der Tyrann/ von düstrem Angesicht/ In Sitten wütig wild/ Barbarisch in Geberden/ Hat seine Grausamkeit gar gegen Gott gericht/ Weil ihn der Menschen Mord nicht sättigt auf der Erde[n], Er trug mit Trug die Kron/ der blutgemengte Koht/ Der Bösen bester Freund/ der From[m]en Tod und Noht: Bis ihn der Frevelstoltz mit Jammer hat gestürtzet/ Vnd letzt die Madensucht das Leben abgekürtzet.57
In der für mich frühesten mit Bild erreichbaren frz. Ausgabe des Cour Sainte von 1647 wie auch in den lat. Ausgaben ab 1643 ist die Struktur von Bild und Beitext gleich und ähnelt emblematischer Tradition. Ein Bild eines Herrschers, einer Herrscherin ist in der Art eines Medaillons wiedergegeben („nach alten Müntzen“, schrieb Harsdörffer) und enthält ein Porträt mit dem Namen als Umschrift (Abb. 5 und 6), darunter folgt eine lateinische inscriptio im stilus lapidaris (in manchen Ausgaben korrekt in Versalien gedruckt) sowie ein frz. Epigramm, das sich bei manchen Personen paraphrasierend auf die Beischrift bezieht oder sie bei anderen erweitert. Herodes und Mariamne liefern diese beiden Beispiele. Die lateinischen Ausgaben behalten die inscriptio bei und übersetzen die Epigramme ins Lateinische.
S. 240 u. a. – BSB München, Digitalisat, http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10261090_00005.html [Abruf 22.9.2017]. 56 Abb. 6: Caussin, Cour Sainte (wie Anm. 54), Bd. 2, 1653, S. 229 aus dem Abschnitt „Les Reynes & Dames. Mariamne“. Die Ausgabe Paris 1647 (ohne Abbildung) bietet bis auf zwei winzige Abweichungen (ein Akzent und ein Satzzeichen fehlen 1653) eine textidentische Fassung, Vers 3 lautet „Vn monstre cimenté de massacre & d´ordure“. 57 Klaj, Herodes (wie Anm. 52), S. [136].
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Abb. 5: Caussin, Cour Sainte (1653), II, S. 229
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Abb. 6: Caussin, Cour Sainte (1653), II, S. 213
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Abb. 8: Caussin, Aula Herodis (1643), S. 135
Abb. 7: Caussin, Aula Herodis (1643), S. 134
Wie zu sehen, bietet die Übersetzung Lamormains keine Abbildungen, sondern Platzhalter, aber identische Texte (Abb. 7 und 8); bei Mariamne begnügt sich diese Ausgabe mit dem Wort „EFFIGIES“.58 In beiden Fällen übersetzte Harsdörffer die inscriptio und nicht die lat. Übersetzung des Caussin-Epigramms.
58 Caussin, Aula Impia (wie Anm. 55), S. 79. Die Abb. entstammen Caussin: Cour Sainte. Paris 1647. Bd. 2: google-books; Paris 1653, BSB, MDZ http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resol ver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10621218–1 [Abruf 26.8.2017]; Avla Herodis Impia Theodosii Ivnioris Pia. Übers. v. Henricus Lamormainus, Köln: Kinch 1643, BSB, MZD http://www.mdz-nbnresolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb11282060–4 [Abruf 26.8.2017]. – Noch näher bei den Nürnberger Holzschnitten stehen die Darstellungen in der englischen Ausgabe des Holy Court von 1634 (hier nicht abgebildet): The holy court in three tomes, … translated into English by Sr. T. H. [Thomas Hawkins]. [Rouen]: Printed by Iohn Cousturier, M.DC.XXXIIII. – Die erste Übersetzung der damals vorliegenden publizierten Teile ins Englische war bereits 1626 erfolgt.
Poetik, Performanz und Publikation
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3.2 Text und Peritext als Feld der Anspielung: „Weyhnacht Gedichte“ und „Freudengedicht“ Das Beispiel des Herodesactus und seines Druckes belegt den extrem belesenen, philologisch in der Wolle gefärbten Umgang mit der internationalen Literatur und den hilfswissenschaftlichen Auskunftswerken, mit dem die Nürnberger die Legitimität ihrer Poesie unterstrichen. Das rhetorisch und religiös auszubildende Nürnberger akademische Publikum, das die Forschung bisher als Hauptadressaten nicht nur der Actus, sondern auch des Drucks identifiziert hatte,59 ist indessen nur Teil der intendierten Rezeption. Noch deutlicher überschreitet Klaj beim späteren Weihnachtsactus im Druck diesen Adressatenkreis, weil die Verbindung dieser typographischen Präsentation mit dem Diskurs der Gelehrten über die intertextuelle Erfahrung eines auch in der lateinischen Poesie gebildeten Lesepublikums läuft. Dessen literarischer Kompetenz konnte das außerordentliche Maß an Bezugstreue zu den lateinischen Hypotexten klar werden, was für den Kundigen den ästhetischen Spieleffekt einer rabiaten Überbietungspoetik ergab.60 Hier liegt das Certamen poeticum bereits im Ausgangsmaterial des späteren Freudengedichts vor, in den Weyhnacht Gedichten von 1648, denn „dieser einzigartige Gedicht-Zyklus besteht fast ausschließlich aus Übersetzungen, aus Bearbeitungen und Nachahmungen fremder Werke, die zuvor gar nicht oder ganz anders zusammengehörten. Der Autor freilich verschweigt das […]“.61 Das trifft nur zum Teil zu, denn Klaj verwendet bereits in dieser Publikation paratextuelle Instanzen als intertextuelle Signale. Im ausschließlich deutsch verfassten schmalen Gedichtbändchen von gerade zwei Druckbögen in Duodez erscheint als letzter Text das lateinische Huldigungsgedicht von Johann Georg Styrzel (1591–1668), das nun nicht etwa den Dichter Klaj und sein vorliegendes deutsches Produkt lobt, sondern den zweifach zu krönenden Universalpoeten, den die deutsche wie auch die römische Muse mit ingenium loqui beschenkt hätte, wie der Titel („Von der beiderlei deutschen und lateinischen Poesie Herrn Klajs“) und gleich der Beginn besagt:62
59 Vgl. Paul, Reichsstadt und Schauspiel (wie Anm. 49), S. 271–272. 60 Ähnliches gilt für die gesamte Nürnberger Szene. Zu Harsdörffers Verbergen eines Baldeschen Prätextes vermerkt Kühlmann: „Dem weniger belesenen Teil des Harsdörfferschen Publikums blieb Klajs Prätext verborgen: ein Wettbewerb für ʼInsiderʽ sozusagen, bei dem der Vorwurf des Plagiats jedoch ebenso fernzuhalten ist wie beispielsweise von manchen analogen Aneignungen Ronsards und anderer durch Martin Opitz.“ Kühlmann, Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer (wie Anm. 37), S. 98. 61 Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 28. 62 Johann Georg Styrzel: De utraq; Latina nim. & Teutonica, Poësi CL. Viri Dn. Johannis ClaI, fol. B12r f. Wilhelm Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982 (Studien und Texte
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Ingenium Clajo, Clajo dedit ore rotundo Teutona Musa loqui, Romula Musa loqui; Sic tamen, in facili ut fiet haut discernere, utrinam (Certe ego non ausim) palma ferenda fiet. […] Das Talent gab dem Klaj, dem Klaj mit gerundetem Munde deutsche Muse zu sprechen, römische Muse die Sprach´; und zwar so, dass kaum zu entscheiden wäre (was ich sicher nicht wag´), welche der Palmen ihn krönt.
– wobei auch Styrzel nicht vergisst, auch seine eigene Traditionsbeherrschung auszustellen, ist der Beginn seines Lobs doch Paraphrase der Ars Poetica des Horaz, wo es V. 323 f. heißt:
Grais ingenium, Grais dedit ore rotundo Musa loqui, praeter laudem nullius avaris.63
Das antike Certamen zwischen den Römern und den Griechen hat Styrzel damit in die Wettbewerbssituation zwischen dem Neulateinischen und dem Deutschen übertragen. Panegyrisch hervorgehoben ist mit seinen Versen die Fähigkeit Klajs, auch die deutsche Poesie als Antwort auf die neulateinischen Paradigmata zu beherrschen. Und auch hier kann die Illustration als weiterer Ausweis der Intertextualität fungieren, denn der Kupferstich der Weyhnacht Gedichte ist eine direkte, weil seitenverkehrte Kopie des Titelkupfers von Baldes Eclogen (Silvae lib. II, 1643; Abb. 9 und 10). Das freilich erhellt und verdunkelt im ästhetischen Verweisspiel zugleich, denn steht der Bildbezug eindeutig fest (nur die Spolien am unteren Bildrand sind in das eingewickelte Jesuskind auf einem Podest umgearbeitet), so sind nicht die Eclogen Textvorlage und Überbietungsmaterial der Weihnachtsdichtung Klajs, sondern Baldes Philomela (1645).64 Und wie die Nachtigallen im poetischen Wettstreit ihrer Gesänge aufeinander antworten, präsentiert Klajs poetisches Verfah
zur Sozialgeschichte der Literatur, 3) nennt Styrzel das Beispiel „eines späten, jedoch typischen Vertreters des bürgerlichen Gelehrtenhumanisms [sic], produktiv als Verfasser lateinischer Lyrik und mit zahllosen Geistesverwandten in reger Korrespondenz […]“ (S. 91), auch mit den Nürnbergern. 63 „Den Griechen verlieh die Muse Talent, den Griechen, gerundeten Mundes zu sprechen, ihnen, die nach nichts außer nach Ruhm süchtig sind.“ Horaz, Ep. III ad Pisones, V. 323 f., Horaz: Ars Poetica. – Die Dichtkunst. Lateinisch – deutsch. Übers. und mit einem Nachwort v. Eckart Schäfer. Stuttgart 21984. 64 Dazu detaillierter Keller, Klajs Weihnachtsdichtung (wie Anm. 1), S. 28, Anm. 32. – „Das Büchlein stellt also nicht [sic] weniger dar als ein kleines Kompendium der schöpferischen Möglichkeiten direkten Anschlusses an die Dichtungstradition: das kunstvoll gefügte Ganze erweist sich in dieser Hinsicht als universal.“ Ebd., S. 29.
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ren auf die lateinischen Dichtungen der Zeitgenossen ein eigenständiges Nürnberger Echo.65 Bereits Styrzel hatte das genau wahrgenommen.
Abb. 9: Balde, Silvae II (1643)
Abb. 10: Klaj, Weyhnachts Gedicht (1648)
Für das Nürnberger Patriziat freilich inszeniert Klaj in der Dedikation an die Kirchenpfleger und Schulherren ein anderes, pegnitzschäferliches Echo, wenn der Dichter in die Natur flieht, „ům die Zeit zu kürtzen/ und der Melancholey sich in etwas zu entschlagen“, wo er vom Echo seiner Rufe die Inspiration bezieht, sich „eilends“ ans Werk über die weihnachtliche Geburt zu machen, „in dessen reiffer erwegung inn meinem Hertzen allerhand freudige Gedancken auffstiegen/
65 Als Ergebnis des Nürnberger Kulturdiskurses um die Konkurrenten des Neulateinischen und Oberdeutschen sieht Kühlmann die Geltung der (neu)lateinischen Literatur „als Studienobjekt und eventuell noch als Lernhilfe, nicht mehr aber als aktuelles und in die Zukunft weisendes Medium der Kunstpoesie in Deutschland“. Kühlmann, Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer (wie Anm. 37), S. 97.
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welche ich auch/ wegen unnachläßlicher Freudenliebe meines JEsuleins/ zu Papir bringen wollen.“66 Es waren exakt die gleichen Adressaten, denen Klaj 1645 den Herodesdruck gewidmet hatte, was er dort mit den „unzehlbaren Nutzbarkeiten“ motiviert, „die uns die ältiste und furnemste Poeterey an die Hand gibet“, nämlich das Trauerspiel, sodass er seinen Herodes „wie vor mündlich vorgetragen/ also jetzt gedrukt zuschreiben wollen“, nicht aus Ruhmsucht, „sondern wegen der Wichtigkeit des heiligen Inhaltes/ der alle andere Wissenschafften übersteiget“.67 Hier argumentiert Klaj traditionell mit der Rangordnung der Diskurse, deren Spitze die Theologie bleiben muss, in seinem Publikationverfahren aber zeigt sich, dass diese in erster Linie ein Vehikel ist, um der Poesie zum Sieg zu verhelfen. Das Schreibsystem Klajs wurzelt in der öffentlichen Performanz der Actus im Rahmen einer engen Verbindung von religiösen und akademischen städtischen Brauchtumskulturen, Klaj und die Pegnitzschäfer bauen aber dieses Traditionselement im typographischen Medium zu demonstrativer Allgemeingültigkeit aus. Ziel ist nicht mehr Performanz als zukünftige Aufführung oder dokumentierende Gedächtnisstiftung (memoria) der inszenierten Actus, Ziel ist Lektüre im Modus gelehrter Intertextualität und damit die propagandistische Verdeutlichung des Nürnberger Überbietungsanliegens nicht nur der deutschen, sondern auch der lateinischen Poesie der ersten Jahrhunderthälfte, und insbesondere des Konfessionsgegners, namentlich Jacob Baldes. Dass die respublica literaria noch lange in der Lage war, die Gegnerschaft der Konfessionen im letztendlich geselligen Wettkampf der Gelehrtenrolle innerhalb der Konfessionskulturen zu befrieden, belegt Baldes Wunsch an Birken, nach der Trucknen Trunkenheit auch die Urania übersetzt zu sehen,68 wozu es nicht mehr kam.
66 Klaj, Weyhnacht Gedichte (wie Anm. 1), fol. A2v / Friedensdichtungen S. 218 und fol. A4v / Friedensdichtungen S. 221 f. 67 Klaj, Herodes (wie Anm. 52), S. [132]. Die Adressaten sind in beiden Publikationen Klajs Lucas Friedrich Behaim (1587–1648), Johann Albrecht Pömer (1597–1654), Georg Imhoff d.Ä. (1601– 1659) und Jobst Christoph Kreß von Kressenstein d.Ä. (1597–1663). Vgl. Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 50), S. 55. 68 Hartmut Laufhütte: Ökumenischer Knaster. Sigmund von Birkens Truckne Trunkenheit und Jacob Baldes Satyra contra Abusum Tabaci. In: Burkard u. a., Balde im kulturellen Kontext (wie Anm. 34), S. 114–132, hier S. 128 f.
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Gemeinsam im Dienste der Poesie: Johann Klaj und Georg Philipp Harsdörffer Das Verhältnis von Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj darzustellen, wie es die Herausgeber gewünscht haben, ist nicht ganz einfach, weil es zu Johann Klaj weit weniger Dokumente gibt als etwa zum Verhältnis Sigmund von Birken und Georg Philipp Harsdörffer, was auch damit zusammenhängt, dass Klaj nie die Position, die Harsdörffer und Birken in der literarischen Welt innehatten, erreichte. Dietrich Jöns und Hartmut Laufhütte haben schon 1988 in der Einleitung zu ihrer Edition von Birkens Prosapia / Biographia darauf aufmerksam gemacht, dass Klaj als Dichter und Mitglied des Pegnesischen Blumenordens schon sehr bald abgewertet wurde. Dies führte dazu, dass Klajs Werk unterschätzt wurde und wird, was sich am geringen Forschungsinteresse bis heute zeigt.1 Auf der andern Seite wird die poetische Begabung Harsdörffers tendenziell überschätzt, war er doch vor allem ein Vermittler von Literatur. Halten wir zuerst einmal fest, welche literarischen Beziehungen zwischen Klaj und Harsdörffer sich belegen lassen: Johann Klaj hat zusammen mit Harsdörffer das Pegnesische Schäfergedicht (1644) geschrieben, zudem haben sie ein Lobgedicht auf den Drucker Wolfgang Endter verfasst. Klaj war an der Harsdörfferschen Bearbeitung der Übersetzung der Diana des Montemayor und seiner Nachfolger beteiligt. Er hat je ein Lobgedicht zum fünften und sechsten Teil der Harsdörfferschen Gesprächspiele beigesteuert, umgekehrt hat Harsdörffer zu Klajs Herodes, der Kindermörder wie auch zum Leidenden Christus eine poetologisches
1 Sigmund von Birken: Werke und Korrespondenz Bd. 14: Prosapia / Biographia. Hg. von Dietrich Jöns und Hartmut Laufhütte. Berlin 1988 (Neudrucke deutscher Literaturwerke, N.F. 41), S. IX. Klaj wird auch in Poetiken kaum genannt. So erwähnt Daniel Omeis Klaj, den er immerhin einen „hurtig- und tieffsinnigen Poeten“ nennt (S. 44), nur als Mitbegründer des Blumenordens, nicht jedoch als Verfasser von Schriften zu den Nürnberger Friedensfeier (S. 47), noch rühmt er dessen Verdienste im Gegensatz zu denen von Strefon und Floridan (Magnus Daniel Omeis: Gründliche Anleitung zur Teutschen accuraten Reim- und Dichtkunst […]. Nürnberg 1704). Auch Johannes Herdegen / Amarantes (Historische Nachricht von deß löblichen Hirten- Blumen-Ordens an der Pegnitz Anfang und Fortgang […]. Nürnberg 1744, S. 234–238) behandelt Klaj relativ kurz, kennt aber dessen Friedensdichtungen. Conrad Wiedemann (Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 [Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 26]) ist in den umgekehrten Fehler verfallen und hat Klaj eine Originalität zugeschrieben, die sich im historischen Kontext auch nicht halten lässt.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-007
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Nachwort geliefert, zudem hat er zum Herodes, zum Leidenden Christus und zur Lobrede der Teutschen Poeterey eine Titelvignette beigesteuert, die er in einem Gedicht erklärt. Zur Aufferstehung Jesu Christi und Höllen- und Himmelfahrt Christi hat er je ein Lobgedicht beigetragen. Angesichts dieses Befundes lässt sich folgende These aufstellen: Harsdörffer hat Klajs dichterisches Potential erkannt und hat ihn eingespannt für sein Programm, welches darin bestand, die deutsche Literatur auf die Höhe der europäischen Literaturen zu heben. Während Harsdörffer den theoretischen Part übernahm, war es Klajs Rolle die poetische Ausführung zu diesem Programm zu liefern.
Das Pegnesische Schäfergedicht Das erste Zeugnis der Zusammenarbeit ist Das Pegnesische Schäfergedicht in Berinorgischen Gefilden angestimmet von Strefon und Clajus, welches 1644 in Nürnberg gedruckt wurde. Obwohl das Gedicht relativ gut erforscht ist,2 hat man sich kaum je gefragt, wie die Textanteile sich auf die beiden Autoren verteilen und wie sich diese selbst präsentieren und sich gegenseitig charakterisieren. Sieht man einmal von den Paratexten ab, dann ist das Gedicht eindeutig aus der Perspektive von Clajus / Klajus geschrieben, der erzählt, wie er aus Meißen an den Strand der Pegnitz gekommen ist. Er erweist sich auch gleich als versierter Dichter, denn er singt in einer Vielzahl von Gedichtformen, das erste Gedicht ist ein Echogedicht, das zweite ein Sonett, das dritte ein Lobgedicht auf Nürnberg nochmals in der Form eine Sonetts und schließlich folgt ein siebenstrophiges Lied mit vierhebigen Versen und sechszeiligen Strophen, welches in der siebten Strophe vom singenden Strefon unterbrochen wird, der nun seinerseits ein fünfstrophiges Lied singt und ein Gedicht in einen Baum schneidet. Klajus liest das kurze Gedicht, das mit „Der Spielende“ gezeichnet ist. worauf er in ihm den „ruhmwürdigen so genante[n] Strefon“ erkennt.3 Es wird also die Fiktion erzeugt, als hätte
2 Die Arbeiten sind alle älteren Datums. Eberhard Mannack: Realistische und metaphorische Darstellung im Pegnesischen Schäfergedicht. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 17 (1973), S. 154–165. Klaus Garber: Vergil und das „Pegnesische Schäfergedicht“. Zum historischen Gehalt pastoraler Dichtung. In: Martin Bircher / Eberhard Mannack (Hg.): Deutsche Barockliteratur und europäische Kultur. Zweites Jahrestreffen des Internationalen Arbeitskreises für deutsche Barockliteratur in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 28. bis 31. August 1975. Vorträge und Kurzreferate. Hamburg 1977, S. 168–203. 3 Georg Philipp Harsdörffer / Sigmund von Birken / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645. Hg. von Klaus Garber. Tübingen 1966 (Deutsche Neudrucke. Reihe Barock, 8), S. 12.
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Harsdörffer seinen Hirtennamen nicht erst in diesem Schäfergedicht angenommen, sondern als wäre sein Ruhm als Hirte Strefon in der literarischen Welt bereits bekannt. Umgekehrt ist Strefon höchst erfreut, Klajus zu sehen, dessen Namen er am Schäferstabe entdeckt, denn dessen „Geistreiche Hirtengedichte von der Elbe bis an die Pegnitz bereit erschollen“. Auch habe Myrtillus (i. e. Samuel Hund) ihm einen Gruß hinterlassen.4 Also ist auch Klajus bereits bekannt und zwar nicht nur in Nürnberg, sondern in einem großen Teil Deutschlands; die Elbe spielt auf Wittenberg an, wo er Theologie und Poetik studierte, bzw. auf seine Herkunftsstadt Meißen. Diese gegenseitige Bekanntheit kann auch als Anspielung auf die Herkunft der Hirtennamen aus Sidneys Arcadia gelesen werden, wobei der Reiz des Ganzen darin besteht, dass Klajs Name zugleich sein Schäfername ist.5 Mit dem „Geistreichen Hirtengedicht“ wird auf Klajs Übersetzung von August Buchners geistlichem Hirtengedicht Joas, welches 1642 in Wittenberg publiziert wurde, verwiesen.6 Nach dem Zusammentreffen singen oder schreiben die beiden Schäfer abwechselnd Lieder und Gedichte, bis sie in der zweiten Hälfte des Schäfergedichts eine ganze Reihe von Gedichten gemeinsam verfassen, indem bald der eine, bald der andere, einen Vers zu Ende führen muss, oder indem sie abwechselnd eine Strophe eines Gedichtes beitragen. Hat Klajus in der ersten Hälfte des Gedichts ein leichtes Übergewicht, besonders auch was die biographischen Informationen betrifft, – von Strefon wissen wir nur, dass er offenbar an der Pegnitz wohnt –, so sind die Anteile der beiden im zweiten Teil gleich. Immerhin kommt Klajus das letzte Wort bzw. Gedicht, das die Fröhlichkeit singt, zu. Es finden sich keine Andeutungen, wer jene Teile verfasst hat, die vom Gerücht und von Pamela, der verwirrten Schäferin, welche das vom Krieg gebeutelte Deutschland darstellt, gesungen werden. Untersucht man die Marginalien, so zeigt sich ein Unterschied zwischen den beiden Dichtern. Strefon macht mehr poetologische Aussagen, und er zitiert häufig französische oder spanische Literatur bzw. Poetiken, während Klajus Vergil und Ovid zitiert. Diese Tendenz zeigt sich schon im Paratext: in der Ansprache an den „Hochgehrten Leser“ zitiert Harsdörffer, und hier handelt es sich ganz sicher
4 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 3), S. 12. Samuel Hund unterzeichnet sein Lobgedichte zu Klajs Leidendem Christus mit „Samuel Hund aus Meissen.“ 5 Philipp Sidney: Arcadia der Gräffin von Pembrock […] Frankfurt 1643. Strefon und Clajus trauern um die abwesende Urania, auf die im Pegnesischen Schäfergedicht ebenfalls angespielt wird. 6 August Buchneri Joas. Der heiligen Geburt Christi zu Ehren gesungen. Auß dem Lateinischen ins Deutsche versetzt von Johanne Clajo. Wittenberg 1642. Wenn Klaj tatsächlich schon 1643 in Nürnberg ein Weihnachtsgedicht vorgetragen hat (vgl. unten Anm. 45), könnte zusätzlich auch noch dieses gemeint sein.
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um ihn, die Poetik von La Mesnadières, die er auch im Poetischen Trichter mehrfach zitiert.7 Bei einem Logogriph verweist er auf Scaliger, bei einem Gedicht, in dem es um die Frage geht „Was ist die Lieb?“ wird auf Tasso und Lope de Vega verwiesen. Strefon ist es auch, der das berühmte Ringelgedicht auf die Ringelblume vorträgt, welches ein französisches Rondeau nachahmt, wie am Rande vermerkt wird. Dieses trägt Strefon ein Lob des Klajus ein, man sehe, dass er „bey nicht geringen Meistern gelernet“ habe.8 Die Datenbasis ist schmal, aber man kann doch erkennen, dass sich Strefon als in den romanischen Literaturen versierter Autor zu erkennen gibt, dem es auch um die Vermittlung von deren poetischen „Erfindungen“ geht, während Klaj eher der klassisch-lateinischen Bildung verpflichtet ist.
Das Gedicht auf Wolfgang Endter Ein weiterer Beleg für die Zusammenarbeit der beiden Autoren und zugleich das letzte Beispiel ihrer Zusammenarbeit ist ein undatiertes Lobgedicht auf Wolfgang Endter sowie auf die Druckerkunst mit dem Titel Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg, welches als Einblattdruck publiziert wurde.9 Wie Dieter Martin festgestellt hat, dürfte das Gedicht auf den 1645 erfolgten Abschluss der Druckereilehre von Wolfgang Endter dem Jüngeren (geb. 1622) entstanden sein, und nicht erst 1650, wie die Landesbibliothek Sachsen-Anhalt datiert,10 was auch erstaunlich wäre, da nach 1646 keine Zusammenarbeit von Harsdörffer und Klaj mehr belegt ist. Wolfgang Endter der Ältere (1593-1659) hat das Pegnesische Schäfergedicht und die meisten Werke von Klaj publiziert sowie zahlreiche Werke von Harsdörffer unter anderem die Gesprächspiele sowie die Ars apophthegmata. Wolfgang Endter war also für beide Autoren ein wichtiger Verleger. Das Gedicht auf ihn besteht aus zwei Spalten, die linke Spalte wird von Harsdörffer, die rechte Spalte von Klaj verantwortet. Über jeder Spalte gibt es ein Emblem, das Harsdörffer bereits in den Gesprächspielen verwendet
7 Hippolyte-Jules Pilet de la Mesnadière: La Poétique. Paris 1639. Die Poetik ist für die volkssprachliche Aristoteles-Rezeption wichtig. Vgl. unten Anm. 62. 8 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 3), S. 46. 9 Siehe dazu den Beitrag von Dieter Martin in diesem Band. 10 Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj: Ehrengedichte Der kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg. o.O.u.J. (VD17: 3:696394; urn: nbn:de:gbv:3:1–97949). In Klajs Gedicht gibt es einen „Buchstabenwechsel“ auf Wolfgang Endter den Jüngeren.
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hat.11 Darunter folgen dann die beiden Gedichte unter dem gemeinsamen Titel „Wiederkehr/ Jn welchem erwiesen/ daß das Druckwerck bestehet/ wann alle andere Weltsachen durch hinfallende Zeit zu Boden gerichtet werden […].“ Dieser Gedanke tritt bereits in Klajs „Vberreichungsschrifft“ der Aufferstehung Christi auf.12 „Wiederkehr“ bezieht sich auf die Form des Gedichtes, denn die beiden Gedichte haben nur einen Reim auf “enden“ und sie haben dieselben Reimwörter.13 Harsdörffer setzt ans Ende des Gedichtes ein Rätsel, während Klaj einen „Buchstabenwechsel“ verwendet, der in einem Gedicht erklärt wird. Wenn man wie üblich von links nach rechts liest, so ist es Harsdörffer, welcher den Reim vorgibt, den Klaj aufzunehmen hat. Zugleich hat aber Klaj das letzte Wort. Dieselbe Ambivalenz zeigt sich in Bezug auf das Emblem. Über Klajs Gedicht figuriert das Emblem, welches den Buchstaben H, der allein nichts ist, zum Inhalt hat. In der Erklärung des Emblems in den Frauenzimmer Gesprächspielen heißt es: Derjenige, der das Sinnbild für sich ausgewählt habe, habe seine Unwürdigkeit […] auf artige Weis zu verstehen geben/ in dem er wehlete ein H. welches eigentlich kein Buchstabe/ sondern ein Anhauchen (aspiration) ist/ mit diesen beygefügten Worten: Wann ich werd andern beygesetzt. Verstehend/ er möchte neben andern Verständigen vnd Gelehrten/ vielleicht für ein Buchstaben gelten/ dörffte sich aber ohne solche Gesellschafft nicht hören lassen.14
Diese Erklärung erzeugt eine seltsame Zweideutigkeit, insofern das H der Anfangsbuchstabe von Harsdörffers Name ist, das Emblem aber Klaj zugeordnet wird, so als ob Klaj ohne Harsdörffer nicht existieren könnte bzw. sich nicht hören lassen dürfte. Dass Klaj, welcher, wie zu zeigen sein wird, zweifellos der begabtere Dichter war, von Harsdörffer klein gehalten wurde, zeigt sich noch deutlicher bei ihrer bisher nicht untersuchten, ja weitgehend unbekannten Zusammenarbeit bei der Überarbeitung und Übersetzung der Diana des Montemayor und seiner Fortsetzer.
11 Ich danke Dieter Martin für den Hinweis. Das Emblem kommt in Harsdörffers Frauenzimmer Gesprächspielen Teil 2, Nürnberg 1647, S. 14 bzw. S. 16. vor. Es handelt sich um zwei Embleme der Unverzagten (Gli Intrepiti) von Ferrara. 12 „Den Marmel frist die Zeit/ Stahl rostet und wird alt/ | […] | Nur ein Poët verbleibt/ und seine Lust die Bücher | Sind für dem Vntergang mit ihrem Vatter sicher/ | und pochen Zeit und Tod.“ (Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poetery“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965, S. [5].) 13 Harsdörffer verwendet diese Gedichtform auch in seinem Lobgedicht zu Klajs Aufferstehung Christi (Redoratorien, wie Anm. 12, S. [52]). 14 Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele. Hg. von Irmgard Böttcher. Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock,13–20), Teil II (Nürnberg 1647), S. 15, 17.
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Die Bearbeitung und Übersetzung der Diana Von der Beteiligung Klajs an der Bearbeitung und Übersetzung der Diana15 zeugt nur ein Eintrag in der Biographia Birkens. Dort findet sich ein Gedicht mit dem Titel: Eidyllion in Dianam Operâ Strephonis et Claii auctius et correctius prodeuntem (Eidyllion zur Diana, die dank der Mühe des Strephon und Clajus vermehrt und verbessert ans Licht tritt).16 Es befindet sich ebenfalls in Birkens Sammlung Betuletum.17 Das Gedicht ist unter dem Titel „Idyllion“ in der „Mantissa Poetica. ad Commendationem Praecedentis Opusculi adjectam“ der Diana abgedruckt, jedoch gegenüber der in Birkens Handschrift überlieferten Fassung so stark verändert und gekürzt, dass man mit Laufhütte von einem andern Gedicht sprechen kann, vor allem fehlen auch der für die vorliegende Untersuchung entscheidende Untertitel („dank der Mühe Strephons und Clajus’“) und jene Verse, die die Mitarbeit Klajs belegen.18 Erst in der zweiten Auflage der Diana von 1661, die nach dem Tod Harsdörffers erschien, wird das Gedicht praktisch in der gleichen Gestalt wie in der Biographia abgedruckt, was darauf hindeutet, dass Birken beim Neudruck von 1661 seine Hände im Spiel hatte.19 Um die Arbeit von Harsdörffer und Klaj zu würdigen, muss kurz ein Blick auf die Übersetzungsgeschichte geworfen werden.20 Die Diana besteht aus drei Teilen. Der erste Teil stammt von Jorge de Montemayor. der zweite Teil stammt von Alonso Pérez und der dritte Teil von Gaspar Gil Polo. Hans Ludwig von Kuefstein21 hat die ersten zwei Teile, also die von Montemayor und Pérez stammenden Texte
15 Diana von H. J. De Monte-Major, in zweyen Theilen Spanisch beschrieben/ und aus denselben geteutschet Durch Weiland Den wolgebornen Herrn/ Herrn Johann Ludwigen Freyherrn von Kueffstein/ etc. Mit deß Herrn C. G. Polo zuvor nie-gedolmetschten dritten Theil vermehret und mit reindeutschen Red- wie auch neu-üblichen Reim-arten ausgezieret. Durch G. P. H. Nürnberg 1646. 16 Sigmund von Birken, Prosapia / Biographia (wie Anm. 1), S. 25–27, 73–80. 17 Sigmund von Birken: Werke und Korrespondenz. Band 4: Betuletum. Hg. von Hartmut Laufhütte. Berlin 2017 (Neudrucke deutscher Literaturwerke, N.F. 90), S. 3–6, 257–259. 18 Siehe Kommentar von Laufhütte zu Birken, Betuletum (wie Anm. 17), S. 255. 19 Der schönen Diana dritter Theil/ Jn fünff Büchern begriffen. Nürnberg 1661. Das Gedicht von Birken in „Mantissa Poetica, ad Commendationem praecedentis Opusculi adiecta“, fol. M. Gegenüber dem „Idyllion“ in der ersten Auflage, wo es als V. Gedicht gedruckt wird, rückt es in der dritten Auflage an die IV. Stelle. 20 Die folgenden Ausführungen beruhen auf den Untersuchungen von Gerhart Hoffmeister: Die spanische Diana in Deutschland. Vergleichende Untersuchungen zu Stilwandel und Weltbild des Schäferromans im 17. Jahrhundert. Berlin 1972 (Philologische Studien und Quellen, 68). 21 Der Name wird verschieden geschrieben: Khuffstein, Kuffstein. Ich habe mich dem VD17 folgend für Kuefstein entschieden.
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übersetzt und 1619 herausgebracht.22 Der dritte Teil wurde 1634 von Kaspar von Barth auf Lateinisch übersetzt.23 Harsdörffer und Klaj haben die Übersetzung von Kuefstein bearbeitet und den dritten Teil aus der lateinischen Übersetzung von Kaspar von Barth übersetzt.24 Harsdörffer hat bei seiner Arbeit offensichtlich den Kuefsteinschen Text bearbeitet und nur im Fall der Verse manchmal auf das spanische Original zurückgegriffen. Im Vorbericht erklärt er, dass Kuefstein „nach der damals üblichen Art zu reden“, viele Fremdwörter gebraucht habe und teilweise die Gedichte als Prosa wiedergegeben habe. Hoffmeister hat gezeigt, dass Harsdörffer sehr viele Fremdwörter beibehalten hat und dass er auch nicht alle von Kuefstein in Prosa wiedergegebenen Verse in Verse zurückverwandelt.25 Er hat aber, was richtig ist, alle in Versen wieder gegebenen Gedichte bearbeitet, die Versmaße verändert, manchmal die Versmaße des Originals nachgeahmt. Die drei Teile der Diana enthalten ungefähr 100 Gedichte, gereimte Dialoge und Briefe. Birken beschreibt in seinem Gedicht, dass Diana, an den Ufern der Pegnitz weilte und dass Strephon und Clajus darin wetteifern, sie auszuschmücken:
Uns bringt diese Diana heiteres Licht, sie, die einst der Tejo der Donau, die Donau der Pegnitz gesandt hatte, und die auszuschmücken Strephon und Clajus wetteifern.26 […] Triumpf! Ein edles Seherpaar deutscher Wohlredenheit! Durch sie kommt Pegasus in den Ruf, er habe die Pegnitz entspringen lassen, so dass selbst Erato glaubt, hier fließe die Hypokrene. Durch ihr Singen heben sie unsere Muttersprache zu den Sternen empor, wie es einst die arkadischen Schäfer, jene, die sie mit ihrem Namen zurückbringen, mit Urania
22 Erster unnd anderer Theil Der newen verteutschten Schäfferey/ von der schönen verliebten Diana/ und dem vergessenen Syreno : darin[n]en viel schöner Historien/ von mancherley liebhabenden/ Adels- und Unadelspersohnen/ sambt dero Beschreibung deß Tempels der Göttin Dianae/ und des Pallasts/ so wol auch der Gesellschafft der weisen Frawen Felicia/ sehr lustig unnd kurtzweilig zu lesen/ [Jorge de Montemayor]. Auß Spanischer Spraach in Hochteutsch gebracht Durch […] Hanß Ludwigen/ Herrn/ Khueffsteinern/ Freyherrn/ [et]c. Lintz 1619 (VD17 12:635570Z) 23 Die Übersetzung wurde 1625 publiziert unter dem Titel Erotodidasculus sive memorabilium libri V. Hanau 1625. Zu Kaspar von Barth siehe Wilhelm Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Tübingen 1982, S. 255–265. 24 Siehe Hoffmeister, Die spanische Diana (wie Anm. 20), S. 44. Hoffmeister beruft sich auf die maschinenschriftliche Dissertation von Christoph Eugen Schweitzer: Spanien in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. New Haven 1954. 25 Eine systematische Untersuchung der Bearbeitung Harsdörffers und Klajs fehlt. 26 Das Bild von der an der Pegnitz weilenden Diana findet sich auch in der „Zuschrifft“ des Strephon zur Diana: „Als vor Jahren die schöne DJANA den Fluß Duaro verlassen/ sich auß Hispania erhoben/ und an die Donau begeben/ hat sie/ samt ihrer bey sich habenden Gesellschaft/ die damals Teutschgewohnliche Bekleidung an genommen […]. Jüngsthin hat diese schöne Schäferin/ samt ihrer gantzen Hirtenzunft/ unsre Pegnitz mit jhrer Gegenwart geehret […] (Diana, wie Anm. 15, fol.)(ij).
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taten.27 Triumph! unsere Sprachkunst blüht auf, solange die beiden in solcher Weise Blumen säen und den Pindus bekränzen. Fama und Flora bekommen Arbeit, Blütenkränze müssen sie beiden geben. Und daraus entsteht ein neuer Hirtenorden. Namen und Zeichen geben ihm die Pegnitz selbst und die Hirtenflöte, das Geschenk, das von Pan erzählt und der Nymphe und der Gunst Gottes.28
Birken betont also sehr die gemeinsame Arbeit der beiden, wobei diese auch noch mit der Gründung des Pegnesischen Blumenordens verknüpft wird. Die Frage stellt sich, welches der Anteil Klajs an der Übersetzung bzw. Bearbeitung sein könnte. Da Klaj sich als Übersetzer aus dem Latein hervorgetan hat, ist es naheliegend, ihm die Übersetzung des dritten Teils aus dem Lateinischen zuzuschreiben umso mehr als Harsdörffer nur aus dem Italienischen und Französischen zu übersetzen scheint. Vielleicht kann man den Satz im „Vorbericht“ so deuten: „Der dritte Theil ist von einem Liebhaber der Teutschen Sprache/ als die Fortsetzung des Gedichtes/ hierzu geteutschet worden.“29 Man könnte sich aber auch überlegen, ob Klaj nicht auch den größten Teil der Verse neu gestaltet hat, denn er scheint der virtuosere der beiden Dichter zu sein. Der von Birken erwähnte Wettstreit könnte sich durchaus auf die eingelegten Lieder beziehen. In der Tat ist Harsdörffer eher ein Vermittler als ein virtuoser Dichter. Das Bild von Harsdörffer als Dichter scheint dadurch etwas verfälscht zu sein, dass man selbstverständlich annimmt, dass der Verfasser des Poetischen Trichters Gedichte geschrieben hat. Sieht man sich aber die Sache etwas näher an, so zeigt sich, dass Harsdörffer vor dem Pegnesischen Schäfergedicht von 1644 und der Diana von 1646 abgesehen von einigen Widmungsgedichten und vier Liedern auf die Jahreszeiten, keine Verse publiziert hat.30 Klaj hingegen hat bei Buchner eine 27 Dies ist eine Anspielung auf Sidneys Arcadia. Siehe oben Anm. 5. 28 Ich zitiere die Übersetzung von Hartmut Laufhütte: Biographia (wie Anm. 1), S. 76. „Cedite nunc noctes! nos haec Diana serenat: | quam Tagus ante Istro, Pegneso miserat Ister; | quamquè exornando certant cum Strephone Clajus. […] Evax! Teutonicae Peîthûs par nobile Vatum! | quorum ope lymfarum Pegnesi Pegasus autor | audit, ut ipsa Erato putet hic fluere Hippocrenen; | qui patriam cantando ferunt ad sidera Linguam, ut quondam Uranien Pastores Arcades, illi, nomine quos referunt. Evax! Vernacula vernat, | dum sic uterquè serit flores Pindumquè coronat. Hinc Famae Floraequè labor, dare florea serta | ambobus: et inde novus Pastorum nascitur Ordo, Pegnesus quos ipse notant, et Fistula Syrinx, donum Pana loquens, Nymfamquè Deiquè favorem.“ Birken: Prosapia / Biographia (wie Anm. 1), S. 76, lateinisch S. 27. 29 Diana (wie Anm. 15), fol. )()(iijv. 30 Ich stimme Markus Hundt zu, wenn er meint die Onomatopoetik habe Harsdörffer vor allem als wichtiges Mittel der Spracharbeit gedient und wenn er feststellt: „Dichter war Harsdörffer erst in zweiter Linie. Vorrangig für ihn war die Arbeit an und mit der deutschen Sprache und die damit verbundene Wissens- und Kulturvermittlung“; Markus Hundt: „Spracharbeit“ im 17. Jahrhundert. Studien zu Georg Philipp Harsdörffer, Justus Georg Schottelius und Christian Gueintz. Berlin, New York 2000 (Studia Linguistica Germanica, 57), S. 192.
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Ausbildung in Poetik erhalten, welche sich schon im Pegnesischen Schäfergedicht in der Vielzahl von ihm verwendeter Formen niedergeschlagen hat. Auffällig ist auch, dass alle Beispiel, die Hoffmeister für besondere Vers- und Reimarten anführt, aus dem dritten Teil der Diana stammen, darunter auch den „Musterfall für den Nürnberger Manierismus“.31 Wenn man annimmt, dass die Übersetzung des dritten Teils von Klaj stammt, dann liegt es nahe, ihm auch die Versübersetzungen zumindest dieses Teils zuzuschreiben. Dass Klajs Beitrag zur Übersetzung der Diana bisher trotz des Hinweises in Birkens Biographia unbemerkt geblieben ist, hat mit der von D. Jöns und H. Laufhütte beschriebenen Abwertung Klajs zugunsten von Harsdörffer und Birken zu tun, obwohl Klaj wahrscheinlich der begabteste der drei Dichter war.32
Gegenseitige Beiträge Die Beiträge, die Klaj und Harsdörffer einander gegenseitig gewidmet haben, belegen, dass ihre Diskussion sich auf der poetologischen Ebene abspielte und dass es darum ging, zu zeigen, dass das Deutsche eine den andern europäischen Sprachen, vor allem natürlich dem Französischen, Italienischen und Spanischen ebenbürtige Literatursprache sei. Im V. Teil der Gesprächspiele (1645) hat Klaj wie andere Pegnitzschäfer u. a. auch Birken zu einem umfangreichen Schäfergedicht beigetragen.33 Zunächst singt Merkur das Lob von Opitz, der, obwohl tot, weiterwirkt. Die Poeten sind zwar jetzt verachtet, aber einmal werden sie an seiner Seite sitzen. Nach Merkur erscheinen ihm noch Juno, Venus und Pallas, welche ihn schließlich zu einem dreiständigen Sinnbild inspirieren, das wiederum die Kunst zum Inhalt hat. Klajs Gedicht hat deutlicher als die der andern Schäfer einen metaliterarischen Aspekt. Es geht weniger darum, das Lob des Spielenden zu singen als das der Dichtkunst. Auch zu dem 1646 erschienenen 6. Teil der Gesprächspiele hat Klaj ein Gedicht beigesteuert, diesmal ein poetologisches unter dem Titel „Die Ziegeunerische Kunstgöttinnen oder Der freyen Künste und Wissenschaften Reisefahrt aus eim Königreiche in das ander“.34 Dieses ist eine Bearbeitung einer Ode von Jacob Balde, die Klaj erweiterte und deren Botschaft er teilweise um
31 Hoffmann, Die spanische Diana (wie Anm. 19), S. 163–166. Das Beispiel für Nürnberger Manierismus: Diana (wie Anm. 15) III, 190; Hoffmann, S. 163 f. Auch die von Hoffmann angeführten besonderen Versformen stammen alle aus dem 3. Teil: III, 49–72, III, 154. 32 Vgl. oben Anm 1. 33 Frauenzimmer-Gesprächspiel (wie Anm. 14), Nr. XIV, S. [64]–[78] 34 Frauenzimmer-Gesprächspiel (wie Anm. 14), Nr. X, S. [60]–[68].
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bog.35 Wie der Titel ankündigt beschreiben die Musen, wie sie von einem Königreich ins andere gereist sind, sich jetzt aber an Elbe, Donau, Rhein, Pegnitz usw. zur Ruhe gesetzt haben. Die Söhne Roms, d. h. die neulateinischen Dichter wie Heinsius, Grotius, Vossius, die beiden Scaliger haben Großes geleistet, jetzt aber spricht „die Teutschgesinnte Schaar“: „Was du kanst/ kan ich auch/ Jch kan die schlagen/ jagen.“ Dieser Binnenreim wird gleich als Überlegenheit des Deutschen thematisiert: „Gib mir die Palmen her/ was ich kan/ kanst du nicht/ | Der Worte Zierlichkeit/ die Reimart dir gebricht.“ Klaj betont also die Ebenbürtigkeit, ja Überlegenheit der deutschen Dichtung, indem er ohne Quellenangabe eine lateinische Ode übersetzt und damit belegt, dass er genau das kann, was er aussagt: nämlich eine dem Lateinischen ebenbürtige Ode samt dem dem Vorbild hinzugefügten Reim dichten. Wilhelm Kühlmann geht noch weiter, wenn er feststellt, dass Klaj sich mit dem Gedicht in einen kulturpolitischen Diskurs integriert: „Lateinische Literatur als Studienobjekt und eventuell noch als Lernhilfe, nicht mehr aber als aktuelles und in Zukunft weisendes Medium der Kunstpoesie in Deutschland – so läßt sich das Fazit des kulturkritischen Diskurses bezeichnen, in den sich Klaj mit seinem Gedicht integriert.“36 Klaj, das hat sich schon am Beispiel der im Pegnesischen Schäfergedicht zitierten lateinischen Vorbilder und in der Übersetzung des dritten Teil der Diana aus dem Lateinischen gezeigt, scheint vor allem danach zu streben, die Ebenbürtigkeit, ja Überlegenheit des Deutschen gegenüber dem Lateinischen mit seinen Dichtungen und Bearbeitungen zu beweisen. Harsdörffer hat diese dichterischen Qualität Klajs durchaus erkannt, wenn er alle 1645 erschienenen Publikationen Klajs, die Conrad Wiedemann unter dem Titel Redeoratorien publiziert hat, mit kommentierenden oder lobenden Texten begleitet hat. Markus Paul hat gezeigt, dass es sich bei diesen Texten nicht um Oratorien handelt, wie Wiedemann meinte, sondern um Schulactus, die der rhetorischen Übung dienten.37 Der Begriff „Schulactus“ dürfte aber für die Texte Klajs und die zwei andern einzigen deutschen Texte, die Paul aus dem Korpus anführt. nämlich Christoph Arnolds Kunst-Spiegel hochdeutscher Sprache, einer Lobrede
35 Siehe dazu die Analyse der Ode von Wilhelm Kühlmann: Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer. Zur Interferenz und Rivalität jesuitischer und deutsch-patriotischer Literaturkonzeption. In: Thorsten Burkard u. a. (Hg.): Jacob Balde im kulturellen Kontext seiner Epoche. Zur 400 Wiederkehr seines Geburtstages. Regensburg 2005 (Jesuitica, 9), S. 93–112. Die Baldesche Ode trägt den Titel: „Ad Valerium Adonem Laurentii Adonis Fr. Musae Cingarae Sive artium & Scientiarum de Regno in Regnum migratio.“ 36 Kühlmann, Balde, Klaj (wie Anm. 35), S. 97. 37 Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2004 (Frühe Neuzeit, 6), S. 235–280.
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der deutsche Sprache,38 und Sigmund von Birkens Krieges- und Friedensbildung39 auch nicht zutreffend sein. Es geht in diesen Texten nicht um den Beweis rhetorischer oder theologischer Fähigkeiten, die weder der Lehrer des Aegidiengymnasiums noch der gekrönte Poet Birken erbringen müssen, sondern es geht in allen Beispielen um den Beweis dichterischer Virtuosität im Deutschen bzw. um das Lob der deutschen Sprache. Auch die umfangreichen Paratexte – Titelblätter, die Widmungsgedichte von Klaj selbst an den Rat von Nürnberg oder an andere Notabeln, die Lobgedichte und die von Harsdörffer beigesteuerten Texte – weisen auf eine andere Funktion als die der lateinischen Schulactus hin. Es geht hier nicht um den Leistungsnachweis für angehende Theologen, wie Paul meint, sondern um die Demonstration, wozu die deutsche Sprache fähig ist.40 Deshalb ist es besser im Falle Klajs und der zwei anderen deutschen Texte von actus zu sprechen.41 Klajs actus sowie die beiden von Arnold und Birken sind Bestandteil des kulturpolitischen Programms der Pegnitzschäfer, nämlich die Überlegenheit der deutschen Sprache und insbesondere der deutschen Dichtung über die lateinische bzw. deren Ebenbürtigkeit zu andern europäischen Literatursprachen zu demonstrieren. Schon die Einladungsschreiben Dilherrs, in diesem Fall immer Deutsch und Lateinisch verfasst, sind aufschlussreich. So betont Dilherr Klajs dichterisches Vermögen und adressiert sich an die „Kunstergebnen Leute“: Wie aber dieses könn ein jeder recht verbringen/ Das über nimmt Herr CLaJ euch klüglich vorzusingen/ Der unlängst in Latein/ was seine Clio kan/ Mit einem Kunstgesang hat lieblich dargethan.
38 M. Christof Arnolds Kunst-spiegel/ Darinnen die Hochteutsche Sprach nach ihrem merckwürdigen Uhraltertuhm/ ersprießlichen Wachstuhm/ und reich-völligen Eigentuhm/ auf Fünfferlei Gestalten Denkzeitweis außgebildet. Nürnberg: Dümler, 1649 (VD17 12: 12:130752E). Christoph Arnold (1627–1685) wurde 1645 als 6. Mitglied unter dem Namen Lerian in den Blumenorden aufgenommen. Siehe Herdegen, Historische Nachricht (wie Anm. 1), S. 241 (bei Herdegen ist er die Nummer 5, weil er Harsdörffer nicht mitzählt). 39 Sigmund von Birken: Krieges- und Friedensbildung; in einer Bey hochansehnlicher Volkreicher Versammelung offentlich vorgetragener Rede aufgestellet Nebst einer Schäferey/ Durch Sigismund Betulius. [Nürnberg] 1649. Dass in den meisten dieser actus auch von Krieg und Frieden die Rede ist und dass der Friede herbeigesehnt wird, verdiente eine genauere Untersuchung. Der Text von Christoph Arnold ist z. B. wie Klays Freudengedichte Karl Gustav Wrangel gewidmet. 40 Siehe Paul, Reichsstadt und Schauspiel (wie Anm. 37), S. 271, der zusammenfassend meint, es sei um Leistungsnachweise des angehenden Theologen gegangen. 41 Ich schließe mich mit diesem Begriff Irmgard Scheitler an; Irmgard Scheitler: Harsdörffer und die Musik. Seelewig im Kontext deutschsprachiger Musikdramatik. In: Stefan Keppler-Tasaki / Ursula Kocher (Hg.): Georg Philipp Harsdörffers Universalität. Beiträge zu einem Uomo univerale des Barock. Berlin 2011 (Frühe Neuzeit, 158), S. 213–235, hier S. 214.
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Ihrgrossen Vätter komt/ ihr Kunstergebnen Leute/ […] Komt/ komt und höret an das liebliche Vermögen/ Das unser Sprache hat die Hertzen zu bewegen/ Hört dem Poeten zu/ was in gebundner Weiß/ In unserer Mutterzung erlange klugen Preiß.42
Ganz ähnlich in der Einladung zu Höllen- und Himmelfahrt Christi, wo Klaj wiederum als Poet apostrophiert wird, vor dem Rom und Griechen sich verstecken müssen: Daß aber diß/ wie recht/ wer hören kan/ bedenke/ Führt CLAJVS herrlich auß in unsrer Sprache Macht/ Erhebend Wolkenhoch deß Himmelsfahrers Pracht. […] Ihr Herren von dem Raht/ Jhr grossen Stadtregirer/ Jhr alle/ die ihr seyd der klugen Künste Führer/ Wann morgen/ liebt es Gott/ die Predigt früh wird auß/ Hört dem Poeten zu/ was er vom Musenhauß Euch süsses bringen wird. Es müssen sich verkriechen Die grosse Mutter ROM/ und alle Lügengriechen/ Wann unser Sprache stralt. Die/wan sie sich erhitzt/ Erschallet/ prallet/ brült/ sie wetterleuchtet/ vnd blitzt.43
In der Einladung zur Lobrede der Teutschen Poeterey geht er noch einen Schritt weiter, indem nun auch noch die Spanier und Franzosen vor Klajs Kunst erblassen: Wie rein-und scheinlich prangt sie [unsre HeldenSprach] aus dem Grund gezieret/ Wie Majestätsch klingt/ was unsre Zunge rühret? Der lüstrend Römer weicht/ der Griech der Trunkenpold/ Der grosse Spanier/ der Frantzmann Neurungshold/ Erblasset neben uns.44
Angesprochen werden die „Kunstergebnen“ bzw. „Kunstbeförderer“. Und Klaj wird von Anfang an als ein vollendeter Dichter vorgestellt, der die deutsche Sprache beherrscht, eingeladen wird eindeutig zu einem Kunstgenuss und nicht zu einer Art Examensveranstaltung wie im Schulactus. Bleibt noch der Bezug zu Hars-
42 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [8]. 43 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [63]. 44 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [383].
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dörffer: meine These ist, dass Klajs poetische Texte als Texte im Dienst von Harsdörffers Programm stehen, durch Übersetzung und Nachahmung von Texten aus der Romania die deutsche Dichtung auf das Niveau der europäischen zu heben. Dazu passt auch, dass im frühesten Text Aufferstehung Jesu Christi, der am 23. April 1644 rezitiert wurde, schon im Untertitel betont wird, dass diese „In ietzo neuübliche hochteutsche Reimarten verfasset“ sei.45 Zudem werden bei den einzelnen Repliken die Versmaße, manchmal auch die Gedichtformen angegeben. Im Kommentar weist Klaj darauf hin, dass die Versmaße dazu dienen, Affekte wiederzugeben. So heißt es zu einer Rede Maria Magdalenas: „Maria Magdalena führet allerhand Arten der Verse/ weil sie als ein betrübtes Weibsbild bald in diese/ bald in jene Gedancken gerät.“46 Klaj rühmt in der „Vberreichungsschrifft“ an den Rat von Nürnberg die deutsche Sprache als Natursprache, ein Aspekt, der sonst meistens Harsdörffer bzw. Schottelius zugeschrieben wird:
Er [der teutsche Mann] gehet der Natur in allen Dingen nach/ Er donnert/ sauset/braust/ er rauschet gleich dem Bach/ Der Lerchen hört er ab ihr Tiretireliren/ Den Wassern ihr Gesäusl und murmelndes Spatziren Er rasselt/ prasselt/ brült/ wie wann der Donner brumt/ […] Wie Berge Feuer streuen/ Bepichen Laub und Grass heissiedend Hartz ausspeien/ Spricht ietzt ein teutscher Mund mit schönen Reden auß/ Parnassus ist nun teutsch der Musen Sommerhauß.47
Klaj zeigt sich zudem als selbstbewusster Poet, der zum Ruhm Nürnbergs beiträgt: Nun wol so liebet den/ ihr alten teutschen Helden/ Der in der Mutterzung wil euren Ruhm vermelden/ und euer Nürenberg/ die Lust und Zier der Welt/ Jn welcher Kunst und Witz/ in welcher Gold und Geld/
45 Aus den ersten Zeilen des Gedichts geht hervor, dass Klaj den Text vor dem Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg an Ostern vorgetragen hat. Aus dem Lobgedicht eines gewissen Johann Graf kann man ableiten, dass Klaj bereits an Weihnachten 1643 ein Gedicht vorgetragen haben muss. „Ihr/ dessen kluger Geist/ mit Honigsüssen Lippen/ | besungen die Geburt/ den Wunderstern/ die Krippen | Des zweygestammten Helds: habt in der Lentzenlufft Nun auch den Wundersieg/ […] Auff Kunstgebundne Weiß erklungen und beschrieben“; Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [54]. 46 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [35]. Siehe dazu auch Scheitler, Harsdörffer (wie Anm. 41), S. 219. 47 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [4], V.23ff.
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Wil in das Sternenbuch mit güldner Dinte schreiben/ Daß es die Nachwelt liest und ewig muß bekleiben.48
Er stellt sich also keineswegs, wie dies im Barock üblich ist, als einer der in seinen Nebenstunden dichtenden Poeten dar, sondern als einer, dessen Werk die Zeiten überleben wird.49 In der „Vberreichungsschrifft“ an die Stadtväter beschreibt er die Stadt als Sitz der Musen, eine Charakterisierung, die er in der Folge immer wieder abwandeln wird.50 Die im gleichen Jahr erschienene Höllen- und Himmelfahrt Christi, welche den gleichen Untertitel trägt wie die Aufferstehung ist ebenfalls mit den Angaben zu den Versmaßen ausgestattet. In der „Vberreichungsschrifft“ hebt Klaj noch deutlicher als in der Aufferstehung das Blühen der deutschen Sprache und Deutschland als der „Künste Schauplatz“ hervor. Er setzt die Gründung der Fruchtbringenden Gesellschaft gleich mit der Erfindung des Buchdruckes im Jahre 1440, der Weltumsegelung Magellans und Luthers Thesenanschlag genau 100 Jahre vor der Gründung der Fruchtbringenden Gesellschaft.51 Harsdörffers Lobgedichte zur Aufferstehung und zur Höllenfahrt weisen in dieselbe kulturpolitische Richtung. Sie loben typischerweise nicht Klaj sondern die deutsche Sprache bzw. die deutsche Dichtung. Im Gedicht zur Aufferstehung „Wiederkehr / Entgegengesetzt den Verächteren der Teutschen Sprache“ geht es darum, dass sich die Deutschen auf ihre „Heldenzeit“ besinnen sollen und die deutsche Sprache für ihre Dichtkunst verwenden sollen: Jhr Teutsche! besinnet eur hohes Vermügen / und hasset ausländischer Sprache Betrügen. Euch sollte nur euere Zunge begnügen / (in welcher die Künst sich gleichesfals fügen/) ihr hättet den Helicon längsten erstiegen / und würde der Griechen Berühmen versiegen.52
Von Harsdörffer wird er im „Lobgedicht“ zur Höllenfahrt als Orpheus bezeichnet, der die vergiftete Sprache (Eurydike) wieder ans Licht führt.
48 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [5], V. 33ff. 49 Zum Selbstbild als Dichter siehe auch die Beiträge von Franz M. Eybl und Ralf Schuster in diesem Band. 50 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [5], V.49 ff. 51 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [60f.]. 52 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [52]. Hier scheint mir besonders deutlich, dass Harsdörffers Verse hinter denen von Klaj zurückbleiben.
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Er hat Himmel und Erden künstlich besungen/ vieler neidischer Geister Zungen bezwungen/ Er hat unserer Sprache prächtige Macht nun gerettet/ und auß der tunklen Nacht hierwiedergebracht.53
Zu der im Oktober 1644 vorgetragene Lobrede der Teutschen Poeterey hat Harsdörffer eine Titelvignette und ein ausdeutendes Gedicht beigetragen.54 Das Bild zeigt einen Witdoden, was gemäß Harsdörffer so viel bedeutet wie Philosoph, in Wirklichkeit ist aber, wie die Attribute Geige und Liederbuch zeigen, ein Dichter gemeint. Harsdörffer fordert die Deutschen auf, nicht mit dem Degen alles zu verheeren, sondern die Feder zu ergreifen.55 Das 16-zeilige Gedicht ist von zahlreichen Anmerkungen begleitet, welche Harsdörffers Gelehrsamkeit, aber auch seine sprachpolitischen Interessen zeigen. Klajs Rede hingegen kommt im Gegensatz zu seinen actus ohne Anmerkungen aus. Die Lobrede der Teutschen Poeterey ist die erste poetologische Schrift aus dem Kreis der Nürnberger, wenn man von den poetologischen Äußerungen in den Gesprächspielen absieht. Sie passt perfekt in das Programm, das Harsdörffer und Klaj verfolgen. Bei zwei Texten Klajs übernimmt Harsdörffer die poetologischen Kommentare, indem er Klajs Text mit einer eigentlichen poetologische Abhandlung begleitet: Herodes der Kindermörder/ Nach Art eines Trauerspiels ausgebildet und in Nürnberg Einer Teutschliebenden Gemeine vorgestellet deutet im Untertitel wiederum die sprachpolitische Absicht an. Die Lektion wird jetzt komplexer, da es sich um ein Trauerspiel handelt. Dass hier eine neue Stufe in der Poesie erreicht ist, zeigt sich schon im ersten Satz der Widmung, wo Klaj in einem Satz, den er aus Opitz’ Vorrede „An den Leser“ zu dessen Übersetzung der Trojannerinnen des Seneca übernommen hat, schreibt, „daß Schauspiele dichten vorzeiten nur Kaiser/ Fürsten/ grosser Helden/ und Weltweiser/ nicht aber schlechter Leuthe Thun gewesen“ sei. Er übernimmt auch die Definition der Tragödie von Opitz, diese sei „ein Spiegel menschlicher Zufälle“, durch welche wir „in Wehmut gerah-
53 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [122]. 54 Zur Lobrede siehe Ferdinand van Ingen: Dichterverständnis, Heldensprache, Städtisches Leben. Johann Klajs „lobrede der teutschen Poetery“. In: Barbara Becker-Cantarino / Jörg-Ulrich Fechner (Hg.): Opitz und seine Welt. Festschrift für George Schulz-Behrend zum 12. Februar 1988. Amsterdam 1990 (Chloe, 10), S. 251–266. 55 Dieses Bild von der mit der Feder statt mit dem Degen kämpfenden Deutschen kommt auch bei Klaj vor. Siehe die Formulierung in der „Vberreichungsschrifft“ zur Aufferstehung: „Jetzt kan ein teutscher Mann sich recht behutsam schützen/ | Den Feind zu rükke haltn mit seiner Spracheblitzen/“ (Klaj: Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [4]. V. 21 f. In Bezug auf Luther dasselbe Bild: Luther „Erleget Babylon mit einem Federkiel.“ (ebda, S. [60]).
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ten“, wir könnten aber auch „aus den schönen eingemengten Sprüchen“ lernen/ daß uns beiderley Glük/ wie es andern aufgestossen/ auch begegnen könne/ dahero selbiges mänlich zu erwarten und sanfftmütiger ertragen.“56 Er führt dann aus, was man aus dem vorliegenden Trauerspiel lernen kann. Die Zuschauer soll „ein grausames Furchterstaunen ankommen/ als welches die vornehmste Bewegungen seyn/ die ein Trauerspielen zu beobachten“.57 Man sieht an dem Ausdruck „Furchterstaunen“, dass die Begrifflichkeit noch sehr vage ist. Der Begriff ‚Beständigkeit‘ der in der Tragödiendiskussion eine große Rolle spielen wird, kommt bei Klaj nicht vor, obwohl ihn Opitz zur Beschreibung der Wirkung der Tragödie braucht. Klaj ist in diesem Text, der von Musik begleitet aufgeführt wurde, Heinsius‘ Herodes infanticida, also wiederum wie bei allen seinen Bearbeitungen einem lateinischen Text gefolgt.58 Harsdörffer hat die Bildnisse von Herodes und Mariamne aus La Cour sainte von Nicolas Caussin samt einer Übersetzung der dortigen lateinischen Bildunterschriften beigesteuert.59 Ferner hat er auf sieben Seiten eine eigentliche Abhandlung zum Trauerspiel verfasst, wobei er betont, dass es sich beim Trauerspiel um ein „Kunst- und Meisterstück der Poetery “ handle und dass die Gattung mit Klajs Herodes „in unserer Teutschen Sprache einen so ansehlichen beliebten Anfang erlanget.“60 Das unterstützt meine These, dass es für Harsdörffer in diesen Texten Klajs darum geht, Musterstücke deutscher Poesie zu präsentieren, wozu er, Harsdörffer, die Theorie liefert. Er folgt in der Definition zunächst dem Horazischen prodesse et delectare: „Die Endursache ist in den Trauerspielen der Nutzen und das Belusten“, wobei der Nutzen im Abscheu vor dem Laster und in der Begierde zur Tugend besteht. Er fügt dann an: Dieses leistet der Poet füglicher als der Redner; dann/ ob sie wol beiden den sonst todten Buchstaben mit der lebendigen Stimme beseelen/ so beherrscht doch der Redner nur den Verstand/ so bei dem Pövelvolk öffermals sehr verdüstert ist/ der Poet belanget zugleich die
56 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [131] 57 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [132]. „Gunstiger Leser/ Trawerspiele dichten ist vorzeiten Kayser/ Fürsten/ grosser Helden vnd Weltweiser Leute thun gewesen. […] Denn eine Tragödie/ wie Epictetus sol gesagt haben/ ist nichts anders alß ein Spiegel derer/ die in allem jhrem thun vnd lassen/ auf das blösse Glück fussen.“ Martin Opitz: Teutsche Poemata. o.O. 1640, S. 430 f. 58 Zum Verhältnis von Klaj und der Tragödie seiner Zeit siehe: Robert R. Heitner: Johann Klaj’s popularization of neo-latin drama. In: Daphnis 6/3 (1977), S. 313–325. 59 Nicolas Caussin: La cour sainte. Bd. II. Paris 1645, S. 179. Harsdörffer kennt die lateinische Übersetzung des Jesuiten Wilhelm Laimermann (Nicolai Caussini […] aula impia Herodis, pia Theodosii Junioris et Caroli Magni castra impietatis victricia/ ex fallico in latinum idioma transl. per Guilielmum Lamormaini. Köln 1644), der aber die Bildnisse nicht wiedergebe. Das Bildnis von Herodes habe ich nicht gefunden, wahrscheinlich befindet es sich im Band III. 60 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [191].
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Bildungskräfte (facultatem imaginativam) in dem er alles so vernehmlich/ als in Gegenwart ausmahlet/ vorstellet.61
Es folgen eine Reihe von Beispielen, wie die Dichter den Zuschauern „die Zehren aus den Augen gepresset“ haben. Hier wird geradezu thematisiert, dass Klajs Texte als Dichtung und nicht als Rede verstanden werden wollen und dass den beiden Autoren der Unterschied zwischen Rhetorik und Dichtung und ihre verschiedenen Wirkungen sehr wohl bekannt ist. Es ist hier nicht der Ort, Harsdörffers Abhandlung im Kontext der Tragödienpoetik genauer zu analysieren. Auffällig gegenüber dem Abschnitt über die Tragödie im Poetischen Trichter ist, dass er weniger systematisch ist als in der Poetik. Auffällig gegenüber andern Texten über die Tragödie ist, dass er die italienischen Ausleger des Aristoteles Giraldo Cinzio, Castelvetro, Vida und selbstverständlich: Scaliger und Heinsius sowie den Franzosen Jules de la Mesnardière kennt.62 Harsdörffer lobt Klajs Text, sagt aber, dass Herodes als Tyrann nach „den Regeln der Meister dieser Kunst“ hätte sterben müssen.63 Zum Schluss betont er nochmals, wie schwierig es sei, im Bereich der Tragödie „etwas lobwürdiges“ zu leisten, weil der Poet die Neigung, die er dem Zuhörer beibringen wolle, bei sich empfinden müsse. Es geht hier darum, die Vorteile und die Wirkung der Poesie zu demonstrieren und diskutieren und den Dichter aufzuwerten. Dem Leidenden Christus hat Klaj einen Brief Harsdörffers beigegeben, in dem sich dieser sowohl zum Inhalt wie auch zu den Versen äußert. Er gibt ihm Ratschläge, wie er Autoren, die das Thema des Leidenden Christus dargestellt haben, unter ihnen vor allem Hugo Grotius und dessen englischen Übersetzer George Sandys, nachahmen solle. Er erklärt, dass man die Verse zum Ausdrücken der Affekte verwenden solle, was ja Klaj bereits in der Aufferstehung angewendet und sogar kommentiert hat. Es wird auch erklärt, was daktylische Verse seien, was Klaj als Buchner-Schüler wahrscheinlich besser wusste als Harsdörffer. Wenn Harsdörffer hier als Mentor von Klaj erscheint, ist das umso seltsamer als Klaj durch die bereits publizierten Texte bewiesen hat, dass er die Versformen und ihren Verwendungszweck sehr gut kennt und sie auch virtuos einzusetzen versteht. Eigentlich kann Harsdörffers Text nur den Zweck haben wie schon der über die Tragödie, dem Publikum das poetologische Wissen zu vermitteln, das es braucht, um die Virtuosität dieser Texte schätzen zu können.
61 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [192]. Zur Rolle dieser Autoren in der Aristoteles-Rezeption siehe Rosmarie Zeller: Der Diskurs über die Poetik des Aristoteles in deutschen und lateinischen Poetiken des 17. Jahrhunderts. In: Etudes germaniques 57 (2002), S. 5–33. 62 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [193], [196]. 63 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [196].
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Rosmarie Zeller
Zum Leidenden Christus hat Harsdörffer auch noch ein Emblem auf dem Titelblatt beigesteuert. Die Embleme scheinen seine eigentliche Spezialität zu sein. Es stellt die Seele in ihrem herzlichen Verlangen nach dem ewigen Leben dar, was wiederum in einem Gedicht erklärt wird.64 Klajs Eifer scheint nach diesen Publikationen 1646 nachgelassen zu haben, wie aus einem Brief Harsdörffers an Birken vom 31. Mai 1646 hervorgeht: „Er [Klaj] beschäftigt sich im Schildkrötentempo mit einer Übersetzung der Baldeschen Philomela ins Deutsche. Seine Muse ist völlig podagrisch und lahm oder geht auf Stelzen: ich sage es deutlich: er ist stinkfaul.“65 Etwas mehr als einen Monat später, am 4. Juli 1646 beschreibt er die Situation ausführlicher gegenüber Birken: „Herr Klaj, der einst einer der Unseren war, hat seine Anstellung verloren und hält sich nun im Wirtshaus auf. Wenn ihm die Musen günstig sind, so tauscht er seine Feder nicht in Geist (wobei bekanntlich Kunst entstünde), sondern in Bier und prostituiert die Kunst wie eine Hure. […] Er hat Verschiedenes angefangen, bei seiner Faulheit aber nichts richtig zu Ende gebracht. Seinen ‚Kampf der Riesen und Zwerge‘ habe ich noch nicht gesehen.“66 Wenn Harsdörffer such über Klajs Müßiggang aufregt und ihn gleichzeitig als einen der „unsern“ bezeichnet, so zeigt dies, dass er ein Programm verfolgt, zu dem Klaj das seine dazu beitragen sollte. Nach Birkens Weggang nach Wolfenbüttel war Klaj wohl umso wichtiger für Harsdörffer. Er war aber offensichtlich nicht mehr bereit, diese Rolle zu spielen. Vielleicht hat auch die Tatsache, dass seine Mitarbeit an der Diana-Bearbeitung von Harsdörffer verschwiegen wurde, auch dazu beigetragen, dass Klajs Eifer für die Zusammenarbeit erlahmt ist.
Schluss Die Untersuchung der Zusammenarbeit von Harsdörffer und Klaj zeigt ein gewisses Ungleichgewicht. Harsdörffer scheint ein Programm zu verfolgen, für das er den begabteren Klaj, der die Mustertexte zu diesem Programm liefert und sie sogar öffentlich vorträgt, braucht. Harsdörffer scheint sich dabei auf kommentierende Paratexte zu beschränken, behält aber gerade dadurch auch die Oberhand über Klaj, der besonders im Fall der Diana-Übersetzung auf das stumme H reduziert wird.
64 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 12), S. [208], [242]. 65 Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Georg Philipp Harsdörffer, Johann Rist, Justus Georg Schottelius, Johann Wilhelm von Stubenberg und Gottlieb von Windischgrätz. Hg. von Hartmut Laufhütte / Ralf Schuster. Berlin 2007 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 9 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 53), S. 590. 66 Birken, Briefwechsel mit Harsdörffer (wie Anm. 65), S. 595.
Ralf Schuster
Johann Klaj und Sigmund von Birken Eine Spurensuche im Birken-Archiv des Pegnesischen Blumenordens Dass das Archiv des Barockautors Sigmund von Birken – er lebte von 1626 bis 1681 – eine reiche Fundgrube und ein Quellencorpus ersten Ranges für literarhistorische Forschungen verschiedenster Art darstellt, ist lange bekannt und hat sich in den letzten 15 Jahren durch das Wachsen der an Forschungsstellen in Osnabrück, Hamburg und Passau betreuten Birken-Werkausgabe vielfältig bestätigt.1 Birken, der kinderlos verstarb, hat seinen literarischen Nachlass und sein Briefarchiv sowie Teile seiner Bibliothek dem Pegnesischen Blumenorden hinterlassen, dessen zweiter Präses er war. Der Blumenorden, den es immer noch gibt, hat diesen Nachlass über die Jahrhunderte bewahrt. Heute wird er im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt. Birken stand im Briefwechsel mit zahlreichen bekannten Schriftstellern seiner Zeit. Diese Korrespondenzen liefern vielfältige und oft sehr detaillierte Informationen zu Biographie und Werkgeschichte dieser Partner und Birkens. Catharina Regina von Greiffenberg, Georg Philipp Harsdörffer, Johann Rist, Johann Wilhelm von Stubenberg, Georg Neumark, Jus-
1 Zu Birken und seinem Archiv siehe etwa Klaus Garber: Sigmund von Birken: Städtischer Ordenspräsident und höfischer Dichter. Historisch-soziologischer Umriß seiner Gestalt. Analyse seines Nachlasses und Prolegomenon zur Edition seines Werkes. In: Martin Bircher / Ferdinand van Ingen (Hg.): Sprachgesellschaften – Sozietäten – Dichtergruppen. Hamburg 1978 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 7), S. 223–254; Hartmut Laufhütte: Sigmund von Birken. Leben, Werk und Nachleben. Gesammelte Studien. Passau 2007; Hartmut Laufhütte (Hg.): Der Pegnesische Blumenorden unter der Präsidentschaft Sigmund von Birkens. Gesammelte Studien der Forschungsstelle Frühe Neuzeit an der Universität Passau (2007–2013). Passau 2013. Zur BirkenWerkausgabe s. Floridans Amaranten-Garte. Hg. von Klaus Garber / Hartmut Laufhütte in Zusammenarbeit mit Ralf Schuster. 2 Bde. Tübingen 2009 (Sigmund von Birken. Werke und Korrespondenz, 1 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 55/56), S. XIX–CXXXI; Hartmut Laufhütte: Der Birken-Nachlaß im Archiv des Pegnesischen Blumenordens. Seine Bedeutung für Kultur- und Literaturwissenschaft und für die Birken-Ausgabe. In: Werner Kügel (Hg.): „Erfreuliche Nützlichkeit – Keim göttlicher Ehre“. Beiträge zum Harsdörffer-Birken-Colloquium des Pegnesischen Blumenordens im Oktober 2014. Passau 2015, S. 201–218.
Mein besonderer Dank gilt Hartmut Laufhütte für zahlreiche Hinweise. Die Transkriptionen und Übersetzungen lateinischer Briefe Johann Georg Styrzels ins Deutsche hat er freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Den Übersetzungen der Styrzel-Briefe liegen von Hannelore Söldner im Rahmen des Birken-Projekts angefertigte Übersetzungen zugrunde. https://doi.org/10.1515/9783110669480-008
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Ralf Schuster
tus Georg Schottelius, Gottlieb von Windischgrätz, Martin Kempe und viele andere bedeutenden Persönlichkeiten des damaligen Literaturbetriebs gehörten zu Birkens Korrespondenzpartnern. Von einem der wichtigsten und wohl auch umfangreichsten Briefwechsel, dem mit Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg, sind leider nur sehr wenige Bestandteile erhalten. Angesichts dessen sollte man nun erwarten, dass das Archiv auch für Birkens Kontakt zu Johann Klaj von besonderer Ergiebigkeit ist. Schließlich waren die beiden Nürnberger Dichter früh Mitglieder des Blumenordens geworden – Klaj war dessen Mitbegründer neben Harsdörffer, Birken zählte zu den allerersten Pegnitzschäfern. Aber die Quellenlage ist erstaunlicherweise sehr dürftig: Das Birken-Archiv enthält nur wenige Dokumente des Kontaktes zu Klaj. Was das für Materialien sind und wie ihre geringe Zahl zu erklären ist, soll hier behandelt werden. Der Kontakt bzw. Nichtkontakt zwischen Birken und Klaj lässt sich in unterschiedliche Phasen einteilen, die sich durch beider Ortswechsel erkennen lassen. Die erste Phase, die einzige wirkliche Kontaktphase, erstreckt sich vom Oktober 1644 bis zum Dezember 1645. Klaj hielt sich spätestens seit Anfang 1644 in Nürnberg auf. Kriegsgefahr und mangelnde berufliche Perspektiven hatten ihn veranlasst, seinen Studienort Wittenberg zu verlassen. In Nürnberg gewann er zwei wichtige Mentoren, die für seinen weiteren Bildungsweg von entscheidender Bedeutung waren. Der eine davon war der bedeutende Nürnberger Theologe Johann Michael Dilherr (1604–1669).2 Er ermöglichte Klaj von 1644 an die Aufführung mehrerer Redeakte im auditorium publicum.3 Das auditorium publicum war eine
2 Zu Dilherr siehe etwa Gerhard Schröttel: Johann Michael Dilherr und die vorpietistische Kirchenreform in Nürnberg. Nürnberg 1962 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, 34); ders.: Johann Michael Dilherr. In: Gerhard Pfeiffer / Alfred Wendehorst (Hg.): Fränkische Lebensbilder. Bd. 7. Neustadt/Aisch 1997 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VII A, 7), S. 142–151; Karlheinz Goldmann: Johann Michael Dilherr. 1604–1669. In: Wolfgang Ruhl (Hg.): Fränkische Klassiker. Eine Literaturgeschichte in Einzeldarstellungen mit 255 Abbildungen. Nürnberg 1971, S. 289–300; Thomas Bürger: Der Briefwechsel des Nürnberger Theologen Johann Michael Dilherr. In: Martin Bircher / Jörg Ulrich Fechner / Gerd Hillen (Hg.): Barocker Lust-Spiegel. Studien zur Literatur des Barock. Festschrift für Blake Lee Spahr. Amsterdam 1984 (Chloe. Beihefte zum Daphnis, 3), S. 139–174; Renate Jürgensen: Johann Michael Dilherr und der Pegnesische Blumenorden. In: Klaus Garber / Heinz Wissmann / Winfried Siebers (Hg.): Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. 2 Bde. Tübingen 1996 (Frühe Neuzeit, 26/27), S. 1320–1360; Ernst Rohmer: Literatur und Theologie in Nürnberg. Johann Michael Dilherr und der Pegnesische Blumenorden. In: Andreas Solbach (Hg.): Aedificatio. Erbauung im interkulturellen Kontext der Frühen Neuzeit. Tübingen 2005, S. 267–283. 3 Siehe Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 235 ff. Zu den einzelnen Reden s. ebd., S, 258 f., 267– 269.
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Johann Klaj und Sigmund von Birken
von Dilherr 1642 eingerichtete, dem Egidiengymnasium angegliederte Institution, die ein zweijähriges Propädeuticum für das Universitätsstudium ermöglichte. Zur Vorbereitung auf die universitäre Ausbildung wurden Vorlesungen angeboten, die das Grundstudium an Universitäten abdeckten.4 Derartige Zwischenstufen zwischen Gymnasium und Universität entstanden im siebzehnten Jahrhundert in zahlreichen deutschen Städten unter verschiedenen Namen wie etwa Gymnasium illustre, Akademisches Gymnasium usw. Klaj scheint 1644/45 mindestens fünf Redeakte im Rahmen des auditorium publicum vorgetragen zu haben.5 Dilherr ermöglichte es Klaj also, sich rasch und mit offenbar nicht geringem Erfolg in der reichsstädtischen Gesellschaft als Dichter zu profilieren. Auf Klajs Redeakte, für die sich in der Forschung der nicht ganz unproblematische Begriff ‚Redeoratorien‘ etabliert hat, kann hier nicht weiter eingegangen werden.6 Der andere wichtige Mentor Klajs war Georg Philipp Harsdörffer, der zusammen mit Klaj den Pegnesischen Blumenorden begründete und Klaj vielfältig förderte.7 Harsdörffers Mentorenschaft für Klaj und die Zusammenarbeit dieser beiden Schriftsteller ist Gegenstand des Beitrags von Rosmarie Zeller in diesem Band. Harsdörffer und Dilherr waren nun auch wichtige Förderer des jungen Sigmund Betulius8 – so hieß Birken vor seiner Nobilitierung 1655. Man darf davon 4 Siehe ebd., S. 243–245. 5 Siehe Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908 (Beiträge zur deutschen Literaturwissenschaft, 6), S. 17. 6 Siehe dazu Paul, Reichsstadt und Schauspiel (wie Anm. 3) und die einschlägigen Beiträge in diesem Band. 7 Zu Harsdörffer siehe etwa: Theodor Bischoff: Georg Philipp Harsdörfer. Ein Zeitbild aus dem 17. Jahrhundert. In: Theodor Bischoff / August Schmidt (Hg.): Festschrift zur 250jährigen Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens. Nürnberg 1894, S. 1–474; Rosmarie Zeller: Spiel und Konversation im Barock. Untersuchungen zu Harsdörffers ‚Gesprächspielen‘. Berlin u. a. 1974 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, NF 58); Jean Daniel Krebs: Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658). Poétique et poesie. 2 Bde. Bern, Frankfurt/M. u. a. 1983 (Europäische Hochschulschriften, I/642); Italo Michele Battafarano (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer. Ein deutscher Dichter und europäischer Gelehrter. Bern 1991 (Iris, 1); Doris Gerstl (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg 2005; Hans-Joachim Jakob u. a. (Hg.): Harsdörffer-Studien. Mit einer Bibliographie der Forschungsliteratur von 1847 bis 2005. Frankfurt/M. 2006. 8 Birken hat Harsdörffer in seiner Autobiographie in der Liste seiner Förderer an erster Stelle eingetragen; siehe Sigmund von Birken. Prosapia / Biographia. Hg. von Dietrich Jöns und Hartmut Laufhütte. Tübingen 1988 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 14 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 41), S. 25: „I. Autor et Patronus. Harsdörferus.“ Dilherr erscheint in dieser Liste allerdings nicht. Besonders aufschlussreich zum Kontakt Birkens mit Harsdörffer und Dilherr sind die Briefwechsel: Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Johann Michael Dilherr, Daniel Wülfer und Caspar von Lilien. Hg. von Almut und Hartmut Laufhütte in Zusammenarbeit mit Ralf Schuster. 2 Bde. Berlin, Boston 2015 (Sigmund von Birken, Werke und Korres
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Ralf Schuster
ausgehen, dass der Kontakt zwischen Birken und Klaj durch sie hergestellt worden ist. Birken kehrte Anfang Oktober 1644 nach Nürnberg zurück,9 weil er sein Jura-Studium in Jena wegen Geldmangels nicht fortführen konnte. Dilherr hatte Birken schon 1642 kennengelernt, kurz nachdem der Theologe nach Nürnberg gekommen war. Birken hatte am auditorium publicum Vorlesungen Dilherrs und Daniel Wülfers gehört und sogar zeitweise bei Dilherr zur Untermiete gewohnt.10 Nach seiner Rückkehr aus Jena 1644 hat Birken ebenfalls eine kurze Zeit bei Dilherr gewohnt. Wie der Kontakt zu Harsdörffer zustande gekommen ist, wissen wir nicht. Das von Klaj und Harsdörffer 1644 veröffentlichte Pegnesische Schäfergedicht und die Begründung des Blumenordens müssen Birken aber außerordentlich begeistert haben und werden ihn in seiner Entscheidung, Schriftsteller zu werden, bestärkt haben. In Birkens Autobiographie heißt es: Musis ita vacantem, annus proximus ad res domesticas revocavit: […]. Ibi tum ego divinae Poëseos amore, qui à teneris unguiculis me ceperat, magis exarsisse me memini, Divaequè hujus favorem ambire statuisse: stimulantibus partim, partim ad aemulationem provocantibus, Nobilissimo Harsdörfero et Clarissimo Clajo, relioquè Pegnesi-Pastorum Sodalitio, nuper ad auguendum Vernaculae Decus instituto. In hoc igitur paulò post cooptatus, quum Mnemosyno quodam Jenensi venam Carminifluam secâssem, quasi oestro aliquo percitus, sub nomine Floridani (quo simul et Ligulâ nivei coloris, et Amaranthi floris emblemate me insigniverant) in publicum prosilire, et Poëma quoddam Pastoritium, foetum sanè iuvenilem valdè adeoquè abortivum, edere non erubui. Equidem ad ista dux et autor mihi existerant praenominatus Harsdörferus, cui sanè, secundum Deum, multa horum debeo, quae me ornant et docta per ora virûm ambulare faciunt. Libet adscribere, quod in hanc rem tum effudit calamus, […].11 [Schon das nächste Jahr rief den Musenjünger nach Hause zurück. […] Ich weiß noch, dass ich damals zu Hause noch heftiger in der Liebe zur göttlichen Poesie entbrannt bin, die mich von Kindesbeinen an erfasst hatte, und beschlossen habe, mich um die Gunst dieser Göttin zu bemühen. Dabei spornten mich teils an, teils reizten mich zur Nacheiferung der edle Harsdörffer und der berühmte Klaj sowie die übrige Gesellschaft der Pegnitzschäfer, die kurz zuvor zur Beförderung der Zierlichkeit der deutschen Sprache gegründet worden war. Wenig später wurde ich dann auch in diese Gesellschaft aufgenommen, nachdem ich mit einem Erinnerungsgedicht auf Jena die poetische Ader angeritzt hatte. Und gleichsam von einem Gestirn getrieben, war ich unbescheiden genug, unter dem Namen Floridan – den man mir zu-
pondenz, 11 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 81/82), S. XVII–XXX, 1–46, 215–289; Der Briefwechsel zwischen Sigmund von Birken und Georg Philipp Harsdörffer, Johann Rist, Justus Georg Schottelius, Johann Wilhelm von Stubenberg und Gottlieb von Windischgrätz. Hg. von Hartmut Laufhütte und Ralf Schuster. 2 Bde. Tübingen 2007 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 9 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 53), S. XXVI–XXX, 1–30, 563–646. 9 Siehe Birken, Werke und Korrespondenz 14 (wie Anm. 8), S. 24. 10 Siehe ebd., S. 23. 11 Ebd., S. 24 f. Die Übersetzung ebd., S. 72 f.
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gleich mit einem schneeweißen Band und dem Bild der Blume Tausendschön verliehen hatte – in die Öffentlichkeit hervorzutreten und ein Hirtengedicht, eine vollkommen jugendliche Miss-, ja Fehlgeburt, herauszugeben. Allerdings hatte der vorgenannte Harsdörffer das Ganze angeregt und gefördert. Ihm verdanke ich nächst Gott fürwahr vieles von dem, was mich heute auszeichnet und ins Gespräch der Gelehrten gebracht hat.]
Harsdörffer und Klaj erfüllten für Birken also Vorbildfunktionen, und Harsdörffer übernahm zusätzlich auch die Rolle des Mentors. Es verwundert deshalb kaum, dass Birkens erste große Schäferdichtung sich am Pegnesischen Schäfergedicht orientierte und dass Birken sie als dessen Fortsetzung deklarierte. Das Werk erschien 1645 unter dem Titel: Fortsetzung Der Pegnitz=Schäferey/ behandlend/ unter vielen andern rein=neuen freymuthigen Lust=Gedichten und Reimarten/ derer von Anfang des Teutschen Krieges verstorbenen Tugend=berümtesten Helden Lob-Gedächtnisse; abgefasset und besungen durch Floridan/ den Pegnitz=Schäfer. mit Beystimmung seiner andern Weidgenossen. (Nürnberg 1645) Für uns interessant ist nun, dass in einem früheren, ebenfalls auf das Jahr 1645 datierten Druck die Verfasserangabe auf dem Titelblatt noch wie folgt gelautet hatte: „abgefasset und besungen durch Floridan und Klajus/ Die Pegnitz=Schäfer. mit Beystimmung jhrer andern Weidgenossen“.12 Auch auf dem Titelblatt des Neudrucks der Fortsetzung im Rahmen von Birkens Sammlung bukolischer Dichtungen von 1673, der Pegnesis, findet sich Klajs Name nicht mehr. Interessanterweise hat Birken hier auch den Bezug auf das Pegnesische Schäfergedicht fortgelassen; denn das Werk heißt in der Pegnesis: Der Pegnitz-Schäfere Gesellschaft-Weide und Frülings-Freude: beschrieben durch Floridan. Warum Klaj aus der Verfasserangabe gestrichen worden ist, lässt sich schwer sagen, ebensowenig, ob und inwieweit er tatsächlich an der Fortsetzung mitgearbeitet hat. Da die späteren Ausgaben nur noch Birken als Verfasser nennen, kann man davon ausgehen, dass Birken der Hauptverfasser der Fortsetzung war. Falls Klaj überhaupt an dem Werk mitgearbeitet hat, dürfte sein Anteil gering gewesen sein. Vielleicht war aber ursprünglich geplant gewesen, das Werk gemeinschaftlich zu verfassen. Möglicherweise hatten vermarktungsstrategische Überlegungen für die Nennung von Klajs Namen in der ersten Auflage eine Rolle gespielt: Der Name des Autors Sigmund Betulius bzw. dessen Schäferpseudonym Floridan im Blumenorden war damals noch weitgehend unbekannt; Klaj dagegen hatte sich schon einen recht beachtlichen Ruf aufgebaut. Durch die Nennung des Namens Klajus konnte auch der Anschluss an das Pegnesische Schäfergedicht stärker betont wer12 Siehe Georg Philipp Harsdörffer, Sigmund von Birken, Johann Klaj. Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645. Hg. von Klaus Garber. Tübingen 1966 (Deutsche Neudrucke, Reihe: Barock, 8), S. 30* f. Siehe dazu auch Hermann Stauffer: Sigmund von Birken (1626–1681). Morphologie seines Werks. 2 Bde. Tübingen 2007, S. 11–13.
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den, dessen Mitverfasser Klaj ja war. Dann würde sich aber die Frage stellen, warum die Verfasserangabe noch im selben Jahr abgeändert worden ist. Vielleicht war Birken die korrekte Benennung seiner Autorschaft wichtiger als der wirtschaftliche Erfolg des Werkes. Ob die Änderung der Verfasserangabe auf ein frühes Zerwürfnis zwischen Birken und Klaj hinweist, lässt sich nicht sagen. Weitere Indizien dafür gibt es jedenfalls nicht.13 Wie auch immer die ‚Zusammenarbeit‘ bei der Fortsetzung des Pegnesischen Schäfergedichts ausgesehen haben mag: Es gibt noch weitere Zeugnisse eines kollegialen Miteinanders. Birken hat zwei Ehrengedichte für Klaj verfasst. Sie sind sowohl in Birkens umfangreichen handschriftlichen Sammlungen von Casuallyrik eingetragen14 als auch gedruckt worden.15 Sie gelten zwei Werken Klajs, die 1645 erschienen sind, dem Herodes16 und dem Leidenden Christus17. Beendet wurde die erste Kontaktphase durch Birkens Weggang aus Nürnberg im Dezember 1645. Harsdörffer, der große Mentor der beiden jüngeren Dichter, hatte Birken eine Stelle als Assistent des Prinzenerziehers am Wolfenbütteler Hof, Justus Georg Schottelius, vermittelt. Zu dieser neuen Anstellung brach Birken im Dezember 1645 auf. Die damals in Nürnberg ansässigen Pegnitzschäfer haben Abschiedsgedichte für Birken verfasst, unter ihnen auch Klaj.18 Dieses Gedicht hat Klaj in eines der beiden Alben/Stammbücher Birkens eingetragen. Es handelt sich bei diesem Gedicht um das einzige Dokument von Klajs Hand in Birkens Archiv. Die Eintragung ist aber unvollständig erhalten; die zweite Seite mit der dritten Strophe des Gedichts, einem lateinischen Distichon und der Unterschriftgruppe fehlt. Trotzdem kennen wir das Gedicht vollständig, da Birken eine Abschrift in sein zweites Stammbuch eingetragen hat.19 Es lautet:
13 Klaus Garber danke ich für den bedenkenswerten Hinweis, dass die Tilgung von Klajs Namen als Mitverfasser, die ja als Affront aufgefasst werden konnte, von Birken kaum ohne ‚Rückendeckung‘ durchgeführt worden sein kann. Die Aktion könnte mit Harsdörffer und/oder Dilherr abgesprochen gewesen sein. Mangels aussagekräftiger Quellen muss hier aber alles im Bereich der Spekulation bleiben. 14 Sigmund von Birken: S. v. B. Birken-Wälder. Hg. von Klaus Garber / Christoph Hendel / Hartmut Laufhütte. Berlin, Boston 2014 (Sigmund von Birken, Werke und Korrespondenz, 2 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 77/78), Nr. 16 und 17 (S. 25–28). 15 Siehe Stauffer, Birken (wie Anm. 12), Nr. 4 und Nr. 6 (S. 7 f. und 10 f.). 16 Siehe Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Zweite, verbesserte und wesentlich vermehrte Auflage des Bibliographischen Handbuches der Barockliteratur. 6 Bde. Stuttgart 1990–1993, hier Bd. 4 (1991), Nr. 11 (S. 2356). 17 Siehe ebd., Nr. 7 (S. 2355). 18 Ausführlich dazu Birken, Werke und Korrespondenz, Bd. 9 (wie Anm. 8), S. 567 f. 19 Birken hat zu Beginn dieses Albums notiert: „Den theuren Fruchtbringenden auch fürtrefflichen Blumgenossen und Kunstliebenden gewidmet“. Aufgrund dieser Ausrichtung des Stamm
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Heulet, weint, ihr Pegnitzhirten, trübet euren Pegnitzfluß, leget nieder eure Myrten! Floridan, der scheiden muß, war der Pegnitzhirten Zier. Floridan, ich folge dir. Nim hin diese Abschiedsküße, drücke meine treue Hand Geh begrüße größre Flüße, mach dich groß und Weltbekandt, du der Pegnitzhirten Zier Floridan, ich folge dir. Grüße alle Weidgenoßen an der Oker hin und her, Wo der Rhein kömt hergefloßen Sich die Elbe geußt ins Meer. Du der Pegnitzhirten Zier, Biß ich selbsten folge dir.
Darauf folgt dieses lateinische Distichon: ALTER EGO, flos Vatum, Musarum pulle BETULI, sis meus usqué mihi, sim tuus usqué tibi. [Mein zweites Ich, Blume der Dichter, Musenzögling BETULIUS, sei stets der Meine, ich möchte stets der Deine sein.]
Die Unterschriftgruppe lautet: En manum et mentem Tui, Joh. Claii. SS. Theol. Addicti Poë. Laur. Caes.20
buchs hat Birken mehrere Eintragungen aus dem anderen Album – etwa diejenigen von Klaj und Harsdörffer – in das zweite Album übertragen. 20 Album 2, fol. 182v–183r. Die unvollständig erhaltene Originalversion im Album 1 lautet (fol. 22v):
Abschieds reimen. Heulet, weint ihr Pegnitzhirten, Trübet euren Pegnitzfluß,
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Birken fühlte sich offenkundig geehrt durch dieses Gedicht, denn er hat es 1669 in seinem panegyrischen Werk für den Wolfenbütteler Hof Guelfis zusammen mit den anderen Abschiedsgedichten der Pegnitzschäfer veröffentlicht.21 Auch in seine nicht abgeschlossene handschriftliche Autobiographie, die Dietrich Jöns und Hartmut Laufhütte 1988 ediert haben, hat Birken Klajs Gedicht aufgenommen.22 Schon 1650 sind die fünf Abschiedsgedichte in Johann Hellwigs Werk Die Nymphe Noris publiziert worden.23 Klajs Abschiedsgedicht deutet auf eine freundschaftliche Beziehung hin. Ob man den refrainartigen Schlussvers jeder Strophe so verstehen darf, dass Klaj damals selbst Pläne hatte, Nürnberg zu verlassen, muss offen bleiben. Die zweite Phase zeigt nun ein völlig anderes Bild. Sie dauert gut drei Jahre vom Dezember 1645, also dem Zeitpunkt von Birkens Abreise nach Wolfenbüttel, bis zu Birkens Rückkehr nach Nürnberg im November 1648.24 Die räumliche Trennung bewirkte offenbar ein völliges Erliegen des Kontaktes: Im Birken-Archiv sind keine Briefe Klajs an Birken und keine Briefe Birkens an Klaj erhalten; es gibt auch keine Konzepte, Teilabschriften oder Protokollnotizen zu Briefen Birkens an Klaj. Das muss zwar nicht bedeuten, dass es während Birkens Aufenthalt in Norddeutschland überhaupt keine Korrespondenz gegeben hat. Es spricht aber einiges dafür, dass zumindest Klaj nicht an Birken geschrieben hat.
Leget nieder eure Myrten, Floridan der scheiden muß, War der Pegnitzhirten zier; Floridan ich folge dir. Nim hin diese AbschiedsKüße, drükke meine treue Handt, Geh begrüße größre Flüße, mach dich groß und weldbekand, Du der Pegnitzhirten zier Floridan ich folge dir. 21 Siehe [Sigmund von Birken]: GUELFJS oder NiderSächsischer Lorbeerhayn: Dem HochFürstlichen uralten Haus Braunsweig und Lüneburg gewidmet/ auch mit Dessen Alten und Neuen Stamm-Tafeln bepflanzet: durch Sigmund von Birken/ in der Hochlöbl. Fruchtbring. Gesellschaft den Erwachsenen. Nürnberg/ Zu finden bey Johann Hofmann. Gedruckt bey Christof Gerhard. A. C. MDCLXIX, S. 127 f. 22 Siehe Birken, Werke und Korrespondenz 14 (wie Anm. 8), S. 37. 23 [Johannes Hellwig]: Die Nymphe NORJS. JN Zweyen Tagzeiten vorgestellet; DArbey mancherley schöne Gedichte/ und warhafte Geschichte/ nebenst unterschiedlichen lustigen Rätzeln/ Sinn- und Reimenbildern/ auch artigen Gebänden mitangebracht DURCH einen Mitgenossen der PegnitzSchäfer etc. Nürnberg. Gedrukt und verlegt bey Jeremia Dümler. Jm Jahr 1650, S. 69–72; Klajs Gedicht S. 70 f. 24 Siehe Birken, Werke und Korrespondenz 14 (wie Anm. 8), S. 43.
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Birken wird in seiner norddeutschen Zeit lediglich durch Schreiben Harsdörffers über Klajs Umstände informiert. Diese Briefstellen zeigen, dass Klaj seinen Mentor Harsdörffer schwer verstimmt hatte. Harsdörffer schreibt. Dominus Clajus nihil nuper dedit, sed Testudineo gradu Philomelam Jacobi Balde meditatur germanicè reddendam. Jngenium eius planè est podagricum vel grallatorium, velim dicere supina oscitantia morigerum. [Herr Klaj hat letzthin nichts mitgegeben. Aber er beschäftigt sich im Schildkrötentempo mit einer Übersetzung der Baldeschen Philomela ins Deutsche. Seine Muse ist völlig podagrisch und lahm oder geht auf Stelzen; ich sage es deutlich: er ist stinkfaul.]25
An anderer Stelle heißt es: Clajus quondam noster, amissâ conditione, in publico hospitio agit, si Musas habet Faventes, ille non calamum in Mentem (quod esse Artem fertur) sed in cerevisiam infundit, et artem tanquam mercenariam prostituit. Accepit literas à Ristio, Colero, Pippenbergio, sed dum bibit, silet; dum non bibit dormit. Varia coepit, per supinam autem oscitantiam nihil planè perfecit. Gigantonanomachiam eius ego nondum vidi. [Herr Klaj, der einst einer der Unseren war, hat seine Anstellung verloren und hält sich nun im Wirtshaus auf. Wenn ihm die Musen günstig sind, so taucht er die Feder nicht in Geist (wobei bekanntlich Kunst entstünde), sondern in Bier und prostituiert die Kunst wie eine Hure. Er hat Briefe von Rist, Coler und Pipenburg erhalten. Aber wenn er trinkt, schweigt er, und wenn er nicht trinkt, schläft er. Er hat Verschiedenes angefangen, bei seiner Faulheit aber nichts richtig zu Ende gebracht. Seinen ‚Kampf der Riesen und Zwerge‘ habe ich noch nicht gesehen.]26
Aus Harsdörffers Äußerungen geht zum einen hervor, dass Birken eigentlich eine Beilage Klajs in Sendungen aus Nürnberg erwartet hatte – ob Brief, Gedicht oder Bücher, wird nicht ganz deutlich –, die aber nicht kam. Vielleicht hatte Birken also sogar ein Schreiben an Klaj gerichtet, aber keine Antwort erhalten. Zum anderen weist Harsdörffer darauf hin, dass Klaj seine Korrespondenzpflichten auch anderen Briefpartnern gegenüber stark vernachlässigte. Allerdings könnte sich Birken in dieser Zeit an einem Sammelgratulatorium der Pegnitzschäfer zu Klajs Hochzeit im September 1648 beteiligt haben.27 Es gibt darin eine Strophe, die dem Schäfer Floridan zugeordnet wird. Ob es sich aber wirklich um einen Text Birkens handelt, ist keineswegs sicher; denn es existiert keine handschriftliche Fassung in Birkens Archiv. Außerdem hielt sich Birken, als
25 Birken, Werke und Korrespondenz 9 (wie Anm. 8), Brief Nr. 6, Z. 11–13, vom 31. Mai 1646 (S. 11); die Übersetzung S. 590. 26 Ebd., Nr. 7, Z. 9–13, vom 4. Juli 1646 (S. 12); die Übersetzung S. 595. Zu den beiden zitierten Briefstellen siehe auch den Beitrag von Rosmarie Zeller in diesem Band. 27 Stauffer, Birken (wie Anm. 12), Nr. 25 (S. 46 f.).
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Klaj heiratete, ja noch in Norddeutschland auf. Vielleicht ist Birkens Strophe einfach von einem anderen – vielleicht Harsdörffer – für die Hochzeitsdichtung hinzugefügt worden. Die zweite Kontaktphase verdient diese Bezeichnung also eigentlich nicht: Es handelte sich um eine Zeit der Kontaktunterbrechung, die wohl vor allem von Klaj verschuldet worden ist. Die dritte Phase erstreckt sich vom November 1648, dem Zeitpunkt der Rückkehr Birkens nach Nürnberg, bis zum Dezember 1650. Klaj hatte durch die Vermittlung Dilherrs eine Pastorenstelle in Kitzingen erhalten, die er zu diesem Zeitpunkt antrat.28 In dieser Phase wären persönliche Begegnungen wieder möglich gewesen. Doch es scheint, dass in dieser Zeit die kollegiale Nähe der ersten Kontaktphase nicht mehr wiederbelebt werden konnte. Diesmal gibt es keine Gedichte der beiden füreinander. Ein wichtiger Grund für Birkens Rückkehr nach Nürnberg war der Friedensexekutions-Kongress, der 1649/50 in Nürnberg stattfand. Dabei handelte es sich um sehr aufwendige Verhandlungen zwischen den Parteien des Dreißigjährigen Krieges über die konkreten Vorgehensweisen bei der Umsetzung der Vereinbarungen des Westfälischen Friedens. Das war für einen jungen Dichter eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich zu profilieren und wichtige Kontakte zu knüpfen. Als Birken in Nürnberg eintraf, waren Harsdörffer und Klaj schon von der schwedischen Verhandlungsdelegation verpflichtet worden. Notgedrungen musste sich der Protestant Birken also der kaiserlichen und somit katholischen Verhandlungsdelegation andienen. Die literarischen Dienstleistungen, die er im Auftrag der kaiserlichen Delegation erbrachte, und die dabei geschlossenen Kontakte sollten allerdings für Birkens gesamtes späteres Leben als Schriftsteller von entscheidender Bedeutung sein. Sowohl Klaj als auch Birken schufen in dieser Zeit bedeutsame Friedensdichtungen, auf die hier nicht eingegangen werden muss. Hier ist nur wichtig festzuhalten, dass die beiden Dichter durch die spezifische Konstellation während des Kongresses in ein gewisses Konkurrenzverhältnis geraten sind. Die beiden großen Verhandlungsparteien versuchten einander durch eindrucksvolle repräsentative Aktionen gegenseitig zu überbieten. Aus dem freundschaftlich-kollegialen Verhältnis der ersten Kontaktphase, gefördert durch die gemeinsame Mitgliedschaft im Blumenorden, könnte also ein latenter literarischer Konkurrenzkampf geworden sein. Wir haben aber zu wenig Quellen, um das Verhältnis der beiden während der dritten Phase einzuschätzen.
28 Siehe Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 26), S. 19.
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Dass Birken immerhin über Klajs literarische Vorhaben informiert war, belegt eine Passage aus einem Brief des Rothenburger Alt-Bürgermeisters Johann Georg Styrzel (1591–1668),29 mit dem Birken von 1649 an eine relativ umfangreiche lateinische Korrespondenz führte, und der wohl auch in einer – wahrscheinlich recht einseitig geführten – Korrespondenzverbindung mit Klaj stand. Styrzel schreibt am 24. August 1649:30 Idem in Literas meliores, et harum eximium decus, communem nostrum DOMINUM Clajum, affectus mihi hisce etiam diebus, qvod inclusum vides, et, praevia officiosa Salute mea, reddes, dictavit Elegiacon. Cum enim tu, aliud agens, de Viri amicissimi instituto, mentionem inijceres, statim me, versibus illud aliqvot, proseqvendi, Karissimoque Capiti, hac ratione, mei animi denuo declarandi propensionem, incessit libido. nec mora, qvod cogitavi, factitavi: quam feliciter vero, vestrum, qvorum arbitrio omnia committo, dispicere erit et dijudicare. [Dieselbe Zuneigung gegen die schönen Künste und deren vortreffliche Zierde, unserem gemeinsamen Freund Klaj, hat mich in diesen Tagen auch eine kleine Elegie schreiben lassen, welche du beigeschlossen siehst und die du mit meinem voraufgehenden diensteifrigen Gruß übergeben sollst. Denn als du in anderem Zusammenhang das Vorhaben dieses sehr werten Mannes erwähntest, hat mich sofort das Verlangen ergriffen, dies mit einigen Versen zu begleiten und auf diese Art und Weise dem liebsten Freund die Neigung meines Herzens kundzutun. Diesen Gedanken habe ich sofort in die Tat umgesetzt. Mit wieviel Glück aber, dies wird an euch sein, zu untersuchen und zu beurteilen, dem ich alles zur Entscheidung überlasse.]
Von dem Schreiben, auf das Styrzel antwortet, hat Birken zwar eine Abschrift in seine Sammlung lateinischer Texte BETULETUM eingetragen, dort wird Klaj aber nicht erwähnt. Denkbar ist, dass Birkens Abschrift unvollständig ist. So wissen wir aber nicht sicher, um welches Werk Klajs es geht; wahrscheinlich den Engelund Drachen-Streit von 1649.31 Die von Styrzel überschickte Elegie ist nicht in Birkens Archiv erhalten; Birken wird sie an Klaj weitergeleitet haben. Sie scheint ungedruckt geblieben zu sein. Die vierte und letzte Phase erstreckt sich vom Dezember 1650 bis zu Klajs Tod 1656. Genauso wie die zweite Phase ist sie davon geprägt, dass es wohl keinen direkten Austausch – weder brieflich noch persönlich – gegeben hat. Birken wird wieder nur über Dritte über Klajs Lebensumstände informiert. Wichtigster ‚Infor-
29 Zu ihm siehe Ludwig Schnurrer: Bürgermeister Johann Georg Styrzel (1591–1668). Ein Rothenburger Lebensbild aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. In: Rothenburger Profile. Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten. Rothenburg 2002, S. 239–262 (frühere Veröffentlichungen 1987/88, 1990). 30 Der Brief trägt im Archiv des Pegnesischen Blumenordens die Signatur PBlO.C.352.4. 31 Siehe Dünnhaupt, Personalbibliographien IV (wie Anm. 16), Nr. 45.1 (S. 2363).
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mant‘ Birkens ist der bereits erwähnte Johann Georg Styrzel. Im Brief an Birken vom 9. März 1651 (PBlO.C.352.8) schreibt dieser: Reverendus et Clarissimus Clajus Noster opimam, ita me DEUS! sortitus est Provinciam, ubi majorem generosioris vini, quam alibi, vel mediocris, Zythi copiam habet. Verum satis illa laboriosa est et negotiosa. Solus enim omnes, in hunc diem, expedire tenetur operas Ecclesiasticas: spes tamen est de adjunctione Diaconi, qui ubi conseqvetur, altero tanto laboris sublevabitur. Gratulemur, gratulemur tam honestam communi amico conditionem! Nihil ille hactenus ad me, occupatissimus qvippe adhuc. ita tamen esse, bonorum Virorum fida tulit Relatio. [Unser ehrwürdiger und hochberühmter Klaj hat weiß Gott ein auskömmliches Amt erlangt. Er hat dort eine größere Menge edlen Weines, wenn auch schlechteren Bieres als anderswo. Aber das Amt ist sehr arbeitsaufwendig. Er muss nämlich bis heute die kirchlichen Verrichtungen allein erledigen. Doch es besteht Hoffnung auf Bestellung eines Diakons. Wenn der kommt, wird Klaj um sehr viel andere Arbeit entlastet. Beglückwünschen wir den gemeinsamen Freund zu einer so ehrenvollen Anstellung! Er hat mir bis jetzt noch nicht geschrieben, weil er so sehr beschäftigt ist. Dass es sich aber so mit ihm verhält, haben mir rechtschaffene Leute anvertraut.]
Im Brief vom 6. Oktober 1651 (PBlO.C.352.10) variiert Styrzel, was er schon vor einem halben Jahr geschrieben hatte: De Clajo Nostro, qvod scribam, nihil habeo, nisi provinciam, qvam nactus est, opimam sane, sedulo excolere. Per amicos, inde venientes, me aliqvoties, a me prior salutatus, peramanter resalutavit; sed hoc tantum: neque enim aliqvid addidit literarum: quas nec inciviliter exigere sustinui, amico, ad sese recolligendum, temporis etiam plusculum libenter largiens. [Über unseren Klaj kann ich nichts schreiben, außer dass er das wahrlich einträgliche Amt, das er erhalten hat, fleißig verwaltet. Durch Freunde, die von dort kommen, hat er mich, auf Grüße von mir hin, einige Male sehr liebenswürdig zurückgrüßen lassen, aber das war’s, denn nichts Briefliches hat er hinzugefügt. Ich habe mich entschlossen, Briefe nicht unhöflich zu erpressen; ich gebe dem Freund auch gern etwas mehr Zeit, zu sich selbst zu finden.]
Kenntlich wird erneut, dass Klaj als Briefeschreiber nicht besonders fleißig war und seine Korrespondenzpartner oft auf Antwort warten ließ. Birken reagiert sarkastisch auf diese Ausführungen. In seinem Brief vom 1. November 1651 (er hat eine Teilabschrift dieses Schreibens ins BETULETUM eingetragen) heißt es lapidar:32 Clajus ut videtur, in Sparta ista sua, jam diligentius bibit, quàm scribit: olim simul bibebat et scribebat.
32 Sigmund von Birken: Betuletum. Hg. von Hartmut Laufhütte in Zusammenarbeit mit Ralf Schuster. 2 Bde. Berlin / Boston 2017 (Sigmund von Birken. Werke und Korrespondenz 4 = Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 90/91), S. 79 f. (Text Nr. 69), das Zitat: S. 80, Z. 23 f.
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[Wie es scheint, trinkt unser Klaj in seinem neuen Amt gründlicher, als er schreibt; einst trank und schrieb er gleichzeitig.]
Daraufhin unternimmt Styrzel im Antwortbrief vom 13. März 1652 eine Ehrenrettung und teilt Folgendes mit:33 Clajus Noster, crede mihi, tanto studio et ardore, tanta cura et vigilantia suae Cathedrae, suae praefuit Ecclesiae, ut exinde istum, qvo per multas septimanas, jam laborat, contraxisse suscipio sit morbum. Scis subitae mutationis periculum. et hinc illae lacrimae, hinc illa aegritudo, quae nonnullis videtur tantum-non desperata. Verum ego, origine (unde ille affectus) audita, meliora sperarem, si modo eò usque durare posset aeger, ut ei Acidularum usum consequi liceret. Ecce! Tibi novum (sine suffragio, sine gradu, sine secta,) Medicum! [Unser Klaj hat, glaube mir, seiner Kanzel, seiner Kirche mit solchem Eifer, solcher Begeisterung, solcher Sorgfalt vorgestanden, dass er sich dadurch, wie ich vermute, diese Krankheit zugezogen hat, an der er bereits seit vielen Wochen laboriert. Du kennst die mit plötzlicher Veränderung verbundene Gefahr. Daher jene Tränen und jene Krankheit, die einigen fast hoffnungslos zu sein scheint. Ich aber, da ich den Ursprung erfahren habe (daher meine Anteilnahme), möchte Besseres erhoffen, wenn der Kranke nur so lange durchhalten könnte, bis ihm der Gebrauch des Sauerbrunnens gestattet würde. Da siehst du einen neuen Arzt ohne Approbation, ohne Titel und ohne Anhängerschaft!]
Styrzel erklärt Klajs briefliches Schweigen also mit Krankheitsgründen. In seinem Brief vom 29. August 1652 kann Styrzel dann von einer Besserung des Gesundheitszustandes Klajs berichten:34
Clajus ex Acidulis Kittingam reversus meliuscule, ut audio, habet, et munia jam iterum obit Ecclesiastica, det DEUS ut longos in annos feliciter! Ego, audito ejus morbo, divinavi statim, illum, nisi per Acidulas, vix ac ne vix curandum. ecce! verum augurium meum! qvod si ex ore grandiloqvi alicuius (qvales multi hodie reperiuntur) promanasset Medici, Bone DEUS! qvantum hîc paratragoediaret? Ego gaudeo me veracem unius Ami[ci] causa. Haec nunc, alias plura, potissimum, ubi Te meis transgressionibus facilem sensero. [Wie ich höre, geht es Klaj, nachdem er aus dem Sauerbrunnen nach Kitzingen zurückgekehrt ist, etwas besser. Er geht bereits wieder seinen kirchlichen Amtsgeschäften nach. Möge GOTT geben, dass dies noch viele Jahre der Fall sein wird! Ich habe sofort, nachdem ich von seiner Krankheit gehört hatte, prophezeit, dass er, wenn überhaupt, dann nur mit Hilfe des Sauerbrunnens geheilt werden könnte. Wie du siehst, hat es sich bewahrheitet! Wäre dies aber aus dem großsprecherischen Mund irgendeines Arztes (von denen es heutzutage viele gibt) hervorgesprudelt, guter GOTT! mit welchem Aufwand an Worten wäre dies vor sich gegangen! Ich freue mich für den einzigartigen Freund, die Wahrheit gesagt zu haben.]
33 Der Brief trägt im Archiv des Pegnesischen Blumenordens die Signatur PBlO.C.352.11. 34 PBlO.C.352.12.
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Danach enthält Birkens Briefwechsel mit Styrzel nur noch eine Erwähnung Klajs, einen Nachruf. Styrzel schreibt am 24. Februar 1656 über den inzwischen verstorbenen Dichter:35
De Summi Viri, DOMINI JOHANNIS HENISII etc. mei, ut et egregij Mystae et Poëtae, DOMINI Johannis Clai etc. communis nostri, ad alteram illam et meliorem Vitam, nuperis transitibus, an audieris, ignoro, unde abundans perpetuae moestitiae et aeviterni luctûs mihi (heu!) messis. atque utinam condignis verbis animi mei satis exprimere possem dolorem! nemo non, qvanto affectu, amore et cultu tanta Nomina, tam Kara Pectora prosecutus sim, inde perspecturus esset. qvod vero qvia senili negatum est haesitantiae, velim, et si licet, rogem amicos (et Te, inter illos, praecipuè) mihi adesse, quasi succenturiatos, et opem ferre: quamquam nihil cuiquam imperem, sed cuiusvis arbitrio, qvid hîc faciendum putet, permittam. nempe nimis carè emitur, qvod precibus emendum. [Ich weiss nicht, ob du von den kürzlich von dem bedeutenden HERRN JOHANNES HENISIUS etc., meinem Freund, wie auch von dem hervorragenden Geistlichen und Poeten, unserem gemeinsamen Freund, HERRN JOHANN KLAJ vollzogenen Übertritten zu jenem anderen und besseren Leben gehört hast, was mir, ach, beständige Wehmut und ewige Trauer verursacht hat. Ach, könnte ich doch den Schmerz in meinem Herzen mit angemessenen Worten hinreichend ausdrücken! Jeder sollte daraus erkennen können, mit welcher Hingabe, Liebe und Verehrung ich so bedeutende Namen, so liebe Freunde beschenkt habe. Weil dies aber der greisenhaften Zögerlichkeit verwehrt ist, wünsche ich und bitte, wenn es erlaubt ist, die Freunde (und unter jenen vor allem dich), mir zu helfen und mich gleichsam als Hilfstruppen zu unterstützen, obwohl ich niemandem etwas befehle, sondern die Entscheidung einem jeden überlasse, was er in dieser Sache für angebracht hält. Denn es wird allzu teuer eingekauft, was erbettelt werden muss.]
Birken scheint diesem Aufruf Styrzels nicht entsprochen zu haben: Es ist kein Nachrufgedicht Birkens auf Johann Klaj bekannt; es hat wohl auch keines gegeben. Dass Birken kein Epicedion für Klaj verfasst hat, darf man als weiteres deutliches Zeichen dafür ansehen, wie sehr das Verhältnis der beiden Dichter zueinander abgekühlt war. Fassen wir zusammen: Klaj erfüllte für Birken zunächst die Funktion eines Vorbildes, und die gemeinsame Mitgliedschaft im Blumenorden ermöglichte offenbar ein freundschaftlich-kollegiales Verhältnis, das sich in der damals üblichen Weise gestaltete, nämlich im Verfassen anlassbezogener Gedichten füreinander. Getragen wurde das Ganze wohl von einer gewissen Aufbruchstimmung, die in der Folge der Gründung des Blumenordens geherrscht hatte. Sogar gemeinsame literarische Projekte lagen im Bereich des Möglichen – je nachdem, wie man Klajs Anteil an der Fortsetzung des Pegnesischen Schäfergedichts bewerten will. Nach Birkens Abreise nach Nordddeutschland riss der Kontakt ab, und es
35 PBlO.C.352.16.
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folgte eine lange Zeit ohne direkten Austausch. Das Verhältnis der beiden Dichter zueinander konnte auch nach Birkens Rückkehr nach Nürnberg nicht mehr wiederbelebt werden: Man wohnte zwar in derselben Stadt, aber man lebte und arbeitete nur nebeneinander her. Nach Klajs Umzug nach Kitzingen gab es keinen direkten Kontakt mehr. Die Ursachen dafür lagen wohl mehr bei Klaj als bei Birken; kenntlich wird, dass Klaj auch andere Briefpartner stark vernachlässigt hat. Die Gründe dafür, soweit sie aus den Briefen Harsdörffers und Styrzels kenntlich werden, sind offenbar zunächst Alkoholprobleme, später gesundheitliche Beeinträchtigungen. Nach dem Vortrag, dem dieser Aufsatz zugrunde liegt, gab es eine recht intensive Diskussion darüber, wie man die Stellen in den Briefen Harsdörffers an Birken und Birkens an Styrzel, in denen Klaj der Trunksucht bezichtigt wird, einzuschätzen habe und ob Birken nur das von Harsdörffer entwickelte negative Klaj-Bild übernommen hat. Erkennbar ist, dass der eigentliche Vorwurf sowohl Harsdörffers als auch Birkens an Klaj derjenige der Schreibfaulheit ist – ein Verhalten, das die beiden fleißigen und ungeheuer produktiven Vielschreiber Birken und Harsdörffer überhaupt nicht tolerieren konnten. Hinzu kommt sicher ein gewisses Gekränktsein darüber, dass Klaj die anfangs vielversprechenden Kontakte zu den beiden anderen Nürnberger Schriftstellern so nachlässig gepflegt hat. Klajs vermeintliche Trunksucht wurde von den beiden Kollegen als Ursache für die Schreib- und Kontaktfaulheit ausgemacht. Das war sicher eine einfachere und weniger selbstkritische Erklärung für Klajs Verhalten, als wenn man die Ursache in eigenem Fehlverhalten – bei Birken wäre an die Tilgung von Klajs Namen als Mitverfasser auf dem Titelblatt der Fortsetzung Der Pegnitz=Schäferey zu denken, bei Harsdörffer an der Unterschlagung von Klajs Mitarbeit an der DianaÜbersetzung36 – oder auf einer persönlichen Ebene gesucht hätte. So könnten die von Harsdörffer und Birken behaupteten Alkoholprobleme Klajs auch aufgebauscht sein, um die eigene Befindlichkeit zu schützen. Styrzel versucht diesem negativen Klaj-Bild ja entgegenzuwirken. Andererseits stehen keine weiteren Quellen zu diesem Thema zur Verfügung, so dass wir zu keiner genaueren Einschätzung kommen können. Man sollte die zeitgenössischen Zeugnisse zwar kritisch hinterfragen, aber auch ernst nehmen: Harsdörffer und Birken kannten Klaj immerhin persönlich, Styrzel dagegen wohl nur aus Briefen und mündlichen Berichten. Der von Klaj 1645, zu Anfang seiner Bekanntschaft mit Birken in Birkens Stammbuch eingetragene Wunsch: „sei stets der Meine, ich möchte stets der Dei-
36 Siehe dazu den Beitrag von Rosmarie Zeller in diesem Band; siehe auch Laufhüttes Kommentar in Birken, Werke und Korrespondenz 14 (wie Anm. 8), S. 79.
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ne sein.“ hat sich offenkundig nicht erfüllt. Zwei der größten Nürnberger Barockdichter haben nach einem kurzen vielversprechenden Beginn nur noch weitgehend kommunikationslos nebeneinander her gelebt. Dass das Birken-Archiv, was Klaj angeht, so wenige Kontaktzeugnisse enthält, liegt in diesem Fall offenbar nicht wie bei anderen Personen daran, dass Materialien entfernt worden sind, sondern daran, dass es nicht mehr gegeben hat.
Poetologie und Praxeologie
Stefanie Stockhorst
Kriegerischer Patriotismus – akustische Nachahmung – göttliche Inspiration Funktionsbestimmungen der Dichtkunst in Johann Klajs Lobrede der Teutschen Poeterey
1 Die Lobrede als Rede Klajs Lobrede der Teutschen Poeterey wurde am 28. Oktober 1644, kurz nach der Gründung des Pegnesischen Blumenordens, manifestartig vorgetragen, ohne jedoch den umfassenden Normierungsanspruch einer Regelpoetik oder gar den statutarischen Anspruch einer Vereinssatzung für den Pegnesischen Blumenorden geltend zu machen.1 Im Argumentationsgang der Lobrede erfolgen immer wieder gedankliche Anleihen bei anderen Dichtungstheoretikern, etwa bei Buchner, Harsdörffer, Schottelius, Opitz und einigen anderen Exponenten der frühneuzeitlichen und der antiken Poetologie.2 Desgleichen werden für mustergültig befundene Texte genannt und zitiert; zudem fließen fremde Textanleihen, von denen indes die meisten dem damaligen gelehrten Lesepublikum bekannt gewesen sein dürften, auch ohne Quellenangaben in die Argumentation ein. Obwohl eine solche Unterfütterung eigener Positionsnahmen durch auctoritates und exempla in der frühneuzeitlichen Poetologie nicht nur üblich, sondern nachgerade gattungskonstituierend war, lastete die ältere Forschung Klaj dieses Verfahren immer wieder als Ausdruck des Defizitären an. So erhob Albin Franz den Vorwurf der Epigonalität („aber selbst in diesem Schriftchen gibt der Dichter fast nur fremde Äußerungen wieder“3) und Bruno Markwardt den der Kompilatorik: Denn der Lobredner der deutschen Poeterey will kaum eigene Zielsetzungen oder unmittelbare Einsichten oder scharf herausgearbeitete Ansichten vom Dichterischen bieten,
1 Vgl. zur Geschichte der Pegnitzschäfer Renate Jürgensen: Utile cum dulci. Die Blütezeit des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg 1644 bis 1744. Wiesbaden 1994, darin zur Entwicklung zu Klajs Lebzeiten S. 22–37, zur Thematik der „Lobrede“ schlaglichtartig S. 24 f. 2 Vgl. zu den Quellen der „Lobrede“ ausführlich Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Reprint. New York 1968 [EA 1908], S. 123– 132. 3 Franz, Johann Klaj (wie Anm. 2), hier S. 114.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-009
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über die er zudem schwerlich verfügte. Er will vielmehr in gedrängter Darstellung alles zusammentragen, was zugunsten der deutschsprachigen Dichtkunst sich damals sagen ließ.4
Hinzu kommt wiederum bei Franz der Vorwurf intellektueller Minderbemitteltheit, der sich freilich nach wissenschaftlichen Standards selbst richtet, ist er doch nicht nur ohne Not und ohne erkennbaren Grund verunglimpfend, sondern auch hochgradig spekulativ, ebenso wie die Mutmaßungen darüber, wozu sich Klaj eventuell nicht berufen fühlte: [S]o fühlte sich auch Klaj nicht dazu berufen, eine Rolle als Gesetzgeber in sprachlichen und metrischen Dingen zu spielen; denn einmal fehlte es ihm dazu an der nötigen Befähigung, seine Gedanken in klarer, logischer Anordnung von sich zu geben, und dann lag es seiner Natur ganz und gar fern, sich tätig an den literarischen Fehden zu beteiligen, die sich in den vierziger Jahren sogar im Schoße der Fruchtbringenden Gesellschaft bemerklich machten […].5
Immerhin sah Julius Tittmann die Lobrede – wenn auch aus nicht ganz klaren Gründen – als Wegbereiterin für Harsdörffers Poetischen Trichter (1647–53): „Schon Klaj hatte sich gleich nach der Gründung des Pegnitzordens über Wesen und Werth seines Bestrebens in einer öffentlich gehaltenen Rede ausgesprochen, und so einem ausführlichen Buche des Pegnesischen Oberhirten, der Poetik Harsdörfers [!], den Weg gebahnt.“6 Seit der Edition durch Conrad Wiedemann bewegen sich die insgesamt nicht sonderlich zahlreichen Forschungspositionen zu Klajs Lobrede in sachlicheren Bahnen. So urteilt Wiedemann selbst, es handele sich bei diesem Text um einen „Beitrag zur Idee eines literarischen Gemeinwesens“.7 Die zentralen Themen der Lobrede, die immerhin bei einem erstrangigen Verleger wie Endter in den Druck ging, brachte Ferdinand van Ingen auf den Punkt: „Klajs Rede entfaltet sich auf einem Koordinatenfeld, abgesteckt von den Achsen Wissenschaft und Kunst bzw. Krieg und Sieg, dessen Zentrum ausdrücklich die unverbildete germanische (‚alte
4 Bruno Markwardt: Geschichte der deutschen Poetik. Bd. 1: Barock und Frühaufklärung. Berlin 1937, S. 94. 5 Franz, Johann Klaj (wie Anm. 2), hier S. 113. 6 Julius Tittmann: Die Nürnberger Dichterschule. Harsdörfer [!], Klaj, Birken. Beitrag zur deutschen Literatur- und Kulturgeschichte des siebzehnten Jahrhunderts. Reprint. Wiesbaden 1965 [zuerst 1847], S. 32. 7 Conrad Wiedemann: Nachwort des Herausgebers. In: Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock), S. 2*–19*, hier S. 6*.
Kriegerischer Patriotismus – akustische Nachahmung – göttliche Inspiration
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Celtische‘) Sprache ist.“8 Rund 20 Jahre später unterstrich Wilhelm Kühlmann insbesondere das patriotische Moment der Klajschen Programmrede im Dienste der Pegnitzschäfer: „Mit seiner […] Lobrede von der Teutschen Poeterey umriß er [sc. Klaj] mit patriotischem Gestus die Ziele der von der Nürnberger Gruppe angestrebten Sprachpflege und Kulturarbeit […].“9 Nicht zu vergessen ist daneben die Tatsache, dass Klaj eine spezifische Prodiktions- und Werkästhetik lanciert, auf deren Zuschnitt bereits Wiedemann hinwies: Die Lobrede der Teutschen Poeterey […] ist vermutlich die untheoretischste aller barocken Dichtungstheorien. […] In ihrer unsystematischen Art (die typisch für Klaj erscheint) kommt sie immer wieder auf zwei Hauptanliegen zurück: auf das göttliche Wesen der Poesie und auf die Sprachmusik.10
Allerdings lässt sich diese Einschätzung als ‚untheoretisch‘ insofern präzisierend erweitern, als es sich bei der Lobrede nach ihrem Anspruch und Gebrauch ja auch gar nicht um eine Dichtungstheorie (also etwa um eine dissertatio oder einen tractatus) handelt, sondern um eine Rede, um ein im Druck überliefertes Stück Wohlredenheit im genus demonstrativum, eine laudatio eben. Der Text gibt seine Machart als Rede (oratio) offen zu erkennen, insbesondere durch die wiederholten Anreden des Publikums als Hörerschaft („Werthe Zuhörer“ (LTP 1, 2 u. 13)), mit denen die Redeteile exordium, narratio und argumentatio markiert werden, was schließlich in der peroratio zu „ihr Edlen Teutschen“ (LTP 23) ins Pathetische gesteigert und zugleich generalisiert wird. Zudem heißt es im Anhang der Lobrede unmissverständlich, dass gründlichere Aufarbeitungen der Materie in anderer Form erfolgen müssten: „VOn der Alten Teutschen Poeterey könte man nicht nur eine Rede/ sondern ein grosses Buch schreiben […].“11 Geht man ferner mit Albin Franz davon aus, dass „die Besucher von Klajs Vorträgen hauptsächlich Vornehme und Kunstliebhaber der Stadt waren“,12 so darf man freilich in einem auf die-
8 Ferdinand van Ingen: Dichterverständnis, Heldensprache, städtisches Leben. Johann Klajs „Lobrede der Teutschen Poeterey“. In: Barbara Becker-Cantarino / Jörg-Ulrich Fechner (Hg.): Opitz und seine Welt. Festschrift für George Schulz-Behrend zum 12. Februar 1988. Amsterdam, Atlanta 1990 (Chloe, 10), S. 251–266, hier S. 259 f. 9 Wilhelm Kühlmann: Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer. Zur Interferenz und Rivalität jesuitischer und deutsch-patriotischer Literaturkonzeptionen. In: Wilhelm Kühlmann u. a. (Hg.): Jacob Balde im kulturellen Kontext seiner Epoche. Regensburg 2006 (Jesuitica, 9), S. 94. 10 Wiedemann, Nachwort des Herausgebers (wie Anm. 7), S. 18*. 11 Johann Klaj: Lobrede der Teutschen Poeterey/ Abgefasset und in Nürnberg Einer Hochansehnlich-Volkreichen Versamlung vorgetragen. Nürnberg 1645, fol. [Eijv]. – Der Nachweis der Zitate hieraus erfolgt im laufenden Text unter Angabe der Sigle LTP und der zugehörigen Seitenzahl. 12 Franz, Johann Klaj (wie Anm. 2), S. 18.
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sen Adressatenkreis zugeschnittenen Vortrag auch keine allzu systematischen Belehrungen erwarten. Sehr wohl darf man indes auf poetologisch anspruchsvolle und sogar innovative Ideen gefasst sein. Um dies genauer zu profilieren, möchte ich im Folgenden zum einen unsystematische Überlegungen zur bereits eingehend erforschten Stellung der Poesie im Spannungsfeld von Mäzenatentum und Patriotismus ergänzen und zum anderen zwei etwas weniger ausführlich untersuchte Aspekte, und zwar die Ausführungen zur – klangpoetischen – Nachahmung (imitatio) und zum göttlichen Ursprung des dichterischen Schaffens (inspiratio) systematisierend einzuordnen versuchen.
2 Militante Aufwertung von Deutschsprachigkeit und Dichtkunst Klajs Lobrede ziert ein seltsam anmutendes Titelkupfer, über dessen Sinnangebote in der Forschung allerdings weitgehender Konsens besteht. Das Bild zeigt eine männliche Figur mit ausgefallenen Attributen, deren Aussageabsicht Harsdörffer in einer Erklärung des Tittelbildes vereindeutigend darlegt: Die Pfauenfedern am Kopfputz stehen demnach für das ewige Leben, die Lilie in der Hand für die Weisheit, und insgesamt basiert die Figur Harsdörffers Quellenangaben zufolge auf dem Modell eines Troubadours aus Jean Galoup de Chasteuils Discours sur les arcs triomphaux (1624).13 Für den Druck der Lobrede wird diese französische Matrize im Dienste alt-fränkisch kodierter Tugendprojektionen kurzerhand mit neuer Bedeutung ausgestattet: Die weißliche Liljen (4) die Fränkische Tracht/ (5) Erweiset altredlichen Biedermanns Pracht. (6) (LTP fol. [Aivv])
Nach Harsdörffers Erklärung handelt es sich bei der abgebildeten Figur um einen Witdoden, verstanden als eine ins Christliche transponierte Druidenfigur. Seine Funktion besteht darin, allegorisch für die Anciennität und Dignität der deutschsprachigen Dichtung in einer eigenen, von der griechischen und römischen Überlieferung unabhängigen Traditionslinie zu bürgen.
13 Vgl. Conrad Wiedemann: Druiden, Barden, Witdoden. Zu einem Identifikationsmodell barocken Dichtertums. In: Martin Bircher / Ferdinand van Ingen (Hg.): Sprachgesellschaften – Sozietäten – Dichtergruppen. Arbeitsgespräch in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 28. bis 30. Juni 1977. Hamburg 1978 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 7), S. 131–150, hier S. 140 f.
Kriegerischer Patriotismus – akustische Nachahmung – göttliche Inspiration
Abb: Titelseite der Lobrede. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Xb 90 (1), Digitalisat: http://diglib.hab.de/drucke/xb-90-1s/start.htm?image=00007 [26.09.2016]. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Herzog August Bibliothek
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Diese Witdoden-Allegorie sei, so van Ingen in Übereinstimmung mit Wiedemann, „deutlich von Harsdörffer der Rede aufgesetzt, sei es, weil er der programmatischen (?) Rede seines Schützlings einen gelehrten Anstrich geben wollte, sei es, weil er sich in die Witdodenidee vernarrt hatte“.14 Tatsächlich kommt der Witdod nur in den Paratexten der Lobrede vor (im Titelkupfer und in dessen Erklärung durch Harsdörffer sowie in wort- und sachgeschichtlichen Ausführungen im Anhang, hinter dem Wiedemann ebenfalls Harsdörffer vermutet).15 Aber die Witdoden-Passagen nur als externe Zutaten der Klajschen Lobrede, die dem Wunsch nach gelehrter Selbstinszenierung, einer Grille oder „äußeren Rücksichten, nämlich auf die Stadt, ihr Kulturklima und ihr Kirchenregiment“16 geschuldet seien, zu lesen, greift meines Erachtens etwas zu kurz. Denn zum einen verfängt der Einwand, dass im Redetext selbst nicht von Witdoden die Rede sei, dafür aber „durchaus, wohl nach dem Opitzschen Vorbild, von Druiden und Barden“,17 insofern nur bedingt, als auch die Druiden und Barden nur jeweils einmal, und das auch nur recht beiläufig, erwähnt werden. Die Stelle lautet: Mitlerzeit ist die Teutsche Verskunst durch die Barden/ so Dichter/ und Druiden/ welche Priester gewesen/ ohne schrifftliche Hinterlassung fortgepflantzet worden/ damit/ durch die Gemeinmachung/ der Geheimnisse heiliges Ansehen nicht geringert würde. (LTP 7)
Und zum anderen stimmt die inhaltliche Stoßrichtung der Witdoden-Allegorie vollauf mit derjenigen der Lobrede überein, geht es doch in beiden Fällen um die Synergien von Dichtkunst, Macht und Nation.18 Klaj verfolgt mit seiner Lobrede das Ziel einer Aufwertung der Poesie aufgrund ihrer Fähigkeit zur Verstetigung des Nachruhms bedeutender Persönlichkeiten, also quasi zur Verheißung ‚ewigen Lebens‘ zu diesseitigen Konditionen, die bereits in früheren Zeiten das Interesse der Mächtigen dichterischen Erzeugnissen begründet habe: „Die Vrsache war vornemlich die Begierd der Vnsterblichkeit.“ (LTP 20), oder, wie Harsdörffer es in seiner Erklärung dem Witdoden in den Mund legt: Die neulich erneute Kunstliebliche Lieder Erwekken die vormals Verstorbenen wieder. (LTP fol. [Aivv])
Die Dedikations- und Argumentationsstrategien der Lobrede richten sich in diesem Sinne nicht zuletzt auch an den Kaufmann und Mäzen Johann Jodocus (Jobst)
14 15 16 17 18
Van Ingen, Dichterverständnis (wie Anm. 8), S. 256. Vgl. Wiedemann, Druiden (wie Anm. 13), S. 131–150, bes. S. 141. Ebd. Ebd. Vgl. van Ingen, Dichterverständnis (wie Anm. 8), S. 260.
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Schmidmaier (1611–1647),19 dem die Widmungsadresse gilt, möglicherweise mit Blick auf die „Einrichtung eines Lehrstuhls für die Muttersprache an der Nürnberger Universität [sc. im 17. Jahrhundert Altdorf als Academia norica]“.20 Jenseits der Paratexte spricht Klajs Lobrede freilich in erster Linie ein weiteres Publikum an, namentlich die Gesamtheit der „Edlen Teutschen“ (LTP 23), und ihre Zielsetzungen weisen nicht nur über die regionale Wissenschaftspolitik hinaus, sondern setzt sich auch klar von dem friedenssehnsüchtigen Aufruf zur Sprachpflege ab, den Harsdörffers Witdod vorbringt.21 Dieser fordert:
Beliebet den Frieden und jaget ihm nach/ Erhaltet in Würden die dapfere Sprach. (LTP fol. [Aivv])
Für Klajs nur wenige Jahre nach der Lobrede entstandene Dichtung Geburtstag deß Friedens (1650) stellte Nicola Kaminski zu Recht eine markiert parodistische Auseinandersetzung mit Opitz fest, welche die Metrik (alternierende Versnorm und Binnenreimverbot) und einen kontrafaktischen Abgesang auf das bereits seinerseits satirisch angelegte Lob des Krieges Gottes (1628)22 ebenso umfasst wie die Einschätzung des Verhältnisses von Krieg und Kunst: Ex arte bellum könnte in Umkehrung der Opitzschen Devise füglich auch das Motto von Klajs Geburtstag deß Friedens heißen, allerdings nicht (wie im Horrendum Bellum Grammaticale) in materialer respektive kausallogischer Perspektive, sondern als Abbreviatur einer (wie selbstverständlich) um den dynamischen Verbalgestus der Ausweisung zu ergänzenden räumlichen Bestimmung: ex arte bellum (scilicet: expellere).23
So fern Klaj als Buchner-Schüler und Klangpoet Opitz in metrischer Hinsicht stehen mochte, so ist von einer Vertreibung des Krieges aus der Kunst in der vor Kriegsende entstandenen Lobrede gleichwohl beim besten Willen noch nichts zu finden. Im Gegenteil, der Gestus ist dezidiert martialisch im Sinne der ursprünglichen Formel ex bello ars, denn Klaj geht von einer parallelen Entwicklung beider Bereiche aus: „Eben wie die Teutsche Kriegs- ist also auch die Verskunst viel hö19 Vgl. ebd., S. 262 f., das Zitat S. 263. 20 Ebd., S. 264. 21 Vgl. zur barocken Friedenssehnsucht in ihren ethischen, religiösen und (sprach-)patriotischen Kontexten Gordon Herenz: Irenische Komplexität. Der Friedensbegriff Johann Rists am Beispiel des Friedensspiels ‚Das Friedewünschende Teutschland‘ (1647). In: Daphnis 43 (2015), H. 2, S. 481–502. 22 Vgl. dazu Barbara Becker-Cantarino: Opitz und der Dreißigjährige Krieg. In: Thomas Borgstedt / Walter Schmitz (Hg.): Martin Opitz (1597–1639). Nachahmungspoetik und Lebenswelt. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 63), S. 38–52, bes. S. 43–46. 23 Nicola Kaminski: Ex bello ars oder Ursprung der „Deutschen Poeterey“. Heidelberg 2004 (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, 205), S. 517.
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her gestiegen.“ (LTP 13) So lässt es einen nicht nur vehementen, sondern geradezu militanten Selbstbehauptungsanspruch der Poesie erkennen, wenn Klaj in seiner Lobrede ein Flickgedicht aus ursprünglichen Kriegsversen erzeugt, die er aus ihrem Zusammenhang herauslöst, um sie in neuer Formation für die Poesiefähigkeit des Deutschen buchstäblich ins Feld zu führen. Sein Cento besteht zum einen aus Versen von Schottelius, der Deutschland mit seinem Horrendum Bellum Grammaticale (1673) auch nach dem Westfälischen Frieden noch im linguistischen Kriegszustand verortete,24 und zum anderen aus Versen von Opitz, die aus dem satirischen Lobgedicht auf den Kriegsgott Mars stammen und die Klaj an der Nahtstelle zwischen den beiden Komponenten leicht abwandelt:25 Klaj, Lobrede (1645)
Schottelius, Der Teutschen Sprach Einleitung (1643)
„Was sol uns jetzt der Streit/ mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stökken/ Und der bepralte Sturm mit Thürnen und mit Bökken/
„Was soll uns jetz [!] die Schlacht mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stecken Und der bepralte Sturm mit Thürnern und mit Böcken? Beschreib jetz [!] einen Sturm und eine große Schlacht/ Der Donner und der Blitz ist nun darin gebracht.“26 Opitz, Lob des Krieges Gottes (1628)
— — — — — wir haben in die Schlacht Den Donner selbst geholt/ den Blitz darein gebracht/ Der Glut und Eisen speyt/ für dem die Mauren fallen/
„Wir haben in die schlacht Den donner selbst geholt/ vndt etwas auffgebracht Das glut vndt eisen speyt/ für dem die mawren fallen/
24 Vgl. Nicola Kaminski: Ex Bello Ars? Ex Arte Bellum! Schottels sprachgeschichtliche Erwiderung auf Opitz’ Literaturpolitik im Zeichen des Dreißigjährigen Krieges. In: Mirosława Czarnecka u. a. (Hg.): Memoria Silesiae. Leben und Tod, Kriegserlebnis und Friedenssehnsucht in der literarischen Kultur des Barock. Zum Gedenken an Marian Szyrocki (1928–1992). Breslau 2003, S. 396– 409; sowie dies.: Ex bello ars (wie Anm. 23), S. 461–516. – Zum Verhältnis von Kriegslust und Friedenssehnsucht bei Schottelius siehe auch Stefanie Stockhorst: Ethische Aufrüstung. Zur Konvergenz von Landlebensdichtung und Neustoizismus im Zeichen des Dreißigjährigen Krieges am Beispiel von J. G. Schottelius’ ‚Lamentatio Germaniae exspirantis‘ (1640). In: Euphorion 105 (2011), H. 1, S. 1–18. 25 Siehe zur Deutung dieses Passus auch den Beitrag von Jörg Wesche im vorliegenden Band. 26 Justus Georg Schottelius: Der Teutschen Sprach Einleitung / Zu richtiger gewisheit und grundmeßigem vergnügen der Teutschen Haubtsprache / samt beygefügten Erklärungen. Lüneburg 1643, S. 18 (Nr. 108).
Kriegerischer Patriotismus – akustische Nachahmung – göttliche Inspiration
Der Thürne Sprünge thun/ Gebirg und Thäler schallen/ Das wilde Meer erschrikt/ wir mischen uns zusammen/
Die Elemente selbst und fordern mit dn Flammen Das blaue Himmeldach/ so ganz bestürzet steht/ Wann unser Pulvers Macht dem Feind entgegen geht.“ (LTP 13)
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Die thürne springe thun/ gebirg’ vndt thal erschallen/ Die wilde see erschrickt: Der reichen erden schlundt Schickt dieses an den tag für dem sein tieffer grundt Hernach erzittern muß. Wir mischen vns zuesammen Die elemente selbst/ vndt fodern mit den flammen Das blawe himmeldach/ so gantz bestürtzet steht Wann vnsers pulvers macht dem feind’ entgegen geht […].“27
Klajs Engagement für die deutsche Sprache und Dichtkunst in der Lobrede kennzeichnet sich spätestens im Licht dieser De- und Rekontextualisierungen durch einen kompetitiven, teils auch xenophoben und durchaus kriegerisch gestimmten Patriotismus. Die für nutzbringend befundene Verschränkung von Sprache, Ethik und Dichtkunst, wie sie unter anderem auch im Pegnesischen Schäfergedicht (1644) oder in der Jrene (1650) begegnet, erlangt hier dezidiert wehrhafte Züge, denn nicht zuletzt geht es in der Lobrede auch um die Sanierung eines kriegsgeschädigten Wertebewusstseins. So lautet die peroratio: Nun so besinnet euch doch einmals ihr Edlen Teutschen eines bessern/ rettet und errettet eure Heldensprache von dem Außländischen Joche/ wollet ihr euch dann nicht einmal über die Sprache erbarmen/ die sich so mildiglich euer erbarmet/ und uns mit beyden Händen Zwangsweise/ dieselbe eivrig zu lieben/ nach sich zeihet? (LTP 23)
Vor diesem Hintergrund erinnert Klajs conclusio gewiss nicht zufällig an das außerordentlich verbreitete patriotische Kampflied Ulrichs von Hutten mit dem bekannten Eingangsvers: „Ich habs gewagt mit sinnen“.28 Am Schluss der Lobrede heißt es:
27 Martin Opitz: Lob des Krieges Gottes. In: ders.: Gesammelte Werke. Kritische Ausgabe. Hg. von George Schulz-Behrend. Bd. IV: Die Werke von Ende 1626 bis 1630. 1. Teil. Stuttgart 1989 (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, 312), S. 138–164, hier S. 151 (V. 431–440). 28 „[…] Hutten gehört zu den Autoren, die ohne Unterbrechung und nicht erst durch Gelehrsamkeit von Historikern und Philologen über ihren Tod hinaus im Bewußtsein der Nachwelt lebendig geblieben sind.“ (Peter Ukena / Kristiane Uliarczyk: Deutschsprachige populäre Hutten-Literatur im 19. und 20. Jahrhundert. In: Daphnis 2 [1973], H. 2, S. 166–184, hier S. 166). – Die Nähe zu Hutten bemerkte auch Volker Meid: Die deutsche Literatur im Zeitalter des Barock. Vom Späthuma
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Jch hab es gewagt/ Am ersten zu singen Von Himmlischen Dingen/ Jetz hab ichs gewagt Die Rede zu bringen Vnd lassen erklingen/ Was Teutschen behagt/ Jch hab es gesagt. (LTP 27)
3 Poetische (Klang-)Malerei als imitatio naturae Klaj verfolgt in seiner Lobrede nicht nur die offensichtliche, paratextuell gestützte patriotische Agenda, sondern verbindet damit auch poetologische Grundsatzerklärungen. Mit großem Nachdruck weist er, darin durchaus typisch für die barocke Dichtungstheorie, die ältere deutschsprachige Dichtungstradition der „Meistergesänge/ Thurnier- und Heldenlieder“ zurück, weil er in deren metrischer Formensprache vor allem „unausgearbeitete/ schläfrige und harte Bindungen“ (LTP 11) sieht. Zwei Jahrzehnte nach der Opitzianischen Versreform diagnostiziert er zwar, „daß die Verse nunmehr gängiger/ fertiger und lieblicher daherfliessen“ (LTP 12), aber mit dem bis dato Erreichten gibt er sich nicht zufrieden. Ein besonderes, noch nicht ausreichend genutztes Potential des Deutschen als Dichtungssprache sieht er im Bereich der akustischen Qualitäten, die er in seinen Dichtungen planmäßig ausspielt. Nicht von ungefähr erfolgt die Annäherung an das Werk Klajs in aller Regel vor allem über die Onomatopöie, denn sein bevorzugtes „Versuchsfeld“ ist unverkennbar der „Klang“.29 Dementsprechend erfolgt in der Lobrede eine programmatische Bestimmung der Pegnitzschäfer als „Orden der Klangkünstler“,30 mit nachhaltiger Wirkung: Noch der in besonderem Maße für die klanglichen Qualitäten der Poesie engagierte Lyriker Thomas Kling pries Klaj neben Harsdörffer in seiner Essaysammlung „Botenstoffe“ (2001) als „einen der spin doctors der Ästhetik des deutschen ‚Manierismus‘“.31
nismus zur Frühaufklärung 1570–1740. München 2009, S. 476; vgl. Ulrich von Hutten: Ain new lied herr Vlrichs von Hutten [1521]. In: Volker Meid (Hg.): Gedichte und Interpretationen. Bd. 1: Renaissance und Barock. Stuttgart 1995, S. 42 ff., das Zitat S. 42. 29 Wiedemann, Nachwort des Herausgebers (wie Anm. 7), S. 3*. 30 Ebd., S. 6*. 31 Vgl. Thomas Kling: Botenstoffe. Köln 2001, S. 55 f., das Zitat S. 56. – Siehe auch Stefanie Stockhorst: „Geiles 17. Jahrhundert“. Zur Barock-Rezeption Thomas Klings. In: Frieder von Ammon / Peer Trilcke / Alena Scharfschwerdt (Hg.): Das Gellen der Tinte. Zum Werk Thomas Klings. Göttingen 2012 (Deutschsprachige Gegenwartsliteratur und Medien, 9), S. 163–196.
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Jedoch gelangte Bruno Markwardt vor rund 80 Jahren zu der bislang weitgehend unhinterfragten Einschätzung, dass Klajs besondere Affinität zur Klangmalerei sich eher dichtungspraktisch als ästhetiktheoretisch manifestiere: „Im Nürnberger Raum der Poetik entfaltet Klaj ähnlich wie Harsdörffer das klangpflegende Element im eigenen Produzieren bzw. im wortkünstlerischen Kombinieren stärker vielleicht noch als im Theoretisieren.“32 Dies mag einleuchten, solange man nur die vordergründigen Beispiele für die ästhetische Anmutung der Klangmalerei in den Blick nimmt: Klaj nennt in der Lobrede etliche Vertreter einer klangmalenden Dichtung und zitiert über mehrere Druckseiten hinweg einschlägige Verse von Heinsius, Opitz, Harsdörffer, Buchner, Rist, Freinsheim, Fleming, Tscherning (vgl. LTP 14–18). Dass Klaj die Klangmalerei dieser Autoren für vorbildlich erachtet, geht daraus zwar hervor, aber ein theoretisches Gerüst scheint zu fehlen. Dem auffälligen Phänomen der klangmalerischen Dichtungspraxis liegt allerdings durchaus eine theoretische Orientierung zugrunde, was Wiedemann bereits andeutet, auch wenn er vor allem auf die vordergründigen Effekte „Erstaunen“ und „Verblüffung“33 abstellt: „An die Stelle einer rhetorisch-pragmatischen Sprachauffassung ist bei Klaj eine ausgesprochen ästhetisierende getreten. Als schön gilt nicht mehr so sehr, was zweckt, als vielmehr, was ‚unerhört‘ ist.“34 Um den poetologischen principia, die das Unerhörte im sprachlichen Kunstwerk hörbar machen sollen, in der Lobrede genauer auf die Spur zu kommen, erscheint es zweckmäßig, Klajs Klangpoetologie im weiteren Kontext der Nürnberger Ästhetik und insbesondere im Kontext der Zusammenarbeit mit Harsdörffer zu lesen. Bereits als Student in Wittenberg wurde Klaj bekanntlich durch Augustus Buchner für lautlich-musikalische Qualitäten der Poesie sensibilisiert; in Nürnberg kamen dann Impulse durch die Förderung Johann Michael Dilherrs und die programmatische Kollaboration mit Harsdörffer hinzu. Harsdörffers kunsttheoretische Überlegungen, die hier nur äußerst schematisch umrissen werden können, richten sich nicht ausschließlich auf die Poesie, sondern sind teils auch künstevergleichend angelegt;35 auf diese Weise macht er
32 Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 93. 33 Wiedemann, Nachwort des Herausgebers (wie Anm. 7), S. 9*. 34 Ebd., S. 13*. 35 Vgl. im Überblick Barbara Becker-Cantarino: Ut pictura poesis? Zu Harsdörffers Theorie der „Bildkunst“. In: Doris Gerstl (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg 2005 (Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, 10), S. 9–21; siehe auch Stefanie Stockhorst: Text und Bild bei Harsdörffer. Vom Paragone zur synästhetischen Animation. In: Jörg Robert (Hg.): Intermedialität in der Frühen Neuzeit. Formen, Funktionen, Konzepte. Berlin, Boston 2017 (Frühe Neuzeit, 209), S. 347–365.
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auf eine „universale Entsprechung“ der Künste aufmerksam, die sich an den Momenten von Nachahmung, Illusionismus und Fiktion festmachen lässt.36 Zur Nachahmung, die als imitatio naturae den theoretischen Ausgangspunkt für klangpoetologische Forderungen bildet, sagt er in den Frauenzimmer Gesprächspielen (1644–1654) zweierlei. Zum einen betont er das ästhetische Vergnügen, das sie, gleichsam als anthropologische Wirkungskonstante, bereite: „Das ist gewiß/ daß der Mensch sich belustiget in Nachahmung der Natur […].“37 Zum anderen trifft er eine feine Unterscheidung hinsichtlich der Rollen, welche die Nachahmung für die Malerei und die Dichtkunst spiele. Demnach greife letztere unmittelbar auf die Natur zu, während erstere von ihr lerne: „Wie sonsten der Mahler der Natur Schuler [!] ist/ indem er von ihr seine Kunst erstudiren muß; also bedienet sich der Poet der Natur selbsten […].“38 Als Ideal der Nachahmung wurde seit der Antike immer wieder die vollkommene Täuschung über die Künstlichkeit des Werks (verisimilitudo) vorgebracht. Sie sei dann erreicht, wenn man, wie Harsdörffer es ausdrückt, „fast darzu zuschreiben nötig hat/ es sey Gemähl und nicht die Sache selbsten“.39 Bei der Erzeugung täuschender Echtheit durch die Kunst handelt es sich um einen Topos, der über die Jahrhunderte immer wieder und unter anderem auch von Harsdörffer in seinem für die kunstvergleichende Medienästhetik des Barock grundlegenden Kunstverständigen Discurs, von der edlen Mahlerey (1652)40 durch eine Anekdote über den Maler Zeuxis illustriert wurde, der so natürlich wirkende Trauben malen konnte, dass die Vögel daran zu picken versuchten. Man könnte annehmen, dass Harsdörffers Verweis auf diese Schlüsselszene der bildlichen imitatio die im Rahmen der frühneuzeitlichen Nachahmungsdebatten viel zitierte ut pictura poesis-Formel des Horaz (Ars poetica, 361) aufrufen solle, doch er gebraucht ausdrücklich eine andere, nicht minder traditionsgängige Denkfigur.41 Es handelt sich dabei um den anschaulichen Chiasmus vom Gedicht
36 Vgl. Andreas Herz: Der Hase des Zeuxis. Von Sandrart über Birken zu Harsdörffer. Harsdörffers unbekannter ‚Discurs Von der edlen Mahlerey‘. In: Daphnis 25 (1996), H. 2/3, S. 387–422, das Zitat S. 408. 37 Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele. Hg. von Irmgard Böttcher. VIII Teile. Tübingen 1968–69 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 13–20), hier Bd. V, S. 118. 38 Harsdörffer, Gesprächspiele (wie Anm. 37), Bd. VIII, S. 202. 39 Ebd., Bd. I, S. 130. 40 Vgl. Georg Philipp Harsdörffer: Kunstverständiger Discurs, von der edlen Mahlerey. Nürnberg 1652. Hg., komm. u. mit einem Nachw. versehen von Michael Thimann. Heidelberg 2008 (Texte zur Wissensgeschichte der Kunst, 1), S. 12f. – Siehe u. a. bereits Plinius, Naturalis Historia XXXV, S. 64–66. 41 Vgl. Thomas Pekáry: Imago res mortua est. Stuttgart 2002 (Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien, 38), S. 187 f.
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als redendem Bild (pictura loquens) und vom Bild als schweigender bzw. schweigsamer Poesie (poema tacens/tacitum). Davon ausgehend verlangt Harsdörffer im Poetischen Trichter (1647–53) eine „kunstartige Zierlichkeit“ als poetisches Mittel der Illusion: Es wird die Poëterey ein redendes Gemähl/ das Gemähl aber eine stumme Poëterey genennet/ nicht nur wegen der Freyheit dieser verbrüderten und verschwesterten Kunste/ in dem wir nach beliebten Einfällen/ Reden im Gemähl und Mahlen in der Rede; sondern auch wegen der Bilde welche mit Kunstartiger Zierlichkeit dardurch vorstellig gemacht werden/ deßwegen auch die Redner und Poëten sich der Personenbildung vielfältig gebrauchen […].42
Was Harsdörffer somit hinsichtlich der Nachahmung nicht nur der Malerei, sondern auch der Dichtkunst abverlangt, bringt er folgendermaßen auf den Punkt: „Jm Ende sind die Mahler und Poeten die besten Betrüger.“43 Nun ist es wenig ehrenvoll, als Betrüger apostrophiert zu werden, was Harsdörffer allerdings an dieser Stelle unbekümmert übergeht. Doch Klaj spricht den seit der Antike perpetuierten Lügenvorwurf in der Lobrede direkt an. Er übersetzt dazu die folgenden Verse aus Plautus’ Komödie Pseudolus, die den Dichter prinzipiell als poeta mendax anprangern: Wie der Poet die Tafel nimt zur Hand/ Vnd suchet das/ was nirgend ist im Land/ Vnd findets auch/ der macht/ daß Läpperey Der Vnwahrheit der Wahrheit ähnlich sey. (LTP 5)44
Die gängigen Gegenargumente sind bekannt – auch der im faktualen Modus sprechende Redner (orator vs. poeta) könne lügen, Dichtung verhandele nicht das Wirkliche, sondern das Mögliche, und überhaupt erhebe die im fiktionalen Mo-
42 Georg Philipp Harsdörffer: Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst/ ohne Behuf der Lateinischen Sprache/ in VI. Stunden einzugießen. Reprint Hildesheim, New York 1971 [drei Teile in einem Band; die fehlerhafte Paginierung wurde beibehalten], Dritter Theil, S. 101 f.; siehe dazu Peter Hess: Poetik ohne Trichter. Harsdörffers ‚Dicht- und Reimkunst‘. Stuttgart 1986 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik, 165), S. 109. – Vgl. problematisierend auch Nicola Kaminski: „ut pictura poesis“? Arbeit am Topos in Georg Philipp Harsdörffers Seelewig. In: Miroslawa Czarnecka / Thomas Borgstedt / Tomasz Jablecki (Hg.): Frühneuzeitliche Stereotype. Zur Produktivität und Restriktivität sozialer Vorstellungsmuster. Bern 2010 (Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe A, 99), S. 367–397, bes. S. 369. 43 Harsdörffer, Gesprächspiele (wie Anm. 37), Bd. V, S. 114. 44 Im Original: „sed quasi poeta, tabulas cum cepit sibi, | quaerit quod nusquamst gentium, reperit tamen, | facit illud veri simile, quod mendacium est“ (Plautus: Komödien. Bd. V: Poenulus – Pseudolus – Rudens. Lateinisch u. deutsch. Hg., übers. u. kommentiert von Peter Rau. Darmstadt 2008, S. 162 [I, 4; V. 401ff.]).
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dus wirkende Dichtung naturgemäß gar keinen Wahrheitsanspruch, könne folglich auch nicht lügen. Klaj hingegen, der die Poesie im Zeichen der imitatio als „Schwester der Natur“ (LTP 3) und mithin als „Göttliche Kunst“ (ebd.) begreift, findet einen anderen Kunstgriff, um die epistemischen Qualitäten der Poesie zu stützen, indem er diese zur Metadisziplin erhebt, die alle Wissenschaften und Künste in sich einschließt. Er erklärt: „Niemand muß ihm aber die Meinung schöpfen/ als ob die Poeterey mit lauter Vnwahrheiten ümgienge/ und bestünde bloß ihn ihr selber/ da sie doch alle andere Künste und Wissenschaften in sich hält.“ (LTP 5) Auf der skizzierten Verstehensfolie des Nachahmungsdiskurses lässt sich das, was Klaj in seiner Lobrede verficht, auffassen als Fortsetzung der poetischen Malerei mit klanglichen Mitteln. Er überführt das traditionelle Modell der pictura loquens in das einer pictura sonans; der mimetische Auftrag müsste nunmehr ut sonus poesis lauten. Entsprechendes gilt für die Evidenzierungsstrategien der Klangpoesie, denn während das Vor-Augen-Führen (ante oculos ponere) seit den Anfängen der Rhetorik zu den wichtigsten Kunstgriffen gehört, um ein Publikum rational zu überzeugen bzw. affektiv zu bewegen, zielt Klaj offenbar auf ein poetisches ante aures ponere. Diese Begriffsspielereien ließen sich noch weiter fortsetzen, aber darum geht es nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass Klaj im Verbund mit Harsdörffer überaus konkrete, theoretisch bis ins handwerkliche Detail reflektierte Vorstöße zur Umsetzung dieser Klangästhetik unternahm. Dem ästhetischen Ziel, die bloße Endreimbindung durch Klangphänomene des naturnachahmenden Binnenreims zu übertreffen, kommt in der Lobrede ein herausgehobener Stellenwert zu, denn der entsprechende Appell wird mit einer der vier Publikumsanreden verknüpft: „Allhier nun/ Werthe Zuhörer/ wolt ich euch gern beybringen die Beweglichkeit der Teutschen Verskunst: Denn das man hinten zwey Reime aneinander bakken kan/ ist das geringste […].“ (LTP 13) Wenn Klaj fordert, die klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten der deutschen Sprache in der Dichtkunst auszuschöpfen, so steht dahinter die Absicht, zum einen eine sinnlich getragene Wirkung zu erzeugen und zum andern – man könnte hierbei gleichsam von einer akustischen Signaturenlehre sprechen45 – sich über den Klang der Dinge zu den Mysterien der Schöpfung, die ihrerseits durch einen in seiner Kausalität bemerkenswerten verbalen Akt in Gang gesetzt wurde (In principio erat verbum et verbum erat apud Deum et Deus erat verbum; Joh 1,1) zu nähern.46 Der auf die naturmagische Kraft der Sprache verweisende Passus bei Klaj lautet:
45 Eine Anbindung der Lobrede an den Kontext der Hermetik unternimmt Peter-André Alt: Imaginäres Geheimwissen. Untersuchungen zum Hermetismus in literarischen Texten der Frühen Neuzeit. Göttingen 2012 (Berliner Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, 12), S. 95 f. 46 Vgl. erste dahingehende Überlegungen bei Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik (wie Anm. 4), Bd. 1, S. 93.
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[E]s muß das Gedicht voller Kern/ Geist und Feuer seyn/ daher dann unser Dicht- und Verskunst viel hefftiger der Menschen Sinn und Gemüt durchdringet als einig andere/ weil kein Wort in Teutscher Sprache ist/ das nicht das jenige/ was es bedeute/ worvon es handele/ oder was es begehre/ durch ein sonderliches Geheimnis außdrükke: also daß man sich über die unausdenkige Kunst/ die Gott unserer Sprachen verliehen/ wundern muß. (LTP 13f.)
Was die technische Verwirklichung einer solchen klanglich-sinnlichen Poesie angeht, finden sich im Zusammenhang mit Klajs dramatischer Dichtung Der Leidende Christus (1645), das ein Jahr nach der Lobrede erschien, detaillierte Anleitungen. Harsdörffer äußert sich anlässlich dieses Textes in einem poetologisch beratenden Brief, der als programmatischer Paratext mit abgedruckt wurde, im Detail zur technischen Verknüpfung von Metrik, Klang und Affekt: Die kurtzlangen [sc. jambischen] Reimarten sind zu den Erzehlungen/ die langkurtzen [sc. trochäischen] zu Bewegung der Gemühter/ wie die langgekürtzten oder Dactylischen/ (welche von den dreysylbigen Worten entstanden) zu freudigen Sachen beqwemlich. Hierbey ist zu beobachten/ daß die Gemühtsregung und Bewegung entstehet aus Liebe zum Guhten/ als da ist, Hoffnung/ Freude/ Verlangen/ Mitleiden/ Gewogenheit udg: oder aus Haß gegen das Böse/ als; Furcht/ Zorn/ Traurigkeit/ Verzweifflung udg. Jede Naturgemässe Vorstellung muß/ benebens den nachdrukklichen Worten/ durch die Reimart oder Bindung angeführet werden: dergestalt daß die Hoffnung/ Verlangen/ Freude und alles/ was uns in dem Sinn ligt/ vielmals (sonderlich aber in den Satzreimen/ oder der Oden Abgesang) wiederholet werden sol/ als ob wir es nicht vergessen und aus dem Hertzen oder Mund lassen könten. Das Klagen/ Seufftzen/ Jammern und Trauren muß durch kurtze Reimzeilen gefasset werden/ als ob die Rede gleichsam durch das ächtzen und die Seufftzer unterbrochen würde.47
In diesem Licht erscheinen die nur wenig älteren klangpoetologischen Hinweise Klajs in der Lobrede als Marksteine in der Formierung der Nürnberger Ästhetik: „Es bemerke einer die Dinge/ so er aussprechen wil/ halte selbe seinen Gedanken mit Nachsinnen vor/ beobachte darneben den Hall und Schall der Wörter/ ob sie selben nicht artlich auß- und abbilden.“ (LTP 14) Was Klaj mit der Lobrede leistet, ist die Erweiterung des rhetorischen Dreischritts, bestehend aus inventio – dispositio – elocutio, um die akustische Dimension der intonatio, und zwar nicht nur als ästhetische Vorgabe für die Dichtkunst, sondern offenbar auch für die Redekunst. Denn indem er den traditionellen poetologischen Nachahmungsauftrag redeförmig auf die akustischen Qualitäten der Natur ausdehnt, setzt er seinen Anspruch zugleich performativ ins Werk:
47 Georg Philipp Harsdörffer: Liebwerter Herr / geehrter Freund. In: Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke; Reihe Barock), S. [238]–[242], hier S. [240].
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Lasset uns aber hierbey auch unser Teutsches in Acht nemen/ und besinnen mit was kräftig kurtzer Ausrede/ nach Geheiß der innerlichen Eigenschaft/ die Teutsche Sprache sich hören läst/ Sie blitzet erhitzet/ sie pralet und stralet/ sie sauset und brauset/ sie rasselt und prasselt/ sie schlosset erbosset/ sie wittert und zittert/ sie schüttert zersplittert/ sie brüllet und rüllet/ sie gurret und murret/ sie qwaket und kaket/ sie dadert und schnadert/ sie girret und kirret/ sie schwirret und schmirret/ sie zitschert und zwitschert/ sie lispelt und wispelt/ sie zischet und knirschet/ sie klatschert und platschert und tausend anderen Stimmen der Natur weis sie meisterlich nachzuahmen. (LTP 18)
4 Kunstschöpfung: laus dei – sicut deus Wenn Klaj die Poesie als über allen Künsten und Wissenschaften stehende Metadisziplin auffasst, so erscheint es konsequent, wenn er eine umfassende Bildung zur notwendigen Vorbedingung des Dichtertums macht.48 Gemeint ist damit allerdings keine trockene Buchgelehrsamkeit, sondern offenbar eine metaphysisch äußerst bewegliche Weltweisheit: „Es muß ein Poet ein vielwissender/ in den Sprachen durchtriebener und allerdinge erfahrner Mann seyn: Er hebet die Last seines Leibes von der Erden/ er durchwandert mit seinen Gedanken die Länder der Himmel/ die Strassen der Kreise/ die Sitze der Planeten/ die Grentzen der Sterne/ die Stände der Elementen.“ (LTP 5) Weist Klaj damit den nur akademisch gebildeten poeta doctus zurück, so lässt sich seine Haltung zum doctrina-Prinzip ferner dahingehend verstehen, dass zwar das handwerkliche, nicht aber das genuin künstlerische Moment der Dichtung vermittelt werden könne. Das ist nicht neu – ‚Kunst‘ lässt sich traditionell nie auf das lehr- und lernbare rhetorische und poetologische Handwerk reduzieren, weil sich mit dem reinen kunstfertigen Fleiß eine allzu geringe Schöpfungshöhe verbindet. Als Triebfeder der Poesie gilt seit der Antike der furor poeticus als überirdisch verursachter – und daher nicht pathologischer – produktiver Wahnzustand,49 der sich der menschlichen Einflussnahme entzieht. Auch Klaj unternimmt die übliche Abgrenzung des schöpferischen vom krankhaften Wahn, indem er die poetische Einbildungskraft (vis imaginativa) an die göttliche Vernunft (logos) koppelt:50 „Und weiln ein solcher Poetischer Geist/ von anmutigen Sinnreichen Einfällen/ kekkes Unternemens unnachfölgig steiget/ sich mit Göttlicher Vernunfft flügelt/ die Alttagsgedanken [!] übertrifft/ als ist ihnen der Name/ so der höhesten Majestät allein zuständig/ ge-
48 Vgl. van Ingen, Dichterverständnis (wie Anm. 8), S. 254 f. 49 Vgl. ausführlich Dietmar Till: Affirmation und Subversion. Zum Verhältnis von ‚platonischen‘ und ‚rhetorischen‘ Elementen in der frühneuzeitlichen Poetik. In: Zeitsprünge 4 (2002), S. 181– 210. 50 Vgl. Alt, Imaginäres Geheimwissen (wie Anm. 45), S. 95 f.
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geben worden.“ (LTP 4) In diesem Sinne wurde der furor als Garant für die Exklusivität des künstlerischen Schöpfungsaktes bereits durch den Neuplatonismus von Petrarca über Ficino und weit darüber hinaus in der frühneuzeitlichen Dichtungstheorie verankert und fortgeschrieben.51 Deshalb ist der Poesie stets notwendig die göttliche Eingebung (inspiratio) bzw. die natürliche – indirekt auf Gott rückführbare – Begabung (ingenium) vorausgesetzt.52 Klaj gibt diesem Punkt in seiner Lobrede außerordentlich großen Raum, indem er gleich an mehreren Stellen eine inspirierte Schöpfungsästhetik entfaltet, die den Dichter in den Rang eines höheren, von Gott ausgezeichneten Wesens setzt. Er charakterisiert den Dichter, wie van Ingen festhielt, als „engelgleiches Wesen“, das eine „Ausnahmeposition“ einnimmt, weil es „zwischen Himmel und Erde schwebt“53 oder, in Klajs eigenen Worten, beim (geistigen) Durchschreiten des Erdkreises die „Flügel seiner Sinne [schwinget]“, aber auch „den Bauch der Erden [durchkreucht]“ (LTP 5). Dies versetzt ihn in die Lage, „scharffe Gedanken/ geziemende zierliche Worte lebendige Beschreibungen/ nachsinnige Erfindungen/ wolklingende Bindarten/ ungezwungene Einfälle/ meisterliche Auschmükkungen/ seltene Lieblichkeiten/ und vernünfftige Neurungen“ (LTP 5) zu formen. Die Fähigkeit, diese vielfältigen Anforderungen schöpferisch in ein Kunstwerk zu überführen, liegt nach Klaj allein in der Natur des berufenen Dichters, der mit unsichtbaren Kräften göttlichen Ursprungs begabt ist: Gleichwie aber das Eisen vom Magnet zwar gezogen wird/ kein Mensch aber weis die stumme Krafft: Also wird die Dicht- und Reimkunst nicht durch Menschliche Wirkungen/ sondern durch sonderbare Himmelsgnade eingegossen: sie wird nicht von dem Meister/ sondern aus den süssen Vorgeschwätze und Gesäussel der Ammen/ erlernet: nicht in den Schulen aus dem Munde der Lehrer gefasset/ sondern aus den Mütterlichen Milchbrünlein eingesogen. (LTP 19)
51 Vgl. zu den Traditionszusammenhängen ausführlich Christoph J. Steppich: Numine afflatur. Die Inspiration des Dichters im Denken der Renaissance. Wiesbaden 2002 (Gratia. Bamberger Schriften zur Renaissanceforschung, 39) sowie Volkhard Wels: Der Begriff der Dichtung in der Frühen Neuzeit. Berlin, New York 2009 (Historia Hermeneutica; Series Studia, 8), Zweiter Teil: Enthusiasmus, bes. S. 197–214 (zu Ficino und Pico della Mirandola) u. S. 221–236 (zur Naturalisierung der göttlichen Inspiration). 52 Vgl. Katrin Kohl: Inspiration, Ingenium, Technik. Die apologetische Bedeutung der Ursprungspoetik in der deutschsprachigen Kunsttheorie und Poetik in der Frühen Neuzeit. In: Ulrich Heinen (Hg.): Welche Antike? Konkurrierende Rezeptionen des Altertums im Barock. Bd. 2. Wiesbaden 2011 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 47), S. 971–983, bes. S. 973 u. S. 977. 53 Van Ingen: Dichterverständnis (wie Anm. 8), S. 251.
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Das letzte Bild mag vordergründig im Widerspruch zu Klajs Inspirationsthese stehen, da Muttermilch ebenso wenig aus dem Quell der Hippokrene geschöpft wird wie das Gesäusel der Ammen eine Enthusiasmierung mit göttlichem Geist zu zeitigen vermag. Jedoch erscheint es legitim, beides als Metaphern für das Gegebene, das dem Menschen in die Wiege Gelegte zu lesen, das hier in ausdrückliche Opposition zum Erlernbaren gestellt wird. Als Zuspitzung dieser Auffassung unternimmt Klaj eine Parallelisierung von politischem und poetischem Gottesgnadentum. Da Verse für gewöhnlich nicht nur Wohlklang, sondern auch Anschaulichkeit erzeugen, trägt er sie in Alexandrinern vor. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung aus der 1591 veröffentlichten lateinischen Gedichtsammlung Melodaesia Friedrich Taubmanns, der Buchners akademischer Lehrer und Amtsvorgänger in Wittenberg war: Zu Rom wird alle Jahr ein neuer Raht erkoren/ Ein König und Poet die werden nur geboren. (LTP 20)54
Klaj verortet nicht nur den Ursprung der poetischen Schöpfungskraft bei Gott, sondern nimmt auch eine daraus resultierende göttliche Präsenz im Dichter an, was er im Rückgriff auf die est deus in nobis-Formel zum Ausdruck bringt.55 So teilt er zunächst seine eigenen Ansichten über das gottgegebene Dichtertum mit, um ihnen sodann mit einer Übersetzung aus Ovids Fasti die besagte pointierte Wendung zu geben: Dahero allezeit darvorgehalten worden/ daß der/ so bey ihm selbst/ ümsonst an der Musen Thür klopfe: Das ist/ es müsse ein guter Poet von einer höhern Gewalt angetrieben werden/ Göttliche Regungen und himmlische Einflüsse haben/ wie sie denn singen: Es ist ein Gott in uns/ ein Geist/ wenn der sich reget/ Brent unser Geist auch an/ und sich wie Gott beweget. (LTP 4)56
Bei Ovid findet sich das est deus in nobis in abgewandelter Form noch einmal an anderer Stelle, in der Ars amatoria: Est deus in nobis, et sunt commercia caeli: sedibus aetheriis spiritus ille venit. (Ovid, Ars amatoria 3, 549f.)
54 Im Original: „CONSULES fiunt quotannis & novi pro-Consules. | Solus aut Rex aut Poëta non quotannis nascitur.“ (Friedrich Taubmann: Melodaesia sive Epulum Musæum. Leipzig 1597, S. 526). 55 Vgl. zur Rezeptionsgeschichte dieser Formel im 15. und 16. Jahrhundert Steppich, Numine afflatur (wie Anm. 51), S. 236–251. 56 Im Original: „Est deus in nobis, agitante calescimus illo, | impetus hic sacrae semina mentis habet.“ (Ovid, Fasti 6, 5f.).
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Hier ist nicht nur Gott in uns, sondern wir haben – als Dichter, versteht sich – sogar steten Umgang mit dem Himmel, aus dessen ätherischen Gefilden kommend uns der schöpferische Geist erfasst, was als Resonanzraum für das erste Zitat sicherlich mitzudenken ist. Opitz führt die von Klaj übersetzte Stelle im Schlusskapitel seines Buches von der Deutschen Poeterey (1624) ebenfalls an und verdeutscht sie sogleich, vielleicht etwas geschmeidiger als Klaj, wie folgt: Es ist ein Geist in vns/ vnd was von vns geschrieben/ Gedacht wird vnd gesagt/ das wird durch jhn getrieben.57
Damit unterstreicht Opitz seine von Klaj perpetuierte Empfehlung, vor allem diejenigen, „welche von natur selber hierzue geartet“ seien, sollten „jhren fleiß“ darauf richten, der deutschen Kunstdichtung zu Glanz zu verhelfen.58 Weiter erläutert er: „Wo diese natürliche regung ist/ welche Plato einen Göttlichen furor nennt/ zum vnterscheide des aberwitzes oder blödigkeit/ dürffen weder erfindung noch worte gesucht werden; vnnd wie alles mit lust vnd anmutigkeit geschrieben wird/ so wird es auch nachmals von jederman mit dergleichen lust vnd anmutigkeit gelesen.“59 Bemerkenswert erscheint bei Klaj außerdem eine Freiheit, die er sich bei der Übersetzung des Ovid-Verses verstattet, wenn er schreibt, unser Geist – gemeint ist wiederum derjenige der Dichter – bewege sich, wenn er von Gott bewohnt und entzündet sei, wie Gott. Denn im lateinischen Original steht nicht etwa ein ‚sicut‘ oder ‚velut deus‘, sondern lediglich „sacrae semina mentis“, so dass der Dichter hier absichtsvoll als alter deus vorgestellt wird.60 Mit einer Parallelisierung von Welt- und Kunstschöpfung über ein „gleich wie Gott“ begründet Klaj das vormals hohe Ansehen der Dichter, wobei letztlich doch ein „Unterscheid“ zwischen den Werken Gottes und denen der Dichter zutage tritt, so dass letztere eben doch nur „Meister“ seien: Dann gleich wie Gott/ der dieses sichtbare Weltgebäu/ mit allem/ was in demselben begriffen/ bloß aus seiner unermeßlichen Krafft und Weisheit erbauet/ allein ein Dichter/ diese aber/ die/ aus einem vorhergehenden Zeuge/ etwas verfertiget/ zum Unterscheid/ Meister benamet worden: Also hat man Anfangs die Poeten hoch und herrlich/ ja Gott fast selbst gleich/ geachtet/ in dem man geargwohnet/ sie hätten eine heimliche Zusammenkunft und
57 Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Hg. von Cornelius Sommer. Bibliographisch erg. Ausgabe. Stuttgart 1991 [zuerst 1970], S. 67. 58 Ebd. 59 Ebd., S. 68. 60 Vgl. van Ingen, Dichterverständnis (wie Anm. 8), S. 253.
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Verbündniß mit den Göttern/ weil sie/ was niemaln gewesen/ als wer es gewesen/ fürgestellet. (LTP 4)61
Wenn Klajs Schöpfungsästhetik von einer in gewissen Grenzen Gott vergleichbaren Tätigkeit des Dichters ausgeht, so handelt es sich dabei weder um Anmaßung noch um eine Vorwegnahme des Geniedenkens im 18. Jahrhundert, sondern um eine überaus zeitgemäße Konsequenz aus der bereits im rinaszimentalen Kunstdiskurs erfolgten anthropozentrischen Wende.62 Bereits bei dem für Opitz und die nachfolgende Barockpoetik wichtigen Scaliger kann man nachlesen, dass der Poet „velut alter deus“ eine „naturam alteram“ erschaffe.63 Jedoch gründet dieses poetologische „wie Gott“ stets auf der Einsicht, dass der göttliche Schöpfungsakt durch künstlerische Kreativität nicht vollzogen, sondern nur nachvollzogen werden könne, weil jener ultimativ Neues schafft, diese aber ihrem Wesen nach stets auf die Stufe der Nachahmung verwiesen ist, also statt der creatio lediglich die imitatio vollbringt. Während die Naturschöpfung Gott vorbehalten ist, erscheint künstlerische Originalität bereits nach frühneuzeitlichem Verständnis sehr wohl möglich,64 und auch bei Klaj deutet sich dieser Gedanke an. Er findet sich allerdings nicht in der Lobrede selbst, sondern im Widmungsgedicht an Schmidmaier, in dem Klaj zunächst die kühle Entstehungszeit der Lobrede als locus circumstantiarum mit dem göttlichen Feuer der Inspiration als locus topicus der Poetik65 verknüpft: „Weil auch ein kalter Wind die Flamme bläset auf/| Die Sinn und Kunst erhitzt“ (LTP fol. Aijr). Das weitere Spiel mit diesem Bild erscheint im Hinblick auf die künstlerische Originalität bemerkenswert, wenn man die poetologische Bedeutungsebene hinter der jahreszeitlichen in den Blick nimmt. Klaj schreibt: „Jch gieng den alten Pfad nicht zwar wie vor im Klee/ | Es knarplet unter mir der hartgefrorne Schnee.“ (LTP fol. Aijr) Schnee „knarplet“ freilich nur dann unter den Füßen, wenn noch niemand zuvor ihn betreten hat, und selbst wenn
61 Den letzten Teil dieses Zitats deutet Volkhard Wels als Kritik am „Glauben an eine göttliche Inspiration“, die Klaj „auf die Leichtgläubigkeit der Antike zurück[führte]“ (Wels, Begriff der Dichtung [wie Anm. 51], S. 279), allerdings geht es Klaj hier im Kontext nicht um die Naivität früherer Zeiten, sondern er klagt vielmehr über den Verlust vergangener Größe des Dichter. – Peter-André Alt sieht in der Formulierung „heimliche Zusammenkunft“ einen Hinweis auf einen „hermetischen Grundzug“ der Lobrede (Alt, Imaginäres Geheimwissen [wie Anm. 45], S. 96). 62 Vgl. dazu Jürgen Klein: Genius, Ingenium, Imagination. Aesthetic Theories of Production from the Renaissance to Romanticism. In: Jürgen Klein / Frederick Burwick The Romantic Imagination. Literature and Art in England and Germany. Amsterdam, Atlanta 1996 (Textxet. Studies in Comparative Literature, 6), S. 19–62, bes. S. 22. 63 Julius Caesar Scaliger: Poetices libri septem […]. Editio secvnda. Genf 1581 [EA 1561], S. 6. 64 Vgl. Klein, Genus, Ingenium, Imagination (wie Anm. 62), S. 23. 65 Vgl. z. B. Steppich, Numine afflatur (wie Anm. 51), S. 253.
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Klaj den „alten Pfad“ beschreitet, so hinterlässt er im „hartgefrornen Schnee“ doch unverkennbar neue Spuren.
5 Fazit Zusammenfassend lässt sich über Klajs Lobrede festhalten, dass es sich dabei erwartungsgemäß nicht um eine systematische Anleitung handelt, aus der Neulinge auf dem Gebiet der Dichtkunst erlernen könnten, wie man Lust- und Trauerspiele, alternierende oder buchnerisierende Verse macht. Mit entschiedener Skepsis gegenüber der Lehr- und Lernbarkeit der Poesie schreitet Klaj vielmehr kursorisch, aber keineswegs theoriefern diejenigen dem technischen Handwerk des Poeten übergeordneten Faktoren ab, die seine Dichtungsauffassung konstituieren. Wurden in den vorgängigen Überlegungen vor allem die Dimensionen der memorialen und nationalkulturellen Sinnstiftung, der akustischen Naturnachahmung sowie der göttlich inspirierten Schöpfungsästhetik akzentuiert, um der bisherigen Forschung zur Lobrede einige Beobachtungen hinzufügen zu können, so umreißt Klaj sein poetologisches Programm selbst abschließend in fünf Punkten, die nicht nur eine etwas andere Schwerpunktsetzung, sondern auch eine eigene Systematik der poetischen Funktionen sowie eine Hierarchisierung derselben erkennen lassen. Die Nummern wurden hier zur Verdeutlichung hinzugefügt: [1.] Weil nun die Poeterey des Höhesten Tochter/ als verkündiget sie jederzeit seine Wunder. [2.] Sie ist der Brennspiegel/ der die Lastschiffe der Sorgenkummer Hertzen vom Himmel anzündet. [3.] Sie ist der Mörser/ in welchem die Machtworte/ als das eingezwängte Pulver/ mit einem durchdringende Nachdruk herausfeuren. [4.] Sie ist ein lebendiges von treflicher Meisterhand/ nach nur ersinlicher Kunst/ ausgefertigtes Gemähld/ das uns aus dem Papyr zuspricht. [5.] Sie ist die Belustigung der hohen Potentaten/ wie Käisers Augusti Hof ein Auffenthalt aller Poeten gewesen. (LTP 20)
An erster Stelle steht demnach die Feststellung, dass die Dichtkunst von Gott stamme, daher grundsätzlich immer Offenbarungen des Göttlichen transportiere und somit neben der Bibel und dem liber naturae einen dritten Weg zur Gotteserkenntnis weise – und offenbar selbst dann, wenn man es nicht mit geistlichen Poesien zu tun hat, eben „jederzeit“. Wenn Gottes Werke in den poetischen manifest werden, folgt daraus mit Blick auf die Bürden und die Vergänglichkeit des irdischen Seins unmittelbar eine konsolatorische Funktion der Dichtkunst, die im zweiten Punkt benannt wird. Denn die Poesie enthält nach Klaj nicht nur höhere Wahrheiten, sondern vermöge mit der Fähigkeit zur Überwindung von Zeitlich-
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keit und Endlichkeit, etwas zu leisten, das sonst Gott vorbehalten ist, wie er an anderer Stelle erläutert: „Als wolt ich mir keine Gedanken machen/ in dem die Teutsche Poeterey die Jahre überstrebet/ die Gewalt der Zeiten durchbrochen/ zu sagen: Es müsse etwas Göttliches und ewigwährendes darinnen verborgen seyn/ dadurch wir näher zu GOtt dem Anfang aller Dinge schreiten.“ (LTP 13) Als drittes betont er die Macht der (poetischen) Worte, die er durch den aus der Bildsphäre des Militärs gezogenen Vergleich mit dem Schießpulver als regelrechte Waffe vorstellt. Viertens komme ihr die Aufgabe der imitatio naturae zu, um über die göttlich inspirierte vis imaginativa ein „lebendiges“, nicht nur redendes, sondern den Rezipienten nachgerade „zusprechendes“, also noch stärker eindringliches „Gemähld“ aus der trockenen Materialität des Papiers zu erschaffen, was nach Klaj vorzugsweise über die Nachahmung von Klängen zu bewerkstelligen sei. Und schließlich stellt Klaj die Poesie fünftens in den Dienst der Mächtigen, denen sie vor aller Konservierung des Nachruhms schon zu Lebzeiten Vergnügen bereiten könne. An erster Stelle stehen also weder Sprachpflege noch Patriotismus und noch nicht einmal die Klangästhetik – dies alles ist für Klaj zwar wichtig, aber das höchste Ziel der Dichtkunst liegt für ihn in der laus dei. Deswegen erhält nicht zuletzt auch der Begriff der Zierlichkeit als deutsche Entsprechung für das Stilideal der elegantia, das traditionell auf Natürlichkeit, Ursprünglichkeit und Reinheit verpflichtet war,66 bei ihm eine andere Bedeutung als bei Harsdörffer. Während dieser, wie oben dargelegt, die Zierlichkeit als Mittel zum Zweck der poetischen Illusion versteht, bildet die „Zierlichkeit“ (LTP 4) in der Lobrede den rhetorischen Maßstab, der zum Ausdruck „geistlicher Entzükkung“ (ebd.) gereichen soll. Klaj nennt etliche biblische Beispiele für eine „geistliche Entzükkung“ (LTP 4), die poetisch fruchtbar wird: Moses, der ein Warnlied über falsche Götzen und die Größe Gottes vorträgt (5. Mos 32), nachdem die Zehn Gebote ausgegeben und Josua zu seinem Nachfolger bestimmt hat. Debora, die den Sieg ihres Volkes über den kanaanäischen Heerführer Sisera besingt (Ri 5). Judith, die nach der Enthauptung des Holofernes einen Lobgesang anstimmt (Jdt 16). David, der Gott als Harfenist und Psalterdichter (Ps 3–41; Ps 51–72; Ps 86; Ps 101–103; Ps 108–110; Ps 138–145) pries. Salomo, dessen Hoheslied als ‚Lied aller Lieder‘ und damit als Poesie schlechthin bekannt ist. Als überzeugter Patriot stellt Klaj dieser Aufzählung noch einen heimischen Traditionsstrang an die Seite, um die für ihn wichtigste Funktion der Dichtkunst auf ein nationales Fundament zu stellen: „[E]s haben schon/ vor ungefehr ein viertausend Jahren/ die Teutschen in ihrer Haubtsprache ihre
66 Vgl. Ingo Stöckmann: Art. ‚Zierlichkeit‘. In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 9: St–Z. Tübingen 2009, Sp. 1534–1539, bes. Sp. 1534.
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Gesetze in Reimen versetzet/ und in gebundenen Reden ihren Gottesdienst verrichtet.“ (LTP 7) Im Wesentlichen stammt also die Dichtkunst nach Klaj nicht nur von Gott und erschafft eine zweite Natur wie Gott, sondern sie entfaltet sich vor allem anderen für Gott.
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‚Denkzeiten der deutschen Dichtung‘ Funktion der Antike für die deutsche Sprachkunst in Johann Klajs Lobrede der Teutschen Poeterey
Vor dem Hintergrund einer im hohen Grade von der Latinitas geprägten Kultur einerseits sowie einer neuerlichen Aufbruchstimmung in den Bemühungen um die deutsche Sprache andererseits, muss mitten im 17. Jahrhundert eine dichtungstheoretische Schrift mit der Frage nach der Rolle der antiken Sprache vorsichtig umgehen. Welche Antwort hält Klajs Lobrede der Teutschen Poeterey bereit?1 Klaj hat sie aus Anlass der Gründung des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg 1644 selbst gehalten.2 Mitzudenken sind ähnlich perspektivierte Texte, etwa die dritte Lobrede in Justus Georg Schottelius’ Teutscher Sprachkunst (1641) mit dem Titel Von der Uhralten Hauptsprache der Teutschen/ begreift Deroselben Uhrankunft und Uhralterthum3 sowie Schottelius’ Der Teutschen Sprache Einleitung (1643) oder Harsdörffers Schutzschrift für die Teutsche Spracharbeit und derselben Beflissene (1644).4 Diesen Texten ist gemeinsam, dass sie den sogenannten ‚Altersbeweis‘ führen. Das besondere Alter der deutschen Sprache wird erläutert, mit
1 Zitiert wird nach: Johann Klaj: Lobrede der Teutschen Poeterey/ Abgefasset und in Nürnberg einer Hochansehnlichen=Volkreichen Versammlung vorgetragen. Durch Johann Klajus. Nürnberg: Wolffgang Endter 1645. In: Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Barock, 4), S. 377‒416. 2 Vgl. Conrad Wiedemann: Nachwort zu: Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. 2‒19, hier S. 6. 3 Justus Georg Schottelius: Die Dritte Lobrede Von der Uhralten Hauptsprache der Teutschen/ begreift Deroselben Uhrankunft und Uhralterthum. In: Ders.: Teutsche Sprachkunst/ Darinn die Allerwortreichste/ Prächtigste/ reinlichste/ vollkommene/ Uhralte Hauptsprache der Teutschen auß jhren Gründen erhoben/ dero Eigenschafften und Kunststücke völliglich entdeckt/ und also in einer richtige Form der Kunst zum ersten mahle gebracht worden. Abgetheilet in Drey Bücher. Braunschweig: Balthasar Grubern 1641, hier S. 54–74. Etwas verändert wieder aufgenommen in: Ders.: Ausführliche Arbeit Von der Teutschen HaubtSprache. 1663. I. Teil. Hg. von Wolfgang Hecht. 2. Aufl. Tübingen 1995 (Deutsche Neudrucke, Barock, 11), hier S. 27‒49. Vgl. insgesamt zu den Lobreden in der Teutschen Sprachkunst: Markus Hundt: „Spracharbeit“ im 17. Jahrhundert. Studien zu Georg Philipp Harsdörffer, Justus Georg Schottelius und Christian Gueintz. Berlin, New York 2000 (Studia Linguistica Germanica, 57), S. 83‒85 4 Georg Philipp Harsdörffer: Schutzschrift für Die Teutsche Spracharbeit und derselben Beflissene: zu einer Zugabe/ den Gesprächsspielen angefüget durch den Spielenden. In: Ders.: Frauenzimmer Gesprächsspiele. 1. Theil. Nürnberg: Wolfgang Endter 1644, fol. Yiiijr–Bbxv (= Reprogr. Ndr. Tübingen 1968, S. [339]–[396]).
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dem Ziel, die Vormachtstellung der Antike zu bezweifeln, Hierarchien der Kulturen umzukehren.5 Sie gehen dabei im Umfang weit über Opitz’ Aristarch und Buch von der Deutschen Poeterey hinaus, in denen sich, allerdings recht kurze, Hinweise auf die alten Gesänge der Deutschen finden.6 Klajs Lobrede nimmt jedoch auch viel Bekanntes aus den ersten Kapiteln von Opitz’ Poetik auf. Ähnlich erscheinen die allgemeine Würdigung der Dichtung und des Poetentums, breiten Raum erfahren Inspirationstheorie und Enthusiasmuskonzept. In den Passagen, die den Altersbeweis führen, knüpft Klaj aber besonders an dem von Schottelius angelegten roten Faden in seiner Lobrede Von der Uhralten Hauptsprache der Teutschen/ begreift Deroselben Uhrankunft und Uhralterthum weiter.7 Gelingt es ihm aber tatsächlich bruchlos, so Wiedemann, die „Legitimität der deutschen Sprach- und Kulturhoheit“ gerade durch den Altersbeweis zu unterstreichen, der die Bedeutung der antiken Sprachen verringert?8 Anders gefragt: Will Klaj das überhaupt? Im Folgenden ist zu zeigen, wie sowohl in den Paratexten als auch in der eigentlichen, an Spekulationen über die Sprachgeschichte reichen,9 Lobrede änigmatische und auch humoristische Aspekte diese vermeintliche Kulturhoheit
5 Vgl. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. 10. Aufl. Bern, München 1984, S. 443. Ziel war es beispielsweise in der Patristik, die biblischen Geschichten als die Uranfänge darzustellen. Verbreitet war im Mittelalter die Lehre von den sechs Weltaltern. Das erste beginnt mit Adam, das sechste mit der Geburt Christi. Die Griechen treten im dritten Weltalter in die Geschichte ein, vgl. ebd. S. 447. Vgl. Theodor Verweyen: Dichtungstheorie und Dichterverständnis bei den Nürnbergern. In: John Roger Paas (Hg.): Der Franken Rom: Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 179‒195, hier S. 182. 6 Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey. Studienausgabe. Mit dem Aristarch (1617) und den Opitzschen Vorreden zu seinen Teutschen Poemata (1624 und 1625) sowie der Vorrede zu seiner Übersetzung der Trojanerinnen (1625). Hg. von Herbert Jaumann. Stuttgart 2005, hier S. 23 f., 86. 7 […] Darum dieses gewißlich folgen muß/ daß/ gleich wie das jetzige Teutschland annoch dasselbe Teutschland ist/ welches vor etzlichen tausend Jahren gewesen/ obes schon jetzo besser bebawet/ herrlicher außgeschmücket/mit den besten Stätten gezieret/ von den gelahrtesten bewohnt/ und von dem Haupte der Christenheit beherrschet wird: Also ist gleichfalls unsere jetzige Teutsche Sprache/ eben dieselbe uhralte weltweise Teutsche Sprache/ ob sie schon durch mildesten Segen des Himmels zu einer mehr prechtigen Zier und außbündigen Vollkommenheit gerahten ist […]. Schottelius: Von der Uhralten Hauptsprache der Teutschen. In: Ders., Teutsche Sprachkunst (wie Anm. 3), S. 72 f. 8 Conrad Wiedemann: Druiden, Barden, Wietdoden. Zu einem Identifikationsmodell barocken Dichtertums. In: Martin Bircher / Ferdinand van Ingen (Hg.): Sprachgesellschaften. Sozietäten. Dichtergruppen. Arbeitsgespräch in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. 28. bis 30. Juni 1977. Vorträge und Berichte. Hamburg 1987, S. 131‒150, hier S. 133 (Hervorhebung im Text). 9 Vgl. Wilhelm Kühlmann: Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer. Zur Interferenz und Rivalität jesuitischer und deutsch patriotischer Literaturkonzeptionen. In: Joachim Telle / Friedrich Vollhardt / Hermann Wiegand (Hg.): Vom Humanismus zur Spätaufklärung. Ästhetischer
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der deutschen Sprache aufgrund ihres Alters zur Disposition stellen. Und welche Bedeutung weist Klaj dem Griechischen und Lateinischen zu? Für Opitz hatten sie eine Vorreiterrolle inne in Bezug auf die Dichtung. Das Bewusstsein für Ordnung, Struktur, Präzision, Klarheit und Angemessenheit in deutscher Sprache konnte nur aus der Kenntnis der antiken Sprachen rühren. Der auf Latein erschienene Traktat Aristarchus Oder wider die Verachtung der deutschen Sprache (1617) betont vor allem den Wert des unverfälschten und reinen Lateinischen und Griechischen des Altertums. Vorbild und Lernobjekt sollen die originalen Quellentexte der Antike sein, die „Klassiker“,10 Platon und Aristoteles, Sallust und Cicero. Im Buch von der deutschen Poeterey spricht Opitz vom „rechten grieff“, den alle Lehren nicht beibringen können, wenn man „in den griechischen vnd Lateinischen büchern nicht wol durchtrieben“ sei.11 Harsdörffer betont in der Vorrede zu seinem Poetischen Trichter, dass es sinnvoll sei, sich auf die „Lateinische Poeterey“ zu „verstehen“, um das richtige „Reimmas“ zu finden. Beherrsche man „nur Teutsch allein“, müsse man mehr „Mühe“ aufwenden.12 Wie zu sehen, geht in den Poetiken die Frage nach der Bedeutung der alten Sprachen unweigerlich mit produktionsästhetischen Überlegungen einher. Von daher erhalten die antiken Autoren ihre besondere Aura und Legitimation auch für die eigene Gegenwart.13 In Klajs Lobrede weisen schon die Paratexte und ihre ‚Altersbeweise‘ gerade durch antike Einspielungen Brüche auf. Zur Diskussion stehen zunächst das Titelblatt, das Widmungsgedicht von Klaj, das Geleitgedicht von Johann Michael Dilherr sowie die Erklärung des Titelbildes von Harsdörffer. Zunächst zum Titelbild von Klajs Lobrede (Abb. 1, aus Originaldruck 1645): Diese etwas seltsam anmutende Figur erregt Aufmerksamkeit. Sie trägt eine Lilie in der Hand und einen prächtigen Kopfschmuck aus Pfauenfedern. Zu ihren Füßen liegen Notenheft und Geige als Zeichen des Sänger- bzw. Dichtertums.14 Was diese Figur bedeutet, erschließt sich indes nicht von selbst. Auf die Sprünge hilft
und kulturgeschichtliche Dimensionen der frühneuzeitlichen Lyrik und Verspublizistik in Deutschland. Tübingen 2006, S. 554‒574, hier S. 556. 10 Opitz, Poeterey (wie Anm. 6), S. 80. 11 Ebd., S. 25. 12 Georg Philipp Harsdörffer: Poetischer Trichter. Darmstadt 1969 (Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1650 [Erster Teil], Nürnberg 1648 [Zweiter Teil], Nürnberg 1653 [Dritter Teil], Vorrede, fol. )(7r. 13 Davon zu trennen sind pragmatische Aspekte. So übt Harsdörffer in seiner „Schutzschrift“ Kritik daran, daß in religiösen Kontexten oder auch in rechtlichen Fragen immer noch zu häufig das Lateinische benutzt werde und so vieles denjenigen, die das Latein nicht beherrschen, unklar bleiben müsse. Er beklagt die „unfugsame Hegung der Lateinischen Sprache“ gerade in geistlichen Dingen. Harsdörffer, Schutzschrift (wie Anm. 4), S. 15. 14 Vgl. Ferdinand van Ingen: Dichterverständnis, Heldensprache, Städtisches Leben. Johann Klajs „Lobrede der Teutschen Poeterey“. In: Barbara Becker-Cantarino / Jörg-Ulrich Fechner
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die Erklärung des Tittelbildes mit dem Untertitel WITDOD […] redet aus Harsdörffers Feder. Hier ergreift die Figur des Witdoden selbst das Wort. Zusätzlich erklärt eine Fußnote, was ein Witdode sei. Es handele sich um ein celtisches Wort, das zusammengesetzt sei aus wit (= weise) und dod (= Freund). Ein Witdode sei das, was „bey den Griechen“ der „Philosophus“ gewesen sei, der Weisheitsfreund.15 Im Gedicht erläutert der Witdode, dass er hervorkomme „von Todten Witdoden“, als einer, der wieder gekommen ist, um „bekleidet mit Alters- gebrauchlicher Zier“ die „Kunstlieblichen Lieder“ der „vormals Verstorbenen“, der alten celtisch-germanischen Dichter, wieder zu „erwekken“.16 Der Witdode erklärt auch seinen Kopfschmuck. Er weist darauf hin, dass sein „blaulich-gold-glentzend-befedertes Haubt“ den „Homerischen Pfauen […] beraubt“ habe.17 Die Federn allegorisieren, so lässt sich der erklärenden Fußnote entnehmen, die Seele des Pythagoras, die eine Pfauenseele gewesen und die nach Pythagoras’ Tod in Homerus gefahren sein soll.18 Angespielt wird auf die pythagoreische Lehre der Seelenwanderung, der Metempsychose. Der Witdode hier trägt nun diese Feder, als Zeichen, dass die wieder zum Leben erweckten uralten celtischen Lieder Homer den Rang ablaufen und die universalgelehrte Genialität eines Pythagoras beanspruchen. Weiter fordert der Witdode in seiner Rede die „Edelen Teutschen“ auf, den „Frieden“ zu lieben und „in Würden die dapfere Sprach“ zu erhalten, den „DEGEN“ mit der „FEDER“ zu vertauschen.19 Zu seinem Aussehen bemerkt der Witdode, dass er in „fränkische Tracht“ gekleidet sei.20 Der Appell geht darauf hinaus, dass gerade die vor Ort produktiven Dichter des Blumenordens an die Tradition der altdeutschen Dichter anknüpfen sollen. In Klajs Anhang findet sich zudem der Hinweis, dass die Witdoden als christianisierte Druiden zu verstehen seien.21 Was in Text und Bild entsteht, ist ein unbestimmtes Zwitterwesen, ein fränkisch gekleideter Witdode, der in einer Ahnenreihe mit den Druiden steht, sich auf altdeutsche Dichtertradition beruft und mit der Pfauenfeder den pythagoreischen Esprit antiker griechischer Kunst und Wissenschaft für sich vereinnahmt. Diese Vereinnahmung wird zum Problem, da die Feder von Homer ‚geraubt‘ wurde. Angespielt
(Hg.): Opitz und seine Welt: Festschrift für George Schulz-Behrend zum 12. Februar 1988. Amsterdam 1990 (Chloe, 10), S. 251‒266, hier S. 252. 15 Georg Philipp Harsdörffer: Erklärung des Tittelbildes. WJTDOD […] redet. In: Klaj, Lobrede (wie Anm. 1), hier Fußnote (1), S. 384. 16 Ebd. 17 Ebd. 18 Ebd., hier Fußnote (2). 19 Ebd. (Hervorhebung im Text). 20 Ebd. Vgl. zum Witdode Harsdörffer, Schutzschrift (wie Anm. 4), S. 24 f. Wie hier aus einer Anmerkung hervorgeht, war Harsdörffer Klajs Lobrede bereits bekannt. 21 Harsdörffer, Erklärung des Tittelbildes (wie Anm. 1), S. 384.
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wird mit diesem Federnraub sicher auch auf die Fabel des Äsop, die Harsdörffer in seinem Prob und Lob der Teutschen Wolredenheit verwendet, um die Nutzung von „fremden Flickwörtern“ als „frembder Zier“ kritisch zu beleuchten.22 Dieser Akt des Diebstahls ist dazu angetan, die Legitimität der vom Witdoden offenbar beanspruchten Kulturhoheit der deutschen Sprache in Frage zu stellen. Das Titelbild erregt auch deshalb Aufmerksamkeit, weil die ganze Figur etwas seltsam zusammengeflickt erscheint, in jedem Fall der Kopfschmuck aus Pfauenfedern irgendwie unpassend, komisch oder gar lächerlich wirkt. Nicht minder änigmatisch nimmt sich der zweite Paratext aus, Klajs umfangreiches alexandrinisches Widmungsgedicht für Herrn Johann Jobst Schmidmaier (1611‒1648), Adressat der Lobrede. Schmidmaier stammte wohl aus dem Ritterstand und hatte sich als Stifter sehr um die Orientalistik an der Universität Altdorf verdient gemacht und ihr eine „komplette orientalische Typographie“ geschenkt.23 Das Gedicht beschreibt ihn als weit gereist, weltgewandt und gelehrt, als einen, der ritterliche Tugend mit einem Sinn für die Kunst vereint. Er lese „mit Lust“, was „bey dem Teutschen Volck vom Anfang her gewesen“.24 Schmidmaier hegt, nicht zuletzt aufgrund seiner ritterlichen Abkunft, eine hohe Wertschätzung für die eigene deutsche Tradition. Um dies zu verdeutlichen, nutzt das Widmungsgedicht eine spezielle Erzähltechnik. Am Anfang wird die Szenerie einer kalten Winterlandschaft eröffnet. Das lyrische Ich, ein „Musensohn“,25 sucht nach Inspiration, erhebt sich vom Kachelofen, um einen Schneespaziergang zu machen. Da begegnet ihm in „düstrer Winterlufft“ Vater Jaan, der „zwey gestirnte Gott“:26 Ich gieng den alten Pfad nicht zwar wie vor im Klee/ Es knarplet unter mir der hartgefrorne Schnee. In dem fleugt Vater Jaan aus düstrer Winterlufft Und schreyet: hör! hieher! Ich sehe/ wer mir rufft. Der zwey gestirnte Gott/ stund da mit rohten Ohren
22 Harsdörffer, Poetischer Trichter (wie Anm. 12), hier der dritte Teil: Prob und Lob der Teutschen Wolredenheit, S. 15. 23 Hartmut Bobzin: Orientalistik an der Nürnbergischen Universität Altdorf. In: Hanns Christof Brennecke / Dirk Niefanger / Werner Wilhelm Schnabel (Hg.): Akademie und Universität Altdorf. Studien zur Hochschulgeschichte Nürnbergs. Köln, Weimar, Wien 2011 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 69), S. 323‒341, hier S. 334. Georg Andreas Will / Christian Konrad Nopitsch: Nürnbergisches Gelehrtenlexikon. Bd. 1‒8. Nürnberg 1755–1808, hier Bd. 3, S. 545, Bd. 8, S. 96. Dieter Schmidmaier: Johann Jobst Schmidmaier von Schwarzenbruck (1611‒1647) als Förderer der Universität Altdorf. In: Studien zum Buch- und Bibliothekswesen 3 (1983), S. 82‒85. 24 Johann Klaj: Heult nicht der Nordenwind […]. In: Ders., Lobrede der Teutschen Poeterey (wie Anm. 1), S. 379‒381, hier S. 381. 25 Ebd., S. 379. 26 Ebd.
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Es war jhm Haar und Bart wie Felsenhart gefroren/ Sein Kleid war durch und durch vor Kälte Kreidenweis/ An seinem Schlüssel hieng ein grosser Zapfen Eis. Er sprach: wohin? wohin? jetzt ist hier nichts zu schauen/ Jetzt blüht kein Rosenstrauch/ jetzt feyren/ Berg und Auen/ Und wie die Sage geht/ so freyet Pusch und Wald/ Es buhlet Stamm und Ast/ Kraut/ Wurtzel/jung und alt Um diese Weyhnachtzeit […].27
Wer ist Vater Jaan? Die Zweigesichtigkeit und der Schlüssel verweisen deutlich auf den römischen Gott Janus, Hüter der Türen und Tore, der Anfang und Ende in sich vereint, Vergangenheit und Zukunft. Klaj verdeutscht Ianus in Vater Jaan, der hier so recht zottelig und verfroren wirkt und die alte mythische Vorzeit der deutschen Dichtkunst allegorisieren könnte, die sich derzeit, nach blühenden und fruchtbaren Zeiten, in einem Zustand eisiger Kälte befindet. Dessen Hinweis auf die Weihnachtszeit und den noch fehlenden Rosenstrauch könnte biblisch konnotiert sein, allerdings mag das Wort ‚Sage‘ zu biblischen Geschichten nicht unbedingt passen. In dieser Szenerie der Natur könnte mit dem Weihnachtsfest auch die Sonnenwendfeier angedeutet sein. Seit der Wiederentdeckung von Tacitus’ Germania gewann jedenfalls der germanische, erdgeborene, Gott Teut an Aufmerksamkeit, hier abgebildet in einer Schrift von Burkhard Waldis, die Teut oder Tuiscon deutlich christianisiert und als Urenkel Noahs erdenkt (Abb. 2).28 Klaj, der als allegorische Figur wohl weder den einen, noch den anderen Gott allein hätte verwenden dürfen, ohne sich im christlichen Kontext und in einer Lobrede auf die deutsche Dichtkunst erklären zu müssen, entwirft mit seinem Vater Jaan offenbar ein römisch-germanisches Zwitterwesen mit schwachen christlichen Facetten, das sich nicht von einer kulturellen Zuschreibung vereinnahmen lässt.29 Im Gedicht führt Vater Jaan den Musensohn zu einem geheimnisvoll an
27 Ebd. 28 Burkhard Waldis: Ursprung und Herkommen der zwölf alten Könige und Fürsten Deutscher Nation, wie und zu welchen zeyten ir yeder Regiert hat. Nürnberg: Hans Guldenmundt der Elter 1543, unpag. Das Titelblatt trägt keinen Verweis auf den Autornamen. Die Schrift schließt jedoch mit einem „Lobspruch der alten Deutschen“ von Waldis. Am Ende sind Ort und Drucker verzeichnet. 29 Zur Diskussion um die Verwendung antiker Mythen bei den Nürnbergern vgl. Hartmut Laufhütte: Programmatik und Funktionen der allegorischen Verwendung antiker Mythenmotive bei Sigmund von Birken (1626‒1681). In: Hans-Jürgen Horn / Hermann Walter (Hg.): Die Allegorese des antiken Mythos in der Literatur, Wissenschaft und Kunst Europas [Vorträge, gehalten anlässlich des 31. Wolfenbütteler Symposions vom 28. September bis 1. Oktober 1992 in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel]. Wiesbaden 1997 (Wolfenbütteler Forschungen, 75), S. 287‒310, zur Verwendung heidnischer Götternamen vgl. ebd., S. 299 f.
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mutenden „Scherbenhaus“, das in einem Garten liegend etwas Schutz und Wärme vor dem kalten Nordwind bietet, „in welchem Flora grünt und lacht den Winter aus“.30 Eben in diesem Gartenhäuschen, das die Hoffnung auf eine renovatio der Kultur verbildlicht, hält Vater Jaan seine Rede auf Schmidmaier und exponiert diesen als Garant einer neuen deutschen Dichtung und einer „Teutschen Treue“.31 Es ist Zeit, die deutsche Dichtung aus dem Winterschlaf wiederzuerwecken. Dass dies eine schwierige Aufgabe ist, allegorisiert die Figur des Vater Jaan in hohem Grade. Der bärtige Alte ist eigenbrötlerisch gezeichnet, schlurft mit einem großen Schlüssel durch den Schnee, mit einem Schlüssel, an dem Eiszapfen hängen, die vorerst noch schmelzen müssen, damit die Tür zur Vergangenheit, zu den uralten Schätzen der deutschen Sprache, tatsächlich geöffnet werden kann. Ein Augenzwinkern ist am Ende des Gedichtes nicht zu übersehen. Da verschwindet der Alte plötzlich im Dunkeln, ward nicht mehr gesehen und wirft ungesehen dem ‚Musensohn‘, der ihm zugehört hatte, „den hartgebalten“ Schnee mitten ins Gesicht.32 Der Wurf mit dem Schneeball und das Verschwinden des Alten tragen auch resignative Züge. Dieser ‚Alte‘ ist selbst Bestandteil eines versuchten ‚Altersbeweises‘, der absichtlich nicht funktioniert. Er figuriert eine längst vergangene ‚teutsche‘ Vorzeit, eine, wie es am Ende heißt, „alte Liebe“,33 die vor allem mythisiert wird und durch Sagen weiter lebt. Der mithin komisierte, alte Vater Jaan erscheint so wie er in Klajs Text dargestellt ist, gerade nicht als ein wirklicher Hoffnungsträger für die Erneuerung der Dichtkunst aus dem Geist der alten deutschen Germanen. Auch das lateinische Geleitgedicht von Johann Michael Dilherr mitsamt einer deutschen Übersetzung führt den Altersbeweis nicht überzeugend durch. Die deutsche Sprache findet hier jedenfalls zu ihren Möglichkeiten im Akt der Übersetzung, so, wie es Opitz im Buch von der Deutschen Poeterey empfohlen hatte.34 Der ideale Poet ist immer noch der, der sowohl in lateinischer als auch in deutscher Sprache dichten kann. Das Gedicht beschreibt den wundersamen Aufstieg Teutschlands zu einem Land der Künste und Wissenschaften. Es führt das ‚teutsche‘ Volk vor Augen, wie es sich vor sehr langer Zeit „halbverwildt“ befand, „eingehüllt/ in Fell’ und Bärenhaut’“ und stets bereit, seinen Feind
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Klaj: Heult nicht der Nordenwind […]. In: Ders., Lobrede (wie Anm. 1), S. 379. Ebd., S. 381. Ebd. Ebd. Opitz, Poeterey (wie Anm. 6), S. 71.
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Abb. 1: Witdode bei Johann Klaj: Lobrede der Teutschen Poeterey … Nürnberg 1645, Titelblatt
Abb. 2: Teut / Tuiscon bei Burkhard Waldis: Ursprung und Herkommen der zwölf alten Könige und Fürsten Deutscher Nation … Nürnberg 1543, unpag
„zu würgen“.35 Die „Musenkunst“ war hier noch „unbekant“.36 Teutschland in seinen Uranfängen stellt sich eher in einem Zustand dar, der überwunden werden muss, der nicht qua seines Alters bereits einen Vorzug besitzt. Sein Aufstieg zum Ort des „Parnassus“, zum „Redner Mutterschos“, zum „Dichter Vaterland“, in dem „Kunst und Wissenschaft“ blühen und die deutsche „HeldenSprach […] Hofgemäß“ ist, am Ort der Macht genutzt wird, erscheint angesichts seiner barbarischen Vergangenheit als fast unmöglich, ja unwahrscheinlich.37 Dieser Aufstieg der deutschen Sprache wird speziell im Kontext der eigenen Gegenwart und der
35 Johann Michael Dilherr: Es war der Helicon der Teutschen düsterm Land“. In: Klaj, Lobrede (wie Anm. 1), S. 383 (In Übersetzung von demselben: Horrida praeteritis mater Germania sêclis […], ebd. S. 382, Hervorhebung im Text) 36 Ebd. 37 Ebd.
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Geschichte der anderen Sprachen möglich, nicht aufgrund ihres Alters. Wenn es heißt, dass Rom „aus altverfaulten Stützen“ dem kometengleichen Höhenflug der deutschen Sprache verschämt zusehe,38 dann impliziert dies in Opitz’ Sinne eine Kritik am Verfall der lateinischen Sprache der eigenen Gegenwart. Die Orientierung am Neulatein ist eine Gefahr, ebenso wie diejenige an anderen europäischen Sprachen, gerade dann, wenn sie nach Neuerungen streben, die die Angemessenheit verfehlen. Das Gedicht entwirft die Szenerie eines allgemeinen Verfalls der Sprachen: Speziell vor diesem Hintergrund bietet sich der deutschen Sprache eine besondere Möglichkeit, sich zu entfalten, indem sie den Kardinalfehler vermeidet, sich zu vermischen, durch „das Wortgemeng des Fremdlings“ zu Grunde gehen,39 wie andere Sprachen. Sie hat gerade jetzt die Möglichkeit, zu voller Blüte zu gelangen, da andere Sprachen von der Décadence bereits gezeichnet sind: Wie rein- und scheinlich prangt sie aus dem Grund gezieret/ Wie Majestätisch klingt/ was unsre Zunge rühret? Der lüstrend Römer weicht/ der Griech der Trunkenpold/ Der grosse Spanier/ der Frantzmann Neurungshold/ Erblasset neben uns. Wie sie nunmehr genesen/ Mit Wunderart-zart-pracht- und mächtiglichem Wesen/ Redt unser Klajus aus/ der alles zierlich weist […].40
Wenn es den ‚lüsternen Römer‘ und den ‚betrunkenen Griechen‘ gibt, dann erscheint als Orientierungsmarke weiter das klassische Griechisch und Latein, und dieses ist es auch, dem sich Dilherr in seiner Übersetzung implizit verpflichtet. Und nur mit dem Bezug auf dieses Latein kann die deutsche Dichtersprache ihre Stärken und Besonderheiten so entfalten, dass sie auch alle anderen europäischen neuerungshungrigen Sprachen übertrifft. Man gewinnt den Eindruck, dass im Vorfeld der eigentlichen Lobrede der Teutschen Poeterey die Paratexte auf eher vage, spielerische und humoristische Weise Altersbeweise führen, aus denen nicht widerspruchslos die große Bedeutung der deutschen Sprache und Dichtung abgeleitet werden kann. Dazu passt die offensichtliche Launigkeit desjenigen Redners, der sich anschließend zur Hauptrede aufstellt. Er macht zwar klar, dass er seine eigene Sprache liebe wie Ulysses „sein armes/ rauhes und gleichsam wie ein Schwalbennest an die Steinklippen angehängtes Vaterland/ Itaca“.41 Als Grund seiner Rede stellt er aber heraus, dass er jemandem „zu gehorsamen verpflichtet“ sei, deshalb trete er auf, um 38 39 40 41
Ebd. Ebd. Ebd. Klaj: Lobrede (wie Anm. 1), S. 385.
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„etwas von der Liebwürdigsten Poeterey der Teutschen abzuhandeln“.42 Gleich darauf scheint ihm die Sache, über der er reden soll, entfallen zu sein. Er fragt: „Ja/ was wollte ich abhandeln? Worvon wolt ich reden? Ach ja/ von der Teutschen Poeterey: was unterwinde ich mich aber/ die von den Griechen und Lateinern erbettelte Verskunst/ ungesaltzene/ steltzende und hinkende Krippelreimen herauszustreichen/ sollte das Mühwürdig seyn?“43 Statt direkt in medias res zu gehen, stilisiert sich der Redner als vermeintlich etwas vergesslich und verwirrt, als einer, der den Sinn seines Auftrags nicht ganz beherzt angehen kann, und deswegen erst einmal gegen das Neulatein polemisiert, anstatt die deutsche Sprache zu loben. Zunächst aber ergeht er sich darin, die Tätigkeit des Dichtens im Allgemeinen in den höchsten Tönen zu preisen, sie auf „Göttliche Regungen und himmlische Einflüsse“ zurückzuführen,44 den enthusiastischen poeta vates zu konturieren. Dann nennt er Vergil, zitiert Plautus,45 und zählt etliche der universalgelehrten antiken Autoren und Humanisten auf, Lukrez, noch einmal Vergil, Pontanus, Buchanan, Dousa, Heinsius, Fracastorius, Vida, Platon, Aristoteles und Scaliger werden genannt, dessen „Geschikklichkeit“ besonders gelobt.46 Immerhin hat unser Redner nun schon sechs Seiten lang geredet, allgemein über das Dichten, dann über antike und humanistische Poeterey, am Thema vorbei, wenn auch mit Topoi, die gut in eine Poetik passen würden und die zu einem guten Teil sich auch in Opitz’ Buch von der Deutschen Poeterey finden lassen. Dies scheint unserem Redner nun auch aufzufallen, jedenfalls bemüht er sich plötzlich, die gerade genannten großen Autoren etwas abzuwerten und bezeichnet sie als „krumgebükte Seelen“.47 Er wolle sich nun zu den „Musenjungfräulein“ bewegen,48 damit sind wohl diejenigen gemeint, die in der unmittelbaren Gegenwart und in deutscher Sprache die Feder ergreifen. Etwas unpassend zur Wendung der musischen Jungfräuligkeit folgt der Rückblick auf die Entstehung der ‚teutschen‘ Sprache vor viertausend Jahren.49 Die dann folgende Einteilung in Denkzeiten ist nicht Klajs Erfindung. U. a. hatte Schottelius eine solche vorgenommen in Der Teutschen Sprache Einleitung (1643)50 und dann auch in seiner dritten Lobrede
42 Ebd., S. 386. 43 Ebd., S. 387. 44 Ebd., S. 388. 45 Vgl. ebd., S. 389. 46 Ebd., S. 390. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 Ebd., S. 391. 50 Vgl. William J. Jones: Sprachhelden und Sprachverderber: Dokumente zur Erforschung des Fremdwortpurismus im Deutschen (1478‒1750). Ausgew. und kommentiert von William Jervis Jones. Berlin, New York 1995; hier das Kapitel zu Justus Georg Schottelius, S. 163‒191, hier S. 164 f.
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Von der Uhralten Hauptsprache der Teutschen in der Fassung von 1663.51 Die erste und damit älteste und damit sehr wichtige Denkzeit ist diejenige, die in hohem Grade von Spekulationen lebt. Es muss irgendwie begreiflich gemacht werden, dass die deutsche Sprache älter ist als das Griechische und Lateinische. Schon „vor ungefehr […] viertausend Jahren“, so der Redner in Klajs Lobrede, hätten die Teutschen in ihrer „Haubtsprache“ Reime verfasst, noch vor der Sprachverwirrung.52 Nach dieser sei Ascenas, Urvater der Deutschen, nach Europa gezogen und „Vater aller Celtischen Völker geworden“,53 die seither die Länder Europas prägten, z. B. Deutschland, Frankreich, Spanien, England, Norwegen. Zu dieser Zeit sei die alte „Teutsche Verskunst“ durch „Barden/ so Dichter/ und Druiden/ welche Priester gewesen“ gepflegt worden.54 Nicht etwa seien diese von den Lateinern und Griechen inspiriert worden, sondern umgekehrt hätten die griechischen Weltweisen von den Celten gelernt.55 So seien die „Celtischen Wörter“ über die Griechen zu den Lateinern gekommen:56 „Ja/ es haben die Römer nicht allein der Teutschen Wörter/ Gebräuche und Sitten/ sondern auch ihre Buchstaben/ mit Hindansetzung der Griechischen angenommen.“57 Der Redner sichert seine Argumente immer wieder mit Hinweise auf Quellen ab, etwa auf Johannes Aventinus (1477‒1534, u. a. Annales ducum Bavariae, 1511, ersch. als Baierische Chronik 1556) oder auf die Schweden Johannes Magnus (1488‒1544, Historia de omnibus Gothorum Sueonumque, 1554) und Olaus Magnus (1490‒1557, Historia de gentibus septentrionalibus, 1555).58 Im Rückgriff auf zeitgenössische Quellen wird der Altersbeweis in bestechender Einfachheit durchgeführt und die regen Diskussionen, die um die Herkunft der deutschen Sprache unter den Gelehrten wie Sca
51 In der Fassung von 1663 nimmt Schottelius fünf Denkzeiten an, vgl. Schottelius: Die dritte Lobrede […]. In: Ders., Ausführliche Arbeit (wie Anm. 3), hier S. 49. Vgl. Martina D. Kessler: Viel Köche versaltzen den Brey und Bey viel Hirten wird übel gehütet. Diachrone Betrachtung der Variantenvielfalt phraseologischer Formen in Werken ab dem 16. Jahrhundert. Frankfurt am Main u. a. 2010 (Europäische Hochschulsschriften, 21/360), S. 47. Vgl. auch der ‚fünffache Denkring‘ in Georg Philipp Harsdörffer: Der Mathematischen und Philosophischen Erquickstungen Zweyter Theil: Bestehend in fünfhundert nutzlichen und lustigen Kunstfragen […]. Nürnberg: Jeremias Dümler 1651, S. 517. Dieser fünffache Denkring teilt die Sprache allerdings weniger in Altersstufen ein, sondern in syntaktische Einheiten. Er stellt eine Art Wortbildungsmaschine dar, die alle möglichen Silbenkombinationen produzieren und auch bei der Reimfindung behilflich sein kann. 52 Klaj, Lobrede (wie Anm. 1), S. 391. 53 Ebd. 54 Ebd. 55 Vgl. ebd. 56 Ebd. 57 Ebd., S. 392. 58 Vgl. ebd.
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liger, Buchanan oder Lipsius geführt wurden, verschwiegen. Diese referiert beispielsweise Schottelius in seiner dritten Lobrede Von der Uhralten Hauptsprache der Teutschen/ begreift Deroselben Uhrankunft und Uhralterthum, vor allem in der Version, die in seinem Hauptwerk 1663 erschien.59 Klajs Redner gibt allerdings zu verstehen, dass er sich selbst im Fahrwasser unsicheren Wissens bewegt und zur Legendenbildung beiträgt. Er lässt durchblicken, dass die Abkunft der griechischen und lateinischen Sprache von der deutschen keineswegs erwiesen, sondern eine Konstruktion ist. Er macht deutlich, dass er Meinungen referiert, die auf tönernen Füßen stehen, indem er den Irrealis nutzt: „Dieses könte die erste Denkzeit der Teutschen Poeterey seyn.“60 Auch im Fall der folgenden drei Denkzeiten sind Fakten keineswegs erwiesen: Die ‚andere Denkzeit‘ „könte“ die Zeit gewesen sein,61 der Karl der Große mit seinen Bildungsreformen seinen Stempel aufdrückte. In diesem Zusammenhang werden auch die Witdoden erwähnt, die noch vor Karl dem Großen „lehrreiche Gedichte“ verfasst hätten.62 Außerdem werden diese zu den „Gesängen der mottenfressigen Zeit“ gezählt,63 womit im Nachhinein auch die Figur auf dem Titelblatt einen leicht staubigen Anstrich erhält. Die dritte Denkzeit „könte“ diejenige Martin Luthers gewesen sein.64 Diese wird auffällig kurz abgehandelt. Die vierte Denkzeit „könte“ die eigene Zeit sein, die Zeit des „weltberühmten Kunstgewächses der Fruchtbringenden Gesellschaft“.65 Und eben diese ihre Sprache, um die sie sich bemüht, die „jetzige Teutsche Sprache“, sei „eben die uralte Celtische Weltweite Sprache/ die sie von Anfang an gewesen“,66 weshalb sie von allen fremden Einflüssen und Verunreinigungen freizuhalten ist. Die Dichter und Freunde der Fruchtbringenden Gesellschaft werden auf die Tradition ihrer Sprache verpflichtet, deren Uraltertum aber doch fraglich ist und eher Teil einer Legendenbildung. Sein Engagement entfaltet unser Redner denn auch sichtlich nicht in dieser Passage, der er selbst nicht recht zu trauen scheint. Recht bewegt erscheint er im Folgenden, wenn er wiederum die himmlische Abkunft der Dichtkunst im allgemeinen herausstellt. Die Art der Rede, ihre Ausrichtung auf das movere, will den Gedanken der Inspiration und des Enthusiasmus in ihrer ästhetischen Faktur abbilden, selbst „voller Kern/ Geist und Feuer seyn“, selbst zeigen, dass „etwas
59 60 61 62 63 64 65 66
Vgl. Schottelius: Die dritte Lobrede. In: Ders., Ausführliche Arbeit (wie Anm. 3), S. 31. Klaj, Lobrede (wie Anm. 1), S. 392. Ebd., S. 395. Ebd., S. 393. Ebd. Ebd., S. 395. Ebd., S. 396. Ebd.
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Göttliches und ewigwährendes“ in ihr verborgen ist,67 ja, dass gerade die deutsche Sprache die Dinge „durch ein sonderliches Geheimnis“ ausdrücken kann.68 Der Redner zeigt: er ist selbst der Poet, den er als Ideal zeichnet. Er kann selbst das, wovon er spricht. Er kann mithalten mit all jenen bekannten Größen, die im Folgenden zitiert werden, mit Opitz, Harsdörffer, Rist, Fleming, Tscherning. Der Redner wechselt immer mal wieder das Register, mal spricht er von den besonderen Fähigkeiten der deutschen Sprache, von einer Reinheit etwa und Unbeflecktheit,69 dann wieder von der „Dicht- und Reimkunst“ als solcher, die „durch sonderbare Himmelsgnade eingegossen“, die „nicht in den Schulen aus dem Munde der Lehrer gefasset/ sondern aus den Mütterlichen Milchbrünlein eingesogen“ sei.70 Unhinterfragtes Vorbild bleiben die klassischen Sprachen. Dies wird an zwei Stellen besonders deutlich: Dass die Poeterey unsterblich macht, das haben „die Griechen und Römmer statlich in das Werk gesetzet“71, in ihren Schriften bleiben so manche zentrale Persönlichkeiten der Weltgeschichte für immer lebendig und in Erinnerung. Dieser Aufgabe sollen auch „die Teutschen“ gerecht werden und sich Opitz als Beispiel nehmen.72 In einem weiteren Punkt sind die alten Römer Vorbild: Ihr auch materieller „Wohlstand“ gründe darauf, dass sie ihre Sprache stets rein gehalten und gesehen haben, dass es „ihrem Ansehen und Hochheit“ schade, wenn, besonders in öffentlichen Schriften, „auß der Griechischen Sprache ein einiges Wort eingemischet“ werde.73 Ganz in Opitz’ Sinne ist das klassische Latein Vorbild für puritas und claritas. Von hier aus gesehen hält die Antike, die klassische Version des Lateinischen und Griechischen, die Hand über dem Geschehen. Ihre wichtige Orientierungsfunktion bleibt erhalten. Dazu passt, dass in den Paratexten die Altersbeweise immer wieder durch änigmatische und humoristische Aspekte gestört werden, durch den seltsam anmutenden Witdoden auf dem Titelblatt, die von Homer geraubte Pfauenfeder, den zotteligen alten Vater Jaan, der mit Schneebällen wirft, oder durch die Darstellung der alten Teutschen als barbarisches, den Feind würgendes Volk. Gegen Ende der Schrift wird immer deutlicher, dass es Klaj vor allem darum geht, vor dem zu großen Einfluss fremder Sprachen zu warnen, davor, die Muttersprache mit fremden Wörtern zu „beschmeissen“, so dass „grobe Schädflekken seyn“ und sie zu einer „Grundsuppen“ werde, in der die Fehler aller ande-
67 68 69 70 71 72 73
Ebd., S. 397. Ebd., S. 398. Vgl. ebd., S. 403. Ebd. Ebd., S. 404. Ebd. Ebd., S. 408.
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ren Sprachen wie in „einem ungestümmen Regenbach“ zusammenfließen.74 Der Witdode auf dem Titelblatt ist von daher einmal mehr als deutliches Warnbild zu verstehen, sich eben nicht mit fremden Federn zu schmücken. Die Figur allegorisiert zudem den Anfang von Horaz’ Ars poetica, die mit jenem Monstrum aus Pferdehals, „Fischleib“ und menschlichen Körper, „bunt mit Federn geschmückt“ die Fehler der Dichtung vor Augen führt.75 Klaj wäre wohl nicht Klaj, wenn er sich mit einer bloßen Lobhudelei ‚teutscher‘ vetustas im Sinne einer Nabelschau und der einseitigen Ausschreibung des Germanenmythos zufrieden gäbe. Er macht auch klar, dass das Alter an sich kein Garant für Qualität ist und dass der spekulative Blick in die ferne Vergangenheit der deutschen Dichtkunst weitaus weniger hilft als jener auf die erprobten Autoritäten der antiken Welt. Vor allem aber geht es darum, selbst ans Werk zu gehen. Deshalb erfreut er uns am Ende noch mit einem kleinen Gedicht, indem er – vermutlich unter Anspielung auf Ulrich von Huttens Motto ‒ sein eigenes Tun humorvoll betrachtet: Ich hab es gewagt/ Am ersten zu singen Von Himmlischen Dingen/ Jetz hab ichs gewagt Die Rede zu bringen Und lassen erklingen/ Was Teutschen behagt/ Ich hab es gesagt.76
74 Ebd. 75 Quintus Horatius Flaccus: De arte poetica / Über die Dichtkunst. In: Ders.: Satiren und Briefe. Lateinisch und Deutsch. Eingeleitet und übersetzt von Rudolf Helm. Stuttgart 1961, S. 348‒391, hier S. 349. 76 Ebd., S. 416. Vgl. den Beginn von Ulrich von Huttens Ain new lied (für den Hinweis danke ich Achim Aurnhammer).
Thomas Rahn
Klajs Zeremoniell-Kunst Zum Spielraum der Gattung ‚Festbeschreibung‘ in den Friedensdichtungen
1 Poetische Festbeschreibung und ‚prosaische‘ Anmerkungen Frühneuzeitliche Festbeschreibungen treten im Titel häufig als ‚Ordentliche Beschreibung‘ auf. Im Gattungsrahmen der Zeremoniellpublizistik betrachtet, könnten Klajs Irene (1651) und der Geburtstag deß Friedens (1650) auch gut „Unordentliche Beschreibung“ heißen. Die Grenzen zwischen historischer Faktendarstellung und allegorischer Transformation des Ereignisses verschwimmen in den Texten, die die Feierlichkeiten und Zeremoniellhandlungen im Rahmen des Nürnberger Friedensexekutionskongresses von 1649/50 ausführlich beschreiben.1 Fiktionales Personal wie der Frieden tritt auf die reale Zeremoniellbühne. Hohe Per-
1 Vgl. zum Friedensexekutionskongress Antje Oschmann: Der Nürnberger Exekutionstag 1649– 1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte, 17). Einen konzisen Überblick über die verschiedenen Feierlichkeiten im Rahmen des Kongresses bietet Hartmut Laufhütte: Das Friedensfest in Nürnberg. In: 1648. Krieg und Frieden in Europa. [Katalog zur Ausstellung] Münster, Osnabrück, 24.10.1998–17.1.1999. Textband II: Kunst und Kultur. Münster 1998, S. 347–357. Vgl. ferner Bernd Roeck: Die Feier des Friedens. In: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998 (Historische Zeitschrift, Beihefte, NF 26), S. 635–659 (behandelt die Friedensfeste in Nürnberg, Augsburg und Kulmbach); Claire Gantet: L’unité politique par la paix: les fêtes de la paix de Nuremberg, Weimar et Strasbourg. In: 1648. Paix de Westphalie. L’art entre la guerre et la paix/ Westfälischer Friede. Die Kunst zwischen Krieg und Frieden. Actes du colloque organisé par le Westfälisches Landesmuseum le 19 novembre 1998 à Münster et à Osnabrück et le Service culturel du musée du Louvre les 20 et 21 novembre 1998 à Paris. Sous la direction scientifique de Jacques Thuillier et Klaus Bußmann. Paris, Münster 1999, S. 371–403; Mara R. Wade: Von Schedels Weltchronik bis zu Birkens Friedensdichtungen: eine Nürnberger emblematisch-ikonographische Tradition im Kontext. In: Gerhard F. Strasser / Mara R. Wade (Hg.): Die Domänen des Emblems: Außerliterarische Anwendungen der Emblematik. Wiesbaden 2004 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 39), S. 54–78; Wolfgang Sommer: Die Friedenspredigten Johann Michael Dilherrs beim Friedensfest in Nürnberg 1650. In: Morgen-Glantz 9 (1999), S. 219–242; Hedwig Bramenkamp: Krieg und Frieden in Harsdörffers „Frauenzimmer Gesprächsspielen“ und bei den Nürnberger Friedensfeiern 1649 und 1650. 2., durchgesehene Auflage. München 2009.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-011
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sonen agieren als Wappen-Imagines. Zeremoniellräume lösen sich in utopischen Naturräumen auf. Festhandlungen bleiben historisch undatiert und werden stattdessen in einem Jahreszeitenzyklus verortet. Referenzobjekte der Rede entziehen sich – zum Beispiel wenn nur die Motivebene eines Schauessens beschrieben wird, ohne dass zugleich auch auf das essbare Material des Zeichenkörpers verwiesen wird, kurz: Man imaginiert als Leser Berglandschaften, aber man sieht das Marzipan nicht, aus dem sie gemacht sind. Das ist natürlich alles so gewollt und kunstvoll durchgeführt. Die Forschung liest die Texte heute unter dem Etikett „Friedensdichtungen“, unter welchem sie in Conrad Wiedemanns Faksimile-Edition versammelt sind,2 und hält es für selbstverständlich, dass der Poet in ihnen poetisch vorgeht. Wie stellen sich diese Dichtungen aber dar, wenn man sie – und sei es sozusagen ‚irrtümlich‘ – als ‚Festbeschreibung‘ im strikten Sinne liest,3 d. h. wenn man sie vor dem Erwartungshorizont betrachtet, der die Gattung um 1650 definierte? Poetische Festbeschreibungen von längerem Umfang, im sechzehnten Jahrhundert keine Seltenheit, waren um diese Zeit so gut wie ausgestorben.4 Der gereimte Zeremoniellbericht
2 Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe: Barock, 10). Vgl. zu Klajs Friedensdichtungen C. Lamar Elmore: Johannes Klaj and his Poetry of Peace. Diss. Johns Hopkins University, Baltimore 1975; Harold Jantz: A Recovered Work by Johann Klaj. In: Martin Bircher / Jörg-Ulrich Fechner / Gerd Hillen (Hg.): Barocker Lust-Spiegel. Studien zur Literatur des Barock. Festschrift für Blake Lee Spahr. Amsterdam 1984 (Chloe, 3), S. 101–114; Peter-André Alt: Begriffsbilder. Studien zur literarischen Allegorie zwischen Opitz und Schiller. Tübingen 1995 (Studien zur deutschen Literatur, 131), S. 177–181; Klaus Garber: Sprachspiel und Friedensfeier. Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts auf ihrem Zenit im festlichen Nürnberg. In: Duchhardt, Der Westfälische Friede (wie Anm. 1), S. 679–713, hier S. 697–701. 3 Vgl. zu den Gattungsmerkmalen und -funktionen der frühneuzeitlichen Festbeschreibung Christian Wagenknecht: Die Beschreibung höfischer Feste. Merkmale einer Gattung. In: August Buck u. a. (Hg.): Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Vorträge und Referate gehalten anläßlich des Kongresses des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 8. September 1979. 3 Bde. Hamburg 1981 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 8–10), Bd. 2, S. 75–80; Helen Watanabe-O’Kelly: Festival Books in Europe from Renaissance to Rococo. In: The Seventeenth Century 3 (1988), S. 181–201; Jill Bepler: German Funeral Books and the Genre of the Festival Description. In: John L. Flood / William A. Kelley (Hg.): The German Book 1450–1750. Studies Presented to David L. Paisey in his Retirement. London 1995, S. 145–160; Helen Watanabe-O’Kelly: The Early Modern Festival Book: Function and Form. In: J.R. Mulryne / Helen Watanabe-O’Kelly / Margaret Shewring (Hg.): Europa Triumphans. Court and Civic Festivals in Early Modern Europe. 2 Bde. London, Aldershot 2004, Bd. 1, S. 3–17; Thomas Rahn: Festbeschreibung. Funktion und Topik einer Textsorte am Beispiel der Beschreibung höfischer Hochzeiten (1568–1794). Tübingen 2006 (Frühe Neuzeit, 108). 4 Vgl. zur poetischen Festbeschreibung Rahn, Festbeschreibung (wie Anm. 3), S. 95–115.
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hatte sich vor allem in der Flugblattpublizistik ein kleines Refugium erhalten. Nur ganz vereinzelt begegnen in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts noch längere gereimte Festbeschreibungen; und eine seltene Ausnahme ist der Zwickauer Wolfgang Ferber (1586–1657), der als zu spät geborener Pritschmeister auch die Forderungen der opitzianischen Versreform in seinem Festbeschreibungswerk umzusetzen wusste.5 Die poetischen Festbeschreibungen wurden Opfer eines gattungsevolutionären Prozesses, der bereits am Ende des sechzehnten Jahrhunderts abgeschlossen war. Dass diese Form aus dem reichen Gattungsspektrum verschwand, das besonders im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts noch florierte, hing mit einer funktionalen Aporie zusammen. Einerseits wurde die poetische Form – ob lateinische Epen- oder deutsche Pritschmeisterdichtung – als besonders angemessene Würdigungsform eines hohen zeremoniellen Casus betrachtet. Andererseits drohte aber der spezifische Code der poetischen Rede die zeremonielle Codierung der Dinge und Handlungen zumindest stellenweise zu überlagern. Die klare, schlichte, genaue, ausführliche und topisch-systematische Prosabeschreibung setzte sich gegenüber einer Gattungsform durch, in der tendenziell eine sekundäre sprachliche Kunst der Zeichen die Wahrnehmung einer primären performativen Kunst der Zeichen erschweren konnte. Wenn Klaj seiner Festbeschreibung eine poetische Form gibt – noch einmal betont: ein seltener Fall um 1650 –, so geht er einen noch radikaleren Weg, als die Pritschmeister des sechzehnten Jahrhunderts ihn gegangen waren. Diese nämlich nutzten poetische Mittel, vornehmlich metrische und stilistische auf der Ebene der elocutio, um konkrete Sinnlichkeitsmomente des Festes wirksam in die Imagination des Lesers zu tragen. Fiktionalisierungen im Rahmen des Textes kontaminieren nicht das berichtete Ereignis, sondern dienen meist dazu, das Wissen und die Zeugenschaftsperspektive des Berichterstatters, der z. B. erläuternde Fakten zum Fest in einem erzählten Gespräch in Erfahrung bringt, zu plausibilisieren. Phantastische Fiktionalisierungen gar bleiben auf Rahmenerzählungen beschränkt. Ein Beispiel: In Heinrich Wirrichs Ordenlicher Beschreibung (1568) zur Fürstenhochzeit Wilhelms (V.) von Bayern mit Renata von Lothringen im Jahr 1568 wird im Vorspann zur eigentlichen Festbeschreibung ein allegorischer Traum von einem Paradiesort erzählt, den sich die träumende Berichtsinstanz als Hinweis auf die bevorstehenden Münchener Festlichkeiten deuten lässt.6 Das
5 Vgl. zu Wolfgang Ferber Karl Bachler: Der Pritschmeister Wolfgang Ferber d.Ä. und seine Stellung in der deutschen Literaturentwicklung. Ohlau 1929; Ders.: Der Zwickauer Pritschmeister Wolfgang Ferber d.Ä. als Sinnbild einer Zeitenwende. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 51 (1930), S. 58–67. 6 Vgl. zu Wirrichs Festbeschreibung Rahn, Festbeschreibung (wie Anm. 3), S. 130–144.
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konkrete Fest wird mithin vom Rahmen der Beschreibung her als Herstellung eines paradiesischen Zustands affirmiert. Klaj geht in den Friedensdichtungen aber einen Schritt weiter, indem er das reale historische Ereignis mit bukolisch-utopischen Szenerien und dem Auftreten fiktionalen Personals verschneidet. Was kann nun der Leser tun, der bei Klaj allein nach der historischen Ereignisebene sucht? Er liest die Marginalien und Anmerkungen zum poetischen Haupttext. Zugespitzt könnte man sagen, dass sich in der Irene und im Geburtstag deß Friedens die ‚eigentliche‘ Festbeschreibung – eigentlich im Sinne des zeitgenössischen Erwartungshorizonts – in der Marginalspalte und insbesondere in den Anmerkungen findet, die der Beschreibung einzelner Feste oder Festgruppen jeweils angehängt sind. Für Art und Umfang der Annotierung, wie man sie in den Friedensdichtungen vorfindet, ist mir im Feld der Festbeschreibung kein Vorbild bekannt. In den Anmerkungen werden zum einen Sacherläuterungen, Nachweise und Quellen zu Topoi, Zitaten und Einfällen in der poetischen Rede geboten, zum anderen aber – und das ist im Zusammenhang der Gattungsbestimmung interessanter – werden Gegenstände der Zeremoniellbeschreibung in den Klartext der Prosa übertragen. Dieses Hilfsmittel der Datensicherung findet sich stellenweise bereits in Klajs erster Beschreibung des schwedischen Friedensmahls aus dem Jahr 1649,7 die zu großen Teilen in die Irene eingearbeitet wurde. Wenn dort etwa von einem Tischbrunnen die Rede ist, aus dem „der Rosen Seel und Geist“8 rinnt, klärt eine interlinear in den Text gesetzte Anmerkung darüber auf, dass es sich dabei um Rosenwasser gehandelt habe (Abb. 1). Dass man an dieser und an anderen Stellen die typographische Aufsprengung des Textes und eine Illusionsstörung im Leseprozess in Kauf genommen hat, macht sehr deutlich, dass man sich des Problems der uneindeutigen poetischen Codierung im Rahmen der Festbeschreibung wohl bewusst war und ein Verständnis auf jeden Fall sichern wollte. In der Irene und dem Geburtstags deß Friedens zusammengenommen ist der Anmerkungsapparat auf rund 40 Druckseiten angewachsen, das ist fast ein Viertel des Gesamtumfangs der Drucke. Die Rückübersetzungen aus dem poetischen
7 Vgl. zum schwedischen Friedensmahl Christian Klemm: Das Nürnberger Friedensmahl am 25. September 1649. I. Joachim Sandrarts Gemälde. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 75 (1988), S. 77–82; Hermann Harrassowitz: Das Nürnberger Friedensmahl am 25. September 1649. II. Die Festmusik. In: ebd., S. 83–91; Hermann Glaser: Die weiße Taube aus der Pastete. Das Friedensmahl von Nürnberg im Jahre 1649. In: Uwe Schultz (Hg.): Speisen, Schlemmen, Fasten. Eine Kulturgeschichte des Essens. Frankfurt/M. 1993, S. 206–218; Andrea M. Kluxen: Harsdörffer und die Schauessen beim Nürnberger Friedensmahl. In: Doris Gerstl (Hg.): Georg Philipp Harsdörffer und die Künste. Nürnberg 2005, S. 89–103. 8 Johann Klaj: Schwedisches Fried- und Freudenmahl/ zu Nürnberg den 25. des Herbstmonats/ im Heiljahr 1649. gehalten/ in jetzo neu-üblichen Hochteutschen Reimarten besungen VON Johann Klaj/ der H. Schrifft Ergebenen/ und gekrönten Poeten. Nürnberg: Dümler 1649, fol. D1r.
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Code in den Klartext des zeremoniellen Signifikats bilden dabei gelegentlich Anmerkungsketten, deren Kohärenz auch ein längeres Umsteigen von der Lektüre des Haupttextes zur Lektüre des Paratextes erlaubt, so etwa bei der Programmbeschreibung der Schaugerichte zum schwedischen Friedensmahl.9
Abb. 1: Johann Klaj: Schwedisches Fried- und Freudenmahl. Nürnberg 1649, fol. D1r (Detail)
Die Anmerkungen zu den Friedensdichtungen sichern und vereindeutigen verschiedene Datenkategorien: Ikonographie und Beschriftungen von Programmen, Mengenangaben, Materialangaben, Datumsangaben, Informationen zu den Urhebern einer Ausstattung. Ein Beispiel: Beim Feuerwerksschaukampf, den die kaiserliche Delegation am 4. Juli 1650 aufführen lässt,10 leistet das vom (nicht ganz so pazifistischen) Frieden beschossene und brennende „Castell deß Vnfriedens“11 Widerstand, den die poetische Beschreibung zum Bild des Angriffs auf den Himmel hochschreibt:
9 Vgl. Johann Klaj: IRENE/ das ist/ Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650. Mit vielen feyrlichen Begengnissen/ Gastmalen/ Feuerwercken/ Musicen/ und andern denckwirdigen Begebenheiten/ nach Poetischer Reimrichtigkeit/ vorgestellet und mit nohtwendigen Kupferstücken gezieret/ durch Johann Klai/ dieser Zeit Pfarrhern der Evangelischen Gemeine zu Kitzingen und gekrönten Käiserl. Poeten. Nürnberg: Endter [1651], S. 63–70. 10 Vgl. zu den Feuerwerksveranstaltungen im Rahmen der Nürnberger Friedensverhandlungen und den Feuerwerksbeschreibungen der Pegnitzschäfer Eberhard Fähler: Feuerwerke des Barock. Studien zum öffentlichen Fest und seiner literarischen Deutung vom 16. bis 18. Jahrhundert. Stuttgart 1974, S. 149–178. 11 Johann Klaj: Geburtstag Deß Friedens/ Oder rein Reimteutsche Vorbildung/ Wie der großmächtigste Kriegs- und Siegs-Fürst MARS auß dem längstbedrängten und höchstbezwängten Teutschland/ seinen Abzug genommen/ mit Trummeln/ Pfeiffen/ Trompeten/ Heerpaucken/ Musqueten- und Stücken-Salven begleitet/ hingegen die mit vielmalhunderttausend feurigen Seuftzen gewünschte und nunmehrerbetene goldgüldene IRENE mit Zincken/ Posaunen/ Flöten/ Geigen/ Dulcinen/ Orgeln/ Anziehungen der Glocken/ Feyertägen/ Freudenmalen/ Feuerwercken/ Geldaußtheilungen und andern Danckschuldigkeiten begierigst eingeholet und angenommen worden: entworffen von Johann Klaj/ der Hochh. GottesLehr. ergeben. und Gekr. Käiserl. Poeten. Nürnberg: Endter 1650, S. 56.
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Der Doppelhacken Grimm/ der Zorn der Pulverröhren/ die werden loßgebrannt/ vergnügen Sehn und Hören; Die Flammen wehren sich und flammen Himmelan/ als wolten sie nicht seyn den Flammen unterthan.12
Die Anmerkung decodiert: „40. Doppelhacken und 1200. Feuerröhren. Jndessen stunde das gantze Castell im liechten Brande/ waltzete seinen Rauch und Flamme bis an die Sterne/ als wolte sie dieselbe vertuncklen.“13 Zum einen wird hier das Bild vom Grimm des personifizierten Schießgeräts zur Zählung des bloßen Arsenals objektiviert, zum anderen aber auch noch die poetische Bildidee des Flammenangriffs auf den Himmel selbst plausibilisiert, indem der Kommentar das Andrängen von Rauch und Feuer gegen die Sterne als ‚tatsächliches‘ Geschehen bestätigt. Neben der bloßen Decodierung können die Anmerkungen also auch die Aufgabe übernehmen, Darstellungsentscheidungen des poetischen Haupttextes zu reflektieren – wenngleich das nicht häufig vorkommt. Gleich zu Beginn der Feuerwerksbeschreibung – direkt vor dem Einsetzen des Klangfeuerwerks, das Klaj selber zündet – wird der Leser in eine Anmerkung zu dem besonderen Problem geschickt, das die pyrotechnische Fachterminologie für die poetische Beschreibung darstellt: Jn diesen und folgenden [Versen] werden/ so viel sich in die Reimung binden lassen/ allerhand Feuer namhafft gemacht/ nemlich: Bienenschwärmer/ Sternfeuer/ Feuerwercker fechten mit Feuerschwertern/ Lustkugeln/ Feuerkugeln/ Sprengkugeln/ Feuerpompen/ Bränder/ Feuerräder und dergleichen.14
Die Anmerkung macht klar, dass die poetische Rede aufgrund ihrer formalen Eigenlogik in Einzelfällen gar nicht in der Lage ist, den zeremoniellen Gegenstand korrekt zu benennen. In den Anmerkungen, so darf man sagen, werden gelegentlich literarisch kalkulierte Imaginationen zerstört – aber oft, um eine nicht weniger eindrucksvolle Imagination anzustoßen, die auf das Feld der unsichtbaren Produktion des Zeremoniells führt. Das erhabene literarische Bild von einem Feuerwerkskampf ist anders, aber nicht zwangsläufig stärker wirksam als das Detailwissen um dessen technische Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Das lässt sich sehr gut an dem schon angesprochenen „Castell deß Friedens“ darstellen: Im poetischen Haupttext wird das Kastell als steinerne Trutzburg entworfen – und zwar im deutlichen materialikonographischen Gegensatz zu einer naturutopischen Lauben-
12 Ebd., S. 59 f. 13 Ebd., S. 70. 14 Ebd.
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architektur, die ihm gegenübersteht. Die Anmerkung führt nun genau die Machart des ephemeren Feuerwerkskastells aus: Es war das gantze Holtzwerck aber mit Leinwad bekleidet/ folgends mit Mauerfarben Quaterstückweis vermahlet/ die Schießlöcher und Fenster darauf schattiret/ alles so eigentlich/ daß es einem von Quatersteinen zierlich aufgebaueten Schlosse gantz ähnlichte.15
Im Zusammenspiel von Haupttext und Paratext wird eine Illusion des Lesers geopfert, um die längst zerstobene Illusion des realen Zuschauers und deren Gemachtheit aufzuwerten. Ein letztes Beispiel für Klajs Anmerkungstechnik soll hier angeführt werden, obwohl – oder vielleicht auch gerade weil es hinausführt aus der Ordnung des Zeremoniells und hinein in eine andere, spezifisch stadtbürgerliche Ordnung. Zu Beginn der Irene wird die Heimsuchung Deutschlands durch den Krieg im Bild eines Stadtbrandes gefasst: Die Türner stecken auß die rote Feuerfahne/ der Capitan ergreifft die blancke Partisane/ die schöne Reuterey in schöner Ordnung steht/ ein jeder rüstet sich/ auf seinen Platz hingeht. Man fähet an mit Macht das Feuer zu bestreiten/ führt Wasserkünste zu/ man sprützet aller Seiten/ bringt Leitern/ Hacken dar/ steigt/ klettert auf das Dach/ reisst Nebenhäuser ein/ zergäntzet Dach und Fach.16
Der Stadtbrand – das fürchterliche Gegenbild der Freudenfeuerwerke – erscheint hier nur auf den ersten Blick als bloßes Schreckensbild beschrieben, wie die allererste Anmerkung in der Irene verdeutlicht. Diese lautet kurz und bündig: „DVrchblättere die Nürnbergische Feuerordnung.“17 Durch die Anmerkung kippt das Katastrophenbild in ein Bild der städtischen Ordnung bzw. des erfolgreichen Katastrophenmanagements der Gemeinschaft.18 Nähme man die Anmerkung ganz wörtlich und das „DVrchblättere“ als Befehl, müsste man die Festbeschreibung hier und jetzt zuschlagen und zunächst einmal einen ganz anderen Text lesen, der vielleicht ‚bedeutsamer‘ ist. Die wohlgemerkt erste Anmerkung zeigt
15 Ebd., S. 69. 16 Klaj, Irene (wie Anm. 9), S. 1. 17 Ebd., S. 25. 18 Vgl. zum Verhältnis von Feuerwehrwesen und Policeywesen in der Frühen Neuzeit Jörg Jochen Berns: Feuerwehr und Feuerwerk. Techniken der Domestikation und Inszenierung von Großbränden in der Frühen Neuzeit. In: Vera Fionie Koppenleitner / Hole Rößler / Michael Thimann (Hg.): Urbs incensa. Ästhetische Transformationen der brennenden Stadt in der Frühen Neuzeit. Berlin, München 2011 (I Mandorli, 10), S. 211–234.
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nicht bloß auf einen anderen Text, sondern sie zeigt aus der Festbeschreibung heraus auf eine tatsächliche ‚politische‘ Realität der Stadt, in der die Verhandlungen stattfinden – eine Realität, auf die sich die in der Beschreibung anschließende Allegorisierung Nürnbergs als Friedensort berufen kann.
2 Utopische Perspektiven: Verschleiern der Rangunterschiede und Naturalisierung des Zeremoniellraums In der Eingangspassage zur Irene betet das weinende „Teutschland“ zunächst zu Gott, der als „Kriegzerbrecher“ Frieden machen soll, sodann aber zu den Erdengöttern, die noch im Streit liegen: Jhr/ ihr hohen Potentaten/ Haubt und Glieder/ Groß und Klein/ helfet doch zum Frieden rathen/ lasset doch die Titel seyn. Lasset alles ungerochen/ was man bisher hat verbrochen.19
Der Begriff „Titel“ in der zitierten Passage ist, wie ich meine, im doppelten Sinne zu verstehen. Zum einen kann er schlicht die Rechtsgründe bezeichnen, um die der Krieg geführt wird, zum anderen lässt er sich aber auch als zeremonielles Stichwort lesen. Der gewünschte Friedensrat, so die Meinung des Textes, kann überhaupt nur vollzogen werden, wenn die Potentaten die Rangmarkierungen ablegen, die sie unterscheiden. – Teutschlands Klagegebet wird nun von dem Gesang dreier Engel beantwortet, die das Bild des kommenden Friedens ausmalen. Der Gesang des dritten Engels gipfelt in einer abschließenden Aussage, die als Komplement der zeremoniellen Gleichheitsforderung im Gebet erscheint: „bey Friede sind auch Bettler Herren.“20 Aus beiden Textstellen lässt sich ein utopischer Chiasmus der Friedensverhandlungen zusammenlesen: Wenn die hohen Potentaten von der Höhe ihrer Zeichen herabsteigen, wird noch der Niedrigste erhöht werden. Jenseits dieser utopischen Perspektive scheint allerdings auch ein negativanthropologischer Verdacht durch: Wenn bei Friede Bettler Herren sein können, dann können Herren vielleicht nur in einem Krieg als Herren gelten. Der
19 Klaj, Irene (wie Anm. 9), S. 2. 20 Ebd., S. 7.
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Rangunterschied an sich ist an einen Kriegsmodus gebunden, und sei dieser Kriegsmodus auch auf eine Konkurrenz der zeremoniellen Zeichen heruntergestimmt. Weil in den Titeln eben immer noch ein Gewaltverhältnis codiert ist, muss ihre Bedeutung kaschiert werden, wenn es darum geht, Gewaltdrohungen zu zerstreuen. – In den zwei eher unscheinbaren Textstellen scheint Klaj eine anthropologische Begründung des Zeremoniells der ‚Großen Herren‘ anzudeuten, wie sie genauer erst die Zeremoniellwissenschaft des frühen achtzehnten Jahrhunderts ausführt. Dort wird die Entstehung des Zeremoniells, modern formuliert, als sublimierende Überführung ehrgeizgetriebener Gewalt in ein Zeichensystem verstanden.21 Grundsätzlich als sublimierte Form von Gewalt aufgefasst, kann das Zeremoniell insbesondere im Rahmen von Friedensverhandlungen,22 d. h. in einer tendenziell heiklen Affektlage der Beteiligten, zum Verfahrensproblem werden. Es bedarf dabei manchmal spezieller Mittel, die das Zeichensystem zu unterlaufen vermögen. Als Beispiele genannt seien der bekannte runde Tisch bei Verhandlungen oder auch architektonisch und performativ vollkommen symmetrisch gestaltete Grenzzeremonielle wie bei der Aushandlung des Pyrenäenfriedens. Hier trafen sich, das erste Mal im August 1659, de Haro und Mazarin, d. h. der spanische und der französische Verhandlungsführer, in einer spiegelsymmetrischen Ephemerarchitektur auf der sogenannten Fasaneninsel, gelegen im Grenzfluss Bidassoa. Eine zeitgenössische Chronik der Verhandlungen vermeldet, dass den Hauptakteuren im Rahmen des präzedenzausschaltenden Zeremoniells Tränen der Rührung in den Augen gestanden hätten. An gleichem Ort und ebenfalls in einem symmetrischen Zeremoniellapparat war, vor der symbolischen Drohkulisse von Armeeformationen auf beiden Seiten, im Jahr 1615 ein spanisch-französischer Brauttausch inszeniert worden. Auch dieses Ereignis, das mehr oder weniger versteckt auf die Institution des Friedensgeiseltausches rekurrierte, zielte auf die Ausstellung eines rangnivellierenden und konfliktfreien Inselraums, der für einen (kurzen) Moment eine Art von utopischer Naturstandssimulation ermöglichte.23
21 Vgl. Thomas Rahn: Psychologie des Zeremoniells. Affekttheorie und -pragmatik in der Zeremoniellwissenschaft des 18. Jahrhunderts. In: Jörg Jochen Berns / Thomas Rahn (Hg.): Zermoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Tübingen 1995 (Frühe Neuzeit 25), S. 74–98, hier S. 74–77. 22 Vgl. zu Zeremoniell und Ikonographie frühneuzeitlicher Friedensverhandlungen Hans-Martin Kaulbach (Hg.): Friedensbilder in Europa 1450–1815. Kunst der Diplomatie – Diplomatie der Kunst. Berlin, München 2013. 23 Vgl. zu diesen und anderen ‚pazifierenden‘ Grenzzeremoniellen Thomas Rahn: Grenz-Situationen des Zeremoniells in der Frühen Neuzeit. In: Markus Bauer / Thomas Rahn (Hg.): Die Grenze. Begriff und Inszenierung. Berlin 1997, S. 177–206.
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Diese Grenzzeremonielle haben zwar formal keine Ähnlichkeit mit irgendwelchen Zeremoniellen der Nürnberger Verhandlungen, sie sind aber angeführt, weil sie ein wichtiges topisches, oder besser gesagt: utopisches Moment mit Klajs literarischen Zeremonielltransformationen teilen: die Verortung einer Friedensgemeinschaft in einem präparierten Naturraum. Doch bleibt eine wesentliche Differenz. In den Grenzzeremoniellen besetzt die Zeremoniellanlage die Natur. Klaj hingegen interessiert sich in seiner Zeremoniellbeschreibung eher für den umgekehrten Fall, in dem der Zeremoniellraum programmatisch zum Naturraum umgestaltet wird. Das kann tatsächlich geschehen oder poetisch fingiert sein. Es geschieht tatsächlich, wenn die Bürger Nürnbergs ihre Stadt entsprechend ausschmücken, wie am 16. Juni 1650, um die Unterzeichnung des Reichs-FriedensRezesses festlich zu würdigen: „Die Stadt gleicht einem Wald/“24 schreibt Klaj anlässlich des Festschmucks und fasst dabei in einem Vergleich, was am Ende der Verhandlungen im Stadtbild sozusagen real wird. Diese reale Naturalisierung des Stadtraums schließt eine Klammer, die Klaj zu Beginn des Beschreibungsteils der Irene durch ein imaginäres Divertissement der Natur öffnet: Den Anfang der Verhandlungen im Jahr 1649 machen die Einzüge der hohen Diplomaten in die Stadt. Dieses Zeremoniellsegment wird in der Irene zwar benannt, Klaj beschränkt seine Darstellung aber (ohne Unterscheidung verschiedener Gesandtschaftsgruppen) auf einen einzigen Satz: „Die Helden ziehen ein!“25, um gleich darauf einen langen Bilderreigen der Frühlingsnatur und ihrer Nutzung zu entfalten. Eine zweigeteilte Marginalie zum Einzug überrascht damit, dass sie nicht den Ort der Einzüge benennt, auch keine konkreten Datumsangaben liefert, sondern die Jahreszeit, die als ausgestellte Zeit des Neubeginns sozusagen vom bloßen Umstand zum Anlass-Kern des Zeremoniells aufsteigt. Dementsprechend erhält der Frühling auch mit der poetischen Definition „deß Jahres Jahrmarkt“26 ein eigenes, ein selbständiges Casus-Label. Inwieweit der Naturraum selbst bereits die zeremonielle Kategorie der Pracht aufweist, offenbart ein Vergleich, mit dem die Schönheit der Felder erfasst wird: das grasegrüne Feld prangt wie die bunten Pfauen/ der mit dem Augen=Schwantz macht einen Sternen=Crantz und gleicht den Teppichen auß Holland anzuschauen.27
24 25 26 27
Klaj, Geburtstag deß Friedens (wie Anm. 11), S. 38. Klaj, Irene (wie Anm. 9), S. 8. Ebd. Ebd., S. 9.
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Am Ende der metaphorischen Assoziationskette stehen die niederländischen Tapisserien – als repräsentativstes Ausstattungsmittel überhaupt bei der Ausschmückung empfangender Städte. Die Pracht des Frühlings ist der Pracht der edelsten Zeremoniellutensilien gewachsen. Entsprechend wird das Divertissement der Natur in Klajs Beschreibung auch mit einem Bild antiker Abundanz im Fest verbunden: Elagabal in einem blumengeschmückten Kahn auf weingefüllten Kanälen, auf denen der Kaiser Naumachien veranstalten lässt.28 Als ein weiteres (und vielleicht weniger problematisches) Referenzzeremoniell wird die venezianische Festa della Sensa angeführt, d. h. die jährlich am Himmelfahrtstag stattfindende ‚Hochzeit des Dogen mit dem Meer‘.29 Das Fest ist mit dem Casus der Nürnberger Feierlichkeiten verknüpfbar, weil es unter anderem an den Frieden von Venedig im Jahr 1177 erinnern soll. Zudem ist es als Bezugspunkt der Klajschen Frühlingsfeier plausibel, weil es als ein zyklisches Zeremoniell angelegt ist, in dem ein Naturraum, das Meer, den Zeremoniellort abgibt und zugleich, als allegorischer Akteur, Anteil am Casus hat. Noch einmal zurück zum zeremoniellen Anlasskern, der die Frühlingsbeschreibung lostritt: Der Einzug der Gesandten wird in der Irene nur festgestellt, nicht beschrieben. Eine ‚ordentliche‘ Festbeschreibung hätte hier zumindest die Einzugsformationen der Verhandlungsführer und ihres Anhangs geboten – ob als in den Text implementierte Furierzettel wie in den Prosabeschreibungen oder in simulierter Zeugenschaft wie in der älteren Pritschmeisterdichtung. Mit dem lapidaren „Die Helden ziehen ein!“30 umgeht Klaj nicht nur eine literarisch undankbare Beschreibungsaufgabe, sondern kassiert auch ein topisches Standardsegment der Gattung Festbeschreibung, das den Leser in die Lage versetzt hätte, die einzelnen Zugformationen als Amplifikation der hohen Standespersonen zu lesen und sozusagen deren Pferdestärken zu vergleichen. Die Amplifikationsausblendung, die mit der deutlichen Leerstelle in Klajs Festbeschreibung einhergeht, scheint im Rahmen eines Textes, der casusbedingt die Notwendigkeit einer zeitweiligen Rangnivellierung betont, kalkuliert zu sein. Die Utopie eines Rangverzichts wird im Geburtstag deß Friedens an einem historischen Beispiel vorgeführt, das Klaj quasi als Präfiguration eines aktuellen Festelements präsentiert. Piccolomini, der kaiserliche Verhandlungsführer, hatte am 7. Juli 1650 silberne Friedensschillinge an Kinder austeilen lassen, die ihr Geschenk als Steckenreiter empfingen. Die Beschreibung dieser Veranstaltung leitet Klaj durch die Erinnerung an einen Kaiserbesuch Friedrichs III. in Nürnberg ein.
28 Vgl. ebd. 29 Vgl. ebd., S. 10. 30 Ebd., S. 8.
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Dieser hatte die Kindlein der Stadt zu sich kommen lassen. Die gerührte Haltung des Kaisers angesichts der geschmückten Kinderschar fasst Klaj in die folgenden Worte: je kleiner auch ein Kind/ je grössre Zuneigung sich gegen ihme findt auch gar bei grossen Herrn; daß Zepter/ Kron und Thronen sich sencken Erdenab/ der Hoheit Wirden schonen/ wie Friedrich hier gethan/ die Kinderjahr bedacht/ mit kleiner Kindergab sich dannoch groß gemacht.31
In der Gemeinschaft der Kinder, die sozusagen noch einen vorgesellschaftlichen und damit auch vorzeremoniellen Status der Menschen figurieren, muss auch der ranghöchste Mensch seine Insignien ablegen. In der Interaktion mit den Kindern ruht der Ehrgeiz als affektiver Grund der Distinktion. Die Rangnivellierung als ‚zeremoniellutopisches Ideal‘ des Casus ‚Friedensverhandlungen‘ kann als topische Richtlinie der Festbeschreibung natürlich nicht durchgehalten werden. Rang und Präzedenz schlagen in Klajs Text am deutlichsten durch bei der Tischordnung des Friedensmahls, bei der Reihenfolge der Adressaten des Gesundheitstrinkens und bei der Liste der Personen, die den Hauptrezess unterschreiben. An zwei dieser Stellen, an denen der zeremonielle Code sich gewissermaßen allegorisch nicht mehr hintergehen lässt, wird deshalb auch konsequent der poetische Modus der Beschreibung verlassen. Die Tischordnung zum schwedischen Friedensmahl und die Namen der Unterzeichner des Reichs-Friedens-Rezesses erscheinen als reine Liste – hier wird der Text ausnahmsweise zur ‚ordentlichen‘ Darstellung.32 Die Topik siegt über die Utopie. Was den Casuskern der Nürnberger Feierlichkeiten betrifft, muss ein Sonderstatus gegenüber den verschiedenen anderen Friedensfeiern im Reich betont werden:33 In Nürnberg ging es im Unterschied zu diesen ja nicht darum, im Nach-
31 Klaj, Geburtstag deß Friedens (wie Anm. 11), S. 63. 32 Vgl. Klaj, Irene (wie Anm. 9), S. 45–48 (Tischordnung beim schwedischen Friedensmahl); Klaj, Geburtstag deß Friedens (wie Anm. 11), S. 21–23 (Sitzordnung bei der Unterzeichnung des Reichs-Friedensexekutions-Rezesses). 33 Vgl. zu den Friedensfeiern nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges Hanna Feyerabend: „Hamburgische Fried- und Freudenfeuer“ 1650. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 80 (1994), S. 1–11; Konrad Repgen: Die Feier des Westfälischen Friedens in Kulmbach (2. Januar 1649). In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 58 (1995), S. 261–275; Günter Dammann: Das Hamburger Friedensfest von 1650. Die Rollen von Predigt, Feuerwerk und einem Gelegenheitsgedicht Johann Rists in einem Beispielfall städtischer Repräsentation. In: Klaus Garber / Stefan Anders / Thomas Elsmann (Hg.): Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit. Tübingen 1998 (Frühe Neuzeit, 39), Bd. II, S. 697–728; Katrin Keller: Das „eigent
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klang ein politisches Ereignis bzw. einen ‚fertigen Frieden‘ zu feiern (oder auch konfessionsspezifisch auszulegen), sondern zum einen darum, durch Divertissements als zeremoniell-diplomatisches Schmiermittel einen von unterschiedlichen Interessen und Positionen belasteten monatelangen Verhandlungsmarathon zu erleichtern, und zum anderen darum, die Verhandlungsergebnisse (Interimsrezess und schließlicher Hauptrezess) in Zeremoniellen performativ überhaupt erst herzustellen. Insbesondere die Divertissements waren Teil eines Verhandlungsstils, der darauf angelegt war, das angestrebte Ziel nicht an Präzedenz- und Repräsentationskonflikten scheitern zu lassen. „Offenbar betrieb man“, so konstatiert Hartmut Laufhütte eine grundsätziche Tendenz der Verhandlungen, „eine Strategie gesprächsfördernden informellen Miteinanders, das Krisen bewältigen half.“34 Die anthropologische Topik der frühneuzeitlichen Zeremoniellwissenschaft bemühend, könnte man sagen, die Nürnberger Feierlichkeiten sollten die Ehrgeizimpulse des involvierten diplomatischen Personals herabstimmen. Der Ehrgeiz ist allerdings nicht allein die Triebfeder der dezidiert rangabbildenden Zeremoniellformen, er kann auch zur Gefährdung der Divertissements werden, die ja eher auf die Herstellung einer einträchtigen Festgemeinschaft zielen – und zwar dann, wenn ihnen ein Wettbewerbscharakter eignet. Es ist auffällig, dass während der laufenden Friedensverhandlungen vor allem Divertissements veranstaltet wurden, deren sinnliche und allegorisch-programmati-
lich wahre und große Friedensfest … im ganzen Sachsenlande“. Kursachsen von 1648 bis 1650. In: Duchhardt, Der Westfälische Friede (wie Anm. 1), S. 661–677; Dies.: Kriegsende und Friedensfest in Kursachsen. In: Sachsen im Dreißigjährigen Krieg. Dresden 1998 (Dresdner Hefte, 56), S. 86–93; Johannes Burkhardt / Stephanie Haberer (Hg.): Das Friedensfest. Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen Toleranz-, Friedens- und Festkultur. Berlin 2000 (Colloquia Augustana, 13); Etienne François / Claire Gantet: Vergangenheitsbewältigung im Dienst des Friedens und der konfessionellen Identität. In: Johannes Burckhardt (Hg.): Krieg und Frieden in der historischen Gedächtniskultur. Studien zur friedenspolitischen Bedeutung historischer Argumente und Jubiläen von der Antike bis in die Gegenwart. München 2000 (Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg, 62), S. 103–123; Claire Gantet: Peace Festivals and the Culture of Memory in Early Modern South German Cities. In: Karin Friedrich (Hg.): Festive Culture in Germany and Europe from the Sixteenth to the Twentieth Century. Lewiston, N.Y. u. a. 2000, S. 57–71; Dorothea Schröder: Friedensfeste in Hamburg 1629–1650. In: Martin Knauer / Sven Tode / Niels Wiecker (Hg.): Der Krieg vor den Toren. Hamburg im Dreißigjährigen Krieg 1618–1648. Hamburg 2000, S. 335–346; Christoph Bellot: Den Frieden feiern. Das Augsburger Friedensfest – Anlaß und Bildzeugnisse. In: Wolfgang Augustyn (Hg.): Pax. Beiträge zu Idee und Darstellung des Friedens. München 2003 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, 15), S. 383–458; Norman Beberhold: „Gott hat Grosses für uns getan, des sind wir fröhlich“. Friedensfeste der Frühen Neuzeit im Territorium der Weimarer Wettiner. In: Michael Maurer (Hg.): Festkulturen im Vergleich. Inszenierungen des Religiösen und Politischen. Köln u. a. 2010, S. 85–105. 34 Laufhütte, Das Friedensfest in Nürnberg (wie Anm. 1), S. 348.
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sche Daten auf eine bloße Rezeption abgestellt waren. Die beliebten Reiterspiele, in denen das adelige Festpersonal, wenn auch meist in rangnivellierender Verkleidung, auftrat und im Spiel miteinander konkurrierte, spielten kaum eine Rolle. Das Ringrennen, das im Rahmen einer Festveranstaltung des Feldmarschalls Wrangel am 4. und 5. Oktober 1649 stattfand (und dessen Darstellung in einem ‚regulären‘ Festdiarium die Benennung von Siegern und Verlierern verlangt hätte), wurde in Klajs Festbeschreibung bezeichnenderweise nicht berücksichtigt. Erst nachdem der Reichs-Friedens-Rezess unterzeichnet war, fand als letztes Großereignis der Festlichkeiten ein Wettbewerb statt. Für das Armbrustschießen vom 29. Juli bis zum 28. August 1650 wurde die Hallerwiese gewählt, nach Klajs Schilderung ein amöner Ort, von dem sich sagen lässt: Kein Mensch hier Freude stört/ man hat von keinem Zanck sein Lebetag gehört auf diesem Wiesen=Plan.35
Die Gefährdung dieses Friedens im idyllischen Ambiente droht nun just mit dem Divertissement der Friedensfeier, wie Klaj reflektiert, denn: Gewinnen bringet Danck/ und nicht gewinnen Neid: Weg Neid/ du machest Zanck! Wie zugelassne Freud im Kriegen ist verblieben/ so hat auch diese Lust der Vnfried hintertrieben/ und weil der liebe Fried hat alles Gutes bracht/ so hat er dieses Gut auch wider gut gemacht.36
Vordergründig ist der Zank hier nur als harmloses und leicht zu behebendes Störmoment des Festes ausgewiesen. Und dennoch wird mit dem Aufweis einer Dialektik des Divertissements, sprich: eines agonalen Impulses, der selbst der befriedenden Lustbarkeit innewohnen kann, in wohldosierter Ironie eine skeptische Gegenthese zur zeremoniellutopischen Programmatik der Friedensdichtungen in den Text eingestreut.
35 Klaj, Geburtstag deß Friedens (wie Anm. 11), S. 65. 36 Ebd., S. 66.
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3 Allegorische Transformationen des zeremoniellen Casus Eine Besonderheit der Klajschen Zeremoniell-Kunst ist, dass nicht allein die Handlungsebene des Zeremoniells allegorisch infiltriert, sondern auch der Festcasus selbst allegorisch verschoben wird. Dieser literarische Spielzug wird deutlich im Kontrast der Titelformulierungen zur Irene und zum Geburtstag deß Friedens. Der emblematische Doppeltitel der Irene (vgl. Abb. 2 bzw. Fußnote 9) gibt zu erkennen, dass es sich bei dem Text ‚eigentlich‘ um die Beschreibung historischer Festereignisse im Rahmen von Friedensverhandlungen handelt. Das Titelblatt zum Geburtstag deß Friedens (vgl. Abb. 3 bzw. Fußnote 11) dagegen annonciert nur noch eine allegorische Festebene – und zwar den Abzug des Mars mit militärischem Klangsignalement und die Einholung der Irene in einen angenehmen Klangraum. Das Prinzip der allegorischen Casusverschiebung wird im Text wieder aufgegriffen, allerdings mit revidierten Zuweisungen. Nun erscheint das Friedensfest als Gegensatzpaar von Leichabdankung des Mars und Prinzengeburt, die gleichzeitig die Geburt des Friedens ist.37 Abzug gegen Einholung, Trauerfeier gegen Geburtsfest – der historische Anlasskern des Friedensschlusses wird allegorisch in widerstreitende Casus aufgespalten und damit amplifikativ übercodiert. Eine weitere allegorische Transformationsebene der Friedensfeierlichkeiten ist mit der Überhöhung von Zeremoniellereignissen in den Illustrationen zum Text verbunden. Aus historischen Ereignisbildern können heilsgeschichtliche Bilder werden, wie in der Illustration zum Auszug der Gesandten aus dem Rathaus am Tag der Unterzeichnung des Reichs-Friedens-Rezesses (Abb. 4). Rathaus und Stadtbild sind von einem Regenbogen überfangen, der das Zeichen des Neuen Bundes alludiert und damit eine Epoche des Friedens ankündigt. In diesem Blatt ist die Anspielung ganz offensichtlich. Der heilsgeschichtliche Verweis kann sich aber auch kryptoikonographisch tarnen wie im Kupfertitel zur Irene (Abb. 5). Dessen Bildprogramm nimmt in Verwandlung ein Motiv auf, das sich im Druck als historisches Ereignisbild findet (Abb. 6).38 Die Illustration zeigt den öffentlichen Weinausschank im Rahmen des schwedischen Friedensmahls, bei dem aus dem Rachen des schwedischen Wappentiers stundenlang weißer und roter Wein floss. Verschiedene Beschreibungen schildern das Chaos der Veranstaltung, bei dem
37 Vgl. ebd., S. 26 f. 38 Der Begriff ‚Ereignisbild‘ wird hier im Bewusstsein des Problems verwendet, dass ein Bild (egal welchen Mediums) nicht ‚Ereignisse‘ als klar definierte, unabhängige Größen ‚vorfindet‘ und objektiv aufbewahrt, sondern immer (auch) eine Anschauungs- respektive Produktionsform seines Gegenstandes darstellt.
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Abb. 2: Johann Klaj: Irene. Nürnberg [1651], Titelblatt
Abb. 3: Johann Klaj: Geburtstag deß Friedens. Nürnberg 1650, Titelblatt
die Auffangrinnen für den Wein demontiert und burleske Versuche unternommen wurden, das Getränk aufzufangen. Das Bild erscheint im Druck vor einer Seite, auf welcher der ausgeschenkte Wein, mit Bezug auf den von Simson getöteten Löwen (vgl. Richter 14), mit dem emblematischen Motiv des süßen Honigs in Verbindung gebracht wird, den die im Löwenleichnam siedelnden Bienen produzieren: Der Stadt= und Landmann sich üm jenen Löwen dringet/ auß dessen Rachen Wein von zweyen Farben springet/ sein Haubt ist Lorbergrün/ die Rechte Palmen trägt/ die Lincke hat das Schwert zerstücket beygelegt. Das Laubwerck zeigt/ das Land das werde wieder tragen/ das Gold das zeigt/ man werd von güldnen Tagen sagen/ wie vormal jener Löw gab süssen Honigsafft/ so gibet dieser Wein/ der Menschen gibet Krafft.39
39 Klaj, Irene (wie Anm. 9), S. [41] (im Druck fehlpaginiert 43). Vgl. Arthur Henkel / Albrecht Schöne (Hg.): Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1978, Sp. 401. Vgl. auch zur Allegorese des Brunnenlöwen durch das zeitgenössische Festpublikum Laufhütte, Das Friedensfest in Nürnberg (wie Anm. 1), S. 349.
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Der Rekurs auf den Honig aus Simsons Löwen, der mit dem Wein aus dem Brunnenlöwen in typologischer Allegorese identifiziert wird, liefert mit dem Transformationsmotiv, das ihm inhärent ist (Aas wird zu Honig), das assistierende ‚Tarnemblem‘ für eine Eucharistiefeier, die im Kupfertitel der Irene kryptoikonographisch angespielt wird.
Abb. 4: Auszug der Gesandten aus dem Nürnberger Rathaus am 16. Juni 1650. In: Johann Klaj: Geburtstag deß Friedens. Nürnberg 1650, vor S. 17
Abb. 5: Johann Klaj. Irene. Nürnberg [1651], Kupfertitel (Detail)
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Abb. 6: Öffentlicher Weinbrunnen beim Schwedischen Friedensmahl am 25. September 1649. In: Johann Klaj: Irene. Nürnberg [1651], vor S. [41]
Zuerst ein Blick auf die Revision des zeremoniellen Ereignisbildes (Abb. 6) im Kupfertitel (Abb. 5): Das Chaos ist zunächst einmal auf zeremonieller Ebene dadurch gebändigt, dass eine Grenze verläuft zwischen der vernünftigen Stadtbevölkerung, die dem Treiben nur zusieht, und dem Agieren der isolierten Weinnarren, das somit quasi zur Lachnummer umgewidmet wird. Auf der allegorischen Ebene des Blattes tritt nun aber die Friedenspersonifikation in ein bildsyntaktisches Verhältnis mit dem Löwen, auf den sie mit ihrem gebrochenen Schwert zeigt. Die Taube mit dem Ölzweig als Zeichen des Neuen Bundes auf der linken Seite ist eindeutig. Doch ist es die Brunnenfigur in ihrer vordergründigen Profanität auch? Im Kontext der Erläuterung Klajs zum Kupfertitel wird ein ganz anderes Bild enthüllt. Klaj schreibt:
Nürenberg ist voller Freud/ in dem Fried in ihr geschlossen/ man vergisst deß Kriegslied/ weil für Blut wird Wein vergossen.40
Im Zeichen des Transsubstantiationsmotivs wird der Löwe als Inversion des Agnus dei erkennbar. Die vom Löwen ausgehenden Weinstrahlen, die von Bechern auf-
40 Klaj, Irene (wie Anm. 9), fol. a4.
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gefangen werden, weisen eine deutliche Ähnlichkeit mit Darstellungen der Kreuzigung und des Gotteslamms auf, in denen Blutstrahlen in Kelchen aufgefangen werden. Im Rahmen dieser ikonongrapischen Formel kann sich Christus ganz ausdrücklich in eine Brunnenfigur in einem stadtöffentlichen Kontext verwandeln: In dem Epitaph des Superintendenten Caspar Goedemann (nach 1603) in der Lüneburger St. Johanniskirche etwa speist das Blut, das aus der Seitenwunde Christi tritt, einen Brunnen, aus dem sich mit Kelchen versehene Bürger, der Inschrift nach, an dem Wasser des Lebens (vgl. Joh 4,14) bedienen (Abb. 7). Mit Rekurs auf solche Bildformeln wird im Kupfertitel der Irene dadurch, dass der schwedische Wappen-Körper in subversiver Manier an die Christusstelle gerückt wird, ein Vorrang des Protestantismus und eine besondere heilsgeschichtliche Stellung Schwedens behauptet – die natürlich mit der Erinnerung an ein konkretes ‚Opfer‘ verbunden ist: Gustav Adolf von Schweden, den ‚Löwen aus Mitternacht‘, der für die protestantische Sache in der Schlacht bei Lützen 1632 sein Leben ließ.
Abb. 7: Epitaph des Superintendenten Caspar Goedeman (nach 1603). Lüneburg, St. Johanniskirche (Foto: Hole Rößler)
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Was im Titel zu diesem Aufsatz als Klajs Zeremoniell-Kunst annonciert wird, könnte auch Klajs Zeremonielltransformationskunst heißen. Wieviel Subversion und Spielfreude traut man dem Autor dabei zu? Traut man ihm zu, mit motivischen Andeutungen im Text eine burleske Säuferszene mit konfessionspolitischer Stoßrichtung als Eucharistiefeier zu konnotieren? – Hier sei die These gewagt, dass mit der Ikonographie des Kupfertitels der Irene auf der paratextuellen Ebene eine Parität der diplomatischen Akteure subversiv wieder unterlaufen (oder doch wenigstens relativiert) wird, auf deren Herstellung im Dienst des besonderen friedensdiplomatischen Casus die ‚pazifizierenden‘ Rangnivellierungen des Beschreibungstextes gerade angelegt sind – und die sich auch durch die ‚bikonfessionelle‘ Widmung der zweiteiligen Festbeschreibung herstellt (die Irene ist der schwedischen, der Geburtstag deß Friedens der kaiserlichen Seite gewidmet). Im Tarnmodus spricht der protestantische Theologe Klaj dem Protestantismus die Präzedenz zu.
Friedensdichtung
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Johann Klajs Friedensdichtungen 1650 Multimediale Repräsentation und Wahrnehmungsperspektiven Kein Zweifel, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges war eine Zeit voller Angst und Spannungen, aber auch der Gegensätze. Da der Krieg nicht überall gleichzeitig und nicht überall in gleicher Heftigkeit wütete, wurden nicht wenige Städte und Landschaften nicht so arg mitgenommen wie etwa Magdeburg oder fast ganz von Kriegshandlungen verschont. Neben dem vielen und unermesslichen Unglück des Krieges und der Seuchen, das wir aus der Literatur, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu kennen glauben, gab es auch Anderes. Regina Schulte hat sich bemüht, uns den Krieg als eine „verkehrte Welt“ verstehen zu machen,1 zugleich wissen wir, dass man zwischen Fiktion und Kriegswirklichkeit zu unterscheiden habe und dass z. B. die Marketenderwirklichkeit der Courasche nicht die Regel war.2 Man kannte neben endlosen Tränen durchaus auch Freude und Fröhlichkeit. Beides spiegelt sich in den Friedensdichtungen der Pegnitzschäfer, insbesondere Johann Klajs. Allerdings überwiegen am Anfang der Dichtungen Irene und Geburtstag des Friedens (ersch. 1650 in Nürnberg) Tod und Elend zum Erzeugen des wirksamsten rhetorischen Pathos. Es wird das nicht weithergeholte Bild einer Feuersbrunst heraufgerufen und ausgeführt. Das braucht uns nicht zu überraschen, denn es geht um Literatur, um ein Werk der Kunst und keineswegs um eine mimetische Darstellung. Solch Distinktionsmuster will beachtet sein.
Ach Glut/ die hat geglüt; die Sonne die viel heller als sonst der Sternen Chor/ gleicht einem Feuerteller/ wirfft Feuerkugeln auß/ die Teutschland aufgezehrt/ daß es mit Besemen zusammen wird gekehrt.3
1 Regina Schulte: Die verkehrte Welt des Krieges. Studien zu Geschlecht, Religion und Tod. Frankfurt/ New York 1998 (Geschichte und Geschlechter, 25). 2 Herbert A. Arnold: Die Rollen der Courasche. Bemerkungen zur wirtschaftlichen und sozialen Stellung der Frau im 17. Jahrhundert. In: Barbara Becker-Cantarino (Hg.): Die Frau von der Reformation zur Romantik. Die Situation der Frau vor dem Hintergrund der Literatur- und Sozialgeschichte. Bonn 1980, S. 96–111. Ferner Volker Meid: Grimmelshausen. Epoche – Werk – Wirkung. München 1984, S. 72 ff., 158; Hansjörg Büchler: Studien zu Grimmelshausens Landstörtzerin Courasche. Bern und Frankfurt/M. 1971, S. 45 ff. 3 Zit. nach dem Reprint Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 10), S. 9.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-012
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Wir werden unsere Fragen schärfer fassen müssen, um ein adäquates Deutungsmodell für einen solchen Text zu entwerfen. Denn in diese imaginäre Bildwelt wird anschließend der Leser/Zuschauer hineinbezogen, und zwar mit folgender adhortatio: Laufft zu/ lescht/ lescht: ümsonst/ mit seinen Sünden kämpfen und herrschen über sie: kan Sündenfeuer dämpfen kein Fischbach leschet so die schwefelgelbe Glut/ als wann ein Regen fallt von Bußbethrenter Flut. Ach Teutschland steht/ beweint mit Schaden ihren Schaden/ als wolte sie sich gantz im Threnenbade baden. O Himmelskäiser hilf/ hilf/ hilf/ hilf Erdengott/ errette mich auß Noht/ Tod/ Kot/ auß Angst und Spott.
Auf ein inbrünstiges Gebet zum höchsten Gott („O GOtt/ du bester Kriegzerbrecher/ | mache Fried/ Fried/ es ist Zeit…“) bewegt sich plötzlich etwas am Himmel: Die/ so zu Gottesburg die Hertzensschmertzen schicket/ in Wolckenheller Lufft ein neu Gesicht erblicket/ das Englische Gedritt sich hin und wieder schwingt/ so Teutschland gute Post vom Krieges Abzug bringt.
Drei Engel, die in alt- und neutestamentlicher Collage von Friedenszeichen singen, werden personifiziert aufgeführt, ihre Botschaft („das Gerücht“) verbreitet sich im Land. Das Handlungsgeschehen wird gleichsam hinter die Bühne der Welt verlegt. Man stellt sich vor, wie „das Englische Gedritt" am Himmel erscheint und heranschwebt. Im kollektiven Bewusstsein liegen schwebende Engelfiguren bereit, man kennt sie zur Genüge aus den Nürnberger Kirchen. Mit dem „Gerücht“ befindet man sich wieder auf dem Boden der Realität. Alsbald ziehen die Friedensunterhändler in die Stadt Nürnberg ein, die Schäfer werden zum Singen aufgefordert: „Der Früling rufft: Auf/ auf/ ihr wolbestimten Sänger/ | der Felder Tod ist tod; Wie schläffert euch noch länger?“ Der Erfolg stellt sich sofort ein: „Sie wachen munter auf und singen überlaut.“ Für den Schäferdichter und seine Mitgenossen stellt die lebenswirkliche Folie – aber immer im Gestus des ihnen vertrauten Spieltriebs! – das Ferment der Innovation her. Es ist deutlich, dass es sich dabei um arrangierte Wirklichkeiten handelt, an die man glauben muss, wenn sie wahrgenommen werden sollen. Das gilt generell für die hier vorliegende kulturanthropologische Perspektivik. Wenn man sich darauf einlässt, macht man die Feststellung, dass in solchen künstlerischen Strukturen, wie sie in Klajs Dichtung begegnen, Gesten und Attitüden begegnen, die auf eine andere als die Lebensrealität, der damaligen wie der heutigen, abheben. Diese muss folglich rekonstruiert werden, um sie in ihrem fundamentalen Charakter zu verstehen. Thomas Nipperdey formuliert: „Die Attitüden wiederum sind geprägt
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durch den Interpretationshorizont, in dem die Menschen leben und ihre Welt verstehen, und hier wird darum auch die Objektivierung solcher Interpretationshorizonte in den Werken der Kultur für das Verständnis von Person und sozialer Situation relevant.“4 Historische Anthropologie muss bei Textwelten wie die vorliegenden wohl nicht an erster Stelle die politische Geschichte, sondern die Religions- oder Kirchengeschichte als Teil der anthropologisch fundierten Sozialgeschichte befragen. Der Interpretationshorizont ist (worauf die himmlischen Gestalten und die Gebete, kurz: das ganze innere Geschehen des Textes hinweist) der Mensch im Angesicht Gottes. Gott hat seinen Zorn auf das Land gnädig fahren lassen und den Krieg, im vertrauten Bild der Strafrute, von den Menschen weggenommen; dafür hat er seinen Gnaden und den erflehten Frieden eintreten lassen: Das ist die „Geburt des Friedens.“ Das innerhalb der damaligen Glaubenswelt herrschende Denksystem bestimmt die künstlerische Inszenierung, in der Anzeichen von Säkularisierungsprozessen gänzlich fehlen. Im Gegenteil ist das literarische Werk – die Kunst – mit überdeutlichen, unverzichtbaren Elementen der christlich-sozialen Interaktion verbunden (Hinwendung zu Gott im Himmel, Beten und Loben). Sie ist als Instrumentalisierung einer historischen Lebenswelt, die in Text- und Bildüberlieferungen fassbar ist, erkennbar, ist daher hermeneutisch zugänglich. Das gilt umso mehr, weil zwischen Kunst und Lebenswelt so enge Verknüpfungen bestehen, dass sie im Sinne von Bourdieus Konstruktion des „kulturellen Kräftefeldes“ begriffen werden können. Die Klajschen Texte werden damit zu sozialund mentalitätsgeschichtlichen Dokumenten.5 Da sie nicht persönliche, vereinzelt und auf sich stehende Texte bilden, sondern für eine ganze Dichtergruppe und innerhalb dieser für eine ganze Bevölkerungsschicht im frühneuzeitlichen Nürnberg bestimmt waren, erlangen sie allgemeine und relevante Bedeutung für eine sich darin erkennende Lebenswelt. Sie repräsentieren durch ihre schäferliche Gestik und Bildvorstellung eine identitätsstiftende Norm für die Gesellschaft der Pegnitzschäfer und – insofern wir diese für die Gesamtheit des Publikums verallgemeinern dürfen – für die Bürger der Freien Reichsstadt. Sie setzen dafür auch die üblichen Sprachkonventionen ein und sind auf diese Weise „Abbilder sozialer Realität: Sie führen gesellschaftliche
4 Thomas Nipperdey: Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, Historische Anthropologie. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 55 (1968), S. 145–164, hier S. 299 f. (auch in: Wolfgang Schieder / Kurt Gräubig (Hg.): Theorieprobleme der Geschichtswissenschaft. Darmstadt 1977, S. 286–310). 5 Ich lehne mich hier an Bernd Roecks Buch an: Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit. Von der Renaissance zur Revolution. Göttingen 2004, hier speziell S. 191 ff.
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Zusammenhänge vor Augen, geben ideale Konzeptionen oder auch kritische Kommentare zur Wirklichkeit.“6 Die Natur hat sich, der Jahreszeit entsprechend, in ihr Frühlingskleid gehüllt, die Welt erstrahlt voller Hoffnung. Nun tritt auch Musik in Form eines Hirtengesangs hinzu. Der Frühling ruft die Hirten auf („Auf/ auf/ ihr wolbestimten Sänger | der Felder Tod ist tod; Wie schläffert euch noch länger?“), die Vögel treten ebenfalls auf den Plan, nachdem der „grosse Himmelvogt“ sie dazu aufgefordert hat: „laß heut dein bircknes Haar/ du Vögelkönigin | spiel von dem Friede was/ du Harfenschlägerin.“ Dann singt die Nachtigall ein 4-strophiges Lied nach einer Psalmmelodie, dessen Anfang lautet: Frühlingsbringerin/ schwing dich hin und wieder/ frag nicht/ wer ich bin/ fleug vor Noris Thor/ Fürstin/ Friedenslieder.
Danach singen Nachtigall und Poet abwechselnd. Sie geben sich beide Mühe, durch Friedenstöne eine heitere, aber ebenso dankbare Stimmung zu erzeugen und dem Publikum mitzuteilen, damit es mit einstimme – […] GOtt Lob/ es ist der Friedenschluß getroffen/ durch Himmelgunst | und Heldenkunst/ hat alle Welt den güldnen Fried zu hoffen. […] lebt allezeit ein tausendgüldnes Leben. Wo/ wann ihr geht/ wo/ wann ihr steht/ wird Friedelar üm eure Haubter schweben.
Was in diesen gleichsam spielerischen Zeichen bzw. im poetischen Zeichenkomplex geschieht und wahrgenommen wird, ist nicht nur einfach ein gestaltetes Bild der Frühlingsnatur – singende Vögel im Wald und Gestrüpp vor der Stadt. Wenn wir die Zeichen richtig lesen, erkennen wir darin freilich keine religiösen Sinnsetzungen, aber dennoch so etwas wie „Refugien des Metaphysischen.“7 Die singenden Vögel stimulieren im Text buchstäblich den Poeten und seine ‚Mitgenossen‘, aber die Wirkung jener Textstellen reicht weiter: Sie stimuliert auch im Leser/Betrachter Ideen und Vorstellungen, die hier selbstverständlich auf das Ereignis des Friedens bezogen und in der Akkumulation friedfertiger Zeichen am Himmel und
6 Roeck, Das historische Auge (wie Anm. 5), S. 193. 7 Ebd., S. 265.
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in der Luft in vielfältiger Beziehung zu verborgenen Sinnschichten zu stehen scheinen. Sie sind Instrumente der Sinnstiftung, und zwar auf dem Weg der Wahrnehmung und des mentalen Eindrucks.8 Das ist es, was man hier die ‚geheime‘ Semantik der Natur nennen könnte. Die Kunst – und davon ist hier die Rede – ist nicht nur eo ipso etwas Magisches, indem sie (woran schon August Buchner, Klajs Wittenberger Lehrer, immer wieder erinnert hat) etwas schafft, was vorher nicht da war, etwas ins Leben ruft, das vorher tot war, sondern sie hat darüber hinaus eine magische Wirkung. „Das Kunstwerk erscheint als Kontraktion einer Welt, es enthält deren Realität und bildet sie zugleich, als Kommentar oder Paraphrase, ab; so wird es zum Transmissionsorgan metaphysischer Energien, die bannend, verletzend, vor allem aber heilend nach außen wirken.“9 Das ereignet sich auch in Klajs Text, indem die Nachtigall mit ihrem Singen aufgefordert wird, als Instrument des Friedens zu agieren, ja Frieden zu machen, zunächst in der Natur. Steh auf/ steh auf/ du Morgenstern deß Lentzen/ du laute Nachtigal/ sing trefflich/ sing in unsern Pegnitz-grentzen mit Friedvermengtem Schal; Winter/ Reif/ Frost/ Unlust sind gefallen/ in dem wir hier/ dir/ Erdenzier/ ein Friedens=Lied zu loben lassen schallen.
Das Zeichenspiel des Singens und Klingens hat „den güldnen Fried” erbracht. Im nächsten Abschnitt „Kriegeskrieg/ Friedenssieg“ (21 ff.) wird eine Kontrastlandschaft hervorgerufen, wie sie düsterer nicht sein könnte. Ist sie auch imaginär, ist ihre Wirkung dennoch abschreckend genug, wie der Anfang zeigen möge:
ES war ein wüster Ort/ da kein Thier nicht hinkömmet/ da weder Sonn noch Mond/ noch einig Sternlein glimmet/ da weder Laub noch Frucht an Bäumen wird gespürt/ da nichts nicht wird gesät/ geschnitten/ eingeführt: da gantz kein Vögelein schwirrt in Blätterkahlen Püschen/ da nichts als rauher Wind und schlancke Schlangen zischen/ der Wind/ der Todenruch Cypressen=Sträucher regt/ in dero Wurtzeldach die Blindschleich sich gelegt. Auß diesem düstern Ort kam Kriegskrieg aufgestiegen/ als ich noch/ als ein Kind/ geweint in meiner Wiegen; […]
8 Vgl. Roeck, Das historische Auge (wie Anm. 5), S. 267 f. 9 Ebd., S. 280.
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Es ist eine wahre Todeslandschaft, Böcklins „Toteninsel“ nicht unähnlich. Aber in diese bedrohende, öde Wildnis bricht nun triumphierend der Friede ein. Mars tritt auf, dann Irene; abwechselnd tragen sie ihre gegenseitigen Vorwürfe vor, Irene jeweils mit der unveränderten Schlusszeile: „das hab ich Fried gemacht." Schließlich gibt Mars auf – „Weil es also bedacht | im hohen Götterraht/ so geb ich gute Nacht.“ (S. 31) Dann setzt, nach der langen Symbolhandlung im Freien, ein weiterer Text in gereimten Langzeilen ein (S. 32 ff.): Schwedisches Fried= und Freudenmal. Der Text wird mit Lobespsalmen auf bekannte Melodien von Kirchenliedern beschlossen, zuerst auf dem Rathaus, dann als Gemeine vor dem Rathaus, wo das Geschehen zu handfester Freude wird. Es findet nämlich hier das „Tränken der Menge" durch einen Löwen aus einem der Rathausfenster Platz, es ist das bekannte Weingeschenk, das im Anschluss an den Chor der „Gemeine“ gespendet wird.
Wo floß Rebensafft ohn Reben/ Friede vor dem Würgekrieg; raht/ wo das erfrorne Norden zum süssen Weinland worden? ruffet Friede/ vor dem Sieg.
Da geschieht das „Wunder“, das vom Rat vorbereitet worden ist und auf einer beigefügten Falttafel abgebildet wird: eine große Menschenmenge drängt sich in zwei Stockwerken an den Fenstern des Rathauses, mehr aber noch auf dem Platz davor, wo vom Fenstersims ein Löwe Wein spritzt. Es ist eine mit Hilfe fast mythischer Bildführung überraschende Verlebendigung des Geschehens. Es ist zeichenhaft der „Löwe aus Mitternacht“ (der Schwedenkönig), der metaphorisch der Nürnberger Bevölkerung den Wein des Friedens ausschenkt. Der Stadt= und Landmann sich üm jenen Löwen dringet/ auß dessen Rachen Wein von zweyen Farben springet/ […] wie vormal jener Löw [in der Simson-Geschichte] gab süssen Honigsafft/ so gibet dieser Wein/ der Menschen gibet Krafft. Da siht man ein Geläuf/ ein Hin= und Widerreissen/ ein Aufstehn auf das Faß/ ein Widerrunterschmeissen/ der bringet ein Geschirr/ der fanget Wein in Hut/ und weil der Mann zu kurtz/ so thut der Hut nicht gut/ man bindt ihn an was an/ an Gabeln und an Stangen/ so kan man desto baß hinlangen und Wein fangen/ den er dann in sich schluckt; und weil er feil und woll/ so lässt er nicht eh nach/ bis sein Gehirne toll. [S. 41 f.]
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Das natürlich zu erklärende Wunder hält das Volk noch eine Weile in Bann, dann ertönt aus dem Rathaussaal eine Musik zum Lobe Gottes (nach Psalm 150), die mit End- und Binnenreimen sowie weiteren Klang- und Wortspielen zum dichterischen und musikalischen Höhepunkt führt. Lobet/ belobet den HErren mit Ruhme füglich und klüglich im heiligen Thume/ hebet/ erhebet die prächtigste Macht/ singet und klinget die mächtigste Pracht. Lobet/ belobet die herrlichsten Thaten/ alle Geschöpfe dem Schöpfer gerahten/ starcke Posaunen posaunen hervor/ Harfen/ die Scharfen/ beleben den Chor. Paucken die paucken/ verstärcken den Reyen/ Saiten die streiten/ die Pfeiffer schalmeyen/ Flöten/ Trompeten/ die stimmen mit ein/ Cymbalen klingelen lautbar und rein. Lobet/ belobet mit Loben den HErren/ Alles/ was wohnet im Nahen und Ferren/ Alles/ was Odem hat/ lobe den HErrn/ Alles/ was Odem hat/ willig und gern. [S. 51]
Es ist nicht verwunderlich, dass die Musik, als das von alters beliebte und gelobte Medium in einem gehobenen Kommunikationsvorgang, an dieser Stelle hoch geehrt wird: Die süsse Musica/ das Kind der Pierinnen/ deß Zornes Widerpart/ die Lust der lüstren Sinnen/ der Freuden Besserung/ deß Kummers sein Gebiß/ wie Davids Harf vom Saul den Kummergeist hinriß. Die Raserey vergeht/ die Sorgen müssen weichen/ sie ist der Künste Kunst/ wann alles muß verbleichen/ und einst am letzten Tag die Künste gehen ein/ wird doch die Singekunst im Himmel ewig seyn; Smaragden sind die Zier und Schöne schöner Ringe; wer ist bey Liedern nicht und Weine guter Dinge? Wie trefiich lasset doch Rubinenblut im Gold; Wer ist dem Male nicht/ wo Saiten streiten/ hold? [S. 50]
In folgenden Reimzeilen wird an den Neubau der Stadtmauern Jerusalems nach dem Exil erinnert (erzählt im Nehemiabuch 1–6; 12, 27 ff.), als nun auch Deutschland zerstört daniederliegt. „Als Nehemias kam/ sprach er/ nicht sonder Trauren: | Auf/ auf/ auf/ lasset uns neu mauren Salens Mauren/ | und wenden unsre Schmach“, und die Parallele mit Carl Gustavs Eingreifen in den Krieg gestaltet: „Als Carol Gustav kam/ sprach er/ nicht sonder Trauren: | Auf/ auf/ auf/ lasset
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uns befrieden Teutschlands Mauren/ | befreyen von der Schmach.“ Die Conclusio bildet den Dank zu Gott – dem senden wir sein Theil; An dem Tag wiederfuhr dem gantzen Teutschland Heil/ durch dieses Friedenmal; Man danckte da dem HErren/ daß Nürnbergs Friedefest gehöret ward von ferren; Der Friedfürst machte selbst die Friedenfreude groß/ daß sie von neuem Fried in neuer Freud beschloß.
Auf einem beigefügten Blatt wird der festlich geschmückte Rathaussaal abgebildet. Hängende Festons schmücken den oberen Teil, zwei Olivensträuche schließen ihn hinten ab, man erblickt noch den „Löwen“ im Fenster, der seinen Dienst getan hat. Auf drei Emporen sind Musiker mit ihren Instrumenten postiert, auf einer vierten einige Sänger. Das Wichtigste ist der große Tisch, an dem die Gesandten, und die kleineren, an denen Abgesandte von Städten und hohe „Kriegsbedienten" sitzen; vorne steht, umgeben von seinen Räten, Carl Gustav. Davor sitzt der Maler, der das Ganze auf seine Art festlegen soll. Epochenübergreifend sind Demonstrationen von Macht und Prestige im Dienst der Politik, nicht zuletzt in Nürnberg zur Gelegenheit des Friedensschlusses, wo lange verhandelt werden muss und die Mächtigen ihre Präsenz zeigen. Es empfahl sich aus machtstrategischen Gründen, sich in Vollkraft seiner Legitimation in Positur zu setzen. Die Freie Reichsstadt zeigte in gewaltiger Inszenierung ihren Ausdruck von magnificentia politica, zu der ebenfalls das Imponiergehabe gehört, das das Bürgertum erfreuen und beeindrucken sollte. Dabei war aber auch das religiös grundierte Legitimationsmuster der Stadt hervorzukehren; ebenfalls das protestantische Gepräge und das Imago der patrizischen Obrigkeit. In dieser eindrucksvollen multimedialen Repräsentation des politischen Augenblicks ist der Anteil der Musik zu bewerten. Der Dichter unterlässt auch nicht die Erwähnung eines vierzeiligen Echolieds – ein „Ehre sey Gott“ (S. 59) –, wozu auf S. 69 folgende Anmerkung gehört:
Obgleich sonsten die Music in vier Chöre abgetheilet/ und sich die gantze Zeit über mit den Trompetern und Heerpauckern Wechselweise lustig hören lassen/ so ist doch sonderlich in der Höhe der Gesang/ welchen die Engel bey der Geburt deß Friedefürstens gesungen/ auf einem Discant= und Lautenchore künstlich und lieblich musiciret worden.
Es wurde, wie der Text belegt, immer wieder gesungen und musiziert, der evangelischen Frömmigkeit entsprechend hauptsächlich zu Ehren Gottes: An dem Tag wiederfuhr dem gantzen Teutschland Heil/ durch dieses Friedenmal; Man danckte da dem HErren/
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daß Nürnbergs Friedefest gehöret ward von ferren; Der Friedfürst machte selbst die Friedenfreude groß/ daß sie von neuem Fried in neuer Freud beschloß. [S. 44 f.]
Seitenlang wird in mehr oder weniger kunstvollen Reimen das Ereignis gefeiert und das Schau-Essen gelobt. Nach dem 5. Gang wird der Tisch neu zubereitet, was in einer Anmerkung ausdrücklich der Erwähnung für wert befunden wurde: Nach diesem hat man das Oberblat der Tafel stückweis abgenommen/ und ist die Tafel mit Tellern und Servieten/ wie auch mit allerhand in Zucker eingemachten Blumen überstreuet/ wiederum bereitet gewesen/ darauf ist gefolget der 6. Gang/ bestehend in Zuckerwerck/ Confect und zweyen sehr grossen Marcipanen/ auf 2. hohen Marcipanen Schalen/ deren eine bey 20. Marck Silbers schwer. [S. 78]
Das Essen wurde vielmals von „Stücken“ unterbrochen – „Es donnern Geschütze | heisser Metallen/ | sie schwitzen/ blitzen Blitze/ | hallen und prallen/ | knallen“ – beschlossen mit einem Chor „Hochteutscher Friedinen“ zum 25. Geburtstag des schwedischen Königs. Ein Lustfreudiges Feldpanquet (S. 71 ff.) zeigt auf den nahenden Frühling voraus und bereitet ihn in Klajscher Manier ausbündig klingend vor:
wir holen violen in blumichen Auen/ Narzissen entsprissen von Perlenen Tauen/ Es grünet und grünet das fruchtige Land/ es gläntzet im Lentzen der wässrige Strand. Es fallen mit Schallen/ von Bergen herfallan/ sie rieseln in Kieseln die Silbercrystallen/ sie leuchten/ befeuchten das trächtige Feld/ sie fliessen/ durchgiessen die schwangere Welt. [S. 72]
Die Nachtigall, die „Kummerwenderin“, lässt sich hören („höret! die kittert an Klüfften") und „zeucht die Saiten auf/ die Künstler=Opizin“ (!): Kein kluges Saitenspiel kan solchen Ton erschwingen/ sie übersteigt das Ziel der schönen Singekunst/ belobet Gras und Klee: die frohe Nachtigal kan überirdisch singen.
Unter den „Schautrachten“ findet sich Venus („in Gestalt deß Frülings“), ferner Ceres („in Gestalt deß Sommers“), Bacchus („in Gestalt deß Herbstes“) und schließlich Palamedes („in Gestalt deß Winters“). So sind die Jahreszeiten in Gestalt griechischer Götter und Figuren mit anwesend und singen begeisternd, darin
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unterstützt von den „Gespielinnen“, „Falcknern" und „Jägern“, dann auch in Chören von „Bosknechten oder Fischern“, „Hall= oder Saltz=Buben“. Das damalige Publikum hat solche Szenen zweifellos geliebt, wir finden sie ja fast ähnlich noch in Goethes kleinen Festspielen. Aber hier bildet nun ein Schwedisches Feuerwerck (S. 83 ff.) den politisch getönten Schlusspunkt, von dessen Freuden, Beteiligten und Zuschauern das beigebundene Blatt und Harsdörffers zwölf Strophen zum Thema einen Eindruck vermitteln.
* Die Dichtung Geburtstag Deß Friedens stellt, wie das Titelblatt erwähnt, die musikalischen Beiträge heraus: „mit Zincken/ Posaunen/ Flöten/ Geigen/ Dulcinen/ Orgeln/ Anziehung der Glocken…“. Im Widmungsgedicht an den Kaiser, die Reichsfürsten und Stände versucht der Dichter in der Natur ein Gleichnis für den Weltbrand zu finden, der mit dem Krieg entfacht schien – vergebens: Kein Etna hat also gehitzet und gebrant als von der Krieges glut das edle Teutsche Land nun in die dreissig Jahr: […] Die Städte stehn in Furcht/ die Dörfer in den Flammen/ das halb erstorbne Volck das raffe was zusammen und lauffe/ was es kan […] […] Das Teutsche Kriegesfeuer hat zehnmal mehr gebrennt/ mit wildem Ungeheuer entzündet alle Welt/ unschwesterlich gehaust/ daß einem/ der es sagt und der es höret/ graust. [S. 101 f.]
Das Widmungsgedicht richtet sich an Oxenstjerna, denn: „Gustav/ das Löwenhertz/ das Himmelab war kommen/ Ist Himmelaufgenommen.“ Dem Wechsel der Monarchien gilt das „Geburtstags“-Gedicht. Jetzt, wo nun das abgehetzte Deutschland den Frieden erblickt, werden zum Schluss im kunstvollen Enjambement die Konstituenten des schönen Friedensbilds vorgeführt. […] Der Fried ist schön bekräntzet mit Früchten üm und üm; in seiner Lincken gläntzet der grüne Palmenzweig; es grünt die rechte Hand von einem Lorbeerkrantz/ es spielet sein Gewand im Friede mit dem Wind. […] [S. 11]
Die Jahreszeiten werden besungen, bis der Chor in acht Strophen die Flora gelobt, dann ein ein „Lustfreudiges Friedenfest" angestimmt und schließlich die in Nürnberg eingetroffenen Politiker willkommen geheißen hat.
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Als nun die schöne Schar sich kaum zur Ruh gelassen/ und jetzt mit GOtt und Glück die Feder wollen fassen/ den Frieden zu vollziehn/ kommt unversehens für der dreygedritte Chor/ tritt für deß Zimmers Thür mit Geigen=Lauten=Werck/ Regalen/ Zincken/ Flöten/ (die Künste wissen nichts von Trommeln noch Trommeten/ die musiciren schön und singen überhell […]. [S. 123]
Es wird unterschrieben, 44 Namen werden aufgezählt, das beigefügte Faltblatt zeigt die Personen alle nummeriert, sie werden den Musenchor wohl angehört haben und dem Schluss beipflichten: Der Friede kömmt herab von Nerons vesten Bogen durch milden Himmelsschluß in Teutschland eingezogen mit vester Unterschrifft/ errettet von dem Streit zwar Nürnberg/ doch zugleich gantz Teutschland weit und breit. [S. 127]
Wurde schon das Bild des feurigen Ätna bemüht, so ist es hier Noah, der im „Kasten“ die Sintflut überlebt hat und durch die Taube mit dem Ölblatt vom Abzug des Wassers unterrichtet wurde: Ach haben wir nicht auch im finstern Kriegeskasten gesessen dreissig Jahr/ da dann ohn alles Rasten die wilde Kriegesflut geschlagen unser Schiff/ bis daß die fromme Taub den Friedenzweig ergriff/ trug ihn auf Nürnberg zu. Nun wird das Kriegen werden zu hartem Felsenstein/ als Knochen dieser Erden/ und Nürnberg ist der Berg/ der Friedens=Ararat/ auf welchem sich der Krieg zur Ruh geleget hat. [S. 129]
So wird nun der Krieg beerdigt, „Die Sternen halten selbst dem Mars ein Leichgepränge/ | sie finden sich zum Leid und klagen in der Menge.“ Wiederum ist es Zeit für eine hell-tönende Musik, die nicht zufällig den Blick himmelwärts richtet. Indeß der Engelvolck sich last in Lüfften hören/ singt: Fried/ Fried/ Fried auf Erd in tausend Frieden=Chören den Frieden=Lobgesang. Man fängt auf Erden an mit hellem Glockenklang zu läuten/ was man kan; Auf Turnen üm und üm die grossen Glocken klingen/ auf Thoren hin und her die grossen Stücke singen/ Der Stückenknall dem Krieg zum letzten Ehren knallt/ der Glockenhall dem Fried zum neuen Eintrit hallt durch eine gantze Stund. Die frohe Sonne wolte nun fast zu Bette gehn; diß Rund ihr folgen solte/ es sollte und wolte nicht. Es ließ sich freudig auß das fromme Friedenvolcks/ lief in in GOttes Haus
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und danckte seinem GOtt/ der von verwichner Plage sein Salem einst erlöst/ bey spat verblichnem Tage. [S. 130 f.] […] Auch auß begrabnen Pickelhauben nun wachsen Aehren/ Obst und Trauben/ Auf Schnitter/ zu der Sichel greift/ der Fried ist mit den Aehren reiff! [S. 133]
Die beiden Texte in ihrer Gesamtheit überblickend, lassen sich einige relevante Akzente zu dem im Titel genannten Thema setzen. Die Referentialität ist in ausgiebiger Weise die Bibel. Obwohl es um ein Thema der politischen Geschichte geht – den Dreißigjährigen Krieg und den Frieden von Münster und Osnabrück, der in Nürnberg bis in alle Einzelheiten zwischen den politischen Vertretern Deutschlands, Frankreichs und Schwedens ausgehandelt und unterzeichnet wurde –, werden die Ereignisse in den Friedensdichtungen von 1650 kaum ernsthaft aus weltlicher Perspektive beleuchtet. Man wird daher vergeblich nach realitätsnaher Darstellung des Kriegselends suchen, es erscheint allenfalls in poetischer Darstellung, nimmt kaum je einen entscheidenden Platz ein. Die Frage, warum das so ist, führt uns zu der Frage der Wahrnehmungsebene des Dichters. Sie ist in beiden Dichtungen nicht auf Authentizität begründet. Das historische Ereignis an sich hat Klaj deutlich nicht als seine Aufgabe gesehen. Der Poet ist ebenso wenig wie der Historienmaler auf die Schilderung der Wirklichkeit tout court verpflichtet, eine Übereinstimmung von narratio und factum eins zu eins, die einer Wahrnehmung wie im prosaischen Bericht entspräche, galt zu der Zeit ohnehin nicht allgemein, Mischformen gab es indessen tatsächlich, oft genügten auch Andeutungen zur imago veritatis.10 Klajs dichterisches Bemühen und sein klar umrissenes Vorhaben sind schon an den Widmungen abzulesen. Hauptziel ist die ehrende Feier der Hauptpersonen und eine repräsentative Darstellung der Nürnberger Festlichkeiten aus Anlass des Friedens. Die Einheit von Bild und Text stiften die Beziehungen, die man jeweils zwischen dem bildhaft gefassten Titelkupfer und dem ihm folgenden Text ermitteln kann. Es soll am Beispiel der Dichtung Irene gezeigt werden. Auf dem Titelblatt ist die Gestalt der Göttin vor dem Hintergrund des Nürnberger Rathauses dargestellt, wo sich das „Weinwunder“ in Anwesenheit einer „volckreichen Versammlung“ von Zuschauern vollzieht. Darüber am Himmel schwebend, halten drei Engelgestalten die Fahnen der schwedischen, deutschen und französischen Nation und stützen ein Notenbild zum „Canon in unisono à 3.“ mit dem Text „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auff Erden.“ Im Text erfolgt
10 Roeck, Das historische Auge (wie Anm. 5), S. 226 ff.
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die Ausdeutung (S. 7 f.). – In der linken Hand hält Irene ein gebrochenes Schwert, auf ihrer rechten sitzt die Taube mit dem Ölzweig aus der Geschichte der Sintflut. Sie bezeugt „Gottes Frieden“ nach Abzug der Wasserfluten, zum Zeichen von Gottes der sündhaften Menschheit gnädig geschenkten Friedens. Die dichterische Ausdeutung bringt die Entsprechung: „Die gehäuffte Sündflut | hat das Teutsche Land bedecket“ (womit durch eine figura etymologica auf die Sünde als Ursache der Strafe Bezug genommen wird) und die Sündenvergebung, wie es im „Weinwunder“ dargestellt wird, ebenfalls im neutestamentlichen christlichen Bild: „man vergisst deß Kriegesleid/ | weil für Blut wird Wein vergossen.“ Die Multimedialität (auf dem Titelblatt der ersten Dichtung programmatisch vorgeführt), wird ebenso in ihrem Ursprung gezeigt: ihr Quellgebiet ist dem kundigen damaligen Leser/Betrachter unmittelbar zugänglich in den biblischen Geschichten, wie sie in der evangelischen Predigttradition des sonntäglichen Gottesdienstes erklärt werden. Die uns beschäftigenden Texte verweisen auf ihre Historizität in Raum und Zeit. Bernd Roeck hat die Bezüge zwischen Kunstwahrnehmung und Lebenswelt als „Archäologie des Sehens“ beschrieben:
„Wahrnehmung und Wirkung von Kunst können nur in Relation zu spezifischen sozialen und kulturellen Bedingungen, zu schichten- und epochenspezifischen Perzeptionsweisen beschrieben werden. Dies heißt, daß diese Bedingungen und Sehgewohnheiten rekonstruiert werden müssen – soweit es überhaupt möglich ist, den Wahrnehmungshorizont vergangener Epochen wiederzugewinnen. Ein Ziel dieser Rekonstruktion ist die Frage, ‚welches sinnbildende Vermögen das Werk im Betrachter wachzurufen, welche metabildlichen Wertorientierungen zu festigen oder neu zu erschließen es imstande ist und in welche Freiräume seiner Imagination es ihn dabei entläßt.‘“11
Der biblische Referenzrahmen vor seinem zeittypischen theologiegeschichtlichen Hintergrund bildet den beliebten Ideenspender und das Bildreservoir, gibt indessen aber auch den Deutungsrahmen ab. Der Zeitgenosse war mit allem vorausgesetzten Wissen keineswegs überfordert, er fand sich im Gegenteil beim kleinsten Hinweis sogleich im größeren Kontext zurecht. Man darf davon ausgehen, dass die anders strukturierte Zeit, die Frühe Neuzeit eben, ohne Medienorientierung der Moderne ein intensiveres Hören und Sehen kannte, womöglich auch ein besseres Gedächtnis hatte für das Wissen, das man als normatives Vorbild ansah, das christliche A und O. Daher können wir bei den Dichtungen der meist sehr frommen Pegnitzdichter ein zumindest in den Hauptlinien einheitliches Gepräge ansetzen.
11 Roeck, Das historische Auge (wie Anm. 5), S. 253. Der Passus in einfachen Strichen ist ein von Roeck herangezogenes Zitat.
Franziska Bauer und Anna Lisa Schwartz
Medienwechsel mit Folgen? Klajs Friedensdichtungen auf Gedenkblättern aus den Verlagen Fürst und Endter
Der Friedensexekutionskongress von 1649/16501 brachte für die Reichsstadt Nürnberg einen kulturellen Aufschwung, von dem auch Johann Klaj profitierte. Als Kriegsflüchtling 1643 mittellos in Nürnberg angekommen, wurde er dort Gründungsmitglied des Pegnesischen Blumenordens und einer der Hauptakteure auf den kaiserlichen Friedensfeierlichkeiten, konnte sich aber nach der Auflösung dieses „temporären Kunstzentrums“2 nicht etablieren und verließ die Stadt 1651 wieder.3 Der Friedenskongress und die ihm systemimmanenten Begleiterscheinungen wie Bankette, Feste und Feuerwerke4 lockten auch Künstler in die Stadt5 – etwa
1 Antje Oschmann: Der Nürnberger Exekutionstag 1649–1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland. Münster 1991 (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, 17). 2 Andreas Tacke: Der Kaiser kommt! Eine Einführung mit Fallbeispielen aus süddeutschen Reichsstädten. In: Birgit Ulrike Münch u. a. (Hg.): Von kurzer Dauer? Fallbeispiele zu temporären Kunstzentren der Vormoderne. Petersberg 2016 (Kunsthistorisches Forum Irsee, 3), S. 8–31, insbesondere S. 9 f. 3 Dirk Niefanger: Johann Klaj. In: Brigitte Korn (Hg.): Von nah und fern. Zuwanderer in die Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg 2014 (Schriften der Museen der Stadt Nürnberg, 4), S. 175–178, hier S. 176–178. 4 „Die Lustbarkeiten, die über den geschlossenen Frieden angestellt werden, sind ebenfalls unterschiedlich […] Bey den Friedens-Festivitäten werden alle Glocken geläutet, die Canonen abgefeuert, Freuden-Feuer mit den sinnreichsten Erfindungen, und sehr künstliche Illuminationen des Abends angezündet. Den Pöbel wird viele Tage nach einander mancherley Lust gemacht. Man läßt ihnen gantze Ochsen braten, die unter sie umsonst ausgetheilt werden, man läßt Fontainen mit rothen und weissen Wein springen, man vergönnet ihnen allerhand Schau-Spiele, Comoedien und musicalische Concerte. Es werden prächtige Banqueter ausgerichtet, und werden so wohl die Inventions-Tafeln als die Speisen und die Confituren dabey mit solchen Sinn-Bildern embelliret, die sich dazu mit schicken. Auf den Universitäten und Schulen werden dem Frieden zu Ehren mancherley oratorische Actus gehalten […] So ist es auch gar gewöhnlich, daß unterschiedene goldene und silberne Medaillen auf den neu hergestellten Frieden gepräget werden.“ Julius Bernhard von Rohr: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft Der großen Herren […]. Berlin 1733, S. 534 f. 5 Vergleiche den Beitrag von Andreas Tacke und Ursula Timann in Korn, Von nah und fern (wie Anm. 3).
https://doi.org/10.1515/9783110669480-013
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Joachim von Sandrart, dessen berühmtes Friedensmahl im Nürnberger Rathaussaal unter dem Einfluss niederländischer Gruppenporträts6 entstand und beinahe die gleiche Rezeption erfuhr, wie Gerard ter Borchs Ratifizierung des Friedens von Münster.7 Kunst und Literatur bedingten sich in Friedenszeiten gegenseitig und waren unmittelbar miteinander verbunden.8 Durch das florierende Verlagswesen in Nürnberg verbreiteten sich nicht nur die beiden erwähnten Gemälde in Reproduktionsstichen.9 Das wirtschaftliche Potenzial von Friedensschlüssen hatten die Offizinen bereits vor den Feierlichkeiten erkannt: unmittelbar nach Unterzeichnung der Verträge verwies der Rat der Stadt mehrfach auf das Verbot von Nachdrucken der „Friedenstraktate“, die – durch kaiserliches Privileg geschützt – lediglich der in Mainz ansässige Philipp Jacob Fischer vertreiben durfte.10 Auch in der schwierigsten Kongressphase bis Mitte Mai 1650 zeigte sich der Nürnberger Rat bemüht, einem schädlichen Einfluss auf die Verhandlungen – etwa durch Satireschriften und Spottblätter – vorzubeugen.11 Zweifelsohne hatten auch die Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens die Möglichkeiten erkannt, ihre Friedensdichtungen publikumswirksam auf illustrierten Gedenkblättern zu vermarkten. Gleich sechs solcher Beispiele sind für Johann Klaj überliefert, die hier in das mediale Spannungsfeld zwischen illustriertem
6 Joachim von Sandrart, Das Friedensmahl im großen Rathaussaal zu Nürnberg am 25.9.1649, Öl auf Leinwand, 291,5 x 448 cm. Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen, Inv.-Nr. Gm 0009. Christian Klemm: Joachim von Sandrart. Kunstwerke und Lebenslauf. Berlin 1986, S. 76–81. 7 Gerard ter Borch, Die Ratifizierung des Friedens von Münster, Öl auf Kupfer, 45,4 x 58,5 cm. The National Gallery London, Inv.-Nr. NG896. Siehe Sturla J. Gudlaugsson: Katalog der Gemälde Gerard ter Borchs, sowie biographisches Material. Den Haag 1960, S. 18–20 und S. 81 f., Nr. 57. 8 Christian Klemm: Sigmund von Birken und Joachim von Sandrart. Zur Entstehung der Teutschen Academie und zu anderen Beziehungen von Literat und Maler. In: John Roger Paas (Hg.): Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 289–313. 9 Doris Gerstl: Wolfgang Kilians Reproduktion des „Friedensmahls“. In: Franziska Bachner / Doris Gerstl / G. Ulrich Großmann (Hg.): Von teutscher Not zu höfischer Pracht 1648–1701. Köln 1998 (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg), S. 30–32, Kat.-Nr. 11. 10 Michael Diefenbacher / Manfred H. Grieb (Hg.): Das Nürnberger Buchgewerbe. Buch- und Zeitungsdrucker, Verleger und Druckhändler vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Nürnberg 2003, S. 26. 11 Streitpunkt war die Räumung der durch Spanien besetzten Festung Frankenthal. Hartmut Laufhütte: Das Friedensfest in Nürnberg 1650. In: Klaus Bußmann / Heinz Schilling (Hg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa. Bd. 2: Kunst und Kultur. München 1998 (Europarat-Ausstellung, 26), S. 347–357, hier S. 351. Im Erlass vom 25. April 1650 verbot der Rat mehreren Berufsständen „Verdächtiges oder Ärgerliches zu drucken, zu fertigen oder feil zu haben“; siehe Diefenbacher, Buchgewerbe (wie Anm. 10), S. 26, Nr. 165.
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Abb. 1: Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens: wie solche bey Ihrer Fürstl: Gnad: Duca de Amalfi zu Nürnberg gehaltenen Friedensmahle beim hellen Tage anzusehen gewesen. Verfasst von Johann Klaj, verlegt bei Paulus Fürst. Radierung und Typendruck auf Papier, 26,8 x 36,9 cm (Darstellung), Nürnberg 1650. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 907, Kapsel-Nr. 1220
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Einblatt- und Gelegenheitsdruck einzuordnen sind.12 Auf dem Blatt Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Castel des Unfriedens (Abb. 1) wies er gar selbst auf Möglichkeiten und Grenzen des Mediums hin: „es gehet nicht hierauf auf dieses kleine Blat der gäntzliche Verlauff. In einen grössren Werck nach abgelauffnen Tagen/ will ich ein gantz Gedicht von diesen Frieden sagen in neuen Reimen rein.“ Wie ‚neu‘ beziehungsweise anders sich diese Dichtungen gestalten konnten, behandelt der zweite Teil dieses Aufsatzes, der sich auf die politische Sprache in Klajs Dichtungen konzentriert. Zu dessen Einordnung fragen die ersten Kapitel nach dem Nürnberger Verlagswesen in der Mitte des 17. Jahrhunderts, der Aufgabe des illustrierten Flugblatts und der Verwendung von Friedensmotiven in Bezug auf das Bild-Text-Verhältnis.13
1 Zur Medienwirksamkeit von Friedensschlüssen 1.1 Das Friedensfest als medialer Katalysator In den letzten Jahrzehnten verlagerte sich die (historische) Friedensforschung von einer Konzentration auf den eigentlichen Friedensvertrag hin zu einer weiter gefassten Untersuchung des Ereignisses. Heinz Duchhardt sprach von einem Paradigmenwechsel, der den Fokus auf den gesamten Friedensprozess – von den einleitenden Verhandlungen bis zum Abschluss des Vertrages und seinen daran anschließenden Implikationen wie Verbreitung, Kommunikation und Feiern – ausweitet.14 Jüngst formulierte eine niederländische Forschergruppe das Konzept „Performances of Peace“ im Rahmen einer Untersuchung zum Frieden von Utrecht (1713).15 Die Performativität bedient sich hierbei vierer Kanäle, auf diploma-
12 Es handelt sich um folgende Blätter (aufgeführt ist jeweils das Incipit): Glückwünschung An deß Heiligen Römischen Reichs hochberühmte Stadt Nurnberg (Nürnberg 1649); Abbildung des Schwedischen Löwens (1649); Nürnbergisches Denckwürdiges Freuden Fest (Nürnberg: Fürst 1650); Abbildung/ der/ bey der völlig-geschlossenen Friedens-Unterschreibung gehaltenen Session (Nürnberg [Fürst]: 1650); Tempel des Friedens und gegenübergesetztes Castel des Unfriedens ([Fürst]: 1650); Eigentliche Abbildung des wegen völlig geschlosenen Reichs Friedens (1650). 13 Siehe hierzu den Tagungsband Wolfgang Harms (Hg.): Text und Bild. Bild und Text. Stuttgart 1990 (Germanistische Symposien der DFG, 11). 14 Heinz Duchhardt: Der frühneuzeitliche Friedensprozess. In: Hans-Martin Kaulbach (Hg.): Friedensbilder in Europa 1450–1815. Kunst der Diplomatie – Diplomatie der Kunst. Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart 2013. München, Berlin 2013, S. 9–19, hier S. 12. 15 Renger E. Bruin u. a.: Introduction. In: Renger E. Bruin u. a. (Hg.): Performances of Peace. Utrecht 1713. Leiden, Boston 2015, S. 1–21.
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tischer, öffentlicher, theatralischer und memorierender Ebene.16 Die hier angesprochenen Dichtungen auf Gedenkblättern verbinden dabei die verschiedenen Ebenen. Als Kasuallyrik sind sie nicht selten öffentliches Stimmungsbarometer, als Festbeschreibung hingegen zählen sie zu den vielen Darbietungen, die Friedensfeierlichkeiten begleiteten. Nicht zuletzt erscheinen sie in ihrer Verbindung aber auch als kollektives Erinnerungsmedium in Form des Gedenkblattes. Die „Aufgabe, die ephemeren Medieninszenierungen […] in das dauerhafte Medium eines text- und bildgestützten Papiergedächtnisses zu überführen“,17 wie es Thomas Rahn für die höfischen Festbeschreibungen formulierte, trifft hier ohne Zweifel zu. Insbesondere Feuerwerke, deren Flüchtigkeitscharakter durch das Einfrieren einer vermeintlichen Momentaufnahme im Kupferstich statische Formen erhielt, erfreuten sich besonderer Beliebtheit. Durch überspitzte Wortwahl sprachen die Inszenierungsbeschreibungen auch die audiovisuelle und olfaktorische Wahrnehmung an.18 So dichtete Klaj auf die Entzündung des Schnurfeuerwerks durch die Figur eines Amor:19 Die Liebe/ die Liebe geflügelt/ gewindet/ die rennet/ die brennet/ die Seulen entzündet/ drauf schwermet/ drauf lermet das glänzende Heiße/ es hitzet/ es schwitzet das Feuergeleisse.20
1.2 Das Potenzial des illustrierten Flugblatts Der im Titel gewählte Begriff des Gedenkblatts trifft zwar die memorierende Funktion des Drucks, sagt aber nichts über seinen Stellenwert innerhalb der frühneuzeitlichen Medien aus. Die hier besprochenen Einblattdrucke21 zählen zu den
16 Ebd. S. 13. 17 Thomas Rahn: Festbeschreibung. Funktion und Topik einer Textsorte am Beispiel der Beschreibung höfischer Hochzeiten (1568–1794). Tübingen 2006 (Frühe Neuzeit, 108), S. 2. Zu der speziellen Funktion von Flugblättern in diesem Bereich siehe Michael Schilling: Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland. Tübingen 1990 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, 29), S. 267. 18 Andrea Sommer-Mathis: „Es ergetzet und verletztet“. Explosive Inszenierungsstrategien im Fest der Frühen Neuzeit. In: Hermann Blume u. a. (Hg.): Inszenierung und Gedächtnis. Soziokulturelle und ästhetische Praxis. Bielefeld 2014, S. 173–190, hier S. 186 f. 19 Eberhard Fähler: Feuerwerke des Barock. Studien zum öffentlichen Fest und seiner literarischen Deutung vom 16. bis 18. Jahrhundert. Stuttgart 1974, S. 155. 20 Johann Klaj: Geburtstag Deß Friedens/ […].Nürnberg: Wolfgang Endter 1650, S. 57. 21 Einblattdrucke ausgehend vom Medienträger, nicht von der Herstellungsweise in Kombination von Tief- und Hochdruck.
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vormodernen Flugblättern, auf deren schwierige Namensgebung die Forschung mehrfach hingewiesen hat.22 Formal erfüllen sie die Kriterien, mit denen Schilling in seiner Studie „Bildpublizistik der frühen Neuzeit“ das Medium umreißt: Einblattdrucke mit einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Bild und Text, die aus einer graphischen Illustration und einem Typendruck bestehen.23 Aus dem großen Umfang der am Entstehungsprozess beteiligten Berufsstände sollen zumindest zwei unter ihnen hier Beachtung finden: Verleger und Autor. Beide Gruppen nutzten das „Kleinschriftentum […] als Experimentierfeld“– so wurden etwa Texte von Sebastian Brant und Hans Sachs nachweislich zuerst auf Flugblättern verbreitet und erst danach in Form von unabhängigen Schriften.24 Wenn auch auf einigen bedeutenden Flugblättern anlässlich des Westfälischen Friedens noch Knittelverse Verwendung fanden,25 so bestehen sowohl Klajs als auch Sigmund von Birkens Texte beinahe durchweg aus Alexandrinern. Eine Ausnahme bildet Friedens-Freudenmahl,26 dessen Verse als trochäischer Achtheber gestaltet sind. Die Flugblattdichtungen der Pegnitzschäfer sind beinahe alle signiert, was für das Medium eher Seltenheitswert hat. Dies bedingte vor allem die Zensur, die nicht einmal vor einem in Nürnberger Elitekreisen gut integrierten Georg Philipp Harsdörffer zurückschreckte. Der Wiedererkennungswert von Verfassernamen konnte im Gegenteil aber auch den Marktwert einzelner Blätter steigern.27 Hierbei dürfte Klajs selbstbewusste mehrfach verwendete Signatur als poeta laureatus ihren eigenen Zweck erfüllt haben. Diese Nobilitierung mag auch eine Reaktion auf die schwierige Stellung des Dichterlobs im Dreißigjäh-
22 Einleitend Wolfgang Harms: Deutsche und illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd. 1. 7 Bde. Tübingen 1985–1997, S. VIII–XI. Der englischsprachige Begriff broadsheet trifft den Effekt als Medium der Massenkommunikation genauer. Siehe William A. Coupe: The German illustrated broadsheet in the seventeenth century. Historical and iconographical studies. 2 Bde. Baden-Baden 1966–1967, S. 7. 23 Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 17), S. 2 f. 24 Michael Schilling: Das Flugblatt der frühen Neuzeit als Paradigma einer historischen Intermedialitätsforschung. In: Alfred Messerli / Michael Schilling (Hg.): Die Intermedialität des Flugblatts in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2015, S. 25–45, hier S. 38. 25 Zu nennen wäre etwa Neuer Auß Münster vom 25. deß Weinmonats im Jahr 1648. abgefertigter Freud- und Friedenbringender Postreuter; vgl. Harms, Flugblätter (wie Anm. 22), Bd. 4, Nr. 254; und Friedens-Freude. Krieges-Leid (1649). Zu den Möglichkeiten des Versmaß siehe Wolfgang Harms / Michael Schilling: Zum illustrierten Flugblatt der Barockzeit. In: Wolfgang Harms (Hg.): Illustrierte Flugblätter des Barock. Eine Auswahl. Tübingen 1983 (Deutsche Neudrucke. Reihe Barock, 30), S. VII–XVI, hier S. VIII. 26 Das Schwedische Friedens-Freudenmahl (1649). Hierzu Harms, Flugblätter (wie Anm. 22), Bd. 2, Nr. 323. 27 Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 17), S. 14 f.
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rigen Krieg gewesen sein.28 Hierauf bezieht sich auch die Anfangspassage in Friedens-Unterschreibung (Abb. 2):
Ein andrer mag im Blut die rohte Feder netzen und diesen langen Krieg/ der nichts erkriegt/ aufsetzen ein unbeliebtes Werck/ ein nicht belobter Fleiß/ an den der Tichter selbst verschwitzer Fleiß und Schweiß.29
Nicht zu unterschätzen ist auch die Massenwirksamkeit illustrierter Flugblätter. Für eine Vielzahl frühneuzeitlicher Festereignisse sind große Zuschauermengen überliefert, unter denen Kolporteure neben Kleinwaren auch Flugblätter verkauften. Wie Rolf Wilhelm Brednich für die Liedpublizistik nachgewiesen hat, waren Flugblätter durch ihren günstigen Preis für ein größeres Publikum erschwinglich.30 Der illiterate Adressat konnte den Inhalt der Dichtung durch lautes Verlesen wahrnehmen. Den lesekundigen Betrachter hingegen lockten die qualitativen Illustrationen an.31 Die Verleger der zu diskutierenden Blätter – Paulus Fürst und Wolfgang Endter d. Ä. – nutzten insbesondere Bildstrategien, die förderlich für den Verkauf waren. So zeigen vier der Flugblätter am unteren Rand eine versammelte Zuschauermenge,32 die es dem Betrachter ermöglichte „selbst Augenzeuge der berichteten Ereignisse zu sein“33. Zudem konnten im Verkauf erfolgreich erprobte Illustrationen als Nachstiche in die jeweiligen Bücher integriert werden, wie es auch für Geburtstag des Friedens nachzuweisen ist.34 Den verkaufssteigernden Wert formulierte Endter in der Vorrede zum sechsten Teil der Frauenzimmer Gesprechspiele gar selbst: „Bey dieser Zeit/ ist fast kein Buch verkaufflich/ ohne einen Kupfertitel/ welcher dem Leser desselben Inhalt nicht nur mit Worten/ sondern auch mit einem Gemähl vorbildet.“35 28 „Johann Klaj/ gekr: Poet.“ Zu finden auf Klaj, Friedens-Unterschreibung und Klaj, Armbrustschießen (wie Anm. 12). Zum poetischen Lob in Zeiten des Krieges Johannes Anderegg: Lorbeerkranz und Palmenzweig. Streifzüge im Gebiet des poetischen Lobs. Bielefeld 2015, S. 79–88. 29 Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12). 30 Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 17), S. 285–287. 31 Harms, Barockzeit (wie Anm. 25), S. XIX. 32 Klaj, Glückwünschung; Klaj, Löwe; Klaj, Freuden-Fest; Klaj, Armbrustschießen (wie Anm. 12). 33 Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 17), S. 67. 34 Geburtstag Deß Friedens (Nürnberg: Endter, 1650). Darin enthalten sind Nachstiche von Klaj, Freuden-Fest; Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12). 35 Frauenzimmer Gesprechspiele: so bey Ehr- und Tugendliebenden Gesellschaften […] beliebet und geübt werden […] sechster Theil (Nürnberg: Endter 1646). „Vorrede/ Den Titel und Inhalt deß sechsten Theils der Gesprächsspiele behandelnd“, § 10. Siehe auch John Roger Paas: The changing landscape of the competitive Nuremberg print trade. The rise and fall of Paulus Fürst (1608–1666). In: Richard Kirwan (Hg.): Specialist markets in the early modern book world. Leiden 2015 (Library of the written world, 40), S. 35–63, hier S. 36.
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Abb. 2: Abbildung/ der/ bey der völlig-geschlossenen Friedens-Unterschreibung gehaltenen Session, in Nürnberg den 26. 16. Junij 1650. Verfasst von Johann Klaj, gestochen von Andreas Khol nach einer Vorlage von Leonhard Haeberlin, verlegt bei Paulus Fürst. Kupferstich und Typendruck auf Papier, 27 x 36,2 cm (Darstellung), Nürnberg 1650. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 198, Kapsel-Nr. 1220
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2 Die Zusammenarbeit zwischen dem Kunsthändler Paulus Fürst und Johann Klaj Obwohl Paulus Fürst mit seinem Kunstverlag die grafische Produktion in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Nürnberg dominierte, steht eine monografische Bearbeitung seines Schaffens noch aus. Auch noch einhundert Jahre nach Theodor Hampes kurzer biografischer Einführung zu einem aus heutiger Sicht unvollständigen Verlagsverzeichnis, fehlt eine umfassende Studie.36 Fürst übernahm die Offizin Balthasar Caymoxs wahrscheinlich unmittelbar nach dessen Tod 1635. Aus Verkaufsgründen dürfte er sich dazu entschieden haben, die Verlagsadresse bis in die 1640er Jahre beizubehalten.37 Er verlegte nachweislich Platten aus dem Besitz des brabantischen Glaubensflüchtlings und ergänzte das Spektrum bereits erschienener niederländischer und deutscher Kupferstiche durch weitere Ankäufe etwa aus dem Nachlass Peter Isselburgs.38 Zu den in seinen Diensten stehenden Zeichnern und Stechern zählten unter anderem Leonhard Haeberlein und Andreas Khol, die nachweislich zumindest zwei der Illustrationen für die Texte Klajs lieferten.39 Obwohl Fürst bereits 1640 mit dem Zusatz „Kunsthändler“ in den Taufbüchern auftritt, taucht seine Namensnennung auf den Blättern noch selten auf. Bezeichnend ist jedoch, dass das erste Blatt mit Datumsangabe und eigener Verlagsadresse von 1646 einen Text von Johan Klaj trägt.40 Der anlässlich der Kaiser
36 Theodor Hampe: Beiträge zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg. Teil II: Paulus Fürst und sein Kunstverlag. In: Mitteilungen des Germanischen Nationalmuseums 1914/ 15, S. 3–127. Ergänzung ebd. 1920/21. Vor allem zum Vertrieb wären neue Fragen zu stellen, hatten doch nachweislich bedeutende Sammler wie Maximilian Willibald von Waldburg-Wolfegg Beziehungen zu Fürst, siehe Stephan Brakensiek: Vom „Theatrum Mundi“ zum „Cabinet des Estampes“. Das Sammeln von Druckgraphik in Deutschland 1565–1821. Hildesheim u. a. 2003 (Studien zur Kunstgeschichte, 150), S. 213, Anm. 795. Auch die zahlreichen Nachdrucke und vor allem Kopien niederländischer manieristischer Graphikserien, deren Nachfrage sich beispielsweise in der Sammlung der Familie Holzschuher (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Bibliothek, Sign. 4° St. N. 238) manifestiert, wurden bisher noch nicht in den Blick genommen. 37 Paas, Fürst (wie Anm. 35). 38 Hampe, Fürst (wie Anm. 36), S. 12. 39 Klaj, Freuden-Fest und Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12). 40 Zwar ist mehrfach nachweisbar, dass Fürst seit 1639 regelmäßig auf der Leipziger Messe zugegen war. Die Messkataloge verzeichnen aber lediglich Bücher und keine Flugblätter, hierzu Hampe, Fürst (wie Anm. 36), S. 7. Es handelt sich um das Blatt Kriegstrost/ Abgesehen auß den andern Buch der Könige am 19. und auß dem Esaiae 37. Cap. Radierung und Typendruck auf Papier, 11,2 x 14,9 cm, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 14926, Kapsel-Nr. 1314. Der Text ist ein Auszug aus Johan Klaj gekrönten Poëtens AndachtsLieder (Nürnberg: Sartorius 1646).
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wahl Ferdinands III. herausgegebene Druck Effigies Omnium Caesarum Romanorum zeigte bereits zuvor ein neues Layout, welches den Erfolg des Kunstverlags mittragen sollte. Das großformatige Blatt folgt einer Dreiteilung, bei der die klaren Strukturen durch die Bündigkeit von Titel, Bild und (durch eine Bordüre begrenzten) Text erreicht sind. Hinzu kommt eine individuelle kunstreiche Illustration.41 Vor allem um 1650 nutzte Paulus Fürst vorzugsweise Texte der Pegnitzschäfer für seine Produktionen. Aus den umfangreichen Tagebuchnotizen lässt sich etwa Birkens Zusammenarbeit mit Fürst nachweisen, die der Dichter aufgrund ausstehender Zahlungen 1664 beendete.42 Seit Ende der 1650er Jahre geriet Fürst zusehends unter Konkurrenzdruck. Vermutlich wanderten auch einige der zuvor für ihn tätigen Stecher zu seinem größten Kontrahenten Johann Hoffmann ab. Die daraus resultierende Qualitätsminderung seiner Blätter trieb den Verlag in den Ruin, den Fürst bis zu seinem Selbstmord 1666 noch weiterführte.43 Die Illustration Friedens-Unterschreibung zeigt – anders als der Titel es andeutet – die Kollationierung des Vertrages auf der Nürnberger Burg.44 Die Einzelverträge hatten die kaiserlichen und schwedischen Hauptgesandten Ottavio Piccolomini und Pfalzgraf Karl Gustav bereits in ihren Quartieren unterzeichnet.45 Daher haben an der rechteckigen Tafel lediglich weitere Gesandte Schwedens und des Kaisers sowie deren Sekretäre Platz genommen. Wie sich im zweiten Teil des Aufsatzes noch zeigen wird, fanden Klajs Verse Verwendung in einem bei Endter gedruckten Werk. Was bei der Untersuchung in der Zusammenarbeit von Fürst und Klaj noch auffällt, ist eine Änderung im Aufbau des ersten Blatts, das sich sehr nah an den gedruckten Festbeschreibungen orientiert. Die beiden folgenden Einblattdrucke Freuden-Fest (Abb. 3) und Tempel des Friedens präsentieren die Titulatur in kalligrafisch aufwendigen Schriftzügen in einer Kartusche am oberen Bildrand. Das Blatt mit der ‚gehaltenen Session‘ hingegen lehnt sich mit dem Typendruck und der Indexierung besonders an den Buchdruck an.46 Die enge Verbindung zwischen Bild und Text, die die Nummerierungen in der Illustration und deren Auflösung in der dritten Spalte schaffen, sind wesentliches Merkmal von Buchillustrationen. So verwundert es kaum, dass wir die gleiche Vorgehensweise für das
41 Paas, Fürst (wie Anm. 35), S. 41–42. 42 Wolfgang Harms: Anonyme Texte bekannter Autoren auf illustrierten Flugblättern des 17. Jahrhunderts. Zu Beispielen von Logau, Birken und Harsdörffer. In: Wolfenbütteler Barocknachrichten 12,1 (1985), S. 49–58, hier S. 53 f. 43 Paas, Fürst (wie Anm. 35), S. 59–62). 44 Klaj, Friedensunterschreibung (wie Anm. 12). Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 11), S. 351. 45 Aus diesem Grund sind die beiden Stühle mit den Nummern 42 und 42 der „Haupt Plenipotentiarien“ nicht besetzt. 46 Schilling, Flugblatt (wie Anm. 24), S. 29. Für die Drucke siehe Anm. 12.
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Abb. 3: Nürnbergisches Denckwürdiges Freüden Fest, wegen deß Völlig-geschlossenen und daselbst einhellig Unterschriebenen Reichs-Friedens den 26/16 Junii jetzlauffenden 1650 Jahrs. Verfasst von Johann Klaj, verlegt bei Paulus Fürst. Radierung und Typendruck auf Papier, 26,8 x 36,9 cm (Darstellung), Nürnberg 1650. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. SP 10579, Kapsel-Nr. 1068
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Faltblatt und die anschließende Auflistung der Anwesenden in Geburtstag des Friedens vorfinden.47 Klaj entwickelte in diesem ersten Blatt aufgrund der vorhandenen Bild-TextRelation ein Friedensmotiv, welches er in den beiden folgenden Texten erneut aufgriff. Mehrfach fällt der Begriff der Feder und anderer Schreibutensilien und ihre Notwendigkeit für die Herstellung des Friedens: „Der Friede kömmt herab von Nerons vesten Bogen durch milden Himmel-Schluß in Teutschland eingezogen mit fester Unterschrifft“.48 Der Einfluss der frühneuzeitlichen Diplomatie schlug sich vor allem seit dem Westfälischen Vertrag im Bild des Friedenskongresses nieder.49 Dass auch die aus dem Kongresskontext herausgelösten Werkzeuge zur Herstellung des jeweiligen instrumentum pacis selbst bildwürdig werden konnten, wurde bisher kaum thematisiert. So trägt etwa eine Medaille von 1648 die Inschrift „Nicht mit blut sonder dinten“ (Abb. 4). Darüber vereinen sich, eingestellt in die kaiserliche Krone, die Flaggen Frankreichs, Schwedens und Deutschlands zwischen Oliven- und Palmzweig. Als Rahmung dienen zwei Tintengefäße mit den Wappen Osnabrücks und Münsters, deren aus dem Himmel beschienene Federn den Frieden „auß Gottes güte“ zeigen.50 So verwendet Klaj weiterhin das Motiv, wenn er davon spricht „der Friede wird sich selbst mit güldner Dinte schreiben“51. Auch in der zweiten Spalte des Blattes Tempel des Friedens mahnt er „die Feder müsse sein ein scharfgespitzter Stahl/ Papier ein Felsen-Stein!“. Der Text zum Auszug der Gesandten mit der Ansicht des Nürnberger Rathauses ist inhaltlich weitaus deskriptiver. Nicht nur die Fahrt der Kolonne in Richtung Burg findet Erwähnung, sondern auch die Ausschmückung des Rathauses und die Vorbereitungen in der gesamten Stadt anlässlich des Vertragsabschlusses. Sie sind in der Illustration durch ein weiteres Friedenssymbol versinnbildlicht. Am Beginn der zweiten Kolumne thematisiert Klaj die alttestamentliche
47 Klaj, Geburtstag (wie Anm. 34), Faltblatt vor S. 21, Auflistung S. 21–23; Exemplar der HerzogAugust-Bibliothek Wolfenbüttel: 65.15 Poet. (2). 48 Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12). 49 Bekanntestes Beispiel ist das einleitend erwähnte Gemälde ter Borchs. Siehe Cornelia Manegold: Bilder diplomatischer Rangordnungen, Gruppen, Versammlungen, und Friedenskongresse in den Medien der Frühen Neuzeit. In: Kaulbach, Friedensbilder (wie Anm. 14), S. 43–65; Dorothee Linnemann: Die Bildlichkeit von Friedenskongressen des 17. und 18. Jahrhunderts im Kontext zeitgenössischer Zeremonialdarstellung und diplomatischer Praxis. In: Raphael Kauz (Hg.): Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im Mittleren Osten in der frühen Neuzeit. Wien 2009, S. 155–186. 50 Zitat aus der Inschrift der Rückseite. Siehe Bußmann/Schilling, 1648 (wie Anm. 11), Bd. 3, S. 229, Kat.-Nr. 680. 51 Das farbliche Attribut legt bereits der Titel „Geburtstag deß Friedens […] nunmehrerbetene goldgüldene Irene“ fest.
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Abb. 4: Medaille auf den Reichsfrieden 1648, Silber, geprägt, 36,2 Dm., 18,69 g. LWL-Museum für Kunst und Kultur (Westfälisches Landesmuseum), Münster /Münzkabinett, Inv.-Nr. 26252 Mz
Friedenstaube nach Gen 8,11, die Noah „bracht ein Oehlblat mit/ […] daß sich verzogen deß Wetters Ungestümm“.52 Das biblische Motiv taucht in der speziellen Funktion als nuncia pacis und in Bezug auf die meteorologischen Auswirkungen in einem zeitgenössischen Emblembuch auf. Das zweite Emblem in Johann Vogels Sinnebilder Von dem widergebrachten Teutschen Frieden steht unter dem Lemma „Wie lieblich ist der Friedensbott!“53 (Abb. 5). Auch wenn das Epigramm eine Anspielung auf die Wettermetaphorik54 vermissen lässt, zeigt das Icon eine Sonne über der Arche, die die Wolken vertreibt. Die quantitativ umfassendste Beschreibung enthält Tempel des Friedens, in dem die aufgebauten Installationen für das kaiserliche Feuerwerk am 16. Juni 1650 geschildert werden. In den entsprechenden Passagen verwendete Klaj eine Vielzahl klassischer Friedenstopoi, wie den Kuss von Friede und Gerechtigkeit (Ps 85,11)55 und das Schmieden von Waffen zu Ackergerät (Jes 2,4).56 Die anschlie
52 Klaj, Freuden-Fest (wie Anm. 12). 53 Meditationes Emblematicae De Restaurata Pace Germaniae = Sinnebilder Von dem widergebrachten Teutschen Frieden/ Kürzlich erklärt Durch Johann Vogel (Frankfurt: Zunner 1649), S. 2. 54 Insbesondere dürfte damit das Emblem post nublia phoebus angesprochen sein. Vgl. Arthur Henkel / Albrecht Schöne: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1967, Sp. 25. 55 Wolfgang Augustyn: Friede und Gerechtigkeit – Wandlung eines Bildmotivs. In: Wolfgang Augustyn (Hg.): Pax. Beiträge zu Idee und Darstellung des Friedens. München 2003 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, 15), S. 243–300. 56 Kaulbach, Friedensbilder (wie Anm. 14).
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Abb. 5: Meditationes Emblematicae De Restaurata Pace Germaniae. Verfasst von Johann Vogel, verlegt bei Johann David Zunner, Frankfurt 1649, [S.] 9. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.
ßenden Verse lauten: „Es werden hin und her die frommen Turteltauben | fort nisten in den Helm in Sturm-und Pickelhauben“. Anhand einer Vielzahl ausgewerteter Friedensdarstellungen57 fällt auf, dass dieses gewählte Motiv selbst in einem
57 Die Veröffentlichung der Ergebnisse des Projektes „Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen“ – Repräsentationen des Friedens im vormodernen Europa in Form eines Themenportals ist derzeit in Arbeit.
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Blatt wie Schertzgedicht, Die Früchte deß Friedens Vorstellent58 nicht vorkommt. Hierfür abermals in der Emblematik und zwar in Daniel Meisners Thesaurus Philo-Politicus (Frankfurt: Kieser 1631).59 Das Icon unter dem Lemma „Ex bello Pax“ zeigt eine zwischen zwei Stützen quergelegte Lanze als Hühnerstange, in deren Mitte ein Helm mit einer nistenden Henne zu sehen ist: Im Helm welchen vor dieser Zeit, Ein Soldat truge in dem streit. Hatt außsgebrühet ihre Jungn, Ein Kluckhenn, weil fried ist kumn.“60
Insgesamt zeigen die drei Blätter aus dem Verlag Fürst ein sehr einheitliches Bild, in dem die Passagen Klajs teilweise die Illustrationen erläutern und unabhängig davon verschiedene Friedensmotive präsentieren, die er durch ein emblematisches Repertoire zu erweitern suchte. Bleibt die Frage zu klären, ob dies auch für die drei anderen Flugblätter der Fall ist. Das querformatige Blatt Abbildung des Schwedischen Löwens (Abb. 6) ist nicht sicher Fürst zuzuschreiben. Es zeigt die feiernde Volksmenge vor dem Nürnberger Rathaus, in dem Pfalzgraf Karl Gustav am 25. September 1649 ein Festbankett ausrichten ließ.61 Der Text, der die Statue des Löwen und den Zuschauerauflauf beschreibt, ist entgegen der vorgestellten Blätter sehr kurz gefasst. Außer der Signatur J.K. finden wir auf dem Blatt keinerlei Hinweise auf Illustrator oder Stecher. Dennoch kann Paulus Fürst als Verleger in Betracht gezogen werden. Das Blatt besticht ebenfalls durch eine qualitativ hochwertige Illustration, orientiert sich aber auch ähnlich der Friedens-Unterschreibung noch an der Überschrift im Typendruck und der beinah wortgleichen Übernahme des Textes aus dem Teil Friedens-Einzug in Nürnberg aus Klajs Schwedisches Fried- und Freudenmahl.62
58 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 15054, KapselNr. 1220. Die Darstellung zeigt die Umnutzung in Friedenszeiten überflüssig gewordenen Kriegsgeräts. 59 Henkel/Schöne, Emblemata (wie Anm. 54), Sp. 1489 f. 60 Sibylle Appuhn-Radtke: Darstellungen des Friedens in der Emblematik. In: Augustyn, Pax (wie Anm. 55), S. 341–360, hier S. 345 f. 61 Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 11), S. 348–350. 62 Schwedisches Fried- und Freudenmahl/ zu Nürnberg den 25. des Herbstmonats/ im Heiljahr 1649. gehalten / in jetzo neu-üblichen Hochteutschen Reimarten besungen Von Johann Klaj/ der H. Schrifft Ergebenen/ und gekrönten Poeten (Nürnberg: Dümler 1649).
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Abb. 6: Abbildung deß Schwedischen Löwens / Welcher den 25. deß Herbstmonats dieses lauffenden Jahres bey Ihrer hochf. Durchl. deß Herrn Generalissimi Friedenmahl rohten und weissen Wein in 6. Stunden häuffig auß dem Rachen fliessen lassen. Verfasst von Johann Klaj. Radierung und Typendruck auf Papier, 21,8 x 31,3 cm (Platte), Nürnberg 1649. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 194, Kapsel-Nr. 1220
Eine vergleichbare Reihe von illustrierten Flugblättern legte Wolfgang Endter der Ältere vor, allerdings durchweg mit Texten von Sigmund von Birken. Die Marktstrategie des Buchhändlers bestand aber in einer anderen. So zeigen die beiden Blätter Das Schwedische Friedens-Freudenmahl63 (Abb. 7) und Uber den Löwen/ so/ mit Lorbeerblättern bekrönet64 (Abb. 8) zwei Gemäldereproduktionen,65 geben
63 Harms, Flugblätter (wie Anm. 22), Bd. 2, Nr. 323. 64 Harms, Flugblätter (wie Anm. 22), Bd. 2, Nr. 324. 65 Reproduziert sind Sandrarts einleitend erwähntes Friedensgemälde und ein Gemälde von Bartholomäus Wittig: Das Nürnberger Rathaus mit den Volksbelustigungen gelegentlich des Frie
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aber zugleich durch die Paginierung den Gebrauch der Platte als Buchillustration an. Im Gegensatz zu den Fürst’schen Beispielen sind die Illustrationen weniger aufwendig gestaltet.66 Auch die Verse Birkens, deren genaue Untersuchung in Abgleich zu seinen Schriften aus dem Verlag Endter noch vorzunehmen wäre, beschränken sich auf die Beschreibung des Dargestellten. Eine solche Gegenüberstellung von Klajs Dichtungen auf Flugblättern mit dem gedruckten Werk Geburtstag des Friedens leisten die anschließenden Erläuterungen.
3 Die Flugblattdichtung als Politikum Bei der Gegenüberstellung von Geburtstag des Friedens und Klajs Texten auf den Einblattdrucken scheinen keine inhaltlichen Unterschiede feststellbar, die Abschnitte sind geradezu identisch. Vergleicht man jedoch einzelne Passagen, zeigt sich, dass Unterschiede in Formulierungen feststellbar sind, die hier Anlass geben sollen zu fragen, welchen Einfluss die politische Sprache in den Texten auf die Rezipienten hatte und was dadurch ausgedrückt wurde. Vermittelte Klaj andere Friedensbilder im Massenmedium67 Flugblatt als in Geburtstag des Friedens? Claire Gantet verweist darauf, dass der Frieden von den Mitgliedern des Pegnesischen Blumenordens in einem sakralen Kontext dargestellt worden ist, gänzlich ohne politische oder soziale Absichten.68 Dem soll hier gegenübergestellt werden, dass dabei zwischen verschiedenen Veröffentlichungsarten unbedingt zu unterscheiden ist. Die Änderungen von Phrasen oder Wörtern lassen sich auf
densmahles am 25.9.1649, 1649, Öl auf Leinwand, 134 x 157 cm, Museen der Stadt Nürnberg, Kunstsammlungen, Inv.-Nr. Gm 0189. Zu beiden Gemälden siehe Matthias Henkel, Ursula Kubach-Reutter (Hg.): 1662–1806. Die Frühzeit der Nürnberger Kunstakademie. Ausst.-Kat. Museen der Stadt Nürnberg. Nürnberg 2012, S. 188, Kat.-Nr. 99–100; Bachner/Gerstl/Großmann, Pracht (wie Anm. 9), S. 26–30, Kat.-Nr. 10 und S. 33 f., Kat.-Nr. 13. 66 Wie John Roger Paas anhand der Tagebücher Birkens nachweisen konnte, kümmerte sich dieser häufig selbst um die Einwerbung der Illustratoren und stand in engem Kontakt zum Verleger, siehe John Roger Paas: Zusammenarbeit in der Herstellung illustrierter Werke im Barockzeitalter. Sigmund von Birken (1626–1681) und Nürnberger Künstler und Verleger. In: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 24 (1997), S. 217–239. 67 Zum Flugblatt als Massenmedium siehe Alfred Messerli: War das illustrierte Flugblatt ein Massenlesestoff? Überlegungen zu einem Paradigmenwechsel in der Erforschung seiner Rezeption. In: Wolfgang Harms / Alfred Messerli (Hg.): Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit (1450–1700). Basel 2002, S. 23–32. 68 Vgl. Claire Gantet: Friedenfeste aus Anlass des Westfälischen Friedens in den süddeutschen Städten und die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg (1648–1871). In: Bußmann/Schilling, 1648 (wie Anm. 11), S. 649–656, hier S. 649.
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Abb. 7: Das Schwedische Friedens-Freudenmahl / gehalten von des H. Generalissimi Hochfürstl. Durchleucht. auf dem Gerichtsaale des Rathauses zu Nürnberg / den 25. Herbstmonds / J.J. 1649. Verfasst von Sigmund von Birken, verlegt bei Wolfang Endter d. Ä. Kupferstich, Radierung und Typendruck auf Papier, 38,5 x 30 cm (Blatt), Nürnberg 1649. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 24660, Kapsel-Nr. 1220
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Abb. 8: Uber den Löwen/ so/ mit Lorbeerblättern bekrönet/ in der rechten Tatzen einen Palmzweig/ in der linken ein zerbrochnes Schwerd haltend/ aus dem Saalfenster des Rahthauses/ bey dem Schwedischen Friedensmahl/ rohten und weissen Wein unter das Stadt- und Landvolk sprützete. Verfasst von Sigmund von Birken, verlegt bei Wolfgang Endter d. Ä. Radierung, Kupferstich und Typendruck auf Papier. 36 x 30 cm. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. HB 7194, Kapsel-Nr. 1220
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politische oder soziale Absichten zurückführen, die sicherlich nicht obrigkeitsbestimmt waren, aber dennoch die Textinhalte veränderten und vor allem die Medien Flugblatt und Buch in ihren Aufgaben definierten. Gerd Dethlefs hat in seiner Dissertation bereits versucht, das Verhältnis von Kunst und Literatur auf das politische Handeln während der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück zu untersuchen und damit Grundlagen für detaillierte Sektionsanalysen von einzelnen Gattungen und ihrem Einfluss auf politischer Ebene geliefert.69 Anhand eines begriffsgeschichtlichen Ansatzes, der sowohl den Kontext der Phrasen, die Rezipienten und den Hintergrund des Verfassers einbezieht, soll hier versucht werden aufzuschlüsseln, wie durch Sprache gezielt Werte vermittelt und Bilder gezeichnet werden können. Die Differenzen in beiden Veröffentlichungsformen manifestieren sich in bestimmten Motiven und Termini, die zunächst herausgearbeitet und kontextualisiert werden. An dieser Stelle gilt es zu betonen, dass die folgende Analyse keine vollständige Gedichtinterpretation bieten will und daher Fragen nach Metrum, Klangfarbe etc. nicht behandelt. Wenn Klaj auf dem Flugblatt Friedens-Unterschreibung den Preis des Friedenszelts als immer „grün fort für fort“ beschreibt, spielt er damit auf die nun wiederkehrende Fruchtbarkeit an, mit der Wohlstand und Überfluss einhergehen und Hungersnot und Elend, hervorgerufen durch den Krieg, verschwinden. Der Frieden wird verknüpft mit der Idee vom ‚Grünen‘ und damit auch mit der Jahreszeit Frühling. Dieses Motiv ist leicht verständlich, für den Rezipienten persönlich erfahrbar und gibt eine Vorstellung von Frieden wieder, die an die Vorstellungen vom Paradies anknüpft. Diese Jahreszeitenmetaphorik kann man in Dichtungen zu Friedensschlüssen immer wieder finden, beispielsweise in Johann Feinlers Post-Reuter vom teutschen Frieden70 oder in Johann Rists Kriegs- und Friedensspiegel71. Dabei werden der Frieden mit dem Frühling und der Krieg mit dem Winter gleichgesetzt. Darin immanent sind die Vorstellungen von ausreichender Nahrung, der Wiederaufnahme der Landwirtschaft, der Regeneration der Natur und einer wiederkehrenden Wärme, die die Kälte und Unfruchtbarkeit des Krieges ablöst. Durch den Terminus „fort für fort“ wird eine Beständigkeit suggeriert, die Hoffnung gibt und gleichzeitig die Wünsche der Bevölkerung artikuliert. Faul-
69 Gerd Dethlefs: Friedensappelle und Friedensecho. Kunst und Literatur während der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden. Diss. Münster 1998. 70 Neuer Auß Münster vom 25. deß Weinmonats im Jahr 1648. abgefertigter Freud- und Friedenbringender Postreuter (1648) (wie Anm. 25). 71 Johann Rist: Kriegs und Friedens Spiegel. Das ist: Christliche/ Teutsche und wolgemeinte Erinnerung an alle Kriegs- und Frieden liebende Menschen/ insonderheit aber an sein vielgeliebtes Vater-Land Holstein: Worinnen die abschewliche grewel des blutigen Krieges/ denn auch die männigfaltige Süssigkeiten des güldenen Friedens … beschrieben. Hamburg 1640.
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stich verweist außerdem darauf, dass der Wunsch nach einem beständigen Frieden seitens der Poeten auch als die Sicherung ihrer eigenen Beschäftigung verstanden werden kann.72 Literatur und Kunst können sich vor allem in Friedenszeiten entfalten und aufblühen. Krieg hingegen führt zu einer differenzierten Fokussierung der gesamten Gesellschaft – die schönen Künste treten in den Hintergrund. Die entsprechende Passage in Geburtstag des Friedens lautet: „dein Preis/ du Friedenzelt wird allzeit wärhafft sein“.73 Hier wird zunächst doppelt auf die Beständigkeit hingewiesen, zum einen durch ‚allzeit‘, zum anderen durch ‚wärhafft‘. Was genau unter dem „Preis des Friedens“ zu verstehen ist, wird nicht explizit genannt. Auch werden keine anderen Informationen oder Assoziationen zur Friedenszeit gegeben. Weiter heißt es in der Dichtung des Einblattdrucks: „Die Städte Teutschen Reiches, die sind von Hertzen froh, deß teutschen Friedvergleiches.“74 Hier wird das Nationalgefühl der Rezipienten angesprochen, sowie eine Einigkeit, welche bereits während des Dreißigjährigen Krieges oft propagiert wurde und sowohl die ständischen als auch die konfessionellen Unterschiede zu überwinden versuchte. Die Einzelheiten der 1648 in Münster und Osnabrück ausgehandelten Verträge sollen hier nicht wiedergegeben werden, doch kann der Gedanke der Einheit auch auf Beschlüsse aus dem konkreten Vertragswerk bezogen werden.75 Man denke an die beschlossene Gleichstellung der katholischen, lutherischen und reformierten Kirche. Zudem, und das kann hier sicherlich für das vorrangige Verständnis der Zeitgenossen angenommen werden, verschwammen zur damaligen Zeit noch die Bedeutungsgrenzen zwischen ‚deutsch‘ und ‚kaiserlich‘.76 Die auftragsgebende Partei spielt hier also eine Rolle. Die Friedensfeste wurden primär aus dem Bedürfnis der Reichstädte heraus abgehalten, ihre Treue zum Kaiser unter Beweis zu stellen, so Claire Gantet.77 Auch die freie Reichsstadt Nürnberg galt als kaisertreu. Die vor allem regionale Verbreitung der Flugblätter unterstreicht die Kaisertreue der Stadt publizistisch.
72 Werner Faulstich: Medien zwischen Herrschaft und Revolte. Die Medienkultur der frühen Neuzeit (1400–1700). Göttingen 1998 (Die Geschichte der Medien, 3), S. 17 ff. 73 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 26. 74 Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12). 75 Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden. 2. Aufl. Münster 1965. 76 Vgl. Martin Wrede: Die ausgezeichnete Nation. Identitätsstiftung im Reich Leopolds I. in Zeiten von Türkenkrieg und Türkensieg, 1663–1699. In: Eckhard Leuschner u. a. (Hg.): Das Bild des Feindes. Konstruktion von Antagonismen und Kulturtransfer im Zeitalter der Türkenkriege; Ostmitteleuropa, Italien und Osmanisches Reich. Berlin 2013, S. 19–31, hier S. 26. 77 Vgl. Gantet, Friedensfeste (wie Anm. 68), S. 651.
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Der Ausdruck „teutsche[r] Kriegsvergleic[h]“ impliziert außerdem die Zuweisung einer Rolle des Kaisers, wie man sie auch auf anderen Einblattdrucken zum Hauptrezess findet.78 Er agiert als Vermittler zwischen den Kriegsparteien und somit als Wiederhersteller des Friedens. Diese Stelle verdeutlicht die Interessenvielfalt der Flugblätter. In erster Linie bestimmten, so Silvia Serena Tschopp, politische und konfessionelle Interessen den Inhalt der Veröffentlichungen.79 In dem Gedicht der Festbeschreibung heißt es an gleicher Stelle statt „teutscher“ „neuer Friedvergleich“80. ‚Neu‘ steht hier zunächst für eine Änderung der Lebensumstände, für eine Erneuerung des Alltags. Der neue Frieden impliziert eine noch nie da gewesene Form des friedlichen Lebens, die mit beliebigen Assoziationen verknüpft werden kann. Es werden keine konkreten Vorstellungen der zukünftigen Friedenszeit gegeben. Die Assoziationen werden allein dem Leser überlassen. Mit der Verwendung des Adjektivs ‚neu‘ wird außerdem keine politische Aussage getroffen, die sich auf die Verhandlungsparteien bezieht. Der Friedvergleich wird neutral bewertet, ohne Bezug auf Teilnehmer oder deren Rollen. Ein Grund dafür kann in der Verbreitung der Friedensdichtung im Gegensatz zu den Einblattdrucken gesehen werden. Während die Flugblätter vor allem die Bürger vor Ort informieren sollten, fanden die Gedichtbände als Erinnerungsorte eine weitere überregionale Verbreitung über den Zeitraum des Festes hinaus. Die politische Brisanz war also vor allem für die Flugblätter von Bedeutung. Die Betonung des ‚neuen‘ Friedvergleichs kann auch als eine Anspielung auf alte Friedensverträge verstanden werden, die hinfällig geworden sind. Die neue Form der Friedensschließung, der langwierige Verhandlungen vorangingen, an denen Vertreter aller Kriegsparteien teilnahmen, etablierte sich im siebzehnten Jahrhundert. Die neuen Verträge waren vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht auf militärischen Erfolgen basierten, sondern die Parteien den Ausgang des Krieges aushandelten. Der neue Friedensvertrag stützt sich also nicht auf eine alte Ordnung, was weitergedacht, zu der These Johannes Burkhardts führt, dass der Westfälische Frieden weniger ein Religionskrieg, als vielmehr ein Staatenbildungskrieg war.81 Neue politische Verhältnisse bildeten
78 Zu finden beispielsweise auf dem Flugblatt (Incipit): Abbildung deß hocherwünschten Teutschen Friedens (Nürnberg 1649). 79 Vgl. Silvia Serena Tschopp: Rhetorik des Bildes. Die kommunikative Funktion sprachlicher und graphischer Visualisierung in der Publizistik zur Zerstörung Magdeburgs im Jahr 1631. In: Johannes Burkhardt (Hg.): Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München 2005 (Historische Zeitschrift, Beiheft 41), S. 79–104, hier S. 83. 80 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 20. 81 Johannes Burkhardt: Konfessionsbildung und Staatsbildung. Konkurrierende Begründungen für die Bellizität Europas? In: Andreas Holzem (Hg.): Krieg und Christentum. Religiöse Gewalt
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sich aus, die auch in der Literatur und Kunst zur Kenntnis genommen und verarbeitet wurden. Daran anknüpfend beschreibt Klaj in der Dichtung Geburtstag des Friedens zum lustfreudigen Friedensfest in Nürnberg, die „neue Friedenszeit“, während er im Text des Einblattdruckes Friedens-Unterschreibung von der „frohen Friedenszeit“ spricht82. ‚Neu‘ erfährt hier wieder die gleiche Bedeutung wie bereits in dem vorhergehenden Beispiel ausführlich beschrieben. ‚Froh‘ hingegen stellt einen direkten Gefühlsausbruch dar, der, so ist zu vermuten, die allgemeine Stimmung im gesamten Reich und vor allem in der Austragungsstadt Nürnberg widerspiegelt.83 Wichtig ist bei diesem Ausdruck auch der Kontext: „Die Sonnen dieser Erde hebt auf den alten Streit/ | fahrt auf und unterschreibt die neue [bzw.] frohe Friedenszeit.“84 Der „alte Streit“ spielt auf die alte Rivalität zwischen den Mächten in Europa an. Der universelle Machtanspruch, welcher in der Frühen Neuzeit als politisches Endziel der einzelnen Potentaten mitgedacht wurde, sollte durch den Westfälischen Frieden überwunden werden. Klaj ruft hier auch in seiner Rolle als Poet auf, den Krieg endgültig zu beenden und den ausgehandelten Vertrag zu unterschreiben. Die Friedenssehnsucht im Reich war nach dreißig Jahren Krieg allgemeiner Konsens. Die „Sonnen dieser Erde“ meint die drei Herrscher der Hauptverhandlungspartner: Kaiser Ferdinand III., Königin Christina von Schweden und Ludwig XIV. von Frankreich. Im Kontext des gesamten Satzes steht ‚neu‘ also vor allem für die neue politische Art der Verhandlung, wohingegen ‚froh‘ ausschließlich als Gefühl beschrieben werden kann, welches die Rezipienten direkt anspricht, da es versucht ihre Gefühlswelt aufzugreifen. Das nächste Beispiel folgt einer religiösen Interpretation. „Die Thore sind bekränzt/ auf deren obern [bzw.] grünen Schwellen | Gerechtigkeit und Fried im
theorien in der Kriegserfahrung des Westens. Paderborn 2009 (Krieg in der Geschichte, 50), S. 527–552. 82 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 17, sowie Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12). 83 Vgl.: Bernd Roeck: Die Feier des Friedens. In: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. München 1998 (Historische Zeitschrift, Beiheft NF 26), S. 633–660, hier S. 642, sowie Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 11), S. 347–358. Insgesamt wurden für das Reich 83 Friedensfeiern im Jahr 1650 gezählt, wobei Nürnberg als Ausrichtungsort der Verhandlungen als Zentrum der Feierlichkeiten fungierte. Die Feierlichkeiten in Nürnberg waren Teil einer publizistischen Veröffentlichungswelle im Zuge des Westfälischen Friedens und dem Exekutionstag. Die verschiedenen Feierlichkeiten in Nürnberg wurden auch im Theatrum Europaeum überliefert. 84 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 16 f., sowie Klaj, Friedens-Unterschreibung (wie Anm. 12).
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Friede sich gesellen.“85 Zunächst die Erläuterung des Kontextes: Klaj beschreibt hier, sowohl auf dem Flugblatt Tempel des Friedens als auch in Geburtstag des Friedens den Eingang zum Festzelt über den ein Figurenensemble angebracht wurde, das Gerechtigkeit und Frieden nach Ps 85,11 darstellt. Die Beschreibung Klajs deckt sich mit der Beschreibung der Hütte im Theatrum Europaeum. Dort heißt es: „[…] von grünen Zweigen und Laubwerck eine sehr lustige Hütten zu bereiten […]“86. Im Kontext wird deutlich, dass die Variation des Adjektivs von „obern“ im Gedicht der Festbeschreibung zu „grünen Schwellen“ im Text des Flugblatts eine große Bedeutungsänderung mit sich bringt. Letztere vermitteln das Bild von Fruchtbarkeit, von Natur und Leben, womit Wohlstand und im besten Fall Überfluss einhergehen. Nach dem Hunger und Notstand der Kriegszeit wünschten die Menschen nichts sehnlicher als wieder ausreichend Nahrung zu haben. Hunger und Krankheit waren die häufigsten Ursachen für die hohe Zahl der Todesopfer im Dreißigjährigen Krieg.87 Das gesamte Zelt war also mit Blumen und Zweigen geschmückt. Die graphische Darstellung auf dem illustrierten Einblattdruck stellt dies deutlich dar. Der Text unterstützt an dieser Stelle das Bild, indem es durch die detaillierte Beschreibung eine höhere Anschaulichkeit gewährleistet. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die graphischen Darstellungen nicht, wie landläufig behauptet, dem analphabetischen Bevölkerungsteil als Verständigungshilfe galt. Alfred Messerli argumentiert in seinem Aufsatz War das illustrierte Flugblatt ein Massenlesestoff entschieden dagegen.88 Dabei bezieht er sich auf Rudolf Schenda. So stellt Schenda die allgemeine Behauptung, dass Bilder ein Schriftersatz gewesen wären, in Frage, wobei er das „Lesen von Bildern“ als mehrstufigen Dekodierungsakt betrachtet, der sowohl technische Fähigkeiten als auch kulturelle Praktiken voraussetzt.89 Die Bilder fungierten eher als Lesestimulus, als eine Lesemotivation und Einstimmung auf den Text. „Das Bild unterstützte die Lektüre dadurch, dass es den Lesenden einen virtuellen, fingierten Kontext bereitstellte, an dem sie sich jeweils über das bereits Gelesene vergewissern konnten.“90
85 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 35. Sowie Klaj, Tempel des Friedens (wie Anm. 12). 86 Theatrum Europaeum, Bd. 6. 87 Siehe dazu Günther Franz: Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk. Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Agrargeschichte. 4. Aufl. Stuttgart 1979 (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, 7). 88 Messerli, Flugblatt (wie Anm. 67). 89 Vgl. ebd., S. 25. 90 Messerli, Flugblatt (wie Anm. 67), S. 28.
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Wenn Klaj von den „oberen Schwellen“ an gleicher Stelle in Geburtstag des Friedens spricht, liegt eine religiöse Deutung nahe. Die Schwelle kann hier als Himmelstor verstanden werden. Die Gleichsetzung mit dem Himmel vermittelt, dass Frieden und Gerechtigkeit (die auf der Schwelle zu finden sind) nur durch die Gnade Gottes wieder Einzug in das Reich halten können. Diese Stelle verdeutlicht beispielhaft die Hauptaufgabe der illustrierten Flugblätter: Sozialdisziplinierung und Stärkung der Religion.91 Wobei die Flugblätter zum Nürnberger Exekutionstag eine Ausnahme bezüglich der innerkonfessionellen Trennlinie im Reich darstellen. Aufgrund der Paritätsbestimmungen im Westfälischen Friedensvertrag werden konfessionelle Unterschiede in den Flugblättern nicht angesprochen. Vielmehr wird die wiederhergestellte Einheit innerhalb des deutschen Christentums betont. Doch die Bestätigung des Glaubens ist offensiv. Der Friede war nur durch Gottes Gnade möglich. Diese Überzeugung wird in nahezu allen Dichtungen zum Westfälischen Frieden und den Exekutionstag in Nürnberg vermittelt. Erscheint es zunächst so, als würde Klaj an dieser Stelle nur das Geschehene beschreiben, zeigt die Analyse hier letztendlich einen Unterschied, der sich religiös begründen lässt und sicherlich die Überzeugung des Theologen Klajs widerspiegelt. Ein weiteres Beispiel bezieht sich direkt auf die politischen Akteure der Verhandlungen. „Die Friedenshelden nun zum unterschreiben kommen“ steht auf dem Flugblatt Freuden-Fest.92 Als die ‚Helden‘ können in diesem Fall sowohl die herrschenden Potentaten, als auch die Gesandten interpretiert werden. Letztere Deutung scheint im Kontext jedoch wahrscheinlicher. Durch die konkrete Bezeichnung ‚Friedenshelden‘ wird ihre Rolle bei den Verhandlungen hervorgehoben. Die Gesandten verhandelten die einzelnen Punkte der Vertragswerke aus und waren dadurch direkt für den erfolgreichen Abschluss verantwortlich. Die jeweiligen Potentaten wurden zwar über alle Entwicklungsstände in Kenntnis gesetzt und verfügten auch über die einzelnen Forderungen und Bestimmungen, doch waren es die Gesandten, die durch diplomatisches Geschick das Zustandekommen der beiden Rezesse ermöglichten. Da sie außerdem in Nürnberg verweilten, kann davon ausgegangen werden, dass Klaj auf dem Flugblatt die Gesandtschaften ansprach, da sie für den Rezipienten durch ihre physische Anwesenheit die Hauptakteure darstellten. Die Einwohner der Stadt Nürnberg wurden durch den Prunk und die ständigen Feierlichkeiten, die die Residenz der Gesandten mit
91 Vgl. Jörn Robert Westphal: Die Darstellung von Unrecht in Flugblättern der Frühen Neuzeit. Mönchengladbach 2008 (Studien zur Kultur- und Rechtsgeschichte, 4), S. 102. 92 Klaj, Freuden-Fest (wie Anm. 12).
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sich brachten, in den Prozess eingebunden. Die Verhandlungen waren auf einer Art „greifbar“. Auch die Umformulierung dieser Textstelle in Geburtstag des Friedens spricht dafür, dass auf dem Einblattdruck die Gesandten gemeint sind. So heißt es in der Dichtung des gedruckten Gesamtwerks: „Die Sonnen dieser Welt zum unterschreiben kommen.“93 Die Bezeichnung „Sonnen dieser Welt“ verweist auf die Stellung der Herrschenden im allgemein politischen Gefüge und weniger auf die Rolle bei den Friedensverhandlungen. Folglich werden hier die Herrscher und nicht ihre Vertreter, die Gesandten, benannt. Den Kaiser und andere herrschende Monarchen und Monarchinnen die höchste Stelle im Gefüge der politischen Welt zuzuweisen, ist typisch für das siebzehnte Jahrhundert. Über ihnen steht nur noch Gott, mit dessen Hilfe sie regieren. Als die Unterzeichnung der Verträge bevorstand, fuhren „die Wagen auf Reiches Burg mit längst begehrten Lauf“. So wird im Text auf dem Flugblatt Freuden-Fest die Unterzeichnung des Hauptrezesses beschrieben. Hier wird die Sehnsucht der Bevölkerung deutlich, endlich den Abschluss der Verhandlungen zu erleben und den Frieden endgültig zu feiern. Die Stelle in Geburtstag des Friedens scheint nicht so sehr von Optimismus geprägt zu sein, denn dort heißt es, dass „die Wagen auf zu des Reiches Burg mit friedgesinnten Lauf“ fahren.94 Der „friedgesinnte Lauf“ lässt eher auf eine Absicht schließen, denn auf eine beschlossene Sache, während die Phrase auf dem Flugblatt eher die Erleichterung beschreibt, endlich den abschließenden Akt der Unterzeichnung zu erleben. Die Beschreibung der Stelle in der Friedensdichtung kann mit ihrer Aufgabe als Erinnerungsschrift und Gesamtdarstellung erklärt werden, wohingegen der Einblattdruck aufgrund seiner Aktualität95 auf die zeitgenössische Stimmung reagiert.
4 Zusammenfassung Der Vergleich hat gezeigt, dass unterschiedliche Sprachcodes genutzt wurden, um das Textverständnis zu ändern. Nur wenige Stellen sind wortwörtlich in beiden Medien zu finden. Eine Begründung für die aufgezeigten Differenzen könnte, wie bereits mehrmals schon angesprochen, die Verbreitung der beiden Medien
93 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 17. 94 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 17. 95 Ulrich Rosseaux spricht in diesem Zusammenhang von einer „kompakten Aktualität“. Vgl. Ulrich Rosseaux: Flugschriften und Flugblätter im Mediensystem des Alten Reiches. In: Johannes Arndt / Esther-Beate Körber (Hg.): Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit (1600– 1750). Göttingen 2010 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft Abteilung für Universalgeschichte, 75), S. 99–114, hier 113 f.
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sein. Es wird vor allem deutlich, dass die Dichtung Geburtstag des Friedens für eine überregionale Leserschaft bestimmt war, da hier verwendete Bilder allgemeiner zu interpretieren sind. Auch der Adressatenkreis muss beachtet werden. Genaue Angaben zu den Adressaten oder Rezipienten von frühneuzeitlichen Publikationen sind jedoch rar und so lassen sich auch hier, mit den Informationen zur Verbreitung der Einblattdrucke und der Friedensdichtung, nur vage Schlüsse ziehen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts war das Bedürfnis regelmäßiger Information in allen Kreisen der Bevölkerung angestiegen. Ereignisse wie die Reformation hatten eine Fülle von theologischen und politischen Flugschriften und ‚Newen Zeitungen‘ hervorgebracht. Der Buchdruck erleichterte ihre Herstellung und garantierte eine Aktualität, die eine vollkommen neue „Dimension der Öffentlichkeit politischer Ereignisse“ hervorbrachte. Nach Andreas Gestrich wurde hier erstmals eine Öffentlichkeit greifbar, die durch Medien koordiniert und als soziale Handlungseinheit wahrgenommen wurde. Es ist davon auszugehen, dass die Flugblätter einen größeren Rezipientenkreis erreichten als die Gedichtbände. Ulrich Rosseaux geht von einer durchschnittlichen Auflagenhöhe von 1000 bis 1500 Stück aus. Die Flugblätter wurden im Allgemeinen vorgelesen, angeschlagen und so einer noch breiten Öffentlichkeit96 zugänglich gemacht. Die vorliegenden Flugblätter weisen allerdings qualitativ hochwertige Darstellungen und mit den Dichtungen komplexe Texte auf, die die Vermutung nahelegen, dass die Blätter als Wandschmuck in Wirtschaften und Privathäusern ausgehängt wurden.97 Die Friedensfeierlichkeiten werden in diesem Kontext als politische Demonstrationen verstanden, die durch Medien und Rituale politische Ergebnisse in der
96 Öffentlichkeit wird im vorliegenden Zusammenhang nach Metzdorf als politische Öffentlichkeit verstanden, die alle politisch bewussten Kreise einschließt (siehe dazu Jens Metzdorf: Politik – Propaganda – Patronage. Francis Hare und die englische Publizistik im Spanischen Erbfolgekrieg. Mainz 2000, S. 4). Der Begriff der Öffentlichkeit wurde in der Geschichtswissenschaft nach Habermas’ „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ vielfach diskutiert. Heute stehen HistorikerInnen der Theorie des Soziologen kritisch gegenüber. Er konstituiert eine bürgerliche Öffentlichkeit erst seit dem 18. Jahrhundert und koppelt ihre Entstehung an ökonomische Entwicklungen. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass – auch wenn der Begriff ‚Öffentlichkeit‘ ein Produkt des 18. Jahrhunderts ist – das Phänomen einer Öffentlichkeit bis weit in die Antike reicht. Hier soll nur auf die wichtigsten Abhandlungen verwiesen werden, die dem Verständnis von Öffentlichkeit bei diesem Aufsatz zu Grunde liegen: Lucian Hölscher: Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit. Stuttgart 1979 (Sprache und Geschichte, 4) sowie Andreas Gestrich: Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1994 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 103). 97 Vgl. Schilling, Bildpublizistik (wie Anm. 17), S. 40 f., sowie S. 305 f.
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Gesellschaft festigen sollten.98 Die Feste stellen dabei eine Ausnahmesituation dar, die durch ein stärkeres Interesse der Bevölkerung dazu führten, dass die „politisch bewussten Kreise“, die Metzdorf beschreibt, sich ausweiteten. Dabei muss zwischen zwei Gruppen unterschieden werden: diejenigen Rezipienten der tatsächlichen Flugblätter und diejenigen, die die Inhalte der Blätter erfahren. Man könnte letztere Gruppe als ‚erweitere Öffentlichkeit‘ beschreiben. Während die Gedichte in Geburtstag des Friedens das ganze Spektakel darstellen und chronologisch zusammenhängend beschreiben, geben die Flugblätter nur Momentaufnahmen wieder. Dadurch konnten sie leichter eine Partei vertreten. Die illustrierten Einblattdrucke fungierten also als Informationsquelle und Politikum, während sich die Dichtung Geburtstag des Friedens als Erinnerungsort verstand. Diese Rolle weist Klaj dem Werk selber zu, wenn er schreibt: Der Held ein Held verbleibt/ Den der Poeten Schrifften ein ehrnes Denkmal stifften/ Der Ewigkeit verbleibt.“99
Insbesondere die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Pegnitzschäfern und Nürnberger Verlegern sorgte für den Erfolg der Friedensdichtungen, bereits unmittelbar nach den Festereignissen. Johann Klaj arbeitete hierfür mit dem Verleger Paulus Fürst zusammen, wohingegen Sigmund von Birken Arbeiten für Wolfgang Endter d. Ä. anfertigte. Die intensive Betrachtung der Blätter aus dem Verlag Fürst in Gegenüberstellung etwa zu Endter hat gezeigt, wie sich das besondere Erfolgskonzept der qualitativ hochwertigen Flugblätter von der einer weiterhin am Format des Buchdrucks festhaltenden Offizin unterschied. Neben der Verwendung klassischer Friedenstopoi entwickelte Klaj neue Motive, die unter dem Eindruck frühneuzeitlicher Diplomatie und den Beiträgen der Pegnitzschäfer zu den Friedensfeierlichkeiten entstanden. Fotonachweise: Abb. 1, 2, 3, 6, 7: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Georg Janßen. Abb. 4: LWL-Museum für Kunst und Kultur Münster, Sabine Ahlbrand-Dornsteif. Abb. 8: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Monika Runge.
98 Siehe dazu auch Gestrich, Absolutismus (wie Anm. 20), S. 176. Feierlichkeiten ohne Öffentlichkeit sind sinnlos, da sich erst durch ihre Außenwirkung ihre Berechtigung ergibt. 99 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 34), S. 44.
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Emblematik als Friedensinstrument: Johann Klajs Friedensdichtungen „Komm Fried ich singe dich und deine schöne Gaben […]“: So beginnt Johann Klajs poetische Beschreibung der Festivitäten anlässlich des Nürnberger Friedensexekutionstags in seinem Warhaffter Verlauff/ was sich bey geschlossenem und unterschriebenen Frieden zu Nürnberg auf der Burg begeben Den 16./26. Junii/ im Jahr 1650.1 Die Gaben des Friedens sind mannigfaltig: Sicherheit, Leben in der Gemeinschaft, Gesundheit, eine gesicherte Lebensbasis sowie Kultur, Kunst, Musik und Dichtung. Zu diesen Kunstprodukten gehören auch Embleme, jene bimedialen Kompositionen aus Text und Bild, die auf kompakte Art und Weise Wissen vermitteln. Darüber hinaus signalisiert und unterstützt die Emblematik intellektuelle und soziale Gruppenbildungen. Bei den Friedensfesten in Nürnberg haben die Dichter, vor allem die Mitglieder des neugegründeten Pegnesischen Blumenordens, die für die Gestaltung der Feste verantwortlich waren, auf die Emblematik zurückgegriffen, um den Frieden zu steuern.2 Mein Ziel ist es zu zeigen, dass Kunst und Dichtung nicht nur Produkte des Friedens sind, sondern auch dazu beitragen, den Frieden herbeizuführen. Die Emblematik hat im Kontext von Krieg und Frieden eine soziale und politische Funktion: erstens die neue friedliche Weltordnung zu artikulieren und überhaupt vorstellbar zu machen, und zweitens die Gruppenbildung der Gesandten um ein gemeinsames, überregionales politisches Wertesystem mit dem Frieden im Mittelpunkt einzuschwören. Die zentrale Rolle der Emblematik bei den Friedensfesten wird exemplarisch an den Emblemen zu den zwei sogenannten Schaugerichten bei dem 1649 abgehaltenen Schwedischen Friedensbankett im Großen Saal des Nürnberger Rathauses untersucht. Beginnend mit einer Diskussion der Rathausembleme und der Emblematik in Nürnberg, einschließlich Johann Klajs Beschreibung der Embleme
1 Johann Klaj: Warhaffter Verlauff/ was sich bey geschlossenem und unterschriebenen Frieden zu Nürnberg auf der Burg begeben Den 16/26 Junii/ im Jahr 1650. Nürnberg [1650], fol. A4v. Dieser seltene Druck befindet sich in der Herzog August Bibliothek (HAB) unter der Signatur Xb 9366. Es handelt sich um die 2. Ausgabe, ehemals aus der Bibliothek Slott Ericsberg, Schweden. Zu Klajs Bibliographie ist immer noch ausschlaggebend Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Zweite, verbesserte und wesentlich vermehrte Auflage des Bibliographischen Handbuches der Barockliteratur. 6 Tle. Stuttgart 1990–1993, hier Bd. IV, 1991, S. 2351–2372. 2 Zur Wirksamkeit der Bilder siehe David Friedberg: The Power of Images. Studies in the History and Theory of Response. Chicago 1989, v. a. die Einleitung, S. 1–26.
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für die Tischdekorationen beim Friedensmahl in seiner Irene/ das ist/ vollständige Außbildung Des zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650, wird die Geschichte der politischen Embleme in Nürnberg im Kontext umrissen und analysiert. Zudem wird ihre praktische Bedeutung für den Friedensdiskurs belegt.3
Die Ausmalung des Großen Saals im alten Nürnberger Rathaus Das Schwedische „Fried-und Freudenmal“4 wurde im Herbst 1649 im Großen Saal des Nürnberger Rathauses gehalten. (Abb. 1) Der Große Saal im heutigen ‚alten Rathaus‘ diente der Stadt Nürnberg immer als wichtigster Ort für juristische und politische Diskussionen und Entscheidungen. Die damalige politische Bedeutung der Stadt wird durch die Kaiserbesuche und Reichstage wie auch die jahrhundertlange Aufbewahrung der Reichskleinodien in Nürnberg unterstrichen. Die deutschen Kaiser besuchten Nürnberg in Angelegenheiten des Reiches und in der Frühen Neuzeit haben die Kaiser Karl V., Maximilian II. und Matthias die Freie Reichsstadt persönlich besucht. Der Große Saal hatte also wichtige reichs- wie auch stadtpolitische Funktionen. Die Wandbemalung des Saals wurde von Albrecht Dürer und dem Humanisten Willibald Pirckheimer im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts gemeinsam entworfen.5 Den Kern der Ausmalung bildeten an der Nordwand der allegorische Triumphzug Kaiser Maximilians (Abb. 2), eine Darstellung der Verleumdung Apelles sowie Allegorien der Kardinaltugenden und an der schmalen Westwand
3 Johann Klaj: Irene, das ist/ Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650: Mit vielen feyrlichen Begengnissen/ Gastmalen/ Feuerwercken/ Musicen/ und andern denckwirdigen Begebenheiten/ nach Poetischer Reimrichtgkeit/ vorgestellet und mit nohtwendigen Kupferstücken gezieret/ durch Johann Klai/ dieser Zeit Pfarrhern der evangelischen Gemeine zu Kitzingen und gekrönten Kaiserl. Poeten. Nürnberg 1651. Siehe http://diglib.hab.de/drucke/ 65-15-poet-1/start.htm. Siehe auch Conrad Wiedemann: Johann Klaj. Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Tübingen 1968. 4 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 32–70. 5 Matthias Mende: Das alte Nürnberger Rathaus. Ausstellungskatalog. Nürnberg 1979, S. 12–13. Die Beschreibung des Großen Saals in diesem Absatz basiert auf Mende. Siehe auch Carsten-Peter Warncke: Dürers größtes Werk. Zur Geschichte und Ikonologie der Ausmalung des großen Nürnberger Rathaussaales. Ein Stiefkind der Forschung. In: Thomas Schauerte (Hg.): Dürer und das Nürnberger Rathaus. Petersberg 2013, S. 30–50 sowie Susan Tipton: Res Publica Bene Ordinata. Regentenspiegel und Bilder vom guten Regiment. Rathausdekoration in der Frühen Neuzeit. Hildesheim 1996, S. 370–384.
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Abb. 1: Schwedisches Friedensbankett. In: Johann Klaj: Irene/ das ist/ vollständige Außbildung Des zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650. Nürnberg 1651. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, http://diglib.hab.de/drucke/65-15-poet-1/start.htm
eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Die Südwand wies Rundbilder mit Szenen aus der klassischen Antike und Porträts auf. Sie waren von Spitzbogenfenstern durchbrochen, deren Nischen später auch bemalt wurden. Im Jahr 1613 wurde die Saalbemalung überarbeitet und zu diesem Zeitpunkt entstand das emblematische Programm für die Fensternischen der Südwand.6 (Abb. 3) Die 32 Embleme waren paarweise in den 16 Fensterbögen organisiert und betreffen ausnahmslos Themen der guten Regierung und Gerechtigkeit, vor allem die Notwendigkeit des Friedens. Jene von Albrecht Dürer und Willibald Pirckheimer entworfenen Allegorien bildeten einen gemalten Regentenspiegel, der am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs um die politischen Embleme bereichert wurde. Zu den klassischen Topoi kamen die innovativen textuellen und visuellen Kombinationen der Embleme hinzu, die die gemeinschaftlichen ethischen Normen Nürnbergs visualisierten und sprachlich formten, so dass die reichstädtischen Tugenden einen modernen Ausdruck im Kontext des schon fast hundert Jahre alten humanistischen Bilderprogramms des Saals bekamen.
6 Mende, Das alte Nürnberger Rathaus (wie Anm. 5), S. 88–95.
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Abb. 2: Albrecht Dürer / Willibald Pirckheimer: Triumphzug Kaiser Maximilians I. Nürnberg, Altes Rathaus, Großer Saal. Aufnahme Müller und Sohn 1943/44. Copyright Foto Marburg & Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, München. http://www.zi.fotothek.org/objekte/19004210
Der Kupferstecher und Verleger Peter Isselburg (um 1568/1580–1630) hat die 32 Embleme der Fensternischen gestochen und in einem Buch veröffentlicht: Emblemata Politica: in aula magna Curiæ Noribergensis depicta. Quæ sacra Virtutum suggerunt Monita Prvdenter administrandi fortiterque defendendi Rempublicam [Politische Sinnbilder: abgebildet im Großen Saal des Nürnberger Rathauses. Sie legen uns die heiligen Mahnungen der Tugenden zur klugen Verwaltung und tapferen Verteidigung der Stadt ans Herz].7 (Abb. 4) In seiner Zueignung schreibt Isselburg, dass er nicht habe ruhen können, bis er die schönen Embleme gestochen und einem breiten Publikum in seinem Buch mitgeteilt habe.8
7 Peter Issselburg: Emblemata Politica […]. Nürnberg 1617. Für die Übersetzung des lateinischen Titels möchte ich Herrn Dr. Thomas Stäcker, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, danken. Siehe die Erstausgabe dieses Buchs (1617) in Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/book/emblematapolitic00isel. 8 Isselburg, Emblemata Politica (wie Anm. 7). Aus der Widmung: „En testis hujus re locu plentissimus Aula splendissima et veré Magnifica Curæ vestra Emblematum significantissimorum varietate et pulchritudine […] in parietibus et fornicibus exornata & distincta quæ picturæ elegantia oculos sententiarum autem suavitate & gravitate animum oblectare & erudire. Ad haec clarissimum testimonium dare possunt Sapientiæ & Prudentiæ vestra, quæ sine suco et ambitione dico,
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Abb. 3: Emblempaar Fensternische. Nürnberg, Altes Rathaus, Großer Saal. Aufnahme Müller und Sohn 1943/44. Copyright Foto Marburg & Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, München. http://digilib.zikg.eu/digilib.html?fn=19004212/ZI2490_0058&mo=
Die Embleme des Großen Saals wurden von dem Nürnberger Juristen Georg Rem (1561–1625) entworfen.9 Während er bislang ‚nur‘ als der Autor der Epigramme wahrgenommen wurde,10 sprechen seine polyhistorische Ausbildung, seine Nähe zur Nürnberger Universität Altdorf, seine philologischen Forschungen und seine juristische Karriere für Rem auch als ‚Inventor‘ des emblematischen Programms im Großen Saal des Nürnberger Rathauses.11 Die im siebzehnten Jahrhundert erfolgte
in orbe diditasque Eoo didita & Hesperio est. Quæ emblemata mihi ita arriserrunt, ut quiescere non potuerim, quin ea, vestra tamen indultu & permissu æri insculperem atqua ita publici juris facerem & cum pluribus comminicarem.“ 9 Wolfgang Harms: Einleitung. In: Peter Isselburg / Georg Rem: Emblemata Politica […]. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1640. Hg. von Wolfgang Harms. Bern, Frankfurt/M. 1982, S. *10–*14. 10 Karl Heinz Schreyl: Emblemata Politica. Die Sinnbilder im Nürnberger Rathaussaal. Nürnberg 1980, S. 74. 11 Mara R. Wade: Emblemata Politica in Context: Georg Rem’s Manuscript at the Newberry Library. In: Emblematica. Essays in Word and Image 1 (2017), S. 227–234. Eine längere Studie zu dieser Handschrift ist aufgrund neuer Quellenfunde in Vorbereitung.
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Abb. 4: Peter Isselburg / Georg Rem: Emblemata Politica … Nürnberg 1617, Titelblatt. Emblematica Online, University of Illinois. http://emblematica.library.illinois.edu/detail/book/ emblematapolitic00isel
Integration der Embleme in das von Dürer und Pirckheimer konzipierte künstlerische Programm des Saals wird zudem durch eine neuentdeckte Handschrift der Rathausembleme belegt, die sich heute in der Newberry Library, Chicago, befindet.12
12 Diese Handschrift bildet den Kern einer längeren Studie zur Nürnberger Rathausemblematik, die vorbereitet wird. Nach Mende waren die zwei Ratsherren und Baumeister Georg Volckamer
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Nach dem Dreißigjährigen Krieg diente der Große Saal als Veranstaltungsort für die weiteren in Nürnberg abgehaltenen Friedensverhandlungen wie auch für das sogenannte Schwedische Friedensmahl, ein von Pfalzgraf Carl Gustav bei Rhein (1622–1660), dem späteren König Karl X. von Schweden, veranstaltetes Bankett, mit dem die Unterzeichnung des ersten Rezesses im September 1649 gefeiert wurde. Die Vertreter der kaiserlichen, schwedischen und französischen Krone wurden von einer gemalten allegorischen und emblematischen Welt umgeben, die auf vielfältige Weise Themen der guten Regierung und des Friedens zum Ausdruck brachte. Die Embleme aus der unmittelbaren Vorkriegszeit hatten an ihrer Aktualität nichts verloren. Im Gegenteil bot dieses Emblemprogramm doch maßgebliche Richtlinien zur Wiederherstellung des ‚guten Regiments‘. Das emblematische Programm im Großen Saal des Nürnberger Rathauses wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.13
Nürnberg als Friedensstätte Der am 15. bzw. 24. Oktober 1648 geschlossene Frieden von Münster und Osnabrück, der dem Dreißigjährigen Krieg ein Ende setzte, war streng genommen ein Waffenstillstandsvertrag, während die konkreten und langwierigen Verhandlungen einer Friedensordnung noch stattfinden mussten. Die beteiligten Parteien hatten sich geeinigt, in einem separaten Friedensexekutionskongress die Demobilisierung der Armeen wie auch andere Fragen auszuhandeln. Als Ort dieser außerordentlich wichtigen Arbeit wurde die Reichsstadt Nürnberg gewählt. Die Verhandlungen fanden vom April 1649 bis Juli 1650 statt und wurden in zwei Rezessen zusammengefasst. Der erste sogenannte Interims-Rezess wurde im September 1649 und der zweite, der sogenannte Reichs-Friedens-Rezess, im Juli 1650 unterschrieben; beide zielten vor allem auf die beim Waffenstillstand noch offen gebliebenen Fragen zur Abrüstung und Auflösung der Truppen, zu Finanzfragen und Restitutionen. Der Weg zum endgültigen Friedensschluss war nicht einfach und die Verhandlungen drohten immer wieder zu scheitern.14 Die offengebliebenen Fragen
und Andreas Imhof die Autoren der Embleme. Siehe Mende, Das alte Nürnberger Rathaus (wie Anm. 5), S. 94. Die neuentdeckte Handschrift wie auch anderes Material erlauben auch eine andere Interpretation. Siehe https://www.newberry.org/emblematic-lost-art-nurnberg. 13 Mende, Das alte Nürnberger Rathaus (wie Anm. 5), S. 98; Schauerte, Dürer und das Nürnberger Rathaus (wie Anm. 5). 14 Siehe Hartmut Laufhütte: Das Friedensfest in Nürnberg 1650. In: Klaus Bußmann / Heinz Schilling (Hg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa. Bd. II. Münster 1998, S. 347–357. Online-Ausgabe: http://www.westfaelische-geschichte.de/tex493.
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Abb. 5: Nürnberger Stadtansicht, Holzschnitt. In: Schedelsche Weltchronik, Nürnberg 31 Dez. 1492, fol. 99v–100r. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nuremberg_chronicles_-_Nuremberga.png
verlangten Diplomatie, guten Willen und gesunden Menschverstand, um den noch fragilen Frieden zu bewahren. Der Holzschnitt der Stadt Nürnberg aus Schedels Weltchronik aus dem Jahr 1493, in der das Bild eine ganze Doppelfolioseite einnimmt, stellt die Freie Reichstadt Nürnberg – mit leicht zu identifizierender Burg, Kirchtürmen und Stadtmauern – als Gipfel der deutschen Kultur und des Handels dar. (Abb. 5) Nürnberg verkörperte in seiner Blütezeit während des ganzen 16. Jahrhunderts den Frieden und das Gemeinwohl,15 und auch in der Ikonographie der Friedensfeierlichkeiten wird die Reichsstadt als Burg des Friedens thematisiert. Die Reichsstadt wird zweimal in den Emblemata Politica abgebildet. Die Titelvignette zeigt ein Porträt der Stadt Nürnberg, das dann emblematisch in Emblem 24 ausgewertet wird. Der ikonographischen und politischen Bedeutung der Freien Reichsstadt wird dadurch besonderer Wert verliehen. Auch in Klajs Friedensdichtungen wird Nürnberg als Stätte des Friedens immer wieder gelobt: „Es liegt in
15 Für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg siehe Doris Gerstl (Hg.): Von teutscher Not zur höfischen Pracht 1648–1701. Ausstellungskatalog. Nürnberg 1998.
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Nordgauland […] ein treflich schöner Ort/ der Friedensgöttin Stadt […]“16. Klaj nennt nicht nur die Stadt, sondern auch den genauen Ort in dieser Stadt: „Gustav Carl/ Grav der Pfaltz den Norden hergesandt/ zu stillen Stadt und Dorf […]. Der hielt ein Friedenmal in einer Frieden-Stadt/ auf einem Frieden-Saal“.17 Die Verortung des Friedensbanketts im Großen Saal des Nürnberger Rathauses ist ein wesentliches Argument der Friedensdiskurse. Der historisch bedeutende Ort der politischen Verhandlungen verspricht Gerechtigkeit, gute Entscheidungen und Arbeit für das Gemeinwohl. Nürnbergs besondere Rolle als Ort des Friedens wird immer wieder betont, wie z. B. auch in Klajs anfangs zitiertem Warhaffter Verlauff:
[…] Der Friede kommt herab von Nerons vesten Bogen durch milden Himmel-Schluß in Teutschland eingezogen mit fester Unterschrifft/ errettet von dem Streit zwar Nürnberg/ doch zugleich gantz Teutschland weit und breit.18
Klaj verortet den ‚deutschen‘ Frieden in Nürnberg. Während der Friedens-Rezesse in Nürnberg vermittelten die zahlreichen bei den Festen verwendeten Embleme Werte und Normen, die in den dauerhaften Frieden leiten und ihn sichern sollten. Dadurch gewann die Emblematik eine lebensweltliche Signifikanz, die weit über eine rein dekorative Funktion hinausging. Als der Friedensexekutionstag nach Nürnberg berufen wurde, wurden diese politischen Tugenden wieder aktuell gemacht. Der schwierige Weg zur Unterzeichnung des ersten Friedensrezesses wurde am 25. September / 5. Oktober 1649 mit dem sogenannten Schwedischen Friedensmahl gefeiert, das in vielen damaligen Publikationen bis ins Detail beschrieben wurde, auch in Johann Klajs Irene, das ist/ vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650. Aber nicht nur Klaj, sondern auch weitere Dichter des Pegnesischen Blumenordens, neben Klaj vor allem Georg Philipp Harsdörffer und Sigmund von Birken, die die damalige literarische Avantgarde bildeten, suchten mit Publikationen die Feste zu steuern. Birkens Festdichtungen vertraten fast ausschließlich die kaiserliche Perspektive,19 Harsdörffers und Klajs repräsentierten die schwedische.20 Anhand von Klajs Irene mit der Beschreibung des Schwedischen Friedensmahls wird
16 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 14. 17 Ebd., S. 33. 18 Klaj, Warhaffter Verlauff (wie Anm. 1), fol. A2v. 19 Dünnhaupt, Personalbibliographien I (wie Anm. 1), S. 582–671 (Birken). 20 Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 14). Siehe auch Hedwig Bramenkamp: Krieg und Frieden in Harsdörffers „Frauenzimmer Gesprächspielen“ und bei den Nürnberger Friedensfeiern 1649 und 1650. München 22009, S. 205–247. Siehe auch Dünnhaupt, Personalbibliographien III (wie Anm. 1), S. 1969–2031 (Harsdörffer).
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im Folgenden gezeigt, wie die Nürnberger Dichter die Embleme in Friedensinstrumente wandelten.
Nürnberg und die Emblematik Die Führungsschichten kannten die Gattung Emblem als sinnbildlichen Bestandteil ihrer „social imaginary“, d.i. „the set of values, institutions, laws, and symbols common to a particular social group and the corresponding society through which people imagine their social whole“.21 Diese Embleme gehörten zu den Bilder- und Wortwelten, die sie im öffentlichen Leben begleiteten. Die Gattung der Emblematik bot mit ihrer prägnanten Sprache ein geeignetes Kommunikationsmittel, um die Friedensbotschaft bildlich wie auch wörtlich zu artikulieren. In der Frühen Neuzeit wurden auch höfische und städtische Eliten in der Emblematik ausgebildet. Wissen über und Kenntnis von Emblemen bestätigten ein gemeinsames intellektuelles Niveau, eine Vernetzung innerhalb der res publica litteraria und die bewusste Einordnung in die Gesellschaft und deren Wertesystem. In diesem Zusammenhang sind auch die gut gebildeten Patrizier und Pastoren zu berücksichtigen, die Schlüsselämter in ihrer Heimatstadt bekleideten. In der Reichsstadt gab es ein leistungsfähiges Handwerk rund um das Druck- und Verlagswesen, das die Verbreitung emblematischer Texte bestens unterstützte. Die Konstellationen von Kunsthandwerk und Buchdruck zusammen mit den menschlichen Ressourcen in der Dichtung, Kunst, Musik, Bildung, Seelsorge und Stadtführung vor Ort machten Nürnberg zu einem der wichtigsten Zentren der Emblemproduktion im 17. Jahrhundert. Frederick John Stopp hat die engen Beziehungen zwischen den Emblemen des Großen Saals und denen der Altdorfer Akademie dokumentiert,22 was als Beleg dafür herangezogen werden kann, dass fast alle Männer, die später in Nürnberg wichtige Ämter bekleidet haben, diese emblematischen Texte und Bilder gut kannten und auch verstanden haben.23 Darüber hinaus hatten auch die Patrizier, die fast alle ein oder mehrere Semester an der Landesuniversität in Altdorf absolviert hatten,24 wohl auch selbst Embleme entworfen, d. h. sie kannten emblematische Strategien, wie das Denken mit und
21 https://en.wikipedia.org/wiki/Imaginary_(sociology) [Abruf 25.6.2017]. 22 Emblemata anniversaria Academiae Altorfinae: stvdiorvm […] Academia Altorfina. Nürnberg 1597. Emblematica Online hat zwei Ausgaben: 1597 und 1617. 23 Frederick John Stopp: The Emblems of the Altdorf Academy. Medals and Medal Orations 1580–1626. London 1974, S. 97–100. 24 Für das 17. und 18. Jahrhundert belegen dies Dirk Niefanger / Werner Wilhelm Schnabel: Literarische Gruppenbildungen an der Universität Altdorf. In: Hanns Christoph Brennecke / Dirk Nie
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durch Analogien sowie das Argumentieren mit Parallelen, Entsprechungen und auch Gegensätzen. Sie verstanden philologische und mehrsprachige Wortspiele, die neue semantische Bedeutungen herstellen. Dank der Verbreitung durch den Buchdruck und einer guten Ausbildung waren sowohl die Emblemata Politica wie auch andere Emblemsammlungen den Gesandten aus ganz Europa bekannt. Die hochgebildeten Nürnberger Ratsherren und Patrizier wie auch die vornehmsten Adligen und Gesandten bei den Friedensverhandlungen verstanden es, diese knappen bimedialen Kommunikationen zu lesen. Nürnberg nimmt eine besondere Stellung in der gedruckten wie auch angewandten Emblematik dieser Zeit ein. Während die meisten architektonischen Sinnbildprogramme in gedruckten Emblembüchern ihren Ursprung hatten, bildeten die zwei wichtigsten Nürnberger Emblemzyklen dieser Zeit eine Ausnahme. Peter Isselburgs Druck der 32 Rathausembleme als Emblemata Politica (1617) erfolgte erst nach der Dekoration des Großen Saals, und Johann Pfanns Biblische Emblemata und Figuren (1626) stellten die 16 Embleme aus zwei neu eingerichteten Stuben im Heiliggeistspital dar.25 (Abb. 6) Beide Emblembücher wurden also nach emblematischen Architekturen konzipiert und erst dann durch den Druck mobil gemacht; dadurch wurden sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Zudem – in der Emblematik ebenfalls eher eine Ausnahme – sind die Bücher von Isselburg und Pfann unter dem Namen des Stechers und nicht des Emblemautors bekannt. Diese zwei Emblembücher dokumentieren Denkmäler der kommunalen Repräsentation, die als öffentliche, städtische Embleme zu verstehen sind. Die Wiederbeschäftigung mit der Emblematik in Nürnberg begann im Jahre 1640, als man sich Hoffnungen auf den Frieden machte. In diesem Jahr gab Wolfgang Endter die Emblemata Politica neu heraus,26 was auf ein neues Interesse an den Rathausemblemen und deren breitere Rezeption schließen lässt27 und
fanger / Werner Wilhelm Schnabel (Hg.): Akademie und Universität Altdorf. Studien zur Hochschulgeschichte Nürnbergs. Köln 2011 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, 69), S. 245–322. 25 Johann Pfann: Biblische Emblemata und Figuren welche in den zweyen verneurten Stuben desz Hospitals zum heiligen Geist in Nürnberg allen Krancken zu sondern Trost anstatt der Schrifft sind vorgemalet worden. Nürnberg 1626. Siehe Emblematica Online: http://emblema tica.library.illinois.edu/detail/book/biblischeemblema00pfan. Siehe auch Sabine Mödersheim: „Schauplatz des menschlichen Elends.“ Emblems in the Heilig-Geist-Spital in Nuremberg. In: Emblematica 16 (2008), S. 77–101. 26 Peter Isselburg: Emblemata Politica […]. Nürnberg 1640. Siehe VD17 7:691587M sowie VD17 75:681534C. 27 Harms, Einleitung (wie Anm. 9) und Schreyl, Emblemata politica (wie Anm. 10). Sowohl die Faksimile-Edition von Harms wie auch Schreyl basieren auf der Ausgabe 1640. Der Nürnberger Arzt und wohl Freund von Georg Rem Johann Conrad Rummel hatte die Motti der Rathausemble
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Abb. 6: Johann Pfann: Biblische Emblemata… Nürnberg 1626, Kupfertitel. Emblematica Online, University of Illinois. http://emblematica.library.illinois.edu/detail/book/ biblischeemblema00pfan
sie wieder ins Gedächtnis der Stadt rief. Georg Philipp Harsdörffers emblematische Traktate Peristromata Turcica, Sive Dissertatio Emblematica wie auch die beiden ersten Bände seiner Frauenzimmer Gesprächspiele wurden 1641 bis 1642 bei
me mit neuen Epigrammen publiziert: Emblemata Curalia Auctiora. Nürnberg: Halbmayer 1629. Siehe hierzu Harms, Einleitung (wie Anm. 9), S. 18*–19*. Rummels Tochter Maria Elisabetha heiratete 1648 den Dichter und Theologen Johann Klaj. Siehe hierzu: Theodor Verweyen / Wolfgang Srb: Auf den Spuren eines hessisch-mitteldeutschen Späthumanismus. In: Dirk Niefanger / Werner Wilhelm Schnabel (Hg.): Positionierungen. Pragmatische Perspektiven auf Literatur und Musik der Frühneuzeit. Göttingen 2017 (Schriften des Frühneuzeitzentrums Potsdam, 4), S. 132–133, Nr. 29: „Johann Conrad Rummel“.
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Endter herausgebracht.28 Die Erstausgabe der Gesprächspiele im Hochoktavformat wurde schnell auf acht Bände in Queroktavformat erweitert und in den Jahren 1643 bis 1657 neu herausgegeben,29 wobei das Queroktavformat oft für Emblembücher verwendet wurde. Die Gesprächspiele, obschon keine eigentlichen Emblematiken, sind wegen der vielen Sinnbilder wie auch theoretischen Äußerungen zur Sinnbildkunst wichtige Quellen für die Emblemforschung. In diese Zeit fällt auch die Erstausgabe von Harsdörffers sogenanntem Stechbüchlein (1645), das nach dem Muster der Gesprächspiele ergänzt und 1654 neu publiziert wurde.30 Der achte Band der Gesprächspiele schließt mit einem Aufzug, genannt Der Fried, der Variationen der Themen bei den Schaugerichten des Friedensmahls darstellt.31 Der Pegnitzschäfer Harsdörffer war nicht der einzige Förderer der Emblematik dieser Jahre, obwohl er maßgebende Impulse dazu gab. Johann Klajs sogenannte ‚Redeoratorien‘ gehören zum poetischen Umfeld der allegorischen und emblematischen Werke dieser Zeit. Klaj führte 1644 bis 1645 seine Werke im von dem Theologen Johann Michael Dilherr (1604–1665) gegründeten Auditorium publicum an der Nürnberger Egidienkirche auf.32 Diese neue Mischgattung, von Mu-
28 Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele. Bd. I und II. Nürnberg 1641–1642 sowie Peristromata Turcica, Sive Dissertatio Emblematica. Nürnberg 1641 (http://www.unimannheim.de/mateo/camenahist/harsdoerffer1/te01.html) und Aulæa Romana, Contra Peristromata Turcica, Sive Dissertatio Emblematica. Nürnberg 1642 (http://diglib.hab.de/drucke/34-6 $-pol-4$/start.htm). Siehe auch Max Reinhart: Georg Philipp Harsdörffer and The Emblematic Pamphlets of 1641–1642: „Peristromata Turcica” and „Aulaea Romana”. Part I. In: Emblematica 20 (2013), S. 277–375, Part II. In: Emblematica 21 (2014), S. 233–357. 29 Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele. Nürnberg 1643–1657. Bd. III (1643), Bd. IV (1644), Bd. V (1645), Bd. VI (1646), Bd. VII (1647), Bd. VIII (1649), und die Neuausgabe von Bd. I (1644) und Bd. II (1657). 30 Fabianus Athyrus [Georg Philipp Harsdörffer]: Stechbüchlein: das ist, Hertzen-schertze, in welchen der Tugenden und Untugenden Abbildungen, zu wahrer selbst Erkantnis, mit erfreulichem Nutzen auszuwehlen. Nürnberg 1645. Siehe Fabianus Athyrus [Georg Philipp Harsdörffer]: Das erneurte Stamm- und Stechbüchlein: Hundert Geistliche Hertzens Siegel/ Weltliche Hertzens Spiegel. Nürnberg 1654. Diese erweiterte Zweitausgabe findet man in Emblematica Online: http:// emblematica.library.illinois.edu/detail/book/545822394. Siehe auch Mara R. Wade: From Reading to Writing. Women Authors and Book Collectors at the Wolfenbüttel Court. A Case Study of Georg Philipp Harsdörffer’s Frauenzimmer Gesprächspiele (1641–1658). In: German Life and Letters 67/4 (2014), S. 481–495. Harsdörffers Geschichtsspiegel aus diesem Jahr kann auch in dieser Hinsicht in Betracht gezogen werden; siehe Georg Philipp Harsdörffer: Der Geschichtspiegel: Vorweisend Hundert Denckwürdige Begebenheiten/ Mit Seltnen Sinnbildern/ […]. Nürnberg 1654 (http://diglib.hab.de/drucke/qun-4$87-1$s/start.htm). 31 Bramenkamp, Krieg und Frieden (wie Anm. 20), S. 205–247. Wie Bramenkamp überzeugend darlegt, hat Birken das Konzept des Friedensaufzugs von Harsdörffer fast wörtlich übernommen, was ihre Freundschaft stark belastet habe. 32 Wiedemann, Johann Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 3), S. *17.
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sik begleitete Vorträge zu den großen biblischen Historien, ist einmalig in der deutschen Literatur. Aus der Bildlichkeit des Texts mit der dazu gehörenden Musik entstand ein musikalisches Emblem.33 Die Performativität dieser frühen Werke nahm auch bei den Friedenspielen eine außerordentlich bedeutende Rolle ein. So findet die Sehnsucht nach Frieden einen hörbaren Ausdruck mitten in den vielen sichtbaren Emblemen. Im Zusammenhang mit Klajs ‚Redeoratorien‘ muss auch das von Dilherr und dem Komponisten Sigmund Theophil Staden (1607– 1655) veranstaltete „Historische Konzert“ aus dem Jahre 1643 beachtet werden.34 Dieses Konzert wurde 1650 bei dem Friedensfest nochmals aufgeführt,35 bei dem die rechte göttliche Musik der Musik des Krieges gegenübergestellt werden sollte. Der Pastor an der Sebalduskirche, Johann Saubert (1592–1646), der als Emblembuchautor mit seinem Duodekas Emblematum Sacrorum schon 1625 hervorgetreten war,36 veröffentlichte zum Neuen Jahr 1646 seine Spes nova Pacis, Das ist/ Widerholte nützliche Gedancken vom Frieden deß Teutschlandes: Durch etliche geistliche Sinn-und Spruch-Bilder/ In einer Newen Jahrspredigt.37 In jeweils fünf Teilen legt Saubert den Wunsch nach Frieden durch biblische Bilder und Zitate aus. Auch der Pastor an der Heilig-Geist-Kirche, Johann Mannich, hatte erbauliche Sinnbilder in seinen Sacra Emblemata […] das ist Sechsundsibentzig Geistliche Figürlein, in welchen eines jeden Evangelii Summa Kürtzlichen wird abgebildet veröffentlicht.38
33 Wiedemann, Johann Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 3), S. *13. 34 Mara R. Wade: Das historische Konzert im Kontext. Literarische Musikkultur des 17. Jahrhunderts in Nürnberg. In: John Roger Paas (Hg.): der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 114–131. Siehe auch Mara R. Wade: Music in the Works of the Early Pegnitzschäfer. In: Daphnis 17 (1988), S. 633–646. 35 Die Friedenspredigten von Johann Michael Dilherr wären in diesem Kontext auch interessant, würden den Rahmen dieser Untersuchung aber sprengen. Siehe Wolfgang Sommer: Die Friedenspredigten Johann Michael Dilherrs beim Friedensfest in Nürnberg 1650. In: Wolfgang Sommer (Hg.): Politik, Theologie und Frömmigkeit im Luthertum der frühen Neuzeit. Göttingen 1999, S. 137–154. Siehe auch Dünnhaupt, Personalbibliographien II (wie Anm. 1), S. 1256–1367 (Dilherr). 36 Johann Saubert: Duodekas Emblematum Sacrorum […]. Nürnberg 1625. Die Embleme dazu wurden von Peter Isselburg gestochen. Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library. illinois.edu/detail/book/duodeksemblema00saub. 37 Johann Saubert: Spes nova Pacis. Nürnberg 1646. Siehe Emblematica Online: http://emble matica.library.illinois.edu/detail/book/657610496 sowie http://diglib.hab.de/drucke/1286-6$theol/start.htm. 38 Johann Mannich: Sacra Emblemata LXXVI In Quibus Summa Unius Cuiusq[ue] Evangelii Rotunde Adumbratur das ist Sechsundsibentzig Geistliche Figürlein, in welchen eines jeden Evangelii Summa Kürtzlichen wird abgebildet. Nürnberg 1624. Siehe Emblematica Online: http:// diglib.hab.de/drucke/389-1$-theol-1$s/start.htm.
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Nicht nur die Predigt, sondern auch die Arbeit an der deutschen Sprache wurde emblematisiert: Karl Gustav Hilles Der Teutsche Palmbaum: Das ist/ Lobschrift Von der Hochlöblichen/ Fruchtbringenden Gesellschaft […] (1647) kann ebenfalls als Beitrag zur Friedensemblematik angesehen werden.39 Hille (vor 1590–1647) war Wolfenbütteler Hofbeamter, der wie Harsdörffer Mitglied in der Fruchtbringenden Gesellschaft war.40 Der erste Kupferstich nach der Zuschrift zu Hilles Werk bildet den Frieden unter dem Motto „Fried und Freud küsset sich mit der Einigkeit“ ab.41 Hilles Zueignung ist „Wolfenbüttel den 2. Hornungs [Februar] in dem verhofften Friedensjahre 1647“ datiert.42 Die Verbindungen zwischen der literarischen Avantgarde der Dichter-Sozietäten, Emblematik und Frieden werden durch diese Konstellationen explizit gemacht. Der Nürnberger Rektor Johann Vogel (1589–1663) hatte 1649 seine Meditationes emblematicae de restaurata pace Germaniae = Sinnebilder von dem widergebrachten Teutschen Frieden publiziert, dessen Emblem 4, „Was du nicht glaubtest/ das geschiht“, den unverhofften Frieden versinnbildlicht.43 (Abb. 7) Sein strophisches „Dancklied umb den erlangten Frieden“ am Ende seines Emblembuchs hatte der Komponist Johann Erasmus Kindermann (1616–1655) für eine seiner Kompositionen bei dem Schwedischen Friedensbankett benutzt.44
39 Karl Gustav Hille: Der Teutsche Palmbaum: Das ist/ Lobschrift Von der Hochlöblichen/ Fruchtbringenden Gesellschaft […] Nürnberg 1647. Siehe Emblematica Online: http://diglib.hab. de/drucke/166-1$3-eth/start.htm. Harsdörffer und Birken befinden sich unter den Beiträgern mit Gratulationsgedichten. 40 Hille wurde 1636 als Nummer 302, „der Unverdrossene“, und Harsdörffer 1641 als Nr. 368, „der Spielende“, in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen. Siehe Klaus Conermann: Fruchtbringende Gesellschaft. 3 Bde. Leipzig 1985, hier Bd. III, S. 339–341 (Hille), und S. 426–429 (Harsdörffer). 41 Hille, Der Teutsche Palmbaum (wie Anm. 39), fol. )()( iir. 42 Hille, Der Teutsche Palmbaum (wie Anm. 39), fol. )()( iiiv. 43 Johann Vogel: Meditationes emblematicae de restaurata pace Germaniae = Sinnebilder von dem widergebrachten Teutschen Frieden. Frankfurt 1649. Siehe Emblematica Online: http://em blematica.library.illinois.edu/detail/book/meditationesembl00voge. Es gibt eine zweite gleichzeitige Ausgabe an der UB Göttingen mit einem anderen Verlagsort: Nürnberg 1649. Siehe http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN595924832. 44 Johannes Erasmus Kindermann: Ausgewählte Werke des Nürnberger Organisten Johannes Erasmus Kindermann. Teil II. Wiesbaden 1924, S. xxxiii.
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Abb. 7: Emblem 4 „Was du nicht glaubtest/ das geschiht“. In: Johann Vogel: Meditationes emblematicae de restaurata pace Germaniae = Sinnebilder von dem widergebrachten Teutschen Frieden. Emblematica Online, University of Illinois: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/E000004
Im unmittelbaren Vorfeld der Nürnberger Friedensverhandlungen hat Sigmund von Birken im Februar 1649 eine ‚Friedensrede‘ gehalten, deren Titelkupfer auf der linken Seite die Tugenden des Friedens und auf der rechten die Laster des Krieges um die Figur des Friedens in der Mitte darstellt.45 Wie Bramenkamp dargestellt hat, hat Birken diese Friedensrede inhaltlich von Harsdörffer übernommen.46 Meinen Forschungen nach hat sich Birken sowohl an Harsdörffers Inhalt wie auch an Klajs Aufführungspraxis, Aufführungsort und Deklamationsweise der ‚Redeoratorien‘ orientiert. Erst nach den Friedensfesten erschienen in den 1660er Jahren Johann Michael Dilherrs erbauliche Emblembücher, die einen tiefen Einblick in die emblematische Predigerpraxis dieser Zeit erlauben.47
45 Sigismund von Birken: Krieges- und Friedensbildung […]. Nürnberg 1649. Seine Friedensrede hatte er zusammen mit einem Schäferspiel veröffentlicht. Die Widmung ist den letzten des Hornungs [Februar] 1649 datiert. Siehe http://diglib.hab.de/drucke/lo-400-1/start.htm. 46 Bramenkamp, Krieg und Frieden (wie Anm. 20), S. 222–233. Siehe auch Dietmar Peil: Der Friede in der deutschen Literatur der frühen Neuzeit. In: Wolfgang Augustyn (Hg.): Pax. Beiträge zur Idee und Darstellung des Friedens. München 2003, S. 315–340. 47 Dünnhaupt, Personalbibliographien II (wie Anm. 1): Dilherr.
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Die Nürnberger Rathausembleme haben auch einen Bezug zu Schweden. Als Carl Gustav Wrangel (1613–1676) zum Gouverneur von Pommern ernannt wurde, ließ er 1648 in Nürnberg Hellebarden für sich herstellen. Als wichtiger Teilnehmer am Friedenskongress saß Generalfeldmarschall Wrangel an der linken Seite des ersten Tisches beim Bankett im Großen Saal und hat zweifelsohne die Embleme im Rathaus und am Tisch wahrgenommen.48 Seine Hellebarden waren alle auf der einen Seite mit seinem Wappen und auf der anderen mit einem Emblem versehen. Die meisten Embleme haben ihren Ursprung in den Rathausemblemen und entstammen Rems und Isselburgs Emblemata Politica.49 Etliche dieser Hellebarden werden heute noch in Wrangels Schloss Skokloster in der Nähe von Stockholm aufbewahrt. In den 40er Jahren des 17. Jahrhunderts gehörte die Emblematik zu den am meisten benutzten literarischen Formen, um dem Wunsch nach Frieden Ausdruck zu verleihen. Das Emblem war gattungs- und auch standesübergreifend, und diese Flexibilität erlaubte es den Dichtern, Künstlern, Komponisten, Predigern und Politikern, es als effektives Medium für ihre Zwecke einzusetzen. Knapp und klar formulierte das Emblem Lebensweisheiten und allgemeine Werte für die lang ersehnte Nachkriegszeit. Diese Embleme haben aber darüber hinaus eine gute Grundlage für den öffentlichen Friedensdiskurs geschaffen und die gesellschaftlichen und politischen Erwartungen der Verhandlungsresultate deutlich gemacht. Die Reichsstadt Nürnberg war also schon lange vor den eigentlichen Friedensverhandlungen mit der Emblematik vertraut. Als der langjährige Krieg zu Ende ging, entwickelte sich Nürnberg zu einem Labor neuer kreativer Praktiken und Technologien, die in Sachen Frieden eingesetzt wurden.
Die Nürnberger Schäferdichtung: literarische Öffentlichkeit und der Frieden Während die Fruchtbringende Gesellschaft (1617) eine Gründung der Vorkriegszeit war, wurde der Pegnesische Blumenorden im Jahre 1644 durch Harsdörffer
48 Siehe Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 46. Wrangel ist Nr. 6 auf der Liste. 49 Lena Rangström: Bardisaner med Bilder. In: Skokloster Studier 1974, S. 277–312. Englisch: Lena Rangström: Partisans with Pictures. In: Simon McKeown / Mara R. Wade (Hg.): The Emblem in Scandinavia and the Baltic. Glasgow 2007 (Glasgow Emblem Studies, 11), S. 161–177. Siehe auch Mara R. Wade: Emblems in Scandinavia. In: Anthony J. Harper / Ingrid Höpel (Hg.): The German-Language Emblem in its European Context. Exchange and Transmission. Glasgow 2000 (Glasgow Emblem Studies, 5), S. 23–39.
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und Johann Klaj ins Leben gerufen. Die Gesellschaftsgründung sollte als ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit ihrer Friedensarbeit betrachtet werden. Gleich nach seiner Ankunft in Nürnberg bahnte Klaj 1643 Kontakte mit musikund literaturverständigen Patriziern an, die ihn während der 1640er Jahre in seiner produktivsten Phase unterstützten, in der seine ‚Redeoratorien‘, zahlreiche Gelegenheitsdichtungen, Schäferdichtungen und Friedensdichtungen entstanden. Die regen Aktivitäten von Klaj, zusammen mit Harsdörffer und später auch Birken, bezeugen auf konkrete Art und Weise das Bemühen der Poeten, den Frieden mit allen möglichen poetischen Mitteln hervorzurufen. Mit wachsender Intensität stellten die bildhaften Pastoralen der Pegnitzschäfer die friedliche Schäferwelt als eine gut vorstellbare Alternative zum Leben im Krieg dar. Zu Recht hat Hartmut Laufhütte zwei entscheidende Einsätze der Nürnberger Dichter für den Frieden identifiziert. Erstens die Gründung des Dichterkreises, des Pegnesischen Blumenordens, durch Johann Klaj und Georg Philipp Harsdörffer.50 Sie bildeten ein Dichterkollektiv, dessen Arbeitsvorgänge für die Publikation und Verbreitung ihrer Werke noch intensiver von der Forschung untersucht werden sollten. Durch ihre dichterischen Tätigkeiten trugen die Pegnitzschäfer zur sozialen Gruppenbildung der Friedensstifter bei, indem sie von den letzteren Kooperation und Friedensarbeit einforderten. Zweitens nennt Laufhütte die Fortentwicklung der klassischen Gattung der pastoralen Lyrik durch diesen Dichterkreis, wobei sie als Gegenbild zum Krieg ein utopisches Leben im Frieden zu ihrem Hauptthema machte.51 Diese bukolischen Texte bedienten sich allegorischer Bildlichkeit und eines virtuosen, gar experimentellen Stils. Die Nürnberger Dichter sind mit Bildern und Texten an die Öffentlichkeit getreten und haben dadurch die Diskurse bei den Friedensfesten mitgesteuert. Dem Gründungstext der Nürnberger Dichter, Das Pegnesische Schäfergedicht (1644) von Johann Klaj und Georg Philipp Harsdörffer52 folgte ein Jahr später die Fortsetzung der Pegnitz Schäferey (1645) von Johann Klaj und Sigmund von Birken.53 Klajs zentrale Position in diesem literarischen Kreis wird dadurch bezeugt, dass er als Autor an beiden Gründungstexten beteiligt war. Der mittellose Kriegsflüchtling aus Meißen trug also wesentlich zur Verschriftlichung der Friedensdiskurse in Nürnberg bei.54
50 Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 14). 51 Ebd. 52 Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht […]. Nürnberg 1644. 53 Sigmund von Birken / Johann Klaj: Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey […]. Nürnberg 1645. 54 Dirk Niefanger: Johann Klaj. In: Brigitte Korn / Michael Diefenbacher / Steven Zahlaus (Hg.): Von nah und fern. Zuwanderer in die Reichsstadt Nürnberg. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im Stadtmuseum Fembohaus vom 29. März bis 10. August 2014. Petersberg 2014 (Schrif
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Die Schäferdichtungen von Johann Klaj, Georg Philipp Harsdörffer und Sigmund von Birken gehören, wie Michael Schilling betont hat, zu den wichtigsten Momenten der frühneuzeitlichen Geselligkeit, weil der Einzelne durch die fiktive Autorschaft in das Dichterkollektiv integriert und diszipliniert wird.55 Das diskursive Moment konstituiert eine soziale Gruppe über die Literatur und durch das Gespräch, wobei mögliche politische und konfessionelle Hürden überwunden werden. Die Bildung von kollektiver Identität kann auch auf die Emblematik übertragen werden, wobei die ethischen Normen der Embleme anerkannt, akzeptiert und praktiziert wurden. Die Dichter der Pegnitz-Schäfereien, die jeweils ein persönliches Gesellschaftsemblem zugeteilt bekamen, spielten eine Schlüsselrolle in der poetischen und künstlerischen Gestaltung der Nürnberger Friedensfeste. Bei den Friedensfesten wurden die Verhandelnden durch größere und kleinere Feste und Bankette, die weitestgehend auch emblematisch gesteuert wurden, immer näher aneinandergerückt. Nach Laufhütte erfolgte „die Neufunktionalisierung der alten bukolischen Genres im Zeichen der Sinnbildfigurationen der Epoche, der Allegorese und der Emblematik“.56 Die virtuose Beherrschung der literarischen Formen spiegelt die gewünschte Sozialdisziplin. Durch ihr kollektives Dichten boten sie zur gleichen Zeit ein Modell der friedlichen Zusammenarbeit an. Man denke an die Stelle im Pegnesischen Schäfergedicht, an der die Schäfer Strephon (Harsdörffer) und Claius (Klaj) sich gegenseitig überbieten, weil keiner den Sieg über den anderen beim poetischen Wettstreit akzeptieren will. Die Lösung: Sie erkennen einander als würdige Gegner an, ziehen je eine Blume aus dem Kranz, zu der sie sich eine Devise wählen und die künftig als ihr jeweiliges Gesellschaftsemblem gelten soll. Keiner möchte den Vorzug über den anderen haben; so gewinnen sie beide. Das vorbildliche Benehmen der kultivierten Schäfer bot Musterbeispiele des sozialen Umgangs für die Interaktion unter den Gesandten. Friedliches Zusammenleben in der Gemeinde, nicht Siegen, war das Ziel. Emblematische Strategien prägten diese Kollektive und gaben wichtige Impulse für die Gestaltung der Friedensfeste.
tenreihe der Museen der Stadt Nürnberg, 4), S. 175–178. Niefanger schreibt: „Die Förderung Klajs durch so wichtige Protagonisten wie Harsdörffer und Dilherr verleitete manche Zeitgenossen sogar dazu, eine Art Kulturmafia der drei Herren [Dilherr, Klaj und Harsdörffer] anzunehmen. Davon konnte aber wohl keine Rede sein.“ (S. 177). 55 Michael Schilling: Gesellschaft und Geselligkeit im Pegnesischen Schäfergedicht. In: Wolfgang Adam (Hg.): Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter. 3 Bde. Wiesbaden 1997, hier Bd. I, S. 473–482. 56 Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 14).
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Harsdörffer entwarf das Emblemprogramm für das Schwedische Friedensmahl;57 dank Klajs Beschreibung sind wir darüber bis ins Detail informiert.58 In seinem Doppelband Irene hat Klaj den ganzen Festablauf so genau beschrieben, dass man alle Embleme bei den Tischdekorationen ablesen und deren Platz in der Reihfolge der Festereignisse nachvollziehen kann. Die Emblematik steht im Zentrum des Festes und nimmt mit den über 30 Anmerkungen dazu insgesamt einen großen Platz in der Festbeschreibung ein.59
Johann Klajs Irene und die Friedensemblematik Ein Emblem fügt mit Motto, Bild und Epigramm sinndeutende Text- und Bildkomplexe zusammen, die in der Frühen Neuzeit weite Verbreitung als gedruckte Embleme und angewandte Emblematik fanden.60 Ein Emblem ist ein meist dreiteiliges Wort/Bild-Geflecht, das normalerweise aus Motto, Bild und Epigramm besteht. In der angewandten Emblematik, wie im Großen Saal des Nürnberger Rathauses oder bei den Tischdekorationen zum Schwedischen Friedensmahl, wird das Epigramm meist weggelassen, weil das Emblem mit seinen poetischen Assoziationen so gut bekannt war, dass es in der Vorstellung der Rezipienten verständlich und lebendig war. Emblematische Argumente kamen in allen Bereichen der Friedensfeste vor: in der Poesie, in Drama, Pyrotechnik, Musik und Grafik. Zum Beispiel hat die Figur der Irene, wie sie auf Klajs Titelblatt erscheint, eine zentrale Rolle in der Beschreibung des „Lustfreudigen Feldpanquets“ inne, wo sie nach den vier Schaugerichten zum Thema der vier Jahreszeiten auftritt.61 Am Ende dieses Festmahls leitet Irene das große schwedische Feuerwerk ein.62 Sie wird
57 Bramenkamp, Krieg und Frieden (wie Anm. 20) bietet ein Register mit Kurzinterpretationen der Embleme bei den Schaugerichten, ohne auf den größeren Kontext einzugehen. 58 Die vielen Festbeschreibungen gleichen sich oft im Wortlaut. Siehe außerdem die Friedensdichtungen von Sigmund von Birken (Dünnhaupt, Personalbibliographien [wie Anm. 19]) wie auch die Beschreibungen im Theatrum Europaeum […]. Bd. VI. Frankfurt/M. 1663, vor allem hier S. 937–940. Zitiert nach: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:384-uba000241-5. 59 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 32–70. 60 Mara R. Wade: Emblem. In: Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics. Princeton 2012. 61 Klaj, Irene (wie Anm. 3), Lustfreudiges Feldpanqvet, S. 71–83, und Schwedisches Feuerwerck, S. 81–87. Siehe auch Victorinus Friedenhold [Johann Klaj]: Springendes Fried- vnd Freudenlied […] Bey dem […] Fried- und Freudenmahl zu fröhlicher Aufmunterung überreicht. [Nürnberg] 1649. http://diglib.hab.de/drucke/xb-2515/start.htm. 62 Die Beschreibung des Feldbanketts mit dem anschließenden schwedischen Feuerwerk, das im Frühjahr nach dem Schwedischen Friedensmahl gehalten wurde, ist mit Irene als ein einheitliches Werk konzipiert, was durch die Durchpaginierung des Textes belegt wird. Siehe Klaj, Irene
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auch auf dem Titelblatt des zweiten Teils von Klajs Werk Geburtstag des Friedens abgebildet.63 Die Feste werden durch die Figur der Irene so aneinander gebunden, dass der Friedensdiskurs konstant bleibt. Dabei bot die durchgehende emblematische Gestaltung der Feste ein effizientes Kommunikationsmittel, das Thema Frieden ständig in den Mittelpunkt zu stellen.
Abb. 8: Johann Klaj: Irene/ das ist/ vollständige Außbildung Des zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650, Titelblatt. http://diglib.hab.de/drucke/65-15-poet-1/start.htm
(wie Anm. 3), S. 71–88. Bei diesem Bankett gab es auch Schautrachten in der Form der vier Jahreszeiten, die allegorisch ausgelegt werden. Zu den Nürnberger Feuerwerken, siehe Eberhard Fähler: Feuerwerke des Barock. Stuttgart 1974, insbesondere S. 69–72 und S. 135–178. 63 Johann Klaj: Geburtstag Deß Friedens/ Oder rein Reimteutsche Vorbildung/ Wie der großmächtigste Kriegs- und Siegs-Fürst Mars auß dem längstbedrängenten und höchstbezwängten Teutschland/ seinen Abzug genommen […] hingegen die mit […] feurigen Seuftzen gewünschte […] goldgüldene Jrene mit Zincken/ Posaunen/ Flöten […] begierigst eingeholet und angenommen worden/ entworffen von Johann Klaj/ der Hochh. GottesLehr. ergeben. und Gekr. Kaiserl. Poeten. Nürnberg 1650.
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Der am 25. September 1649 unterschriebene Interims-Rezess war der erste wichtige Schritt in Richtung Frieden. Johann Klajs Festdichtung Irene beschreibt das Schwedische Friedensmahl, das Pfalzgraf Carl Gustav bei Rhein aus diesem Anlass veranstaltete.64 Das allegorische Titelkupfer von Klajs Werk mag als eine Einführung in den ganzen Komplex dieser Festdichtungen dienen. (Abb. 8) Die griechische Friedensgöttin Irene (oder Concordia) steht auf einem Sockel mit Friedensattributen: Sie hält eine Taube in der rechten und ein abgebrochenes Schwert in der linken Hand. Hinter ihr sieht man das Nürnberger Rathaus von außen mit dem weinspeienden Löwen, dem Wappentier Schwedens, in einer der Fensternischen des Großen Saals. Diese Figur spendete sechs Stunden lang Weiß- und Rotwein an das Volk. Über dieser Szene halten drei Engel Fahnen in der einen Hand, die jeweils den Kaiser, Schweden und Frankreich repräsentieren, und in der anderen Hand ein beschriftetes Blatt für „canon in uniso à 3“ mit Musik zu dem Text „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden“. Dies ist ein musikalisches wie auch sprachliches Zitat aus Klajs Paraphrase von Lukas 2,14, die er für den Komponisten Sigmund Theophil Staden gedichtet hatte.65 Staden, der die musikalische Leitung des Festes innehatte, nahm diesen geistlichen Text in seine Friedensgesänge auf, die das Schwedische Friedensmahl begleiteten.66 Die sogenannte ‚Engelsmusik‘ fand in jeder der historischen Festbeschreibungen besondere Aufmerksamkeit.67 In Klajs Text singen die Engel beim Einzug der Gesandten in den Großen Saal.68
64 Klaj, Irene (wie Anm. 3) und Klaj, Geburtstag (wie Anm. 63). Irene wird oft bibliographisch als ‚Teil I‘ und Geburtstag des Friedens als ‚Teil II‘ erfasst. 65 Johann Klaj war der Textdichter für Gesang 9–13 von Stadens Frieden-Gesänger [sic]: Die „Texte sind als lyrische Zwischenstrophen in die Erzählungen und Betrachtungen des Dichters verwoben. Nr. 10–12 stark auf Orts- und Zeitverhältnisse angepasste Bearbeitungen der Psalmen 96, 85 und 126 sind der Kanzel, dem Rathaus und der Gemeinde in den Mund gelegt; Nr. 13 Psalm 147 auf daktylischen Sprung findet sich in der kleinen allegorischen Szene Irene mit den Gespielinnen.“ Stefan Hanheide unter Mitarbeit von Meike Albrecht / Andrea Peithmann / Anne-Beke Sontag (Hg.): Friedensgesänge 1628–1651. Musik zum Dreißigjährigen Krieg. Werke von Johannes Werlin, Sigmund Theophil Staden, Melchior Frank und Andreas Berger. Wiesbaden, Leipzig, Paris 2012, S. XXXIII–XXXIV. Die Praxis, Lieder ins Erzählte zu integrieren, ist schon bei Klajs ‚Redeoratorien‘ zu finden. Dies ist auch ein Hauptmerkmal der Nürnberger Eklogen. 66 Sigmund Theophil Staden: Friedens-Gesänger/ Welche […] bey denen Friedens-ExecutionsTractaten/ zu Nürnberg angewesten/ Keys: Königl: Chur: und Fürstl: auch anderer deß H. Röm: Reichs Stände Herren Plenipotentiarien, Generaln, Räthen/ Pottschafften/ und Abgesandten […] Von underschiedlichen berümbten Poeten gedichtet/ und durch Sigmund Theophilum Staden/ Organisten bey St. Lorentzen/ und Instrumental-Musicum der Stadt Nürnberg/ in die Noten gebracht […]. Nürnberg 1651. Siehe VD17: 5:706244R. Siehe auch Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. XXXIX. 67 Theatrum Europaeum VI (wie Anm. 58), S. 938–939. 68 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 4–8.
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In der poetischen Erklärung des Titelbilds zu Irene schreibt Klaj: Die gehäuffte Sündflut Hat das Teutsche Land bedecket/ Mit des Krieges Blut beflecket: Noa/ die berühmten Leut Haben/ voller Trost und Glauben/ Zu der lang verlangten Zeit Außgeschickt die weisse Tauben. Sie bracht in dem reinen Mund Ein Blat von Olivenzweigen Zu der letzten Abendstund GOttes Frieden zu bezeugen. Auf Irene rechter Hand Stehet solches Friedensbild. […] Das vor blutbetrieffte Schwert Hat die linke Hand zerbrochen. […] Nürenberg ist voller Freud/ in dem Fried in ihr geschlossen/ Man vergisst deß Kriegesleid/ Weil für Blut wird Wein vergossen.69
Die Gleichsetzung des Dreißigjährigen Krieges mit der Sintflut erfolgt in den ersten Zeilen von Klajs Gedicht. Taube und Ölzweig sind bekannte Symbole der neu anbrechenden Zeit des Friedens. „Gottes Frieden“, d. h. das Zeichen des Bundes, dass Gott nie wieder eine Sintflut über die Menschen schicken werde, wird ikonographisch immer mit dem Regenbogen dargestellt. Die Friedensmotivik von der Arche Noahs wird auch von Johann Vogel in seinen Meditationes Emblematicae im Emblem 2 „Wie lieblich ist der Friedensbot“ thematisiert, das einen direkten Bezug zu den Nürnberger Friedensverhandlungen aufweist.70 Da das Friedensmahl im Großen Saal des Rathauses gehalten wurde, wurde das ganze Fest von den politischen Rathausemblemen in den Fensternischen begleitet. Diese Embleme mit ihren prägnanten Aussagen über Gerechtigkeit und Frieden waren beim Festbankett teilweise doppelt gegenwärtig, indem sie als Tischdekorationen wiederholt und auch durch Variationen amplifiziert wurden. Dabei hatte man sie direkt vor sich und konnte sie nicht übersehen. Die Festgestalter haben bei den sogenannten Schautrachten bzw. Schauessen auf zwei allgemein bekannte Friedensbilder zurückgegriffen, um die schwierigen politi
69 Klaj, Irene (wie Anm. 3), Irene, fol. (a)ivr. 70 Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/E000002.
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schen Verhandlungen zu lenken: den Bienenstock mit einfliegendem Schwarm und den Regenbogen über Nürnberg.71 Aus der Vielfalt an möglichen Beispielen bei den Schaugerichten werden hier die Sinnbilder des Bienenkorbs und des Regenbogens als sozialpolitische Motive in Klajs Irene herangezogen, um die kommunikative Funktion dieser kompakten Sinneinheiten und ihre Rolle im Friedensprozess zu ermitteln. (Abb. 9a und b)
Das erste Schaugericht: Regenbogen und Bienenkorb Die Friedensembleme des Regenbogens und Bienenkorbs wanderten aus den Fensternischen und wurden auch als Tischdekorationen bei dem Schwedischen Friedensmahl eingesetzt, um die Gesandten bei jeder Gelegenheit an das Ziel eines dauerhaften Friedens zu erinnern. Der Bienenkorb hat das Motto „Dulcis concordiæ fructus“ und der Regenbogen über der Stadt Nürnberg das Motto „Hoc fœdere tuti“. Hier werden diese zwei Embleme nach den wiederaufgefunden Farbfotografien des Großen Saals aus dem Jahr 1943/1944 gezeigt.72 Diese populären Embleme bildeten durch dutzende Ausgaben wie auch mehrfache Nachahmungen schon längst vor dem Friedenbankett einen festen Bestandteil der „social imaginary“73. Zum Bienenstock sei hier vergleichend auf das bekannte Emblem „Ex bello pax“, ein Kriegshelm mit Bienenschwarm, verwiesen, das seit dem Erstdruck von Alciatos Emblematum Liber im Jahre 1531 immer wieder in Emblembüchern auftaucht.74 Ein weiteres Beispiel ganz im Sinne der Nürnberger Friedensemblematik ist das Sinnbild „post bella mella“ („Auf blutigen Krieg/ Honig süsser Fried“ aus Griendels Pyramis.75 Als Beispiel für den Regenbo-
71 Der Bienenstock und der Regenbogen gehören zu Isselburgs und Rems Rathausembleme, respektive Emblem 17 und 24. 72 Die Fotografien wurden ca. 1943–1945 aufgenommen. Alle Embleme zusammen mit den Medaillons zwischen den Fensternischen sind heute in der Fotothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte München abzurufen: http://www.zi.fotothek.org/objekte/19004212/026-19004212. 73 Kaminski hat die engen Beziehungen dieses Emblems zur poetischen Produktion, vor allem bei Martin Opitz, während des Dreißigjährigen Krieges untersucht. Siehe Nicola Kaminski: ‚Ex bello Ars‘. Oder der Ursprung der „Deutschen Poeterey“. Heidelberg 2004, S. 93–112. 74 Es wird hier in der dritten Ausgabe gezeigt: Andrea Alciato: Emblematum liber […]. Augsburg 1534. Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/A34a0 46. 75 Siehe Johann Frantz Griendel: Pyramis: oder, Sinnreiche Ehren-Seule […]. Dresden 1681. Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/E001325.
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gen sei hier Emblem 82, „Post nubila Phoebus“, aus Gabriel Rollenhagens Selectorum emblematum centuria secunda angeführt.76 Auf diese zwei Motive des Immenstocks und Regenbogens, die auch eine prominente Stelle in Johann Klajs Friedensdichtung Irene einnehmen, konzentrieren sich meine weiteren Untersuchungen zur Emblematik als Friedensinstrument.
Abb. 9a und b: Georg Rem, Embleme, „Dulcis concordiæ fructus“ und „Hoc fœdere tuti“. Nürnberg, Altes Rathaus, Großer Saal., Aufnahmen Müller und Sohn, 1943/44. Copyright Foto Marburg & Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek, München. http://digilib.zikg.eu/digilib.html?fn=19004212/ZI2490_0025&mo= http://digilib.zikg.eu/digilib.html?fn=19004212/ZI2490_0032&mo=
Die Embleme aus den Fensternischen wurden aufgrund ihrer Prägnanz als strukturierende Elemente für die Friedensarbeit 1649/50 neu aktualisiert. In Johann Klajs Friedensdichtungen, vor allem in seiner Irene, tauchen Bienenkorb und Regenbogen als Metapher für die bukolische Idylle eines friedlichen Landes und seiner reichen Gaben auf. Diese Motive passten zu der fiktiven pastoralen Welt der
76 Gabriel Rollenhagen: Selectorum emblematum centuria secunda […]. Utrecht 1613. Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/E019897.
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Nürnberger Dichter – alle Schäfer waren selbstverständlich friedlich – wie auch zur Tagesordnung beim schwedischen Bankett. Georg Philipp Harsdörffer, der Erfinder des emblematischen Programms der Schaugerichte, benutzt die zwei Motive des Immenkorbs und Regenbogens als kompakte Kommunikationsform, um komplexe ethische wie auch politische Sachverhalte zu artikulieren. Klaj hat ihnen auch besondere Aufmerksamkeit und viel Platz in seiner Festbeschreibung gewidmet. Die Friedensembleme ermöglichten überregionale Verständigung und drückten gemeinsame Normen und Werte aus. Wie sehr Repräsentation und Friedensdiskurs ineinandergreifen, ist der Nürnberger Friedensemblematik exemplarisch zu entnehmen. In einem gesonderten Textteil „Schwedisches Fried- und Freudenmal“ beschreibt Johann Klaj in Versen den ganzen Ablauf bei dem Bankett: z. B. die Musik, die Speisengänge, die Tischordnung und die von Harsdörffer entworfenen Schaugerichte, die u. a. Embleme des Bienenkorbs und Regenbogens schmückten. Klaj verortet das Bankett in dem Großen Saal, indem er schreibt:
der Friede steiget ab von seinem Tugendwagen/ wird auf der Fürsten Hand gelehnet eingetragen hier in das schöne Haus/ da man zu Rahte geht/ da/ wo das Kunstgebäu des grössern Saales steht/ dem Dedal [16] aufgebaut/Apollo [17] außgemalet/ […]
Die Anmerkungen zu diesem Text (16 und 17) erklären die Schönheit des Saals und verweisen auf Georg Rems und Peter Isselburgs Emblemata Politica.77 Die Schaugerichte wurden auch musikalisch begleitet und verdienen besondere Aufmerksamkeit in diesem Kontext. Das erste Schaugericht bildet einen „Arcus Triumphalis“ oder Siegesbogen, der hier den Regenbogen ikonographisch wiederholt, mit einer Figur der Concordia: „Hier hat Concordia [d. h. Irene] friedfreudig aufgezogen […] weil Fried in Einigkeit [31] das Teutsche Reich verknüpft gleich einen Immen-Reich […]“.78 Die Anmerkung 31 beschreibt die Szene und ihre Deutung ausführlicher:
77 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 62, siehe Anmerkungen 16 und 17: „vide Emblemata Aulæ majoris Curiæ“. Es gibt auch einen weiteren Druck mit demselben Titel, der aber völlig anders als der Text in Irene ist; siehe Johann Klaj: Schwedisches Fried- und Freudenmahl zu Nürnberg den 25. Des Heumonats/ im Heiljahr 1649. gehalten/ in jetzto neu-üblichen Hochteutschen Reimarten besungen […]. Nürnberg 1649. Siehe http://diglib.hab.de/drucke/xb-1$704/start.htm. 78 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 38. Siehe auch die Anspielung auf das gute Regiment der Bienen im Lied der Concordia, ebenda, S. 24.
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Concordia. Einigkeit. Haltend einen Zettel mit vielen vnterschiedlichen oooooo, welches dies Lemma oder Sprüchlein geben: Unumque necesse est Eins ist nöthig dieser Zeit/ Nehmlich Fried und Einigkeit. Umb den Bien- oder Immen-korb: Die nun ferne Flamm vnd Schwerd/ Hat gleich süße Müh gefährt. Discodia demortua. Uneinigkeit tod. […] Victoria dormiens. Der Sieg schlaffend.79
Wie aus der Abbildung dieses Schaugerichts in Georg Philipp Harsdörffers TrincirBüchlein zu entnehmen ist,80 hält Concordia/Irene einen geflochten Bienenkorb auf dem Arm. Sie steht auf einem Sockel über Figuren der besiegten Discordia (Zwietracht) mit ihrem Schlangen-Haar81 und der schlafenden Victoria (Sieg).82 In den Nischen des Triumphbogens sieht man Planetenfiguren. Klaj beschreibt die Figuren der Göttinnen Concordia, Discordia und Victoria folgendermaßen: Die Zwietracht ist entzwey/ 32 zerstücket außgehirnet/ entseelet/ totengelb […]; Der flügelschnelle Sieg/ 33 belorbert und bepalmt/ schläfft nach bekriegtem Krieg.83
79 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 38, Anm. 31 ff. Hier die Beschreibung aus dem Theatrum Europaeum VI (wie Anm. 58), S. 940. 80 Georg Philipp Harsdörffer: Vollständiges und von neuem vermehrtes Trincir Büchlein […]. Nürnberg 1657, Kupfertitel zu Teil IV. Die Schaugerichte werden hier beschrieben: S. 242–256. Ein Digitalisat dieses seltenen Buches in einem Exemplar von 1665 bietet die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: http://digital.slub-dresden.de/id405302673. 81 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 65, Anm. 32: „Discordia demortura. Virum discordia semper excitat Entsteht die Zwietracht auß dem Grab/ So geht es nicht ohn Jammer ab.“ 82 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 65, Anm. 33: „VICTORIA dormiens. alata heîc victoria dormit. Nun der Flügelschnelle Sieg Schläffet nach geendtem Krieg.“ 83 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 48.
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Es ist wichtig, an dieser Stelle auf die sprachlichen Mittel und die darin zum Ausdruck kommende Einstellung zum Krieg hinzuweisen, die wohl dazu beigetragen hatte, die Verhandlungen zu glätten. In Bezug auf den Sieg wird zugleich immer die Wiederherstellung des Friedens betont. In Klajs Irene wird Carl Gustav als Friedensstifter dargestellt: […] Der höchste Preis im Kriegen ist/ mit dem Heldenmuth/ im Siege/ sich besiegen/ und zwingen die Begierd/ die sonsten nimmersatt sich/ in dem grössten Glück/ nicht leicht vergnüget hat.84
Dem Theatrum Europaeum nach hat der junge Pfalzgraf Carl Gustav das Bankett veranstaltet, um „wolmeinend zu versichern/ dass man auff Schwedischer Seiten begierigst/ das Teutsche Reich in friedlichen Wolstand […] zu setzen und in lang hergebrachter Freyheit zu hinderlassen“.85 Diese Motivik wird zu einer Art Refrain in der Dichtung; kein Land, sondern das Kriegswesen überhaupt wird besiegt: Bellona saget frey/ dass sie zwar überwunden/ doch in beliebter Hand den milden Tod gefunden.86
Der Diskurs betont immer wieder das Ende des Krieges und den neuen Frieden: „Das Kriegen ist zernicht […]. Es ist der Friedenschluss getroffen.“87 Das gezielte Vermeiden von aggressiven sprachlichen Formulierungen trägt dazu bei, den Weg zum Frieden zu ebnen. Keiner wird Sieger oder Verlierer genannt, allein der Krieg selbst wird besiegt. Die bewusst gewählte Sprache der Pegnitz-Schäfer, vor allem in der Beschreibung Johann Klajs, war virtuos und zielte darauf ab, Konflikte zu meiden und positives soziales Verhalten in der Gemeinde zu betonen. Die sogenannte Sprachbildlichkeit und Klangmalerei mit Assonanzen und Alliteration, Rhythmus, vor allem dem Gebrauch des von Opitz verpönten Daktylus, und Vers- und Strophenbau prägten die deutsche Literatur, indem diese Mittel neue Wege für die Dichtung öffneten. Der mittellose Dichter und Theologe Klaj, der aus seiner Meißener Heimat flüchten musste, wusste genau, wie er – zusammen mit seinem Dichterkollegen Harsdörffer – den Frieden beim Schwedischen Bankett zu steuern hatte.
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Klaj, Irene (wie Anm. 3), fol. Aiijr. Theatrum Europaeum VI (wie Anm. 58), S. 937. Klaj, Irene (wie Anm. 3), fol. (a)iijr. Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 13.
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Das erste Schaugericht: Friedensemblematik und Planetenaufzug Durch die Wechselwirkungen zwischen Musik, Bild und Dichtung, wie es vor allem für das erste Schaugericht im Detail gezeigt werden kann, entsteht eine „musikalische Emblematik“.88 Die Einführung der emblematischen Tischdekorationen in den Saal wurde musikalisch begleitet, und die Lieder dazu wurden von Sigmund Theophil Staden zu Texten der Nürnberger Dichter komponiert und als seine Friedens-Gesänger publiziert.89 Die Friedensgesänge II und III sind so stark an das erste Schaugericht angepasst, dass sie zusammen eine emblematische Einheit bilden.90 Der zweite Friedensgesang „Auffzug der Bellona, Nice und Irene“, ein Loblied auf den wiederhergestellten Frieden, ist der Königin Christina von Schweden gewidmet und wurde von Carl Gustav angeordnet: „An die Königin. Auffzug der Bellona/ Nice und Jrene/ wie es von einem hohen Gen[eralissimo] gestellt und angegeben“.91 Der kleine Aufzug besteht aus drei Akten, d. h. hier kurze Lieder, für die drei Göttinnen Bellona, Nice (Nike, Victoria) und Irene, welche mit den Figuren oben auf dem Triumphbogen des ersten Schaugerichts identisch sind. Diese kleine Szene führt das Thema der Concordia/Irene ein. Das Lied der Irene führt gleich in den nächsten Friedensgesang weiter. Der dritte „Friedens-Gesang“ wird „Friedens-Auffzug“ genannt, der Carl Gustav gewidmet und „bey dessen Schaugerichten deß Friedens-Panquets abgesehen“ wurde.92 Die Lieder dieses Aufzugs können als Epigramme zu den Emblemen des ersten Schaugerichts gelesen werden.93 Nachdem die Tischdekoration der Concordia in den Saal und auf den Tisch zu der Musik des zweiten Friedensgesangs gebracht worden ist, folgt der allegorische und emblematische Friedensaufzug der sieben Planeten. An den Seiten des Triumphbogens sind allegorische
88 Wiedemann, Johann Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 3), S. *13 Wiedemann bezieht sich hier auf das sogenannte ‚Historische Konzert‘ im Jahre 1643. 89 Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65); Staden, Friedens-Gesänger (wie Anm. 66). 90 Während ich den ersten Friedens-Gesang, die „Friedens-Freude der drey Hauptströme deß H. Reichs 1) Donaw 2) Elbe 3) Rhein“ hier nicht näher analysiere, kann man wegen der engen Verbindung zum ersten Schaugericht annehmen, dass Harsdörffer wohl alle drei Friedensgesänge geschrieben hat. Siehe Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. XXXII. Nur das erste Schaugericht wird auf dem Stich gezeigt. 91 Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. CXII. 92 Der Text aus dem ersten Stimmbuch wird abgebildet bei Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. XXXI. 93 Ich möchte Dr. Sarah Iovan für den produktiven Gedankenaustausch zu diesem Thema an der Newberry Library, Chicago, danken.
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Figuren der Planeten zu sehen, wie sie auch auf dem Titelkupfer zum vierten Teil von Harsdörffers Trincir-Büchlein abgebildet sind.94 Der Aufzug entwickelt sich auf folgende Art und Weise: Fama, Victoria und Concordia eröffnen das Ganze und singen jeweils drei Strophen. Fama (das Gerücht, im Text „Gericht“) teilt die Friedensbotschaft mit, während Victoria den Sieg über die Waffen proklamiert. Als letzte besingt Concordia „die guldne Friedens Zeit“ mit den Friedenstugenden der Einigkeit, Freundschaft und Liebe. Ihre dritte Strophe behandelt die Metapher der fleißigen Bienen und unterstreicht so die Botschaft dieses Emblems: Gleich wie Jmmen leben und güldnes Honig geben gesichert vor dem Brand/ und vor des Zeitlers Eisen: so werden sie erweisen/ die Völcker indem Land. Einigkeit machet nach feindlichen/ streiten Eiserne Jahre zu guldenen Zeit.95
Der emblematische Charakter des Aufzuges kann aus seinem Titel abgelesen werden: „VII. Planetæ cum suis Emblematibus“.96 Nach diesen drei Göttinnen treten die Planeten auf, von denen Saturn, Jupiter und Mars als erste ihre Kriegsattribute niederlegen. Dann tritt Sol (die Sonne) auf, der Venus, Mercurius und Luna folgen. Der Aufzug der Planeten wird von Sol in zwei Teile eingeteilt. Im ersten Teil wird der Krieg besiegt und im zweiten wird der Friede besungen und somit konstatiert. In der Mitte steht die Sonne Sol und nimmt den zentralen Platz im Aufzug ein. Alle sieben Planeten haben doppelte Emblemmotti, die jeweils auf Deutsch und Latein wiedergegeben werden, d. h. jeder Planet hat insgesamt vier Motti.97 Beispielhaft für den ganzen Aufzug dient hier das Sonnenemblem: „Nach den tunckeltrüben Tagen bringt frohen Sonnenschein der 37 Sonnen Rosenwagen/ der Bogen Gottes Fried […]“98. Diese Textstelle weist auf das bekannte Emblem des Regenbogens mit dem Motto „Post nubila clarior“. Die 37. Anmerkung zu Klajs Beschreibung bestätigt diese Anspielung als performatives Emblem:
post nubila clarior. Nach dem Wetter ins gemein folget heller Sonnenschein.
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Harsdörffer, Trincir Büchlein (wie Anm. 80), Titelblatt zum IV. Teil. Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. CXIII. Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 65, Anm. 34. Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 65–66, Anm. 34–41. Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 48.
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Iris vespertino tempore imminens. divinæ nuncia pacis. Dieses Bogens halbes Rad Weiset uns des höchsten Gnad.99
Unter dem Motto „Hoc foedere tuti“ („In diesem Bund sicher“) schmückte dieses Emblem auch den Rathaussaal, in dem das Friedensmahl inszeniert wurde. (Abb. 10) Dort war auch das Emblem des Bienenkorbs unter dem Motto „Dulcis concordiæ fructus“ zu sehen. (Abb. 11) In den Emblemata Politica lautet sein deutsches Epigramm:
In einem Stock viel Bienen klein Machen den süssen Honigseim/ In Einigkeit bleiben beysamm/ Vnd wird keines dem andern gram. Viel Burger [!]/ so sie friedsam seyn/ Mit Nutz in eim Städtlein klein.100
Das Rathausemblem von 1617 war bei dem Friedensmahl noch bzw. wieder aktuell. Die Kooperation der Bienen versinnbildlicht die Friedensarbeit und vermittelt das Konzept der Concordia als einer Voraussetzung des Friedens, die bei diesen Feierlichkeiten ununterbrochen betont wird. Das Emblem des Bienenstocks stellt die Notwendigkeit der Eintracht dar, die für das Leben in der Gesellschaft unabdingbar ist, und symbolisiert Eintracht, Frieden und Wohlstand.101 Als Sinnbild der politischen und gesellschaftlichen Annäherung und der Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um überhaupt einen dauerhaften Frieden in Europa zu erreichen, dient der geflochtene Bienenkorb mit einfliegendem Schwarm, wobei der
99 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 66, Anm. 37. 100 Isselburg, Emblemata Politica […] (wie Anm. 7), Emblem 24. Das lateinische Epigramm lautet: „innumeris sit apum numerus bene convenit alveo: Mellaq[ue] certatim dulcia conficiunt Et licet innumeris habeat Respublica civeis Aurea pax omneis, crede, labore beat.“ 101 Dieses Emblem war in der 10. Fensternische und stand Emblem 23 „Pro aris focisque“ („Für Haus und Herd“) gegenüber. Emblem 23 stellt einen Storch im Nest mit vier Jungen, sich gegen zwei Raubvögel verteidigend, dar; es dient hier als Sinnbild der Obrigkeit, die ihr Land gegen äußere Feinde verteidigt. Arthur Henckel / Albrecht Schöne (Hg.): Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart, Weimar 1996, Sp. 829 f. Stopp dokumentiert ein ähnliches Emblem für die Altdorfer Universität. Stopp, The Emblems of the Altdorf Academy (wie Anm. 23), Nr. 114, Altdorfer Medaille 1605: „Dulcis esca laboris“.
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Bienenstaat als Gleichnis für die Bürger – und auch die fleißigen Dichter – steht. Dieser Argumentation folgend muss sich der Einzelne im Interesse des gesellschaftlichen Wohls zurücknehmen.
Abb. 10: Bienen-Emblem „Dulcis Concordiæ fructus“. Isselburg, Emblemata Politica von 1617.Emblematica Online, University of Illinois: http://emblematica.library.illinois. edu/detail/emblem/E000935
Abb. 11: Emblem „Hoc foedere tuti“ („In diesem Bund sicher“). Isselburg, Emblemata Politica von 1617. Emblematica Online, University of Illinois: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/ emblem/E000928
Das kulturelle Erbe der Rathausembleme wurde den neuen Umständen angepasst. Bei dem Bankett hatte man das Emblem sowohl in der Fensternische wie auch als Dekoration auf dem Tisch vor sich. Beide wurden um das gesungene Epigramm ergänzt. Im Rahmen der Performanz beim Schwedischen Festbankett kann man die plastische Dekoration des Schaugerichts als Pictura, den beschrifteten Zettel als Motto und das gesungene Lied als Epigramm verstehen. Obwohl die Dreiteiligkeit bei der angewandten Emblematik nicht zwingend wäre, bedienen sich die Kommunikationsmittel, die für das Friedensbankett benutzt werden, aller emblematischen Strategien zu deren Dekodierung und Interpretation. Insgesamt werden 20 Embleme mit dem ersten Schaugericht assoziiert; sie beginnen mit dem Emblem des Triumphbogens und enden – nach einem Em-
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Emblematik als Friedensinstrument: Johann Klajs Friedensdichtungen
blem, das Luna darstellt – mit einem letzten Emblem, das einen Ölzweig auf einer Weltkugel mit dem Motto „pax cuncta serenat“ darstellt, was auf Deutsch wiedergegeben wird als „Der beliebte Friedenslauf | löset/ was verkehrt ist/ auf“.102 Wie Stefan Hanheide argumentiert: „Harsdörffer hat den Text des ‚Friedens-Auffzuges‘ (Nr. 3 der Friedensgsänge) also auf die Schaugerichte des Banketts ausgerichtet, die ebenso von ihm konzipiert waren“103. Man kann dieses Argument erhärten und darüber hinaus noch schärfer fokussieren: Der zweite und dritte Friedensgesang vervollständigen die Embleme des ersten Schaugerichts.104 Die Friedenslieder sind die Epigramme zu den Emblemen des ersten Schaugerichts. Nach dem Planeten-Aufzug zum ersten Schaugericht folgt in Stadens Friedensgesängen ein „Frieden-Willkom“ mit sechs Strophen von Harsdörffer (Nr. 4 der Friedensgsänge). Zwei Lieder von Johann Klaj folgen, erstens das „Friedens DanckLied“, eine biblische Paraphrase, die auch in Klajs Beschreibung auf dem Titelblatt und im Text als Engelsmusik bezeichnet wurde, und zweitens ein Lied mit dem Anfangsvers „Steh auff/ steh auff/ Du Morgenstern deß Lentzen, du laute Nachtigal […]“.105 Klajs und Stadens Engelsmusik bieten mit der Figur der Concordia/Irene und den ihr zugewiesenen Texten ein Meta-Emblem des ganzen Friedensspiels.
Das zweite Schaugericht: Emblematischer Fürstenspiegel Das zweite Schaugericht, in der Form eines sechseckigen Berges unter dem Motto „pax una coronis innumeris potior“ ist ebenfalls emblematisch aufgebaut.106
102 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 75, Anm. 41. 103 Siehe Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. XXXII. Nur das erste Schaugericht wird auf dem Stich gezeigt. 104 Hanheide schlägt vor, bevor er es wieder zurückweist, dass die Initialen „GPH“ nach dem dritten Friedensgesang Harsdörffers Autorschaft nicht nur des dritten Gesangs, sondern auch der ersten und zweiten Gesänge, die durch keine Initialen bezeichnet sind, belegen könnten. Siehe Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. XXXI. Siehe auch Stefan Hanheide: „Lieb und Einigkeit machet eiserne Jahre zu guldenen Zeiten“. Zu Sigmund Theophil Stadens „Musikalischen Friedensgesängen“. In: Dietrich Helms / Sabine Meine (Hg.): Amor docet musicam. Musik und Liebe in der Frühen Neuzeit. Hildesheim 2012, S. 365–384, hier S. 370. 105 Hanheide, Friedensgesänge (wie Anm. 65), S. CXIV–CXV. Dieses Lied scheint seine entsprechende Stelle beim „lustfreudigen Friedensbankett“ zu haben; siehe Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 71. 106 Siehe Silius Italicus: Punica XI, Z. 592–595. Dieser Text enthält Hannos Antwort nach dem Angriff Hannibals. Das Zitat wurde auch als Motto des königlichen Aufzugs für die Große Hoch
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Zwei Ecken repräsentieren jeweils das Reich, Schweden und Frankreich, wobei jedem zwei Embleme gewidmet sind.107 Während diese Embleme nicht direkt aus dem emblematischen Programm des Rathaussaals stammen, bieten sie bekannte Emblemmotive. Für das Reich steht z. B. ein Adler auf seinem Nest mit dem Motto „Majestate quieta“ und eine brütende Henne unter Weinstock und Feigenbaum mit dem Motto „haec umbra quietem largitur“.108 Schweden wird durch folgende Bild-Text-Kombinationen repräsentiert: Ein Löwe liegt auf einem Schild und Schwert mit dem Motto „adamat Concordia curam“ bzw. Simsons Kinnbacken mit einer Springquelle und dem Motto „Pax insperata salus“. Schließlich stehen für Frankreich ein Hahn auf einem Helm mit dem Motto „Vigilantia felix“ und ein Ölzweig auf einen alten Stamm gepfropft mit dem Motto „succrescat ramus olivæ“. Dies alles sind Variationen von bekannten Emblemen zur guten Regierung und gehören zum Katalog der Herrschertugenden. Die brütende Henne bietet z. B. eine Variation des 17. Emblems „Alit et protegit“ aus den Emblemtata Politica im Rathaussaal.109 Gleichermaßen ist das Emblem „Vigilantia Felix“ eine Abwandlung von Alciatos Emblem „Vigilantia & custodia“.110 Der Löwe auf Schild und Schwert bietet eine Zusammensetzung zweier bekannter Embleme, nämlich dem der bewaffneten Wachsamkeit, wie im Emblem „Lex regit“ aus dem Rathaussaal,111 und einer Version von „Ex bello Pax“ aus Alciato, die einen Elefanten, Symbol des Friedens bei Alciato, auf Kriegsgeräte wie Schild und Schwert tretend darstellt.112 Diese Beispiele könnten beliebig erweitert werden und sie belegen die Allgegenwart solcher Denkfiguren in dieser Zeit. Die Herrschertugenden bilden das Thema im zweiten Schaugericht und verkörpern so die Forderungen und Erwartungen an die politischen Mächte. Harsdörffer selbst äußert in seinem Trincir-Büchlein: „Diese Schaugerichte sollen die Gäste zu einem guten Gespräch veranlassen […]“.113 Die zwei Schauge
zeit in Kopenhagen 1634 verwendet; siehe Mara R. Wade: Triumphus Nuptialis Danicus. German Court Culture and Denmark. Wiesbaden 1996 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschungen 27), S. 161 und 185. 107 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 50 und S. 69, Anm. 43–46. 108 Martin Limburger: Herbst-Gespräch. Nürnberg 1669. 109 Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/E0009 26. 110 Etliche Versionen befinden sich in Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois. edu/search/emblems?query.keywords=Vigilantia+. 111 Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/E0009 31. 112 Andrea Alciato: Emblematum Liber. Lyon 1556, S. 133, Emblem LXXX, „Pax“. Siehe Emblematica Online: http://emblematica.library.illinois.edu/detail/emblem/A56a080. 113 Harsdörffer, Tincir Büchlein (wie Anm. 80), S. 214.
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richte binden den Friedensdiskurs des guten Regiments an die Herrschertugenden. Das gute Regiment der Bienen und die friedliche Stadt unter dem Regenbogen werden von den Herrschern gefördert. Die Friedensvorstellungen aus dem ersten Schaugericht werden im zweiten Schaugericht als Erwartungen an die Herrscher vorgestellt.
Der Tischbrunnen Zwischen den zwei Schaugerichten stand ein Springbrunnen mit Rosenwasser auf dem Tisch,114 den Harsdörffer in seinem Trincir-Büchlein mit dem Emblem von Simsons Kinnbacken im zweiten Schaugericht verbindet, wobei eine Quelle aus dem Felsen fließt um Samsons Durst zu löschen.115 Das erste Schaugericht spielt auf den Tafelbrunnen an, indem es den „Rosenwagen“ der Sonne thematisiert. Somit wird intellektuell wie auch materiell eine Brücke zwischen dem ersten und zweiten Schaugericht geschlagen.
Emblematik als Friedenspraxis Fast vierzig Embleme schmückten nur die zwei Schaugerichte,116 während noch viele mehr im Rahmen weiterer Bankette, Feuerwerke, Aufzüge und Dramen dieser Friedensfeierlichkeiten den Wunsch nach Frieden zum Ausdruck brachten. Diese außerordentlich reiche emblematische Umgebung, die alle Sinne ansprach, förderte den Friedensdiskurs. Auf diese Weise entstand ein Sturm der Emblematik bei dem Schwedischen Friedensmahl, der den Gästen von den Wänden und Tischen, über Wort, Bild und Musik entgegenströmte. Die Emblematik hatte eine gruppenbildende Funktion innerhalb der Gesellschaft. Erstens verlangt die ‚Invention‘ eines Emblems oder eines Emblemprogramms die Zusammenarbeit eines Ensembles: Dichter, Künstler, Drucker, sogar Musiker – ein Kollektiv, das die Nürnberger Friedensembleme produzierte und bei den Friedensfesten adaptierte. Mit Texten von Harsdörffer, Klaj und Johann Vogel belegen Stadens Friedens-Gesänge die intensive Zusammenarbeit der
114 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 49 und S. 67, Anm. 43. 115 Harsdörffer, Tincir Büchlein (wie Anm. 80), S. 255. Siehe Klaj (wie Anm. 3), S. 43, wo das Lied darauf angespielt sowie Klaj, Springendes Fried- vnd Freudenlied (wie Anm. 61), fol. Aijr. Siehe auch „Simson“ https://www.bibelkommentare.de/?page=dict&article_id=792. [Abruf 25.6.2017] 116 Klaj, Irene (wie Anm. 3), S. 63–69, Anm. 30–50. Bramenkamp, Krieg und Frieden (wie Anm. 20) gibt eine Liste von allen Emblemen bei dem kaiserlichen Bankett, S. 407–413.
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Künstlerkollektive, wobei dichterische, musikalische und künstlerische Aufgaben emblematisch aufeinander abgestimmt wurden. Zweitens bestätigen die Rezipienten durch ihre Teilnahme am Friedenskongress und am Schwedischen Friedensmahl die dargestellten politischen Werte und ethischen Normen. Die Friedensdichtungen von Johann Klaj dokumentieren den Gebrauch der Emblematik als wichtigen Bestandteil des Festwesens, der anhand der Schaugerichte exemplarisch untersucht wurde. Die Embleme waren nicht nur schöne Dekorationen beim Fest, sondern hatten auch soziale, politische und gesellschaftliche Funktionen. Sie begleiteten den Frieden und steuerten die Friedensverhandlungen. Wie Dirk Niefanger und Werner Wilhelm Schnabel es formulieren: „Schließlich galt die Poesie ja noch nicht als ‚private‘ Betätigung, sondern hatte einen wichtigen gesellschaftlichen Stellenwert […]“.117 Die Friedensfeste wurden wie kaum ein anderes Ereignis in der deutschen Frühen Neuzeit literarisiert und emblematisiert: Ein Text nach dem anderen feiert, beschreibt, lobt, besingt und inszeniert den Frieden. Durch die ständige Wiederholung der mit dem Frieden assoziierten Topoi, darunter der Bienenstock und Regenbogen, steuerten die Dichter die Friedensgespräche. Die emblematischen Denkfiguren eröffneten neue Einstellungen und Möglichkeiten für die Friedensgespräche. Durch Text und Bild organisierten sie Werte und Normen und fassten sie auch zusammen, so dass eine gemeinsame Gesprächsgrundlage geschaffen wurde. Die Verlässlichkeit der emblematischen Kommunikation erfüllt auch eine politische Funktion, indem die Emblematik einen überregionalen Wertkonsens und die bewusste Einordnung in den neuen Frieden ermöglicht. Den bekannten Sinnbildern wurde so eine neue Rolle zugewiesen: Die Embleme gestalten die bekannte, lobwürdige Vergangenheit Nürnbergs vor dem Dreißigjährigen Krieg in eine zukunftsweisende Richtung um und wurden mit neuen Bedeutungen versehen. Embleme haben auch den Frieden vermittelt.
117 Niefanger/Schnabel, Literarische Gruppenbildungen (wie Anm. 24), S. 251.
Schäferdichtung
Nora Ramtke
Die Pegnitz-Schäfereien als Fortsetzungsliteratur Unter der Perspektive einer Literatur in Fortsetzungen sind es zuerst die Enden jener bekannten bukolischen Gründungstexte des Pegnesischen Blumenordens, die es in den Blick zu nehmen gilt: Sowohl das Pegnesische Schäfergedicht (1644) als auch die Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (1645) weisen in ihrem narrativen Abschluss über sich hinaus und konturieren so ein literarisches Programm, das ästhetische Geschlossenheit programmatisch mit Fortsetzbarkeit vermittelt. Schon die Frage nach der Fortsetzung impliziert jene nach dem Textende, geht doch jeder Fortsetzung ein Ende voran, ein Ende, das sich unter der Perspektive des Folgetextes womöglich erst nachträglich als vorläufig herausstellt. So tangiert jeder Textanschluss den vorgängigen Textabschluss, den er zum Ausgangspunkt der Fortsetzung macht und deutend aktualisiert. Nicht anders stehen die Texte, an denen Johann Klaj im Umkreis der Nürnberger Dichtergesellschaft mitgewirkt hat, in einem Zusammenhang zueinander, der als fingierter den entstehungsgeschichtlichen überlagert und so in jene Logik des Imaginären überführt, die der europäischen Bukolik seit Vergil inhärent ist.1 Dabei sind Anfang und Ende der hier zu untersuchenden bukolischen Texte zunächst durch die fiktionsimmanente Zeitstruktur vorgegeben, die gattungsspezifisch einen Zusammenfall von Abend und Textende vorsieht,2 die Nymphe Noris bringt durch ihre Einteilung in zwei ‚Tagzeiten‘ dieses strukturelle Merkmal auch begrifflich auf den Punkt.3 Als das zentrale zeitstrukturierende Element erweist sich der Wechsel von Tag und Nacht, er gibt eine strenge intradiegetische Zeitordnung vor, die dem Sonnenstand entspricht. Dieser Rhythmus wird fortwährend präsent gehalten, nicht zuletzt als Mittel der Gliederung und Handlungsmotivierung. Der Morgen lässt mit dem Aufgang der Sonne, dem natürlichsten aller Anfänge, den Schäfer in die Natur gehen und die ‚Schäferey‘ beginnen: „ES war die Nacht vorbey […] Der Tag war jetzt am tag – – – Als sich FLORIDAN/ mit
1 Wolfgang Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. Perspektiven literarischer Anthropologie. Frankfurt a. M. 1993. 2 Vgl. das Ende von Vergils 1. und 10. Ekloge: Publius Vergilius Maro – Vergil: Hirtengedichte – Bucolica. Landwirtschaft – Georgica. Lateinisch-deutsch. Hg. und übersetzt von Niklas Holzberg. Berlin, Boston, S. 48 f. und 110 f. 3 Vgl. dazu schon Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908, S. 103 f.
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niemanden/ als seinen freyen Gedanken/ begleitet/ hinter seiner geringen Heerde zu denen gewöhnlichen Trifften truge“,4 hebt etwa die Fortsetzung der PegnitzSchäferey an. Die Mittagsonne nötigt zum fortziehen,5 etwa zum kühlen Fluss,6 und die sinkende Sonne treibt die Schäfer ihrer Hütte und die Narration ihrem Ende zu: „darob die Sonne auch gleichsam in ihrer Abendröte sich beschämet befande/ daß sie mit ihrer bestimten Reise/ zu Unterbrechung solcher lustbeheglichen Schäfersgesprächen solte Anlaß geben“,7 heißt es gegen Ende der ‚Anderen Tagzeit‘ der Nymphe Noris. So korrelieren Sonnenstand, erzählte Zeit und Textumfang, wobei kürzere Kasualschriften aus dem Kreis der Pegnitz-Schäfer auch schon mal mit Verweis auf die „Mittageshitze“ nach einem halben Tag enden.8 Schon dieses gattungskonstitutive Zeitregime, das in arkadischer Einheit von Natur und menschlichen Handlungen gründet, ist, weil es sich um eine nicht-teleologische Erzählstruktur handelt, auf Abschluss der einzelnen ‚Tagzeit‘ und zugleich in seinem Rhythmus, wenigstens potenziell, auf serielle Fortsetzung oder Wiederholung angelegt.9 Entsprechend findet das Pegnesische Schäfergedicht sein „ENDE“, als „der übermütete Tag dahin“ ist, und Floridan alias Sigmund von Birken beschließt, da „die Sonne allbereit ihren gewönlichen Wolkenlauf zu Ende gebracht“,10 das zweite Hirtengedicht als Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey, „weil er diesen Tag der Erste mit seinem Singen zu Felde gewesen/ auch in gleichem
4 Sigmund von Birken / Johann Klaj: Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey/ behandelnd/ unter vielen andern rein-neuen freymuthigen Lust-Gedichten und Reimarten/ derer von Anfang des Teutschen Krieges verstorbenen Tugend-berümtesten Helden Lob-Gedächtnisse; abgefasset und besungen durch Floridan und Klajus/ Die Pegnitz-Schäfer mit Beystimmung jhrer andern Weidgenossen. Nürnberg/ Jn Verlegung Wolffgang Endters Jm Jahr 1645, S. 1. 5 Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht in den Berinorgischen Gefilden angestimmet von Strefon und Clajus. Nürnberg/ in Verlegung Wolfgang Endter 1644, S. 17. 6 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 36. 7 Johann Hellwig: Die Nymphe NORIS IN Zweyen Tagzeiten vorgestellet: Darbey mancherley schöne Gedichte/ und warhafte Geschichte/ nebst unterschiedlichen lustigen Rätzeln/ Sinn- und Reimbildern/ auch artigen Gebänden mitangebracht DURCH einen Mitgenossen der PegnitzSchäfer etc. Nürnberg. Gedrukt und verlegt bey Jeremia Dümler 1650, Andere Tagzeit, S. 193. 8 Vgl. z. B. Des Süßspielenden STREPHONS Namens-feyer feyret unsre Pegnitz Schäferleyer den 1 Des Rosenmonats. [Nürnberg 1645]: „Aber sehet der unparteiische Schiedsmann/ die Morgensonne/ ist zimlich hoch auffgestiegen/ wir wollen uns/ üm die Mittageshitze zu vermeiden/ neben unseren Heerden in die Hütten verfügen/ und das Mittagsmal einnemen“ (unpag.). 9 Zu nicht-bukolischen frühneuzeitlichen Formen des Seriellen vgl. ausführlich Henrike Schaffert: Der Amadisroman. Serielles Erzählen in der Frühen Neuzeit. Berlin, Boston 2015, sowie Jörg Jochen Berns: Frühformen des Seriellen in Theaterpraxis und Erzählliteratur des 15. bis 17. Jahrhunderts. In: Endlose Geschichten. Serialität in den Medien. Hg. v. Günter Giesenfeld. Hildesheim, Zürich, New York 1994, S. 12–24. 10 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 95.
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Thun“ als letzter mit einem Gedicht auf die Venus. Diese verweist in ihrer Eigenschaft als Abend- und Morgenstern oder „Erstlinger und End“,11 wie es bei Floridan heißt, programmatisch auf den Zusammenhang von Anfang und Ende des Tages und Textes, worauf zurückzukommen sein wird. Die Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey knüpft auch über die natürlich gegebene Zeit, die Jahreszeit, vage bestimmbar an das Pegnesische Schäfergedicht an. In diesem ist Herbst, in jenem Frühjahr, dies dürfte den faktualen Umständen der Entstehung halbwegs entsprechen. Wenn hingegen, wie im ersten Schäfergedicht oder in der Nymphe Noris, konkreter datierbare außerliterarische Umstände einfließen oder über die Anlassbezogenheit der Kasualschriften rekonstruierbar sind, spielt dieser Umstand üblicherweise keine größere Rolle. Das Verhältnis von Prätext und Posttext wird kaum im Sinne einer zeitlich nachvollziehbaren fortschreitenden Handlung expliziert, die Relationen werden präsent gehalten, aber mit Adverbien wie „unlangsten“12 oder „neulich“13 im Ungefähren belassen. Auch die „dritte und vierdte Fortsetzung/ oder den dritten und vierdten Theil der PegnitzSchäferey“, die Nymphe Noris, kennzeichnet eine entsprechende poetische Schlussgestaltung, die Tag- und Textende synchronisiert. Die ‚Erste Tagzeit‘ beendet Montano (Johann Hellwig) mit einem „Nachtliedlein“, dessen letzte Strophe das „End“ heilsgeschichtlich als göttlichen Plan auffasst: Darum werd ich fein sanft und ruhig schlaffen/ der Glaub an Gott bleibt meine Wehr’ und Waffen: den Leib/ die Seel ich stell’ in seine Händ/ und meinen Lauf nach seinem Willen E N D.14
Abb. 1: Johann Hellwig: Die Nymphe NORIS, Erste Tagzeit, S. 102. Exemplar der Universitätsbibliothek Leipzig, Signatur Lit.germ. E.190
11 Ebd., S. 103. 12 Hellwig, Die Nymphe Noris (wie Anm. 7), Andere Tagzeit, S. 197. 13 Nützlicher Pfeiff-Wollentausch. Auff die Weise: Lucidor hüt eins der Schaf Im Jahr 1646, unpag., Strophe 2. 14 Hellwig, Die Nymphe Noris (wie Anm. 7), Erste Tagzeit, S. 102.
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Stärker noch bewegt sich die ‚Andere Tagzeit‘ in gattungstypischen Bahnen, wenn sich das explizit gemachte „Ende“ syntaktisch und logisch aus der abendlichen Szene, mithin dem intradiegetisch beschriebenen Sonnenuntergang ergibt: Also sich in der Abendluft abkühlend/ hat er [Montano] nachmals sich so wol um seiner eigener Nothdurft begnüglicher Kost/ als seiner weichen Lämmer bedienlichen Futter umgesehen und Sorge getragen/ da indessen das helle Tagesliecht sich seiner Wacht entlediget seyn erfreuete/ die fernere Hut über dieses Erdenrund seiner Schwester/ der düstern Nacht anbefehlend/ und solcher Massen eilete zu seines Laufes E N D E.15
Abb. 2: Johann Hellwig: Die Nymphe NORIS, Andere Tagzeit, S. 197. Exemplar der Universitätsbibliothek Leipzig, Signatur Lit.germ. E.190
In allen diesen Fällen dient die Typographie der Doppelnatur der Textenden. Optisch präsentiert das Schriftbild das „ENDE“ als paratextuellen, mithin extradiegetischen Marker im Sinne einer gesetzten Grenze oder eines Abspanns, wie man ihn modern etwa aus dem Film kennt und wie er auch in barocken Texten allenthalben gegenwärtig ist. Tatsächlich aber ergibt sich das solchermaßen markierte, d. h. nach typographischen Konventionen des Werkabschlusses eingerichtete Ende aus der Diegese heraus: So deutlich dem Text ein Ende gesetzt ist, so bleibt doch klar, dass diese Setzung keine Setzung von außen ist, sondern ein ‚Selbstabschluss‘ der Narration, teilweise explizit in schäferlicher Figurenrede. Dass die
15 Ebd., Andere Tagzeit, S. 197.
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Inszenierung des Erzählabschlusses gerade in der visuellen Einrichtung des Textabschlusses ihren Ausdruck findet, lässt sich als Ausdruck jenes ausgeprägten Bewusstseins der ‚Nürnberger‘ für das spielerische Potenzial der Typographie verbuchen, wie es sich auch in ihrer Affinität zum Figurengedicht zeigt. Diese Form der zugleich inhaltlichen, syntaktischen, typographischen und nicht zuletzt programmatischen Inszenierung des Textschlusses, wie ihn die Pegnitz-Schäfereien entwickeln, ist ohne direktes Vorbild in der Geschichte der deutschsprachigen Schäferdichtung. Im Gegenteil: In Martin Opitz’ unmittelbar gattungsbildender Schäfferey von der Nimfen Hercinie fällt der „abschiede/ welchen die nunmehr anbrechende Nacht verursachte“, gerade nicht mit dem Textschluss zusammen. Vielmehr folgt diesem Abschied noch eine Reihe von vier Lobgedichten, deren letzter Reim nicht dem Hier und Jetzt des Werkabschlusses verpflichtet ist, sondern die Funktion der Schäferdichtung auf die panegyrisch erschriebene Unsterblichkeit hin entwirft: „Komm/ Thalia wirdt dir geben“, heißt es dort, „Einen krantz der ewigkeit.“16 Auch zeitgenössische Übertragungen von Schäferromanen, etwa die Diana durch Harsdörffer17 oder Sidneys Arcadia durch Opitz,18 weisen zwar Formen der narrativen Abmoderation auf – insbesondere die Diana –, nicht aber in dem beschriebenen Sinne des typographisch spielerisch umgesetzten performativen Zusammenfalls von Text- und Handlungsende. Das vielleicht bekannteste, in jedem Fall aber das folgenreichste dieser Textenden dürfte das des auftaktgebenden Pegnesischen Schäfergedichts in den Berinorgischen Gefilden sein. In seiner programmatischen Vermittlung von gattungsgeschichtlichen Konventionen, realhistorischem Anlass und narrativer Umsetzung bildet es eine cliffhangerähnliche Anschlussfähigkeit aus, die sich für den Gründungsmythos der Nürnberger Dichtergesellschaft als zentral erweist.
16 Martin Opitz: Schäfferey Von der Nimfen Hercinie. Gedruckt zu Brieg/ In verlegung David Müllers Buchhandlers in Breßlaw 1630, S. 66. 17 Vgl. exemplarisch den ersten Band: DIANA, Von H. J. De Monte-Major, in zweyen Theilen Spanisch beschrieben/ und aus denselben geteutschet Durch Weiland Den Wolgebornen Herrn/ Herrn Johann Ludwigen/ Freyherrn von Kueffstein/ etc. Anjetzo aber Mit deß Herrn C. G. Polo zuvor nie-gedollmetschtem dritten Theil vermehret/ und Mit reinteutschen Red- wie auch neuüblichen Reim-arten ausgezieret Durch G[eorg] P[hilipp] H[arsdörffer]. Gedruckt zu Nürnberg/ In Verlegung Michael Endters Im Jahr 1663, S. 49, S. 115, 138, 189, 220, 235. 18 ARCADIA Der Gräffin von Pembrock: Vom Herrn Graffen und Rittern Herrn Philippsen von Sidney In Englischer Sprach geschrieben/ auß derselbigen Frantzösisch/ vnd auß beyden erstlich Teutsch gegeben Durch VALENTINVM THEOCRITVM von Hirschberg: Jetzo allenthalben vffs new vbersehen vnd gebessert: die Gedichte aber vnd Reymen gantz anderst gemacht vnd vbersetzt Von dem Edlen vnd Vesten M.[artin] O.[pitz] V.[on] B.[oberfeld] Auch mit schönen Kupfferstücken gezieret vnd verlegt von MATTHÆO MERIAN. Getruckt zu Franckfurt am Mayn/ in Wolffgang Hoffmans Buchtruckerey/ im Jahr nach Christi Geburt 1638, S. 229, 461, 845, 927.
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Das „Gerücht“, die Göttin Fama, setzt ihre Trompete als Preis aus für das gelungenste Gedicht der Schäfer Strefon und Klajus auf jene beiden Paare aus den Nürnberger Geschlechtern der Tetzel, Haller von Hallerstein und Schlüsselfelder, deren Doppelhochzeit den kasualen Anlass für das Pegnesische Schäfergedicht bildet: „Nach diesem schwang sich das Gerüchte wieder in die Höhe/ ergriff die Trompeten und versprache/ solche/ als ein Preis aufzuwerfen und dem zu überreichen/ welcher unter ihnen beyden das schiklichste Gedicht von gedachten Herren herstammenden Hochzeitern und Hochzeiterinnen zu Ehren werde hören lassen.“19 Der damit beginnende Dichterwettstreit wird innerhalb des Pegnesischen Schäfergedichts nicht entschieden, denn der hereinbrechende Abend unterbricht Schäfer und Text und öffnet ihn für eine Fortsetzung, wie auch der unvermittelte Sprung vom erzählenden Präteritum in ein zeitlich sich unbestimmt ausdehnendes Präsens anzeigt: Jn dem war der übermütete Tag dahin/ und die braune Nachtschatten bedeuteten durch die heutere Lufft die Sorgenfreye Ruhe. Beyde Schäfer erwarten nun des Leutseligen Gerüchtes/ gerichtlichen und redlichen Entscheidungsspruches/ welchem nemlich unter ihnen der Preiß zugeurtheilet werden möchte/ als so wolgemeinter Dichtungen erfreuliches ENDE.20
Abb. 3: Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht, S. 47. Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Signatur 037/4 H 272, urn:nbn:de:bvb:12bsb11214636-7
Der ausbleibende Schiedsspruch des „Leutseligen Gerüchtes“ ist als aufgeschobenes Ende rückblickend ein Anfang, und zwar nicht in erster Linie Anfang eines Folgetextes, der explizit so betitelten Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey, sondern
19 Harsdörffer/Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 5), S. 29. 20 Ebd., S. 47, meine Hervorhebung.
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mit dieser auch Anfang des Pegnesischen Blumenordens, dessen erklärtes Ziel die fortgesetzte Textproduktion ist. Das „geflügelte Gerüchte“ tritt damit den Schäfern nicht nur in seiner äußerlichen Figur „wie es die Poeten beschreiben“ entgegen, nämlich „voller wachenden Augen/ redenden Zungen/ und zum Aufmerken bereiteten Ohren“, die Flügel „ohn Vnterlaß“ in Bewegung,21 vielmehr entspricht – trotz der deutlichen Metamorphose der Figur in der neuzeitlichen Rezeption22 – gerade die handlungsstiftende Funktion Famas dem, was „die Poeten beschreiben“: Fama ist schon in Vergils Aeneis nicht nur „the passive record of the past“, sondern auch im eigentlichen Sinne „agent within the narrative“, d. h. ein „active instigator of new developments“.23 Auch im Kontext der Pegnitzschäfereien initiiert das Gerücht die nachfolgenden Ereignisse, indem sie die umherstreifenden Schäfer-Dichter in den „Tempel der Ehrengedächtnis“ führt, vor allem aber indem sie mit ihrer Aufforderung „Singet nun wieder“24 die dichterische Tätigkeit Klajus’ und Strefons anregt. Daran schließt die Gründungslegende des Pegnesischen Blumenordens in der Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey an.25 Sie ist eine direkte Reaktion darauf, dass das Gerücht als „unparteyische Richterinn“ ihr „Richteramt“ nicht oder jedenfalls nicht zur Zufriedenheit der Schäfer wahrgenommen hatte: „Diese […] kame zwar wieder zu uns“, berichtet Klajus, „und lösete besagten Krantz von ihrer versilberten Trompeten/ aber sie wolte weiter keinen Ausspruch geben/ wem er unter uns beyden zustünde/ sondern erteilte allein unsren Gedichten durch ihrer Zungen eine einen schönen Lobspruch/ und verschwande sobald darauf vor unsren Augen“.26 Der Kranz, zuvor nur als ein in die Fahne der Trompete eingewirkter Lorbeerkranz erwähnt, ist nun mit Feldblumen durchsetzt. Er wird nach Echos weisem Rat zerschnitten und die Blumen dienen fortan als „das Bemerke unsrer Hirtengenoßschaft […]/ welche auch forthin die Ge
21 Ebd., S. 22. Dieser Beschreibung entspricht auch die Abbildung Famas mit Pan und Kalliope in Birkens Schäfergedicht, das als Zuschrift dem VI. Teil Harsdörffers Gesprächsspielen vorgedruckt ist, vgl. Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächsspiele. Hg. v. Irmgard Böttcher. Tübingen 1969, Teil VI., Nr. XII., S. 74 des ND. 22 Vgl. Philip R. Hardie: Rumour and renown. Representations of Fama in Western literature. Cambridge 2012. 23 Philip Hardie: ‘Why is Rumor here?’ Tracking virgilian and ovidian Fama. In: Ordia Prima 1 (2002), S. 67–80, hier S. 71. Hardie bemerkt im Speziellen mit Bezug auf Buch 4 der Aeneis: „one of the many duplicities of epic Fama is that she can be both the passive recorder of heroic deeds in the past, and also the active instigator of new developments within a heroic narrative“. 24 Harsdörffer/Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 5), S. 22 f. 25 Vgl. zur Gründungslegende und -phase Renate Jürgensen: Utile cum dulci. Die Blütezeit des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg 1644 bis 1744. Wiesbaden 1994, S. 11–37. 26 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 28 f.
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sellschaft der Blumen Schäfere heissen mag.“27 Während ein Sieg des einzelnen im Dichterwettstreit womöglich das „ENDE“ „so wohlgemeinter Dichtungen“ bedeutet hätte, wird mit dem Urteil auch das Ende auf unbestimmte Zeit aufgeschoben und damit „dieser Schäfer-Gesellschaft […] der Anfang gegeben“.28 Der im aufgeschobenen Ende des Pegnesischen Schäfergedichts begründete Anfang des Pegnesischen Blumenordens setzt den Dichter zurück hinter seine Gedichte, ihnen allein gilt der ‚schöne Lobspruch‘ der ‚unparteiischen Richterin‘ Fama. Tatsächlich hatten Strefon und Klajus es bei näherer Hinsicht auf genau diese Situation angelegt: Den Dichterwettstreit, den ihnen das Gerücht angetragen hatte, haben sie von Beginn an nicht als Wettkampf ausgeführt, sondern als Anlass zur gemeinsamen poetischen Produktion genutzt; in diesem Sinne ergibt sich die ‚Unzufriedenheit‘ der beiden Schäfer über den unparteiischen Richterspruch auch einzig aus ihrem Höflichkeitsideal, mithin der daraus resultierenden Frage, wie „ein jeder […] dem andern diese Ehr [den Kranz zu bekommen] aufdringen möchte“.29 Alle dargebotenen Gedichte im letzten Teil des Pegnesischen Schäfergedichts sind poetische Wechselreden zwischen Strefon und Klajus, mal vers- mal strophenweise. Zwar vertreten sie dort unterschiedliche Meinungen, etwa über die Liebe oder die Ehe, dies explizit aber nur „schertzweise“, d. h. zum Zwecke der rhetorisch-poetischen Übung.30 Die einzige Ausnahme bilden die zwei abschließenden ‚Ringelgedichte‘ bzw. Rondeaus. In ihnen kommen bezeichnenderweise denn auch nicht die Schäfer selbst zu Wort: Strefon will ein Gedicht auf die Ringelblume hören lassen, „und zwar als wann die Blume selbsten redete“, Klajus antwortet mit einem Gedicht auf „die frölichkeit welche sich bey diesem Feste findet“. „Ich setze“, lautet Klajus’ ‚Regieanweisung‘ zur nachfolgenden Rollenrede, „sie trette herein […] und […] beginne […] folgends zu singen“. Indem Strefon und Klajus den Wettstreit in ein geselliges Gesprächsspiel überführen und so einem „Entscheidungsspruch[…]“ des Gerüchts die Grundlage entziehen, suspendieren sie das „ENDE“ „so wolgemeinter Dichtungen“31 und öffnen es für eine Fortsetzung. Programmatische Funktion für die Pegnitzschäfereien als Fortsetzungsliteratur kommt nicht nur der Ursprungsszene des Dichterwettstreits zu, deren
27 Ebd., S. 32. 28 Ebd., S. 33. 29 Ebd., S. 32. 30 „Mein Strefon/ wie ich ihm jetzo nur schertzweise Obstat gehalten/ also will ich in einer andern Reimart seine Meinung behaupten/ er wird verständlich miteinstimmen.“ Harsdörffer/Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 5), S. 31. 31 Ebd., S. 46 f.
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agonales Moment Strefon und Klajus in ein kollaboratives überführen, programmatische Funktion kommt im gleichen Sinn auch der Fortsetzung der PegnitzSchäferey durch Floridan und Klajus zu. Sie zeigt, wie die gemeinsame literarische Produktion prozessual gedacht werden kann: prozessual im Sinne einer auf die Zukunft hin offenen gemeinschaftlichen dichterischen Tätigkeit, die Werke hervorbringt, die gattungskonform als ‚Tagzeiten‘ in sich abgeschlossene Einheiten sind und zugleich das Fortwirken der Mitglieder des Blumenordens zeigen und anregen. Fortsetzung ist die Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey also weniger auf der unmittelbaren Handlungsebene des bukolischen Abenteuers von Strefon und Klajus denn in ihrer unmittelbaren Existenz. Insofern mag es seine Richtigkeit haben, dass sie nicht ‚Fortsetzung des Pegnesischen Schäfergedichts‘ heißt, sondern mit Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey einen Titel trägt, der einerseits einen Werkzusammenhang nahelegt und andererseits als Gattungsbezeichnung in der Nachfolge von Opitz’ Hercinie zugleich von der Mehrdeutigkeit des Begriffs der ‚Schäferey‘ profitiert, der im ursprünglichen Sinne neben der Schafzucht vor allem „die gesamtheit der schäfer an einem orte“ und die „schäfergesellschaft“ bezeichnet.32 Es sind neben den größeren Prosaeklogen mit ihrem Geselligkeitsideal gerade auch die kleineren kasualen Schäferdichtungen, die von dem Fortwirken der ‚Pegnitzschäfer‘ als „Garanten und Konstruktuere des geforderten Zusammenhalts“ zeugen.33 Sie zielen allesamt auf eine Fortsetzung der Pegnitzschäferei im übertragenen Sinne einer sozialen Praxis fortgesetzter literarischer Aktivität der Dichtergesellschaft, deren Produkte schlecht mit ästhetischen Geschlossenheitsvorstellungen vermittelbar sind.34 Diesen Eindruck stützen nicht zuletzt zahlreiche paratextuelle Elemente, wie etwa der wiederholt genutzte Kupferstich des Pegnesischen Schäfergedichts oder der Stich der Fortsetzung, auf dessen markante Abbildung der Panflöte sich wiederum Titelformulierungen beziehen wie Lustge-
32 Siehe Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Online-Version, s.v. ‚Schäferei‘, Bd. 14, Sp. 2004. 33 Martin Disselkamp: „Der Pegnitz-Hirten Freuden-Klang“. Zu Funktion und Ideologie bukolischer Lieder in ‚pegnesischen‘ Hochzeitsdichtungen. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 105–138, hier S. 117. Zur Gelegenheitsdichtung des frühen Pegnesischen Blumenordens vgl. Jürgensen, Utile com dulci (wie Anm. 25), S. 136–141 sowie bibliographisch ausführlich Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006, S. 1–22. 34 Michael Schilling: Gesellschaft und Geselligkeit im Pegnesischen Schaefergedicht und seiner Fortsetzung. In: Wolfgang Adam (Hg.): Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter, Bd. 1. Wiesbaden 1997, S. 473–482. Schilling weist zurecht auf den Zusammenhang von Fortsetzung und Geselligkeit hin, die in der fiktiven und kollektiven Verfasserschaft der Texte ihren Ausdruck findet, vgl. ebd., S. 474 f.
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dicht […] auf der siebenröhrigen Schilffpfeiffen Pans wolmeinend gespielet von den Pegnitzhirten.35 Dabei ist es zumindest nicht ganz ungewöhnlich, dass Schriften aus dem Umkreis des frühen Pegnesischen Blumenordens explizit als „Fortsetzung“ bezeichnet werden. So wird neben der berühmten Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey etwa Des Süßspielenden Strephons Namens-feyer36 als „Fortsetzung der Frülingsfreude“37 bezeichnet, und auch Der Pegnitz-Schäfer Lobgedichte an den SPIELENDEN, dem fünften Teil der Frauenzimmer-Gesprächspiele vorgedruckt, stellen sich teilweise explizit als Fortsetzung des vorhergehenden Schäfergedichts38 oder als Folge der HirtenGedichte in einen gemeinsamen paratextuellen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang wird indes nicht in dem Maße narrativ fruchtbar gemacht, wie der Begriff ‚Fortsetzung‘ vorderhand vermuten lässt. Verbindungen ergeben sich dagegen in erster Linie aus der Weiterentwicklung der Gattung als Artikulationsmedium der Dichtergesellschaft und ihrer Mitglieder sowie aus der gemeinsamen Gestaltung des faktualen Naturraums der Umgebung von Nürnberg als literarisch überformten Sozialraum im Sinne der ‚Schäferey‘.39 Konsequent wie keine andere literarische Vereinigung des 17. Jahrhunderts setzen die Pegnitzhirten auf kollektive Autorschaft,40 die bis auf die Textstrukturen hin durchschlägt, etwa wenn Montano und Strephon anlässlich der „Heldengedächtnisse“ in der Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey gemeinsam dichten, und
35 Lustgedicht Zu hochzeitlichem Ehrenbegängniß Herrn D. Johann Röders/ und Junger Maria Rosina Schmidin/ auf der siebenröhrigen Schilffpreiffen Pans wolmeinend gespielet von den Pegnitzhirten. Nürnberg/ Bey Wolffgang Endtern 1645. 36 Strephons Namens-feyer (wie Anm. 8). 37 Der Pegnitz Hirten Frülings Freude/ Herrn M. Andre Jahnens und Junger Marien Simons Myrtenfeste gewidmet/ den vj. des Blumen Monats. Jm Jahre M. DC. X. L. V. [Nürnberg 1645], vgl. Jürgensen (wie Anm. 25), S. 5 f. 38 Johann Klaj: Fortsetzung des vorhergehenden Schäfergedichts. In: Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächsspiele (wie Anm. 21), V. Teil, unpag. fol. )( )( )( )( )( ijv-)( )( )( )( )( )( [= S. 64–78 des ND]. 39 Auf diesen Aspekt entfällt denn auch auch ein guter Teil der bisherigen Forschungsarbeiten, vgl. Klaus Garber: Wege in die Moderne. Historiographische, literarische und philosophische Studien aus dem Umkreis der alteuropäischen Arkadien-Utopie. Berlin, Boston 2012, Kap. 3: Der Nürnberger Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz. Soziale Mikroformen im schäferlichen Gewand; Eberhard Mannack: ‚Realistische‘ und metaphorische Darstellung im „Pegnesischen Schäfergedicht“. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 17 (1973), S. 154–165 sowie Ernst Rohmer: Friedenssehnsucht und Landschaftsbeschreibung. Der Realismus des ‘locus amoenus’ in der Dichtung der Pegnitz-Schäfer um 1650. In: Morgen-Glantz 9 (1999), S. 53–79. 40 Jürgensen, Utile cum dulci (wie Anm. 25), S. 137: „Der Pegnesische Blumenorden war die einzige der frühneuzeitlichen Poetengesellschaften, deren Mitglieder sich über einen längeren Zeitraum um die Ausbildung von Formen gemeinschaftlichen Dichtens bemühten.“
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zwar „nach der Spanischen Art“ der Diana. Montano will mit einem Lob der „güldne[n] Zeit der ersten Welt […] den Anfang machen“ und Strephon „seine [Montanos] letzten Reimworte behalten“, um die „letzte[…] Heldenzeit“ zu besingen. Anfang und Ende der historischen Zeit werden hier mit dem Idyll des Goldenen Zeitalters und der Kriegsgegenwart inhaltlich gegeneinander ausgespielt, wobei sich metrisch die gegenwärtige Heldenzeit aus den Reimen der „ersten Zeit“ ergibt.41 Die strophenweise Wiederaufnahme der von Montano ersonnenen Endreime durch Strephon ist in der Mikrostruktur des Gesprächreims ähnlich strukturanalog zum Fortsetzungsverhältnis der Pegnitzschäfereien selbst wie Strephons halbiertes Einsamkeits-Gedicht, das von Klajus und Montano „mit ungleichen Gedanken“ ergänzt wird, wobei die Differenz der Fortsetzung gerade den Witz „dieser seltsamen Abenteuer“ ausmacht, „[w]orüber sie dann alle lacheten“.42 Die Pegnitz-Schäfereien auf ihre Fortsetzungsstrukturen hin zu untersuchen gibt den Blick frei nicht nur auf gattungsspezifische Formen des Textab- und anschlusses, sondern auch auf die Selbstinszenierung des Nürnberger Hirten- und Blumenordens und seine literarische Praxis, wie sie im Besonderen in der Gründungsgeschichte der Fortsetzung zum Ausdruck kommt. Gerade in der fiktionalen Stilisierung, in deren Zentrum Klajus steht, zeigt sich die eigentlich narrative Machart der Gründungslegende, die, um eine Formulierung Hartmut Laufhüttes aufzugreifen, „hübsch, aber natürlich nicht ohne weiteres und ohne Abstriche auf außerfiktionale Realität zu übertragen“ ist.43 Der Beginn der Gesellschaft liegt, der Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey folgend, weder in dem Wettstreit, den das Gerücht aufgebracht hatte, noch in dem schäferlichen Abenteuer der Fortsetzung mit Pan, der den Pegnitz-Schäfern die siebenröhrige Pfeife schenkt, sondern in dem aufgeschobenen Ende des Pegnesischen Schäfergedichts, mithin in einem zeitlichen und darstellungslogischen Zwischenraum.44 Dieser nun wird durch Klajus’ Bericht „von dem Anlaß zu dieser unsrer Gesellschaft“45 nachträglich gefüllt, wobei die Forschung seit jeher mit einigem Unwillen deutliche Inkohärenzen registriert hat.46 Insbesondere die unvermittelte Wandlung des von Fa-
41 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 79 f. 42 Ebd., S. 73–77, hier S. 73, 76 f. 43 Hartmut Laufhütte: Gründung, Neugründung und Neuorientierung des Pegnesischen Blumenordens durch die beiden ersten Präsidenten. In: Ralf Bogner / Ralf Georg Czapla / Robert Seidel u. a. (Hg.): Realität als Herausforderung. Literatur in ihren konkreten historischen Kontexten. Berlin, New York 2011, S. 263–277, hier S. 265. 44 Hinsichtlich der Umstände der realgeschichtlichen Gründung gibt es Zweifel insbesondere am Zeitpunkt der Gründung, vgl. ebd., S. 265 f. 45 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 28. 46 Vgl. schon Franz, Johann Klaj (wie Anm. 3), S. 81.
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ma ausgelobten Preises von der ursprünglich erwähnten Trompete in einen Kranz irritiert. Mit Blick auf die Fortsetzungsstrukturen der Pegnitzschäfereien kommt diesem Umstand besondere Relevanz zu: Er zeigt, wie die Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey auf die narrative Anschlussfähigkeit des Pegnesischen Blumengedichts mit einer Aktualisierung antwortet, die als deutende auch Differenzen stiftet.47 Offen zeigt sich damit das Element der nachträglichen Auslegung oder Umdeutung, das jeder Fortsetzung innewohnt, zumal dann, wenn es sich um eine allographe Fortsetzung handelt, deren Verfasser nicht oder – nimmt man die Autorschaftsangabe des Erstdrucks zum Maßstab, bei der neben Floridan auch Klajus als Autor erscheint – nur in der Person Klajs identisch sind. Für die Frage nach dem Fortsetzungscharakter der Pegnitzschäfereien ist die faktische Autorschaft von untergeordneter Bedeutung gegenüber den ausgeprägten narrativen und fingierten Zusammenhängen und Diskontinuitäten, die Merkmale des schäferlichen Rollenspiels, mithin Gattungsmerkmale, in die spezifische Nürnberger Konstellation der literarischen Produktion überführen. Wesentlich ist, dass der Fortsetzung jenseits der freilich eher literarisch inszenierten als ‚realistischen‘ topographischen Kontinuität der Pegnitzauen und der gleichfalls bukolisch inszenierten personalen Identität der Schäfer kein bruchloser Narrationszusammenhang zugrunde liegt, der auf eine logisch intakte Diegese zielt.48 Das ist nicht der Maßstab, an dem die Texte als Fortsetzungliteratur sinnvoll zu messen sind. Sie zeigen vielmehr, wie unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftlichen Literaturproduktion des Schäferordens jedem Ende eines Werkes potenziell der Anfang eines neuen innewohnt und sich solchermaßen im gemeinsamen literarischen Tun Fortsetzungsstrukturen unterschiedlicher Verbindlichkeit ausbilden. Dieser Zusammenhang von Ende und Anfang wird an prominenter Stelle aufgegriffen, im Schlussgedicht der Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey: In solchem/ wie sie nunmehr bey ihren Hürden angelanget/ wolte Floridan/ weil er diesen Tag der Erste mit seinem Singen zu Felde gewesen/ auch in gleichem Thun der Letzte seyn/ beschlosse derhalben mit folgendem Ringelreimen.
47 Ähnlich verhält es sich mit Birkens späterer Umdeutung des Gesellschaftssinnbilds der Panflöte, dessen Motto „Mit Nutzen Erfreulich“ später ersetzt und umgedeutet wird in „Melos conspirant singuli in unum. Alle zu Einem Thon einstimmend“, vgl. Jürgensen, Utile cum dulci (wie Anm. 25), S. 57–62. 48 Zum ‚Realismus‘ der Darstellung in den Pegnitzschäfereien vgl. Mannack, ‚Realistische‘ und metaphorische Darstellung (wie Anm. 39) und Rohmer, Friedenssehnsucht (wie Anm. 39).
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Du Erstlinger und End - O blanker Nächtewinker Und heller Morgenstern/ Ich seh noch dein Geflinker/ Das heut den Morgen wieß/ den braunen Abend jetzt/ Du Bot der Nacht/ und wann die Sonn zu Wagen sitzt/ Du Erstlinger und End/ - Es geht zu Ruh die Welt: Bestirne/ wie du thust/ das dunkle Wolkenfeld/ Doch schaffe/ daß dein Liecht den Morgen morgen sende Mit Freuden wieder her/ Du Erstlinger und E N D E.49
Abb. 4: Sigmund von Birken, Johann Klaj: Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey, S. 103. Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München, Signatur Res/4 P.o.germ. 14 cb
49 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 102 f.
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Das ist – zuallererst – ein Zitat, ein Zitat nämlich des Schlussverses von Vergils 10. und letzter Ekloge: „ite domum saturae, venit Hesperus, ite capellae“, heißt es dort, „Geht nach Hause nun satt, geht – Hesperus kommt –, meine Ziegen.“50 Anders aber als der Hesperus-Schluss bei Vergil, den man mit Fug und Recht gattungsbildend nennen kann, kalkuliert Floridans Schluss mit der Doppelnatur des Abendsterns, der eben nicht nur Hesperus ist, sondern auch Lucifer, der Morgenstern, ein Künder der Sonne, einer neuen ‚Tagzeit‘, mithin einer neuen Fortsetzung. Die Venus ist indes, anders als es im Rondeau heißt, niemals am selben Tag Vorbote der Sonne und des Mondes, sondern erscheint als Abend- und Morgenstern immer nur in einem zeitlichen Nacheinander von mehreren Monaten. Das Statius-Zitat der Marginalie benennt diesen Umstand auch explizit. Dass in den Versen dieses zeitliche Nacheinander entgegen der zeitgenössisch durchaus bekannten astrophysikalischen Gesetze auf den Abstand zwischen Morgen und Abend verkürzt wird, macht – ähnlich wie im Fall der zum Kranz umgedeuteten Trompete – deutlich, dass Anfang und Ende literarisch modellierbar sind. Die Bukolik zeichnet sich nach Iser als „literarische Fiktionalität durch das Kenntlichmachen ihres Fingiertseins“ aus, entsprechend werden auch Fortsetzungsstrukturen in ihrer Eigenschaft als literarische Inszenierung bewusst gehalten.51 Dass die Pegnitz-Schäfereien mit der Venus in ihrer Doppelnatur von Morgen- und Abendstern ausgerechnet in einem Naturphänomen das passende Bild finden für die zugleich in sich abgeschlossenen und zur Fortsetzung offenen Nürnberger Schäferdichtungen, fügt sich zur Bukolik als Gattung imaginierter Natürlichkeit. Gerade im Aufbau des Rondeaus findet dies seinen formal adäquaten Ausdruck. Dessen eröffnender und schließender Kehrvers „Du Erstlinger und End(e)“ führt höchst kunstfertig vor, wovon er spricht: dem Zusammenfallen von Anfang und Ende im doppelten Zeichen der Venus. Ja, nicht zuletzt die intradiegetische Sprecherposition Floridans zeugt – typographisch eigens hervorgehoben – von diesem Zusammenfallen: Floridan, der „diesen Tag der Erste mit seinem Singen zu Felde gewesen“, ist „in gleichem Thun der Letzte“ und beschließt mit dem zirkulären Rondeau ein Werk, das nicht nur im Ende des vorangehenden Pegnesi-
50 Vergil, Hirtengedichte (wie Anm. 2), Ekloge 10, S. 120 f. Dieser intertextuelle Verweis entgeht Alt, der das Gedicht daher umstandslos als ein Lob Gottes versteht, der durch eine „Einheit von Anfang und Ende bestimmt“ sei, vgl. Peter-André Alt: Fragmentierung und Reorganisation arkanen Wissens. Zur Verarbeitung hermetischer Topoi in der barocken Bukolik. In: Scientia Poetica 12 (2008), S. 1–43, hier S. 32. Außer Frage steht die topische Qualität des Morgensterns als theologisch deutbarer Lichtbringer, angeredet wird hier mit „Erstlinger und End“ gleichwohl nicht Gott sondern – wie schon die Marginalie deutlich macht – Venus als Lucifer/Hesperus. 51 Iser, Das Fiktive (wie Anm. 1), S. 59.
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schen Schäfergedichts seinen narrativen Anfang nimmt, sondern dieses Ende als einen Anfang durch den Schäfer Klajus erzählen lässt und umdeutet, als den Anfang des Pegnesischen Blumenordens. Dabei lässt Floridan es sich nicht nehmen, in einer auf das „E N D E“ von Rondeau und Fortsetzung folgenden Schlußerinnerung dem Leser unter Bemühung eines Bescheidenheitstopos „[s]eine schlechte Arbeit“ typographisch eigens hervorgehoben als seine „Erstlinge“ anzudienen.52 Diese letzte Volte führt die Bezogenheit von Anfang und Ende erneut zurück auf die Ebene der realgeschichtlichen Akteure, mithin von der Ebene der fiktiven auf die Ebene der faktualen Autorschaft: Deutlich reklamiert das sich in der Schlußerinnerung artikulierende Ich die Autorschaft der Fortsetzung für sich. Dass hier die Sprecherposition Birken und nicht Klaj zuzuordnen ist, erhellt trotz fehlender Angabe eines Namens nicht allein aus der Druckvariante, die neben den „andern Weidgenossen“ nur Floridan als Verfasser namentlich nennt und Klajus’ Namen eliminiert, auch und insbesondere die Bezeichnung der vorangehenden Dichtungen als „Erstlinge“ verweist auf Sigmund von Birken, der mit der Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey neunzehnjährig erstmals mit einem größeren Werk in die literarische Öffentlichkeit tritt. „Bezüngtes Gerüchte/ Trieb unsrer Gedichte“, wird Fama im gesellschaftskonstituierenden „Bild-Reimen“ angeredet, Mach unsren Verbindungs-Bund Kund in dem weiten Rund Mit Stifften/ in Schrifften.53
Intradiegetisch empfehlen sich die Schäfer der Göttin des Ruhms mit einem kranzförmigen Figurengedicht, das Strefon Klajus’ Erzählung nach eingeschnitten hat „in eben den Ast/ woran zuvor das Gerüchte den Krantz gehenget“.54 Jenseits der bukolischen Fiktion sind es Sigmund von Birkens „Erstlinge“, die die Kunde von dem neuen „Verbindungs-Bund“ an der Pegnitz von der statischen Rindeninschrift – der offensichtlich bevorzugten semiöffentlichen Kommunikationsform der Schäfer55 – in das zirkulationsfähige Medium des Buchs überführen
52 „JCh gestehe dem gönstigem Leser gerne/ daß ich hierinnen in Vielem gefehlet/ massen ich auch hiemit ihme meine schlechte Arbeit zu gewogener Verbässerung dienstfreundlich will empfohlen haben/ des sichern Versprechens von demselben/ er werde in Ansehung so wohlgemeinten Absehens/ diese Erstlinge meiner Sinnen wegen ihrer Vnvollkommenheit nicht verdenklich halten.“ Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), Schlußerinnerung, S. 103. 53 Ebd., S. 33. 54 Ebd. 55 Vgl. schon den ersten Kontakt zwischen Klajus und Strefon in Harsdörffer/Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 5), S. 11 f.
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und damit in die literarische Welt hinaustragen. So steht die Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey am Anfang auch eines vergleichsweise erfolgreichen Dichterlebens im 17. Jahrhundert. Welche Rolle dagegen dem Schäfer Klajus jenseits der ihm von Floridan diegetisch zugewiesenen zukommt als Berichterstatter „von dem Anlaß zu dieser unsrer Gesellschaft“,56 welchen Anteil Johann Klaj mithin realhistorisch an der Fortsetzung des Pegnesischen Schäfergedichts hatte und ob er darüber hinaus für die Gründung des Ordens neben Harsdörffer tatsächlich verantwortlich zeichnet, ist eine andere Frage.57 Die Quellenlage gibt keinen Anlass zu größerer Hoffnung, dass sie überhaupt zu beantworten ist.
56 Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey (wie Anm. 4), S. 28. 57 „Klajs Rolle als Mitbegründer des Ordens ist aus Birkens Erzählung nicht zwingend abzuleiten.“ Laufhütte, Gründung (wie Anm. 43), S. 265.
Klaus Garber
Pegnesische pastoral-rustikale Kontrafaktur Klajs Schäfergedicht in den Nördgauer Gefilden (1648)
Gattung ‚Prosaekloge‘ Im Jahr 1644 erscheint Harsdörffers und Klajs Pegnesisches Schäfergedicht in den Berinorgischen Gefilden. Es begründet die Pflege der Schäferdichtung in Nürnberg, welche an keinem Ort im alten deutschen Sprachraum eine lebhaftere Zuwendung erfuhr als an den Ufern der Pegnitz. Zugleich markiert das Gedicht einen Einschnitt in der Geschichte der Schäferdichtung auf deutschem Boden. Formal gehört es dem in Deutschland von Opitz begründeten Mischtyp aus Vers und Prosa an. Funktional reiht es sich ein in die gleichfalls von Opitz vorgegebene Verpflichtung auf die poetische Behandlung eines gesellschaftlichen Anlasses. Ausrichtung der Schäferpoesie auf einen Anlass ist das Merkmal der Ekloge in der Nachfolge Vergils. Sie erscheint in der neulateinischen wie der volkssprachigen Version gemäß der Vergilschen Vorgabe durchweg in versifizierter Form. Opitz nimmt den anlass- und zumeist adressatenbezogenen Impetus der Ekloge auf, führt jedoch in seine Schäfferey Von der Nimfen Hercinie (1630) auch Prosapassagen ein. Diesem formal neuen bukolischen Typ will nomenklatorisch Rechnung getragen sein. Die Zugehörigkeit zur Ekloge und die Implantation der Prosa sollte gleichermaßen ausgewiesen sein. Der Begriff ‚Prosaekloge‘ reklamiert diese Kontamination. Eine präzisere Fassung ist notgedrungen umfänglicher: Anlassbezogene Schäferei im Wechsel von Vers und Prosa.1 Es existiert keine zweite pastorale Schöpfung, die eine so rasche und schließlich eine numerisch gleich reichhaltige Pflege auf deutschem Boden erfahren hätte wie der von Opitz mit der Hercinie ausgeprägte Formtyp. Entscheidend bleibt der Umstand, dass er sehr bald nach seiner Einführung die größten Lyriker des Jahrhunderts anregte, sich gleichfalls in ihm zu versuchen. Fünf Jahre nach der Hercinie erscheinen Paul Flemings Brockmann-Schäferei und Martin Rinckarts
1 Der Begriff ‚Prosaekloge‘ wurde eingeführt in Klaus Garber: Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln, Wien 1974 (Literatur und Leben, 16). Hier im ersten Teil ‚Typologie der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts‘ (S. 1–84) der Abschnitt zur Prosaekloge, S. 26–38. Der Begriff ist seither in Umlauf und hat, soweit zu sehen, keine Diskussion ausgelöst oder Kritik auf sich gezogen.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-016
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Müllerin-Stimme. Ein Jahr später liegt Gottfried Finckelthaus’ Trauerekloge für Leonhart Schwendendörffer vor. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts greift Dorothea Eleonore von Rosenthal in Schlesien den Formtyp zur Ehrung Zesens auf. Und 1642 ist der Geehrte selbst mit seinem Poetischen Rosenwälder Vorschmack zur Stelle, die erfahrene Huldigung tiefgründig erwidernd. Opitz hatte den Prototyp geschaffen. Innerhalb eines guten Dezenniums aber vollzieht sich das Wunder, dass eine jede der nachfolgenden Schäfereien eine eigenständige und wiederum unverwechselbare Ausprägung erfährt. Ein Grundmuster und motivische Anklänge bleiben erkennbar, nicht mehr. Das schäferliche Sprechen in Vers und Prosa hat einen imaginativen Prozess in Gang gesetzt, in dessen Vollzug der eben kreierten Gattung sogleich die reizvollsten, ungewöhnlichsten und nicht selten kühnsten Wendungen zuwachsen. Will schöpferische Nachahmung paradigmatisch studiert sein, so bietet sich die Prosaekloge allemal für einen derartigen poetologischen Lehrgang an. Nur der einlässlichen Lesung eines jeden einzelnen Textes mag es folglich gelingen, die je eigene Physiognomie auszumachen und in einer nicht selten Satz für Satz dem Gedicht folgenden Inspektion zu einem differenzierten Porträt zu geleiten. Das eben ist die Aufgabe einer gediegenen Gattungsgeschichte, wie sie auch der Prosaekloge zuteil werden sollte.
Einzug der Pastorale in Nürnberg Harsdörffer und Klaj stehen also 1644 bereits in einer erkennbaren Tradition. Es wäre folglich reizvoll, nach Spuren einer Rezeption Ausschau zu halten. So weit zu sehen, ist nur Opitz gegenwärtig, dies aber – wie bei der Vorgängerin und den Vorgängern – derart, dass der eigene Duktus in den Vordergrund tritt und die Spuren des Prototyps einem Palimpsest gleich allenfalls im Hintergrund sich abzeichnen. Mit Harsdörffers und Klajs Pegnesischem Schäfergedicht tritt ein weiteres Mal ein Nachfolger der Hercinie hervor, nun freilich mit einer Eigenschaft ausgestattet, der ihm eine Sonderstellung in der Geschichte der Prosaekloge verschafft – und dies gleichermaßen über den stilistischen Habitus, von dem hier nicht zu sprechen ist, wie über die Rezeption, welche singulär dasteht in der Gattungsgeschichte.2
2 Zur Nürnberger Schäferdichtung im Kontext des Nürnberger Hirten- und Blumenordens vgl. Klaus Garber: Nuremberg, Arcadia on the Pegnitz: The Self-Stylization of an Urban Sodality. In: Ders.: Imperiled Heritage: Tradition, History, and Utopia in Early Modern German Literature. Selected Essays. Edited and with an introduction by Max Reinhart. Idershot, Singapore, Sidney 2000 (Studies in European Cultural Transition, 5), S. 117–208. Ders.: Der Nürnberger Hirten- und
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Das Gedicht führt die beiden Protagonisten zusammen. Ihre erste Begegnung ist vermittelt über Poesie. Poetisieren bleibt ihr Hauptgeschäft. Die biographischen und historischen Reminiszenzen, beide typisch für die Ekloge, sind umspielt von lyrischen Erfindungen, mit und in denen sie ihr poetisches Leben gewinnen. Und so nicht anders im Blick auf die poetische Würdigung des Anlasses in Gestalt einer Doppelhochzeit in patrizischem Milieu. Dieses Schäfergedicht aktualisiert die musische Mitgift der Pastorale als deren hervorstechendes, ja konstitutives Vermächtnis. Das Schäfergedicht ist das einzig dastehende Medium zur Ausstellung poetischer Kunstfertigkeit. Sein Gelingen bemisst sich allein nach dem nicht zu erschöpfenden Reichtum an artistischer Finesse wie an allegorischer Doppelsinnigkeit. Durchgängige Musikalität und Polysemantik kreuzen sich in ihm und qualifizieren es zu einem schäferlich drapierten Musterbuch avanciertester Verskunst und hintergründigem Sprachspiels.3 Diese nur eben angedeutete Anlage muss in Anschlag gebracht werden, wenn anders ein Rätsel seine Lösung finden soll, das sich an das Erscheinen des Pegnesischen Schäfergedichts knüpft. Es begründet nach Opitz eine neue Form pastoralen Sprechens, zunächst vornehmlich in Nürnberg, alsbald aber auch an anderen Ortschaften des alten deutschen Sprachraums. Und es verknüpft sich mit der Gründung einer Sozietät, für die es als eine Initialzündung fungierte. Beide As-
Blumenorden an der Pegnitz. Soziale Mikroformen im schäferlichen Gewand. In: Ders.: Wege in die Moderne. Historiographische, literarische und philosophische Studien aus dem Umkreis der alteuropäischen Arkadien-Utopie. Hg. von Stefan Anders / Axel E. Walter. Berlin, Boston 2012, S. 223–341. Schließlich mag verwiesen sein auf: Ders.: Pastorales Dichten des Pegnesischen Blumenordens in der Sozietätsbewegung des 17. Jahrhunderts. Ein Konspekt in 13 Thesen. In: John Roger Paas (Hg.): ‚der Franken Rom‘. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 146–154. Zu den sprachphilosophischen Grundlagen der Nürnberger Pastorale sehr erhellend die Studie von Jane O. Newman: Pastoral Conventions. Poetry, Language, and Thought in Seventeenth-Century Nuremberg. Baltimore, London 1990. 3 Zum ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘ Harsdörffers und Klajs vgl. etwa: Silvia S. Tschopp: Friedensentwurf. Zum Verhältnis von poetischer Struktur und historischem Gehalt im ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘ von G. Ph. Harsdörffer und J. Klaj. In: Compar(a)ison 1993, S. 217–237. Sodann Michael Schilling: Gesellschaft und Geselligkeit im ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘ und seiner ‚Fortsetzung‘. In: Wolfgang Adam (Hg.): Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter. Band I–II. Wiesbaden 1997 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 28), Band I, S. 473–482; Klaus Garber: The Pastoral Archetype of the Nuremberg Sodality. In: Nuremberg, Arcadia on the Pegnitz (wie Anm. 2), S. 125–141; ders.: Pastorale Aufrichtigkeit. Ein Blick in Harsdörffers und Klajs ‚Pegnesisches Schäfergedicht‘. In: Claudia Benthien / Steffen Martus (Hg.): Die Kunst der Aufrichtigkeit im 17. Jahrhundert. Tübingen 2006 (Frühe Neuzeit, 114), S. 191–206. Der Text selbst leicht greifbar in: Georg Philipp Harsdörffer / Sigmund von Birken / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645. Hg. von Klaus Garber. Tübingen 1966 (Deutsche Neudrucke. Reihe Barock, 8).
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pekte sind für einen Moment lang zu sondern, um dann sogleich wieder zusammengeführt zu werden. Die Jahre 1645 und 1646 sind für die Frühgeschichte der Pastorale auf Nürnberger Boden die beiden einschlägigen. Das Pegnesische Schäfergedicht löst in Praxis und Theorie einen Boom aus. Und das in Form von Verseklogen wie in prosimetrischen Bildungen gleichermaßen.4 Im ‚Blumenmonat‘ des Jahres 1645 erscheint eine kleine Prosaekloge anlässlich einer Hochzeit.5 Im ‚Rosenmonat‘ des nämlichen Jahres wird Harsdörffer wiederum in der Miniatur einer Prosaekloge zum Namenstag geehrt.6 Das kleine Stück ist ausdrücklich als ‚Fortsetzung der Frühlingsfreude‘ deklariert; frühzeitig also macht sich ein Bestreben geltend, Sukzession zu markieren. 1645 erscheint der fünfte Teil von Harsdörffers Gesprächspielen.7 So als hätte die Kollegenschaft nur darauf gewartet, zur Schäferflöte greifen zu können, zierten sie den Vorspann mit pastoralen Beiträgen. Konrad Osthof aus Stade ist mit einer Versekloge zur Stelle. Drei Hirten tun sich zusammen, um die ‚neuen Lieder‘ des ‚Spielenden‘ zu besingen. An späterer Stelle ‚folgen der Pegnitz-Schäfer Lobgedichte an den Spielenden‘, und dies in Gestalt einer Prosaekloge. Die schäferliche Gesellschaft hat sich formiert, die Beiträger verstehen sich ausdrücklich als
4 Vgl. die Dokumentation bei Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 50). Vgl. zum Kontext auch die wichtige Studie zum Orden von Renate Jürgensen: Utile cum dulci – Mit Nutzen erfreulich. Die Blütezeit des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg 1644 bis 1744. Wiesbaden 1994. 5 Vgl. Der Pegnitz Hirten FrülingsFreude/ Herrn M. Andre Jahnens und Jungfer Marien Simons Myrtenfeste gewidmet/ den vj. des BlumenMonats. Jm Jahr M.DC.XLV. Kein Geringerer als Johannes Saubert ehrt den Verfasser mit einer Zuschrift. 6 Vgl.: Des Süßspielenden Strephons Namens=feyer feyret unsre PegnitzSchäferleyer den I Des Rosenmonats. [Über dem Text:] Fortsetzung der Frülingsfreude. 7 Es ist das große Verdienst von Irmgard Böttcher, die ‚Frauenzimmer-Gesprächspiele‘ bzw. die ‚Gesprechspiele‘ von Harsdörffer, die zwischen 1641 und 1649 in acht querformatigen Oktavbänden erschienen, in einem ansprechenden Reprint wieder zugänglich gemacht zu haben. Vgl.: Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele. Hg. von Irmgard Böttcher. I. [bis] VIII. Teil. Tübingen 1968–1969 (Deutsche Neudrucke. Reihe Barock, 13–20). Ein geplanter Ergänzungsband mit den editorischen Beigaben erschien leider nicht mehr. Vgl. daher von Irmgard Böttcher vor allem den wichtigen Beitrag zu Harsdörffer, der de facto zugleich ein Ordensporträt bietet: Der Nürnberger Georg Philipp Harsdörffer. In: Harald Steinhagen / Benno von Wiese (Hg.): Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk. Berlin 1984, S. 289–346. Vgl. jetzt auch: Ulrich Ernst: Litteratura lusoria. Spiel als ästhetische Zentralkategorie bei Georg Philipp Harsdörffer. In: Dirk Kretzschmar u.a. (Hg.): Spiel und Ernst. Formen – Poetiken – Zuschreibungen. Zum Gedenken an Erika Greber. Würzburg 2014 (Literatura, 31), S. 167–223. – Die im Folgenden namhaft gemachten Schäfergedichte aus den ‚Frauenzimmer-Gesprächspielen‘ brauchen angesichts der leichten Verfügbarkeit in dem Reprint im Einzelnen nicht nachgewiesen zu werden.
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‚Pegnitzschäfer‘. Johann Helwig, Samuel Hund und Johann Klaj versuchen sich in der neuen Form, der letztere, indem er seinen Beitrag wiederum als ‚Fortsetzung des vorhergehenden Schäfergedichts‘ deklariert. In einer weiteren Prosaekloge, ausdrücklich als ‚Folge der HirtenGedichte‘ bezeichnet, tun sich Sigmund von Birken, Johann Sechst und Christoph Arnold zusammen. Die Mitglieder der Gesellschaft sind also so gut wie alle beieinander und ihr vornehmstes poetisches Vehikel ist das Schäfergedicht. Der Bedichtete selbst ergreift abschließend das Wort. Dankgedicht des Verfassers der Gesprächspiele für die vorhergehende Lobschriften ist sein Beitrag betitelt und selbstverständlich bleibt auch er im schäferlichen Milieu und das neuerlich in prosimetrischer Façon. Doch damit nicht genug, setzt sich das Spiel im Vorspann zum sechsten Teil der Gesprächspiele fort, neuerlich eingeführt unter einer Art Sammeltitel: Folgen Etliche Hirtengedichte. Wieder ist Johann Helwig der erste mit einer Prosaekloge, Johann Georg Volkamer (Helianthus) folgt ihm. Samuel Hund bietet einen dialogischen schäferlichen Gesang und lässt ein Alexandrinergedicht folgen. Die kleine pastorale Sequenz wird unterbrochen durch einen tollkühnen Beitrag Klajs und durch eine trochäische Ode aus der Feder von ‚Amintas‘. Sodann lenkt Birken mit einem explizit so bezeichneten ‚Schäfergedicht‘ zur Prosaekloge zurück. Friedrich Lochner und Johann Sechst lassen sich mit daktylischen Versen vernehmen. Und den Beschluss macht ‚Lerian‘ mit einem kleinen prosimetrischen Schäfergedicht, bevor der Stab noch einmal weitergereicht wird an den Geehrten. Der steuert eine ‚Erinnerung An Herrn Klügelgerne‘ und sodann – wiederum in pastoral-prosimetrischer Manier – ein abschließendes ‚Dankgedicht‘ bei. Die kleine pastorale Erzählung hat sich also durchaus auch für die Behandlung kurzer Glückwünsche im Vorspann zu einem Werk bewährt. Ihre genuine Ausprägung jedoch bleibt das selbständige großräumigere Schäfergedicht in der Nachfolge der Hercinie. Die kleine Revue ist indes noch nicht ganz ans Ende gelangt. Nicht vergessen werden darf, dass in Harsdörffers Überarbeitung der Kuefsteinschen Diana-Übersetzung von Jorge de Montemajor ein ‚Nohtwendiger Vorbericht‘ steht, der die wichtigste Äußerung zur Gattung Schäferdichtung aus Harsdörffers Feder darstellt.8 Sie geht hinaus über seine knappe Adresse an den ‚Hochgeehrten Leser‘ im
8 Vgl.: Diana, Von H.J. De Monte-Major, in zweyen Theilen Spanisch beschrieben/ und aus denselben geteutschet Durch Weiland Den wolgebornen Herrn/ Herrn Johann Ludwigen Freyherrn von Kueffstein/ etc. An jetzo aber Mit deß Herrn C.G. Polo zuvor nie=gedolmetschten dritten Theil vermehret/ und Mit reinteutschen Red= wie auch neu=üblichen Reim=arten ausgezieret Durch G.P.H. Gedruckt zu Nürnberg/ Jn Verlegung Michael Endters. Jm Jahr 1646. – Reprint dieser Ausgabe (ohne herausgeberische Beigaben) Darmstadt 1970. – Hier fol. π1v die von Harsdörffer herrührende Widmung des Werkes „An die Löblichen Teutschen Hirten Deß Rheins/ der Danau/ [!]
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Vorspann zu Harsdörffers und Klajs Pegnesischem Schäfergedicht, der ja gleichfalls das allegorische Wesen der Pastorale akzentuiert. Und sie reicht in ihrem thematischen Radius auch weiter als die Charakteristik, die das ‚Schäfergedicht‘ im fünften Band der Gesprächspiele selbst erfährt.9 Schließlich sei auch erinnert, dass Harsdörffer im Jahr 1647 der Programmschrift von Carl Gustav von Hille zur ‚Fruchtbringenden Gesellschaft‘ ein ‚Lobgedicht zu Erklärung des Kupfertitels beygefüget von Dem Spielenden‘ verfertigt hatte, das gleichfalls dem Formtypus der Prosaekloge verpflichtet ist.10 Binnen kürzester Frist ist das Schäfergedicht in der bevorzugten Form aus Prosa und Vers in Nürnberg heimisch und zum Markenzeichen der Personen geworden, die sich als ‚Hirten‘ daselbst zusammengetan haben zum geselligen, von Poesie inspirierten gemeinsamen Wirken. Eine große Zukunft sollte der Form bevorstehen. Und wenn einem einzelnen das Verdienst in dieser Hinsicht in besonderem Maße gebührt, so ist es Sigmund von Birken. Bei ihm müssen wir einen Moment verweilen, denn auch das Klajsche Poem ist ohne Birkens Initiative schwerlich verständlich.
Pastorale Konstitution des ‚Pegnesischen Blumenordens‘ Ein Jahr nach dem Pegnesischen Schäfergedicht erscheint, wie bekannt, eine Fortsetzung der Pegnitz=Schäferey. ‚Fortsetzungen‘ waren, wie eben gehört, rasch nach dem Erscheinen des Erstlings gängige Praxis geworden, gleichgültig, wie es
und der Elbe“. Es folgt fol. π2r – π3r ‚Die Zuschrifft‘, beginnend: „Löbliche Hirten/ geehrte Freunde.“ Sie ist unterzeichnet: „Euer getreuer Freund Strephon.“ Fol. π3v steht ein poetologisches Zitat aus der Vorrede zum ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘, dem sich fol. π4r–2π6v ein ‚Nothwendiger Vorbericht‘ anschließt, welcher eben nochmals der Theorie der Schäferdichtung gewidmet ist. 9 Vgl. Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele. V. Teil (1645). Reprint 1969 (wie Anm. 7), S. 315–325, im Reprint mit einer zusätzlichen neuen Paginierung S. 440–450. 10 Vgl. Carl Gustav von Hille: Der Teutsche Palmbaum: Das ist/ Lobschrift Von der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft Anfang/ Satzungen/ Vorhaben/ Namen/ Sprüchen/ Gemählen/ Schriften und unverwelklichem Tugendruhm. Allen Liebhabern der Teutschen Sprache zu dienlicher Nachrichtung verfasset/ durch den Vnverdrossenen Diener derselben. Mit vielen kunstzierlichen Kupfern gedrukkt/ und verlegt durch Wolffgang Endtern. Nürnberg 1647. Reprint München 1970 (Die Fruchtbringende Gesellschaft. Quellen und Dokumente, 2). Hier das ‚Lobgedicht‘ Harsdörffers fol. 3π1v–3π8v. Auch dieses Gedicht leistet nochmals einen wichtigen Beitrag zur Formierung der Prosaekloge in Nürnberg, ohne dass an dieser Stelle nähere Einzelheiten namhaft gemacht werden könnten.
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um die Datierungen in dem ‚Pastoraljahr‘ 1645 im einzelnen bestellt sein mag. Die Fortsetzung gab und gibt Rätsel auf, die mit der Gestaltung des Titelblatts beginnen. Es sind Exemplare in Umlauf, in denen ‚Floridan und Klajus‘ als Verfasser erscheinen, und andere, in denen nur ‚Floridan‘ als solcher ausgewiesen ist. Wohlgemerkt, beide Versionen erscheinen im nämlichen Jahr; in beiden Fällen erfolgt ein Zusatz: ‚mit Beystimmung jhrer andern Weidgenossen‘ bzw. ‚mit Beystimmung seiner andern Weidgenossen‘. Die Schäfergemeinschaft hat sich formiert und die geräumige Prosaekloge ist das gegebene Medium, sie zu Wort kommen zu lassen.11 Was aber mag den einen der beiden Schäfer, Floridan, bewogen haben, den Namen seines Mitschäfers als Verfasser einmal aufzuführen und sodann fortzulassen, und das binnen kürzester Frist.12 Es ist dies ein spektakulärer und womöglich singulärer Vorgang. Schließlich war nicht ein Anonymus betroffen, sondern ein Dichter, der soeben zusammen mit Harsdörffer ein fulminantes Zeugnis seiner Kunst abgelegt hatte. Um es in einem Satz zu sagen: Die Gründe für die titularische Rochade sind unbekannt und werden sich aller Voraussicht nach nicht mehr aufklären lassen. Nur so viel dürfte mit relativer Sicherheit zu konstatieren sein, dass Birken sich zu dem aufsehenerregenden Schritt nicht alleine ermächtigt gesehen, sondern eine Abstimmung vermutlich mit Harsdörffer vorgenommen hat. Doch auch mit dieser Annahme ist das Rätsel nicht gelöst, was den alleine verbliebenen Autor bewogen haben mag, sich seines Kompagnons auf der Visi-
11 Auch die ‚Fortsetzung Der Pegnitz=Schäferey‘ ist über den oben Anm. 3 zitierten Reprint leicht greifbar. Zu dem Text selbst liegt unseres Wissens keine eigene Abhandlung vor. Es darf verwiesen werden auf Klaus Garber: Surpassing the Prototype: Birken’s ‚Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey‘. In: Ders., Nuremberg, Arcadia on the Pegnitz (wie Anm. 2), S. 142–165. 12 Vgl. die näheren Hinweise in dem Abschnitt ‚Quellen‘ des Nachworts zu dem oben Anm. 3 zitierten Reprint, S. 29*–32*. Hier auch Näheres zu den bibliographischen Problemen, wie sie sich mit ‚Der Pegnitz Hirten FrülingsFreude‘ sowie ‚Des Süßspielenden Strephons Namens=feyer‘ verbinden, die oben erwähnt und in Anm. 5 und 6 zitiert wurden. Der erste Biograph Birkens und spätere Ordenspräsident Martin Limburger weiß nichts von einer Beteiligung Klajs an der ‚Fortsetzung‘, ausgenommen die poetischen Beiträge. In der ‚Betrübten Pegnesis‘ heißt es, Birken habe das Werk „in seinem achtzehenden Alter=Jahre/ zur Ubung geschrieben“, und Harsdörffer aber dafür Sorge getragen, dass sie das Licht der Welt erblickte (S. 176). Vgl. Die Betrübte Pegnesis/ Den Leben/ Kunst- und Tugend-Wandel Des Seelig-Edlen Floridans/ H. Sigm. von Birken/ Com. Pal. Caes. Durch 24 Sinn-bilder/ in Kupfern Zur schuldigen Nach-Ehre/ fürstellend/ Und mit Gespräch= und Reim-Gedichten erklärend/ Durch ihre Blumen-Hirten. Nürnberg/ druckts Christian Sigm. Froberg. Zu finden daselbst bey Joh. Jac. von Sandrart/ und in Frankfurt und Leipzig bey David Funken/ Kunst= und Buchhändlern. 1683. Hier das Zitat S. 176. Es liegt auch eine Titelauflage aus dem Jahr 1684 vor, die einem Reprint zugrundegelegt wurde: Die Betrübte Pegnesis. Mit einem Nachwort von Dietrich Jöns. Hildesheim, Zürich, New York 1993 (Emblematisches Cabinet). Die Ausgaben sind seitenidentisch.
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tenkarte des Werkes zu entledigen. Es müssen gewichtige Gründe vorgelegen haben. Zu einem längerwährenden Bruch ist es gleichwohl nicht gekommen, wie aus einer Reihe von Zeugnissen ersichtlich. Birken nun hat die soeben erst in Umlauf gelangende Form einer merklichen Umrüstung unterzogen. Die Einzelheiten müssen an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Wir hörten, wie gerne sich die soeben auf diesen Namen getauften ‚Pegnitzhirten‘ der neuen Form bedienten und sich die Bälle zuspielten. Das aber geschah en miniature. Birken nun schwellt den von Harsdörffer und Klaj vorgegebenen Umfang auf mehr als das Doppelte auf. Seine Fortsetzung ist das bislang umfänglichste Stück in der kleinen Reihe seit Erscheinen der Opitzschen ‚Hercinie‘. Sie ist allemal auf Überbietung aus und das gleichermaßen im Blick auf die in der Schäferei verhandelten Themen wie die Nutzung der stilistischen Mittel vor allem auf der Ebene der Bildlichkeit und Metaphorik. Ein Eintrittsbillet in den Kreis der Pegnitzschäfer wird gefertigt, dem unterschwellig der Anspruch beigesellt ist, fortan wenigstens ebenbürtig neben den Gründern der Gattung dazustehen, am liebsten jedoch sie zu übertreffen. Hier ist ein einziger Themenkomplex von Belang, weil er zurückführt zu Harsdörffer und vor allem zu Klaj. Im Pegnesischen Schäfergedicht vereinen sich die beiden Schäfer in bukolischer Manier, wie sie von Theokrit und Vergil bereits begründet wurde, zu einem Wettgesang. Dieser geht, auch dieses schon bei den Archegeten vorgegeben, unentschieden aus. ‚Fama‘, zum Richtspruch bestellt, vermeidet die Auszeichnung einer der beiden. Statt dessen wird die Entscheidung der Zukunft anheimgestellt. Für den gegenwärtigen Tag hat das schäferliche Treiben ein Ende. Wie schon Vergil inszenieren auch Harsdörffer und Klaj einen abendlich gestimmten Abschluss. „Jn dem war der übermütete Tag dahin/ und die braune Nachtschatten bedeuteten durch die heutere Lufft die Sorgenfreye Ruhe. Beyde Schäfer erwarten nun des Leutseligen Gerüchtes/ gerichtlichen und redlichen Entscheidspruches/ welchem nemlich unter ihnen der Preiß zugeurtheilet werden möchte/ als so wolgemeinter Dichtungen erfreuliches ENDE.“13 Dieses offene Ende macht sich der Literaturstratege Birken, als welcher er mit seiner ersten größeren Schöpfung sogleich hervortritt, zunutze. Er nimmt das Motiv des Wettgesangs wieder auf, entwickelt es weiter und führt es nicht nur nicht zu einem versöhnlichen Abschluss, sondern spinnt eine komplette sozietäre Gründungsgeschichte aus ihm heraus. Der Kranz, der da als Preis ausgesetzt war, ist ein aus vielen verschiedenen Blumen gewundener. Der Nymphe Echo ist es vorbehalten, den beiden Sängern auf die Sprünge zu helfen. Dem Kranz nämlich ist eine höhere Bestimmung zuerkannt als nur zu einer Trophäe für einen der bei-
13 Harsdörffer/Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 3), S. 47.
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den Schäfer zu dienen. Er will wieder aufgelöst sein, auf dass den beiden Wettsängern und sodann einem jeden in den Kreis der Pegnitzschäfer Eintretenden eine Blume ihrer Wahl zugeeignet werden kann.14 Damit ist gleich mehreres in einem Atemzug bewerkstelligt. Ein Gründungsakt ist vollzogen. Die schäferlichen Mitsänger sehen sich zu einem Kreis zusammengeführt. Dieser erhält einen zwanglos aus der Erzählung herausgesponnenen Namen: Hirten- und Blumen-Orden. Es ist also ausdrücklich ein Orden, der sich da konstituiert, und des Näheren ein solcher, in dem Poeten, in dem Sangesfreudige, als Hirten kostümiert, sich zusammentun. Und wie die illustren Vorgänger dieses ‚Ordens‘ zumal in Italien und anderwärts und nun auch in Deutschland – angefangen bei der ‚Fruchtbringenden Gesellschaft‘ – ist ein jedes Mitglied ausgestattet mit einem Emblem, hier einer Blume und womöglich einem farbigen Seidenband. Geeint wissen sie sich in der Verehrung der Hirtenflöte, wie sie ihrer aller Stammvater Pan mit sich führte. Wer all dies aber kunstvoll ersinnt und der Gesellschaft einen Gründungmythos verschafft, darf wohl für sich in Anspruch nehmen, als eine herausragende Gestalt im Kreis der Pegnitzschäfer wahrgenommen zu werden. Will man es pointiert formulieren, so ist in dem schäferlichen Erzähler des Jahres 1645 bereits der Ordens-Präses des Jahres 1662 verpuppt gegenwärtig. Der aber wusste sich bei seinem zweiten Anlauf auch noch eine explizite gründerfigürliche Aitiologie zu verschaffen.15 In diesem denkwürdigen pastoralen Treiben ist nun auch das Bild Klajs zu vergegenwärtigen. Wir haben von dem einen und anderen pastoralen Beitrag aus seiner Feder gehört. In den beiden pastoralen Gründungsdokumenten ist sein Name im einen Fall auf Dauer gegenwärtig, im anderen war er dies zumindest für ei-
14 Vgl. die kleine Geschichte in der ‚Fortsetzung‘ (wie Anm. 11) nebst der ‚Vrtheilheischung‘ durch ‚Echo‘ (so die entsprechende Marginalie), S. 28–36. 15 Vgl. Hartmut Laufhütte: Gründung, Neugründung und Neuorientierung des Pegnesischen Blumenordens durch die beiden ersten Präsidenten. In: Ralf Bogner u. a. (Hg.): Realität als Herausforderung. Literatur in ihren konkreten historischen Kontexten. Festschrift Wilhelm Kühlmann. Berlin, New York 2011, S. 263–277. Wieder abgedruckt in: Hartmut Laufhütte (Hg.): Der Pegnesische Blumenorden unter der Präsidentschaft Sigmund von Birkens. Gesammelte Studien der Forschungsstelle Frühe Neuzeit an der Universität Passau (2007–2013). Passau 2013, S. 173– 185. Vgl. von Hartmut Laufhütte auch den wichtigen Band: Sigmund von Birken. Leben, Werk und Nachleben. Gesammelte Studien. Mit einem Vorwort von Klaus Garber. Passau 2007. Schließlich hinzuzunehmen: Klaus Garber: Sigmund von Birken. Städtischer Ordenspräsident und höfischer Dichter. Historisch-soziologischer Umriß seiner Gestalt, Analyse seines Nachlasses und Prolegomenon zur Edition seines Werkes. In: Martin Bircher / Ferdinand van Ingen (Hg.): Sprachgesellschaften, Sozietäten, Dichtergruppen. Hamburg 1978 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 7), S. 223–254. Eingegangen in: Ders.: Literatur und Kultur im Deutschland der Frühen Neuzeit. Paderborn 2017, S. 711–736.
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ne knapp bemessene Weile. Fünf Jahre nach dem Erstling erscheint ein weiteres prominentes Schäfergedicht aus der Feder von Johann Helwig, das sich, da zweiteilig aufgebaut, als dritte und vierte Folge der Pegnitz-Schäferei ausgibt.16 Und wiederum spielt Klaj in ihm eine bedeutende Rolle. Helwig ist merklich ein Verehrer gerade Klajs – wie sonst womöglich nur der spätere Ordenspräsident Martin Limburger, der Klaj eine Hommage hat zuteil werden lassen, die einzig dastehen dürfte unter den Nürnbergern.17 Zwischen den beiden Erstlingen aber aus den
16 Vgl.: Johan Helwig: Die Nymphe Noris Jn Zweyen Tagzeiten vorgestellet; DArbey mancherley schöne Gedichte/ und warhafte Geschichte/ nebenst unterschiedlichen lustigen Rätzeln/ Sinn= und Reimbildern/ auch artigen Gebänden mitangebracht. Durch einen Mitgenossen der PegnitzSchäfer etc. Nürnberg. Gedrukkt und verlegt bey Jeremia Dümler. Jm Jahr 1650. Die Bemühung um den Dichter Johan Helwig in der schönsten Form einer Trias aus Edition, Bibliographie und Interpretation ist Max Reinhart zu danken. Vgl. Johann Hellwig’s ‚Die Nymphe Noris‘ (1650). A Critical Edition. Edited by Max Reinhart. Columbia, SC 1994. Die Edition wird eröffnet mit einer ausführlichen Einführung in das Werk, seine Traditionsgeschichte und seine Stellung in der Nürnberger Stadt- und Literaturgeschichte und abgeschlossen mit einer eingehenden Bibliographie der Quellen in der europäischen Literatur und der wissenschaftlichen Literatur. Der Edition tritt die eingehend erschließende Bibliographie des schmalen Helwigschen Werkes und der chronologisch angeordneten und annotierten wissenschaftlichen Literatur zur Seite, eingeleitet von der ausführlichsten bislang vorliegenden und aus den derzeit verfügbaren Quellen geschöpften Biographie: Johann Hellwig. A Descriptive Bibliography. Compiled and with an Introduction and Notes. Columbia, SC 1993 (Studies in German Literature, Linguistics, and Culture). Vgl. von Reinhart auch: The Privileging of the Poet in Johann Hellwig’s ‚Die Nymphe Noris‘. In: Erika A. Metzger / Richard E. Schade (Hg.): Sprachgesellschaften – Galante Poetinnen. In: Daphnis 17 (1988), S. 229–243; ders.: Historical, Poetical and Ideal Representation in Hellwig’s Prose Eclogue ‚Die Nymphe Noris‘. In: Lynne Tatlock (Hg.): Konstruktion. Untersuchungen zum deutschen Roman der frühen Neuzeit. In: Daphnis 19 (1990), S. 41–66. Dazu die parallele Abhandlung von Reinhart: Ein treuer Sammler seines Vaterlandes. Patriotisches Gedenken in Johan Helwigs Epitaphiensammlung ‚Sacrarium bonae memoriae Noribergensium consecratum‘. In: Axel E. Walter (Hg.): Regionaler Kulturraum und intellektuelle Kommunikation vom Humanismus bis ins Zeitalter des Internet. Festschrift Klaus Garber. Amsterdam 2005 (Chloe, 36), S. 733–756. Zum literatur- und sozialgeschichtlichen Kontext ders.: Poets and Politics. The Transgressive Turn of History in Seventeenth-Century Nürnberg. In: Lynne Tatlock (Hg.): Writing on the Line. Transgression in Early Modern German Literature. In: Daphnis 20 (1991), S. 199–299; ders.: Welt und Gegenwelt im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Ein einleitendes Wort zur sozialkritischen Funktion der Prosaekloge im Pegnesischen Blumenorden. In: Pegnesischer Blumenorden in Nürnberg. Festschrift zum 350jährigen Jubiläum. Nürnberg 1994, S. 1–6. 17 Zu Helwigs ‚Nymphe Noris‘ vgl. – neben der in Anm. 16 zitierten Literatur – auch die eingehende Interpretation von Klaus Garber: Return to the Urban Community: Johann Hellwig’s ‚Die Nymphe Noris‘. In: Ders., Nuremberg, Arcadia on the Pegnitz (wie Anm. 2), S. 165–204. Eine deutschsprachige Version findet man unter dem Titel: Stadt und Literatur im alten deutschen Sprachraum. Umrisse der Forschung – Regionale Literaturgeschichte und kommunale Ikonographie – Nürnberg als Paradigma. In: Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit. Tübingen 1998 (Frühe Neuzeit, 39), S. 3–89. Hier: Ein Paradigma aus dem Nürnberger
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Jahren 1645 und 1646 und der Nymphe Noris Helwigs aus dem Jahr 1650 ist nun ein Schäfergedicht wiederum aus dem Nürnberger Raum anzusiedeln, dem unsere Aufmerksamkeit im Folgenden gelten soll: Klajs Pegnesisches Schäfergedicht in den Nördgauer Gefilden aus dem Jahr 1648.18
Ein ‚abgemercktes‘ Schäfergedicht Philologie im Blick auf ein Gelegenheitsgedicht und zumal ein pastorales beginnt beim Titelblatt. Das reizende Kupfer des Stechers auf dem Titelblatt des ‚Pegnesischen Schäfergedichts‘ von 1644 ziert auch den Klajschen Titel. Entsprechend tauchen auch die beiden am unteren rechten Bildrand plazierten und ins Gespräch vertieften Schäfer wieder auf. Mochte man im einen Fall an Strefon und Clajus denken, so nun an Filanthon und Floridan. Denn diese beiden sind nach Ausweis des Titelblatts die beiden Sänger des Pegnesischen Schäfergedichts, das als solches titularisch zugleich den Zusammenhang mit dem Nürnberger Erstling aus dem Jahr 1644 wahrt. Zwei nicht in Nürnberg weilende Sänger macht Klaj namhaft, beide jedoch Mitglieder des ‚Pegnesischen Blumenordens‘. Es sind dies Anton Burmeister, seines Zeichens Pastor in Dalenburg bei Lüneburg, als ‚Filanthon‘ im Orden geführt,
Raum: Johann Helwigs ‚Nymphe Noris‘, S. 47–89. Der Einleitungsbeitrag als ganzer ist eingegangen in: Ders.: Literatur und Kultur im Deutschland der Frühen Neuzeit (wie Anm. 15), S. 183–261. Im vorliegenden Zusammenhang heranzuziehen ist nochmals Limburgers pastorale Gemeinschaftsarbeit und Trauerekloge für Birken (vgl. Anm. 12). Hier liest man: „Bey seiner Wiederkehre kame er in geneigte Käntnüß des Wol=Edlen Palmgenossens/ H. Georg Philipp Harsdörfers/ welcher schon An. 1641. zu spielen angefangen. Er fande auch damals (erlängerte Asterio) den trefflichen Dichter/ Herrn Johann Klaj/ einen Meißner/ und von seiner Hand etliche teutsche Kunst=reden/ insonderheit das schöne/ von wolbesagten Beyden gespielte Hirten=Gedicht/ welches in der/ von ihme hervorgegebenen/ Pegnesis das erste ist. Dieser letztere (unterredete Myrtillus) ist mein erster und einiger Lehrer in der Poesy gewesen/ den ich ewig ehre/ und hat er die wenige/ in der Natur liegende/ Fünklein/ bey mir/ rege gemacht/ daß sie bißhero noch immer geglimmet haben.“ (S. 173 f.). Eine ergreifendere Huldigung hätte Klaj nicht zuteil werden können. 18 Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht/ in den Nördgauer Gefilden/ angestimmet von Filanthon und Floridan/ abgemercket Durch Den Schäfer Klaj. O.O. 1648. Ein Neudruck oder Reprint dieses so reizvollen kleinen Werkes fehlt. Auch eine eingehendere Interpretation scheint nicht vorzuliegen – Symptom für den Stand der Klaj-Forschung. Zu Klajs Selbstverständnis als Dichter erhellend geblieben: Conrad Wiedemann: Engel, Geist und Feuer. Zum Dichterselbstverständnis bei Johann Klaj, Catharina von Greiffenberg und Quirinus Kuhlmann. In: Reinhold Grimm / Conrad Wiedemann (Hg.): Literatur und Geistesgeschichte. Festschrift Heinz Otto Burger. Berlin 1968, S. 85–109.
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und Sigmund von Birken, derzeit in Wolfenbüttel bzw. in Lüneburg weilend und mit dem inzwischen Berühmtheit erlangten Schäfernamen ‚Floridan‘ ausgestattet. Ein bis dato so gut wie unbekannter Sänger und ein bereits illustrer treten also zusammen. Womöglich gab die zeitweilige räumliche Nähe den Ausschlag. Immerhin bleibt bemerkenswert, dass Klaj seinem kongenialen Mitschäfer Birken einen vergleichsweise unbekannten ‚Schäfer‘ zugesellt.19 Doch damit nicht genug. Der Schäfer Klaj führt sich seinerseits als ‚Abmerkender‘ des Gesangs der beiden Schäfer ein. Er ist Zuhörer dessen, was da aus ihrem Mund verlautet. Eine weitergehende Zurücknahme ist kaum denkbar. Die Pastorale ermutigt zu derartigen Inszenierungen. Sind alle Schäfer immer zugleich auch Sänger, so können sie in den verschiedensten Figurationen auftreten. Auch für Hierarchisierungen ist Platz. Im vorliegenden Fall wird eine spezifische Form uneigentlichen Sprechens simuliert. Der ‚Abmerkende‘ kaschiert seine Autorschaft; er tritt diese Rolle an zwei Mitschäfer ab. Ihnen ist folglich zuzurechnen, was da erzählt und gesungen wird, nicht aber dem ‚Abmerkenden‘ als dem eigentlichen Urheber. Eine derartige Rochade indiziert einen Gestus der Bescheidenheit. Zugleich muss sie in Zusammenhang gebracht werden mit dem, was tatsächlicher Vorwurf des Gedichts ist. Und dieser ist so geartet, dass der Autor sich im Blick auf das Vorgetragene und seine auktoriale Funktion zugleich salviert und exponiert. Titelgebung und Thema kommen überein im Ungewöhnlichen, um nicht zu sagen im Provokanten. Der Autor muss sich eine Lizenz erbeten haben für das aus dem Rahmen fallende Agieren, das er seinen Sängern unter ihren schäferlichen Namen mehr als einmal zumutet.
Argument Bevor die Beiden jedoch zu Wort kommen, ist eine Prosapassage vorgeschaltet, schlicht ‚Inhalt‘ tituliert. Diese Inhaltsangabe zeichnet sich dadurch aus, dass sie dasjenige, was den aufsehenerregenden Duktus des vorliegenden ‚Schäfergedichts‘ ausmacht, verschweigt und umgekehrt dasjenige, was dem Titelblatt nicht zu entnehmen ist, jedoch konstitutiv bleibt für den funktionalen Rahmen, nachliefert. Es handelt sich demnach um ein Hochzeitsgedicht und das vorliegende dürfte womöglich einzig dastehen, in dem es diesen Umstand nicht nur im Titel nicht kenntlich macht, sondern auch die Namen der Hochzeiter verschweigt. Wo-
19 Zu Anton Burmeister vgl. Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum (wie Anm. 4), S. 183– 185.
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hin man blickt, wenn es denn um Texte aus der Feder von Klaj geht, stößt man auf kalkulierte Abweichungen vom Eingeführten. Dieser Autor lebt von der Statuierung eines Autorenstils, der allein ihm angehört. Und so auch in Hinsicht auf das folgende ‚Schäfergedicht‘, das nur mit halbem Recht als ein solches apostrophiert werden darf. Noch mit dem titularischen Gütesiegel der Nürnberger wird ein leicht verwegenes Spiel getrieben. Es befinden sich/ auffwarts der Pegnitz/ nach angebrochener Morgenröte zween Poeten/ Filanthon und Floridan/ reden unter der Gestalt der Hirten von gegenwärtigen Kriegsläufften/ biß sie sich den Stadtthoren nähern; Als sie den Laut der Trommeten vernemen/ erzehlet der diß Orts bekande seinem Reißgefehrten angestelltes Hochzeitfest/ deß Herrn Bräutigams und der Jungfer Braut Stammen und Freudenfeyer/ mit angemasten Dorfbeschreibungen/ biß sie endlich vor der Stadt jhre Vnterredungen mit Glückwünschen beschliessen.
Zwei Poeten also sind unterwegs. Sie tragen den ihnen zukommenden Namen im Orden der Pegnitzschäfer, sind insofern eo ipso ‚Hirten‘ und agieren als solche. Der Berichterstatter leistet sich einen Pleonasmus. Poet, Hirt und Gesellschaftsnamen werden zusammengeführt und die Aufmerksamkeit bewusst auf diese Trias gerichtet. Mit ihrer Einführung ist eine Erwartung verknüpft. Ein Anklang an die Vorrede Harsdörffers zum ‚Pegnesischen Schäfergedicht‘ ist vernehmbar. Leser und Hörer bereiten sich darauf vor, Hirtenpoesie der besonderen Nürnberger Art geboten zu bekommen, versetzt mit allegorischen Passagen und uneigentlichen Formen des Sprechens. Von den ‚Kriegsläufften‘ hatten die Vorgänger ausgiebig gehandelt. Auch dieser Hinweis ist geeignet, Analoges im vorliegenden Gedicht verhandelt, Zeitgeschichte pastoral und also transponiert in literarisch vorgeprägte Muster behandelt zu sehen. Angedeutet wird auch, dass ein Auswärtiger und ein Ortskundiger das Wort ergreifen werden. Das Rätsel um die Hochzeiter bleibt bewahrt, wohl aber ist ein dörflicher Kontext zu gewärtigen.
Entree Nähern wir uns also dem Text. Filanthon eröffnet, Floridan folgt nach. Filanthon. DEr Sommer ist dahin/ der Schnitter bindet Garben/ der Bäume Vorraht prangt in gelblichroten Farben/ die Traub in blaulichbraun/ wie köstlich schmeckt der Köhl/ Lactuc und Kümmerling im Essig/ Pfeffer/ öhl/ es gilt jetzt alls sein Geld/ die theuren Artischocken/
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Gäns/ Tauben/ Hun und Ey. Es läst sich auch schon locken die Kohl= und Tannen=Meis/ ich habe zugeschickt/ und deren heute früh zehn Spiesse schon berückt. Nun geh ich in die Stadt/ will sie zu Gelde machen/ es ist noch neue Speiß/ ich lache nur der Sachen/ wann jenen Bürgersmann nach solchem Thun gelüst/ an dem er sich nicht satt und noch wol hungrig isst. Floridan. Filanthon/ wo hinauß wolt jhr zu Marckte fahren und sehen/ was man löß auß Schmaltz und grünen Wahren/ die nicht gar wolfeil sind. Jch hab zwölff Kübel Schmaltz/ das bringt mir wenig ein/ hab kaum das liebe Saltz. Das Korn ist Dresp und Dorn/ man kan es traun nicht bauen üm ein solch Lumpengeld. Was wächset in den Auen/ das Heu und spate Grummt/ das gilt noch wol sein Geld/ wann man es dürr einführt und auff dem Boden hält/ biß daß das Christkindlein den Kindern will bescheren/ dann kan der Metzger Schar deß Futters nicht entberen/ wann nicht Beelzebub was Widriges herführt und wieder fremdes Volck in unser Land qvartirt.20
Zum Schäfergedicht gehört die Angabe der Jahreszeit, in der das Geschehen spielt, womöglich kombiniert mit der Tageszeit. Der vorangestellte Prosapassus hatte darüber informiert, dass die Hirten bei ‚angebrochener Morgenröte‘ sich auf den Weg machen. Sie tun dies im Herbst. Es ist Reife- und Erntezeit. Vier Zeilen benötigt Filanthon, um die Szenerie zu vergegenwärtigen. Die Blätter haben eine ‚gelblichrote‘ Farbe angenommen, die Trauben schimmern ‚blaulichbraun‘. Kohl, Lactuc (Kopfsalat) und Kümmerling (Kleine Gurke) können jetzt auf den Tisch gebracht werden und munden besonders gut, wenn sie gewürzt sind mit Essig, Pfeffer und Öl. Die Vermutung darf formuliert werden, dass mehr als eine dieser Wendungen erstmals in einem Schäfergedicht auftaucht und womöglich sich auch später kein zweites Mal findet; die ‚blaulichtbraune‘ Traube beispielsweise dürfte Klajs poetisches Eigentum bleiben. Schon in der fünften Zeile erfolgt ein Wechsel der Optik. Der händlerische Wert der Naturerzeugnisse wird taxiert. Es gilt, mit Köstlichkeiten auf dem Markt zugegen zu sein, zum Beispiel mit aufgespießten Kohl- und Tannenmeisen. Filanthon schickt sich an, zur Stadt aufzubrechen und seine ländliche Ware zu Geld zu machen. Er weiß um die Gelüste der betuchteren Bürgerschaft daselbst. Nicht genug bekommen kann diese von den Leckerbissen, welche er mit sich führt. Um
20 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A2r*.
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seine Sache steht es gut. Und das im Gegenteil zu derjenigen seines Gefährten Floridan. Was er anzubieten hat, ist entweder wenig gefragt oder minderwertig und bringt ihm kaum das wieder ein, was er verausgabt hat. Hoffen darf er, mit Heu und später Grummet (zweiter Schnitt) ein wenig Geld zu verdienen, schließlich mag es noch zum Weihnachtsfest Verwendung finden. Der Metzger aber, der es als Futter benötigt, muss allezeit fürchten, dass ‚fremdes Volck‘, Soldaten, das Land neuerlich überziehen und Verderben mit sich bringen.
Unter dem Stern Vergils Nicht ausgeschlossen, dass Klaj eine Vorlage benutzt hat und diese variiert. In seinem atemberaubenden Beitrag zum Vorspann des sechsten Teils der Harsdörfferschen Gesprächspiele war er so verfahren. Die Zigeunerische Kunstgöttinnen/ oder Der Freyen Künste und Wissenschaften Reisefahrt aus eim Königreiche in das ander lautet der Titel. Jakob Balde ist der Erfinder dieses einzig dastehenden Kabinettstücks im Kontext der europäischen Poetologie. Klaj hat es aus dem Lateinischen in die deutsche Sprache überführt und ihm sein sprachschöpferisches Ingenium geliehen.21 Und so möglicherweise auch im Blick auf sein Schäfergedicht. Im deutschsprachigen Raum liegen, so weit zu sehen, bis in das Jahr 1648 hinein keine vergleichbaren Stücke vor. Doch in der neulateinischen Nachbarschaft ist stets alles möglich, wie das Balde-Beispiel lehrt. Präsent indes ist dem Dichter in jedem Fall Vergils erste Ekloge.22 Sie steht in ihrer traditionsbildenden Kraft der vierten Ekloge schwerlich nach. Ernst Robert Curtius bezeichnete sie – vermittelt über den schulischen Unterricht – als den meistgelesenen Text im alten Europa nach der Bibel. Zwei, drei Motive klingen in ihr an, die in gänzlich anderer Umgebung und Funktion eine Parallele in dem Klajschen Text besitzen. Auch in Vergils Ekloge treffen zwei Hirten zum Gespräch zusammen. Sie haben ein durchaus verschiedenes Schicksal in einer vom Bürger-
21 Vgl. Wilhelm Kühlmann: Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer. Zur Interferenz und Rivalität jesuitischer und deutsch-patriotischer Literaturkonzeptionen. In: Thomas Burkard u. a. (Hg.): Jakob Balde im kulturellen Kontext seiner Epoche. Regensburg 2006 (Jesuitica, 9), S. 93– 113. 22 Vgl. Klaus Garber: Vergil und das ‚Pegnesische Schäfergedicht‘. Zum historischen Gehalt pastoraler Dichtung. In: Martin Bircher / Eberhard Mannack (Hg.): Deutsche Barockliteratur und europäische Kultur. Hamburg 1977 (Dokumente des Internationalen Arbeitskreises für deutsche Barockliteratur, 3), S. 168–203. Wieder abgedruckt unter dem Titel: Humanistisches Arkadien unter dem Stern Roms. Vergil und das ‚Pegnesische Schäfergedicht‘, in: Ders.: Literatur und Kultur im Europa der Frühen Neuzeit. Gesammelte Studien. München 2009, S. 275–300.
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krieg aufgewühlten Zeit. Der eine ist von Krieg und Landausweisung dank ‚göttlichen‘ Eingriffs verschont; der andere hat Hab und Gut verloren und ist fortan einem ungewissen Wanderleben ausgesetzt. Der Erstere, welcher den alsbald Berühmtheit erlangenden Namen Tityrus trägt, pflegte Jahr für Jahr seine Lämmer in die Stadt, und zwar in die Kapitale der alten Welt, Rom, zu treiben, um sie dort auf dem Markt zu verkaufen. Viel Glück war ihm dabei nicht beschieden. Ob ich auch manch Stück Vieh vom Pferch zum Schlächter getrieben, Ob für die knausernde Stadt manch saftiger Käse gepreßt ward, Niemals kam ich nach Haus und trug in der Rechten die Münze.23
In der Stadt wird ihm die Anweisung zuteil: ‚Weidet die Rinder wie sonst, ihr Burschen, zügelt die Stiere!‘. Auch Tityrus, dem ein so grandioses Nachleben beschieden sein sollte, ist ein Bauer. Und als ein solcher vermag er, der von einem Gott, von Oktavian, Auserkorene, den gehetzten und gejagten Mithirten am Schluss einladen, Mahl und Lager mit ihm zu teilen. Dennoch könntest du, Freund, die Nacht hier weilen und ruhest Über der Laubstreu aus. Wir haben saftige Äpfel, Fülle geronnener Milch und Käs und reife Maronen: Schon steigt ferne der Rauch vom First der Weiler und Höfe; Und vom hohen Gebirg sank längst ein breiterer Schatten.24
Man sieht, es gibt thematische Konsonanzen, kaum mehr. Weitere werden an späterer Stelle hinzutreten. Die erste Ekloge Vergils ist zu einem Text von weltliterarischer Bedeutung im Verlauf von zwei Jahrtausenden herangewachsen. Der Ton im Klajschen Text ist bewusst herabgestimmt. Und doch auch wieder nicht. Es darf der Versuch unternommen werden, das Rätsel, welches sich mit seinem Erscheinen in den späten vierziger Jahren in Nürnberg vier bzw. drei Jahre nach
23 Zitiert nach: Vergil Bucolica. Hirtengedichte. Lateinisch & in deutscher Übersetzung von Rudolf Alexander Schröder mit Holzschnitten von Aristide Maillol. Frankfurt/M. 1957, S. 11. Der lateinische Text: quamvis multa meis exiret victima saeptis, pinguis et ingratae premeretur caseus urbi, non umquam gravis aere domum mihi dextra redibat. (I, 33–35) 24 Ebenda, S. 13. Der lateinische Text: Hic tamen hanc mecum poteras requiescere noctem fronde super viridi: sunt nobis mitia poma, castaneae molles et pressi copia lactis. et iam summa procul villarum culmina fumant, maioresque cadunt altis de montibus umbrae. (I, 79–83)
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dem der Prototypen verknüpft, zu umkreisen und Vorschläge zu seiner Lösung vorzutragen.
Rustikale Umrüstung Wir erinnern uns an den pastoralen Gestus und die Verlautbarungen zum Schäferwesen in den beiden Musterstücken ebenso wie in den entsprechenden Passagen der Gesprächspiele und in der Vorrede zur Diana-Übersetzung Montemayors. Wollte man es auf einen Punkt bringen, so wäre die nochmalige Überbietung Opitzens hervorzuheben. Und das in mehrerer Hinsicht. Opitz hatte expressis verbis eine ‚Schäferei‘ vorgelegt. Doch hatte er – erstaunlicherweise – darauf verzichtet, den auftretenden Personen schäferliche Namen zu verleihen. Nüßler und Venator spazieren als solche mit ihm selbst durch die Landschaft des Riesengebirges unterhalb der Schneekoppe. Die in der Theorie allenthalben propagierte Übereinkunft, dass die Schäfer bzw. Hirten mehr seien als solche, wird beim Wort genommen und von vornherein darauf verzichtet, den immer schon gemeinten Gelehrten – und wenn man denn will den ‚Autoren‘ – ein schäferliches Kostüm zu verleihen. Dieser Bruch mit der Fiktion wird selbstverständlich von den Nürnbergern ebenso wie von anderen zur ‚Schäferei‘ greifenden Autoren rückgängig gemacht. Die Schäfer der Nürnberger erhalten im gleichen Atemzug ausdrücklich und insbesondere von Harsdörffer die Lizenz, von allem und jedem zu reden und dies bevorzugt in verdeckter und uneigentlicher Manier. Schäfer und Hirte in natura und in literaricis sind zwei inkommensurable Wesen und doch auch wieder nicht. Die Muße, die Sangesfreudigkeit, die Nutzung der Hirtenflöte der einen kehrt bei den anderen wieder, nun aber ins literarische Medium ‚Schäferdichtung‘ transponiert. Von dieser Transposition haben die Nürnberger den exzessivsten und experimentierfreudigsten Gebrauch gemacht, der aus der schäferlichen Literatur des 17. Jahrhunderts bekannt ist. Und das über alle pastoralen Formen – Ekloge, Liebesdichtung, geistliche Dichtung – hinweg. Ihre schäferlichen ‚Sprachspiele‘, um bewusst bei dieser Abbreviatur zu bleiben, stehen singulär da im Zeitalter. Diese Schäfer sind Sprachkünstler in einer so vorher unbekannten und so nicht wiederkehrenden Art und Weise. In ihren Schäfereien erfüllt sich eine Emanzipation der visuellen, akustischen, semantische Polyphonie von der alltagsweltlichen Sprache, welche keine Parallele hat im 17. Jahrhundert. Die Aufwertung des Schäfers zum Poeten par excellence hat diesen zu einer das Wesen der Poesie selbst verkörpernden Instanz gemacht. Klaj konterkariert mit seinem ersten und einzigen selbständigen Schäfergedicht, das er vorgelegt hat, diesen hochambitionierten pastoralen Gestus seiner
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Mitschäfer und deren pastoraler Elaborate, an denen er selbst ja maßgeblich beteiligt war. Was da in den ersten beiden Reden aus dem Munde der mit schäferlichen Namen ausgestatteten Sprecher verlautet, könnte nicht weiter entfernt sein von dem, was bislang pastoraler Usus unter den Nürnbergern und ihren Vorgängern war. Klaj kennt und beherrscht das in Umlauf befindliche Repertoire und revoziert es, indem er einen Umschlag inszeniert und die ‚Hirten‘ zu gewöhnlichen Bauern zurückstutzt. Natürlich sind es nach wie vor Bauern der Literatur. Doch sind es eben gerade nicht die Bauern, welche die die Schäferdichtung begleitende ‚Landlebendichtung‘ bevölkern, wie sie Horaz begründete und wie sie auch im Deutschland des 17. Jahrhunderts, angefangen wiederum bei Opitz, eine vielfältige Pflege fand. Diese Bauern erfahren keine literarische Aufwertung. Sie bleiben schlicht befasst mit ihren bäurischen Obliegenheiten. Die Vergilschen Reminiszenzen haben wir angedeutet und in dem Maße, wie die Rede der beiden fortschreitet, treten weitere hinzu. Wie also ist der Eingang zu bewerten und in dem literarischen Kräftefeld der vierziger Jahre in Nürnberg zu verorten? Klaj bekundet, ohne dass es eines irgend gearteten explizierenden Wortes bedürfte, dass es in der Schäferdichtung auch ganz anders zugehen kann, als von Opitz und Nachfolgern einschließlich der Nürnberger Protagonisten vorexerziert. Der outrierte pastorale Gestus wird zurückgenommen, die Kunstfigur des Hirten als eines virtuosen Sprachkünstlers umgeformt zu einem um das Tägliche und ganz Unpoetische besorgten Bauern. Klaj hält explizit fest an der Gattung ‚Schäferdichtung‘, wie im Titel angezeigt. In der inzwischen eingeführten Gattung der ‚Prosaekloge‘ soll die poetische Fallhöhe vorgeführt werden. Dieser stets eigenwillige Dichter exponiert ein pastorales Gedicht auf der Gegenseite des bislang Praktizierten. Natürlich revoziert er dieses nicht, doch rückt er das Übliche in ein verfremdetes Licht. Zwei Pole werden abgesteckt. Die Pastorale ist nicht länger einsinnig. Klaj statuiert – in eminenter Kunstfertigkeit – ein plebejisches Exempel, erniedrigt und erhöht zugleich den Verfasser wie so oft in seinem Werk. Derart ist er auch in die Geschichte der Schäferdichtung eingegangen und dies nicht zuletzt, weil er Nachfolge fand. War einmal das Eis gebrochen, durften auch andere anderwärts sich ermächtigt fühlen, den kalkulierten Bruch mit der Konvention und Fiktion zu riskieren. Die Spannbreite der Prosaekloge hat er derart eminent erweitert.
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Zeitgeschehen, noch einmal verschnitten à la Vergil Doch es ist hohe Zeit, zurückzukehren zum Text. Filanthon macht erneut den Anfang und Floridan folgt ihm nach. Dem letzteren ist es vorbehalten, herüberzulenken zum Anlass, so sind ihm ein Dutzend Verse und damit vier mehr als Filanthon zugewiesen. Filanthon. Dem Pan sey es geklagt/ ist doch fast kein Erbarmen bey keinem Landsknecht mehr/ man nagt/ man plagt uns Armen mehr/ als der Türcke thut/ doch/ wie die Sage geht/ die Teutsche Friedenszeit auff besten Mitteln steht. Jhr feiste Pfaffen frest die Kröten/ die Schild tragen/ Jhr Mönche füllet an mit Fröschen euren Kragen/ und führ/ ich weiß nicht wer/ die Räuber auß der Welt/ so bleibt ein Schäfersmann bey seinem Gut und Geld.25
Wie in Vergils Eklogen und zumal der ersten leiden die Schäfer und Bauern unter den obwaltenden politischen Pressionen; dort dem Bürgerkrieg, verbunden mit den Landausweisungen, hier unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges. Dieser mag einzelne Städte gelegentlich und zumeist nur für eine Weile verschonen, die Bevölkerung auf dem Lande ist ihm in der Regel schutzlos ausgesetzt. Der ‚Schäfersmann‘ steht stellvertretend für sie alle. Ihm wie ihnen wird es wieder wohl ergehen, sobald das räuberische Unwesen ein Ende hat. Der Topos von ‚Gut und Geld‘, ganz ungewöhnlich in der Schäferei, hält sich durch. Die hier angesprochenen ‚Schäfer‘ sind zunächst darauf bedacht, nicht auf Gespräch und Gesang. Doch damit ja nicht genug. Auch zu den ‚Armen‘, die von den ‚Landsknechten‘ mehr erleiden als von den immer noch gefährlichen Türken, gelangt die Botschaft von der ‚Teutschen Friedenszeit‘, die da ‚auff festen Mitteln steht‘, hält sie doch soeben in Deutschland Einzug. So merkwürdig aber, wie dieser sich an der vorliegenden Stelle ausnimmt, dürfte er schwerlich ein zweites Mal bedichtet worden sein. Ein kluger Leser hat dies bemerkt. Es war möglicherweise Birken selbst, denn wir dürften ein Handexemplar aus seiner Arbeitsbibliothek in der Hand halten. Zwei Worte sind am Ort unterstrichen, die ‚Kröten‘ und ‚Schild‘. Ihnen gesel-
25 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A2v.
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len sich in der nachfolgenden Zeile die ‚Frösche‘ hinzu, die ohne weitere Auszeichnung verbleiben.26 Wir bewegen uns jenseits der Vergilschen Vorgaben inmitten des konfessionellen Zeitalters. Pfaffen und Mönche sind wohlgenährt, und das auf Kosten des ‚Schäfersmanns‘. Mögen sie sich doch inskünftig mit Schildkröten und Fröschen begnügen, damit das arme Landvolk das Seine ungetrübt genießen kann. Eine kryptische antikatholische Verve verlautet. Weit wagt der Dichter sich vor und salviert sich doch zugleich über zwei mehrdeutige Bilder. Dann kommt der Mitschäfer zu Wort. Floridan. Es wird der Friedens=Gott uns retten bald auß Nöten bescheren Fried und Ruh/ was will jhm das Trommeten in grossem Nürenberg? die frohe Pegnitz fleust/ der schlangen=schlancke Strom mit schnellerm Rauschen reist das Wasser in die Stadt/ die nassen Flutgöttinnen in neugewircktem Flor an beiden Vfern rinnen/ sie tragen Blumenkörb und früher Aepffel Pracht/ die in der Schalen Gold gleich güldnem Blute lacht. Sie bringen allesamt in Muscheln theure Fische/ Aal/ Orfen/ Hecht/ Foreln und was beziert die Tische/ daß kömt mir seltzam vor/ ich glaub bey meinem Eid/ das Kriegen sey gestillt und nunmehr Friedenszeit.27
‚Abzumercken‘ den Gesang zweier Schäfer schickte sich der Dichter Klaj an. Diese Verse vermag niemand anders zu dichten als nur ein Einziger im Kreis der Nürnberger. Noch einmal klingt eingangs ein Vergilscher Ton an. Einem ‚Gott‘ verdankte Tityrus seine Rettung inmitten des Bürgerkriegs. Filanthon hatte dem Hirtengott Pan sein Leid geklagt. Nun richtet sich die Hoffnung auf den ‚FriedensGott‘, der ‚Fried und Ruh‘ bescheren wird. Derart ist für einen Moment das große
26 Wir zitieren nach dem Exemplar in dem Sammelband GNM: P.Bl.O. 4 aus Birkens Bibliothek, der sich glücklicherweise erhalten hat. Hier steht das Klajsche Schäfergedicht an 17. Stelle. Zu den Einzelheiten vgl. Klaus Garber: Ein Blick in die Bibliothek Sigmund von Birkens. Handexemplare der eigenen Werke und der Ordensfreunde – Überliefertes und Verschollenes. In: Hans-Peter Ecker (Hg.): Methodisch reflektiertes Interpretieren. Festschrift Hartmut Laufhütte. Passau 1997, S. 157–180. Eingegangen unter dem Titel: Zur Krisis reichsstädtischer Überlieferung. Die Bibliothek des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg und die verschollenen Handexemplare Sigmund von Birkens in: Ders.: Das alte Buch im alten Europa. Auf Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents. München 2006, S. 285–312. 27 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A2v.
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Thema der Nürnberger auch in Klajs ‚Schäferei‘ gegenwärtig.28 Die Trompeten erschallen in der Friedensstadt und, pastoraler Gepflogenheit gemäß, spiegelt sich das sich ankündigende freudige Ereignis im Dahinschießen des Flusses nebst der ihm zugehörigen Flussgöttinnen. Ruft der Dichter aber ein hergebrachtes Motiv auf, hängt alles an der erfinderischen Kraft, die er auf die Präsentation zu wenden vermag. Einen ‚schlangen-schlancken Strom‘ hat es bislang in den Nürnberger Schäfereien nicht gegeben und wird es vermutlich nicht wieder geben. Und auch die Wendung, dass eben der derart apostrophierte Fluss das Wasser in die Stadt reißt, wird einmal ersonnen und dürfte schwerlich noch ein weiteres Mal Verwendung finden. Jetzt auch erfährt der Hörer bzw. Leser, dass an den Ufern dank der Flussgöttinnen ein ‚neugewirkter Flor‘ erblüht. Die erste Vermutung geht dahin, dass sich die Schäfer im Frühjahr zusammenfinden. Doch tragen die Göttinnen Blumenkörbe, angefüllt mit ‚früher Aepffel Pracht‘, so hat sich der Blumenschmuck im Gefolge des freudigen Ereignisses unabhängig von der Frühlingszeit festlich erneuert. Mit diesen Äpfeln aber hat es gleichfalls Besonderes auf sich. Ihre Pracht ‚in der Schalen Gold gleich güldnem Blute lacht.‘ Auch dieses Bild gehört Klaj alleine an und duldet keine Wiederholung. Gegenwärtig bleiben in der Pracht der Äpfel die eben ihrem Ende sich zuneigenden Schrecken des Krieges. Das Klajsche Oxymoron birgt zwei Zeiten, ja zwei Welten in sich, und auch mit ihm geht der Dichter – unsterblich – ein in die Geschichte der deutschen Lyrik.
Namenloses Epithalamium Wieder ist es an Filanthon, für den Fortgang des Gesprächs Sorge zu tragen. Ein thematischer Wechsel scheint sich anzukündigen, doch gewiss ist dies nicht. Die Rede verbleibt im Ungewissen, Zweideutigen, Rätselhaften. Hörer und Leser er-
28 Vgl. zu diesem inzwischen wiederholt behandelten Thema Klaus Garber: Sprachspiel und Friedensfeier. Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts auf ihrem Zenit im festlichen Nürnberg. In: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie, politische Zäsur, kulturelles Umfeld, Rezeptionsgeschichte. München 1998, S. 679–713; ders.: Pax Pastoralis – Zu einer Friedensgattung der europäischen Literatur. In: Klaus Bußmann / Heinz Schilling (Hg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa. Band I: Ausstellungskatalog. Band II. Textband I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft. Textband II: Kunst und Kultur. O.O. 1998, hier Textband II, S. 319–322. Des weiteren heranzuziehen: Hartmut Laufhütte: Das Friedensfest in Nürnberg 1650. In: 1648. Krieg und Frieden in Europa. Teilband II, S. 347–357. Vgl. neuerdings auch: Hedwig Bramenkamp: Krieg und Frieden in Harsdörffers ‚Frauenzimmer Gesprächspielen‘ und bei den Nürnberger Friedensfeiern 1649 und 1650. München 2009 (Sprach- und Literaturwissenschaften, 31).
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halten kein einsinniges textuelles Angebot, und das nicht zufällig. Trompeten hatten den nahenden Frieden angekündigt. Floridan aber, der eben davon kündete, hat anderes dabei überhört, hat sich womöglich überhaupt verhört, ist einem irrtümlichen ‚Däuten‘ erlegen. Das Stadttor ist zugeschlagen und nun ist der ‚Thürner‘ an der Reihe. Der aber bläst nicht nur, weil er seines allabendlichen Amtes waltet. Sein ‚Laut‘ gilt Braut und Bräutigam. Unversehens lässt der Dichter über einen der beiden Hirten durchblicken, dass Hirten wie Hörer und Leser der Feier einer Hochzeit gewärtig sein dürfen. In den Worten Filanthons: Ja wol/ mein Floridan/ jhr habt wol hören läuten/ zusammenschlagen nicht/ jhr habt verhört das Däuten/ das Thor ist zugesperrt. Der Thürner lauter Laut bläst an den Bräutigam und seine neue Braut. Die Räder rollen schnell/ die Pferde sind geputzet/ mit Bändern bunter Art. Deß Knechtes Hut der stutzet mit einem güldnen Krantz: Es gleiten Par und Par in Ehrenröcken hin die Liebsten zum Altar. Da fängt man lieblich an zu singen und zu geigen/ daß alles lebt und lacht und singt und springt mit Schweigen/ viel schöner als bey uns/ wann unser Spielmann pfeifft/ und Hans und Greta tantzt und in die Wette läufft.29
Ein denkwürdiges hochzeitliches Tableau! Der Hochzeiter hat ‚seine neue Braut‘ zur Seite. Ob er ein Witwer ist? ‚Par und Par‘ geleiten die Hochzeiter zum ‚Altar‘. Aber was ist das für ein ‚Altar‘, um den herum man singt und musiziert, lacht und tanzt, und letzteres ‚mit Schweigen‘? Nicht ein bäurisches Treiben hat statt, wie unter den Schäfern, die erneut ins bäurische Milieu versetzt sind. Doch was für ein Treiben wird da imaginiert? Befinden wir uns überhaupt auf einer Hochzeit? Oder wird da eine uneigentliche, eine allegorische Hochzeit inszeniert? Feiert die Poesie sich womöglich selbst? Immerhin, ein ‚güldner Krantz‘ ist dabei, der aber ‚stutzt‘ ausgerechnet auf dem Hut eines Knechts. Ein neues Glück wird begründet. Aber wem wird es zuteil? Ein Hochzeitsgedicht ohne die Namen der Hochzeiter? Hat es das schon gegeben? Klaj ist alles zuzutrauen. Floridan. Gott wend jhr Vnglück weg/ verneu jhr Glück von neuen/ sagt an/ wer sind sie doch die neugetrauten Treuen?
29 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A2v f.
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Filanthon. Der Bräutigam wird hoch ob seinem Stamm geehrt/ den er mit hohem Ruhm/ wie seine Ahnen/ mehrt. Wie sein Herr Vatter war ein Vatter unsrer Erden/ so wird auß seinem Sohn auch seines Gleichen werden/ dann wie der Haußherr ist/ so ist gewiß sein Hauß/ in einem Taubennest nimbt man nicht Eulen auß. Floridan. Wer ist doch wol die Braut? Jch/ der ich mich in Wäldern muß nähren von der Axt und schneiden in den Feldern/ weiß nichts vom Adelstand. – – – Filanthon. – – Sie/ Sie die Helenee ist junges Rosenblut und neugefallner Schnee/ Blut ist mit Schnee vermengt/ Sie ist gut vom Geschlechte/ der Eltern liebes Kind/ und wann ich recht gedächte/ sie heist sie Helene. Schön/ weiß/ klug am Verstand/ es schiffte Paris wol/ ich weiß/ noch eins zu Land üm solcher Augen Glantz/ üm solcher schönen Augen/ die Männern Hertz mit Schmertz und Blut und Mut außsaugen/ Sie zog den Bräutigam zurück vom wilden Meer/ kein Buhler schläget nicht der Türcken schlaues Heer.30
Der Bräutigam und der Schäfer Paris, die Braut als zweite Aphrodite im Haus der Venus So lichtet sich das Dunkel ein wenig. Ein hochgestelltes Paar aus den Nürnberger ‚Geschlechtern‘ feiert Hochzeit. Floridan, der sich sinnigerweise im ‚Adelstand‘ nicht auskennen soll, bestätigt es explizit. Warum aber werden die Namen der Hochzeiter verschwiegen bzw. herrscht Unsicherheit im Blick auf den Namen der Braut? Der Bräutigam scheint in kriegerischen Diensten gestanden zu haben und ist als ‚Buhler‘ zurückgekehrt. Von ihm haben die Türken nichts mehr zu befürchten. Und sie, die Schöne? Nicht ganz sicher ist sich Filanthon ob ihres Namens. Derjenige Helenens liegt ihm im Sinn. Und der geleitet wie selbstverständlich he-
30 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A3r f.
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rüber zu Paris und seiner Helena. Die göttliche Trias, die da dem Hirten Paris, wetteifernd um ihrer dreier Schönheit, entgegentritt und sein Urteil erbittet, stellt ihn vor eine schwere Wahl. Sie fällt bekanntlich zugunsten Aphrodites aus, Inbegriff der Liebe und der Schönheit und als solche prädestiniert dazu, mit hintergründiger Bedeutung begabt zu werden. In der Schäferdichtung – mit Zesen an der Spitze – verschlingt sich der Preis einer geliebten Schönen gerne mit dem der Musen als Statthalterinnen der Poesie. Auch Klaj wähnen wir en passant auf dieser Fährte. Das Rätsel des namenlosen Epithalamiums verlöre derart womöglich ein wenig des Rätselhaften. Gewissheiten indes sind in der stets mehrsinnigen Pastorale nicht zu haben und am wenigsten bei Klaj. Dann wechseln die beiden Schäfer das Thema. Nach dem Blick auf Braut und Bräutigam, wenn sie als solche es denn sind, kommt der Festschmaus an die Reihe. Hat das opulente Mahl schon stattgefunden, steht es noch bevor? Aber was tut dies zur Sache, wenn nur der Poet zu seinem Recht kommt und seine Kunst auch diesem einladenden Sujet zuwenden kann. Und das geht nicht ab, ohne dass zwischen den Schäfern ein kleines Scharmützel eröffnet wird, das freilich vor allem wieder zu Lasten Floridans geht, auch das eine Delikatesse eigener Art. Ausgerechnet er, der am Wolfenbütteler Hof einschlägige Erfahrungen gesammelt hat, soll sich im höfischen Treiben nicht auskennen? Die Ironie ist unüberhörbar. Der Dichter überschlägt sich indes in Einfällen. Man muss ihn stets selbst vernehmen und dies zur Gänze. In der pastoralen Miniatur, zu der Klaj die Prosaekloge dezidiert herabstutzt, zählt eine jede Zeile. Floridan. Last eurer Zungen Lufft/ erzehlt das Festgepränge und was sonst gehet vor: was muß vor ein Gedränge bey solchem Volcke seyn/ in einer solchen Stadt/ dergleichen/ wie ich glaub/ die gantze Welt nicht hat? Filanthon. Die Braut trägt auff dem Haubt die schönste Perlenkrone/ der Venus Ehrenkrantz/ die sie vor jhrem Throne derselben auffgesetzt/ der Gott und Menschen hold/ ist üm= und üm=ümhängt mit eitel güldnem Gold.31
Auch um dieses Fest und seinen Rahmen ist es ungewöhnlich und neuerlich rätselhaft bestellt. Eine Hochzeit soll gefeiert werden. Und das in einer Stadt, die ihresgleichen in der Welt nicht hat. Im Städtelob ist vielerlei Überschwenglich-Hy-
31 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A3v.
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perbolisches zu Hause, gewiss. Und tatsächlich wird Nürnberg für eine knapp bemessene Weile singulär dastehen. Die Stadt rüstet sich für die Friedensfeierlichkeiten. Und dieses Ereignis ist ein solches bzw. wird ein solches sein, da das Volk zuhauf herbeiströmt. Wiederum hat eine Überblendung statt, der Dichter changiert ständig zwischen den verschiedenen Ebenen. Und so nicht anders in dem Vierzeiler, den Filanthon vorträgt. Sie gelten nochmals der Braut. Aber welch einer! Vor den Thron der Venus ist sie getreten und hat von der Liebesgöttin die schönste Perlenkrone aufgesetzt bekommen. Die aber ist mehr und anderes zugleich, nämlich der ‚Ehrenkranz‘ der Venus selbst. Wie zwischen Hochzeit und Geschichte oszilliert der Text zwischen Braut und Mythos. Diese Schöne trägt einen Kranz, ‚der Gott und Menschen hold‘. So wie sie transparent erscheint im Blick auf die Poesie, so nicht anders im Blick auf die Liebe. Als Inkarnation der Venus auf Erden mag sie fortan wandeln, die edelste Mitgift einer mythischen Gabe auf Erden repräsentierend. Wie so häufig in der Pastorale ist es der weibliche Partner, dem das Geleit in eine andere Welt, dem die Verwandlung und mit ihr die Eröffnung semantischer Tiefenschichten vorbehalten ist. Klaj ist darin – wie auf andere Weise Zesen – ein Meister. Die Schäfer inmitten höfisch-bäurischen Gepränges und mythisch-irenischer Repräsentation Umstandslos geht es über aus dem Mythos in das aktuelle Szenarium. Floridan, ausgerechnet er, weiß nicht, wie es zugeht unter den irdischen Göttern, wenn sie denn zum festlichen Mahl sich versammeln. Floridan. Hilff Gott/ wie wird man da den besten Hirse speisen/ Kraut/ Rüben/ Zwibeln/ Lauch! – – Filanthon. ––– mit euren albern Weisen. Jch gläub/ jhr seyd nicht klug/ weg Zwibeln/ Augentod/ weg Erbsen/ Heidelbrey/ darinnen Mäusekot. Da hat ein wildes Schwein Citronen in dem Rachen. Floridan. Jhr soltet einem wol zum Essen furchtsam machen. Filanthon. Es wird in Schüsseln nicht gefürcht ein wildes Schwein/ jhr gläubt nicht/ wie es schmeckt/ man beist mit Lust darein/ man speiset theuren Fisch/ den man im Wein muß töden/ man trägt Capaunen auff/ Piphanen in Pasteten/
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und was der Bißlein mehr. Wir sind fast an das Thor/ mich däucht/ ich höre schon den dreygedritten Chor/ Apollo spielet schön/ die Versekünstlerinnen/ das Göttergleiche Volck/ die Huld= und Gunstgöttinnen/ die ruffen: Glück/ Glück zu den beiden/ die getraut/ dem edlen Bräutigam/ der Tugendreichen Braut. Mein Floridan last uns diß Fest auff Dörferleyern eh wir vonandergehn/ mit einem Liede feyern/ und weil jhr älter seyd/ so fangt jhr billich an.32
Aus den Höhen des Hauses der Venus in die Niederungen der Völlerei mit körperlichen Assoziationen. Doch noch in Filanthons Rede wird der Umschwung eingeleitet. Floridan versteht auch das nicht und fällt seinem Mitschäfer an der falschen Stelle in das Wort. Das wilde Schwein mit der Zitrone im Rachen gehört schon zu den Erlesenheiten, denen die Oberschicht frönt und deren Vergegenwärtigung Sache Filanthons bleibt. Es muss eine Verabredung bestanden haben, Floridan wiederum für einen Moment als Tölpel dastehen zu lassen. In der Schäferei und so auch der Klajschen ist der scherzhaften Rochaden kein Ende. Filanthon weiß wie es zugeht da oben. Aber auch er, der Schäfer, greift mit Lust und Appetit zu, neuerlich mischt sich ein körperlicher Zug in den höfisch-patrizischen Genuss. Auf Stilmischung, auf Stilbruch ist das Gedicht durchgängig in Thema und Ton gestimmt. Die elaborierte Pastorale erfährt eine spielerische Abfuhr. Zwischen den drei programmatischen Schäfergedichten von hohem Anspruch plaziert Klaj seinen Beitrag, durchgängig bedacht auf Travestie, gelegentlich versetzt mit einem Schuss Frivolität. Und dann gelangen die drei an das Tor der Stadt. Der Brückenschlag erfolgt über die Musik, erfolgt über Apollo und die Musen. Hat man von ihnen schon gehört als den ‚Huld- und Gunstgöttinnen‘? Es wäre einer Erkundung wert. Eben war noch von Kraut und Rüben, Zwiebeln und Lauch die Rede und flugs darauf erklingt erlesener Gesang, neuerlich mythisch erhöht. Wenn aber Apollo und die Musen schon aufgerufen sind, dann wird auch den Schäfern Besonderes abverlangt. Tatsächlich ist eine Hochzeit zu feiern. Dem ‚edlen Bräutigam‘ und der ‚tugendreichen Braut‘ zu Ehren mag Musik erklingen. Bleiben sie schon namenlos, so wird auch der nachfolgende schäferliche Gesang nicht nur ihnen, sondern der Liebe schlechthin und mehr als ihr gelten. Doch zunächst muss erst einmal wieder für Herabstimmung der Erwartung gesorgt werden. Wo die Schäfer ihre Hirtenflöte ergreifen, da haben diese beiden schäferlich-bäuerischen Zwitterwesen nur eine ‚Dörferleyer‘ zur Hand. Der aber
32 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A3v f.
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entlocken sie Töne, wie sie bislang nicht zu hören waren und nicht wieder zu hören sein werden, gehören sie doch einem Dichter an, der mit unverwechselbarer Stimme spricht.
Canticus canticorum Floridan. Jch will/ was jhr gewillt/ und singe/ was ich kan: ALles/ Alles/ was da lebet/ lebt und kreucht/ und fleugt und schwimmt/ nach der lieben Liebe strebet/ und in lieber Liebe glimmt: Aber dieses heist allein lieben und geliebet seyn/ jmmer/ jmmer/ jmmer üben/ liebes Lieben und einander nie betrüben. Filanthon. Wie der Weinstock lieb=ümgibet seinen lieben Baum den * Rüst. Wie der Epheu lieblich liebet/ wie die liebe Taube küst/ dieses/ dieses/ heist allein lieben und geliebet seyn/ jmmer/ jmmer/ jmmer üben liebes Lieben/ und einander nie betrüben. Floridan. Wie mit heimlich=liebes Ziehen liebt der Jndianer Stein/ sich im Lieben pflegt zu mühen/ will bey lieben Eisen seyn/ solches/ solches heist allein lieben und beliebet seyn/ jmmer/ jmmer/ jmmer üben liebes Lieben/ und einander nie betrüben.
*Ulmus
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Filanthon. Auch der liebe Himmel liebet/ blickt Euch an mit Liebesschein/ was er Braut und Bräutgam gibet/ gibet er auß Liebespein/ Braut und Bräutgam liebstes Par/ liebet/ liebet hundert Jahr/ in nur jmmer/ jmmer üben liebes Lieben/ Nichts/ Nichts müsse sie betrüben.33
Der Dichter bleibt seinem eingeschlagenen Pfad treu. Eine ins Religiöse hinüberschwingende Lobpreisung der Liebe wird vernehmbar. Kein Wort, gerichtet nur an die eine Braut oder den einen Bräutigam. Sie bleiben namenlos. Braut und Bräutigam in ihrem besonderen Stand als inskünftige Eheleute sind angesprochen. Als von der Venus bekrönte war die Braut gefeiert worden. Wie es aber um die Liebe steht umkreisen nun die beiden Hirten. Auch in ihren Zeilen ist die Göttin anwesend. Apollo aber und die Musen werden nicht noch einmal aufgerufen. Sie sind gegenwärtig in diesem Mensch, Natur und die unbelebte Natur umgreifenden Gesang, der unverbrüchlichen, der immerwährenden, und derart der ehelichen Liebe huldigend. In Versen dieses Zuschnitts feiert die Poesie stets auch sich selbst. Die Pastorale ist seit Vergil in der europäischen Literatur die selbstreferentielle Gattung par excellence und will als solche ausgelegt sein. Sie bleibt ein Organon von Schönheit und der ihr ergebenen Musen. Wer hätte ein höheres Anrecht darauf, diese ebenso schlichte wie hintergründige Wahrheit dichtend zu erinnern als der ‚Hirten-Dichter‘ Johann Klaj?
33 Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 18), fol. A4r f.
Dramen
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Johann Klajs Kunst des (Ver-)Fluchens Dirae im Herodes und in der Trauerrede über das Leiden Christi Wenn in den letzten dreihundert Jahren Kritik geübt wurde am dichterischen Schaffen Johann Klajs, ging dies selten ohne den Hinweis auf jene Passage aus dem Herodes1 von statten, in der die „bethlehemitischen Weiber“ den Tyrannen wüst beschimpfen und verfluchen. Fassungslos konstatiert Albin Franz in seiner 1908 publizierten Dissertation: Den Schluß der Handlung bildet der Fluch der Bethlehemitischen Weiber, der wohl in seiner Art einzig dasteht. Obgleich er an anderen Stellen verschiedentlich abgedruckt ist, will ich ihn trotz seiner häßlichen Geschmacklosigkeit hier wenigstens teilweise anführen, um zu zeigen, wie weit in jener Zeit der Begriff des Poetischen ging […]. Auf welch niedriger Stufe muß damals der Geschmack gestanden haben, wenn es ein Dichter wagen durfte, diese Verse seinem Publikum zu bieten, noch dazu in einem Vortrage, welcher in der Kirche gehalten wurde!2
Und noch 1966 bescheinigt Conrad Wiedemann Klaj einen „bewußten poetischen Tiefgriff“, der „an kommuner Anschaulichkeit“3 nichts zu wünschen übriglasse. Die zitierten Beobachtungen der beiden Literaturwissenschaftler können als Belege für die Kühnheit von Klajs Wirkungsstrategien gelesen werden. Sie beschreiben einen skandalonträchtigen Grenzgang des Dichters, ja eine Grenzüberschreitung, die im folgenden in ihrer Wirkmächtigkeit auszuloten ist, zunächst, indem die antike Gattung der Dirae und die Probleme ihrer Verwendung in der Frühen Neuzeit am Beispiel der Herodes-Stelle und einer ähnlichen Passage aus
1 Zitiert wird der Text im Folgenden nach Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 4). 2 Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg. 1908 (Beiträge zur deutschen Literaturwissenschaft, 6), S. 54 f. In diesem Sinne auch schon Johann Elias Schlegel: Nachricht und Beurtheilung von Herodes dem Kindermörder einem trauerspiele Johann Klajs. In: Johann Elias Schlegels Werke. Dritter Theil. Hg. von Johann Heinrich Schlegel. Kopenhagen, Leipzig 1764, S. 1–26, hier S. 18–20. 3 Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchung zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 26), S. 107.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-017
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der 1650 publizierten Trauerrede über das Leiden seines Erlösers4 dargestellt werden (I. und II.). Daran anschließend seien einige grundsätzliche Überlegungen über die Wirkmacht von Fluchen und Verfluchen in der frühneuzeitlichen Literatur angestellt (III.).
I Wer im Matthäus-Evangelium (Mt 2,17 f.) die Geschichte des bethlehemitischen Kindermords nachliest, findet keinen Hinweis auf eine Verfluchung des Herodes durch die Mütter der ermordeten Kinder. Vielmehr heißt es dort, unter Verwendung eines Zitats aus Jeremias 31: „Da ist erfüllet das gesagt ist von dem Propheten Jeremia/ der da spricht/ Auff dem Gebirge hat man ein Geschrey gehöret/ viel Klagens/ Weinens vnd Heulens. Rahel beweinet jre Kinder/ vnd wolt sich nicht trösten lassen/ denn es war aus mit jnen.“5 In den frühneuzeitlichen Dramatisierungen des Stoffes wird denn auch in der Regel eine rhetorisch ausgearbeitete Klage der Mütter geboten, so etwa in des Jesuiten Hieronymus Zieglers Infanticidium6 von 1555. Antonio Bertalis 1665 in Wien aufgeführtes Oratorium – ein echtes Oratorium – La strage degl’ innocenti endet mit einem Lamento, einem ausgedehnten Klagegesang der bethlehemitischen Frauen7 und dies gilt vor allem auch für Klajs unmittelbare Vorlage, den Herodes Infanticida des Daniel Heinsius von 1632.8 Klaj selbst gibt in den Anmerkungen zum Herodes die notwendigen Hinweise zur Herkunft seiner Invektiven. Er habe an dieser Stelle die Gattung der Dirae ins Deutsche einführen wollen und sich dabei an einem lateinischen Gedicht des Jesuiten Matthias Casimir Sarbievius orientiert. Sarbievius hatte in seinen 1632 in Antwerpen erschienen Lyricorum libri IV als 22. Ode die „Dirae in Hero
4 Zitiert nach Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 10). 5 D. Martin Luther: Biblia. Das ist die gantze Heilige Schrift Deudsch auffs new zugericht. (Wittenberg 1545). Hg. von Hans Volz, Bd. 3. München 1974, S. 1970. 6 Vgl. Hieronymus Ziegler: Infanticidium, Klage der Rahel (V,2). In: Ders.: Dramata Sacra duo: quorum unum Infanticidium inscribitur, alterum de decem uirginibus est. Ingolstadt 1555, fol. C6v f. 7 Antonio Bertalis Oratorium ist ediert in: Antonio Bertali (1605–1669): Dramatische Sakralwerke. Hg. v. Tassilo Erhardt. Textrevision: Alfred Noe. Graz 2013 (Denkmäler der Tonkunst in Österreich, 156). Wien 1665 DTÖ 156, S. 1–59. Das Lamento der Mütter: S. 34–50. Gegen Ende der Szene (ab S. 49) geht die Klage in den Wunsch nach Rache über. Dirae finden sich jedoch nicht. 8 Zum Umgang Klajs mit seiner Vorlage vgl. Robert R. Heitner: Johann Klaj’s popularization of neo-latin drama. In: Daphnis 6 (1977), S. 313–325, hier besonders 316–322.
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dem“9 publiziert. Klajs Anlehnung an Sarbievius hält sich allerdings in engen Grenzen.10 Ihm geht es vielmehr, so seine Selbstbeschreibung im Kommentar, darum, die Möglichkeiten der deutschen Poesie durch die Einführung einer neuen Gattung zu erweitern. Dass er dabei bis zu den Grenzen des im poetischen System seiner Zeit Möglichen vorstößt, ist ihm nicht bewusst oder er spricht es jedenfalls nicht aus. Klaj definiert in den Anmerkungen zum Herodes die Dirae als „Gedichte/ darinnen man einen alles Unglük/ Krankheiten/ Straffen/ Elend/ grausames Ende/ den Teufel und seine Mutter auf den Hals fluchet“.11 Klajs Bestimmung der Dirae als „Gedichte“ bzw. als „Versart“ ist insofern irreführend12, als die Dirae keine eigene Gattung darstellen, sondern auch im Epos und im Drama eingesetzt wurden. Klaj selbst etwa verweist auf Vergils Aeneis. Das lateinische plurale tantum „dirae“ bezeichnete in der Antike sowohl Verwünschungen, als auch Unheilszeichen (Prodigia), die sozusagen als göttliche Verwünschungen zu verstehen sind.13 „Dirae“ stellt zudem die lateinische Bezeichnung für die griechischen Erinnyen dar.14 Konsultiert man auf der Suche nach einer modernen Definition die einschlägigen germanistischen Lexika, wird man nicht fündig, weder im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft noch im Historischen Wörterbuch der Rhetorik.15 Der Neue Pauly immerhin bietet einen wenn auch defizitären kleinen Artikel zu Dirae, der sich auf ein gleichnamiges, früher Vergil zugeschriebenes Gedicht beschränkt, in dem der Dichter seinen enteigneten Landbesitz verflucht, die Dirae in anderen Gattungen jedoch unberücksichtigt lässt.16
9 Matthias Casimirus Sarbievius: Lyricorum libri IV. Epodon liber unus, alterque Epigrammatum. Antwerpen 1632, S. 80–82. 10 Zu den topischen Bildern, die in Dirae eingesetzt werden und bei Sarbievius und Klaj gleichermaßen vorkommen vgl. weiter unten. 11 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. 180 [S. 50.] 12 Vgl. auch Johann Elias Schlegels Fehldeutung der Stelle: Schlegel, Nachricht (wie Anm. 2), S. 20. Schlegel weist darauf hin, dass es sich bei der „Versart“ um Knittelverse handele. 13 Wolfgang Hübner: Dirae im römischen Epos. Über das Verhältnis von Vogeldämonen und Prodigien. Hildesheim 1970 (Spudasmata, 21), S. 5–11. 14 Ebd., S. 7. 15 Im Historischen Wörterbuch der Rhetorik finden sich Artikel zu „Exsecratio“ = ‚Verwünschung‘ (von Dietmar Till, Bd. 3, Tübingen 1996, Sp. 181–183) wie auch zu „Invektive“ (von Uwe Neumann, Bd. 4, Tübingen 1998, Sp. 549–561), doch beide Begriffe sind nicht deckungsgleich mit „dirae“. 16 Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Bd. 3. Stuttgart, Weimar 1997, Sp. 688. Zu den pseudo-vergilischen Dirae vgl. Kai Rupprecht: Cinis omnia fiat. Zum poetologischen Verhältnis der pseudo-vergilischen „Dirae“ zu den Bucolica Vergils. Göttingen 2007 (Hypomnemata, 167). Zu Dirae im Epos: Hübner, Dirae im römischen Epos (wie Anm. 13).
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Ein Blick in die frühneuzeitlichen deutschen Poetiken zeigt kein wesentlich anderes Bild, vor allem, wenn man die Nürnberger Poetiken Goerg Philipp Harsdörffers, Sigmund Birkens und Magnus Daniel Omeis’ betrachtet. Anders Scaliger. Seine Poetices libri septem enthalten einen Abschnitt zu Dirae, in dem darauf verwiesen wird, dass Dirae die lateinische Bezeichnung für die griechischen Erinnyen darstelle. Scaliger unterscheidet zwischen Selbstverfluchung und Verfluchung von anderen, listet einige antike Beispiele aus Lyrik, Epik und Dramatik auf und grenzt die Satiren als weniger scharfe Sprechart von den Dirae ab.17 Der hier vorgeschlagene Versuch einer eigenen Definition baut auf Scaliger auf und macht eine Anleihe beim Artikel Zauberspruch im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft.18 Wie der Zauberspruch bedient sich auch der Fluch der Sprache als eines magischen Instruments. Die Verfluchung stellt ein Sprechakt dar, der aufgrund sprachmagischer Kräfte kausal bedingte Abläufe von Geschehen zwingend verändern will und im Bewusstsein der Fluchakteure auch zu ändern vermag. Hierbei werden Verfluchungsformeln und Beschimpfungen miteinander verbunden. Die Dirae als ein in Literatur transformierter Sprechakt sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Akt der Verfluchung mit einer Beschimpfung kombinieren. Fluchen (im Sinne von Beschimpfen) und Verfluchen bilden eine untrennbare Einheit.
II Eine Ausnahme hinsichtlich der stiefmütterlichen Behandlung der Dirae in den lateinischen und deutschen Poetiken der Frühen Neuzeit bildet die Dichtkunst des Spaten, Kaspar Stielers unpublizierte, in Versen abgefasste Poetik aus dem Jahre 1685, die einen längeren Abschnitt zu Dirae enthält, der als Leitfaden zur Annäherung an diese für das 17. Jahrhundert brisante Gattung dienen kann.
Ein Fluchvers, (Dirä) war vor diesem viel gemeiner, der mehr, als Satyrn, schnitt’. Jetzt findt sich selten einer, als etwan in Latein. Doch ist es nicht gewehrt wenn solch ein Rasekiel an- den Verräther -fährt, schärft am Herostratus, am Nero seine Spitze, tobt wider Julian mit Wuht und toller Hitze und macht des Timons Haß mit scharfem Schelten aus.
17 Iulius Caesar Scaliger: Poetices libri septem. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Bd. 1: Buch 1 und 2. Hg., übers. und erl. von Luc Deitz. Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, S. 420–423 (= Caput LIII). 18 Wolfgang Haubrichs: Art. „Zauberspruch“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hg. von Jan-Dirk Müller u. a. Bd. 3. Berlin, New York 2003, S. 874–877.
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Der Kain, Absolon, und, der in stetem Saus’ ohn Nahmen zwar, gelebt,19 verdienen wol diß Wüten, Herodes, Judas auch. Sonst soll ein Christ sich hüten vor Ehrraub Schmach und Fluch, wormit ein solch Gedicht dicht’ angefüllet ist.20
Stieler markiert die Dirae als eines Christen und damit auch einer christlichen Dichtung an sich unwürdig, „Genug hiervon! Was soll Erynnis bey den Musen?“21 heißt es am Schluss des Abschnitts über die Dirae, dennoch lässt Stieler einige Linzenzen zu: Die altbekannten Bösewichte aus der Antike dürfen mit Dirae bedacht werden, Nero, Julian Apostata, aber eben auch Figuren aus dem Alten wie Neuen Testament, und damit sind die Dirae selbst für die geistliche Dichtung im engeren Sinne dann doch erlaubt. Neben dem expliziten Hinweis auf Herodes wird auch Judas genannt, der die Möglichkeit zu einer bei Scaliger erwähnten Selbstverfluchung bietet. Barthold Heinrich Brockes, dessen frühes Schaffen vor dem Irdischen Vergnügen in Gott sehr viel Ähnlichkeit mit dem Werk Klajs aufweist, hat in seinem Passionsoratorium Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende JESUS (1712) diese Möglichkeit genutzt und einen langen Dirae-Monolog des Judas eingeschaltet: Judas: Doch ach! die Höll’ erstaunt ob meinen Thaten; Die Teufel selber schämen sich. Ich Hund hab meinen Gott verrathen. Aria Laßt diese That nicht ungerochen, Zerreißt mein Fleisch, zerquetscht die Knochen, Ihr Larven jener Marter-Höle! Straft mit Flammen Pech und Schwefel Meinen Frevel, Daß sich die verdammte Seele Ewig quäle!22
19 Gemeint ist wohl der reiche Mann aus dem Gleichnis vom Reichen Mann und armen Lazarus (Lukas 16). 20 Kaspar Stieler: Die Dichtkunst des Spaten 1685. Hg. von Herbert Zeman. Wien 1975 (Wiener Neudrucke, 5), S. 70 f. 21 Ebd., S. 71. 22 Barthold Heinrich Brockes: Selbstbiographie. Verdeutschter Bethlehemitischer Kinder-Mord. Gelegenheitsgedichte. Aufsätze. Hg. und komm. von Jürgen Rathje. Göttingen 2012 (= Barthold Heinrich Brockes, Werke, 1), S. 183.
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Unter den poetisch legitimerweise zu Verfluchenden findet sich in Stielers Liste neben dem reichen Mann aus dem Gleichnis vom Armen Lazarus (Lukas 16) auch Herodes. Klaj steht, wenn man so will, mit seinen Dirae der bethlehemitischen Weiber poetologisch auf der sicheren Seite, aber dennoch fordern die Dirae, weil sie neben der Verfluchung auch wirksame Beschimpfungen enthalten, den Decorum-Bruch notwendigerweise heraus. Schon in den eben zitierten Judas-Dirae stellt etwa die Selbstbezichtigung des Judas als „Hund“ einen deutlichen Decorum-Verstoß dar, der gelegentlich noch in heutigen Aufführungen der vertonten Passion entweder durch einen schwächeren Ausdruck ersetzt oder ganz weggelassen wird. Auch Klaj provoziert in seinen Dirae gegen Herodes den Decorum-Bruch. Seine Dirae setzen mit traditionellen Metaphern und Vergleichen ein, die der antiken Welt entnommen sind und auch in den schon erwähnten „Dirae in Herodem“ des Sarbievius vorkommen. Hierzu zählen Vergleiche mit Raubtieren, vor allem dem Tiger, dem Basilisken, dem Leoparden oder der Vorwurf des steinernen Herzens, Vergleiche insgesamt, die eher dem genus grande zuzurechnen sind: Du stets verfluchtes Ungeheur/ Du Basilisk und Abentheur23/ Kein Menschenkind hat dich erzeugt/ Ein Tigerthier hat dich geseugt. Ein Pardel24/ der die Lämmer qwält/ Hat mit dem Tiger sich vermählt/ Von ihm hast du den wilden Mut/ Von ihr das nimmersatte Blut. Dein Hertz ist hart wie Stein und Bein/ Durchädert mit dem Marmorstein/ Von Demant/ den kein Hammer zwängt/ Von Felsen/ den Essig sprengt.25
Dass Klaj sich hier zunächst in topischen Bahnen bewegt, wird deutlich, wenn man die ersten drei Strophen seiner Dirae mit denen in Gambattista Marinos Versepos La strage degl’ innocenti vergleicht, das posthum 163226 erschien und in der Germanistik vor allem durch Barthold Hinrich Brockes’ Übersetzung aus dem Jahre 1715 bekannt ist.
23 Im Sinne von: Was einem auf einer Aventiure Ungeheures begegnet. 24 Pardel = Leopard. 25 Klaj, Redeoratorien (wie Anm 1), S. 158 f. [= Herodes, S. 22f.]. 26 Kritische Edition unter Berücksichtigung aller Fassungen: Giambattista Marino: Dicerie sacrae e La strage de gl’innocenti. Hg. von Giovanni Pozzi. Turin 1960.
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Die Dirae in Marinos Epos werden der Gemahlin des Herodes in den Mund gelegt, die über den Verlust ihres Sohnes, des Sohnes mithin auch von Herodes, klagt. Zitiert sei hier nur eine Strophe in der Übersetzung von Brockes, um die Nähe zu Klaj, die keine textliche Anhängigkeit darstellen muss, deutlich zu machen: Du wilder’s Ungeheur, als das ergrimste Wild! Hircansche Tyger selbst liebkosen ihrer Zucht. Welch rasend Wüten hat denn dein Gemüth erfüllt, Dein einzig liebstes Kind, ach ja, dein’ eigen Frucht, Als eine wütende Megära, zu ermorden? […] Sprich, wilder Bären-Geist, erzürnte Schlangen-Seele, Sprich, Herz von Kieselstein und von Metall, erzehle,27
Um den Pfad der decorum-neutralen Beschimpfung und Verfluchung zu verlassen, bedient sich Klaj zweier Verfahren. Im Sinne einer dramatischen Ironie, die vom Mehrwissen der Zuschauer lebt, werden Flüche ausgesprochen, die auf das körperliche Ende des Herodes abzielen. In den Anmerkungen schreibt Klaj dazu: Er verdorrete von innerlicher Hitze wie ein Scheid [/] fraß wie ein hungriger Wolff/ stank wie ein Aaß/ kriegete Geschwür an den Därmen/ Grimmen im Leibe/ seine heimlichen Oerter waren voller Maden und Läuse/ und über dem/ was vor züchtgen Ohren nicht zu sagen/ war er an allen Gliedmassen lahm/ und konnte schwerlich Athem schöpffen.28
Auf dieses Ende des Tyrannen zielen Strophen wie: Dir wachsen Würmer aus der Lungn/ Und Kröten auf der Schmeichelzungn/ Dir kriechen Schlangen aus dem Mund/ Du Rabendieb/ du falscher Hund. […] Es werden dich die Läuse fressen/ Du Mörder/ Gott hat dein vergessen.29
Durch das biblisch-historische Kontextwissen der Leser und Zuschauer wird sichergestellt, dass die Flüche der bethlehemitischen Mütter in Erfüllung gehen werden bzw. aus der Perspektive des Lesers in Erfüllung gegangen sind.
27 Brockes, Selbstbiographie (wie Anm. 22), Bd. 1, S. 159. 28 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. 187 [51]. 29 Ebd., S. 159 f. [23 f.].
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Das zweite decorum-verletzende Verfahren, dass Klaj neben den körperlichen Ekelbildern einsetzt, ist die Wahl von genuin deutschen Schimpfwörtern, die nicht nur einer sprachlich niederen, früher hätte man gesagt ‚volkstümlichen‘, Ebene entstammen, sondern bei denen zusätzlich meist auch abergläubische Praktiken30 mitschwingen und die alle um den Galgen als Un-Ort kreisen: „Du Rabendieb/ du falscher Hund“, „In Sak mit dir du Galgenhun“, „Du Schelm/ Du Dieb/ Du Mausekopff“. Die Schimpfwörter, die Klaj den bethlehemitischen Weibern in den Mund legt, sind im Rahmen der im Genus grande situierten Herodes-Trauerspiels decorum-verletzend, sie stammen aus der niederen Sphäre, wie sie vor allem für die Figurenreden im Schelmenroman des 17. Jahrhunderts typisch ist.31 Die sozial niederen Figuren im Schelmenroman dürfen als Negativexempla eine nicht (ganz) disziplinierte Alltagskommunikation vorführen, an deren Disziplinierung jedoch, wie Ralf Georg Bogner32 gezeigt hat, im 17. Jahrhundert gerade auch von geistlicher Seite gearbeitet wurde. Um so überraschender, dass Klaj seine Dirae in hohem Kontext präsentieren konnte: Selbst wenn sie nicht im Kirchenraum33 vorgetragen worden sind, so stellen sie öffentliche Aufführungen an einem hohen christlichen Festtag dar und stehen im Zusammenhang mit einem heilsgeschichtlich zentralen, hohen Thema. Dass der Einsatz von Dirae in einem solchen Kontext nicht selbstverständlich war, zeigt das Verbot einer Hamburger Oratorienaufführung aus dem Jahre 1710.34 Wie Irmgard Scheitler gezeigt hat,35 wurde das von
30 Klajs Vertrautheit mit der Sphäre von Aberglauben und Magie zeigt sich in seiner Bearbeitung eines älteren Flugblatts von Michael Herr mit einer Hexensabbat-Darstellung. Vgl. dazu den Beitrag von Hans-Joachim Jacob in diesem Band. 31 Vgl. Irmgard Wirtz: Mausköpf, Fuchsschwänz und Bärenhäuter – Schimpfreden und Picarofiguren in Johann Beers Romanen. In: Ferdinand van Ingen / Hans-Gert Roloff (Hg.): Johann Beer. Schriftsteller, Komponist und Hofbeamter 1655–1700. Beiträge zum internationalen Beer-Symposion in Weißenfels Oktober 2000. Bern u. a. 2003 (Jahrbuch für Internationale Germanistik, A 70), S. 615–630. 32 Ralf Georg Bogner: Die Bezähmung der Zunge. Literatur und Disziplinierung der Alltagskommunikation in der frühen Neuzeit. Tübingen 1997 (Frühe Neuzeit, 31), hier vor allem S. 86– 100. 33 Zur Aufführung von Klajs „Redeoratorien“ als Schulactus am auditorium publicum vgl. Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 234–280. 34 Ich danke Irmgard Scheitler, die mich auf dieses Beispiel aufmerksam gemacht hat. 35 Irmgard Scheitler: Geistliche Musikzensur in Hamburg 1710. Ein verhindertes Passions-Oratorium und sein problematisches Libretto. In Kirchenmusikalisches Jahrbuch 88 (2004), S. 55–71. Zum größeren Kontext dies.: Deutschsprachige Oratorienlibretti. Von den Anfängen bis 1730. Paderborn u. a. 2005 (Beiträge zur Geschichte der Kirchenmusik, 12), S. 229–238. Scheitler kann nachweisen, dass der Text zu Bronners Oratorium auf ein schon 1693 in der Kollegienkirche auf
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dem Hamburger Komponisten Georg Bronner zur Aufführung in der dortigen Kirche zum Heiligen Geist vorgesehene Passionsoratorium Geistliches Oratorium, Oder Der GOtt-liebenden Seelen Wall-fahrt/ Zum Creutz und Grabe Christi, dessen Text der Komponist schon hatte drucken lassen, vom Hamburger geistlichen Ministerium bzw. dem Rat der Stadt verboten. In dem ausführlichen Begründungsschreiben wird neben dem zu opernhaften Stil auch die Verwendung von Dirae („invectiven“) kritisiert: […] die übrigen Dinge, alß heftigen invectiven und exclamationes, wieder Pilatum, Judam, die Juden (insonderheit, wenn gantze Abtheilungen damit angefüllet) kann er [Martin Luther] gar nicht dulden, sondern urtheilet davon, daß Er nicht wiße, obs zum Schlaffen, oder zum Wachen erdacht sey.36
Das Libretto enthält Dirae wie die der Gottesmutter gegen Golgatha: Mar[ia] ACh hier! Hier ist der Ohrt Wo Molch und Nattern hecken/ Wo Zetter! Ach und Mord Mit schwartzen Larven schrecken! O! rauhes Golgatha/ Daß dich kein Strahl in tieffen Abgrund schläget. Daß dich kein Blitz in Asch und Lodder leget! Verfluchter Schedel-Stein Soll Gottes Sohn die Lust der Erden Bey dir zum Schauplatz aller Pein Und Raubern ähnlich werden[?]37
Gegenüber diesen Dirae, die zumindest vom Hamburger geistlichen Ministerium als Decorum-Verstoß empfunden und als einer Aufführung in der Kirche nicht würdig erachtet wurden, bietet Klaj in den Schlusspassagen seines Herodes noch eine deutliche Steigerung: Du schlimmer Fuchs/ du feiger Haaß/ Dein Leib stinkt wie ein faules Aaß/ Du Schelm/ du Dieb/ du Mausekopff/ Der Teufel nem dich bey dem Schopff.
geführtes Werk von Johann Christoph Wentzel zurückgeht (ebd, S. 229 f.). Möglicherweise führt über Wentzel eine Linie von den Werken Klajs zu den Hamburger Passionsoratorien. 36 Scheitler, Geistliche Musikzensur (wie Anm. 35), S. 68. 37 [Georg Bronner:] Geistliches Oratorium, Oder Der GOtt-liebenden Seelen Wall-fahrt/ Zum Creutz und Grabe Christi […] Hamburg 1710, S. 3.
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Kein ärger Schelm ist in der Welt/ Du Kirchendieb/ hastu kein Geld/ Bestil des Davids sein Gebein/ Es wird mehr Feuer drinnen seyn. Du Pristermörder/ Niemands freund/ Du Landverderber /Weiberfeind/ Ich wollte lieber seyn dein Schwein/ Als einer deiner Söhne seyn. Du Dieb/ du Schelm/ des Teufelsburt/ Du Nichtsnichtnütze/ Thunichtgut/ Du hast uns unser Hauß bestoln/ Ach/ daß dich nicht die Teufel holn!38
Eine solche variierende Apostrophe, im Staccato-Rhythmus vorgetragen mit einer Steigerung in den letzten Strophen, in denen die Satzglieder immer kürzer werden, entfaltet seine Wirkung, selbst wenn es sich nicht mehr um eine echte Verfluchung, sondern, im Modus der Dichtung, um das Zitat einer Verfluchung handelt. Goethe wird auf diesem Prinzip 1775 ein ganzes Drama aufzubauen suchen: Hanswursts Hochzeit oder Der Lauf der Welt.39 Schimpfwörter behalten auch in der Dichtung ihre decorumverletzende Kraft und simulieren und illustrieren auf diese Weise die sprachliche Wirkungsmacht eines Fluches. Und eine maximale affektive Wirkung ist notwendig, denn die Dirae der bethlehemitischen Weiber ersetzen dramenpoetologisch betrachtet die Bestrafung der lasterhaften Hauptfigur. Harsdörffer weist darauf in seinem Nachwort zu Klajs Herodes explizit hin, ohne dass man erkennen kann, ob er mit Klajs Lösung, auf die Darstellung des Todes des Tyrannen zu verzichten, so recht zufrieden ist.40 Noch an einer zweiten Stelle in Klajs Werk finden sich Dirae, in seiner 1650 publizierten Trauerrede über das Leiden seines Erlösers. Der Einsatz von Dirae in der Trauerrede reflektiert die Unmöglichkeit ihrer Verwendung unter christlichen Vorzeichen. Kaspar Stieler hatte in seiner Dichtkunst betont, dass Dirae eigentlich den christlichen Idealen widersprechen:
38 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. 160 [24] 39 Johann Wolfgang Goethe: Hanswursts Hochzeit oder Der Lauf der Welt. In: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens (Münchner Ausgabe), Bd. 1.2: Der junge Goethe 1757–1775. Hg. von Gerhard Sauder. München 1987, S. 122–133. 40 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. 196 f. [60 f.].
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Glimpf wohnt der Tugend bey. Sie braucht bescheidne Waffen und überbooßt sich nicht, auch mitten in dem Straffen.41
Wie schon im Herodes stehen die Dirae in der Trauerrede ganz am Ende des Werkes, sie bilden den Kulminationspunkt in einer Steigerungsdramaturgie. Und wie für den Herodes wählt Klaj auch in der Klagerede dieselbe metrisch-strophische Form. Nach dem Tod Christi werfen die Wächter unter dem Kreuz den „Werckzeuge[n] deß Leidens“ vor, sie seien die Ursache für Christi Tod und beschimpfen und verfluchen sie. Dies betrifft zunächst die Nägel, mit denen Christus ans Kreuz genagelt wurde, dann den Hammer: Der Teuffel klammre mit der Klammer den Hammerschmidt/ der diesen Hammer gehämmert hat so breit und hart/ Ach daß jhm nicht der Arm erstarrt! Die Würmer müssen stets zernagen das Holtz/ das Holtz zum Stiel getragen/ Ach daß doch nicht der Flammen Macht deß Hammerszeug zu nichte bracht!42
Die solcherart Verfluchten erhalten aber jeweils die Möglichkeit, sich zu verantworten. Die Nägel weisen jede Verantwortung von sich, der Hammer trage die Schuld. Der verweist auf die Landsknechte, diese reichen die Schuld an die Oberen weiter, diese wiederum an Maria, die Gottesgebärerin, die den Erzengel Gabriel verantwortlich macht, der schließlich Gott Vater anklagt. Während dieser Verweisakte nimmt die Stärke der Dirae von den Nägeln und dem Hammer hin zu Maria und Gabriel immer mehr ab. Die Gottesmutter und der Erzengel fluchen – naturgemäß? – überhaupt nicht. Gottvater wiederum fällt es nicht schwer, den eigentlich Schuldigen für den Opfertod Christi auszumachen: O Mensch dich sollt der Teuffel fassen/ du/ du hast dich hinabgelassen/ du Bergknap durch der Dünste Schmauch/ und Ertz gesucht im Erdenbauch. Dich solten alle Teuffel haschen/ du Wäscher hast das Ertz gewaschen/
41 Stieler, Dichtkunst (wie Anm. 20), S. 71. 42 Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 4), S. 328 f. [30 f.]
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du Schmeltzer hast das Ertz geschmeltzt in Sündenfeuer ümgeweltzt.43
Doch der Vatergott des Neuen Testaments, anders als der des Alten Testaments, dem das Verfluchen nicht fremd war, spricht seine Dirae im Konjunktiv. Die Möglichkeit des Fluchs geht einher mit der gleichzeitigen Rücknahme jeglicher Verfluchung durch das Erlösungswerk Christi. Der Tod Christi macht Verfluchungen forthin unnötig. Das Volk singt in diesem Sinne auf die Melodie des Chorals „Christus/ der uns selig macht“44 ein Sündenbekenntnis in der Gewissheit, dass im Sinne der lutherischen Gnadentheologie keine Verfluchung erfolgen kann. Die im Sprechakt der heidnischen Dirae enthaltene Kraft verliert im Christentum ihre Wirkung und die Gattung der Dirae hat in der christlichen Welt bzw. in einer christlichen Poetik keinen Ort. Klaj führt diese Entkräftung der Dirae am Schluss der Trauerrede anschaulich vor. Gerade das Beispiel aus der Trauerrede mit seiner Rücknahme macht deutlich, wie sehr es sich bei den Dirae für den christlichen Poeten um einen Grenzgang handelt. Dennoch experimentiert Klaj mit dieser Ausdrucksform. Geht es ihm dabei nur um die aemulatio der antiken Formen in der deutschen Sprache?
III Ich möchte abschließend Klajs Experiment einer deutschen Fluchrede mit einigen Gedanken in Verbindung bringen, die er in seiner Lobrede der Teutschen Poeterey entwickelt hat, um daraus ein weiteres Argument für sein Interesse an den Dirae zu gewinnen.45 Zauberspruch, Fluch und Beschimpfung leben als Sprechakte von der Macht des Wortes, und im Falle des Gelingens demonstrieren sie diese Kraft des Wortes eindrücklich: Die gebrochenen Gliedmaßen heilen nach dem Aussprechen des zweiten Merseburger Zauberspruchs, der verfluchte Herodes erleidet den in den Flüchen ausgesprochenen und angewünschten qualvollen und entwürdigenden Tod. Während Zaubersprüche und Verfluchungen in unserer heutigen Gesellschaft kaum mehr in Gebrauch sind, und das bedeutet auch, dass die Sprache keine Wirkung mehr in diesen Sprechakten entfaltet – es sind sozusagen
43 Ebd., S. 330 f. [32 f.] 44 Ebd. 45 Zur Verbindung von Zauberspruch und dichterischer Wirkmächtigkeit vgl. auch Heinz Schlaffer: Geistersprache. Zweck und Mittel der Lyrik. München 2010, S. 137–146.
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abgestorbene Sprechakte –, liegt der Fall bei den Beschimpfungen anders: Noch heute sind grob obszöne Beschimpfungen in Deutschland strafbar, oder positiv gewendet: Die Macht der Sprache ist in der Kraft des Kraftausdrucks noch spürbar vorhanden. Die Möglichkeit einer verbalen Beleidigung durch Schimpfwörter stellt das letzte Relikt magischen Sprechens in unserer Gegenwartssprache dar. Die Beschimpfung wird dabei von der Wirkweise her analog zur körperlichen Verletzung aufgefasst.46 Um die Mitte des 17. Jahrhunderts, zur Zeit Klajs, dürfte der Sprechakt der Verfluchung noch nicht so stark an Wirkmacht verloren haben wie heute, auch dürfte die Beschimpfung in einer auf Konzepten von Ehre basierenden Gesellschaft noch wirksamer gewesen. Klaj handhabt in den Dirae mit ihrer Kombination aus Beschimpfung und Verfluchung hochexplosives sprachliches Material, dessen Sprengkraft durch poetisch-rhetorische Formung noch erhöht werden kann, das aber schon vorher aufgrund der Sprachkraft vorhanden ist. Hier lässt sich ein Bezug zur Lobrede der Teutschen Poeterey, die ja auch eine Lobrede der deutschen Sprache ist, herstellen. Der deutschen Sprache wohne noch eine wie auch immer geartete ursprüngliche Verbindung von Bezeichnendem und Bezeichnetem inne, die ihr eine besondere Kraft verleihe:
[…] das Gedicht [muss] voller Kern/ Geist und Feuer seyn/ daher dann unser Dicht- und Verskunst viel hefftiger der Menschen Sinn und Gemüt durchdringet als einig andere/ weil kein Wort in Teutscher Sprache ist/ das nicht das jenige/ was es bedeute/ worvon es handele/ oder was es begehre/ durch ein sonderliches Geheimniß ausdrükke.47
Klaj ist auf der Suche nach der besonderen Kraft der deutschen Sprache, auf der Suche nach den, wie an einer Stelle der Lobrede heißt, „Machtworten“: „Sie [die Dichtkunst] ist der Mörser/ in welchem die Machtworte/ als das eingezwängte Pulver/ mit einem durchdringende Nachdruk herausfeuren.“48 Bei Klajs Suche nach „Machtworten“ stellen die Dirae so etwas wie einen Idealfall für den poetischen Mörser dar, weil hier mit stärkstem Pulver geschossen werden kann. Durch sein Interesse an den Machtworten ergibt sich, über die Epochengrenzen hinweg, ein Bezug zu den Autoren des Sturm und Drang mit ihrem Interesse für Kraftwörter. Von Klajs Dirae führt in diesem Sinne eine Linie zu Goethes Hans Wursts Hochzeit mit seiner nicht enden wollenden Liste obszöner Schimpfwörter. Dass das christliche Decorum auch 1775 noch in Kraft war, lässt
46 Vgl. dazu Peter Friedrich / Manfred Schneider (Hg.): Fatale Sprachen. Eid und Fluch in der Literatur- und Rechtsgeschichte. München 2009 (Literatur und Recht, 4). 47 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 1), S. 397 f. [13 f.]. 48 Ebd., S. 404 [20].
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sich an der Tatsache ablesen, dass Goethe seinen Text nicht vollendete, geschweige denn publizieren konnte.49 Die Geschichte der Dirae mit all ihren Transformationen und Konstanten in der deutschen Literatur bleibt noch zu schreiben. Klaj wird darin jedenfalls einen prominenten Platz finden.
49 Noch 1831 liest Goethe das Fragment gebliebene Werk Eckermann vor: „Es war nicht zu denken, daß ich das Stück hätte fertig machen können […] in Deutschland [sind] unsere Kreise zu beschränkt, als daß man mit so etwas hätte hervortreten können. Auf einem breiten Terrain, wie Paris, mag dergleichen sich herumtummeln […]“. Vgl. Goethe, Sämtliche Werke (wie Anm. 39), Bd. 19, S. 426.
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Fingierte und simulierte Oralität bei Klaj Wie die Begriffe Oralität und Schriftlichkeit zu verstehen sind, bleibt eine durchaus wichtige Frage, wenn man bedenkt, wie entscheidend diese Gattungen im Laufe der Zeit für ein Verständnis der deutschen kulturellen Identität gewesen sind. Für die Gebrüder Grimm signalisierte ihr Märchen-Projekt zum Beispiel die Gelegenheit, mündlich überlieferte Geschichten zu sammeln und vor deren Verschwinden zu schützen. Gleichzeitig wurde es den Brüdern klar, dass diese Aktion einen gewissen Verlust linguistischer Vielfalt herbeiführte, in dem die Sprache, besonders deren Dialekte und regionale Eigenschaften, durch die Bearbeitung für das überregionale Publikum normalisiert werden musste. Obwohl sie diese sprachliche Nivellierung bedauerten, hofften sie darauf, dass ihr Projekt zur Anerkennung einer gemeinsamen deutschen kulturellen Identität führen würde. Im Vorwort zu ihrer Märchensammlung von 1819 räumen die Gebrüder Grimm mediale Unterschiede zwischen einer mündlich überlieferten Sprache im Vergleich zu einer ein, die schriftlich verbreitet wird: […] man fühlt, daß eine geläuterte Schriftsprache, so gewandt sie in allem übrigen sein mag, heller und durchsichtiger, aber auch schmackloser geworden ist und nicht mehr so fest dem Kerne sich anschließt.1
Die Gebrüder Grimm erkennen in der Tat eine Kluft zwischen der gedruckten Sprache und dem Wesentlichen des kulturellen Daseins, welches sie als ‚Kern‘ bezeichnen. Obwohl die gedruckte Sprache transparenter im Ausdruck und vermutlich deshalb leichter zu verstehen ist, steht sie dem Wesentlichen nicht so nahe wie die mündliche Sprache. Diese mediale Spannung erinnert einen an Goethes Faust, wo Faust bereut, dass er doch lebenslang studiert habe, aber dennoch nichts wisse, weil er Antworten in gedruckten Schriften gesucht habe und nicht in der Natur selber. Die gesellschaftlichen, kulturellen Dimensionen der Oralität als Übermittlungsmodus sind in der Forschung oft besprochen worden, besonders inwieweit eine Kultur ihre Geschichte, Glaubenssysteme und Traditionen mündlich weitergebe. Für die Zwecke dieser Analyse wird der Grad der Oralität nicht untersucht; d. h. es wird keine Statistik zur Literalität der Gesellschaft in Nürnberg des 17. Jahrhunderts oder eine Diskussion des Erziehungssystems geben, obwohl
1 Jacob Grimm / Wilhelm Grimm: Vorrede (1819). In: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Bd. 1. Hg. von Heinz Rölleke. Stuttgart 1980, S. 15–24, hier S. 22.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-018
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diese Themen für ein tieferes Verständnis wichtig wären. Stattdessen konzentriert sich diese Analyse auf Johann Klajs Verständnis der deutschen Sprache und dabei der deutschen kulturellen Identität als „mündlich“ bestimmt – eine Einschätzung, die von der Überzeugung herrührt, dass die deutsche Sprache durch Gott gesegnet wird und zur gleichen Zeit an der Natur gebunden sei.2 Wie wir sehen werden, basiert Klajs Werk auf dieser Sprach- und Weltvorstellung. Wie andere Sprachgesellschafter auch, bevorzugt er jedoch die gedruckte (und insofern künstlichere) Sprache als das Medium des kulturellen und sprachlichen Ausbaus; währenddessen enthält und plädiert Klajs Werk für eine fingierte und/oder simulierte Oralität. Heutzutage mag das Wort ‚fingiert‘ pejorativ klingen – etwas wird als fingiert betrachtet, wenn es bloß als genuin oder authentisch dargestellt wird, um jemanden zu täuschen. So wird das im Titel dieses Vortrags aber nicht gemeint. Vielmehr deutet er darauf hin, dass die Oralität bei Klaj konzipiert ist. Er versucht nicht, die Worte des Volkes abzuschreiben oder literarisch zu bearbeiten und in Druckform wiederzugeben. Stattdessen konstruieren er und seine Kollegen Texte, die sie als Konversationen strukturieren und vorführen und in denen sie den Klang der Wörter betonen, um die akustischen Merkmale der Sprache hervorzuheben. In einem Zeitalter, in dem ein auf Deutsch gedruckter Text immer noch nicht der Standard war und nur eine geringe Anzahl von Bürgern lesen konnten, ist ihnen die Aufführung ihrer Gedichte und Oratorien besonders wichtig, denn dadurch machen sie nicht nur Werbung für die Sprache, sondern schützen sie auch vor dem Vergessen. Klaj weist auf die Wichtigkeit des Zusammenspiels zwischen Oralität und Schriftlichkeit hin, wenn er verkündet, „Ein ausgeputzter Reim und Kunstgebundne Schrifft/ | Die sind des Todes Tod/ des Gifftes Gegengifft“.3 Diese Aussage wirkt äußerst ironisch, da das Schreiben und die Schrift oft mit dem Tod in Verbindung gebracht werden. Das paradigmatische Beispiel dieses Gedankens liefert der Apostel Paulus, wenn er mahnt: „der Buchstaben tödtet/ aber der Geist machet lebendig“.4
2 Die vorliegende Studie berücksichtigt und erweitert Analysen zu Klajs Sprachverständnis, die der Verfasser ursprünglich in englischer Sprache erscheinen ließ; siehe David L. Smith: German’s Immaculate Expression: Orality, Identity and the Wet Nurse’s Breast in Johann Klaj’s ‚Lobrede der Teutschen Poeterey‘ (1645). In: Germanic Notes and Reviews 40.2 (Fall 2009), S. 22–31; mein besonderer Dank gilt Susanne Lenné Jones und den Herausgebern dieses Bandes. 3 Johann Klaj: Einleitung. In: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg 1645, S. i-iii [Bilder 9– 11], hier S. iii [Bild 11]. http://diglib.hab.de/drucke/xb-90-1s/start.htm 4 Martin Luther (Hg.): Biblia. Das ist: Die gantze Heilige Schrifft, deudsch auffs new zugericht. Faksimile-Ausgabe der Auflage Wittemberg. Wittenberg 1545: 2. Kor. [3,6].
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Die Oralität der deutschen Sprache Wie thematisiert Klaj denn die Oralität in seinem Werk und wie können im Gegensatz zu Paulus’ Verkündigung ein durchdachter ‚Reim‘ und die ‚Schrifft‘ das Leben der Sprache und deren Ausübende sichern? Die Lobrede der Teutschen Poeterey gibt uns Hinweise darauf. Oberflächlich betrachtet mag Klajs Lobrede von 1645 nicht außerordentlich für die damalige Zeit erscheinen, denn Klaj fängt seine Rede wie andere Barockdichter vor und nach ihm mit einer patrilinearen Herkunftsgeschichte seiner Muttersprache an. Den Ursprung seiner Muttersprache schreibt er letztendlich Gott zu, und damit auch Adam als erstem Menschen. Ebenso Anteil am Ursprung hat dessen Nachfolger Ascenas, da er vor der Sprachverwirrung bei Babel die adamitische Sprache nach Europa gebracht habe.5 Als adamitische Sprache verfüge Deutsch über Stammwörter, die als natürliche Zeichen zu sehen seien. Insofern repräsentierten sie die Welt nicht in abstrakter Weise, sondern sie enthielten und vermittelten demzufolge immer noch die ursprüngliche, wesentliche Bedeutung aus dem Garten Eden.6 Diese Stammwörter werden für Justus Georg Schottelius äußerst wichtig.7 Für Klaj sind sie schon ein Begriff und ein Merkmal, wodurch sich Deutsch von anderen Sprachen unterscheidet. Wichtiger für Klaj ist in der Lobrede jedoch die Erfahrung, die Deutschsprachige gemeinsam haben. Diese Erfahrung ist durchaus als oral oder mündlich zu verstehen, denn im Vergleich zum Latein, das in der Schule geübt und gelernt werden musste, werde Deutsch an der weiblichen Brust vermittelt – einem Ort, an dem auch die Milch (und dadurch der Säugling) gesegnet werde: Gleichwie aber das Eisen vom Magnet zwar gezogen wird/ kein Mensch aber weis die stumme Krafft: Also wird die Dicht= und Reimkunst nicht durch Menschliche Wirkungen/ sondern durch sonderbare Himmelsgnade eingegossen: sie wird nicht von dem Meister/ sondern aus den süssen Vorgeschwätze und Gesäussel der Ammen/ erlernet: nicht in den Schulen aus dem Munde der Lehrer gefasset/ sondern aus den Mütterlichen Milchbrünlein eingesogen.8
Klaj vertritt die Auffassung, dass die Übermittlung der Deutschkenntnisse durch die Frauenmilch der Kraft eines Magneten insofern gleiche, als man sie nicht sofort verstehen könne. Klajs Wortwahl ist geschickt, denn das eventuelle Sprach-
5 Johann Klaj: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg 1645, S. 7 [Bild 21]. http://diglib.hab. de/drucke/xb-90-1s/start.htm. 6 Johann Klaj, Lobrede (wie Anm. 5), S. 18 [Bild 32]. 7 Justus Georg Schottelius: Ausführliche Arbeit von der Teutschen HaubtSprache […] (1663). Hg. von Wolfgang Hecht. Bd. 1. Tübingen 1967 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 11), S. 50 f. 8 Johann Klaj, Lobrede (wie Anm. 5), S. 19 [Bild 33].
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vermögen des Säuglings auf Deutsch basiert hier auf einer ‚stummen‘ Kraft. Es ist, so behauptet Klaj, die ‚Himmelsgnade‘, die dem jungen Kind die Fähigkeit verleihe, nicht nur Deutsch lesen und sprechen zu können, sondern sogar Gedichte und Reime zu verfassen. Das Kind könne sich dank Gottes Ansehen selber kreieren, indem es sich die Bausteine der Sprache zusammenbastele und dadurch auch die Neubelebung und Ausweiterung der Sprache ermögliche. Klaj verleugnet die Wichtigkeit der Übung beim poetischen Schaffen nicht und ignoriert auch nicht die Rolle des Talents. Das zeigt sich, wenn er kurz darauf seine Dankesschuld gegenüber den Einsichten von Platon und Opitz zeigt. Dort heißt es, „[w]ie denn die Sonne und Salz der Poeten Taubman gesaget: ‚Zu Rom wird alle Jahr ein neuer Raht erkoren/ Ein König und Poet die werden nur geboren‘“.9 Das Talent spielt für Klaj eine Rolle, aber seine Lobrede wirkt in erster Linie als Plädoyer für die Sprache selbst, die dann durch den Poeten ausgebreitet und zum Schein gebracht werden kann. Nach Klaj wird sowohl die von Gott geschenkte Sprache und deren Eigenschaften wie auch die sprachliche Fähigkeit, sie zu beherrschen, dem Säugling beim Einsaugen der Frauenmilch ‚eingegossen‘. Dieses Partizip weist auf die Milch selber hin und macht zur gleichen Zeit auf die Flüssigkeit und Oralität der Sprache aufmerksam. Im Zusammenhang mit der Erwähnung von ‚Eisen‘ weckt das gewählte Verb (eingießen) eine Assoziation zu einer Substanz (d. h. Metall), die im flüssigen Zustand in eine Form eingeschenkt wird, sodass sie sich zum gewünschten, festen Gegenstand umwandeln kann (e.g. zum Schwert). Durch diese Beschreibungen vermittelt Klaj die Einsicht, dass die deutsche Sprache und deren Erwerb einen oralen Ursprung hätten, dass sie aber zugleich als standhaft und beständig zu sehen seien. Nach Klaj dient die ernährende weibliche Brust als Stätte der sprachlichen Übertragung und des kulturellen Traditionsdenkens, und es ist genau diese Beziehung zwischen Gott und den Menschen, die sie erkennen und an die sie sich entsinnen sollten. Der Beziehung gedenkt Klaj selber in seiner Lobrede. Im Gegensatz zu Schottelius, der über den Erwerb von sprachlichen Fähigkeiten eines Säuglings durch dessen stillende Mutter später schreiben wird, vermeidet Klaj jegliche Bezeichnung der ernährenden Frau als Mutter und somit den Bezug auf die rein biologische Verwandtschaft.10 Stattdessen beschreibt er sie nur als ‚Mütterliches Milchbrünlein‘, eine Qualifizierung, deren Signifikanz etwas
9 Johann Klaj, Lobrede (wie Anm. 5), S. 19 [Bild 33]; Joachim Knape zitiert diese Stelle, ohne auf sie einzugehen. Stattdessen beschreibt er Klaj als Nachfolger von Opitz und diese Textstelle bloß als Beispiel des „furor poeticus“; siehe Jochim Knape: Politics and Rhetorics in Early Modern Germany. In: Early Modern German Literature 1350–1700. Hg. von Max Reinhart. Rochester 2007 (Camden House History of German Literature, 4), S. 247–280, hier S. 262. 10 Schottelius, Ausführliche Arbeit (wie Anm. 7), Bd. 1, S. 67.
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deutlicher hervortritt, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass sich die Sprachkenntnisse ‚aus den süssen Vorgeschwätze und Gesäussel der Ammen‘ herleiten. Klajs Qualifizierung ist aus drei Gründen bemerkenswert. Erstens spielt Klaj damit die Wichtigkeit des Stammbaumes für die deutsche Identität herunter, wenn er schreibt, dass die Milch von Ammen statt von der biologischen Mütter der Säuglinge komme, denn Ammen stammten oft aus anderen kulturellen Milieus oder gesellschaftlichen Ständen; zudem herrschte damals die Überzeugung, dass das Kind oft Persönlichkeitseigenschaften von der stillenden Frau bekomme.11 Zweitens hat die Amme eine wichtige semiotische Funktion, indem sie die abwesende Mutter vertritt. Durch diese Vertretung wird es dem Säugling klar, dass er von seinem natürlichen Ursprung abgesondert ist, während er sich nach einer Vereinigung damit sehnt. Durch seinen Umgang mit dieser Distanz bereitet sich der Säugling allmählich auf seine Teilnahme an der Welt von Zeichen vor.12 Drittens hat diese Beschreibung wohl auch eine konfessionelle Dimension. Während Harsdörffer, Birken und Klaj sich zum evangelischen Glauben bekannten, stand die Stadt Nürnberg im Brennpunkt der interkonfessionellen Spannungen der Zeit und es lässt sich daher vermuten, dass die Ammen aus den naheliegenden Dörfern oft katholisch waren.13 In diesem Fall wären auch die konfessionellen Unterschiede zwischen der stillenden Frau und ihrem Schützling völlig unbedeutend, weil die sprachliche, kulturelle Identität dank der Gnade Gottes übermittelt und dadurch gesichert werde. Diese Ansicht rührt von der Betrachtung des menschlichen Körpers als humorales System her, einer Vorstellung, in der die Frauenmilch mit Blut verglichen wurde und insofern von externen verunreinigenden Substanzen geschützt werden musste – inklusive Spermien, die angeblich die Frauenmilch verderben würden.14 Klajs Meinung nach ist der kulturelle, linguistische und ja auch physiologische Lebenserhalt des Kindes an das Weibliche (und Orale) gebunden. Das Stillen (oder als-Amme-Fungieren) als Tat zeugt von einer früheren Aufnahme eines anderen durch die Frau und damit, aus patriarchalischer Sicht gesehen, von verlorener Keuschheit. Im strengen Gegensatz zu dieser ‚Verunreinigung‘, auf der die Fortpflanzung der Menschheit basiert, ist der zukünftige
11 Valerie Fildes: Wet Nursing. A History from Antiquity to the Present. New York 1988, S. 20. 12 Gary Cestaro: Dante and the Grammar of the Nursing Body. Notre Dame 2003, S. 18. 13 Für eine kurze Einführung in die Geschichte Nürnbergs dieser Zeit siehe Klaus Garber: Nuremberg, Arcadia on the Pegnitz. The Self-Stylization of an Urban Sodality. In: Imperiled Heritage: Tradition, History and Utopia in Early Modern German Literature. Selected Essays by Klaus Garber. Hg. von Max Reinhart. Burlington 2000, S. 117–208, hier S. 117–119. 14 Fildes, Wet Nursing (wie Anm. 11), S. 38 f.
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Ausbau der deutschen Sprache nur möglich, weil die Sprache über 1500 Jahre lang und trotz Umgangs mit anderen Kulturen „eine reine unbeflekte Jungfrau“ geblieben sei.15 Diese Reinheit, meint Klaj, prädisponiere die Sprache zur Mimesis.16 Das Zusammenspiel von Sprache, Weiblichkeit und Oralität vollzieht sich am paradigmatischen in der zweiten Schöpfungsgeschichte des ersten Buches Mose. Dort beißt Eva in die Frucht hinein, bevor sie sie Adam überreicht.17 Die orale Indiskretion, die Aufnahme des Fruchtfleisches vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, führt zur Ausweisung des jungen Paares aus dem Garten, denn seine Tat vollendet ihren Ungehorsam gegenüber dem oralen, göttlichen Befehl – was selbst als eine Beschränkung der menschlichen Oralität zu sehen ist. Im Gegensatz zu Eva, der deswegen eine führende Rolle in der Erbsündenlehre und der Entstehung des körperlichen Todes zugeschrieben wird, wird Klajs stillende Amme unentwirrbar mit dem Leben verbunden – sowohl mit dem physiologischen als auch mit dem kulturellen Leben. Ihr Körper liefert dem Säugling, der aus der relativen Sicherheit der Gebärmutter vertrieben wurde, seinen Lebensunterhalt. Wichtig zu bemerken ist, dass die Überlieferung des Deutschseins nicht in utero stattfindet. In dem Fall wäre das Baby von der Außenwelt durch eine völlig andere Flüssigkeit geschützt worden, nämlich das Fruchtwasser der biologischen Mutter. Stattdessen wird dem Kind das deutsche Erkenntnisvermögen und die Verbindung zu Gott weitergereicht, nachdem die Mutter die Geburtswehen erlitten hat. Mit dieser nach der Geburt stattfindenden Übertragung zeigt Klaj, dass alle Säuglinge einer Welt ausgesetzt sind, die sowohl durch den Sündenfall charakterisiert ist als auch durch die Trennung des Säuglings von seiner fetalen Liquidität. Mit anderen Worten wird der Säugling durch dieses ‚Sakrament der unbefleckten Aufnahme der Deutschkenntnisse‘ in die deutschsprachige Gemeinschaft eingeweiht und zugleich mit seinem Schöpfer verbunden. Diese Weltanschauung und die noch relative Neuheit der deutschen Sprache als gedruckte Sprache schaffen den Kontext, in dem Klaj die Schriftsprache auszubauen sucht, währenddessen er aber bemüht ist, ihr den Klang einer gesprochenen Sprache zu geben. Walter Ongs Charakterisierung einer Muttersprache als weiblich und einer zweiten, gelernten Sprache als männlich – eben weil sie in der Schule vermittelt wird, in früheren Zeiten oft von Männern – ermöglicht es uns, Deutsch als eine männlicher-werdende Sprache zu erwägen – nicht, wie wir gesehen haben, vom
15 Klaj, Lobrede (wie Anm. 5), S. 19 [Bild 33]; vgl. Schottelius (Anm. 7), Bd. 2, S. 843. 16 Klaj, Lobrede (wie Anm. 5), S. 19 [Bild 33]. 17 Luther, Biblia (wie Anm. 4): 1. Mose [3,6].
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Ursprung her, sondern darauf beruhend, wie die Sprache betrachtet wird.18 Diese maskuline Qualifizierung der Schriftsprache kommt zum Vorschein in Harsdörffers Frauenzimmer Gesprächspielen, einer achtbändigen Sammlung, die für die soziale Erziehung der Frauen gedacht war. In einem Gespräch über die Oralität und die Lese- und Schreibfähigkeit in der Einleitung zum siebten Band stellt Harsdörffer die Frage, ob schriftliche oder mündliche Lehren effektiver seien, wenn man bedenke, dass sowohl die Ohren als auch die Augen „Thore“ zum menschlichen Gehirn seien.19 Harsdörffer fügt hinzu, dass die „Schrift“ im Vergleich zu der gesprochenen Sprache oft als schwächer betrachtet werde, weil die Schrift als „Bildung der Stimme“ zu sehen sei.20 Seiner Meinung nach basiert die Schriftlichkeit auf der Oralität. Gäbe es keine „Rede“, dann hätte die Schrift keinen Zweck. Die Schrift schulde der Stimme ihren Impetus, aber die Schrift biete der deutschen Sprache (und damit den deutschsprachigen Völkern) die Gelegenheit, sich weiter zu bilden. Die Schrift ermögliche dieses Wachstum, weil sie von gebildetem Denken profitiere und als Folge darauf weniger Fehler dulde. Harsdörffer wiederholt diese Einsicht, wenn er für die Konstruktion eines „Schriftgebäus“ plädiert, der die Zukunft der Sprache sichern werde.21 Im Gegensatz zu gesprochener Sprache solle dieses Schriftdeutsch durchaus maskulin sein, eine Haltung, die ironischerweise von einer von Harsdörffers erdichteten Diskussionsteilnehmerinnen geäußert wird: Es were oft besser/ daß wir anstat unserer groben Muttersprache/ unseres gelehrten Vatters Sprache lerneten. Dann so eine grosse Unterschied unter eines Baurn und eines Capellenmeisters Gesange/ so grosse Ungleichheit ist zwischen deß Sprachverständigen und Unverständigen Rede.22
Dieser Diskutantin zufolge ist der Unterschied zwischen der ‚groben Muttersprache‘ und der ‚gelehrten Vatters Sprache‘ vergleichbar mit dem Qualitätsverlust eines durch einen Chorleiter einstudierten Liedes und dem eines Bauern. Die Schrift lasse sich mit dem Lied des Chorleiters vergleichen, indem sie systematischer und kultivierter sei. Im Gegensatz dazu sei die Oralität dem Bauern zuzuordnen, denn sie bleibe naturnah. Beide – die Schriftlichkeit wie die Oralität – hätten ihre Zwecke und sollten deswegen nicht vernachlässigt werden, wie Harsdörffer
18 Walter Ong: Interfaces of the Word. Studies in the Evolution of Consciousness and Culture. Ithaca 1977, S. 27 f. 19 Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele (1641–1649). Hg. von Irmgard Böttcher. Tübingen 1968–1969, Bd. 7, S. 35. 20 Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele (wie Anm. 19), Bd. 7, S. 36. 21 Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele (wie Anm. 19), Bd. 7, S. 40 f. 22 Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele (wie Anm. 19), Bd. 3, S. 329.
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mit der zeitlichen Qualifizierung ‚oft‘ geschickt impliziert. Trotzdem gibt Harsdörffers Figur zu, dass die deutsche Sprache zu seriösem Lernen geeignet sei: „Unsere Sprache ist ein ernsthaffte Mannsprach/ und scheinet/ daß ihr die harten Buchstaben anständiger seyn/ als die milde und weiche.“23 Hier zeigt sich die Männlichkeit der Sprache eben durch ihre Fähigkeit, ‚harte‘ und ‚anständige‘ Buchstaben anzunehmen – eine Männlichkeit, die allerdings am besten für die Schriftlichkeit geeignet ist. Das Beherrschen und die Würdigung dieser männlichen Schriftlichkeit beschränkt sich aber keineswegs auf Männer. Wie Mara Wade neulich gezeigt hat, dienten Harsdörffers Gesprächspiele als Anlass zu intellektuellen Diskussionen unter Frauen, und diese Konversationen führten unter ihnen dann zu literarischem Engagement, wobei der Grad der individuellen Teilnahme an literarischer Produktivität oft sehr unterschiedlich war und immerhin in einzelnen Fällen oft schwer nachzuweisen ist.24 Zu dem obenerwähnten Gedanken, dass die deutsche Schriftsprache an sich zu hart sei, nimmt Klaj selbst Stellung. In den Ehrengedichten der kunstlöblichen Druckerey erklärt Klaj die Wichtigkeit des „Hauchlaut[s] h“ im Angesicht seiner scheinbaren Nutzlosigkeit: Gleichwie der Hauchlaut h scheint wenig zu nützen/ Als daß er muß den Ton der harten Wörter stützen/ Doch drückt er herrlich aus des höchsten HERREN Wesen/ Was er ward in der Zeit/ und was er vor gewesen.25
,Der Hauchlaut h‘ erfülle eine sehr wichtige aber oft unterschätzte Rolle, indem er für die Beständigkeit Gottes stehe und den ‚harten‘ Ton der Wörter kompensiere. In beiden Fällen erinnert uns der Laut an die Überzeugung von Klaj und anderen Sprachgesellschaftlern, dass Deutsch eine auserwählte Sprache sei und Deutschsprachige eine besondere Beziehung zu Gott genössen. Wichtig dabei ist die Erkenntnis, dass ‚der Hauchlaut h‘ ein gedrucktes Zeichen ist, das uns an das Mündliche und damit auch an das Leben erinnert, denn der Laut signalisiert vor allem das Ausatmen des Sprechers – ein Vorgang, der zur Artikulation eines Wortes führt. Ganz generell erinnert er uns an die Wechselwirkung von Oralität und Schriftlichkeit, die für die Wertschätzung von Klajs Werk vollkommen nötig ist.
23 Harsdörffer, Frauenzimmer Gesprächspiele (wie Anm. 19), Bd. 3, S. 339. 24 Mara R. Wade: From Reading to Writing. Women Authors and Book Collectors at the Wolfenbüttel Court – A Case Study of Georg Philipp Harsdörffer’s ‚Frauenzimmer Gesprächspiele‘. In: German Life and Letters 67.4 (October 2014), S. 481–495, hier S. 494. 25 Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj / Wolfgang Endter d.Ä. / Wolfgang Endter d.J.: Ehrengedichte Der kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfang Endters in Nürnberg (ca. 1650). Halle 2009, S. 2 [Bild 2]. http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/urn/urn: nbn:de:gbv:3:1-97949.
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Abb. 1: Klajs Ehrengedichte der kunstlöblichen Druckerey. Nürnberg um 1650. ULB Sachsen-Anhalt: Pon IIn 7692, FK
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Die Oralität in der (schriftlichen) Praxis Wie kann man die angeblich von Gott geschenkte und durch Generationen vererbte Oralität der deutschen Sprache in die gedruckte Schrift umsetzen oder zumindest widerspiegeln? Auf diese Frage gibt es drei mögliche, aber zusammenhängende Antworten: erstens durch dichterische Stilmittel, zweitens durch das Genre der Schäferdichtung, und drittens durch Klajs Redeoratorien.26 Wenn man einen Text ausspricht, werden die Buchstaben lebendig, indem man ihnen seinen Hauch – und damit eine gewisse Oralität – verleiht. Harsdörffer erwähnt diesen Prozess in der vorher zitierten Passage aus den Gesprächspielen, wo er meint, dass die gesprochene Sprache der gedruckten Schrift Geist vermittele – eine Überzeugung, die auch im theologischen Kontext gesehen werden sollte, besonders wenn man auch den obenerwähnten ‚Hauchlaut h‘ bedenkt. Die Buchdruckerkunst mag als Technik die Verbreitung von Klajs Schriften und denen der anderen Sprachgesellschaftler ermöglichen, aber es ist das Phänomen des Lesens und die Betonung einer öffentlichen Aufführung der Texte, kombiniert mit Klajs Einsetzung dichterischer Stilmittel wie der Klangmalerei, die seinen Werken eine durchaus gemeinschaftsstiftende, auditive Wirkung verschaffen. Klaj und andere seiner Zeitgenossen wie Harsdörffer bauen oft Klangmalerei in ihre Lyrik ein. Dadurch zeigen sie ein Interesse dafür, wie ihre Texte auditiv empfangen werden. Der Grund dafür ist wohl zweifach. Auf der einen Seite bringen onomatopoetische Wörter natürliche Klänge und Geräusche zum Ausdruck, wie man sie in der Natur erfährt – es gibt insofern keine Kluft zwischen dem Geräusch in der Natur und dem erfahrenen Klang im sprachlichen Ausdruck.27 Auf der anderen Seite waren die Klangmalerei und andere auditive Elemente des gedruckten Textes wichtig, weil viele Leute Analphabeten waren und den Text daher oral erfahren mussten. Der Klang der Sprache half bei der Erkenntnis von Gemeinschaftlichkeit, besonders wenn man bedenkt, dass viele von Klajs Texten für das Vortragen oder die Aufführung vor einem versammelten Publikum geschrieben worden sind. Zu anderen dichterischen Stilmitteln, die bei Klaj und im Literaturbarock beliebt waren, gehören die Alliteration, die Assonanz, der Reim (besonders der Stabreim) und der Rhythmus. Ein sehr gutes, aber durchaus typisches Beispiel bietet einem die „Frülings-Freude“.28 26 Markus Paul findet die Bezeichnung ‚Redeoratorien‘ nicht ganz treffend; siehe Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 269; vgl. Garber, Nuremberg (wie Anm. 13), S. 123. 27 Jane O. Newman: Redemption in the Vernacular. The Language of Language Theory in Seventeenth-Century Sprachgesellschaften. In: Monatshefte 79.1 (Spring 1987), S. 10–29, hier S. 23 f. 28 Das Gedicht trägt keinen Titel in der Fortsetzung der Pegnitz=Schäferey, ist aber im Laufe der Zeit als eigenständiges Gedicht unter dem Titel „Frülings-Freude“ herausgegeben worden.
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Das Gedicht, das als laufendes Gespräch präsentiert wird, erscheint 1645 als Teil der Fortsetzung der Pegnitz-Schäferey. Wie der Titel verrät, beschreibt das Gedicht das heitere Gefühl, das man mit dem Frühling assoziiert. Dabei verwendet es vor allem die Alliteration und den Reim, um die Landschaft und die Jahreszeit durch Klänge zu beschreiben. Erwähnenswert ist vor allem die Tatsache, dass Floridan Klajus vorschlägt, dass sie es „auf Art der Gespräche singen wollen“.29 In diesem Beispiel vom Anfang des Gedichts beginnt Floridan die Aussage, und Klaj fügt etwas dazu, um diese zu vollenden, bevor er selber einen neuen Satz beginnt, den wiederum Floridan beendet. Flor[idan]. Es fünken/ und flinken/ und blinken Kl[ajus]. Buntblümichte Auen/ Es schimmert/ und wimmert/ und glimmert Fl[oridan] Frü=perlenes Tauen.30
Sprachgesellschaftler wie Birken, Harsdörffer und Klaj interessierten sich eher für ein idealisiertes Deutsch als für die zeitgenössische Umgangssprache. Sie waren der Meinung, dass diese angeborene Vollkommenheit der Sprache nur realisiert werden könne, wenn man sie erkenne und sich engagiere, dieses Potenzial der Sprache zu verwirklichen. Dieses Ziel sei am besten durch die Schrift zu erreichen, wie Klaj es ausgedrückt hat, nämlich durch einen ‚ausgeputzten Reim‘. Aus diesem Grund enthält dieses kurze Gedicht einfache Reime (zum Beispiel: flinken, blinken, Auen, Tauen); außerdem wird das Gedicht als eine Konversation unter Freunden aufgebaut, die die Natur und die Sprache lieben. Wenn zum Bespiel Floridan (Birken) Folgendes von sich gibt: ‚Es fünken und flinken und blinken‘, dann fügt Klaj hinzu ‚bunt-blümichte Auen‘. Klaj beendet die Aussage seines Gefährten, aber eigentlich gibt er das spezifische Subjekt des Satzes an, denn das ‚Es‘ am Anfang bedeutet an sich nichts, es deutet nur auf das kommende Subjekt hin. Der eine Gesprächspartner ergänzt den anderen und vervollständigt dessen Satz, und dadurch erst gewinnt der Satz an Bedeutung. Außerdem hat dieser Satzbau zur Folge, dass wir als Leser oder Zuhörer auf das Subjekt warten müssen. Insofern wird der Leser
29 Sigmund von Birken: Fortsetzung Der Pegnitz=Schäferey: behandlend/ unter vielen andern rein-neuen freymuhtigen Lust-Gedichten und Reimarten/ derer von Anfang des Teutschen Krieges verstorbenen Tugend=berümtesten Helden Lob=Gedächtnisse/ abgefesset und besungen durch Floridan den Pegnitz=Schäfer mit Beystimmung seiner andern Weidgenossen. Nürnberg 1645, S. 34 [Bild 42]. http://diglib.hab.de/drucke/lo-400-2/start.htm; für eine Diskussion der Beziehung zwischen dem pastoralen Gedicht und dem Singen siehe Garber, Nuremberg (wie Anm. 13), S. 205 f. 30 Birken, Fortsetzung (wie Anm. 29), S. 34 [Bild 42].
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oder Zuhörer in die Konversation verwickelt – ob man das Gedicht liest oder es hört – man will wissen, wie die Aussage endet (und man stellt sich möglicherweise auch vor, wie sie enden könnte). Diese Art der Konversation, von der es in Klajs Werk viele Beispiele gibt, soll einem künstlich und spielerisch vorkommen, denn die Gespräche betonen damit den Klang der Sprache und dadurch die außergewöhnlich übertriebenen Beschreibungen der Umgebung. Ein weiteres Beispiel findet man in der Fortsetzung in einem Gedicht, das als eine gemeinschaftliche Produktion von Harsdörffer, Johann Helwig, Klaj und Birken konzipiert ist. Dort wird die akustische Wahrnehmung der Sprache sowohl durch die Wiederholung von „s“ (stimmlos) und „s“ (stimmhaft) geprägt als auch durch die Wiederholung von „k“. Strefon [Harsdörffer] Des Baches Wasser Straß rauscht mit dem Sausselgiessen: Es schläfert das Geschürff die lassen Hirten ein. Des Flusses Lispelschuß schleusst unsrer Augen schein / Und wil/ durch nassen Kies/ das Schäferspiel versüssen. […] Montano [Johann Helwig] Der Stumme stummt und mummt/ indem sich stämmt die Stimme Der Dumme munkt und mukkt mit halbem Zahngebrümme: Bey jenem mummt der Mund/ dem ist der Muht ein Mämm. Doch Mämme/ Stumm und Dumm stummt kleines in dem M. […] Klajus Der kekke Lachengekk koaxet krekkt und quakkt / Des Krippels Krükkenstokk krokkt/ grakkeltt/ humpt und zakkt / Des Gukkuks Gukken trotzt den Frosch und auch die Krükke. Was knikkt und knakkt noch mehr? kurz/ hier mein Reim=geflikke. […] Floridan [Birken] Wann Schäfer Trifften trifft das Ruffen frecher Treffen / Der Waffen puff und paff/ pfeifft unsre Pfeiffe? Nein. Das Hoffen äffet oft/ offt trifft es trefflich ein / Drüm hoffet/ Hoffen wird nicht mehr den Frieden äffen.31
Die Wiederholung der Konsonanten (z. B. die “K”-Laute) und die wechselseitigen S-Laute (stimmhaft, stimmlos) heben die Wichtigkeit des Klangs hervor. Die Tatsache, dass Klajs Strophe den ersten Buchstaben seines Namens wiederholt, wäh
31 Birken, Fortsetzung (wie Anm. 29), S. 78 [Bild 86].
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rend die Strophe von Strefon (Harsdörffer) die S-Laute einsetzt, zeigt wiederum die spielerische Tendenz der Pegnesen. Harsdörffers Wortwahl, besonders ‚saussel‘ und ‚Giessen‘, erinnert einen ganz spezifisch an Klajs Beschreibung der schon erwähnten Übertragung der Deutschkenntnisse beim Stillen an der Brust der Amme und auch an das Rauschen der Pegnitz selber – ein Geräusch, das die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Fluss lenkt, der oft im Mittelfeld der Pastoralen steht und ja auch der Sprachgesellschaft ihren Namen verleiht. Forscher wie Klaus Garber und Jane Newman haben gezeigt, inwiefern Texte wie das Pegnesische Schäfergedicht und die Fortsetzung der Pegnitz=Schäferey als gesellschaftskritische Dokumente gesehen werden sollten.32 Durch die Hervorhebung der Natur und der singenden Hirten sollte das Schäfergedicht zum Beispiel oft eine Art Utopie präsentieren, die einen Gegensatz zu den Problemen der durch den Krieg gezeichneten Städte und Dörfer bilde. Die Schriften sind aber nicht so egalitär oder utopisch, wie man es von ihnen vielleicht erwarten mag, da die Texte oft durch einen Stifter finanziert wurden. Außerdem wurden sie von einer bestimmten Gruppe für Leute eines gewissen sozialen Standes geschrieben. Abgesehen davon sollten die Dichtungen nach Vergil nicht auf den jeweiligen Schäfer fixiert sein, sondern auf das Singen an sich.33 Nach Mara Wade spielte die Musik eine besondere Rolle auch bei der Grundlegung der Texte. Das sehr populäre, im Nachhinein hinein so genannte „Historische Konzert“, das von Sigmund Theophil Staden und Johann Michael Dilherr konzipiert wurde, möge als beispielhafte Inspiration für die Begründung des Blumenordens und dessen Betonung der Lyrik gesehen werden.34 Aus diesem Grund darf die Verbindung Musik-Singen-Lyrik zum sprachlichen Projekt von Klaj und seinen Kollegen nicht unbetont bleiben. Klajs Schäferdichtungen und Redeoratorien sind also als Erlebnis zu verstehen – ob für den Leser oder für den Zuhörer oder für den Vortragenden eines gedruckten Textes für ein anwesendes Publikum. Die Aufführung von Texten, sofern sie möglich war, ist besonders wichtig gewesen, denn dadurch schafft die „lautliche Performanz […] ein gemeinschaftsstiftendes Ereignis, in dem die Artikulation räumlich und zeit-
32 Jane O. Newman: Pastoral Conventions. Baltimore 1990, S. 12–13; Klaus Garber: Arkadien und Gesellschaft. Skizze zur Sozialgeschichte der Schäferdichtung als utopischer Literaturform Europas. In: Wilhelm Voßkamp (Hg.): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie. Stuttgart 1982, S. 37–81, hier S. 57–59. 33 Garber, Arkadien (wie Anm. 32), S. 41. 34 Mara R. Wade: Das ‚Historische Konzert‘ im Kontext. Literarische Musikkultur des 17. Jahrhunderts in Nürnberg. In: John Roger Paas (Hg.): Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wiesbaden 1995, S. 114–131, hier S. 121; siehe Garber, Nuremberg (wie Anm. 13), S. 205 f.
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lich mit dem Moment der Rezeption zusammenfällt, wobei das Gedicht sich als sprachlicher Akt in der Zeit entfaltet“.35 Es ist dieses Erlebnis des sprachlichen Klangs, womit Muttersprachler eine geteilte, geerbte Erfahrung genießen sollten. Wichtig dabei ist jedoch die Schrift als Übermittlungsmodus, denn dadurch kann der Dichter mittels sanfter Vergeistigung und Härte der deutschen Sprache ihre idealisierte Form geben. Klaj fasst diese Gedanken in seiner Lobrede zusammen, indem er Ovid zitiert, bevor er (d. h. Klaj) den besonderen Klang und die Flüssigkeit der deutschen Sprache erwähnt:
Wie denn bisanhero in unserer Sprache/ die reich an Worten/ reich an Güte/ reich an Zieraht/ dero Lachen und Weinen/ liebliche Härte/ männliches Gelaute und fliessende Süssigkeit/ niemand in Acht genommen/ als die Poeten.36
Nach Klaj ist es vor allem die Aufgabe des Poeten, den inhärenten Wert und das Potenzial der deutschen Sprache zu erkennen und zu verwirklichen. Dabei soll er vor allem dem oralen Ursprung und den auditivreichen Eigenschaften der deutschen Sprache treu bleiben, denn dadurch zieht der Dichter eine produktive Bilanz zwischen Schriftlichkeit und der am Weiblichen, Göttlichen gebundenen Oralität.
35 Dieter Lamping (Hg.): Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Stuttgart 2011, S. 89. 36 Klaj: Lobrede (wie Anm. 5), S. 13 [Bild 27].
‚Kleine Literatur‘
Dirk Niefanger
Klajs Kinderbuch Das gantze Leben Jesu Christi (1648) Was ist ein Kinderbuch? Diese auf den ersten Blick recht einfache Frage mag zwar im Alltag leicht zu beantworten sein, ist aber in spezifischen Forschungszusammenhängen durchaus differenziert zu erläutern. Denn trotz oder gerade wegen der recht großen Aufmerksamkeit, die die Kinder- und Jugendbuchliteratur in den letzten Jahrzehnten innerhalb der Kulturwissenschaften, der Fachdidaktik und natürlich auch der Germanistik erlangt hat, gibt es „je nach Verwendungszusammenhang verschiedene Bedeutungen, die unterschiedliche Korpusbildungen nach sich ziehen.“1 Hinzu kommen je andere historische und milieuspezifische Anforderungen an das Kinderbuch, die es bei einer adäquaten Gegenstandsbeschreibung zu berücksichtigen gilt. Es ist hier allerdings nicht der Ort die recht unterschiedlichen Forschungspositionen zu diskutieren und eigene Vorschläge für eine fachwissenschaftlich sinnvolle Begriffsverwendung zu entwickeln. Daher wird im Folgenden recht pragmatisch verfahren: Ein Kinderbuch sei einfach als „Oberbegriff“ für „Literatur“ gefasst, die „zum Lesen oder Vorlesen für Kinder“ geeignet ist.2 Darüber, wie Kindern der Lesestoff näher gebracht wird und wie dieser ausgewählt wird, gibt es freilich unterschiedliche Ansichten. Dies gilt ganz besonders, wenn man eine historisch weit entfernt liegende Kultur mit der unsrigen vergleicht. Dass diese andere Ideale von Kindheit, Didaktik und Erziehung hegt als wir heute, versteht sich von selbst. Gab es in der Frühen Neuzeit, so muss man etwa fragen, denn schon eine eigene Vorstellung von Kindheit oder Jugend? Ja, sogar eine relativ reflektierte. Auch hier begnüge ich mich mit einigen wenigen kursorischen Hinweisen. Glaubt man Philippe Arièsʼ Klassiker L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime (1960, dt. 1975), begann ein unterscheidender Blick auf die Kindheit schon im 16. Jahrhundert, im 17. kam eine eigene Gefühlskultur gegenüber dem Kind hinzu; erst im 18. Jahrhundert differenziert man dann einzelne Entwicklungsphasen von Kindern und entwickelt eine spezifische Pädagogik.3 Deutsche Kulturgeschichten
1 Bettina Kümmerling-Meibauer: Kinder- und Jugendbuchliteratur. In: Harald Fricke u. a. (Hg.) : Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. II. Berlin, New York 2007, S. 254–258, hier S. 254. 2 Ebd. 3 Vgl. Philippe Ariès: L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime. Paris 1960 und Philippe Ariès: Geschichte der Kindheit. Übers. v. Caroline Neubaur und. Karin Kersten. München 1975.
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der Frühen Neuzeit folgen grosso modo Philippe Ariès: Mit ihm muss man zweifeln, dass schon im 17. Jahrhundert eine allgemein verbreitete Vorstellung von Kindheit und ihren Eigenheiten existierte; ein eigentlicher, annähernd wissenschaftlicher Begriff der ersten Lebensphase bildete sich – so van Dülmen – auch „erst im Laufe des 18. Jahrhunderts heraus“. Wenn vorher – zumindest im nichtgelehrten Diskurs – „von Kindern gesprochen wird, dann sind vor allem Kinder bis etwa zum 10. Lebensjahr gemeint.“4 Gleichwohl gab es schon Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts – darauf macht Paul Münch mit Recht aufmerksam – Versuche, die Kindheit in Phasen einzuteilen: Der wichtigste Pädagoge der Zeit, Johann Amos Comenius, geht von „Sechsjahresstufen“, Abraham a Sancta Clara in Huy! und Pfuy! der Welt (1701) von einer „Siebenereinteilung“ aus.5 Letztere hat sich überraschenderweise im Prinzip bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa erhalten (Schuleintritt mit 7, Konfirmation bzw. Beendigung der Volksschule mit 14, Mündigkeit mit 21). Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen Kindern und Erwachsenen war in der Frühen Neuzeit zunächst die (vollständige) Arbeitsfähigkeit, die etwa mit dem Auslaufen der Pubertät (14. Lebensjahr) angesetzt werden kann, dann der (mögliche) Eintritt in die Ehe und die Übernahme „einer vollen Berufsstelle“6. Allerdings müssen hier je nach Stand und Region Unterschiede gemacht werden. Ausgehend von einer solchen Einteilung kann man davon ausgehen, dass sich in den eher gelehrten Diskursen der Frühen Neuzeit sukzessive eine gewisse Vorstellung von Kindheit (bis zum 14. Lebensjahr) in Abgrenzung zur Jugendlichkeit (bis zum 21. Lebensjahr) entwickelt hat. Diese Unterscheidung (prä-/postpubertär) entspricht cum grano salis der heute gängigen Differenzierung von Kinder- und Jugendbüchern.7 Dass die „so genannte ‚Entdeckung der Kindheit […] in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts“ falle,8 kann nur behaupten, wer in der Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit nicht besonders heimisch ist – auch wenn sich in dieser Zeit die Pädagogik mit Jean-Jacques Rousseau, Johann Bernhard Basedow und Joachim Heinrich Campe zweifellos weiterentwickelt und zur Herausbildung eines eigenen literarischen Teilmarktes für Kinder- und Jugendliteratur geführt hat. Münch ist zu folgen, wenn er lakonisch konstatiert: „Sowenig wie die ‚Kindheit‘ im 17. Jahrhundert, sowenig brauchte man die ‚Jugend‘ im 18. Jahrhundert
4 Richard van Dülmen: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. Bd. 1: Das Haus und seine Menschen. München 31999, S. 80. 5 Paul Münch: Lebensformen der Frühen Neuzeit. 1500 bis 1800. Berlin 1998, S. 202 f. 6 Ebd., S. 203. 7 Vgl. Ernst Seibert: Themen, Stoffe und Motive in der Literatur für Kinder und Jugendliche. Wien 2008, S. 19–39, besonders S. 27. 8 Ebd., S. 123.
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zu ‚entdecken‘.“9 Man unterschied ja frühe Lebensphasen. Gewandelte pädagogische Vorstellungen implizieren ja nicht, dass vorher keine Ideen von Kindheit, Jugend und einer adäquaten Erziehung unterschiedlicher Alter entstanden sind. Fest steht auch: es gab schon in der Frühen Neuzeit spezifische Kinder- und Jugendbücher, vermutlich sogar schon vorher.10 Johann Klajs Das gantze Leben Jesu Christi mit schönen Kupffern abgebildet und neuen Reimarten und Biblischen Sprüchen außgezieret (1648, 21651)11 kann sogar in einem engeren Sinn als Kinderbuch gesehen werden, da es „eigens für Kinder“ verfasst bzw. gestaltet wurde.12 Die Vorrede des Nürnberger Theologen Johann Michael Dillherr verweist gleich anfangs auf die „Vätterliche Kinderzucht“ (fol. 1r)13 und auf „allerley feine Büchlein/ welche zu diesem Zweck dienen möchten“ (fol. 3v). Um „dem Gemüht und dem Gedächtniß desto vester pflegen“ zu können, seien solche Bücher oftmals mit Bildern ausgestaltet worden. Diesem didaktischen Konzept folge auch das vorliegende Werk über das Leben Jesu: Gestalt denn/ dieser ursach wegen/ Herr Paulus Fürst/ Burger und Kunst-Handelsmann/ mein geehrter Herr und werther Freund/ das Leben Jesu Christi/ mit schönen Bildern/ mit klaren Sprüchen/ vnd mit anmuhtigen Reimen/ also hat zusammen bringen/ und auff Seinen Kosten/ ans Tageliecht geben wollen. Gleich wie nun dieses ein sehr wolgemeintes und erbauliches Wercklein ist: Also zweifle ich gantz nicht/ es werden es fromme Eltern und treue Unterweiser der Jugend ihnen fleissig lassen anbefohlen seyn/ und ihre Kinder beständig dazu anhalten[.] (ebd.)
Dilherr verwendet die Begriffe Kinder und Jugend wenig distinkt. Eher allgemein hebt er hervor, dass Klajs Werk von Lehrkräften und Eltern sehr gut zur Erziehung genutzt werden könne. Bettina Bannasch macht darauf aufmerksam, dass die betonte „Eignung des Emblembuchs für Kinder“ noch nichts über die „besondere
9 Münch, Lebensformen der Frühen Neuzeit (wie Anm. 5), S. 203. 10 Vgl. Kümmerling-Meibauer, Kinder- und Jugendbuchliteratur (wie Anm. 1), S. 255 f. 11 Die Ausgabe enthält eine neue, an die Kitzinger Arbeitssituation angepasste „Vorrede an alle Catholische Christen“. „Catholisch“ ist hier nicht konfessionell, sondern im Wortsinn als ‚allumfassend‘ gemeint: Johann Klaj: Das gantze Leben Jesu Christi mit schönen Figuren Sprüchen und Reimen außgezieret. Nürnberg 1651, fol. 2r. Beim zitierten Exemplar der Yale University fehlt neben dem Frontispiz ein eigenes Titelblatt; ein weiteres Exemplar ist im deutschsprachigen Bereich zur Zeit nicht nachweisbar. Vgl. Ernst Rohmer: Johann Klaj in Kitzingen. Bohemien oder Pastor orthodoxus? In: Werner Kügel (Hg.): Pegnesischer Blumenorden in Nürnberg. Festschrift zum 350jährigen Jubiläum. Nürnberg 1994, S. 7–15. 12 Kümmerling-Meibauer, Kinder- und Jugendbuchliteratur (wie Anm. 1), S. 254. 13 Johann Klaj: Das gantze Leben Jesu Christi mit schönen Kupffern abgebildet und neuen Reimarten und Biblischen Sprüchen außgezieret. Nürnberg 1648, Erste Vorrede, unpag., fol. 1r. Diese Ausgabe wird in Zukunft mit Seiten- bzw. Blattangaben im laufenden Text zitiert.
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Erziehungsbedürftigkeit des Kindes“ sage.14 Hier führt die „Andere Vorrede. An alle Christglaubige Gott= und Kinderliebende Eltern“ (fol. 7r), die Johann Klaj selbst unterzeichnet, weiter. Seine Vorrede macht deutlich, dass das Leben Jesu der elterlichen „Kinderzucht“ (fol. 8r) diene und sich speziell an Kinder, nicht an Jugendliche richte. Er verweist auf die Verantwortung der Eltern für ihr „eigen Fleisch und Blut“ (fol. 9r) und begründet, warum die christliche Erziehung gerade im „zarten“ Kindesalter (ebd.) einsetzen müsse: „Kinderherz ist wie Zunder das gutes und böses fänget // Kinderhertz ist wie eine glatte Tafel/ daran man schreiben kann/ was man will.“ (fol. 9v) Auch rechtfertigt er die Verwendung von Bildern und Emblemen für die Kindererziehung:15 „Unter anderen heilsamen Mitteln aber die Kinder zur Gottesfurcht zugewehnen/ ist nicht das geringste Bildnisse und Gleichnisse“ (ebenda). Klaj zielt darauf, das geringe biblische Wissen der Kinder zu mehren; hierfür eigne sich das Emblemverfahren des Leben Jesu besonders. Grundsätzlich gelte: „Die Bilder betreffende/ so werden die Kinder und Einfältigen dadurch mehr beweget die Göttlichen Geschichten zubehalten/ dann durch blosse Wort und Lehre.“ (fol. 10r). Und später heißt es ergänzend: „Was denen so da lesen können die Schrift nützet/ das nützet denen Leyen und Kindern das Gemähle/ dann in denselben sehen die Unwissenden was ihnen zuthun/ darinnen lesen dieselben die nicht lesen können.“ (fol. 11r) Aus der spezifischen Erwähnung von „Knaben“ (ebd.) und „Mägdlein“ (fol. 11v) lässt sich sogar schließen, dass Klaj mit seinem Buch Kinder beiderlei Geschlechts erreichen wollte. Klaj fasst zusammen: In ansehen dessen ist hier das gantze Leben Jesu mit schönen Kupffern abgebildet/ darzu mit bequemlichen Sprüchen und neuen Reimen außgezieret/ auß welchen die Kinder den ersten Grund zur Gottseeligkeit legen können/ darauff dann ein löblicher Anfang deß Tempelbaus Gottes deß heiligen Geistes mittler Zeit kann gebauet werden. (fol. 11v f.)
Klaj denkt die religiöse Erziehung der Kinder und Jugendlichen konsekutiv. Das Lernen soll zunächst über Bilder gehen,16 die wie Texte gelesen werden können. Darauf können dann komplexere Bibelstellen und schwierige Themen folgen. Die zweite Auflage des Leben Jesu (1651) macht konkrete Vorschläge, wie das Buch zu gebrauchen sei:
14 Bettina Bannasch: Zwischen Jakobsleiter und Eselsbrücke. Das ‚bildende Bild‘ im Emblemund Kinderbilderbuch des 17. und 18. Jahrhunderts. Göttingen 2007, S. 227. 15 Hierzu vgl. ebd., S. 223–259, leider ohne Erwähnung von Klajs Leben Jesu. 16 Der frühneuzeitliche Erziehungsklassiker (etwa 200 Ausgaben in vielen Sprachen) von Johann Amos Comenius verfährt hier analog: Orbis Sensualium Pictus. Nürnberg 1658. Vgl. Bannasch: Zwischen Jakobsleiter und Eselsbrücke, S. 225–227.
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Anfangs nun kann ein Vatter oder Mutter/ mit Gott/ ihr lallendes Kindlein/ durch diß gantze Leben Jesu Christi fragen/ was in jeglichem Bilde begriffen/ und was es für eine Geschichte in sich halte. Zu dem Ende haben wir diese Reime vorher gefüget/ daß der Erste von dem Vater gefraget/ der ander von dem Kindlein beantwortet wird/ und dieses vom Anfang biß zum Ende.17
Auf den nächsten Seiten dieser Auflage folgen dann nummerierte Beispielfragen und Antworten zu allen Emblemen, die zeigen wie ein solches lehrendes Gespräch zwischen Vater bzw. Mutter und Kind ideal zu denken wäre. Der oben zitierte Hinweis Johann Michael Dilherrs auf Paul Fürst ruft ins Gedächtnis, dass die Autorschaft des Leben Jesu nicht allein Johann Klaj zugesprochen werden kann, auch wenn er als Verfasser auf dem Frontispiz und als poeta laureatus sogar zusätzlich noch auf dem Titelblatt erscheint. Dem auf beiden Seiten ebenfalls erwähnten Verleger und Kunsthändler Paul Fürst sowie der als Vorredner lediglich auf dem Titelblatt hervorgehobene Dilherr können zu Recht ihren Teil an der Werkkonzeption und konkreten Gestaltung des Buchs beanspruchen. Hinzu kommen noch der Kupferstecher Peter Rollos, der für die Illustrationen zuständig war, und der Nürnberger Drucker Christoff Lochner, der auf einer eigenen Seite zwischen erster Vorrede und Leitemblem bzw. zweiter Vorrede genannt wird (vgl. fol. 6r). Martha Woodmansee hat daraufhin gewiesen, dass „etwa bis in die fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts hinein der Schriftsteller stets nur als einer unter zahlreichen anderen Handwerkern angesehen wurde, die an der Produktion eines Buches beteiligt waren.“18 Das gilt selbstredend auch für das Leben Jesu:
(1) Johann Klaj (1616–1656), Mitbegründer des Pegnesischen Blumenordens,19 war bei Erscheinen des Buches 1648 „Lehrer an der Sebalder Lateinschule“ in Nürnberg.20 Auf dem Titelblatt bezeichnet er sich als einen „der heiligen Schrift Beflißenen und gekrönten Käyserlichen Poeten“ (fol. 2r). Beide Kompetenzen bzw. Auszeichnungen weisen ihn als besonders qualifiziert für das Bändchen aus. Im Erscheinungsjahr heiratete er Maria Elisabeth Rhumelius, hatte also vermutlich schon eigene Kinder im Sinn. Seit seiner Ankunft im Nürnberger Exil 1643 präsentierte er unterschiedliche Dichtungen (Weyhnachts-Liedt, Schulactus bzw. Redeoratorien, Friedensdichtungen usw.). 1650 verließ er Nürnberg und wurde Pfarrer in Kitzingen. Er war für die poetischen Texte und – möglicherweise zusammen mit Dilherr – für die Auswahl der zitierten Bibelstellen zuständig.
17 Klaj, Das gantze Leben Jesu Christi (21651) (wie Anm. 11), fol. 9v. 18 Martha Woodmansee: Der Autor-Effekt. Zur Wiederherstellung von Kollektivität. In: Fotis Jannidis u. a. (Hg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 298–314, hier S. 298 f. 19 Vgl. Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006, S. 51–63. 20 Jakob Lehmann: Fränkischer Literaturbarock. Bamberg 1986, S. 47.
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(2) Eine Identifikation von Peter Rollos als Illustrator des Leben Jesu gelingt nur durch seine Signatur des Stichs „Das Abendmal/ ist mein Labsal“ (E 36).21 Rollos, gebürtig in Frankfurt am Main, war Kupferstecher in Berlin (1628, 1639) und Prag. Genauere Lebensdaten sind nicht bekannt. Eine gewisse zeitgenössische Bedeutung haben seine Herrscherportraits im protestantischen Bereich (Friedrich V. von der Pfalz, um 1619; der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm als Knabe, Gustav Adolf von Schweden zu Pferde, 1631). Da Rollos auch frivole Stiche zum Stammbuchgebrauch22 anfertigte und diese auch selbst verlegte, scheint er nicht auf ernste (theologische oder herrschaftliche) Themen festgelegt gewesen zu sein. (3) Paul Fürst (1608–1666) war ein angesehener Buch- und Kunsthändler sowie Verleger in Nürnberg.23 Schwerpunkt seiner Tätigkeit war insbesondere die Publikation von Kupferstichen; daher erklärt sich auch sein Interesse am aufwendig illustrierten Leben Jesu. Das Werk scheint die erste Verlagskooperation von Fürst und Dilherr gewesen zu sein, der noch mindestens fünf weitere illustrierte Bücher mit mehreren Auflagen folgten, u. a. Dilherrs Tugenschaz/ Und Lasterplaz (1659, 21679), ProphetenSchul (1662) und Himmel und Erden ([1667], 2 [1670], 31674).
(4) Johann Michael Dilherr (1604–1669), der Verfasser der ersten Vorrede zum Leben Jesu, gehörte zweifellos zu den bekanntesten Theologen seiner Zeit.24 In Jena wirkte er als Universitätsprofessor und als Prediger an St. Sebald in Nürnberg. Aber auch im Bereich der geistlichen Poesie und beim Kirchenlied galt er als Autorität; so wurde er schon 1629 zum poeta laureatus gekrönt. Als Bibliothekar, Schulinspektor in Nürnberg, als Professor am auditorum publicum und als einflussreicher Theologe war er ein großer Förderer Johann Klajs.
(5) Christoff (auch Christoph) Lochner (II, 1603–1677), der explizit genannte Drucker des Leben Jesu (vgl. fol. 6r), war als angesehener Buchdrucker, Setzer und Buchführer (Sortimenter, Buchhändler) in Nürnberg tätig. Er arbeitete zeitweise u. a. für den bekannten Nürnberger Verleger Endter, bei dem auch Dilherr und Klaj (etwa die Schulactus/Redeoratorien) publizierten.
Aus dem Kreis der Produzenten fällt als einziger nicht in Nürnberg Ansässiger der Kupferstecher Peter Rollos auf, zumal es in Nürnberg wohl Alternativen gegeben
21 Die Embleme sind im Leben Jesu (Anm. 13) durchnummeriert, aber nicht paginiert. Wird aus den Emblemen zitiert, werden im laufenden Text statt Blattnummern oder Lagen die Emblemnummern (Sigle E) angegeben. Zum älteren Rollos vgl. Robert Zijlma: Peter Rollos I to Christian Romstet. Rosendaal 1993 (Hollstein’s German Engravings, Etchings and Woodcuts 1400–1700, 35), S. 7–30, zum Leben Jesu ebd. S. 8–10. 22 Z. B. Cornelius Gramhart: Allemodisch Stambuch […]. Berlin [nach 1628]. Vgl. dazu Werner Wilhelm Schnabel: Das Stammbuch. Konstitution und Geschichte einer textsortenbezogenen Sammelform bis ins erste Drittel des 18. Jahrhunderts. Tübingen 2003 (Frühe Neuzeit, 78), S. 502. 23 Vgl. Art. Fürst, Paul. In: Manfred H. Grieb (Hg.): Nürnberger Künstlerlexikon. München 2007, Bd. I, S. 436 f. Grundlegend immer noch Theodor Hampe: Beiträge zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg II: Paulus Fürst und sein Kunstverlag. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1914/15, S. 3–127; ebd. 1920/21, S. 137–170. 24 Vgl. Art. Dilherr, Johann Michael. In: ebd., Bd. I, S. 270 f.
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hätte. Zu denken wäre etwa an Michael Herr (1591–1661), mit dem Fürst und Dilherr früher oder später zusammengearbeitet hatten (Emblematum Sacrorum, 1640; Dilherr-Bibel, 1656 usw.). Anders als die anderen Beteiligten wird Rollos sehr zurückhaltend, ja, versteckt präsentiert. Die Beteiligung ausgewiesener, hochqualifizierter Spezialisten ihrer Zeit ermöglichte jedenfalls eine recht qualitätvolle Publikation mit mehreren Paratexten unterschiedlicher Funktion. Sie gliedert sich wie folgt auf: Das gantze Leben Jesu Christi mit schönen Kuppfern abgebildet/ neuen Reimarten und Biblischen Sprüchen außgezieret (1648) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Frontispiz Titelblatt Erste Vorrede An den Gottliebenden Leser von Johann Michael Dilherr Hinweis auf den Drucker Christoff Lochner Emblem Es thönet der Posaunen Schall (ohne explizit gemachtem Bibelbezug) Andere Vorrede. An alle Christglaubige Gott= und Kinderliebende Eltern von Johann Klaj Ein Kinderlied In welcher das Jesukindlein zum beten und studieren vermahnet Kupferstich Jesus Christus Heut und Gestern und von Ewigkeit zu Ewigkeit 63 Embleme zum Leben Jesu (mit explizit gemachtem Bibelbezug) Inhalt eines 64. Emblems mit Bezug auf das Ende der Bibel: Offenbarung 22, 20–21
Alle Seiten des Buches außer der Seite des Frontispizʼ sind mit einem Zierrahmen versehen. Auf eine gewisse Unachtsamkeit scheint nur auf den ersten Blick das nicht vollständige Schlussemblem hinzuweisen; bei genauerem Hinsehen kann es als Nachweis der überlegten Anlage des Werkes angesehen werden. Nicht auszuschließen ist nämlich, dass die letzten, segnenden und bezeugenden Schlussworte der Bibel absichtlich ohne Illustration und interpretierende Verse Klajs ans Ende des Buchs gesetzt wurden, da sie inhaltlich an das Eingangs-Emblem Es thönet der Posaunen Schall anschließen: Komm bald/ komm Jesu bald/ und eyle zum Gerichte Komm bald und laß uns sehn dein heilig Angesichte / Komm bald/ komm Jesu bald du bist das A und O Komm bald mein Jesus komm/ Ich komm. Deß sind wir fro. (fol. 6v) Ja/ ich komme bald/ Amen. Ja/ komm Herr Jesu. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sey mit euch allen/ Amen (E 64, nach: Offenbarung 22, 20-21)
Die Korrespondenz des Eingangsemblems ohne explizit gemachten, also offensichtlichen Bibelversbezug mit dem ‚unvollendeten Emblem‘ 64, das nur aus der Bibelreferenz besteht, erzeugt eine Kreis- bzw. Antwortstruktur, die auf die Auferstehung verweist. Die 63 Embleme haben sonst alle und ohne Ausnahme eine analoge Struktur: Zunächst findet sich auf der Verso-Seite eine Ordnungszahl, die Überschrift „Inn-
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halt der Geschicht“ und ein Bibelvers von in der Regel 7 Zeilen mit genauen Angaben zur Bibelstelle. Auf der Recto-Seite gegenüber folgt ein dreigliedriges TextBild-Ensemble aus inscriptio/lemma (ein gereimtes Verspaar unterschiedlicher Länge, zum Teil in eine Zeile gedruckt), pictura (Kupferstich) und subscriptio (vier paargereimte Verse). Die Buchstabengröße der inscriptio ist geringer, so dass die subscriptio etwa ein Drittel der Seite, die pictura die Hälfte der Seite einnimmt. Die Embleme des Kinderbuchs sind also viergliedrig, da zu den üblichen drei Elementen einleitende Bibelverse kommen. Alle Teile des Emblems stehen in einem hermeneutischen Zusammenhang. Dies sei an zwei Beispielen erläutert: Emblem 9 präsentiert den zwölfjährigen Jesus im Tempel. Zitiert wird die Auffindungsszene mit der Angabe ‚Lukas 2, Vers 46‘, wobei der variierte Lukas-Vers 42 als Einstieg gewählt und der Text zum besseren Verständnis durch Hinzufügung der in der Bibel genannten Akteure („Eltern“) und des Handlungsortes („zu Jerusalem“) ergänzt wird:
Da Jesus zwölff Jahr alt war/ funden ihn seine Eltern zu Jerusalem im Tempel sitzen/ mitten unter den Lehrern/ daß er jhnen zuhörete und sie fragte. (E 9)
Ausgeblendet werden wohl aus pädagogischen Gründen die Sorgen der Eltern, die Vorwürfe gegenüber ihrem Sohn – „Mein Son, warumb hastu vns das gethan: Sihe/ dein Vater vnd Ich haben dich mit schmerzen gesucht.“25 – und seine selbstbewusste Antwort, die seine Eltern nicht besonders souverän aussehen lässt: „Wisset jr nicht/ das ich sein mus in dem/ das meines Vaters ist: Vnd sie verstunden das wort nicht/ das er mit jnen redet.“26 Eltern, die die Worte ihrer Kinder nicht verstehen, sind als Lehrer nicht besonders geeignet. Immerhin lässt die Inhaltsangabe auch die möglicherweise etwas unmotiviert erscheinende Unterordnung des Zwölfjährigen unter die Autorität der Eltern weg: „vnd war jnen vnterthan.“27 Gestaltet die Bibelstelle die frühe intellektuelle Überlegenheit Christi gegenüber Schriftgelehrten und Eltern aus, fokussiert die Inhaltsangabe mit der Auffindungsszene das lernbegierige Kind unter Lehrern. Lässt man den Zweifel der Eltern, das Befremden der Schriftgelehrten und die Rekonstitution des Autoritätsverhältnisses weg, rückt die Freude der Eltern über das Können des Kindes ins Zentrum. Ja, das Auffinden kommt einem Erkennen gleich, ästhetisch einer anagnorisis. Daher lenkt die inscriptio die Aufmerksamkeit ganz auf den Moment des Auffindens. Die Kürze des Verses lässt den (möglichen) Endreim als Binnenreim er-
25 Lukas 2, 48; Wortlaut nach der Lutherbibel von 1545. 26 Lukas 2, 49–50; Wortlaut nach der Lutherbibel von 1545. 27 Lukas 2, 51; Wortlaut nach der Lutherbibel von 1545.
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scheinen; über die Reimworte sind das Finden der Mutter und das Jesuskind verbunden: „Die Mutter find das Jesu Kind.“ (E 9). In Klajs Buch hat die Mutter das Kind verstanden. Das zeigt auch die pictura, wo Mutter und Kind durch den nimbus von allen anderen unterschieden werden und durch Handgesten in Bezug gesetzt werden. Die Mutter greift sich mit rechts ans Herz, auf das ihr Sohn mit der rechten Hand und zum Segen geöffneten Fingern deutet, während sie mit links in Richtung des Jungen zeigt. Dieser deutet mit der linken Hand, die auf einem aufgeschlagenen Buch ruht, auf sein Herz. Auch der Blick ist nicht auf die Schriftgelehrten, sondern die Eltern gerichtet. Auch die Geste des Vaters kann man als eine ostentative Hinwendung zum Christuskind deuten; er hat, im Gegensatz zu den Schriftgelehrten, seine ‚jüdische‘ Kopfbedeckung abgenommen.
Abb. 1: Peter Rollos: Die Mutter find das Jesu Kind, Kupferstich, aus: Johann Klaj: Das gantze Leben Jesu Christi mit schönen Kupffern abgebildet […], Nürnberg 1648, Emblem 9
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Denn diese sind über ihre Hüte als Juden markiert, die der alten Lehre anhängen. Ihre Gesichter zeigen Ratlosigkeit und Verwirrtheit. Insofern wirkt die Darstellung aus heutiger Sicht vielleicht etwas befremdlich. Antijudaistisch oder gar antisemitisch war sie wohl nicht intendiert.28 Immerhin zeigt das Bild ja, dass Christus zur intellektuellen Auseinandersetzung mit der jüdischen Lehre bereit war. Die Gelehrten wenden sich aber von Christus ab und sind in eigene scholastische Dispute verwickelt. Sie zeigen nicht auf das Kind, sondern in Ihre Bücher, denen sie offenbar mehr Glauben schenken. Von der Verwunderung der Gelehrten über das Wissen des Heranwachsenden – „Vnd alle die jm zuhöreten/ verwunderten sich seines verstands vnd seiner antwort.“29 – ist wenig zu spüren. Eher zeichnen ihre Gesichter das ‚entsatzen‘, das Entsetzen oder Erstaunen, von dem die Bibel spricht.30 Als durchaus problematische Lehr-/Lern-Situation stellt die Bibelstelle eine Herausforderung an den Ausleger in einem didaktischen Umfeld dar. Johann Klaj setzt mit seinen bewusst ganz einfach gehaltenen subscriptio-Versen auf die Wirkung der imitatio christi: Zwölf Jahr ist Jesus alt/ hier sitzt er in dem Tempel Und lehrt die Lehrer selbst den Kindern zum Exempel / An Weisheit/ Alter/ Gnad/ an Tugenden wie du / Laß uns O Gott bey Gott und Menschen nehmen zu. (E 9)
Die Auszeichnung in Fettdruck (hier kursiv wiedergegeben) hat wie die inscriptio eine Lemma-Funktion. Es geht um den zwölfjährigen Jesus im Tempel. Das „hier“ vor der hervorgehobenen Passage bezieht sich deiktisch auf die pictura. Die Vorbildfunktion des jungen Jesus wird durch die Reim-Verbindung von Exempel und fett gedruckter Passage, die auf „Tempel“ endet, hervorgehoben. Der Zwölfjährige erscheint als Vorbild der etwa gleichaltrigen Adressatengruppe des Leben Jesu. Er soll „den Kindern zum Exempel“ dienen. Beide Vorreden deuten das wichtigste Lernverfahren an, das mit dem Emblembuch angewendet werden soll, wenn sie ausdrücklich auf die memoria der Kinder verweisen.31 Nicht nur die Bilder dienen dazu, „die Göttlichen Geschichten zubehalten“ (fol. 10r), sondern auch die gereimten Verse. Sie sollten vermutlich von den Kindern auswendig gelernt werden. Gesetzt, die Kinder selbst sprachen die Verse, richten sie ihre Worte unmittelbar an Christus, wohlwissend etwa in seinem damaligen Alter zu sein. Sie erbit-
28 Zumindest in Ansätzen antijudaistisch präsentiert aber die Vorrede Klajs ihre Exempel: vgl. Klaj, Leben Jesu (wie Anm. 13), fol. 8r f. mit Verweis auf Matthäus 27, 25. 29 Lukas 2, 47; Wortlaut nach der Lutherbibel von 1545. 30 Vgl. Lukas 2, 48; Wortlaut nach der Lutherbibel von 1545. 31 Vgl. Klaj, Das gantze Leben Jesu Christi (wie Anm. 13), fol. 3v und 10r.
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ten, quasi von Kind zu Kind,32 seine Gnade, eine zunehmende Weisheit und Tugendhaftigkeit – aber nicht nur für sich, sondern für die „Menschen“. Wenn die Kinder mit Klajs Versen explizit und durchaus selbstbewusst ins Feld führen, dass sie „an […] Alter […] wie du“, wie Christus in der Geschichte sind und dass er ihnen als „Exempel“ dienen soll, beanspruchen sie, implizit ebenfalls reif für Erkenntnis und moralische Lehre zu sein, ja, behaupten – in der Schlussphase ihrer Kindheit – eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber den Eltern. Schon in der zweiten Vorrede werden die einschlägigen Bibelstellen zum 31. Emblem aufgerufen (besonders Markus 10,13–16 und Lukas 18, 15–17) und als grundsätzliche Aufforderung an „herzfromme Eltern“ zur christlichen Unterweisung ihrer Kinder interpretiert.33 Insofern kommt auch in der Einzelbetrachtung dieser und verwandter Bibelstellen im 31. Emblem (genannt werden Matthäus 18,3; Markus 10,14–16; Lukas 18,17) eine besondere Bedeutung zu:
Jesus sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen/ und wehret jhnen nicht/ denn solcher ist das Reich Gottes. Und er hertzet sie/ und leget die Händ auff sie/ und segnet sie. (E 31)
Die Kernstelle, auf die sich die Inhaltsangabe bezieht, ist die Kindersegnung im Markus- bzw. Lukas-Evangelium (s.o.). Bei Markus belehrt Christus die Jünger, bei Lukas die Pharisäer. Welche Stelle gemeint ist, lässt die inscriptio offen: „Kommet her jhr Kinderlein/ spricht das liebe Jesulein“ (E 31). Der Stich zeigt neben Müttern und Kindern sowohl gelehrte Pharisäer mit jüdischer Kopfbedeckung als auch barhäuptige Männer, die vermutlich die Jünger darstellen; auch in der pictura bleibt die Darstellung also für beide Bibelstellen und beide modernen Adressatengruppen, nämlich Gelehrte und Fromme, anschlussfähig. Denn der Auslegungstenor erinnert an das oben analysierte 9. Emblem. Offensiv werden die naiven Kinder vorgezogen. Christus wendet sich ihnen zu, während die pictura im Hintergrund, im Rücken des Herrn und seiner Zuhörer also, eine christliche Kirche zeigt. Die Sündenfreiheit der Kinder symbolisiert ihre Nacktheit. Die zum Gebet erhobenen Hände des Kindes, das Christus am nächsten ist, zeigen seine Bereitschaft die Gnade gläubig und unhinterfragt zu empfangen. Dargestellt wird ein unmittelbares, kindliches Vertrauen zu Gott. Entsprechend liest sich auch die subscriptio, die sich allerdings gleichfalls, bei modernen Kinderbüchern in der Regel auch üblich, an die Eltern wendet – hier mit der Aufforderung, im geistlichen bzw. theologischen Sinne zu Kindern zu werden.
32 Umgekehrt verfährt das Lied Ein Kinderlied In welcher das Jesukindlein zum beten und studieren vermahnet: vgl. Klaj, Das gantze Leben Jesu Christi (wie Anm. 13), fol. 12v–13v. 33 Vgl. Klaj, Das gantze Leben Jesu Christi (wie Anm. 13), fol. 7v, vgl. 7r f.
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Abb. 2: Peter Rollos: Die Mutter find das Jesu Kind, Kupferstich, aus: Johann Klaj: Das gantze Leben Jesu Christi mit schönen Kupffern abgebildet […], Nürnberg 1648, Emblem 31
Klajs Interesse am Klang zeigen die Reime seiner Verse, die drei bzw. zwei Silben umfassen. Wortspielerisch wirken die Silbenwiederholungen und semantischen Variationen. Ungewöhnlich für Klaj erscheint der regelmäßige sechshebige Jambus: Das traute JesuHertz das hertzt die Kinderlein/ Es saget: Gottes Reich das sol der Kinder seyn/ Und wer im Himmel will das Himmelreich erlangen/ Der muß es wie ein Kind auff Erden hier anfangen. (E 31)
Gewissermaßen stellt die Forderung nach einer naiven, kindlichen Zuwendung zu Gott das pädagogische Konzept der religiösen Unterweisung in Frage, die das Leben Jesu bietet, setzt sie doch gerade auf Vermittlung theologischen Wissens. Doch mit den Versen betont Klaj zum einen die Affinität und Angemessenheit der christlichen Lehre gerade für kindliche Gemüter, zum anderen hebt er die Demut hervor, mit der man der religiösen Unterweisung begegnen soll. Analog dazu fällt
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die Deutung des ungläubigen Thomas (nach Johannes 20, 24–31) in einem der späten Embleme aus: „Der Glaube gründet allein auf GOTT vertrauen“ (E 61).
* Das Kinderbuch Das gantze Leben Jesu Christi kann als gutes Beispiel für die typisch barocke „Polyvalenz und Multifunktionalität der Emblematik“ angesehen werden.34 Sie wird hier in den Dienst einer frühneuzeitlichen Pädagogik gestellt, die die Eltern bzw. Lehrer ins Lernen miteinbezieht und die das Kind nicht als passives Aufnahmeobjekt versteht. Vielmehr verlangt das Emblembuch ein (inter-)aktives Teilnehmen der Kinder am Lehr-/Lernvorgang durch Auswendiglernen und Fragen sowie durch Verstehen im Austausch mit Lehrern und Eltern. Die zweite Auflage des Buchs führt dies anhand von Musterfragen und Antworten exemplarisch vor. Die relative Eigenständigkeit des Kindes wird durch entsprechende Bibelstellen und deren Auslegung belegt. Die kunstvolle Gestaltung des Buches, seine ausdrücklich kollektive Produktion und seine Religionspädagogik lassen das Leben Jesu als ein wichtiges, bislang von der Forschung aber vernachlässigtes Werk erscheinen.
34 Wolfgang Harms / Gilbert Heß / Dietmar Peil: Vorwort. In: Dies. (Hg.): SinnBilderWelten. Emblematische Medien in der Frühen Neuzeit. München 1999, S. 4.
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Klajs geistliche Lieder Die geistlichen Lieder Johann Klajs gehören nicht zu den poetischen Leistungen des Dichters, die ihn für die Nachwelt zum „wahren Fürsten des Nürnberger Parnasses“1 machen könnten, denn ihnen fehlt die spezifische Sprachartistik und das klangliche Raffinement, das Klajs Beiträge zu den Werken der Pegnitzschäfer, vor allem aber seine landläufig als ‚Redeoratorien‘ bezeichneten Schulactus auszeichnet. Die geistlichen Lieder sind ihrer Form nach der Tradition verhaftet, auch weil sie sich in der Regel vorhandener Kirchenliedmelodien bedienen. In der Forschung haben sie bisher eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren und daher noch keinen wesentlichen Beitrag zur literatur- und geistesgeschichtlichen Einordnung des Dichters geleistet.2 Dass Klaj schließlich Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Kitzingen geworden ist, war für Germanisten trotz des religiösen Inhalts vieler Werke aus der Feder Klajs eher ein Faktum, das sich nur aus einer Schaffenskrise und der daraus resultierenden Umorientierung im Lebensweg Klajs heraus begründen ließ, der nach seiner Krönung zum ‚poeta laureatus‘ den vergleichsweise sicheren Hafen des Lateinschullehrers ansteuerte, damit heiraten konnte und schließlich mit einer eigentlich ungeliebten Stelle als Pfarrer versorgt wurde.3 Im Zusammenhang mit dem Jubiläum des Pegnesischen Blumenordens im Jahr 1994 habe ich mich darum bemüht, das Bild vom Dichter, der ein eher bohèmehaftes Leben geführt haben soll, etwas zurechtzurücken und mich dabei auf historische Quellen zu den Lebensumständen des Kitzinger Pfarrherrn und dessen Umfeld gestützt.4 Wenn hier nun die geistlichen Lieder Johann Klajs und insbesondere seine Andachts Lieder5 in den Blick genommen werden, ist das ein neuer Anlauf, das theologie-
1 So urteilt noch Herbert Cysarz: Deutsches Barock in der Lyrik. Leipzig 1936, S. 75 und beruft sich vor allem auf Klajs „sechs dichterische Oratorien“ als sein „Hauptwerk“ (S. 76). 2 Einen ersten Versuch stellt dar: Ernst Rohmer: Geistliche Lieder bei Klaj. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 139–157. 3 Conrad Wiedemann: Nachwort des Herausgebers. In: Johann Klaj: Redeoratorien und ‚Lobrede der Teutschen Poeterey‘. Hg. v. Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock), S. 1*–19*, hier S. 7* f. Der Darstellung Wiedemanns folgen alle biographischen Abrisse seither; vgl. etwa Hans-Georg Kemper: Deutsche Lyrik der Frühen Neuzeit. Bd. 4/I: Barock-Humanismus: Krisen-Dichtung. Tübingen 2006, S. 326 f. 4 Ernst Rohmer: Johann Klaj in Kitzingen. Bohemien oder Pastor orthodoxus? In: Pegnesischer Blumenorden in Nürnberg. Festschrift zum 350jährigen Jubiläum. Nürnberg 1994, S. 7–16. 5 Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hrsg. von Conrad Wiedemann, Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 10), S. 263–289.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-020
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und frömmigkeitsgeschichtliche Umfeld, in dem diese Texte entstanden sind, genauer zu beschreiben und so deren Sitz im Leben zu bestimmen. Die Gesangbuchforschung der letzten Jahrzehnte hat die zeitweilig überbetonte Trennung von geistlichem Lied als dem Gemeindelied und dem Andachts- und Erbauungslied für den privaten Gebrauch ins Wanken gebracht.6 Das ‚geistliche Lied‘ spielt in beiden Zusammenhängen eine Rolle. Die Gesangbücher, die im 17. Jahrhundert in Nürnberg erscheinen, sind in aller Regel nicht solche zur Verwendung beim Kirchgang, sondern sie sind für die häusliche Andacht bestimmt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass im Gottesdienst auswendig gesungen wurde und dass man dazu auf einen relativ kleinen Kanon an Liedern zurückgriff, der überwiegend durch seine Herkunft aus der Reformationszeit legitimiert war. In einzelnen Gesangbüchern wird in Vorreden das auch als Mangel angesprochen und die Hoffnung artikuliert, dass über Schule und häusliche Andacht neues Liedgut allmählich auch für den gottesdienstlichen Gebrauch zur Verfügung stehen könnte.7 Insofern sind ‚geistliche Lieder‘ in aller Regel auch immer solche, die am Ende doch die Verwendung im Gemeindezusammenhang intendieren. So gesehen gehören zu den ‚geistlichen Liedern‘ von Johann Klaj nicht nur die kleine Sammlung von fünf Texten, die er unter dem Titel Andachts Lieder im Jahr 1646 veröffentlicht hat, sondern es gehören dazu auch diejenigen Texte, die unter Verwendung von Melodien bekannter Kirchenlieder in seinen anderen Werken veröffentlicht sind bzw. die er als Beitrag zu Gelegenheitsschriften verfasst hat. Nimmt man die Rezeption seiner Lieder in Gesangbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts zum Maßstab dafür, ob seine geistlichen Lieder auch Gesangbuchlieder und damit eventuell Kirchenlieder geworden sind, ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Mit seinem Namen verbinden sich vor allem Ich hab ein guten Kampf gekämpft und Einst sprach der kühne Jona
6 In kritischer Auseinandersetzung mit der hymnologischen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts Irmgard Scheitler: Das geistliche Lied im deutschen Barock. Berlin 1982, S. 29–38. Vgl. M[artin] Doerne: Kirchenlied. 1. Geschichte des christlichen Kirchenliedes. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Hg. von Kurt Galling u. a. Bd. 3. Tübingen 1959, S. 1454–1465. Dazu zuletzt zusammenfassend Lukas Lorbeer: Die Sterbe- und Ewigkeitslieder in deutschen lutherischen Gesangbüchern des 17. Jahrhunderts. Göttingen 2012, S. 144–154. 7 So etwa in der Vorrede zu Pauli Gerhardi Geistreiche Andachten, Bestehend in CXX Liedern Auf alle Sonntage und gewisse Zeiten im Jahr gerichtet Samt einer nützlichen Vorrede Conrad Feuerleins Predigers zu unser Lieben Frauen in Nürnberg. […] Nürnberg 1682, unpag. Vorrede: „So könnte manches gutes Lied/ welches rein und unverdächtig ist/ noch ferner eingeführet werden/ wenn man dieselbe erstlich in den Schulen denen Kindern/ (doch mit höherm Consens und Gutachten) hernach durch solche Jugend auch wohl den Ihrigen zu Hause (wie schon mehr geschehen) endlich aber auch der gantzen Kirch-Gemein […] bekandt machen“.
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than,8 die zusammen mit dem Lied von dem himlischen Pelican/ Jesu Christo noch im Nürnbergischen Gesang-Buch aus dem Jahr 1677 aufgenommen sind.9 Davon stammt nur letzteres aus den Andachts Liedern. Das erstgenannte findet sich erstmals im Zusammenhang mit einer Leichenpredigt Dilherrs im Jahr 1651 und wird wohl auch aus diesem Anlass entstanden sein.10 Einst sprach der kühne Jonathan gehört ebenfalls in den Zusammenhang der Zuarbeit Klajs zu einer Schrift Dilherrs.11 Auch wenn die Rezeptionsgeschichte ein anderes Vorgehen nahezulegen scheint, wird im Folgenden die Sammlung der Andachts Lieder im Mittelpunkt stehen. Begründet ist das darin, dass die Umstände der Veröffentlichung es wahrscheinlich machen, dass die kleine Sammlung den Dichter und Theologen Klaj dem Widmungsempfänger vorstellen sollte, während sich Klaj in den anderen Veröffentlichungszusammenhängen in den Dienst einer gemeinsamen Sache gestellt hat und an ihnen nicht zuletzt im Sinne Dilherrs mitgewirkt hat, wie ja auch seine sonstigen literarischen Werke in den Kontext der gemeinsamen Bemühungen der Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens durch Widmungsgedichte und Vorreden anderer eingeordnet sind. Tatsächlich stellt das schmale Heft der Andachts Lieder als Publikation in gewisser Weise ein Novum dar, denn es bietet ausschließlich die geistlichen Lieder eines einzelnen Autors. Es eröffnet so die Tradition, in der später zumindest medientechnisch etwa die Liedveröffentlichungen der Catharina Regina von Greiffenberg stehen. Die Novität muss man einschränken, denn es ist in Nürnberg nicht das erste Mal, dass ein Autor eine Sammlung ausschließlich eigener geistlicher Lieder veröffentlicht. Vorausgegangen sind der späte Meistersänger
8 Eduard Emil Koch: Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche. Erster Haupttheil: Die Dichter und Sänger, Band 1. 2. Aufl., Stuttgart 1852, S. 303 teilt auch nur mit, was sich schon bei Karl Heinrich Jördens: Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. Bd. 1. Leipzig 1806, S. 307 findet. 9 Nürnbergisches Gesang-Buch, Darinnen 1160. außerlesene, so wol alt als neue, Geist- Lehrund Trostreiche Lieder, auf allerley Zeit- Freud- und Leid-Fälle der gantzen Christenheit gerichtet, und mit Voransetzung der Autorum Namen, auch theils vortreflich-schönen Melodien, Noten und Kupffern gezieret, zu finden. Deme beygefüget ein Christliches Gebet-Büchlein, in welchem Morgen- Abend- Buß- Beicht- Communion- Räiß- Wetter- Krancken- und Sterb-Gebet kürtzlich enthalten … Nürnberg 1677. 10 In: Johann Michael Dilherr: Leichenpredigt auf Tobias Peller. Nürnberg [1651]. Vgl. Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Teil 4: Klaj – Postel. Stuttgart 1991, S. 2366. 11 In: Johann Michael Dilherr: Himmlisches Freudenmahl. Nürnberg 1647, fol. J8V–J11V; vgl. Dünnhaupt, Personalbibliographien 4 (wie Anm. 10), S. 2360.
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Ambrosius Metzger mit Der Psalter David von 163012 und Johann Vogel, der 1638 unter ausdrücklichem Verweis auf die Opitzsche Poetik Psalmen Davids sampt andern heyligen Gesängen13 veröffentlicht hatte. Neu ist bei Klaj die völlige Emanzipation von der biblischen Vorlage, die für Metzger und Vogel noch unverzichtbar war. Ihre Bezugnahme auf den Psalter diente der Legitimation der eigenen Dichtung. Notgedrungen neu ist bei Klaj allerdings auch die Abkehr vom Muster des lutherischen Gesangbuchs, für dessen Gliederung das Bapstsche Gesangbuch prägend geworden war und dem weitere Gesangbuchpublikationen bis dahin gefolgt waren.14 Angesichts der Anzahl der Lieder war nicht daran zu denken, dem Kirchenjahr zu folgen oder etwa die Stücke des Katechismus zum Ausgangspunkt für die Gliederung zu nehmen. So bleibt es auf den ersten Blick bei einer am Tagesablauf orientierten Anordnung der Lieder, der freilich – wenig überraschend – die Gleichsetzung von Tages- und Lebenslauf zugrunde liegt. Bei Klaj zeigt sich hier etwas, was ab der Jahrhundertmitte dann immer häufiger zu beobachten ist: dass die Liederbücher einem Aufbau folgen, der durch die Praxis der privaten Andacht begründet ist.15 Deren Anlässe und Formen werden schon in den Titeln angezeigt, sei es die Ordnung der Sonntagsevangelien oder die Bußpraxis.16
12 Ambrosius Metzger: Der Psalter David/ In der gebräuchlichsten Kirchengesänge Melodeyen gebracht. Nürnberg 1630. 13 Johann Vogel: Die Psalmen Davids. Sampt andern heyligen Gesängen. Nürnberg 1638. 14 Zur Bedeutung des Klugschen Gesangbuchs für die Gesangbuchgeschichte in der Frühen Neuzeit Alexander Völker: Art. ‚Gesangbuch‘. In: Theologische Realenzyklopädie. Hg. von Gerhard Müller u. a. Bd. 12. Berlin 1984, S. 547–565, hier S. 549 f. 15 Das Muster des Klugschen Gesangbuchs, das bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts den Aufbau der Gesangbücher bestimmte, wird in den Vorreden zu den Nürnberger Gesangbüchern ab der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht völlig aufgegeben, aber es wird regelmäßig betont, dass der Herausgeber eine neue Anordnung und Gliederung der Lieder vorgenommen habe. Die Mitte des 17. Jahrhunderts markiert für die Geschichte des Gesangbuchs eine Umbruchzeit; vgl. Völker, Gesangbuch (wie Anm. 14), S. 552, wobei die hier stark betonte Rolle der Opitzschen Literaturreform und die Bedeutung der Sprachgesellschaften für die Gesangbuchgeschichte differenzierter betrachtet werden müsste. Einen wesentlichen und bisher in der Hymnologie wohl zu wenig untersuchten Beitrag dürfte vor allem eine sich wandelnde Frömmigkeitspraxis geleistet haben. 16 Einen ersten Versuch zur Darstellung der Nürnberger Gesangbuchgeschichte unternimmt schon Georg Andreas Will: Bibliotheca Norica Williana. Oder Kritisches Verzeichnis aller Schriften, welche die Stadt Nürnberg angehen. 2. Teil: Scriptorum ad historiam ecclesiasticam pertinentium. Altdorf 1773. Die Masse ganz unterschiedlich angelegter Gesangbücher kann er allerdings nicht systematisch erschließen und er bietet deshalb eine chronologische Auflistung, die sich auf seine eigene Bibliothek stützt, so dass Klajs „Andachts Lieder“ darin auch nicht erscheinen. Eine Möglichkeit einer zeitgenössisch vorgeschlagenen Systematik wird allerdings aus einem Manuskript des Johann Bartholomäus Riederer mitgeteilt. Er habe nach dem Referat Wills
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Dass Klaj die schmale Sammlung der Andachts Lieder veröffentlicht hat, lässt sich in zweifacher Hinsicht auf die spezifische Situation in jenen Jahren zurückführen. Da ist zum einen die persönliche Lage von Johann Klaj, der die Schrift ja keinem Geringeren als dem ältesten Losunger und Schultheiß der Stadt, Christoph Fürer von Haimen- und Wolckersdorff, gewidmet hat. Georg Philipp Harsdörffer als Mentor Klajs und mit dem Adressaten durch einen gemeinsamen Bildungsweg verbunden und überdies mit ihm verschwägert,17 hat diese Widmung wohl angeregt. Der zu diesem Zeitpunkt schon als Dichter in Nürnberg öffentlich in Erscheinung getretene Klaj wird mit dieser Demonstration von zugleich theologischer und poetischer Kompetenz auch weitere Aufmerksamkeit für sich erhofft haben. Dass er Ende 1646 einen Hilferuf an den Rat um Anstellung sandte und schließlich 1647 tatsächlich eine Stelle als Tertius an der Lateinschule zu St. Sebald erhielt,18 dürfte auch mit dieser Publikation zu tun haben. Die Anstellung als Lehrer brachte ihn aber auch zusammen mit einer weiteren Person, die bisher in der Forschung zu Klaj noch kaum eine Rolle gespielt hat: Johann Vogel.19 Mit diesem Theologen, der als Leiter der Lateinschule an St. Sebald die Prima unterrichtete, trug Klaj 1650 die Texte zur Musicalischen Friedens-Freud des Organisten Erasmus Kindermann bei. Von den insgesamt 13 Liedern stammen die Nummern 1 bis 8 von Vogel, die Nummern 9 bis 13 – also vier Lieder – von Johann Klaj. Bemerkenswert ist hier, dass sämtliche Beiträge Klajs zu diesem Werk nun ausdrücklich Bezug auf einen Psalm nehmen, was in den Überschriften angegeben ist, während die Lieder Vogels diesen expliziten Bezug zu einer biblischen Vorlage nicht herstellen. Wie trefflich schön und überfein ist eine Nachdichtung des Psalm 133, Kommt, stimmet vor dem Herren hat Psalm 96 zur Grundlage, Du hast, o Herr dein Volk geliebt basiert auf Psalm 85, Als Deutschland Gott durch seine Macht auf Psalm 126 und Auf singet dem Herren auf Psalm 147.20 Gegenüber den Andachts Liedern kehrt Klaj sich von seiner bisherigen Dichtungspraxis ab und legitimiert seine Beiträge über den Bezug auf den autoritativen Psalter. Zugleich gewinnt er so für sich die Freiheit zu formalem Spiel. Gerade seine Texte
eine eigene Rubrik für „Nürnbergische Liederdichter“ vorgesehen, die jene umfassen sollte, „die ganze Sammlungen von eignen Liedern herausgegeben“ (vgl. ebd., S. 165). 17 Harsdörffers Frau Susanna war die Schwester Christoph Fürers von Haimen- und Wolckersdorff; vgl. Christian Meierhofer: Georg Philipp Harsdörffer. Hannover 2014 (Meteore, 15), S. 18. 18 Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908 (Beiträge zur deutschen Literaturwissenschaft, 6), S. 24. 19 Friedrich Lauchert: Vogel, Johannes. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 40. Leipzig 1896, S. 111. 20 Vgl. Musicalische Friedens-Freud: welche mit 1. und 2. singenden Stimmen, beneben 3. Violen in Rittornello (so man will) kan Musicirt werden, sambt dem General-Bass / componirt durch Iohannem Erasmum Kindermann … Nürnberg [1650].
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ermöglichen dem Komponisten Taktwechsel. Am Ende werden sie durch die komplexen Kompositionen Kindermanns zu Vortragsliedern. Allerdings sollen die Texte nach wie vor auch für den Laien singbar bleiben, weshalb als Alternative zu der virtuosen Musik traditionelle Kirchenliedmelodien gleich mit angegeben werden, zu denen der Text sich ebenfalls singen ließe.21 Die Andachts Lieder dagegen verzichten – wie schon bemerkt – auf die explizite Rückbindung an die Psalmen oder eine andere konkrete biblische Vorlage. In ihnen demonstriert der Verfasser ebenso wie in seinen Redeactus seine umfassende, auch theologische Bildung. Indem er dazu die Form des geistlichen Liedes wählt, macht er aber auch seine Eignung als Seelsorger sichtbar. Die Bewerbung steht unter speziellen Vorzeichen, denn bis zu diesem Zeitpunkt konnte Klaj zwar einerseits seine Krönung zum poeta laureatus vorweisen, andererseits fehlte ihm ein offizieller Studienabschluss. Auch wenn man die Wirren des Krieges als Ursache dafür ansehen kann, dürfte vor allem die Tatsache für Klaj gesprochen haben, dass sich mit Harsdörffer ein Mitglied des Nürnberger Patriziats für ihn verwendete, vor allem aber dass er sich im Umfeld Johann Michael Dilherrs bewegte und von diesem gefördert wurde. Der Jenaer Theologe und Universitätsprofessor war im Jahr 1642 als Prediger und Bibliothekar nach Nürnberg berufen worden. Im Jahr 1646 war er nach dem Tod von Johann Saubert dem Älteren zum Antistes der Nürnberger Geistlichkeit ernannt worden. Aber schon vor der Übernahme dieses Amtes hatte er durch verschiedene Initiativen für eine Veränderung des geistigen und geistlichen Klimas in Nürnberg gesorgt.22 Diese Veränderung wurde sicher begünstigt durch die Aussicht auf einen Frieden, hatte ihre Grundlage aber in einem Reformwillen in der Stadt, dem Dilherrs Rede, die er beim ersten öffentlichen Auftritt in der Stadt hielt, in besonderer Weise entsprach: Der Sermon über die Kinderzucht wurde sowohl in lateinischer als auch in deut-
21 Zu den Kompositionen Kindermanns Werner Braun: Thöne und Melodeyen, Arien und Canzonetten. Zur Musik des deutschen Barockliedes. Berlin, Boston 2004 (Frühe Neuzeit, 100), S. 45 f. 22 Die Einordnung Dilherrs in einer der herrschenden Strömungen des Philippismus, der Reformorthodoxie oder womöglich frühpietistischer Frömmigkeit ist eigentlich nicht möglich. Wenn zuletzt Michael Diefenbacher und Horst Dieter Beyerstedt (Nürnberg. In: Wolfgang Adam / Siegrid Westphal [Hg.]: Handbuch kultureller Zentren der Frühen Neuzeit. Städte und Residenzen im alten deutschen Sprachraum. Bd. 3: Nürnberg – Würzburg. Berlin, Boston 2012, S. 1569–1610, hier S. 1580) Dilherr uneingeschränkt in die Tradition Johann Sauberts und damit der lutherischen (Reform-)Orthodoxie stellen, so verkürzt das die vielschichtige und differenzierte Darstellung bei Gerhard Schröttel: Johann Michael Dilherr und die vorpietistische Kirchenreform. Nürnberg 1962 (Einzelarbeiten aus der Geschichte Bayerns, 34), S. 16–20 in äußerst problematischer Weise. Schröttel summiert zu Recht: „Alle hier angeführten Momente […] machen das theologische Porträt Dilherrs recht widerspruchsvoll und eben in jener Vereinigung von Gegensätzen typisch für einen weiten Teil der evangelischen Theologen seiner Zeit“ (ebd., S. 20).
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scher Sprache alsbald gedruckt verbreitet, weil Dilherr darin Grundzüge einer Erneuerung entwarf, die von der Erziehung und Bildung der Kinder ihren Ausgangspunkt nehmen sollte.23 Um Klajs Position hier genauer bestimmen zu können, muss man die kirchliche Situation in Nürnberg in diesem Jahrzehnt insgesamt in den Blick nehmen. Auch wenn in jüngeren Forschungsbeiträgen der Eindruck vermittelt wird, es gebe beim Wechsel von Johann Saubert dem Älteren zu Johann Michael Dilherr eine Kontinuität in der theologischen Ausrichtung und es habe sich damit das orthodoxe Luthertum durchgesetzt,24 so verweisen die Widerstände, die es bei der Berufung Dilherrs nach Nürnberg gerade von Seiten der Theologen gab, doch auf die zeitgenössisch wahrgenommenen Differenzen.25 Wie Dilherrs Wirken in Nürnberg mit dem seines Vorgängers Johann Saubert zusammenhängt, ob man von Kontinuität ausgehen kann, die einen Sieg des orthodoxen Luthertums über philippistische Strömungen in Nürnberg bedeuten würde, wie es Anton Schindling nahelegt, oder ob mit Dilherr neue Anregungen in Nürnberg Einzug hielten, die sich aus der an der Universität Jena durch Johann Gerhard vertretenen Theologie herleiteten, aber Anregungen von Jesuiten ebenso aufgriffen wie solche der anglikanischen Kirche oder der böhmischen Brüder, ist nach wie vor eine offene Frage.26 Ein erster Hinweis auf das sich verändernde kulturelle Klima in der Stadt ist mit Sicherheit das Nürnberger Konzert von 1643, in dem Dilherr mit Unterstützung der Literaten und Musiker vor Ort die Bedeutung der Musik herausstellte.27 Diese Hinweise sollen vorerst genügen, um nun die Andachts Lieder selbst in den Blick zu nehmen und sie in den skizzierten Kontext einzuordnen. Die Samm-
23 Johann Michael Dilherr: Sermon oder Rede Von der Rechten Kinderzucht und Unterrichtung der Jugend. Nürnberg 1642; Oratio de recta liberorum educatione. Nürnberg 1642. 24 Schindling hat in einem Abriss über die Kirchengeschichte der Stadt und des zugehörigen Umlandes von Nürnberg noch 1989 beklagt, dass zwar eine Reihe von Einzelstudien vorläge, eine gültige Gesamtdarstellung aber fehle. Vgl. Anton Schindling: Nürnberg. In: Anton Schindling / Walter Ziegler (Hg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und der Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650. Bd. 1: Der Südosten. Münster 1989 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, 49), S. 32–43, hier S. 43. Schindling legt sich allerdings fest und sieht in Dilherr den Bewahrer des Saubertschen Erbes, der dessen lutherisch-orthodoxe Kirchenreform fortgeführt habe (ebd., S. 41). 25 Schröttel, Dilherr (wie Anm. 22), S. 13. 26 Ebd., S. 16–20. 27 Wolfgang Sommer: Die Friedenspredigten Johann Michael Dilherrs beim Friedensfest in Nürnberg 1650. In: Ders.: Politik, Theologie und Frömmigkeit im Luthertum der Frühen Neuzeit. Ausgewählte Aufsätze. Göttingen 1999 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 74), S. 137–154, hier S. 143. Angesichts des Argwohns lutherisch-orthodoxer Theologen gegenüber einer virtuosen Musik ist Dilherrs Apologetik im Umfeld des Historischen Konzerts sicher nicht nur als Ausdruck von Frömmigkeit zu verstehen.
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lung besteht aus fünf Liedern in einer simplen, aber sinnfälligen Anordnung. Es sind 1. MorgenLied/ auf die Weise: Nun lob mein Seel den Herren 2. KriegsTrost/ abgesehen aus dem 2. Buch der Könige am 19. und auß dem Esai. 37. Capitel | Gesangsweise außgefertiget Auf die Weise: An Wasserflüssen Babilon. 3. Ich ruhe in den FelßLöchern. Auf die Weise: Wie nach einer Wasserquälle 4. Ein Lied von dem himlischen Pelican/ Jesu Christo. Im Thon: Wie schön leuchtet der Morgenstern / etc. 5. AbendLied, Auf die Weise: Ich danck dir lieber Herre/ etc.
Unschwer zu erkennen ist die Bezugnahme auf eingeführte Kirchenlieder und der schon damit erhobene Anspruch auf Singbarkeit in privater Andacht wie öffentlichem Gottesdienst. Ins Auge fällt zudem sofort die Rahmung durch das Morgenund das Abendlied. Dazwischen findet sich mit dem KriegsTrost ein Lied, das die Leiden der Zeitgenossen vor Gott bringt, in der Mitte der Sammlung eines, das den einzelnen Gläubigen in seiner Zuflucht im Glauben zeigt, und mit dem nächsten der Dank für die christliche Botschaft. Da das Morgen- und das Abendlied wenig Überraschungen bereit halten – sie sind Bitte und Dank für die Führung und den Schutz Gottes im Tagesverlauf und damit aber auch im ganzen Leben – stehen im Folgenden die drei durch sie eingerahmten Texte im Vordergrund. Ihre Themen und deren Reihenfolge erweisen sich als sinnfällig. Im KriegsTrost geht es zunächst noch ganz ohne tröstenden Impetus breit ausmalend um die Folgen des Krieges für den Alltag: 4. Das Heil der Stadt/ Gerechtigkeit/ ist ewig außgewiesen/ das Rhathauß wird bey solcher Zeit nicht sonderlich gepriesen/ ein jeder thut was jhm beliebt/ der Krieg den Haußstand hoch betrübt/
Die nächste Strophe steigert diese Klage über den Zusammenbruch der Ordnung, indem nun die Pervertierungen beim Namen genannt werden. Der Hunger als Kriegsfolge bringt Kannibalismus hervor: 5. Es hat die Magenleere Noht verbottne Speise gessen/ Klein/ Eicheln/ Eselsköpfe/ Koht/ auch Menschenfleisch gefressen/ der Hunger hats dahin gebracht/ daß Mütter jhre Frucht geschlacht/ der Kinderlieb vergessen/ gekocht den Sohn am Feuerrauch/
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und wieder in den Mutterbauch (hilf HErre GOtt!) gefressen.
Es ist eine apokalyptische Situation, die aber nicht im Sinn einer Eschatologie ausgemalt wird. Die Pervertierungen des Erdenlebens sind vielmehr an einem Thema festgemacht, das im Hinblick auf die dann folgenden Lieder Bedeutung bekommt: es ist der Kannibalismus, der vor dem eigenen Kind nicht halt macht. Wichtig ist es nicht nur wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Nächstenliebe, sondern auch, weil mit dem Tod des Sohnes ja auch auf den Opfertod Jesu angespielt ist. Dem Abendmahlverständnis der Lutheraner, das von einer Realpräsenz des Leibes Christi im Abendmahl ausgeht, wurde von Seiten der Calvinisten explizit der Vorwurf gemacht, dass diese Abendmahlspraxis mit Kannibalismus gleich zu setzen sei.28 Dass im Lied auf diesen Streit angespielt ist, wird im Blick auf die folgenden Lieder noch klarer werden. Im unmittelbaren Kotext ist das pervertierte Handeln der Menschen Sünde, die durch andere Sünde hervorgerufen ist. Der Mensch kann sich aus der Sündhaftigkeit der Welt nicht befreien. Im Hinblick auf das Weltende wird daraus ein Problem, das Klaj nur andeutet: 10. Es wil den Menschen nicht gar wol bey dieser Trübsal werden/ ob deme was noch folgen sol zur letzten Zeit auf Erden/ die Sonne schwärtzet ihre Bahn/ der Mond legt Trauerkleider an/ die Sternen sich durchkräncken/ das Meer läufft nicht den alten Lauff/ es schäumt es bäumt sich Himmelauff/ und will die Weld erträncken.
Auch der Hinweis auf den alttestamentlichen Bericht der Eroberung Jerusalems durch Sanherib (2. Könige 18–19), der sich in der 12. Strophe des Liedes findet, zielt eher auf die Omnipräsenz des Krieges und damit auf die Sündhaftigkeit des Menschen ab, als dass er als Vorbote des Weltuntergangs verstanden würde. Es ist der Gott Zebaoth, aber eben auch der „Heyland“, der in der letzten Strophe als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird. Das mittlere 3. Lied Ich ruhe in den FelßLöchern entwirft dagegen nun eine amöne Landschaft, schäferliche Auen, in denen ein Gewitter aufzieht, das den Hirten mit seiner Herde, aber auch die Vögel in der Luft Schutz suchen lässt. Aus-
28 Peter Blickle: Das Alte Europa. Vom Hochmittelalter bis zur Moderne. München 2008, S. 106– 109.
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gangspunkt ist das Hohe Lied (2,14): „Meine Taube in den felslöchern / in den steinritzen / Zeige mir deine gestalt / Las mich hören deine stim / Denn deine stim ist süsse / vnd deine gestalt lieblich“. Was mit dem Titel indirekt schon angekündigt wird, realisiert sich in der vierten Strophe, denn dort ist Christus die Zuflucht, der mit den Wunden der Kreuzigung die Anfechtung durch den Widersacher Gottes abwehrt: Wol dem der sich hat gefunden wenn es hagelt/ dampft/ und blitzt/ in die Höle der fünf Wunden seines Heylands der jhn schützt/ daß jhm weder Sturm noch Flut/ weder Hagel/ Dampf/ noch Glut auch im minsten nicht kan rühren/ ja das Wetter selbst nicht spüren.
Dieses Bild des Gläubigen, der sich in den Höhlen der Wunden Jesu geborgen sieht, wirkt zunächst fast anachronistisch, vermutet man solche Jesus-Verehrung und Einswerden mit dem Heiland auf protestantischer Seite doch frühestens bei Catharina Regina von Greiffenberg fast eine Generation später, eher noch in den pietistischen Kreisen des 18. Jahrhunderts, etwa bei Zinzendorf. Allenfalls der spätmittelalterlichen katholischen Mystik wird eine solche Betrachtung der Marterspuren und -werkzeuge noch zugeschrieben.29 Klaj ist hier aber weder ein versteckter Katholik noch ein früher Pietist. Die Wunden Jesu sind schon bei Luther und in der Folge dann auch bei Johann Gerhard oder Johann Michael Dilherr Gegenstand andächtiger Betrachtung. Dabei geht es nicht, wie gerne betont wird, um die mystische Vereinigung, sondern zentral ist der Glaube. So heißt es in den Meditationes sacrae des Johann Gerhard in der 7. Betrachtung „Von nutz deß Leidens Christi“: „So offt ich betrachte deß HERRN Leiden/ so offt bilde ich mir von der liebe Gottes/ vnd vergebung meiner Sünden sehr grosse dinge ein. […] die Seiten hat Er offenstehen/ damit man das Hertz/ so vor Liebe brennet möge sehen.“30 Ähnlich fasst es auch Johann Michael Dilherr, der in Christliche Andachten, Gebet und Seufftzer Uber Das Königliche Braut-Lied Salomonis (1640) ein „Schön Gebet“ einrückt, in dem er den Beter sprechen lässt:
29 Typisch dafür Carl Alfred Zell: Untersuchungen zum Problem der geistlichen Barocklyrik mit besonderer Berücksichtigung der Dichtung Johann Heermanns (1585–1647). Phil. Diss. Univ. Hamburg 1971, S. 191, wo es im Zusammenhang mit der Betrachtung der Stationen der Passion heißt, Heermann tue „das in einer Sprache, die von katholisch-mittelalterlichen Mystik beeinflußt ist.“ 30 Johann Gerhard: Ein und funffzig Geistliche Andachten wahre Gottseligkeit zuerwecken/ und daß zunemen deß inwendigen Menschen zufördern. Jena 1610, S. 44.
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O mein Heyland/ welch eine liebliche Ruhestette hast du mir armen Sünder bereitet in deinen Wunden! welch einen reichen Trost finde ich darinnen wider alle meine Sünden! wie schöne leuchtet daraus herfür deine hertzliche Lieb und grosse Trewe!31
Klaj bleibt in den folgenden Strophen seiner Bilderwelt treu. Es ist weiterhin die Natur, die Schutz vor der Bedrohung bietet – und es ist das Bild des Hirtenvolkes, das ausgemalt wird. Denn der Hirte sucht Schutz vor dem Habicht unter einem „Klippendach“. Die Strophe 6 setzt das wieder gleich mit der Seele, die Schutz sucht und dazu nicht mehr braucht als den schützenden Schirm der „Seitenhöle“ Christi, um vor dem „Stoßvogel“ und dem Unwetter geschützt zu sein. Die Strophen 7 und 8 lassen die Natur wieder aufleben und nach überstandenem Unwetter „auf viel tausend weisen | seines Schöpfers Rettung preisen“. Der Beter geht aber noch weiter, denn die Glaubensanfechtung hat ihn stärker gemacht. Wenn es wieder „stil und heimlich wird | acht ich keiner Furcht und Schmertzen / | singe/ klinge daß es schwirt/ | such ein neues Lied herfür | spiel eins auf der Lauten Zier | Ich kan keiner Freude missen / um daß ich dem Todt entrissen.“ Dass das Thema der Erlösung des Menschen im etwas ungewöhnlichen pastoralen Ambiente thematisiert wird, das eher an die Gefilde der Pegnitzschäfer gemahnt, wird erst durch die Bildlichkeit des nächsten Liedes und die damit verbundenen Deutungen verständlich. Auch wenn der dort bestimmende Pelikan es zunächst nicht erkennen lässt, besteht doch ein enger Zusammenhang zum Hirtenmotiv des dritten Liedes. Im Lied von dem himlischen Pelican/ Jesu Christo wird der Grund für die Glaubenszuversicht zum Thema. Ausgangspunkt für das Lied ist die seit dem Mittelalter bzw. dem Physiologus tradierte Vorstellung vom Pelikan, der sich seine Brust mit dem Schnabel aufhackt, um mit seinem Blut seine Jungen zu ernähren. Der Physiologus bezieht das umfassend auf das Verhältnis des Menschen zu Gott: die Jungen als Geschöpfe ihrer Eltern lehnen sich gegen diese auf. Die „Eltern aber hacken zurück auf die Jungen und töten sie“.32 Diese Strafe reut die Eltern jedoch und nach drei Tagen der Trauer vergießt die Mutter ihr Blut über den Jungen, um sie mit diesem Mittel wieder lebendig zu machen. Der Pelikan wird damit schon im Mittelalter zum Sinnbild für die christliche Liebe, deren größte Ausprägung wieder die Liebe Gottes zu den Menschen ist, die sich in dem Kreuzestod Jesu
31 Johann Michael Dilherr: Christliche Andachten, Gebet und Seufftzer Uber Das Königliche Braut-Lied Salomonis: Darinnen ein Gottseeliges Hertz fürnemlich zu eiveriger Betrachtung der unverschulden Liebe Christi und seiner schuldigen Gegenliebe wird angemahnet … O.O [Jena] 1640, S. 482. 32 Physiologus. Übs. u. hg. von Otto Schönberger. Stuttgart 2001 (RUB 18124), S. 11.
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zeigt.33 Das ist nun auch Gegenstand des Gedichts, in dem die göttliche Liebe mit der Liebe unter den Menschen in einem ständigen Wechsel miteinander verwoben werden. Aufgabe des Liedes ist das Lob Gottes und damit der Dank des Gläubigen – das signalisiert jeweils die Schlusszeile jeder Strophe, in der in Wendungen das „Gott, ich will dein Lob besingen“ auftaucht. Der Dank ist aber nur möglich in der Erinnerung an das, wofür zu danken ist. Insofern spielt das Passionsgeschehen im Lied natürlich eine Rolle. Es rundet die mittleren Lieder der Sammlung zu einer Trias von Sünde bzw. Elend, Erlösung und Dank.34 Der Dank selbst ist eine poetische Aufgabe. Noch bevor der Gegenstand, der „Pelican/ der sich zerritzt/ Der seine Brut mit Blut besprützt“, genannt wird, spornt sich der Dichter schon in der Art eines Proömiums zu einem Epos zu „feine[n] Weisen“ an. Auch nachdem der Gegenstand selbst benannt ist, geht es vorrangig darum, dass der Dichter durch ihn zu seinem Tun gedrängt wird. Die zweite Strophe leitet die Erzählung vom Pelikan und seinen Jungen ein, die sich dann bis zur 5. Strophe erstreckt. Der Bericht aus dem Physiologus wird allerdings in bezeichnender Weise variiert. Schuld am Tod der Jungen ist nicht der Pelikan selbst, sondern es ist eine Wirkung der Widersacher Gottes, hier der Schlange. Die 3. Strophe verallgemeinert den Angriff der Schlange. Sie ist nun der „alte Schuppenfeind“, der „alle fromme Christen […] Zu verschlingen“ versucht. Die 4. Strophe kehrt zu den Ereignissen im Nest des Pelikan zurück: die Pelikanmutter findet ihre von der Schlange getöteten Jungen vor, hat aber die Gabe, nach drei Tagen der Trauer mit dem Inhalt ihrer Brust ihre Kinder wieder zum Leben zu erwecken. Die folgenden Strophen übertragen dieses Geschehen nun auf das Verhältnis zwischen Christus und den Menschen. In der 7. Strophe wird explizit der Vergleich zwischen dem Pelikan und Christus hergestellt: nach drei Tagen im Reich des Todes kehrt er zurück und nimmt sich der Seinen an, um sie mit dem Blut seiner Wunden von ihrer in der 6. Strophe eindringlich dargestellten Sündhaftigkeit zu erlösen. Die nächsten Strophen über
33 Ebd., S. 10 f. Vgl. H. M. Gosebrink: Art. ‚Pelikan. Frömmigkeitsgeschichtlich‘. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Hg. von Walter Kasper. Bd. 8. Freiburg/Brsg. 1999, S. 14. 34 Ob damit auch an die Gliederung des reformierten Heidelberger Katechismus angespielt ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Eine calvinistische Orientierung Klajs muss man daraus nicht ableiten. Harsdörffer, Klaj, Dilherr und später auch Sigmund von Birken stehen sicher in der humanistischen Tradition eines gelehrten Austausches über konfessionelle Grenzen hinweg. Vgl. dazu Heinz Schilling: Die ‚Zweite Reformation‘ als Kategorie der Geschichtswissenschaft. In: Ders. (Hg.): Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der ‚Zweiten Reformation‘. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte. Gütersloh 1986 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 195), S. 387–437, hier bes. S. 411 und 415 f.
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tragen diese Liebe Christi auf die alltäglich geforderte christliche Nächstenliebe. Sie ist tätiger Ausdruck der Dankbarkeit und wird im Alltag verortet, denn der Vergleich in der 9. Strophe bezieht das emblematische Bild konkret auf die Familie, in der die Kinder die schwachen Eltern versorgen, nachdem die Eltern sich in der Liebe zu den Kindern verzehrt haben. Die Schlussstrophen wenden das Geschehen schließlich wieder hin zum Sänger und seinem Lob Gottes, aber auch zu seinem Leben, das sich im Tod und der Heimkehr ins Reich Gottes erfüllen wird.
Abb. 1: Joachim Camerarius: Symbola et Emblemata (Nürnberg 1590 bis 1604). Hg. von Wolfgang Harms und Ulla-Britta Kuechen. Teil 1. Graz 1986 (Naturalis historia bibliae. Schriften zur biblischen Naturkunde des 16.–18. Jahrhunderts, 2/1), ohne Paginierung (Centuria III, Emblem 37)
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Auch für die in diesem Lied zum Ausdruck kommende Christusfrömmigkeit findet man schon Belege im Mittelalter. Die Reformation hat in ihrer Betonung der Erlösung des Menschen durch den Opfertod Christi die zentrale Stellung des Gottessohnes und damit insbesondere des Passions- und Ostergeschehens verstärkt. Bereits im Physiologus wurde das antike naturkundliche Wissen über das Verhalten des Pelikans auch christologisch gedeutet. Bei der Übernahme des Motivs in die Emblematik stand allerdings dies nicht im Mittelpunkt, auch weil das Verhalten des Pelikans als theologisch problematisch eingeschätzt werden muss. So hat es in Nürnberg Joachim Camerarius in den dritten Teil seiner Emblemsammlung aufgenommen, wo das Bild noch weitgehend politisch ausgedeutet wird; mit der inscriptio ‚pro lege et grege‘ fordert es den Regenten auf, ohne Rücksicht auf sich selbst für die Wohlfahrt der Untertanen zu sorgen. Camerarius bezieht dies dann auch auf die innerfamiliäre Ordnung und macht es den Eltern zur Pflicht, auch den ungehorsamen Kindern ihre Fürsorge angedeihen zu lassen.35 Im Hinblick auf die christologische Deutung gibt es zeitgenössisch allerdings Bedenken. Schon Camerarius hinterfragt das im Physiologus berichtete Verhalten des Pelikans kritisch. Der Emblematiker Gabriel Rollenhagen thematisiert es in der „Zugabe etlicher warhaffter/ aber bey vielen alten vnd newen Gelerten glaubwirdiger Lügen“ zu seinen Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher unerhörter, und unglaublicher Indianischer Reysen. Das, was man dem Pelikan zuschreibt, will er allenfalls im politischen Bereich gelten lassen. Im Hinblick auf eine christologische Deutung stellt er fest: Die Heilige Schrifft aber mahlet vns den HErrn Christum im Osterlamb/ vnd in dem Opfer/ vnd in der erhobenen Schlang in der Wüsten für. Und darff36 vnsers erlogenen Pelicans nirgend zu.37
Vor diesem Hintergrund überrascht es dann doch, dass Rollenhagen im zweiten Teil seiner Emblemsammlung den Pelikan, der im Nest seine Jungen mit seinem Blut nährt, aufnimmt, die in der Tradition etablierte inscriptio ‚pro lege et grege‘ stehen lässt, dem Bild jedoch einen Hintergrund gibt, der den blutenden Pelikan auf Christus am Kreuz bezieht, aus dessen Wunden sich das Blut der Erlösung in die Kelche ergießt, die die Umstehenden den Strömen entgegen recken. Inten-
35 Joachim Camerarius: Symbolorvm et Emblematvm Ex Volatilibvs Et Insectis Desvmtorvm Centvria Tertia, In Qva Mvltae Rariores Proprietates Ac Historiae Et Sententiae Memorabiles Exponvntvr. Nürnberg 1597, S. 37 f. 36 Lies: bedarf. 37 Gabriel Rollenhagen: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher unerhörter, und unglaublicher Indianischer Reysen, durch die Lufft, Wasser, Land, Helle, Paradiß und den Himmel. Magdeburg 1603, S. 265.
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siviert wird dies noch durch die Wiederholung der Pelikan-Figurengruppe als Bekrönung des Kreuzesstamms.38 Eine Rolle mag hier gespielt haben, dass auch Philipp Melanchthon dieses im politischen Bereich eingeführte Sinnbild (in allen Erläuterungen dazu wird auf König Alfons von Portugal hingewiesen, der sich den Pelikan und die Inschrift zum Motto erwählt habe) kennt und zum Ideal christlicher Herrschaft erhebt. Einen Beleg dafür findet man im schon 1539 erstmals und dann immer wieder veröffentlichten Brief an Graf Johann von Wied, dem er schrieb: „Sapienter vidit Alfonsus praecipuum munus esse superiorum ordinum relligionis Studium, conservationem et propagationem“.39 Es scheint, dass der fütternde Pelikan „weitere Verbreitung fand und als protestantisches Emblem ebenso wie als allgemeines Sinnbild für eine sich dem Wohl des Volkes aufopfernde Persönlichkeit verwendet wurde“.40 Pelikandarstellungen waren in Nürnberg schon seit dem Mittelalter im öffentlichen Raum präsent; es gibt Abbildungen des Tieres in den beiden Hauptkirchen St. Sebald und St. Lorenz, wo gestützt auf den Physiologus der Pelikan für den Opfertod Jesu steht.41 Aber noch im 17. Jahrhundert wurde das Bild aktiv eingesetzt. So bekrönt er mit seinen Jungen in der Form des Rollenhagenschen Emblems das Hauptportal des Rathauses, mit dessen Bau 1616 begonnen worden war.42 Klaj malt in seinem Andachtslied also etwas aus, was in der Nürnberger Öffentlichkeit als Motto des patrizischen Regiments präsent, in seiner christologischen Aussage durch Rollenhagens Emblem bekannt, aber nicht unumstritten war. Warum er dieses Motiv bei aller Problematik dennoch wählt, kann man plausibel machen.
38 Dietmar Peil: Emblem Types in Gabriel Rollenhagen’s Nucleus Emblematum. In: Emblematica 6 (1994), S. 255–282, hier S. 272. 39 Philipp Melanchthon an Graf Johann von Wied (1539). In: Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Hg. von Heinz Scheible. Bd. T 8: Texte 1980–2335 (1538– 1539). Stuttgart-Bad Canstatt 2007, S. 351–362, hier S. 360. Eine deutsche Übersetzung schon 1544. 40 DI 46, Stadt Minden, Nr. 92 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238di046d003k0009202. 41 Friedrich Lauchert: Geschichte des Physiologus. Straßburg 1889, S. 213. 42 Martin Schieber: Geschichte Nürnbergs. München 2007, S. 83. Die dort nur als Akronym PLEG zu findende Inschrift löst Schieber einer bis ins 18. Jahrhundert reichenden Tradition folgend mit „Prudentia, legibus et gratia“ auf, was angesichts der Verbreitung des Emblems und seiner Inschrift „pro lege et [pro] grege“ zur Zeit der Erbauung des Rathauses aber nicht recht zu überzeugen vermag. Vielmehr ist im Lauf des 18. Jahrhunderts die religiöse Lesart des Emblems verloren gegangen und durch eine aufklärerische ersetzt worden, denn in Christoph Gottlieb von Murr: Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in der Reichsstadt Nürnberg, in deren Bezirke, und auf der Universität Altdorf. 2. Aufl., Nürnberg 1801, S. 351, der diese Auflösung vorschlägt, steht der Pelikan für die Stadt Nürnberg, „welche dem Lehr-, Wehr- und Nährstande reichliche Nahrung giebt.“
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Abb. 2: Gabriel Rollenhagen: Sinn-Bilder. Ein Tugendspiegel. Bearb. und Nachw. von Carsten-Peter Warncke. Dortmund 1983 (Die bibliophilen Taschenbücher 378), S. 253
Zum einen liegt ein Grund im Adressaten Christoph Fürer von Haimen- und Wolkersdorf selbst. Als einem der führenden Männer im Nürnberger Stadtregiment war ihm das als Motto der Stadtrepublik verwendete Emblem am Rathausportal mit Sicherheit vertraut. Von der emblematischen Verbindung der Pelikan-Pictura mit der inscriptio ‚pro lege et pro grege‘ erklärt sich auch, dass Klaj im mittleren der Andachtslieder Ich ruhe in den Felßlöchern nicht nur Christus als Hirten einführt, sondern dass hier die Hirten in einer politischen Rolle erscheinen, weil sie die Verantwortung für ihre Herde tragen, deren Schicksal sie aber so weit teilen, dass sie sich mit ihr zusammen Schutz suchen müssen.
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Zum andern geht es in den drei Andachtsliedern um theologische Fragen, die nicht nur in Nürnberg zu heftigen Auseinandersetzungen führten. Angedeutet wurde ja schon, dass die Berufung Dilherrs nach Nürnberg in der Forschung auch als eine Reaktion auf die lutherisch-orthodoxe Haltung von Johann Saubert eingeschätzt wurde.43 Konkret äußert sich das darin, dass Saubert darauf drängte, die ‚Confessio Augustana‘ in ihrer ursprünglichen Fassung zur Grundlage des Kirchenwesens in Nürnberg zu machen.44 Auch wenn die Auseinandersetzungen zwischen orthodoxen Lutheranern und den eher von Philipp Melanchthon beeinflussten Kreisen, den Philippisten, ihren Höhepunkt schon Generationen vorher hatten, so blieben die damit verbundenen Fragen in Nürnberg auch in den 40er Jahren des Jahrhunderts noch virulent.45 Im Kern ging es dabei um das Tauf- und Abendmahlsverständnis. Mit dem unter Theologen geführten Streit um den rechten Gebrauch des Abendmahls unmittelbar zusammenhängend war auch in der Nürnberger Bevölkerung eine Bewegung stark geworden, die sich unter anderem auf den Theologen Valentin Weigel berief und deren Mitglieder als Weigelianer Gegenstand von obrigkeitlichen Untersuchungen wurden. So hat Johann Michael Dilherr im Auftrag des Rates Befragungen Verdächtiger vorgenommen und vor allem ihr Verhältnis zu Taufe und Abendmahl geprüft. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur explizite Weigelianer die Teilnahme am Abendmahl mit dem Hinweis auf das Gewissen verweigerten. Die Untersuchungen Dilherrs zogen sich von 1644 bis zur Ausweisung einzelner Personen 1648 hin.46 Vor diesem Hintergrund bekommt schon die Gliederung der Andachts Lieder von Klaj Sinn: Am Anfang steht die drastische Darstellung der Sündhaftigkeit des Menschen, der in den Anfechtungen des Lebens zum Kannibalen wird und damit das Liebesgebot pervertiert. Die Zuflucht, die der Gläubige im nächsten
43 Schröttel, Dilherr (wie Anm. 22), S. 13. 44 Dieter Wölfel: Die evangelische Kirche. In: Max Spindler (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III/1: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. München 1997, S. 783–844, hier S. 785. 45 An dieser Auseinandersetzung beteiligte sich auch Johann Vogel, der als Schulleiter der Lateinschule bei St. Sebald in einer Rede Melanchthon und sein Bildungsprogramm verteidigte und Nürnbergs Rat zur Bewahrung dieses Erbes aufforderte. Dass er mit seiner darin enthaltenen Bemerkung, man solle Melanchthon anhand seiner Publikationen beurteilen und nicht private Briefe gegen ihn verwenden, auf die Briefausgabe, die Saubert herausgegeben hatte, abzielte, ist immerhin möglich. Aus dem Manuskript ediert von Georg Theodor Strobel: Miscellaneen literarischen Inhalts, Bd. 1. Altdorf 1778, S. 109–130; vgl. Wilhelm Hammer: Die Melanchthonforschung im Wandel der Jahrhunderte: Ein beschreibendes Verzeichnis. Bd. 1: 1519–1799. Gütersloh 1967 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, 35), S. 832. 46 Schröttel, Dilherr (wie Anm. 22), S. 37–43.
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Lied findet, liegt nicht zufällig in den Wundhöhlen Christi, denn sie sind nicht nur der Ort, aus dem sich das Blut des Abendmahls ergießt. Aus der Seitenwunde Jesu ging nach dem Johannes-Evangelium (Joh 19,34) Blut und Wasser hervor; Taufe und Abendmahl als Sakramente sind also auf diese Weise verbunden.47 Gerade in der Wiedertäuferbewegung wurde die ‚Bluttaufe‘ heftig diskutiert und als Argument gegen die Kindertaufe vorgebracht.48 Die damit verbundene Vorstellung vom Leiden, in dem sich der Glaube bewähren muss, ist bei Klaj nicht vorhanden. Nach dem lutherischen ‚sola fide‘ genügt es, den Anfechtungen im Schutz des Glaubens Stand zu halten. So findet man es zum Beispiel in Johann Gerhards Meditationes, in denen der reuige Sünder sich zu Christus halten „vnd in seinen Wunden verstecken“ will,49 um dort die Wirkung des Heiligen Geistes auch darin zu erfahren, dass die Lösung von den Sünden schon durch die Taufe erfolgt ist. Klaj entwickelt diesen Gedanken weiter und macht daraus ein poetologisches Argument.50 Schon durch die Taufe, mehr noch aber durch die glaubende Betrachtung der Wundmale Jesu ist der Beter zum Sänger geworden: So wann es in meinem Hertzen wider stil und heimlich wird acht ich keiner Furcht und Schmertzen/ singe/ klinge daß es schwirt/ such ein neues Lied herfür spiel eins auf der Lauten Zier
Für die Begründung der Poesie muss man also keine neuplatonischen Grundlagen finden51 und Klaj auch nicht zum „hermetisch – mystisch und magisch – interessierten Poeten“ machen.52 Die „inspirative Partizipation des Dichters am Hei-
47 Zur Tradition seit Luther Renate Steiger: „Mit Isaac kommst du gebunden …“ Die Isaak-Christus-Typologie in der lutherischen Passionsbetrachtung der Barockzeit. In: Isaaks Opferung (Gen 22) in den Konfessionen und Medien der Frühen Neuzeit. Hg. von Johann Anselm Steiger, Ulrich Heinen. Berlin, New York 2006, S. 545–640, hier S. 572. 48 Christof Windhorst: Täuferisches Taufverständnis: Balthasar Hubmaiers Lehre zwischen traditioneller und reformatorischer Theologie. Leiden 1976 (Studies in Medieval and Reformation Thought, 16), S. 167 f. 49 Gerhard, Geistliche Andachten (wie Anm. 30), S. 40. 50 Auf das „Engelswesen der Dichtkunst“ bei Klaj macht schon Wiedemann, Nachwort (wie Anm. 3) aufmerksam, vgl. S. 15*–17*; dazu auch Kemper, Deutsche Lyrik 4/I (wie Anm. 3), S. 331 f. 51 Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft 26), S. 91–93. 52 Kemper, Deutsche Lyrik 4/I (wie Anm. 3), S. 333 f.
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ligen Geist“53 ist in der Taufe grundgelegt, so dass letztlich jeder Gläubige an ihr teil hat. Das Dichtungsverständnis steht also auf der soliden Grundlage lutherischer Auffassung von Musik und Gesang.54 Eröffnet wird das Lied ja mit einem schäferlichen Bild, in dem der Hirte seine Herde vor dem heraufziehenden Unwetter schützt. Neben dem Bezug auf Joh. 10,11, wo sich Jesus selbst als den ‚Guten Hirten‘ bezeichnet, spielt vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses der Nürnberger Patrizier mit Sicherheit auch die weltliche Herrschaft eine Rolle. Ihr kommt eine den Glauben schützende Funktion ja auch in ihrem Wahlspruch ‚pro lege pro grege‘ zu. Dass das schäferliche Szenario mit dem Geborgensein „in die Höle der fünf Wunden“ in ein allgemeines Naturbild übergeht, in dem der Sprecher sich nicht mehr mit dem Hirten verbunden zeigt, sondern sich in eine Parallele zu dem „Vöglein“ setzt, das „sein Stimlein schön empor“ schwingt und sich unmittelbar seinem Schöpfer zuwendet, zeigt auch die Grenzen der Sorge der Obrigkeit für den rechten Glauben auf. Steht also im Lied Ich ruhe in den Felßlöchern der in der Taufe gegründete Glaube im Mittelpunkt, so wendet sich das Lied von dem himlischen Pelican erkennbar dem Opfertod Jesu zu. Aber auch hier gibt es eine Zweiteilung, denn dem Kreuzigungsgeschehen und mit dem Blut Christi auch der Abendmahlsthematik steht ab der 9. Strophe erkennbar das Thema der christlichen Nächstenliebe gegenüber. Das herrschaftliche ‚pro lege pro grege‘ des Emblems wird auch hier überwunden im Verweis auf die Generationenabfolge innerhalb der Familie. Die Autorität der Eltern speist sich in natürlicher Weise aus der Fürsorge für die ihnen anvertrauten Kinder; diese Fürsorge wird beantwortet durch die Pflege, die ihnen im Alter von ihren Kindern zuteil wird, die aber auch schon Verantwortung für die nächste Generation tragen. Klaj stellt so dem hierarchischen Modell einer Patrizierherrschaft eine ideale Lebensweise im Glauben gegenüber, die von der im Glauben erfahrenen göttlichen Liebe getragen ist und keine obrigkeitliche Reglementierung braucht. Aus der geglaubten Gnade Gottes erwächst eine am Ideal der Urgemeinden orientierte ‚praxis pietatis‘.55 Dass dies nicht als sektiererisch etwa
53 Ebd., S. 331. 54 Martin Luther: Die Vorrede zum Babstschen Gesangbuch 1545. In: Ders. Werke. Kritische Gesamtausgabe. Bd. 35, Weimar 1923, S. 476–477, hier S. 477: „Denn Gott hat unser hertz und mut frölich gemacht, durch seinen lieben Son, welchen er für uns gegeben hat zur erlösung von sunden, tod und Teuffel. Wer solchs mit ernst gleubet, der kans nicht lassen, er mus frölich und mit lust dauon singen und sagen, das es andere auch hören und herzu komen.“ 55 Wolfgang Harms weist auf die Tatsache des Nebeneinanders von verschiedenen Deutungstraditionen im Emblem gerade am Beispiel des Pelikan hin. Wolfgang Harms: Bildlichkeit als Potential in Konstellationen: Text und Bild zwischen autorisierenden Traditionen und aktuellen Intentionen (15. bis 17. Jahrhundert). Berlin 2007, S. 49.
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im Sinn der Bruderschaften der Täufer56 gedeutet werden kann, liegt an der Einbettung des Liedes in die Sammlung und an der Mehrdeutigkeit des dem Lied zugrundeliegenden Emblems. Klaj zweifelt nicht daran, dass es die Aufgabe der weltlichen Obrigkeit ist, für die Reinheit der Lehre zu sorgen und den Gläubigen Schutz zu bieten. Die knappe Widmung Klajs an Christoph Fürer von Haimendorf spielt darauf ausdrücklich an, indem sie dem Adressaten „sichere Regierung/ weißliche Anschläge/ getreue Bürgerschafft/ starcken Schutz/ [und] gedeyliches Haußwesen“ wünscht. Das Rollenhagensche Motto zur Pictura „Pro lege et pro grege“ lässt sich so auch auf die Herstellung einer guten Ordnung in der Welt beziehen – der zentralen Aufgabe, aber auch Rechtfertigung von Obrigkeit. Man müsste sich nun mit der Christusfrömmigkeit im 17. Jahrhundert und der Theologie der Nürnberger Lutheraner, insbesondere aber mit der des Johann Michael Dilherr weiter auseinandersetzen – Einflüsse des Theologiestudiums in Wittenberg lassen sich bei Klaj kaum plausibel machen, denn wir wissen über seine Studienzeit dort tatsächlich kaum etwas. Lediglich der Einfluss von August Buchner in poetischer Hinsicht ist da zu greifen. Dass Klaj mit seinen Liedern und insbesondere mit seinem darin entwickelten Christusbild einer zeitgenössischen Christologie angehört, lässt sich aber immerhin daran ablesen, dass sein Pelikan-Gedicht in das Nürnbergische Gesang-Buch von 1677 Eingang gefunden hat, in dem es im Unterschied zu früheren Gesangbüchern nun auch eine Gruppe von „Heilige Liebes- Freuden und Jesus-Lieder“ gab, Lieder also, die sich vom Ablauf des Kirchenjahres lösten und den Gottessohn für sich feierten. Bemerkenswert erscheint mir allerdings, dass Klaj vor allem im Kontext des ja weiter bestehenden Pegnesischen Blumenordens keine Rolle mehr gespielt hat. Schon in das von Sigmund von Birken zusammengestellte und postum 1681 von Sandrart veröffentlichte Kirchgesang-Buch ist keines von Klajs Liedern aufgenommen worden. Das wird man nicht nur auf die im Titel vorgenommene Beschränkung auf die tatsächlich im Gottesdienst gebrauchten Lieder zurückführen dürfen, sondern man wird das auch als eine gewollte Distanzierung des Kreises um Birken speziell von den Liedern Klajs verstehen müssen. Vor diesem Hintergrund stellen sich aber einige Fragen im Hinblick auf die geistliche Dichtung im Pegnesischen Blumenorden aber auch im Hinblick auf die Religionsgeschichte Nürnbergs neu. Auch wenn ihnen hier nicht weiter nachgegangen werden kann, zeichnet sich doch ab, dass man anders als bisher darauf wird verzichten müssen, als Antworten generalisierende Konzepte aufzubieten.
56 Clarence Bauman: Gewaltlosigkeit im Täufertum. Eine Untersuchung zur theologischen Ethik des oberdeutschen Täufertums der Reformationszeit. Leiden 1968 (Studies in the History of Christian Thought III,3), S. 189–195.
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Anhang II KriegsTrost/ abgesehen auß dem 2 Buch der Könige am 19. und auß dem Esai. 37. Capitel Gesangsweise außgefertiget Auf die Weise: An Wasserflüssen Babilon, 1. Ach Teutschland nicht mehr Teutsches Land/ an den berühmten Flüssen/ häng deine Harfen an die Wand/ die Threnen sich ergiessen! wann ich besinn den alten Stand/ eh Jungfrau dich die Rauberhand gemacht zu einem Weibe/ die betteln gehet nackend/ bloß/ die sonder Mann/ die Kinderloß/ weint mir das Hertz im Leibe.
4. Das Heil der Stadt/ Gerechtigkeit/ ist ewig außgewiesen/ das Rhathauß wird bey solcher Zeit nicht sonderlich gepriesen/ ein jeder thut was jhm beliebt/ der Krieg den Haußstand hoch betrübt/ das Vieh stirbt ohne Futter/ die Grossen fallen durch das Schwerd/ die Kleinen Hungersnoht verzehrt/ der Säugling an der Mutter.
2. Ach Teutschland nicht mehr Teutsches Land/ wie bistu zugerichtet/ der Völcker Scheusall/ Spott vnd Schand/ zergliedert/ gantz vernichtet. Der Feind darzu dich hönisch hält/ er fragt: ist das die Zier der Welt/ ist das die Lust der Erden? Heh! heh/ wir haben sie verheert/ diß ist der Tag den wir begehrt/ sie muß geschleiffet werden.
5. Es hat die Magenleere Noht verbottne Speise gessen/ Klein/ Eicheln/ Eselsköpfe/ Koht/ auch Menschenfleisch gefressen/ der Hunger hats dahin gebracht/ daß Mütter jhre Frucht geschlacht/ der Kinderlieb vergessen/ gekocht den Sohn am Feuerrauch/ und wieder in den Mutterbauch (hilf HErre GOtt!) gefressen.
3. Die Strassen Zion liegen leer/ das Opfern wird verhindert/ man findet keine Kirche mehr/ die nicht ist außgeplündert/ die Priester hat man fortgesandt/ die Gotteshäuser außgebrandt/ die Lämmer ohne Weide gantz schlägebäuchig einherziehn/ vor Hunger in die Wälder flihn/ viel sterben gar vor Leide.
6. Wo ist ein Krieg wol in der Weld der so viel Jahr gewäret/ der durchgebracht ein solches Geld/ solch Land und Leut verzehret/ der so viel Vnfal hat erweckt/ der Stad und Dorf in Brand gesteckt der überweit geflogen/ durch alle Reiche mit Gefahr/ schon gantzer acht und zwantzig Jahr/ gleich einer Gifft gezogen?
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7. Es hat die grimme Länderpest getobet vnd gewütet in Osten/ Suden/ Nord und West/ viel Vnglück außgebrütet/ der Fürsten Degen scharf gewetzt zum Blutvergiessen angehetzt/ daß sie selb-selbsten haben einander auß dem Land verjagt/ mit tausend Marterart geplagt/ ein eigen Grab gegraben.
11. Man hört von Krieg und Kriegsgeschrey/ es ist die letzte Neige/ die rasendtolle Tyranney/ macht alle Menschen feige/ Das schlaffe Haubt hängt wie das Schilff/ Ach HERR komm du/ komm bald und hilf/ wie dein Wort hat versprochen/ laß nicht das dickvergoßne Blut das üm Jerusalem wie Flut geflossen/ ungerochen!
8. Vnd annoch wil kein Mensche recht sich zu dem Friede lencken/ dem taug er/ dem ist er zu schlecht/ der träget diß Bedencken/ Man sagt vom Friede Tag und Nacht/ und wird kein Friede nicht gemacht/ Ach Friede/ güldner Friede! Ach Friedefürst send uns geschwind das Friedengold/ dein Himmelkind/ wir sind deß Krieges müde!
12. Wenn Sanherib sich noch nicht legt/ so wolstu jhme weisen/ den Zepter der Friedhässer schlägt den Zepter der von Eisen/ zerschmettre seinen stoltzen Kopf/ wie man zerschlägt den irdnen Topf/ damit er nicht mehr blase/ solch Gifft vergältes böses Ding/ so lege ihm den Zwingering in seine wilde Nase.
9. Es hat uns lang genug geschreckt der Krieg auf unserm Bette/ schaff daß uns fort der Haan aufweckt und nicht die Mordtrompette/ für Schlachten gib den Freudentantz für Lorbern einen Oelblat-Krantz/ daß jeder sicher schlaffe/ bedeckt von seinem Feigenbaum/ der seinen Weinstock giebet Raum/ und weidet seine Schaafe.
13. Vnd will er noch nicht stille seyn mit Kriegblutmordgetümmel/ so laß den Engel schlagen drein von deinem hohen Himmel/ der kan mit kräfftigstarcker Macht/ erlegen jhm in einer Nacht/ da liegen auf der Strassen früh hundert zwantzig tausend Mann/ acht tausend noch/ kein Hund entran/ Er muß das Leben lassen.
10. Es wil den Menschen nicht gar wol bey dieser Trübsal werden/ ob deme was noch folgen sol zur letzten Zeit auf Erden/ die Sonne schwärtzet ihre Bahn/ der Mond legt Trauerkleider an/ die Sternen sich durchkräncken/ das Meer läufft nicht den alten Lauff/ es schäumt es bäumt sich Himmelauff/ und will die Weld erträncken.
14. Seid stille! GOtt ist Zebaoth/ sein Arm ist nicht verkürtzet/ er reiset fort für fort auß Noth/ deß Feindes Hochmuth stürtzet/ Er ist es/ der den Sieg erhält/ bleibt alzeit Meister in dem Feld; und auch in diesen Zeiten/ will Er der Heyland/ unser Held/ dem wir die Sache heimgestelt/ vor seine Kirche streiten.
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III Ich ruhe in den FelßLöchern. Auf die Weise: Wie nach einer Wasserquälle. 1. Wann der Wolcken Nacht aufsteiget/ an dem blauen Sternenfeld/ Vnd deß Wetters Flammen zeiget/ daß die steinern Eichen spelt/ Treibt der Hirt die Schäfelein/ vor deß Himmels Vnmuth ein sichert sie vor Dampf und Blitzen und der Donnerkeile sprützen.
5. Gleich wie die verwäisten Jungen vor dem Habicht schüchtern seyn/ wenn ein Raub jhm mißgelungen so verkreucht sich groß vnd klein/ in ein stilles Klippendach Er setzt an/ vnd kan nicht nach/ fleugt erbittert auff und nieder flattert hungrig hin und wider.
2. Das beliebte Volck der Lüffte stelt sein tireliren ein/ und versteckt sich in die Klüffte/ daß es möge trucken seyn/ auch die Turteltaube schaut/ wo sie jhr Hauß aufgebaut/ in der holen Felsen Ritzen/ vor deß Hagels Zorn zu sitzen.
6. Also ruhet meine Seele weil sie zeitlich eingekehrt/ in die sanffte Seitenhöle kein Stoßvogel sie gefährt/ läst der starcken Schlossenmacht alles splittern daß es kracht/ und verlacht deß Geyers Magen der sich nicht an sie darf wagen.
3. Ach es hat sich aufgezogen eine dunckeltrübe Nacht/ es kömpt Pechschwartz hergeflogen durch deß Wolkentreibers Macht/ der erzürnte Höchste schilt seiner Stimme Donner brült/ der erboste Himmel wittert/ Wild und Wald/ und alles zittert.
7. Wann von neuen wird bemahlet der hochliechtgestirnte Saal/ und der Erden Fakkel stralet übergüldet Berg und Thal/ kömt das Vöglein wider vor schwingt sein Stimlein schön empor/ und kan auf viel tausend weisen seines Schöpfers Rettung preisen.
4. Wol dem der sich hat gefunden wenn es hagelt/ dampft/ und blitzt/ in die Höle der fünf Wunden seines Heylands der jhn schützt/ daß jhm weder Sturm noch Flut/ weder Hagel/ Dampf/ noch Glut auch im minsten nicht kan rühren/ ja das Wetter selbst nicht spüren.
8. So wann es in meinem Hertzen wider stil und heimlich wird acht ich keiner Furcht und Schmertzen/ singe/ klinge daß es schwirt/ such ein neues Lied herfür spiel eins auf der Lauten Zier Ich kan keiner Freude missen/ üm daß ich dem Todt entrissen.
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IV Ein Lied von dem himlischen Pelican/ JEsu Christo. Im Thon: Wie schön leuchtet der Morgenstern/ etc. 1. Entbrenne du mein gantzes Ich/ Was in mir ist/ ermuntre sich/ Vnd dichte feine Weisen: Den Pelican/ der sich zerritzt/ Der seine Brut mit Blut besprützt/ Soll meine Zunge preisen. Auff! Auff! Eil! Lauff! Ich will leiten Reine Säiten/ Sonder Zwingen: Gott und Gottes Lob besingen.
4. Die Mutter/ die sich hat verweilt Vnd eilend wider Heimwarts eilt/ Die komt/ und muß erbleichen/ Die Frucht/ die sie kaum außgeheckt/ Die hat der grimme Todt gestreckt/ Das Nest ligt voller Leichen; Sie zagt/ Sie klagt/ Klagt und wümmert/ Sich bekümmert/ Ob den Dingen/ GOtt/ ich will dein Lob besingen.
2. Im Fall die Mutter nicht zu Hauß/ Vnd etwan ist geflogen auß/ Zu speisen jhre Jungen/ Sticht die trugvolle Schlangenzucht Deß frommen Pelicanens Frucht Mit gifftgefülter Zungen/ Zischet/ Gischet/ Was da lebet/ Lebt und Webet ümbzubringen; GOtt ich will dein Lob besingen.
5. Nach dreyer Tagen Trawerzeit Legt sie hinweg das schwartze Kleid/ Vnd sich nicht ferner quälet/ Zerhacket jhre zarte Brust Auß welcher quilt der Lebensmust/ Der jhre Frucht beseelet/ Reget/ Weget/ Hebt die Flügel/ üm die Hügel Sich zu schwingen: GOtt ich muß dein Lob besingen.
3. So/ wann der alte Schuppenfeind Am Häubte nichts zu schaffen meint/ Wagt er mit tausend Listen/ Sich an die Glieder groß und klein/ An Adam/ Even ins gemein An alle fromme Christen/ Brennet/ Rennet/ Laufft und eifert/ Speit und geifert/ Zu verschlingen/ Die/ mein GOtt/ dein Lob besingen.
6. So hat/ der nichts als böses stifft/ Der Teuffel alle Welt vergifft/ Geführet ins Verderben/ Wir solten in der Höllenpein. Verdamte Höllebränder seyn/ Zwar sterben/ doch nicht sterben; Sitzen/ Schwitzen Ob den Thaten/ Teuffelsbraten Vns vmbringen: GOtt ich will dein Lob besingen.
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7. Wenn Christus nicht das höchste Gut/ Mit seinem Rosenfarbnen Blut/ Das unsre Sünde wäschet/ Deß Teuffels Zorn und Vbermut/ Der Höllen Pech und Schwefelglut Am dritten Tag geleschet/ Mächtig Prächtig Ihn gebunden Vberwunden In dem Ringen. GOtt mein Geist soll dich besingen.
10. So ist mein GOtt mein Hertz bereit Auff Psalterspielen allezeit/ Mein Ehre dich verehret/ Daß du mich auß der Nächte Nacht/ Gesund ans liechte Liecht gebracht/ Von Wiegen an ernehret/ Dein Blut/ Mein Gut/ Das mich tauffet/ Tewr erkauffet/ Muß erklingen: GOttes Gut und Blut besingen.
8. Er/ Er der trawte Pelican Der nam sich unser trewlich an/ Die heiligen fünff Brunnen/ Gegraben an deß Creutzes Stamm/ Auß welchem vns das Leben kam/ Durch sein Blut hergerunnen/ Regnen/ Segnen/ Sündvergeben: Heil und Leben! Ich muß springen: GOtt und Gottes Güte singen.
11. Hab danck! hab danck! mein Pelican! Ich geb dir wider/ was ich kan/ Mein Leib/ mein Seel/ mein Leben/ Vnd wann es einsten dir gefält/ So führ mich auß der Threnen Welt Hin/ wo die Engel schweben/ Laß mich Selig Zu dir kommen/ Mit den Frommen Vmb dich springen GOtt dich ewig zu besingen.
9. Vnd wie wann nun der Pelican Für Schwachheit nicht mehr fliegen kan/ Vnd muß ermattet krancken/ So machen sich die Kinder auß/ Versorgen Eltern/ Kind und Hauß/ Vor Leib und Leben dancken/ Jagen/ Tragen Muscheln/ Fische Zu dem Tische Häuffig bringen. GOtt mein Geist soll dich besingen.
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Lob des Buchhandels und des Buchdrucks Klajs Gratulationsgedichte an das Nürnberger Druck- und Verlagshaus Endter
Im Zentrum des vorliegenden Beitrags stehen zwei Publikationen Johann Klajs, die an die Firma und Familie des Nürnberger Druckers und Verlegers Wolfgang Endter (1593–1659) adressiert sind. Vorgestellt wird erstens das Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels, das Klaj im Herbst 1650 als Teil einer Gedichtsammlung zur Hochzeitsfeier von Endters Sohn Johann Andreas (1625–1670) veröffentlicht hat, und zweitens der undatierte Einblattdruck Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg, dessen Texte von Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj unterzeichnet sind. Um diese panegyrischen Zeugnisse zum Sprechen zu bringen, werden sie in den Kontext thematisch und funktional verwandter Casualschriften gestellt. So soll ihr publikationsgeschichtlicher Ort bestimmt und davon ausgehend ermessen werden, inwieweit sich Klajs Beiträge in ihr lokales Umfeld eingefügt oder daraus abgehoben haben, besonders: inwieweit Klaj die Gelegenheitsdichtung dazu genutzt hat, über die situative und lokale Referenz hinaus das programmatische und kulturpatriotische Potential der frühneuzeitlichen Medienkoalition von Dichtung, Buchdruck und Buchhandel zu entfalten.
1 Klajs Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels I
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ES wird in der gantzen Welt schön Gewerbe hoch geehret/ das da mehret und ernehret; Mir für andern baß gefällt/ wann Herr Endter von der Messe/ von dem Setzer/ von der Presse Kunstgefüllte Bücher führt und damit den Laden ziert. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Was ist Gold? ein gelber Koht/ den ein Jubilirer führet/ das den Madensack nur zieret/
https://doi.org/10.1515/9783110669480-021
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nichtes hilfft in Todesnoht; Perlen leuchten nur zum Scheine/ helles Glas und teure Steine sind der Muscheln Außgespey nichts darhinter/ viel Geschrey. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Was ist Seide/ die so stralt? Zeug/ den nur ein Wurm gesponnen/ von dem Färber halb verbronnen; Wird der Wurm nicht bald bezahlt/ kömmt er/ diesen Zeug verheeret bis er seinen Lohn verzehret/ wann er den verfressen hat/ sucht er eine fremde Statt. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Tücher auß dem Engelland übersendet nach der Fülle sind der Schäflein Deck und Hülle und ein Deckel unsrer Schand/ Zobeln/ Martern und Corallen/ Porzellanen/ Glas/ Crystallen/ Zucker/ Würtze/ Specerey sind nur lauter Fantasey. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Bücher sind das beste Gold/ Perlen/ Edle Steine Seide/ ja deß Hertzen Hertzgeschmeide/ Kunst erwirbet GOttes Hold; Macht auß Menschen halbe Götter/ richtet auf im Vnglückswetter Kunst ist Labsal/ Specerey/ deß Gemütes Artzeney. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Diese Kunst nun stehet feil in gelehrten Bücherläden/ da man kan mit Leuten reden/ von der Seelen Trost und Heil/ Wie das Recht sey außzuführen/ diß und jenes zu curiren/ was da sey der Sternen Krafft/
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ja von aller Wissenschafft. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Ehrentugendreiche Braut/ selig seyd ihr ja zu schätzen/ weil ihr heute mit Ergötzen Herren Endtern seyd vertraut/ der da handelt mit den Schrifften/ die da lauter gutes stifften/ schaffen/ was da GOtt gefällt hier und dort in jener Welt. Der hat einen schönen Wandel/ der da führt den Bücherhandel. Nun ich wünsche Wolergehn/ GOtt der wolle sie begleiten allen Erden/ aller Seiten/ in dem Gehen/ in dem Stehn/ daß die Braut fein mit Behagen ihrer Schwieger nach mög schlagen/ die deß Hauses Zier und Cron und der Tugend Himmellohn. Bis ihr mit dem Bücherhandel all erlangt deß Himmels Wandel.1
Klajs namentlich und mit dem Ehrentitel des „P[oeta] L[aureatus]“ gezeichnetes Gedicht findet sich an 21. Stelle der 25 Nummern und zwei „Nachgeschickte“ Dichtungen umfassenden Glückwünschung/ auff deß […] Herrn Johannis Andreen Endters/ deß […] Wolfgang Endters/ deß Aeltern/ deß grössern Rahts und Buchführers Ehleiblichen Sohns/ und […] Susannen/ Deß […] Thomæ Ayermanns/ deß grössern Rahts und Handelsmanns/ Ehleiblichen Tochter/ Hochzeitlichen Ehrentag. Da die Hochzeit am 29. deß Weinmonats 1650 in Nürnberg gehalten worden ist, zählt
1 Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels/ aufgesetzet von Johann Klaj/ P. L. In: Glückwünschung/ auff deß Erbarn und Fürnemen Herrn Johannis Andreen Endters/ deß Erbarn und Wolfürnemen Herrn Wolfgang Endters/ deß Aeltern/ deß grössern Rahts und Buchführers Ehleiblichen Sohns/ und Der Erbarn und Ehrentugendreichen Jungfrauen Susannen/ Deß Erbarn und Wolfürnemen Herrn Thomæ Ayermanns/ deß grössern Rahts und Handelsmanns/ Ehleiblichen Tochter/ Hochzeitlichen Ehrentag/ gehalten in Nürnberg am 29. deß Weinmonats 1650. Wolmeinend überreichet von Deren Gönnern und guten Freunden. [Nürnberg 1650], fol. C2v–4r (originale Hervorhebungen in Str. I–VII in Schwabacher, Str. VIII insgesamt in größerer Fraktur). – Exemplarnachweise und Inhaltsverzeichnis unten in Tab. 1. – Zur Druckerdynastie Endter siehe auch den Beitrag von Hans-Otto Keunecke in diesem Band.
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Klajs Beitrag zu den spätesten Werken seiner dortigen Zeit, entstanden kurz vor seinem Umzug nach Kitzingen, der seine Beteiligung an der Nürnberger Casualdichtung und sein poetisches Schaffen insgesamt fast ganz zum Erliegen gebracht hat.2 Ästhetisch zählt das Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels gewiss nicht zu den besonders elaborierten Produkten aus Klajs Feder. So sucht man – abgesehen von wenigen Binnenreimen (V. 3 und 74) und Alliterationen (V. 24, 43, 45 und 71) – vergebens nach metrischer, onomatopoetischer oder metaphorischer Finesse. Klaj nutzt eine einfache, sangbare, aus zehn vierhebigen trochäischen Versen mit wechselnden Kadenzen gebildete Strophenform, die durch zuerst umarmende, dann paarige Reime in zwei Gruppen zu vier Versen und einen abschließenden, typographisch exponierten Refrain gegliedert ist.3 Nur die letzte, ganz in größerer Type gesetzte Strophe mündet in eine Variation des Refrains. Der das Gedicht tragende Grundgedanke ist dagegen schon in der ersten Strophe ausgesprochen: Das als universal gültig erklärte, zur Handels- und Handwerksstadt Nürnberg stimmige Lob des Gewerbes, die frühneuzeitliche Panegyrik prosperierender Ökonomie, die Versorgung sichert und Wachstum generiert, wird vom vierten Vers an durch das Bekenntnis einer persönlichen Prädilektion differenziert. Die durch das exponierte Pronomen „Mir“ und die namentliche Nennung des „Herr[n] Endter“ als ‚privat‘ deklarierte Vorliebe des lyrischen Ich für ein spezielles Gewerbe erzeugt Erklärungsbedarf, da die komparative Feststellung, der Weltgepriesene Buchhandel gefalle ihm „für andern baß“ (V. 4), eine relationale Argumentation nahelegt.
2 Vgl. die biographische Skizze bei Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 50), S. 50–63, die den Amtsantritt in Kitzingen auf den 1. Januar 1651 datiert (ebd., S. 51) und den damit einher gehenden fast vollständigen Abbruch von Klajs Casualdichtung vermerkt (ebd., S. 53). Auch die chronologische Aufstellung von Klajs Werken bei Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Zweite, verbesserte und wesentlich vermehrte Auflage des Bibliographischen Handbuches der Barockliteratur. Teil IV: Klaj–Postel. Stuttgart 1991, S. 2351–2372, die das „Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels“ unter Nr. 51 B verzeichnet, nennt nur wenige eindeutig später datierte Werke. 3 Horst Joachim Frank: Handbuch der deutschen Strophenformen. 2. Aufl. Tübingen, Basel 1993, verzeichnet exakt diese Form nicht, nennt aber einen verwandten, ebenfalls in einen Paarreim mündenden (sonst in Reimstellung und Kadenzfolge leicht abweichenden) „Zehnzeiler aus trochäischen Vierhebern“ und rechnet diesen zu den „geläufigen Kirchenliedstrophen“, die gerade von den Nürnberger Barockdichtern stark genutzt wurde (ebd., S. 703 f.; Nr. 10.5). Auch für Klajs Strophenform ist, ohne dass man eine konkrete Melodie angeben könnte, von grundsätzlicher Sangbarkeit auszugehen.
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Entsprechend sind die Strophen II bis IV der Abqualifizierung anderer kaufmännischer Berufe gewidmet, vor allem – wiederum zum städtischen Wirtschaftsprofil passend – dem Handel mit Gold und weiteren Pretiosen sowie mit Seide und verwandten Tuchwaren. Den Maßstab für die Abwertungen, die angesichts des Eingangslobs für das „Gewerbe“ insgesamt (V. 2) und angesichts der Tatsache, dass der Vater der Braut nicht nur Endters Kollege im (politisch wenig bedeutsamen) Größeren Rat der Stadt, sondern ein erfolgreicher Handelsmann und Vorsteher des Nürnberger Marktes war,4 recht scharf ausfallen und antithetisch zugespitzt werden, bietet das im Barock ubiquitäre Gegensatzpaar von constantia und vanitas, von ewigen göttlichen und vergänglichen irdischen Werten. So kann das traditionell als besonders dauer- und werthaltig geschätzte Gold als „gelber Koht“ diskreditiert werden, nicht weil es an sich vergänglich wäre, sondern weil es funktional nur auf den Leib des Menschen, den „Madensack“, bezogen sei und ihm „in Todesnoht“ nicht helfe (V. 11–14). Der an die leitende Antithese angeschlossene Gegensatz von ‚Schein‘ und ‚Sein‘ lässt die von niederen Kreaturen herstammenden „Perlen“ als Zeichen substanzloser Äußerlichkeit erscheinen (V. 15–18). Bei der „Seide“ wird der Umstand, dass sie von einem niederen Geschöpf nicht nur produziert, sondern vom anscheinend ökonomisch in Kategorien von „Lohn“ und Bezahlung denkenden „Wurm“ auch wieder „verheeret“ werden könne (V. 21–28), zum Beleg mangelnder Dauerhaftigkeit. Die importierten Tuchwaren und anderen „Specerey[en]“ werden schließlich mit dem Argument abgewertet, sie dienten dem Menschen nur zur Verbergung seiner durch die Erbsünde entstandenen „Schand“ und hinter ihrer Wertschätzung stecke ohnehin „lauter Fantasey“ (V. 31–38). Die in typisch barocker Reihung ausgebreiteten Elemente werden zu Beginn der fünften Strophe summarisch wiederholt („Gold/ | Perlen/ Edle Steine Seide“; V. 41f.), dabei jedoch – mit dem Superlativ „beste“ (V. 41), der das komparative Adverb „baß“ aus der Eingangsstrophe (V. 4) aufnimmt – zu metaphorischen Attributen der „Bücher“ erklärt (V. 41). Dass es nun nicht um äußerlich-ökonomi
4 Ein auf 1657 datiertes, von Jakob von Sandrart nach einer Zeichnung von Georg Strauch gestochenes Porträt zeigt den seinerzeit 71-Jährigen Thomas Ayermann (* 1586 in Bamberg, † 26. April 1662 in Nürnberg) mit einem standesbewusst in der Hand gehaltenen Geldsack und lässt ihm im (nicht namentlich gezeichneten) Vierzeiler eine zuversichtliche Lebensbilanz ziehen: „GOTT, der mir von Jugend an, | hat unzehlich guths gethan; | Wird auch nun, in grauen Haaren, | lassen mich sein Gnad erfahren.“ Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung: Paul Wolfgang Merkel’sche Familienstiftung MP 1190, Kapsel 17 . Verheiratet war Ayermann seit 1622 mit Martha Schütz, der Tochter des Nürnberger Kaufmanns Valentin Schütz (vgl. die in VD17: 125:026301P nachgewiesene Sammlung von Epithalamia), gestorben ist er 1662 (vgl. die mit elf Epicedien von Johann Michael Dilherr u. a. bereicherte Leichenpredigt von Michael Weber, verzeichnet in VD17: 125: 035537P). Zu Ayermann vgl. ferner .
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sche, sondern um innerlich-ethische Qualitäten geht, zeigt neben den Genitiven „deß Hertzen Hertzgeschmeide“ (V. 43) und „deß Gemütes Artzeney“ (V. 48) vor allem die Bestimmung der Bücher als einer „GOttes Hold“ erwerbenden, den Menschen tröstenden und halb vergöttlichenden „Kunst“ (V. 44–46). Und dass die käuflichen, wie andere Waren „feil“ stehenden Bücher (V. 51) doch eine substantiell viel tiefer gehende und weiter reichende soziale und wissenschaftliche Bedeutung haben, betont Klaj in der sechsten Strophe, in der er die kommunikative Funktion der „gelehrten Bücherläden“ hervorhebt – dort könne man „mit Leuten reden“ (V. 52f.). Zugleich wird der Inhalt der Bücher gepriesen, die „aller Wissenschafft“ gewidmet seien (V. 58), nämlich den vier Disziplinen Theologie und Jura, Medizin und Astronomie. Die obligatorische Referenz auf das Hochzeitspaar erreicht Klaj, der den Bräutigam schon in der ersten Strophe beim Namen genannt hatte, in der siebten mit einer Apostrophe an die „Ehrentugendreiche Braut“ (V. 61). Durch ihre Trauung mit Endter, so der gedankliche Anschluss, habe sie Anteil an den irdischen und metaphysischen Wohltaten, die dessen Handel mit gottgefälligen Schriften befördere. Gerade diese auf moralisch-religiösen Qualitäten beruhende Aufwertung des Buchhändlers verpflichte auch die aus einer Händlerfamilie stammende Susanna Ayermann „ihrer Schwieger“ (ihrer Schwiegermutter Maria Endter, geb. Öder [1597–1657]; V. 76) nachzueifern und wie diese „der Tugend Himmellohn“ anzustreben (V. 78), um – wie der variierte Refrain verheißt – „mit dem Bücherhandel | […] deß Himmels Wandel“ zu erlangen (V. 79 f.). Die Besonderheiten von Klajs Dichtung, die sicher weniger in ausgefeilter Artifizialität als in Thema und Argumentation zu sehen sind, lassen sich vor dem Hintergrund zeitgenössischer Kontexte skizzieren. Vergleicht man sie zunächst mit thematisch verwandter Panegyrik – mit Paul Flemings an seinen Leipziger Drucker Gregorius Ritsch gerichtetem Lobgedicht (1634),5 Romplers von Löwenhalt Gedicht Von löblicher erfindung der Buch-trukkerej (1640),6 Andreas Tschernings Lob der Buchdruckerey (1640),7 Philipp von Zesens Lob-Rede von der Hoch
5 Paul Fleming: Aliud [Inc.: „Warumb nicht/ werther Freund?“]. In: Hieronymus Hornschuch: Ορθοτυπογραφια. Das ist: Ein kurtzer Unterricht/ für diejenigen/ die gedruckte Werck corrigiren wollen […]. Leipzig 1634, S. 136–139. 6 Jesaias Rompler von Löwenhalt: Von löblicher erfindung der Buch-trukkerej/ Zu gedächtnus gemacht auff die zweyte Hundert-järung derselben/ nämlich imm 1640.ten jar ewiger hailwerdung. In: Ders.: Erstes gebüsch seiner Reim-getichte. Straßburg 1647, S. 48–61. 7 Andreas Tscherning: Lob der Buchdruckereÿ. Breslau 1640; hierzu Misia Sophia Doms: „Wer spricht daß fort vnd für die Welt nur ärger werde?“ Andreas Tschernings Lob der Buchdruckerey als Beitrag zur zeitgenössischen Diskussion über den Lauf der Geschichte und die Bewertung der Gegenwart. In: Ralf Bogner u. a. (Hg.): Realität als Herausforderung. Literatur in ihren konkreten
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nütz- und Löblichen zweyhundert-jährigen Buchdrückerey-Kunst (1642)8 und Johann Rists Lobgesang der Edlen Buchdrükker Kunst (1652)9 –, dann fällt auf, dass Klaj im vorliegenden Gedicht nicht den Buchdruck, sondern den Buchhandel ins Zentrum rückt. Das mag vordergründig damit zusammenhängen, dass eine spezifisch lokalpatriotische Buchdruck-Panegyrik, wie sie etwa Rompler für Straßburg (und gegen Mainz) betrieben hat, in Nürnberg weniger stadtgeschichtlichen Rückhalt finden konnte. Da aber auch in Nürnberg und gerade im Hause Endter das Andenken an die gut zweihundert Jahre zurückliegende Erfindung des Buchdrucks durchaus hochgehalten und kulturpatriotisch aufgeladen worden ist,10 mögen andere Motive stärker gewesen sein: Ein Jahr nach seiner Hochzeit, zu der Klaj das vorliegende Lobgedicht verfasste, übernahmen Johann Andreas Endter und sein Bruder Wolfgang Endter der Jüngere (1622–1655) von ihrem Vater Wolfgang Endter dem Älteren zunächst die „frembde […] Bücher-Handlung“,11 also den Handel mit den nicht im eigenen Haus gedruckten Büchern, während der Vater „den Verlag und Druck weiterbetrieben“ hat.12 Daraus lässt sich erklären, dass der 1650 zum Mitinhaber designierte Johann Andreas Endter von Klaj nicht als Buchdrucker, sondern als Buchhändler apostrophiert und damit der Kauf-
historischen Kontexten. Festschrift für Wilhelm Kühlmann zum 65. Geburtstag. Berlin, New York 2011, S. 279–288. 8 Philipp von Zesen: Gebundene Lob-Rede von der Hochnütz- und Löblichen zweyhundert-Jährigen Buchdruckerey-Kunst/ Wenn/ wo/ wie und durch wen sie erfunden worden; Bey Volckreicher Versamlung und Einführung eines neuen Drücker-Gesellens Michael Pfeiffers/ öffentlich gehalten […]. Hamburg [1642]. 9 Johann Rist: Lobgesang Der Edlen Buchdrükker Kunst/ Zu sonderbahren Ehren und belibten Gefallen/ Dem Ehrnvesten/ Vielachtbaren und Kunstreichen H. Johann Stern […]. O.O. 1652. 10 Vor allem im unten in Tab. 2 verzeichneten Einblattdruck „Beschreibung der Hochlöblichen Druckerey Erfindung“ von 1660. 11 Kurzte Walfart Menschliches Lebens/ Oder: Einfältige Leich-Sermon/ Verlesen Bey trauriger doch Christlicher Leich-Begängnis deß weiland Erbarn und Fürnehmen Herrn Wolfgang Endter deß Jünngern […]. Nürnberg 1656, S. 21: „Anno 1651. haben weiters dessen Geliebte Eltern/ ihme und dessen Herr Brudern/ dem auch Erbarn und Fürnehmen Herrn Johann Andras [!] Endtern/ (deme der Höchste aus Gnaden das Leben lang fristen wolle) ihre frembde bißher geführte Bücher-Handlung übergeben/ so sie auch willig übernommen/ und unter ihrer beeder Namen/ in gutem Fried und Einigkeit/ dieselbe biß anhero fort gesetzt“. 12 Friedrich Oldenbourg: Die Endter. Eine Nürnberger Buchhändlerfamilie (1590–1740). Diss. Leipzig 1911, S. 23; ebenso Lore Sporhan-Krempel: Buchdruck und Buchhandel in Nürnberg im 17. Jahrhundert. In: Paul Raabe (Hg.): Bücher und Bibliotheken im 17. Jahrhundert. Vorträge des vierten Jahrestreffens des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Geschichte des Buchwesens in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel 22. bis 24. Mai 1979. Hamburg 1980 (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens, 6), S. 25–37, hier S. 31.
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mannsfamilie der Braut gegenüber als besonders gute, eben auch als Händler ebenbürtige Partie herausgestrichen wird.13 Dass Klaj aber die ökonomische Seite des Buchgewerbes, den Buchhandel, in einer vor zeitgenössischem Hintergrund durchaus bemerkenswerten Weise in den Mittelpunkt rückt, wird nochmals deutlicher, wenn man sein Gedicht in den doppelten Kontext von Klajs Casualpoesie auf andere Hochzeitsanlässe14 und von Gelegenheitsdichtungen anderer Autoren auf Festlichkeiten im Hause Endter stellt. Strebt Klaj durchaus auch sonst, etwa in dem 1646 einzeln gedruckten HochzeitGesang über die Frage Warumb die Vorfahren geglaubet/ daß die Liebsgöttin auß den Meerschaum ihren Vrsprung habe,15 zu mythologischer oder anderweitiger Transgredierung des konkreten Anlasses, so überwiegen gerade unter seinen Epithalamia doch die Beispiele, in denen er wesentlich intensiver die adressierten Personen bedenkt und spielerisch bedichtet. In seiner pindarischen Ode zur 1646 gefeierten Hochzeit des Obersten Georg Christoph Volckamer mit Maria Magdalena Harsdörffer referiert Klaj etwa auf den militärischen Stand des Bräutigams und gewinnt poetische Anregungen aus den Familienwappen des Brautpaares.16 1650 nimmt er anlässlich der Hochzeit des Juristen Joachim Christian Neu mit Helena Murr den Namen des Bräutigams als Omen, um daraus dichterisch auf die Erneuerung der Natur und die Fruchtbarkeit des neuen Paares zu schließen.17 Und besonders stark geht Klajs Wolgemeintes Hochzeit-Gedicht auf Wolfgang Endters Tochter Dorothea Maria, die 1652 Johann Christoph Lange heiratete, auf private Umstände ein: Bei einem Unfall habe sich die Braut die „schöne Hand“ an einem glühenden
13 Zur familiären ‚Hochzeitspolitik‘ vgl. Lore Sporhan-Krempel: Zur Genealogie der Familie Endter in Nürnberg. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 8 (1967), Sp. 505–532, zu Wolfgang Endter d. Ä. und seiner Familie hier Sp. 514–527 mit Tafel IV (Sp. 518) und V (Sp. 523). 14 Zu diesem editorisch noch nicht umfassend erschlossenen Segment seines Schaffens und zu den Beziehungsnetzen, die sich in Klajs Beiträgen zu Gelegenheitsschriften abzeichnen, vgl. Jürgensen, Melos (wie Anm. 2), S. 53 f.; Einzelfunde und -aspekte ferner bei John Roger Paas: In praise of Johann Michael Dilherr: Occasional poems written in 1644 by Sigmund von Birken, Georg Philipp Harsdörffer, and Johann Klaj. In: Daphnis 21 (1992), S. 601–613; Martin Bircher: „Herren Wolfgang Franckens Namensgedächtnüß“. Eine unbekannte Dichtung von Johann Klaj. In: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 21 (1994), S. 26–29, sowie Walter Ernst Schäfer: Dilherr, Harsdörffer und Klaj gratulieren Quirin Moscherosch zur Hochzeit. In: Simpliciana 27 (2005), S. 199–212. 15 Nachweise bei Jürgensen, Melos (wie Anm. 2), S. 58, und Dünnhaupt, Personalbibliographien IV (wie Anm. 2), Nr. 28. 16 Johann Klaj: Pindarischer Hochzeitgesang. In: Festivitas nuptialis […] Georgii Christopheri Volcameri, Cohortis Militum præfecti […] & […] Mariæ Magdalenæ […] Philippi Harsdœrfferi […] Filiæ Sponæ […]. Nürnberg 1646 [VD17: 125:014825X], fol. B4r–C1r. 17 Johann Klaj: „DA die güldne Sonnen-Kertze | in dem Mertze“. In: Bona Verba in Festivitatem nuptialem […] Joachimi Christiani Neu […] Nec non […] Helenæ Murrin […]. Nürnberg 1650 [VD17: 125:031217S], fol. A3r–4v.
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„Messing-Hammer“ aus der väterlichen Werkstatt „verbrant“ und sei vom herbeieilenden Bräutigam mit Wasser vom Schwalbacher Sauerbrunnen kuriert worden.18 Mehr noch als im Vergleich mit der eigenen Casualpoesie zeigt sich der besondere Status von Klajs Lob des Weltgepriesenen Buchhandels, wenn man es mit der Gelegenheitsdichtung anderer Autoren kontrastiert, die poetische Glückwünsche an die Hochzeitspaare aus dem Hause Endter gerichtet haben. Nimmt man als Maßstab die mit Klajs Beteiligung erschienene Sammlung von 1650, die 27 lateinische und deutsche Texte enthält, dann findet sich hier das ganze Spektrum von bloß unverbindlichen Gratulationen über betont geistliche Segenswünsche, die den Vornamen des Brautpaares biblische Konnotationen abgewinnen, bis hin zu scherzhaften Namensspielen, die vor allem in den Nachnamen „Endter“ und „Ayermann“ reichen Anlass für die genretypische Hoffnung auf baldige Nachkommenschaft finden (vgl. Tab. 1). Dass bei all dem aber bloß marginal auf den Beruf des Bräutigams und seiner Familie Bezug genommen wird, belegt umgekehrt Klajs Bestreben, eine familiäre Gelegenheit zur Nobilitierung eines Gewerbes zu nutzen, das – wie die Dichtkunst – zur Veredlung und Verewigung des Menschen beitrage und daher gerade in einer Handelsstadt wie Nürnberg besondere Wertschätzung verdiene. Tab. 1: Inhaltsverzeichnis der Epithalamia von 1650. Glückwünschung/ auff deß Erbarn und Fürnemen Herrn Johannis Andreen Endters/ deß Erbarn und Wolfürnemen Herrn Wolfgang Endters/ deß Aeltern/ deß grössern Rahts und Buchführers Ehleiblichen Sohns/ und Der Erbarn und Ehrentugendreichen Jungfrauen Susannen/ Deß Erbarn und Wolfürnemen Herrn Thomæ Ayermanns/ deß grössern Rahts und Handelsmanns/ Ehleiblichen Tochter/ Hochzeitlichen Ehrentag/ gehalten in Nürnberg am 29. deß Weinmonats 1650. Wolmeinend überreichet von Deren Gönnern und guten Freunden. [Nürnberg 1650] Exemplare: London, British Library, Signatur: 11521.f.25 (1.) [hiernach die Textwiedergabe bei David L. Paisey: Einige Bemerkungen aus Gelegenheitsgedichten über Wolfgang Endter den Älteren und sein Nürnberger Unternehmen sowie ein Lobgedicht auf den Buchhandel von Johann Klaj. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 15 (1975), Sp. 1293–1296]; Nürnberg, Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Signatur: Spit. V. 50 (60) 4°; Nürnberg, Stadtbibliothek, Signatur: Will I, 1151; Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Signatur: HBF 7110; Zwickau, Ratsschulbibliothek, Signatur: 48.7.2. (52a) [Bogen C hier fälschlich nach Bogen D eingebunden; daher fehlen in der Titelaufaufnahme in VD17: 125:027906P einige Beiträger, darunter Klaj].
18 Johann Klaj: Wolgemeintes Hochzeit-Gedichte. In: Glückwünschung auff […] Johannis Christophori Langens […] Christophori Langens/ deß Grössern Rahts/ Eheleiblichen Sohns/ und […] Dorotheæ Mariæ […] Wolffgang Endters/ deß ältern/ deß Grössern Rahts und Buchführers Eheleiblichen Tochter/ Hochzeitlichen Ehrentag […]. Nürnberg 1652 [VD17: 125:016097Y], fol. A3v–4v.
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Tab. 1 (fortgesetzt)
Beiträger: I. Johann Michael Dilherr [lat.; 3 Distichen] II. Johann Leonhard Frisch [lat.; 5 Distichen] III. Justus Jacobus Leibnitz: An Herrn Johann-Andreas Endter/ Bräutigam. [dt.; 2 achtversige Strophen; Deutung der Namen des Brautpaares] IV. Johannes Fabricius [dt.; 12 Verse] V. D. W. [dt.; 6 Alexandriner] VI. Isaac Jacquet [dt.; 8 Alexandriner] VII. Johann Jacob Duempffel: Ode Anti-Dactylica. [dt.; 4 achtversige Strophen; Deutung der Namen des Brautpaares; Endter knapp als „Bücher-Verleger“ gepriesen] VIII. Christoph Gottlieb Dilherr [lat.; 12 Verse] IX. J. G. Fabricius: Palindromon. [lat.; 2 Distichen] X. Janus Chunradus Rhumelius [lat.; 3 Distichen] XI. Johannes Röderus [lat.; 2 Distichen] XII. Georg Philipp Harsdörffer: Hochzeit-Rähtsel. ad imitat. Virgilii: Sic vos non vobis, etc. [dt.; 23 Alexandriner über die Frage „was ist die Lieb?“] XIII. Tobias Ruprecht [dt.; 16 kreuzgereimte Alexandriner; Referenz auf das spätherbstliche Datum der Hochzeit] XIV. Georg Christoph Müller [dt.; 24 Verse; Namensspiel auf ‚Ente‘ und ‚Eier‘] XV. Adolphus Roselius [dt.; 52 Alexandriner; Ausdeutung der Namen mit intensiver Referenz auf in Anmerkungen nachgewiesene Bibelstellen] XVI. Johann Vogel: Auß dem 127. Psalm/ in der Weise: Kommt her zu mir/ spricht Gottes Sohn. [dt.; 9 sechsversige Strophen] XVII. Johannes Riedner [lat.; 8 Distichen] XVIII. Adam Zanner: Sonnet. [und] Zugab. [dt.; 14 und 8 Verse; nach Friedensschluss nun ‚Liebeskrieg‘ im Hause Endter um ‚Eier‘] XIX. Johann Jacobus Wider [2 lat. Distichen, 6 dt. Verse] XX. Georg Widmann [dt.; 6 sechsversige Strophen; Anspielung auf niederländische Reise des Bräutigams] XXI. Johann Klaj: Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels. [dt.; 8 zehnversige Strophen] XXII. Johann Sextus: Auf den berühmten Namen der Endter. [dt.; 6 sechsversige Strophen; Namensspiel auf ‚Ente‘ und ‚Eier‘] XXIII. Johannes Pfeiffer [lat.; 4 Distichen] XXIV. C. H. K.: Hochzeitgedicht. [dt.; 48 Alexandriner und 4 sechsversige Strophen; breite narrative Ankündigung des Hochzeitstages, dann Namensspiel auf ‚Ente‘ und ‚Eier‘] XXV. Paulus Endter: Hochzeitwunsch. [dt.; 4 zehnzeilige Strophen] Nachgeschickte: I. Eucharius Eubulus Quirinus: Jocus verus & severus connubialis, nomine Ledæ […]. [dt.; 24 Alexandriner; vom Leda-Mythos ausgehendes Namensspiel mit ‚Ente‘ und ‚Eier‘, mögliche Zwillingsgeburt] II. Jäck. Grünling von Distelfinck: Cupido auceps. [dt.; 32 Alexandriner; Namensspiel mit ‚Ente‘ und ‚Eier‘]
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2 Klajs und Harsdörffers Einblattdruck Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey Noch intensiver zu bestimmen als in Klajs Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels ist die aus der casualen Panegyrik herausstrebende kulturpatriotische Programmatik für seinen zweiten hier vorzustellenden Glückwünsch an Endter, das undatierte, gemeinsam mit Harsdörffer verfasste Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg (Abb. 1).19 Recht genau zu umreißen ist zunächst der publikationsgeschichtliche Kontext, denn derartige Blätter im Format von ca. 30 auf 40 cm, im zweifarbigen und zweispaltigen, durch Zierleisten umrahmten und gegliederten Druck gehörten offenbar zum festen Repertoire der Endterschen Offizin. So sind für die Zeit bis 1680 nicht weniger als neun vergleichbare Blätter aus deren Produktion zu ermitteln (Tab. 2 mit Abb. 2 und 3).20 Unschwer zu erkennen ist, dass alle Blätter dieses Vergleichskorpus zu Hochzeiten gedruckt worden sind. Auch stammen sie – bis auf die zuletzt angeführte Ausnahme – nicht von einem individuellen Verfasser, sondern wurden kollektiv überreicht. Die fast stereotype, den wechselnden Besitzverhältnissen angepasste Formel dafür lautet auf dem ersten der verzeichneten Blätter: „Von denen gesamten der Endterischen Druckerey Verwandten wolmeinend übergeben“ (1650a). Dass damit nicht Familienangehörige, sondern – wie es in den Drucken der 1670er Jahren heißt – „Kunstverwandte“ oder (modern gesagt) ‚Angestellte‘ des Betriebs bezeichnet sind, ergibt sich aus petit gesetzten Namensreihen, die alle bis 1660 veröffentlichten Blätter beschließen. Diese Listen bestehen aus 17 (1650a, 1650b und 1652) bzw. 15 Namen (1660) und spiegeln offenbar die Hierarchie der Beschäftigten wider: Stets wird Jacob Ammon21 als Erster angeführt und als „Factor“, also als Schriftsetzermeister, tituliert; anschließend ist eine von 1650 bis 1660 personell weitgehend stabile Gruppe zu erkennen, die den Stab aus fünf bis
19 Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg. [Embleme und Gedichte von] Georg Philip Harsdörffer [und] Johan. Klaj. [Typographische Gestaltung von] Jacobus Ammon/ Matthæus Lange/ Sebastian Anschütz/ Christoph Beer/ Joh. Mechler/ Egidius Knopel/ Valentin Demler/ Nikolaus Kellermann/ Sebastian Falck/ Joh. Brenner/ Joh. Michael Weber. [Nürnberg o. J.] 20 Als Sigle für die hier aufgeführten Einblattdrucken dient im Folgenden das Publikationsjahr. 21 Ammon wechselte 1664 an die Klosterdruckerei Einsiedeln und ist bis 1686 als Inhaber von Druckereien in Baden, Zug, Sitten und Rottweil nachzuweisen; vgl. und die einschlägigen Nachweise in VD17.
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Tab. 2: Einblattdrucke der Offizin Endter zu familiären Hochzeitsfeiern (1650–1677). 1650a Vergleichung deß heiligen Ehstands mit der hochlöblichen Druckereykunst auff das Hochzeitliche Ehrenfest […] WolffgangEndters deß Jüngern/ als Deß […] WolffgangEndters deß Eltern/ deß grössern Rahts vnd weitberühmten Buchführers/ Ehleiblichen Sohns. mit […] Helenen Claren […] Mauritii Schachers/ deß grössern Rahts vnd wolbenamten Handelsmanns/ Ehleiblichen Tochter. Von denen gesamten der Endterischen Druckerey Verwandten wolmeinend übergeben Nürnberg/ den 11. Februarii des 1650. Jahrs. Namen der Mitarbeiter am unteren Blattrand: „Jacob Ammon/ Factor. Sebastian Anschütz. Paulus Otto. Georg Keyin. Egidius Knopel. Valentin Demler. Johann Matthesius. Nicolaus Kellermann. Johann Schütz. Johann Kroer. Johann Mattheus Hedwig. Johann Michael Weber. Jacob Heichely. Franciscus Bitzenhofer. Sigismund Gabriel Kohler. Johann Lehmann. Cyriacus Pistorius.“ Abb. 2 Exemplar: Zwickau, Ratsschulbibliothek, Signatur: 43.1.9. (237) [VD17: 125:029644S]
1650b Susannen-Lob auf das Hochzeitliche Freudenfest deß […] Johannis Andreen Endters/ als deß […] Wolffgang Endters deß Eltern/ deß grössern Rahts und weitberühmten Buchführers/ Eheleiblichen Sohns/ und […] Susannen/ deß […] Thomæ Ayermanns/ deß grössern Rahts und Handelsmanns/ Ehleiblichen Tochter/ Von denen gesamten der Endterischen Druckerey Verwandten wolmeinend übergeben in Nürnberg den 29. Octob. deß 1650. Jahrs. Namen der Mitarbeiter am unteren Blattrand: „Jacob Ammon/ Factor. Sebastian Anschütz. Paulus Otto. Egidius Knopel. Valentin Demler. Nicolaus Kellermann. Johann Kroer. Barthol. Zanner. Jacob Heichely. Sigismund Gabriel Kohler. Georg Hagen. Johann Schön. Johann Michael Weber. Johann Leonhard Schmoringer. Heinrich Philipp Purus. Gregorius Kärner. Johann Krüger.“ Exemplar: Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Signatur: Pon IIn 7690, FK [VD17: 3:657881V] 1652
Dorothea MarIa Herrn Hans ChrIstoph Langens EHREN-KRONE. Auf das Hochzeitliche Friedensfest […] Johann Christoph Langens/ Deß […] Christoph Langens/ deß Grössern Rahts/ Eheleiblichen Sohns/ Als Er sich Mit […] Dorothea Maria/ Deß […] Wolffgang Endters/ deß ältern/ deß Grössern Rahts und weitberühmten Buchführers/ Eheleiblichen Tochter Ehelichen vermählet Von denen der Endterischen deß ältern Druckerey Verwandten wolmeinend vorgetragen Jm Jahr DIe LIebe MaCht Tantzen [1652]. Namen der Mitarbeiter am unteren Blattrand: „Jacob Ammon/ Factor. Sebastian Anschütz. Paulus Otto. Egidius Knoppel. Valentin Demler. Nicolaus Kellermann. Johann Kroer. Leonhart Emmert. Johann Schön. Hiob Hertz. Carolus Weinrich. Johann Michael Weber. Jacob Heichely. Christianus Trabeth. Sigismund Gabriel Koler. Christoph Hettstett. Jacob Kolb.“ Exemplar: Zwickau, Ratsschulbibliothek, Signatur: 43.1.9. (187) [VD17: 125:029517Q]
1660
Beschreibung der Hochlöblichen Druckerey Erfindung/ Sambt Beygefügten Wunsch/ Zu Dem Hochzeitlichen Ehren-Fest Deß […] Christophori Endters/ Als Deß […] Wolffgang Endters/ deß Aeltern/ deß Größern Rahts und weitberühmten Buchhändlers/ Eheleiblichen Sohns/ Und […] Annen Susannen/ Deß […] Johannis Doppelmäiers/ deß
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Tab. 2 (fortgesetzt) Grössern Rahts und Handelsmanns/ Eheleiblichen Tochter/ Als Vondenen Gesambtender so genannten Alt-Endterischen Druckerey-Verwandten verfertiget/ und wolmeinend übergeben. Nurenberg/ im Jahr: DoppeLt GVt SChaffet MVht [1660]. Namen der Mitarbeiter am unteren Blattrand: „Jacobus Ammon/ Factor. Sebastian Anschütz. Paulus Otto. Valentin Demler. Nicolaus Kellermann. Egidius Knoppel. Barthol. Zanner. Paulus Haidenreich. Sigismund Gabriel Koler. Johan. Schön. Johan. Kraer. Philippus Reinecker. Conradus Andreas Ebler. Joh. Michael Schönerstätt. Melchior Haan.“ Abb. 3 Exemplare: Nürnberg, Stadtbibliothek, Signatur: Ebl. 2050 [VD17: 75:709207A]; ebd., Signatur: 1 an Gen. E. 24,2; Zwickau, Ratsschulbibliothek, Signatur: 50.1.33.(45) [VD17: 125:047626S]
1670
Schuldiges Ehren-Gedächtniß/ Womit Das Hochzeit-Fest Deß […] Johann-Andreas Endter/ etc. Wie auch Der […] Anna Magdalena/ Deß […] Jacob Wincklers/ etc. sel. hinterlassenen Tochter/ willigst verehren wollen/ Der Wolfgang-Endterischen Druckerey sämtliche Kunstverwandten. [Nürnberg 1670] Exemplar: Nürnberg, Stadtbibliothek, Signatur: 18 an Will. IV. 79. 2° [VD17: 75:692242L]
1672
Hochzeitlicher Glück-Wunsch: Womit Das erfreuliche TrauungsFest Des […] Johann Jacob Kohlens/ wolverordneten Losung-Schreibers/ Des […] Johann Nicolai Kohlens/ wolverdienten Rug-Schreibers allhier/ Eheleiblichen Sohns/ mit […] Claren Reginen/ Des […] Johann Friderich Endters/ Berühmten Buchführers in Nürnberg Eheleiblichen […] Tochter/ Den 2. Octobr. Anno MDCLXXII schuldigst begehen wollen Der Michael-Endterischen Druckerey sämtliche Kunstverwandte. Exemplare: Nürnberg, Stadtbibliothek, Signatur: 17 an Will. IV. 79. 2°; Zwickau, Ratsschulbibliothek, Signatur: 43.1.9.(217) [VD17: 125:029592D]
1674
Hochzeitliches Ernst- und Schertz-Gedicht/ Zu Beehrung Deß […] Wolffgang Moritz Endters/ Weit-berühmten Buchhändlers in Nürnberg/ etc. und Der […] Anna Juliana Petzin/ Aus Dienst-verpflichteter Obliegenheit verfasset/ von Denen/ in deß Herrn Hochzeiters Druckerey sämtlichen Kunst-Verwandten. [Nürnberg 1674] Exemplar: Nürnberg, Stadtbibliothek, Signatur: Gen. E. 24,10 [VD17: 75:658535F]
1677a
Hymenäische Wunsch- und Freuden-Gedancken/ bey Lust-angefüllter Hochzeit-Solennität Deß […] Georg Andreas Endters/ Weit-berühmten Buchhändlers in Nürnberg/ etc. und Der […] Clara Catharina Kressin/ Aus Dienst-begieriger und Pflicht-ziemlicher Obligenheit verfasset und übergeben von denen in deß Herrn Wolffgang Moritz Endters Druckerey sämtlichen Kunst-Verwandten. [Nürnberg 1677] Exemplar: Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek, Signatur: H61/2 RAR.A 49
1677b Auf das Großansehnliche Hochzeit-Fest/ welches […] Georg Andreas Endter/ weit und breit berühmter Buch-Verleger/ als Bräutigam/ mit der […] Clara Catharina Kressin/ Deß […] Wilhelm Kressens von Kressenstein/ etc. hinterlassenen ehelichen Tochter als seiner Jungfrauen Gespons/ Am 6. Hornungs-Tage/ feyerlich beging. […] Schrieb dieses aus freundlicher Dienstgeflissenheit Erasmus Francisci. [Nürnberg 1677] Exemplar: Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek, Signatur: H61/2 RAR.A 49
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Abb. 1: Georg Philipp Harsdörffer/ Johann Klaj: Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey/ Des Erbaren und Wolvornemen Herrn Wolfgang Endters in Nürnberg. [Nürnberg o. J. (um 1645?)]. Einblattdruck. – Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Sammlung Ponikau, Signatur: Pon IIn 7692 FK
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Abb. 2: Vergleichung deß heiligen Ehstands mit der hochlöblichen Druckereykunst. Nürnberg 1650. Einblattdruck. – Zwickau, Ratsschulbibliothek, Signatur: 43.1.9. (237)
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Abb. 3: Beschreibung der Hochlöblichen Druckerey Erfindung. Nürnberg 1660. Einblattdruck. – Nürnberg, Stadtbibliothek, Signatur: 1 an Gen. E. 24,2
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sechs Gesellen gebildet haben dürfte, und zuletzt folgen – bei deutlich größerer Fluktuation – wahrscheinlich Lehrlinge und sonstige Gehilfen.22 Mit gebotener Vorsicht lässt sich schon aus diesen Listen schließen, dass das Blatt mit den Dichtungen Harsdörffers und Klajs, das mit lediglich elf Namen den wohl kriegsbedingt dünnsten Mitarbeiterbestand und die stärksten personellen Wechsel aufweist,23 einige Zeit vor 1650 entstanden sein dürfte. Ob das Blatt damit als musterprägend für die folgenden Jahrzehnte gelten darf und ob Klaj und Harsdörffer gar eine führende Rolle bei der Etablierung des typographischen Modells zuzuschreiben ist, bleibt freilich spekulativ – dazu ist die Überlieferung solcher Einblattdrucke zu lückenhaft. Sicher aber lässt sich sagen, dass die seit 1650 gedruckten Blätter regelmäßig als Hochzeitsgabe der Belegschaft dienten, dass sie daher obligatorisch auf den Anlass und zum kleineren Teil auch auf das Handwerk bezogen sind, das Mitarbeiter und Inhaber verbunden hat, und dass sie insgesamt mehr von typographischen als von poetischen Ambitionen getragen sind. Schlaglichtartig belegen lassen sich diese Pauschalurteile daran, dass nur zwei der Blätter ausdrücklich im Titel und ausführlich im Text der Vergleichung deß heiligen Ehstands mit der hochlöblichen Druckereykunst (1650a; Abb. 2) respektive der Beschreibung der Druckerey Erfindung (1660; Abb. 3) gewidmet sind. Ansonsten bleiben die Referenzen auf die Druckkunst eher marginal, erschöpfen sich in knappen Hinweisen auf den Berufsstand der Familie von Bräutigam oder Braut oder in Aufforderungen des sprechenden Kollektivsubjekts an sich selbst, nun aus festlichem Anlass in den Letternkasten zu greifen.24 Während die artifizielle und metrische Finesse in den meisten Fällen etwa auf den Gebrauch von Akrosticha (1670) oder Chronogrammen zur leicht verrätselten Markierung der Jahreszahl (1652, 1660, 1670, 1672,
22 Durchgängig bei Endter beschäftigt waren demnach im Jahrzehnt von 1650 bis 1660 (neben Jacob Ammon) auch die meist in der gleichen Reihenfolge genannten Sebastian Anschütz, Paulus Otto, Egidius Knop(p)el, Valentin Demler, Nicolaus Kellermann und Johann Kroer/Kraer. – Oldenbourg (Anm. 12) geht auf die Belegschaft nicht ein; Sporhan-Krempel, Buchdruck (wie Anm. 12), S. 31, weist darauf hin, dass Endter für seine „Druckereiverwandten“ ein noch heute bestehendes Grab auf dem Johannesfriedhof gestiftet hat. 23 Vgl. Anm. 19. Aus der Gruppe der hierarchisch höherstehenden Mitarbeiter sind Matthäus Lange, Christoph Beer und Johann Mechler auf den seit 1650 datierten Blättern nicht mehr verzeichnet, und von den dort durchgängig genannten Angestellten fehlen hier noch Paulus Otto und Johann Kroer/Kraer. – Zur Möglichkeit, die Entstehung des Blatts genauer zu datieren, siehe unten Anm. 26. 24 Zum Beispiel 1650b: „Genug vor dieses mal/ Wir wollen es nun drücken/ | es Braut und Bräutigam und Eltern überschicken“; 1670: „Lauff/ Drucker/ lauff geschwind! laß deine Presse hören“; 1674: „Hurtig an die vollen Kästen/ | Setzer! nehmt die Schrifft zur Hand!“; 1677a: „JHr Drucker zu den Pressen!“
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1674, 1677a) beschränkt bleibt und der Status als Handwerkerdichtung an der Mischung eher unbeholfener Alexandriner mit vierhebigen Reimpaarversen älterer Bauart zu erkennen ist, geht auch die Beschreibung der Druckerey Erfindung kaum über einen einfach reihenden Bericht hinaus, der selbstverständlich in eine Würdigung von Endters besonderer Rolle für die aktuelle Blüte des Nürnberger Druckwesens mündet. Die Vergleichung deß heiligen Ehstands mit der hochlöblichen Druckereykunst betreibt dagegen den relativ größten inventorischen Aufwand. Die in Alexandrinerquartetten geschilderten idealtypischen Produktionsphasen im Druck- und Verlagswesen – von der gedanklichen Erfindung eines Werks über dessen Satz, Korrektur, Druck und Vertrieb – dienen nämlich als Bildspender für damit parallelisierte Phasen der Ehestiftung, der Heirat, der Kindererziehung und so fort, die jeweils in Vierzeilern eingelagert werden, deren daktylisch-binnenreimende Faktur deutlich den Einfluss der gleichzeitigen Nürnberger Kunstpoesie verrät.25 Gegenüber diesen ‚durchschnittlichen‘ Hochzeitsgaben der Belegschaft, die sich nur in Maßen autoreferentiell auf das eigene typographische Handwerk beziehen, sticht das medial offensichtlich verwandte Ehrengedichte Der Kunstlöblichen Druckerey markant ab. Eine Sonderrolle in der skizzierten Reihe kommt diesem Blatt bereits deshalb zu, weil seine Textteile individuell gezeichnet sind und damit ein höherer poetischer Kunstanspruch angezeigt wird. Auffällig ist zudem, dass das Blatt im Gegensatz zu allen anderen Beispielen gerade kein Ereignis nennt. Auch wenn Klajs Grußformel, er habe seine Texte zu „Glückwünschender Ehrbezeigung“ angefügt, auf eine konkrete festliche Gelegenheit – am ehesten auf die 1645 gefeierte Gesellenprüfung Wolfgang Endters d. J.26 – hindeuten dürf25 Zwei Stilproben aus 1650a mögen genügen. Mit der Tätigkeit des Schriftsetzers wird das jugendliche Liebesspiel verglichen: „So brennet so rennet das junge Gezüchte/ | zu küssen/ zu süssen der Liebsten Gesichte/ | Man hopfet/ man klopfet wie buhlende Tauben/ | fein wissen zum Küssen die Schnäbel zu schrauben.“ Und mit dem ökonomischen Erfolg des Buchhandels wird, wenig zwingend, die Betriebsamkeit der Kinderschar analogisiert: „Auff Hertzen und Schertzen der ehlichen Leute/ | folgt feine doch kleine der Kinderlein Beute/ | die weben/ die leben fein auff und fein frisch/ | daß Vatter und Mutter kaum können zum Tisch.“ 26 Da Klajs Anagramm auf der Letternfolge „Wolfgang Endter/ der Jüngere“ beruht, ist zu vermuten, dass der Einblattdruck speziell auf diesen zielt. Der Lebenslauf des 1622 Geborenen (vgl. die knappen, hier unergiebigen Hinweise bei Oldenbourg, Endter [wie Anm. 12], S. 23) nennt vor der Hochzeit vom Februar 1650, zu der die Mitarbeiter das Blatt „Vergleichung deß heiligen Ehstands mit der hochlöblichen Druckereykunst“ hergestellt haben, als publikumswirksam begangenen Anlass einzig den Abschluss seiner Druckerei-Lehre im Jahre 1645: „Jn deme aber die Truckerey/ zu einem so grossen und starcken Buch-Handel/ nicht geringen Vorschub thun kan/ als hat er dieselbe zu erlernen/ sich gleichesfals belieben lassen/ und nachdem er/ durch Hülffleistung deß Herrn Vattern/ solcher löblichen und nutzlichen Kunst einverleibt/ ist er Anno 1645. nach vollendeten Lehrjahren/ wie der gewöhnliche Gebrauch/ mit offentlichen Ceremonien/ in
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te, tendiert die mutmaßliche Gratulationsgabe schon dadurch, dass sie ihren Anlass nicht publik macht, zu programmatischer Verallgemeinerung. Entsprechend nutzen Harsdörffer und Klaj die typischen Spielformen der Casualpoesie, um sie einerseits panegyrisch auf die Person und Firma Endters zu applizieren, andererseits aber mit darüber hinausweisendem Gehalt zu füllen. So zielen die im untersten Abschnitt des Blattes zu findenden anagrammatischen Rätzel und Buchstabenwechsel auf die Macht des bedruckten Papiers27 und gewinnen aus dem Namen des Adressierten ein Lob der Rhetorik: „Ender/ versetzt Reden“ und „Wolfgang Endter/ der Jüngere: versetzet: Wol dir/ fang gerne gute Reden!“ Auf Endter bezogen ist durch den achsensymmetrisch geordneten Haufenreim auf ‚-enden‘ auch der voranstehende Wiederkehr/ In welchem erwiesen wird/ daß das Druckerwerck bestehet/ wann alle andere Weltsachen durch die hinfallende Zeit zu Boden gerichtet werden: und daß diese Kunst höher als die Erfindung der Stücke vnd des Geschützes/ ja alle kostbare Kauffmannswaaren zu halten sey. Die Gedichte, die gemeinsam das die Vanitas besiegende Potential der Druckkunst besingen und sie – wie in Klajs Lobgedicht – vergleichend über andere Handwerkskünste erheben, sind nicht nur thematisch, sondern durch die gleichen Reimworte auch sprachlich-formal miteinander verknüpft. Damit illustrieren sie die dem Blatt zugrundeliegende Idee eines freundschaftlichen Wettstreits, der konkurrenziell die poetische Erfindungskraft befeuert und kulturpatriotisch den Buchdruck als eine Kunst rühmt, mit der „Teutschland zur Ewigkeit lenden“ und „Frantzmann vnd Spanier“ mit ihren vergänglichen Waren überbieten könne (Klaj, V. 2 und 10). Dass Typographie und ‚Spracharbeit‘ nicht nur kulturpatriotischem Engagement,28 sondern auch der Religion dienen, zeigen die als Blickfang eingesetzten Embleme. Nur mittelbar auf Endter referierend – seit 1613 druckte sein Haus Bibeln, seit 1641 hatte Wolfgang Endter d. Ä. das Privileg, im Auftrag von Herzog Ernst von Sachsen-Weimar das nach ihm so genannte ‚Ernestinische‘ Bibelwerk
Beysein vieler ansehlicher Freunde/ zu einem Gesellen ernennet worden“ (Kurzte Walfart Menschliches Lebens [wie Anm. 11], S. 18–23, hier S. 19). Diese Datierung ist auch deshalb plausibel, weil sie in die Phase der intensivsten Zusammenarbeit zwischen Harsdörffer und Klaj fällt. 27 Harsdörffers Rätsel, deren Lösung wohl ‚Papier‘ heißt, lauten: „Sag herauß/ wann du es weist/ | Wo der Wolf im Weisen gleist/ | und die Schafe Reden heist?“ und „Weist du nicht/ auff welchem Plan | Den sonst allerstärcksten Mann | Flachs und Rus erlegen kan?“ 28 Vgl. Markus Hundt: „Spracharbeit“ im 17. Jahrhundert. Studien zu Georg Philipp Harsdörffer, Justus Georg Schottelius und Christian Gueintz. Berlin, New York 2000 (Studia linguistica Germanica, 57); Catharina Banneck: Georg Philipp Harsdörffers „Specimen Philologiae Germanicae“. Stragetien zur Profilierung des Deutschen im 17. Jahrhundert. Berlin 2012 (Germanistische Arbeiten zur Sprachgeschichte, 8).
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zu publizieren29 –, deutet Harsdörffer die Druckerpresse als Sinnbild des Gottvertrauens in den Bedrängnissen des Lebens. Dagegen parallelisiert Klaj den „Hauchlaut H“, dessen Status in der zeitgenössischen Sprachforschung kontrovers diskutiert worden ist,30 mit der in der Welt „schlecht“ angesehenen „Kunst der Druckerey“. Wie das ‚H‘ nicht nur im Deutschen, sondern auch im Hebräischen für die Bezeichnung des „HERREN“ unverzichtbar sei (zugleich demonstrieren die Setzer in der Marginalie zum vierten Vers, dass sie mit hebräischen Lettern umgehen können), so sorge erst der Buchdruck für die Verbreitung des ‚Buchs des Bücher‘. Doch erschöpfen sich die Embleme nicht in diesen theologischen Analogien. Geht man nämlich den Vorlagen der Bilder nach, dann zeigt sich, dass die Nürnberger Pegnitzschäfer damit zugleich Anschluss an die Impresenkunst der europäischen Akademie-Bewegung31 suchen und finden: Die gleichen Bilder, wohl von den gleichen Stöcken gedruckt (Abb. 4 und 5), nutzten Harsdörffer und Endter bereits 1642 im zweiten Teil der Frauen-Zimmer Gespräch-Spiele, dessen zweiter Dialog – kurz nach Harsdörffers im November 1641 erfolgter Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft – vom Emblem-Gebrauch in den Sprachgesellschaften handelt. Erläutert wird hier, dass es sich bei dem Druckerpressen-Sinnbild mit der Überschrift „Premat, dum imprimat“ um die Devise der „Intrepiti“ (der „Unverzagten“) zu Ferrara handle. Mit ihrem Wahlspruch, den Harsdörffer frei mit „Gedruckt/ aber nicht unterdruckt“ wiedergibt, wolle diese Gesellschaft andeuten, „daß ob sie wol von etlichen der Kunst und Geschicklichkeit abhässigen
29 Vgl. Sporhan-Krempel, Buchdruck (Anm. 12), S. 30, und die weiterführenden Hinweise unter . Siehe auch den Beitrag von Hans-Otto Keunecke in diesem Band. 30 Vgl. Hundt, Spracharbeit (wie Anm. 28), S. 185 (mit Hinweis auf Schottelius). 31 Vgl. die (ohne Hinweis auf den hier besprochenen Einblattdruck und dessen Bildvorlagen bleibenden) Beiträge von Italo Michele Battafarano: „Accademie letterarie“ und „civil conversatione“: Bargaglia, Guazzo, Loredano, Harsdörffer. In: Ders.: Glanz des Barock. Forschungen zur deutschen als europäischer Literatur. Bern u. a. 1994 (IRIS, 8), S. 75–84 (zuerst 1987); ders.: Literatur versus Krieg: Harsdörffers Beitrag zur Europäisierung deutscher Kultur. Ebd., S. 85–100 (zuerst 1991); ders.: Sprachen, Zeichen, Bilder: Harsdörffers barocke Semiotik. Ebd., S. 101–116 (zuerst 1990); ders.: Die Frau als Subjekt der Literatur: Harsdörffer auf den Spuren der Intronati, Incogniti, Oziosi. Ebd., S. 117–136 (zuerst 1991); Klaus Conermann: Impresa und Akademie. Entstehungsgeschichtliche Überlegungen zur Sinnbildkunst europäischer Akademien. In: Sebastian Neumeister / Conrad Wiedemann (Hg.): Res Publica Litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit. Wiesbaden 1987 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 14), Tl. 1, S. 45–70, sowie ders.: Harsdörffers Plan einer Vernetzung europäischer Akademien. In: Werner Kügel (Hg.): „Erfreuliche Nützlichkeit – Keim göttlicher Ehre“. Beiträge zum Harsdörffer-Birken-Colloquium des Pegnesischen Blumenordens im Oktober 2014. Passau 2015, S. 1–66.
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Abb. 4: Imprese der Accademia degli Intrepidi zu Ferrara. Aus: Georg Philipp Harsdörffer: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel […] Anderer Theil. […] Nürnberg 1642, S. 11. – München, Bayerische Staatsbibliothek, Signatur: Res/L. eleg. m. 435-2
Abb. 5: Imprese des Guidubaldo Bonarelli (‚L’Aggiunto‘). Aus: Georg Philipp Harsdörffer: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel […] Anderer Theil. […] Nürnberg 1642, S. 12. – München, Bayerische Staatsbibliothek, Signatur: Res/L. eleg. m. 435-2
gedruckt werden/ müsse doch solches jhnen zu jmmerwärendem Lob und Ruhm gereichen“.32 Und auch das folgende Emblem mit dem Motto „Si ceteris addar“ („Wan ich werd andern beygesetzt“) stamme aus Ferrara, genauer von einem namentlich nicht genannten Mitglied derselben Akademie, das damit „seine Unwirdigkeit“ habe versinnbildlichen wollen: wie der Buchstabe ‚H‘ „eigentlich kein Buchstabe/ sondern ein Anhauchen (aspiratio)“ sei, so könne auch die Leistung des bescheidenen Akademiemitglieds nur im Zusammenwirken mit der ehrwürdigen Gesellschaft einen Sinn erhalten.33 Verfolgt man diese Spur, dann darf als Urheber der von Harsdörffer und Klaj produktiv aufgenommenen Sinnbildkombination Guidubaldo Bonarelli (1563– 1608) gelten. Bereits unter seinem Gesellschaftsnamen ‚L’Aggiunto‘ (‚der Hinzugefügte‘) hielt er im August 1601 eine feierliche, im Folgejahr gedruckte Rede zur Eröffnung der Ferrareser Accademia degli Intrepidi, die von Beginn an die Drucker32 Georg Philipp Harsdörffer: Frauen-Zimmer Gespräch-Spiel/ So bey Rühmlichen Geselschaften mit erfreulichem Nutzen beliebet und geübet werden mögen/ Anderer Theil. […] Nürnberg 1642, S. 3–14 (Nr. LII), hier S. 10 f. 33 Ebd., S. 11 f.
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Abb. 6: Guidubaldo Bonarelli (‚L’Aggiunto‘): Filli di Sciro. Favola pastorale. Ferrara 1607, Titelblatt mit den Impresen der Accademia degli Intrepidi und des Autors, gestochen von F. Vallegio. – London, British Library, Signatur: 639.f.1
presse mit der Inschrift „Premat, dum imprimat“ als Imprese führte.34 Auf dem Titelblatt von Bonarellis 1607 gedrucktem Schäferspiel Filli di Sciro, der wichtigten
34 Guidubaldo Bonarelli (‚L’Aggiunto‘): Orazione. Recitata nell’aprire dell’Accademia de gl’Intrepidi. Ferrara 1602. – Vgl. Michele Meylender: Storia delle accademie d’Italia. Bd. 3. Bologna 1929, S. 342–344, hier S. 342 f.; die Erfindung der Akademie-Imprese mit Druckerpresse und Motto geht demnach auf Giulio Recaldi zurück. Diese Imprese findet sich sowohl auf dem Titelblatt von Bonarellis 1602 gedruckter Rede (hier noch ohne seine persönliche Buchstaben-Imprese) wie auf
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theatralischen Produktion der Akademie, ist dann der Gesellschaftsimprese das persönliche Sinnbild seiner Bescheidenheit angefügt (Abb. 6). Harsdörffer mag die Originaldrucke der Ferrareser Akademie in Italien kennengelernt haben. Als konkrete Bildvorlage für den Nachstich in den Gespräch-Spielen von 1642 diente aber wahrscheinlich Silvestro Petrasantas große Impresensammlung De symbolis heroicis von 1634, die beide Sinnbilder in ganz ähnlicher Gestalt wie dann in den Nürnberger Drucken bietet und auch mit ihren erläuternden Begleittexten auf Harsdörffer eingewirkt haben dürfte (Abb. 7 und 8).35 Bedenkt man diese Hintergründe mit, dann wird einerseits deutlich, dass Harsdörffer und Klaj die aus Ferrara adaptierten Sinnbilder auf reformierte Nürnberger Verhältnisse umwidmen, indem sie theologische Deutungen anbieten und den Verweis auf Endters Bibelwerk zur Aufwertung der Druckkunst nutzen. Andererseits fügen die Dichter ihre Sinnbild-Adaptationen in die dialogische und zugleich agonale Anlage36 ihres Flugblatts ein, das den kompetitiven Gedanken
weiteren Schriften Ferrareser Akademiemitglieder, etwa bei Ercole Cato (‚Lo Scompagnato‘): Discorso. Recitato nell’Accademia de gl’Intrepidi. Ferrara 1603 sowie Alessandro Guarini (‚Il Macerato‘): Orazione. Fatta in lode de D. Alderano Cybo Marchese di Carrara. E recitata publicamente nell’Accademia. Ferrara 1609 (ebenfalls mit einer zusätzlichen persönlichen Imprese, darstellend wohl eine Handpresse auf einem Tisch, darüber das Motto: „Struor non destruor“). 35 Silvestro Petrasancta: De symbolis heroicis libri IX. Antwerpen 1634, S. 419: „Ferrariæ vrbe primariâ, in Padi regione, Academici Intrepidi, prælo, quo à Typographis exarantur codices, adiunxerunt hoc epigramma, P REMAT , DVM IMPRIMAT . Quasi etiam ipsi dicerent: Quantumis premamur litterariis Academiæ exercitationibus; imprimimur interim veræ sapientiæ typis, ad nominis famam æternam.“ Ebd., S. 445f.: „Demum ad generale Symbolum Academiæ Intrepidæ allusit modestè, atque ingeniosè, qui pro schemata suo figurauit eum characterem, quo aspirationis loco CETERIS RIS ADDAR . Nulla enim est potestas huius chavtimur. Epigraphen hanc verò ei adscripsit, S I CETE racteris, si solitariè illo vtamur; adspirat verò afficitq́ ue dictionem, si litteris ceteris addatur. Sic Auctor Symboli existimauit, habiturum se, inter Viros eximiæ litteraturæ, aliquando nomen, si Academicis Intrepidis (nam hi pro Symbolo prælium & typos litterarios assumpserant) aggregaretur.“ – Auf die Imprese der Intrepidi referieren neben Harsdörffer auch Jacob Masen: Speculum imaginum veritatis occultæ, exhibens symbola, emblemata, hieroglyphica, ænigmata, omni, tam materiæ, quam formæ varietate, exemplis simul, ac præceptis illustratum. Köln 1650, S. 330 f. (mit Hinweis auf Petrasancta); Christian Scriver: Gottholds Zufällige Andachten/ Bey Betrachtung mancherley Dinge der Kunst und Natur […]. Leipzig 1671, Das Vierdte Hundert, S. 284 f. (mit Hinweis auf Harsdörffer und Masen), sowie ders.: Seelen-Schatzes Vierdter Theil […]. Leipzig 1680, S. 34 (mit Hinweis auf Masen). Zu diesen Wirkungszeugnissen vgl. Dietmar Peil: Zur „angewandten Emblematik“ in protestantischen Erbauungsbüchern. Dilherr – Arndt – Francisci – Scriver. Heidelberg 1978 (Beihefte zum Euphorion, 11), S. 81. 36 Wenigstens durchgespielt sei der reizvolle Gedanke, in Klajs Übernahme von Bonarellis ‚H‘Imprese deute sich eine latente Konkurrenz zu Harsdörffer an. Was nämlich, so könnte man die Idee vom vermeintlich entbehrlichen, tatsächlich aber essentiellen Buchstaben ‚H‘ fortspinnen, bliebe von ‚Harsdörffer‘, wenn ihm die initiale Letter (übertragen: der Mitstreiter Klaj) fehle? Im
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europäischer Akademiedichtung und ‚Spracharbeit‘ aufnimmt. Dies aber wertet ein im städtischen Kontext typisch casuales Genre zu einem nicht nur typographischen, sondern auch poetischen Probestück auf. Das schmucke Blatt, für das eine Datierung auf 1645 als wahrscheinlich gelten darf, fügt sich damit gut in die frühe programmatische Phase des Pegnesischen Blumenordens ein. Zusammen mit dem späteren Lob deß Weltgepriesenen Buchhandels zeigt es eindrücklich, wie Klaj im Verbund mit Harsdörffer auch in scheinbar ephemeren Casualdichtungen das kulturpatriotische Deutungspotential des Buchdrucks und des Buchgewerbes erkundet und so zu deren Nobilitierung in einer ökonomisch orientierten Handelsstadt beigetragen hat.
Abb. 7: Imprese der Accademia degli Intrepidi zu Ferrara. Aus: Silvestro Petrasancta: De symbolis heroicis libri IX. Antwerpen 1634, S. 419. – Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: M: Uk 53
Abb. 8: Imprese des Guidubaldo Bonarelli (‚L’Aggiunto‘). Aus: Silvestro Petrasancta: De symbolis heroicis libri IX. Antwerpen 1634, S. 446. – Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Signatur: M: Uk 53
18. Jahrhundert jedenfalls ironisierte man Harsdörffers angeblichen Kampf gegen den Buchstaben ‚H‘ mit dem scherzhaftem Hinweis darauf, dass dies zuallererst negative Auswirkungen auf seinen eigenen Namen gehabt hätte. Zuerst nachweisen kann ich dies bei Heinrich Gottfried von Bretschneider: Papilloten. Frankfurt, Leipzig 1769, S. 216, wo anekdotisch von einem orthographischen Eiferer berichtet wird, der die Maxime „h non est littera“ vertreten und bedauert habe, dass „Harschdörfern“ die intendierte Abschaffung des ‚H‘ nicht gelungen sei, weil „seiner jüngsten Tochter“ eingefallen sei, sie müsse „alsdenn Jungfer Arschdörferin heisen“. Von hier aus wandert die Anekdote in eine Rezension zu Johann Georg Hamanns „Neue Apologie des Buchstaben h“ von 1773 (in: Allgemeine deutsche Bibliothek 24 [1775], S. 287–296, hier S. 290), um in Hamanns „Zweifel und Einfälle über eine vermischte Nachricht der allgemeinen deutschen Bibliothek“ (1776) polemisch aufgegriffen zu werden; vgl. Johann Georg Hamann: Sämtliche Werke. Bd. 3: Schriften über Sprache/ Mysterien/ Vernunft 1772–1788. Hg. von Josef Nadler. Wien 1951, S. 171–196, hier S. 184 f.
Seraina Plotke
Irenische Poesie in Johann Klajs Geburtstag deß Friedens: Ein programmatisches Figurengedicht Im Zuge der vollständigen Zerstörung des oströmischen Reichs im 15. Jahrhundert gelangte unter den unzähligen griechischen Manuskripten, die von byzantinischen Gelehrten in den sicheren Westen geschafft wurden, auch die Anthologia Planudea nach Italien, eine Sammlung von Epigrammen, die bis zur Entdeckung der Anthologia Palatina im Jahre 1590 das einzige bekannte Florileg griechischer Lyrik blieb. Umso wichtiger wurde sie für die Humanisten, die das Epigramm bald allen anderen Gattungen vorzogen, so dass nach der editio princeps der Planudea von 1494 im 16. Jahrhundert neben diversen Neuauflagen und zahlreichen Übersetzungen auch viele Nachahmungen dieser Sammlung entstanden.1 Unter den verschiedenartigen Epigrammen tradiert die Anthologia Planudea hellenistische Beispiele visueller Poesie, genau genommen sechs Figurengedichte. Die Gedichte stellen mithilfe unterschiedlicher Verslängen ein Ei, ein Beil, ein Flügelpaar, eine Panflöte und zwei Altäre im Umriss dar.2 Angesichts der großen Beliebtheit, die das griechische Epigramm im 16. Jahrhundert bei den Humanisten genoss, verwundert es nicht, dass auch die sechs hellenistischen Figurengedichte nicht allzu lange auf Nachahmer warten mussten. Orientierten sich die ersten
1 Die Anthologia Planudea wurde 1494 in Florenz bei Laskaris erstmals gedruckt, 1503 folgte die Ausgabe von Aldus Manutius in Venedig. Den Einfluss der Anthologia Planudea auf das 16. Jahrhundert dokumentieren etwa: Jeanne Dion: L’épigramme de l’antiquité au XVIIe siècle, ou, Du ciseau à la pointe. Nancy 2002; Peter Hess: Epigramm. Stuttgart 1989; Pierre Laurens: L’abeille dans l’ambre. Célébration de l’épigramme de l’époque alexandrine à la fin de la Renaissance. Paris 1989; James Hutton: The Greek anthology in France and in the latin writers of the Netherlands to the year 1800. Ithaca 1946; James Hutton: The Greek anthology in Italy to the year 1800. Ithaca 1935. 2 Drei der sechs überlieferten hellenistischen Figurengedichte – die Gedichte in Ei-, in Beil- und in Flügelform – stammen vom alexandrinischen Dichter Simias von Rhodos; die „Panflöte“ wird Theokrit zugeschrieben. Als Verfasser der beiden Altar-Gedichte gelten der wenig bekannte Dosiadas von Kreta sowie ein nicht weiter zu identifizierender Dichter Besantinos; vgl. Silvia Strodel: Zur Überlieferung und zum Verständnis der hellenistischen Technopaignien. Frankfurt/M. 2002; Ulrich Ernst: Carmen figuratum. Geschichte des Figurengedichts von den antiken Ursprüngen bis zum Ausgang des Mittelalters. Köln u. a. 1991; Jeremy Adler / Ulrich Ernst: Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne. Katalog der Ausstellung in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Weinheim 1987, S. 21–32; Günter Wojaczek: Daphnis. Untersuchungen zur griechischen Bukolik. Meisenheim am Glan 1969.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-022
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Nachdichtungen im Wesentlichen an den überlieferten Formen, wurden bald die Variationsmöglichkeiten des Genres entdeckt, so dass neben Ei-, Altar- und Flügelgedichten auch Texte in Flaschen-, Brillen-, Baumgestalt usw. ihre Leser fanden.3 Zusätzlich begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Umstand, dass die hellenistischen Technopaegnien – wie die Figurengedichte durch Übernahme eines vom spätantiken Dichter Ausonius geprägten Begriffs genannt wurden4 – neben der Anthologia Planudea noch in einer zweiten Überlieferungskette tradiert wurden: in den Handschriften der griechischen Bukoliker. Bereits ab dem 13. Jahrhundert erlebte die Schäferpoesie eine Renaissance, was sich nicht zuletzt in der großen Zahl von Handschriften spiegelt, die aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert vom Werk Theokrits, des Begründers der bukolischen Dichtung, überliefert sind. In diesen Manuskripten sind häufig auch einzelne oder mehrere der hellenistischen Figurengedichte mit enthalten, die damals in der Regel alle Theokrit zugeschrieben wurden.5 In der ersten Drucklegung des Oeuvres dieses Dichters, die 1480 erfolgte, blieben die Figurengedichte zwar noch unberücksichtigt, doch fügte bereits Aldus Manutius seiner Theokrit-Ausgabe von 1495 das Panflöten-Gedicht bei.6 Weitere Drucke der Bukoliker-Handschriften, die einzelne oder mehrere der Technopaegnien veröffentlichten, folgten.7 Das Interesse der Humanisten am Epigramm wie auch die europaweit zunehmend beliebter werdende Schäferdichtung sorgten für die Verbreitung der Gattung der visuellen Poesie von Italien aus über Frankreich nach England und Deutschland, wo diese Literaturform allerdings erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts richtig für die deutschsprachige Dichtung entdeckt wurde. Vorbildhaft für die deutschen Poetiken war die lateinische Poetik von Julius Caesar Scaliger, die 1561 publizierten Poetices libri septem, welche dem – sich an den hellenistischen Mustern orientierenden – Figurengedicht einen Abschnitt mit eigenen Beispielen widmeten.8 Nach Scaligers Muster fanden die Figurengedichte von den 1640er
3 Eine Vielzahl von Beispielen präsentieren: Adler / Ernst, Text als Figur (wie Anm. 2), S. 44–139; Dick Higgins: Pattern poetry. Guide to an unknown literature. Albany 1987; Robert Massin: Buchstabenbilder und Bildalphabete. Ravensburg 1970. 4 Ausonius (opusc. 16,1 Prete) bezeichnet mit diesem Begriff allerdings nicht Figurengedichte, sondern unspezifisch spielerische Phänomene der Dichtkunst. ‚Technopaignia‘ bedeutet: ‚Scherze, in denen sich die Kunst des Dichters zeigt‘. 5 Bukolikerhandschriften, in denen einzelne oder mehrere der hellenistischen Figurengedichte überliefert sind, verzeichnet Strodel, Überlieferung (wie Anm. 2), S. 86–107. 6 Hermann Beckby: Die griechischen Bukoliker. Theokrit – Moschos – Bion. Meisenheim am Glan 1975, S. 574. 7 Strodel, Überlieferung (wie Anm. 2), S. 289–303. 8 Das 25. Kapitel des 2. Buchs der Poetices libri septem ist dem Umrissgedicht gewidmet: Julius Caesar Scaliger: Poetices libri septem. Sieben Bücher über die Dichtkunst. Hg. v. Luc Deitz, Bd. 1.
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Jahren an in vielen deutschsprachigen Poetiken ihren Platz, die damit für die Verbreitung der Gattung innerhalb der deutschen Literatur sorgten.9 Abgesehen von den Poetiken löste auch in Deutschland die florierende bukolische Literatur zusätzliches Interesse an den Figurengedichten aus. Gerade die Mitglieder des 1644 in Nürnberg gegründeten ‚Pegnesischen Hirten- und Blumenorden‘ entwickelten diesbezüglich von Anfang an besondere Aktivitäten, so dass die visuelle Poesie in diesem Umfeld eine große Blüte erlebte.10 Zentral war für die Pegnitz-Schäfer die Verknüpfung von Bukolik und visueller Poesie nicht zuletzt deshalb, weil sie diese Allianz durch den gemeinsamen Stammvater Theokrit begründet sahen.11 So fanden die Bilderreime oder Bildgebände – wie diese Gedichte in den zeitgenössischen deutschen Poetiken bezeichnet wurden – nicht nur in den von Klaus Garber so genannten Prosaeklogen12 reichen Niederschlag, sondern wurden auch im Rahmen anderer Textsorten und Kontexte verwendet.
Stuttgart, Bad Cannstatt 1994, S. 555 f. Neben dem auf die hellenistischen Vorbilder zurückgehenden Typus des Umrissgedichts existieren im 17. Jahrhundert andere Gedichtformen, die ebenfalls der Gattung der visuellen Poesie zugerechnet werden können. Dazu umfassend: Ernst, Carmen figuratum (wie Anm. 2). 9 In Martin Opitz’ Buch von der deutschen Poeterey von 1624 werden die Figurengedichte noch nicht erwähnt, erst die von Enoch Hanmann 1658 besorgte Neuauflage dieser Poetik präsentiert auch die Technopaegnien: Prosodia Germanica: oder, Buch von der deudschen Poeterey: in welchem alle ihre Eigenschafft und Zugehör gründlich erzählet unnd mit Exempeln außgeführet wird / verfertiget von Martin Opitzen; jetzo aber von Enoch Hannman an unterschiedlichen Orten vermehret, und mit schönen Anmerckungen verbessert; nunmehr zum achten Mal correct gedruckt, unnd mit einen zweifachen Blatweiser gezieret. Frankfurt 1658; dazu auch Adler / Ernst, Text als Figur (wie Anm. 2), S. 73. 10 Vgl. weiterführend Adler/Ernst, Text als Figur (wie Anm. 2), S. 154–167; Seraina Plotke: Gereimte Bilder. Visuelle Poesie im 17. Jahrhundert. München 2009, S. 94–109. 11 Vgl. etwa die gattungstheoretischen Überlegungen von Johann Helwig: Die Nymphe Noris in Zweyen Tagzeiten vorgestellet; Darbey mancherley schöne Gedichte/ und warhafte Geschicht/ nebenst unterschiedlichen lustigen Rätzeln/ Sinn- und Reimenbildern/ auch artigen Gebänden mitangebracht durch einen Mitgenossen der PegnitzSchäfer. Nürnberg 1650, S. 82/83; siehe auch die Neuausgabe: Johann Hellwig: Johann Hellwig’s Die Nymphe Noris (1650). A Critical Edition. Hg. von Max Reinhart. Columbia 1994. Des weiteren: Sigmund von Birken: Teutsche Rede-bind und Dicht-Kunst/ oder Kurze Anweisung zur Teutschen Poesy/ mit Geistlichen Exempeln: Samt dem Schauspiel Psyche und Einem Hirten-Gedichte/ verfasset durch Ein Mitglied der höchstlöblichen Fruchtbringenden Gesellschaft Den Erwachsenen. Nürnberg 1679, S. 144; siehe auch Sigmund von Birken: Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst, Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1679. Hildesheim, New York 1973. 12 Der Begriff der Prosaekloge wurde von Klaus Garber für diejenige Schäferliteratur geprägt, die in Prosa geschrieben, aber mit zahlreichen Gedichten durchsetzt ist; Klaus Garber: Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln 1974, S. 26–38.
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Was die Schäfereien angeht, sind bereits in den zwei Gründungstexten des Ordens, dem Pegnesischen Schäfergedicht von 1644 und der Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey von 1645, an markanten Positionen Bilderreime inseriert.13 An beiden Werken war Johann Klaj beteiligt.14 Programmatisch ist das Kranzgedicht, das schon von seiner pikturalen Dimension her auf den Lorbeerkranz als höchste dichterische Auszeichnung rekurriert, diese Vorstellung dann aber über die TextBild-Semantisierungen, die im Zusammenspiel der Rezeptionskanäle forciert werden, modifiziert und den Kranz aus Worten zum Gründungssiegel des Ordens stilisiert (Abb. 1).15 Dass Figurengedichte aufgrund ihrer im bildlichen Umriss abgeschlossenen Form besonders geeignet sind, um richtungsweisende Ausrufezeichen zu formulieren, die in der synästhetischen Zusammenschau das Kondensat nachfolgender oder vorangehender Überlegungen transportieren, haben sich Klaj und sein Umfeld denn auch in anderen Drucken zunutze gemacht. So schöpfen sie die Möglichkeiten synmedialer Kommunikation produktiv aus, wie sie sich in den TextBild-Konfigurationen in je unterschiedlichen Formen fruchtbar machen lassen. Im Unterschied etwa zur Emblematik verknüpfen Figurengedichte verbale und pikturale Elemente in der Weise, dass ein und dasselbe Zeichen – nämlich das Arrangement der Wörter auf der Blattfläche – sowohl ikonisch als auch diskursiv decodiert werden kann.16 Durch diese Verschmelzung konstituieren sich Text-BildRelationen, die eine prinzipiell andere Qualität aufweisen als diejenigen, die in Impresen, Emblemen usw. aufgrund des Neben- und Miteinanders von Text und Bild entstehen, indem sich Sinnhorizonte eröffnen, die weder durch den Text noch durch das Bild noch durch das Nebeneinander von Bild und Text aufgetan werden.17
13 Siehe Georg Philipp Harsdörffer / Johann Klaj: Pegnesisches Schaefergedicht/ in den Berinorgischen Gefilden/ angestimmet von Strefon und Clajus. Nürnberg 1644, S. 18; Sigmund von Birken / Johann Klaj: Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey/ behandlend/ unter vielen andern rein-neuen freymuhtigen Lust-Gedichten und Reimarten/ derer von Anfang des Teutschen Krieges verstorbenen Tugend-berümtesten Helden Lob-Gedächtnisse; abgefasset und besungen durch Floridan und Klajus/ Die Pegnitz-Schäfer. mit Beystimmung jhrer andern Weidgenossen. Nürnberg 1645, S. 33, 55, 67; siehe auch den Nachdruck, der beide Werke enthält: Georg Philipp Harsdörffer / Sigmund von Birken / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645. Hg. von Klaus Garber. Reprogr. Nachdruck der Nürnberger Ausgaben 1644 und 1645. Tübingen 1966. 14 Vgl. Klaus Garber: Nachwort des Herausgebers. In: Harsdörffer/Birken/Klaj, Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645 (wie Anm. 13), S. 3*–40*, hier S. 6* und 30*. 15 Vgl. Birken/Klaj, Fortsetzung (wie Anm. 13), S. 33. 16 Siehe dazu ausführlich Plotke, Gereimte Bilder (wie Anm. 10), S. 143–159. 17 Siehe zum zeichentheoretischen Hintergrund dieser Überlegungen Plotke, Gereimte Bilder (wie Anm. 10), S. 33–58.
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Abb. 1: Sigmund von Birken / Johann Klaj: Fortsetzung Der Pegnitz-Schäferey … Nürnberg 1645, S. 33. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: M: Lo 400 (2)
Grundsätzlich zielen Bilderreime auf Synästhesie, wobei neben der bildlichen und der textuellen Dimension aufgrund der komplexen Vers- und Reimschemata häufig auch der Klang als prägende Komponente hinzukommt. Nichts desto trotz sind sie für die Druckgraphik besonders geeignet, indem sie die Multimedialität auf kleinstem Raum ausspielen. Sie markieren das besondere Können des Dich-
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ters wie des Setzers augenfällig, wurden von den Pegnitz-Schäfern denn auch gerade deswegen geschätzt, weil sich über den Rekurs auf Theokrit und auf die Komplexität der Gebilde die Eignung des Deutschen als einer Dichtersprache, die derjenigen der alten Griechen ebenbürtig ist, eindringlich belegen ließ.18 Dass die Figurengedichte eine programmatische Funktion auch als Paratext einnehmen konnten, zeigt sich etwa beim Kreuzgedicht von Rudolf Karl Geller (Abb. 2), das den 1645 erschienenen Druck von Klajs Redeoratorium Der leidende Christus abschließt.19 Das Gedicht macht vor, was Sigmund von Birken in seinem später entstandenenen – und heute wesentlich besser bekannten – Kreuzgedicht als Text-Bild-Konfiguration wiederholt und modifiziert, indem der Kruzifixus über die Benennung der körperlichen Gliedmaßen an spezifischen Textpositionen ikonisch nachgezeichnet wird.20 Wie dann auch bei Birken wird hier der Leseweg von oben nach unten zusätzlich mit Bedeutung aufgeladen, da er die Proskynese des Rezipienten vor dem Kreuz, die im Verstext thematisiert wird, gedanklich vollzieht. Dass sich Geller damit auf ein Carmen figuratum von Hrabanus Maurus bezieht, hat Ulrich Ernst aufgezeigt.21 Die Art und Weise, wie sich visuelle Poesie in Festberichte einbinden ließ, zeigt Johann Klajs 1650 publizierter Geburtstag deß Friedens, ein Werk, das in poetischer Form einen Teil der Friedensfestlichkeiten beschreibt, welche anlässlich des Endes des Dreißigjährigen Krieges in Nürnberg abgehalten wurden.22 Die
18 Vgl. etwa Helwig, Nymphe Noris (wie Anm. 11), S. 82 f.; Birken, Rede-bind und Dicht-Kunst (wie Anm. 11), S. 144. 19 R[udolf] K[arl] Geller: Jesus/ der ein Nazarener/ Judenkönig/ Weltversöhner. In: Johann Klaj: Der Leidende Christus. Nürnberg 1645, S. 72. 20 Siehe Birken, Rede-bind und Dicht-Kunst (wie Anm. 11), S. 145. Siehe dazu Plotke, Gereimte Bilder (wie Anm. 10), S. 129–136. 21 Vgl. Ulrich Ernst: Die neuzeitliche Rezeption des mittelalterlichen Figurengedichtes in Kreuzform. Präliminarien zur Geschichte eines textgraphischen Modells. In: Mittelalter-Rezeption. Ein Symposium. Hg. von Peter Wapnewski. Stuttgart 1986, S. 177–233, hier S. 184 (wieder abgedruckt in: Ulrich Ernst: Intermedialität im europäischen Kulturzusammenhang. Beiträge zur Theorie und Geschichte der visuellen Lyrik. Berlin 2002, S. 181–223). 22 Der vollständige Titel des Werks lautet: Geburtstag Deß Friedens/ Oder rein Reimteutsche Vorbildung/ Wie der großmächtigste Kriegs- und Siegs-Fürst Mars auß dem längstbedrängten und höchstbezwängten Teutschland/ seinen Abzug genommen/ mit Trummeln/ Pfeiffen/ Trompeten/ Heerpaucken/ Musqueten- und Stücken-Salven begleitet/ hingegen die mit vielmalhunderttausend feurigen Seuftzen gewünschte und nunmehrerbetene goldgüldene Irene mit Zincken/ Posaunen/ Flöten/ Geigen/ Dulcinen/ Orgeln/ Anziehungen der Glocken/ Feyertägen/ Freudenmalen/ Feuerwercken/ Geldaußtheilungen und anderen Danckschuldigkeiten begierigst eingeholet und angenommen worden: entworffen von Johann Klaj/ der Hochh. GottesLehr.ergeben. und Gekr. Käiserl. Poeten. Nürnberg/ In Verlegung Wolffgang Endters/ 1650. Dieses Werk kann als Fortsetzung der ‚Irene‘ angesehen werden, deren vollständiger Titel lautet: Irene/ das
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Abb. 2: Rudolf Karl Geller: Jesus/ der ein Nazarener [...]. In: Johann Klaj: Der Leidende CHRISTUS. Nürnberg 1645, S. 72. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: M: Lo Sammelbd. 16 (1)
von Klaj im Geburtstag deß Friedens und in anderen Festberichten beschriebenen Feierlichkeiten waren Teil eines längeren Verhandlungsprozesses, bei dem Vertreter der diversen Kriegsparteien versuchten, die Friedensverträge von Münster
ist/ Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens 1650. Mit vielen feyrlichen Begengnissen/ Gastmalen/ Feuerwercken/ Musicen/ und andern denckwirdigen Begebenheiten/ nach Poetischer Reimrichtigkeit/ vorgestellet und mit nohtwendigen Kupferstücken gezieret/ durch Johann Klaj/ dieser Zeit Pfarrhern der Evangelischen Gemeine zu Kitzingen und gekrönten Käiserl. Poeten. Nürnberg/ In Verlegung Wolfgang Endters/ deß ältern. Die beiden Werke sind neu aufgelegt worden in: Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hg. v. Conrad Wiedemann. Tübingen 1968.
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und Osnabrück zu ratifizieren. Zu diesem Zweck hatten sich die Diplomaten der Kriegsmächte im Frühling 1649 nach Nürnberg zu Verhandlungen begeben, die sich dann aber äußerst schwierig gestalteten und sich bis in den Spätsommer 1650 hinzogen.23 Im Zuge des erbittert geführten Verhandlungsprozesses dienten die verschiedenen Feste nicht zuletzt dazu, „die noch teilweise unter sich uneinigen Gruppen näher zusammenzubringen und den Weg zum endgültigen Frieden zu glätten.“24 An der Ausgestaltung dieser Feierlichkeiten mit Dichtungen und Bühnenstücken und an der Dekoration der festlichen Örtlichkeiten mit emblematischen Programmen nahmen die Nürnberger Dichter, in der Regel Mitglieder des Pegnesischen Blumenordens, regen Anteil.25 Doch nicht nur wegen ihrer Beiträge für die Festakte selbst kommt den Pegnitz-Schäfern eine wichtige Rolle innerhalb des Friedensprozesses zu, sondern insbesondere auch aufgrund der diversen von ihnen verfassten Festbeschreibungen, die die Ephemerität der Festakte transzendierten und den in den Feierlichkeiten zur Schau getragenen oder herbeigewünschten Erfolg der Friedensverhandlungen zu festigen halfen, indem sie die Ereignisse der Dauerhaftigkeit des ‚Papiergedächtnisses‘ einschrieben.26 Johann Klaj hat in seinen Werken Irene und Geburtstag deß Friedens mehrere der diversen abgehaltenen Festakte poetisch dargestellt. Der Geburtstag deß Friedens ist im Wesentlichen der Beschreibung des sogenannten ‚Kaiserlichen Friedensmahls‘ gewidmet, eines Fests, das der kaiserliche Abgesandte Ottavio Piccolomini, Herzog von Amalfi, im Sommer 1650 veranstaltete. Am Anfang dieser Festbeschreibung ist ein Figurengedicht abgedruckt, als Teil der Zuschrift, die unmittelbar auf das Titelblatt des Werks folgt (Abb. 3).27 Das
23 Vgl. Eberhard Fähler: Feuerwerke des Barock. Studien zum öffentlichen Fest und seiner literarischen Deutung vom 16. bis 18. Jahrhundert. Stuttgart 1974, S. 149–151; Hartmut Laufhütte: Das Friedensfest in Nürnberg 1650. In: 1648. Krieg und Frieden in Europa. Hg. von Klaus Bußmann / Heinz Schilling. Textband 2: Kunst und Kultur. München 1998, S. 347–357; Mara R. Wade: Von Schedels Weltchronik bis zu Birkens Friedensdichtungen: Eine Nürnberger emblematischikonographische Tradition im Kontext. In: Die Domänen des Emblems. Außerliterarische Anwendungen der Emblematik. Hg. v. Gerhard F. Strasser / Mara R. Wade. Wiesbaden 2004, S. 55–78, hier S. 58–59. 24 Wade, Von Schedels Weltchronik (wie Anm. 23), S. 58. 25 Vgl. Conrad Wiedemann: Nachwort des Herausgebers. In: Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 22), S. 20* f. 26 Festberichte zu den verschiedenen Ereignissen der Nürnberger Friedensfeierlichkeiten verfassten neben Klaj auch andere Dichter, besonders zu nennen ist hier Sigmund von Birken; vgl. Fähler, Feuerwerke (wie Anm. 23), S. 158. 27 Die folgende Interpretation von Klajs Figurengedicht entstammt Plotke, Gereimte Bilder (wie Anm. 10), S. 176–183.
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abgesehen vom Figurengedicht in Alexandrinern verfasste Widmungsschreiben28 richtet sich in erster Linie an den Kaiser sowie an „deß Heiligen Römischen Reichs höchst- und löbl. Chur-Fürsten und Stände“, darüber hinaus werden die Diplomaten und Abgesandten angesprochen.29 Als Adressaten des Figurengedichts apostrophieren die alexandrinischen Verse die „Teutschen Gottes Degen“, die Deutschland vom Kriegsbrand und den Flammen der Zerstörung erlöst haben.30 Klaj vergleicht in dieser Zuschrift den Dreißigjährigen Krieg mit dem Ausbruch des Ätna, ein Bild, das er zum Schluss des Figurengedichts ebenfalls aufnimmt, wie noch zu sehen sein wird. Von seiner Form her erinnert das Gedicht an die Triumphsäulen, die schon im antiken Rom zu Ehren siegreicher Feldherren aufgestellt wurden. Prototyp der mit einem Reliefband verzierten Siegessäule ist die Trajanssäule, die – wie die ungeschmückten Ehrensäulen und die Triumphbögen auch – eigentlich als Sockel für die Statue des betreffenden Heerführers diente. Über die aktuelle Glorifizierung des Feldherrn hinaus ist die zentrale Funktion der antiken Siegessäule, ein Erinnerungsmal zu sein: Das Monument verherrlicht die Taten des Heerführers nicht nur in der Festsituation des Triumphzugs, sondern zeigt diese auch späteren Generationen an. Der Leser des 17. Jahrhunderts kannte die antike Sitte, erfolgreichen Generälen Ehrensäulen oder Triumphbögen zu errichten, nicht nur aus der Literatur, von Skizzen oder Kupferstichen:31 Die Gepflogenheit wurde in der italienischen
28 Die Zuschrift umfasst ohne das Figurengedicht 54 Alexandriner; das Figurengedicht ist zwischen dem 38. und den 39. Alexandriner eingefügt. 29 Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 22), S. 101 (neue Paginierung). Nicht alle Drucke des Geburtstag deß Friedens weisen die oben beschriebene Zuschrift auf, da Klaj sein Werk mit zwei verschiedenen Dedikationsvorspannen herausgegeben hat. So existieren neben dieser Version Drucke mit einem Widmungsschreiben an den „Hochwolgebornen Herrn/ Herrn Benedict Oxenstirn […]“, einem Widmungstext, der einen ganz anderen Inhalt aufweist und auch kein Figurengedicht präsentiert; vgl. Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 22), S. Variante 101–Variante 104). 30 Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 22), S. 102 (neue Paginierung). 31 Heute noch erhaltene Skizzen der Trajanssäule beispielsweise von Giovannantonio Dosio (1569, Federzeichnung), Etienne du Pérac (1575, Mischtechnik), Gillis van Valckenborch (1590, Mischtechnik), der Säule des Marc Aurel von Dosio (um 1580, Federzeichnung); Abbildungen in: Hermann Egger (Hg.): Römische Veluten. Handzeichnungen aus dem XV. bis XVIII. Jahrhundert zur Topographie der Stadt Rom. Bd. 2. Wien 1931, Tafeln 45 und 76; James E. Packer: The Forum of Trajan in Rome. A Study of the Monuments. Bd. 1. Berkeley u. a. 1997, S. 26 f. Diese antiken Monumente konnten zudem auch von Italienreisenden vor Ort bewundert werden. Neben den Pilgern, wie sie zu allen Zeiten Rom aufsuchten, müssen hier die englischen, französischen und deutschen Studenten genannt werden, die sich gern an italienischen Universitäten einschrieben. Des Weiteren begannen bereits im 17. Jahrhundert die Söhne aus gutem Hause Bildungsreisen in die Ewige Stadt zu unternehmen (vgl. Attilio Brilli: Als Reisen eine Kunst war. Vom Beginn des
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Renaissance wieder aufgenommen32 und entwickelte sich insofern weiter, als temporär aufgebaute Säulen und Bögen zu zentralen Elementen der Festarchitektur avancierten (in der Festarchitektur fällt der Aspekt des materiellen Erinnerungsmals allerdings der Ephemerität des Festakts zum Opfer). Neben dem Bedeutungshorizont, den die Bildebene des Gedichts als Darstellung einer Siegessäule hervorruft, besitzt die Form einen reichen Symbolgehalt: Gemäß den im 17. Jahrhundert verbreiteten Allegoriewörterbüchern ist die Säule in erster Linie ein Sinnbild für Festigkeit und Beständigkeit, daneben verkörpert sie Hoffnung, Tapferkeit und Stärke.33 Mit der Lektüre des ersten Satzes „Drüm hat der Fried Euch hier die Denckseul aufgesetzt“ muss der Rezipient seinen Vorentwurf, den er sich aufgrund der ersten Wahrnehmung des Gedichts gemacht hat, modifizieren. Durch die Figurierung wird zwar die antike Funktion der Siegessäule als materielles Erinnerungsmal betont, doch ist es nicht die siegreiche Kampfhandlung, die gewonnene Schlacht, die im Mittelpunkt des Gedichts zu stehen scheint, sondern der Friede, der auf Kriegswirren folgt. Das alles bestimmende Wort „Fried“, im Druckbild herausgehoben, weist die neue Richtung und ruft eine Spannung zwischen den beiden Signifikationsmodi des Figurengedichts hervor: Die Bildebene zeigt ein Erinnerungsmal, wie es in der Regel der Glorifizierung heldenhafter Kriegstaten dient, der Verstext aber spricht vom Frieden. Die Spannung lässt sich insofern abschwächen, als die Säule als Denkmal für den Frieden und nicht als Monument für heldenhafte Leistungen im Krieg gedeutet wird. Die dargestellte Form bleibt eine Siegessäule, aber es ist nicht der Sieg über ein feindliches Volk oder einen gegnerischen General, der gefeiert wird, sondern der Sieg des Friedens über den Krieg. Mit dieser Spannung verbunden ist eine zweite Diskrepanz, die sich ebenfalls mit der Lektüre des ersten Satzes zwischen der graphischen Darstellung und dem buchstäblichen Gehalt des Verses auftut: die Differenz zwischen dem grammatikalischen und dem sinngemäßen Empfänger der Dedikation. Während die Säule
modernen Tourismus: Die ‚Grand Tour‘. Berlin 1997, S. 14–16). Zahlreiche Reisebeschreibungen belegen die rege Reisetätigkeit jener Zeit; Beispiele aus dem späten 16. und dem 17. Jahrhundert präsentiert Dorothea Kuhn: Auch ich in Arcadien. Kunstreisen nach Italien 1600–1900. Stuttgart 1966, S. 10–36; Lucia Tresoldi: Viaggiatori Tedeschi In Italia 1452–1870. Bd. 1. Rom 1975, S. 11–40. 32 Vgl. Werner Haftmann: Das italienische Säulenmonument. Versuch zur Geschichte einer antiken Form des Denkmals und Kultmonuments und ihrer Wirksamkeit für die Antikenvorstellung des Mittelalters und für die Ausbildung des öffentlichen Denkmals in der Frührenaissance. Leipzig, Berlin 1939, S. 151. 33 Siehe Hieronymus Lauretus: Silva allegoriarum totius sacrae scripturae. Barcelona 1570. Fotomechanischer Nachdruck der zehnten Ausgabe Köln 1681. Hg. von Friedrich Ohly. München 1971, S. 257.
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Abb. 3: Johann Klaj: Geburtstag deß Friedens. Nürnberg 1650, unpaginierte Einleitung. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: 65.15 Poet. (2)
vom verbalen Text her eindeutig den in der Widmungsschrift genannten „Teutschen Gottes Degen“ geweiht wird und der personifizierte Friede als Gratulant auftritt, erweckt das Schriftbild den Eindruck, als stehe die Göttin Irene, angedeutet durch das zentrierte, fettgedruckte „Fried“, als Statue auf der Säule. So ist die Vokabel „Fried“ aufgrund ihrer Platzierung gedanklich vom Leser zu ikonisieren und als Friedens-Statue zu betrachten. Diese Deutung korrespondiert mit dem
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Titelkupfer des Werks, das eine Säule zeigt, die tatsächlich als Sockel für die bildkünstlerisch dargestellte Personifikation des Friedens dient.34 Steht der personifizierte Friede als Statue auf der Säule, dann ist er der eigentliche Widmungsträger. In den folgenden Versen bleibt der Eindruck einer solchen doppelten Widmung bestehen. Die Formulierung „Diß eigenhändig eingeetzt“ evoziert die Vorstellung der in den Säulenstein eingemeißelten Weiheinschrift: Die explizit erwähnten Adressaten der Dedikation sind die „Teutschen Gottes Degen“, die als „Euch/ die die höchsten Häubter lieben“ angerufen werden; gleichzeitig bleibt die Nennung des Friedens in den nächsten Zeilen präsent. Mit Wendungen wie „zu diesem Frieden-Werck“ und „in diesem Frieden-Jubel-Jahr“ nimmt der Text direkt Bezug auf die Funktion der Nürnberger Friedensfeste, den Prozess der Verhandlungen zum Frieden hin nicht nur zu feiern, sondern auch aktiv zu fördern. Das Figurengedicht bejubelt nicht den siegreichen General, sondern den Frieden und diejenigen, die Frieden bringen und dadurch den kriegerischen und kriegsbegleitenden Greueltaten und Brandschatzungen des Dreißigjährigen Krieges das lang ersehnte Ende setzen. Mit dem Frieden verbunden ist die Hoffnung auf bessere Zeiten und Lebensbedingungen; insofern ist die abgebildete Figur auch eine Säule der Hoffnung, eine Deutung, die einen der symbolischen Gehalte des Umrisses aufnimmt. Im Gegensatz zu einer der traditionellen verzierten Siegessäulen wie derjenigen des Trajan oder des Marc Aurel, deren Reliefband die Taten der Truppen und die Schlachten des Kaisers zeigt, preist der Säulenschaft des Figurengedichts in vergleichbarer Reliefstruktur35 diejenigen, die Frieden bringen, indem er deren Ruhm bis in alle Ewigkeit zu bewahren gelobt. So erhebt sich das Gedicht selbst „in den anapherreichen Versen [des Säulenschafts] zum Symbol unzerstörbaren Nachruhms.“36 Gleichzeitig artikuliert es als Säule der Hoffnung den Wunsch nach ewig währendem Frieden: Wie die abgebildete Form – nicht nur Symbol der Hoffnung, sondern auch der Beständigkeit – die Statue der Pax trägt, „bis die
34 Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 22), S. 97 [neue Paginierung]; dazu Wade, Von Schedels Weltchronik (wie Anm. 23), S. 65). Während der betreffenden Nürnberger Festlichkeiten im Sommer 1650, die Klaj in seinem Werk Geburtstag deß Friedens beschreibt, wurde das Schauspiel Teutscher Kriegs Ab- und Friedens Einzug von Sigmund von Birken aufgeführt, und zwar vor einem Standbild des Friedens; vgl. Wade, Von Schedels Weltchronik (wie Anm. 23), S. 65; Laufhütte, Friedensfest (wie Anm. 23), S. 352. 35 Diese Reliefstruktur kommt dadurch zustande, dass der abgebildete Säulenschaft aus Versen besteht: Insofern unterscheidet sich das Figurengedicht deutlich von der auf dem Titelkupfer des Werks abgebildeten Säule, die kein entsprechendes Reliefband aufweist. 36 Adler/Ernst, Text als Bild (wie Anm. 2), S. 165.
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Welt in Hauffen fällt“, so soll die Friedenszeit nach dem Dreißigjährigen Krieg für immer bestehen. In den letzten Zeilen betont das Figurengedicht seine eigene Dauerhaftigkeit unter Berufung auf Claudian. Dessen Carmen „De piis fratribus et de statuis eorum quae sunt apud Catinam“ erzählt die Geschichte von zwei Brüdern, denen zu Ehren Statuen errichtet wurden, weil sie ihre Eltern aus den Flammen des ausbrechenden Ätna gerettet hatten.37 Für das poetische Herrscherlob gilt der spätantike Panegyriker Claudius Claudianus „noch im 17. Jahrhundert als Autorität schlechthin.“38 Wenn Klaj seine versifizierte Säule zwar weniger für den Kaiser persönlich als für den Frieden aufstellt, so markiert er mit der Berufung auf Claudian dennoch den panegyrischen Charakter des Gedichts. In erster Linie dient der Hinweis auf Claudian und die betreffenden Knaben aber dem Zweck, die rettenden Brüder mit den „Teutschen Gottes Degen“ zu identifizieren. Wie erwähnt, setzen die alexandrinischen Verse der Zuschrift das „Teutsche Kriegsfeuer“ dem speienden, Zerstörung bringenden Ätna gleich. Klaj erinnert in den Alexandrinern explizit an die Taten des Brüderpaars, dem „man […] ob treuer Kinderpflicht Gedichte hat Gedicht und Seulen aufgericht.“39 Klaj macht beides in einem: Er dichtet ein Gedicht in der Form einer Säule. Die Schlussverse des Figurengedichts, die den Vergleich der „Teutschen Gottes Degen“ mit den jugendlichen Rettern vom Ätna noch einmal aufnehmen, enthalten zudem ein Gedankenspiel. Wörtlich verstanden misst sich die abgebildete Säule mit den steinernen Statuen, die für die Brüder errichtet wurden: „Die Seule hier wird nit zergehn/ mit denen in die Wette stehn/ die man den Kindern aufgerichtet/ von denen Claudian gedichtet.“ Tatsächlich hat der Ruhm des Brüderpaars aber nicht dank der materiellen Ehrensäulen überlebt, die man für sie aufstellte, sondern dank Claudians Gedicht, so dass dieses den wahren Vergleichsgegenstand für Klajs Figurengedicht bildet. Die Unvergänglichkeit, der sich die Klajsche Säule rühmt, ist dann gedanklich dem Umstand zuzuschreiben, dass das Bauwerk gerade nicht aus Stein, sondern aus Buchstaben besteht. Mag hier der horazische Topos des aere perennius anklingen,40 korrespondiert diese Aussage aber auch mit der Aufgabe des Festberichts, die Ephemerität der Feierlichkeiten aufzuheben und die Ereignisse der
37 Es handelt sich um Gedicht 50 von Claudians Carmina minora; vgl. Adler/Ernst, Text als Bild (wie Anm. 2), S. 165. 38 Heinz Hofmann: Claudianus. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. von Hubert Cancik / Helmuth Schneider. Bd. 3. Stuttgart 1997, Sp. 3–6, hier Sp. 5. 39 Klaj, Friedensdichtungen (wie Anm. 22), S. 102 (neue Paginierung). 40 Horaz, carmen 3, 30, 1 ff.: „Exegi monumentum aere perennius | regalique situ pyramidum altius …“ Horaz bezeichnet seine Dichtung unter anderem als dauerhafter als die Pyramiden. Pyra
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Memoria späterer Generationen anheimzustellen. Kamen im barocken Fest temporär aufgerichtete Säulen zum Einsatz, so ist es die abgebildete Säule aus Wörtern auf Papier, die die Erinnerung an die Nürnberger Friedensfeste aufrecht erhalten soll, und zwar bis in alle Ewigkeit, oder, wie es die anaphorischen Dauerevokationen des Säulenschafts ausdrücken: „So lang wird seyn der Sonnenschein; So lang bey Nacht der Monde wacht. So lang die Lufft die Sternen rufft; So lang die Glut/ streit mit der Flut; So lang das Wild in Wäldern brült; Ja bis die Welt in Hauffen fällt.“ Tatsächlich bildet das Figurengedicht die propagierte eigene Langlebigkeit in mehrfacher Hinsicht selbst ab. Neben der erwähnten anaphorisch-repetitiven Struktur des Säulenschafts, die die Dauerhaftigkeit akustisch umsetzt, ist der Symbolwert der Figur zu nennen: Die Säule als Sinnbild für Festigkeit und Beständigkeit. Darüber hinaus wirkt bei diesem Gedicht eine grundsätzliche Eigenschaft der visuellen Poesie bedeutungsstiftend. Visuelle Poesie existiert nur in schriftlicher Form; nur so kann sie vollständig erfasst werden, da beim Vortrag der Bildteil verlorengeht. Während sich traditionelle Dichtung sowohl auditiv als auch optisch rezipieren lässt, ist für Figurengedichte gattungskonstitutiv, dass sie nur als schriftliche Zeugnisse bestehen. Schriftlichkeit per se steht für ununterbrochenes und fortdauerndes Bestehen.41 Während ein gesprochenes Wort nur einen Hauch ausmacht, der wenig später bereits vorüber ist, verleiht schriftliche Fixierung den Wörtern Dauerhaftigkeit und Unvergänglichkeit. Über die Figurierung verweist das Gedicht auf sich selbst als Zeugnis der Schriftlichkeit, die Dauerhaftigkeit garantiert. Die graphische Anordnung der Wörter versichert damit die im Verstext gelobte Langlebigkeit. Alles in allem lässt sich der Sinn der Säule aus Versen nur dann vollständig erfassen, wenn das Bildsegment mit seinen verschiedenen Bedeutungen in immer neue Beziehungen zum Verstext gebracht wird. Besonders markant ist bei Klajs Gedicht, dass sich aufgrund der Text-Bild-Konfiguration Spannungsfelder in der Bedeutungszuweisung öffnen, die nicht vollständig aufzulösen sind: So bringt die Kombination von Text und Bild quasi zwischen den Zeilen zum Ausdruck, was nicht ausgesprochen werden will. Sind vom verbalen Text her eindeutig die
miden, im 17. Jahrhundert auf deutsch auch Flammen-Säulen genannt, hatten einen ähnlichen Symbolwert wie die Säulen. 41 Der Topos vom immerwährenden Bestand der Schriftzeichen ist bereits in altägyptischen Papyri belegt; vgl. Adler/Ernst, Text als Bild (wie Anm. 2), S. 89. Die Vorstellung von der für die Ewigkeit konservierenden Kraft des Geschriebenen beherrscht das abendländische Denken bis in die jüngste Zeit. Belegstellen bietet Monika Schmitz-Emans: Schrift als Aufhebung der Zeit. Zu Formen der Temporalreflexion in visueller Poesie und ihren spekulativen Voraussetzungen. In: Arcadia. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 26 (1991), S. 1–32.
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„Teutschen Gottes Degen“ die Empfänger der abgedruckten Säule, wird von der Text-Bild-Konfigurierung her jedoch der Friede als Widmungsträger anvisiert. Seine zentrale Funktion erhält das Figurengedicht jedoch durch seine Stellung am Anfang des Festberichts. Es bringt sowohl über seinen verbalen Text als auch über den Bedeutungsgehalt der Bildebene als insbesondere auch über die Kombination von Text und Bild programmatisch zum Ausdruck, was die wichtigste Aufgabe des nachfolgenden Werkes ist, nämlich die Kunde von den Nürnberger Friedensfeierlichkeiten nicht nur über viele Territorien des Reiches zu verbreiten, sondern auch noch späteren Generationen im Gedächtnis zu behalten. Hatten die diversen in den Jahren 1649 und 1650 in Nürnberg veranstalteten Feste unter anderem die Funktion, den Friedensprozess unter den zerstrittenen Parteien voranzutreiben, ist es nun die Aufgabe des Festberichts, diesen ausgehandelten Frieden zu bestätigen und aufrecht zu erhalten, ja als Garant für ihn einzustehen, indem Zeugnis von den entsprechenden Geschehnissen abgelegt wird. Das Figurengedicht thematisiert diese Aufgabe der Festbeschreibung und setzt sie zum Auftakt des Werks programmatisch um. Das Gedicht will sich selbst und die folgende Festbeschreibung zum Monument im wahrsten Sinne des Wortes machen und nutzt dazu die der visuellen Poesie gattungsinhärenten Mittel.
Hans-Joachim Jakob
Michael Herr, Matthäus Merian der Ältere und Johann Klaj Bild und Text im Flugblatt Eigentlicher Entwurf und Abbildung deß Gottlosen und verfluchten Zauber Festes
Herr Harsdorff trefflich spielet/ Herr Klaj den Himmel fühlet. Lobgedicht von Rudolf Karl Geller am Ende von Klajs Herodes der Kindermörder (1645)
1 Zwei Hexenflugblätter in ihrem regionalen Umfeld 2004 konstatierte Ernst Rohmer im Rahmen eines Beitrags über Johann Klajs geistliche Lieder, die Dichtungen Klajs „geben der Forschung nach wie vor Rätsel auf“.1 Für naheliegende Fragen der Herkunft und Funktion der Bildunterschrift, die das Flugblatt mit dem Titel Eigentlicher Entwurf und Abbildung deß Gottlosen und verfluchten Zauber Festes2 schmückt, darf diese Feststellung in ganz besonderem Maße gelten. Verleger, Druckort und Erscheinungsjahr des Flugblatts sind unbekannt. Gerhard Dünnhaupt vermerkt in seiner maßgeblichen Bibliographie „o.O., o.J.“ Unter dem opulenten Kupfer des angekündigten „Zauber Festes“ befinden sich acht achthebige Verse, die mit „J Klaj“ signiert sind.3 Die Verifizierung dieses zugebenermaßen kleinen Feldes in Klajs Oeuvre hatte sich erst mühsam durch eine lange Tradition falscher Namenszuweisungen hindurchzuarbeiten. Insbesondere in der kunstgeschichtlichen Forschung wurde immer wieder der Bendelebener Pfarrer Johannes Clajus der Ältere (1535–1592) als Verfasser der Verse genannt, mindestens einsetzend mit Lucas Heinrich Wüthrich 1966 und mindestens fortgeführt bis zu Thomas DaCosta Kaufmann
1 Ernst Rohmer: Geistliche Lieder bei Klaj. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 139–157, hier S. 139. 2 Abbildung im Anhang. 3 Gerhard Dünnhaupt: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage des Bibliographischen Handbuches der Barockliteratur. Teil 4. Stuttgart 1991 (Hiersemanns bibliographische Handbücher, 9/IV), S. 2370, Nr. 66.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-023
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2004.4 In der spärlichen Forschung zu Clajus dem Älteren lassen sich keine Hinweise auf die Urheberschaft der Verse finden. Clajus bediente sich vorzüglich der lateinischen Sprache. Die Verse sind auch kein Zitat aus seiner deutschsprachigen Alchemie-Satire Altkumistica (1586).5 Eine Ursache für die anhaltende Verwechslung von Clajus in Bendeleben mit Klaj in Nürnberg und Kitzingen dürfte sein, dass es zwei überlieferte Exemplare des Flugblatts mit unterschiedlicher Titelei und unterschiedlichen Bildunterschriften gibt. Im Zusammenhang mit dem älteren Exemplar kommen nun die Namen des in Nürnberg ansässigen Künstlers Michael Herr (1591–1661), des berühmten Frankfurter Verlegers Matthäus Merian des Älteren (1593–1650) und des Verfassers der voluminösen Historischen Chronica, Johann Ludwig Gottfried (um 1584–1633), ins Spiel. Das ältere Flugblatt mit dem Titel Zauberey6 vermerkt kaum entzifferbar unten links unter dem Bild den Zeichner der Vorlage und unten rechts den Verantwortlichen für die Radierung: „Michael Herr inuent:“ und „M. Merian fecit“ mit der angehängten, nur schwer lesbaren Jahreszahl „1626“.7 Direkt unter dem Bild befindet sich eine 15-zeilige lateinische subscriptio, die mit den Initialen „I.L.G“ signiert ist, ein Hinweis auf Johann Ludwig Gottfried. Unter der lateinischen ist eine 60-zeilige deutsche subscriptio eingefügt, die allerdings keine Übersetzung des lateinischen Textes ist. Im Hinblick auf den Verfasser der Bildunterschrift sind keine Hinweise vorhanden.
4 Vgl. Lucas Heinrich Wüthrich: Das druckgraphische Werk von Matthaeus Merian d. Ae. Bd. 1. Einzelblätter und Blattfolgen. Basel 1966, S. 162, Nr. 590, und Thomas DaCosta Kaufmann: Central European Drawings in the Collection of the Crocker Art Museum. Turnhout 2004, S. 48. Kaufmann bezeichnet Klaj zwar als „Nuremberg poet“, gibt dann aber die Lebensdaten von Clajus dem Älteren an. – Weitere Johann-Clajus-Falschzuweisungen z. B. in: Wolfgang Harms u. a. (Hg.): Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd. I. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Teil 1. Ethica, Physica. Tübingen 1985, S. 314; Gunther Franz / Christl Lehnert-Leven: Bilder zum Hexenglauben. In: Gunther Franz (Hg.): Friedrich Spee. Dichter, Seelsorger, Bekämpfer des Hexenwahns. Kaiserswerth 1591 – Trier 1635. Katalog der Ausstellung in Düsseldorf 1991. Trier 1991 (Ausstellungskataloge Trierer Bibliotheken, 10 A), S. 96–101, hier S. 96, sowie Achim Riether: Michael Herr, Matthäus Merian und Rudolf Meyer. Zur Beziehung dreier Künstlerkollegen. In: Michael Herr 1591–1661. Ein Künstler zwischen Manierismus und Barock. Ausstellung anläßlich seines 400. Geburtstages im Rathaus der Stadt Metzingen vom 15. November bis 4. Dezember 1991. Sigmaringen 1991, S. 35–56, hier S. 37. 5 Vgl. an neuerer Forschung Heike Drobner-Dechering: Johannes Clajus der Ältere – Humanist und ein Wegbereiter der Reformation. Eine Monographie. 2. Aufl. Herzberg 2010, zu Clajus’ Alchemie-Satire ausführlich S. 137–153. 6 Abgebildet z. B. in: Hollstein’s German Engravings, Etchings and Woodcuts 1400–1700. Vol. XXVI. Matthaeus Merian the Elder (continued). Ed. by Tilman Falk, compiled by Robert Zijlma. Roosendaal NL 1989, S. 156. 7 Wüthrich, Werk, Bd. 1 (wie Anm. 4), S. 161.
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Von diesem Flugblatt ist das spätere mit dem längeren Titel zu unterscheiden. Klajs Achtzeiler ersetzt hier die ungleich ausführlicheren lateinischen und deutschen Textblöcke aus dem älteren Flugblatt. Wüthrich datiert auch dieses Blatt auf 1626 und musste daher notwendig Clajus den Älteren als Urheber der Zeilen annehmen. Klaj hat wohl kaum im zarten Alter von zehn Jahren Bekanntschaft mit Merian geschlossen und daraufhin die Bildunterschrift gedichtet. Wüthrich vermutet als ursprünglichen Publikationskontext des Blatts nicht den Separatdruck, sondern die Illustration in einem gelehrten Folianten: „Diese 2. Version dürfte ebenfalls als Illustration für ein Buch okkulten, allenfalls sogar religiösen Inhalts gedient haben, denn die dargestellten Szenen und mannigfaltigen Einzelfiguren rufen nach einer Erklärung.“8 Als Behelfsdatierung für das Klaj-Flugblatt erscheinen die späten 1640er oder frühen 1650er Jahre einigermaßen plausibel, stammen doch auch die bei Dünnhaupt notierten datierbaren Einblattdrucke Klajs aus diesem Zeitraum.9 Versucht man nun Bild und Text Klajs im engeren Sinne historisch zu kontextualisieren und die Medialität des Einblattdrucks aufzuzeigen, gerät man unweigerlich in die Kompetenzbereiche gleich mehrerer Wissenschaften. Durch die immensen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten tendiert die historische, lokalhistorische und rechtsgeschichtliche Forschung zu den Hexenverfolgungen schon zur Unüberschaubarkeit. Etwas besser einzugrenzen sind kunsthistorische Untersuchungen, die sich der Hexen-Ikonographie vorzüglich in repräsentativen Bildkunstwerken gewidmet haben.10 Angesichts der prosperierenden Flugblattforschung, die im deutschsprachigen Raum untrennbar mit dem Namen Wolfgang Harms verbunden ist, verwundert dann doch die stiefmütterliche Behandlung des Flugblatts mit Hexenthematik. Die von Harald Sipek 1994 angekündigte Bibliographie der Flugblätter und -schriften zur Hexenverfolgung ist anscheinend nie erschienen.11 So beschränkt sich die Forschung zu Hexenflugblättern auf eine Handvoll Spezialstudien, die in der Regel Flugblätter und Flugschriften in einem Atemzug behandeln.12 Die spezifische Medialität des illustrierten Flugblatts und
8 Ebd., S. 162. 9 Dünnhaupt, Personalbibliographien IV (wie Anm. 3), S. 2368–2370, Nr. 60.1–65. 10 Vgl. zu frühneuzeitlichen Hexenbildern im Überblick z. B. Wolfgang Schild: Hexen-Bilder. In: Gunther Franz / Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung. Trier 1998 (Trierer Hexenprozesse. Quellen und Darstellungen, 4), S. 329–413. 11 Harald Sipek: „Newe Zeitung […]“ oder: Marginalien zur Flugblatt- und Flugschriftenpublizistik sowie zur Druckgraphik im Kontext der Hexenverfolgungen. In: Sönke Lorenz u. a. (Hg.): Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Aufsatzband. Ostfildern 1994 (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, 2), S. 85–92, hier S. 88, Anm. 4. 12 Vgl. zu Flugblättern (und Flugschriften) Wolfgang Behringer: Hexenverfolgungen im Spiegel zeitgenössischer Publizistik. Die „Erweytterte Unholden Zeyttung“ von 1590. In: Oberbayerisches
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seine Ikonographie kommen dabei in der Regel zu kurz.13 So soll es in der Folge darum gehen, die unterschiedlichen ikonographischen Felder von Merians Radierung zumindest ansatzweise aufzuschlüsseln, die lateinische subscriptio Gottfrieds auf das Bild zu beziehen, die anonyme deutsche Unterschrift mit der Radierung in Beziehung zu setzen und schließlich Klajs Verse sowohl in ihren Unterschieden zu den beiden anderen subscriptiones als auch in ihrem spezifischen Bezug zu der Radierung Merians zu interpretieren. Die Reichsstädte Frankfurt am Main und Nürnberg bilden die Fixpunkte in der Produktion der beiden Flugblätter. Sie erscheinen darüber hinaus als eigentümliche Inseln der Seligen14 umgeben von territorialen Schreckenskammern der jahrzehntelangen Denunziation, Willkür, Folter und tödlichen Gewalt gegen sogenannte Hexen – wie im Kurfürstentum Mainz15 und den Hochstiften Würzburg
Archiv 109 (1984), S. 339–360; Sipek, Newe Zeitung (wie Anm. 11); Ursula-Maria Krah: Fiktionalität und Faktizität in frühneuzeitlichen Kleinschriften (Einblattdrucke und Flugschriften). In: Burghart Schmidt / Katrin Moeller (Hg.): Realität und Mythos. Hexenverfolgung und Rezeptionsgeschichte. Hamburg 2003 (Veröffentlichungen des Arbeitskreises für historische Hexen- und Kriminalitätsforschung, 1), S. 77–87; dies.: „Vom boesen Feindt / dem Teuffel / eingenommen…“ Das Motiv der Besessenheit in Flugschriften der Frühen Neuzeit. In: Hans de Waardt u. a. (Hg.): Dämonische Besessenheit. Zur Interpretation eines kulturhistorischen Phänomens. […]. Bielefeld 2005 (Hexenforschung, 9), S. 163–176; Charles Zika: The appearance of witchcraft. Print and visual culture in sixteenth-century Europe. London, New York 2007, S. 179–209, 261–264, sowie Rita Voltmer: „Hört an neu schrecklich abentheuer/ von den unholden ungeheuer“ – Zur multimedialen Vermittlung des Fahndungsbildes „Hexerei“ im Kontext konfessioneller Polemik. In: Karl Härter u. a. (Hg.): Repräsentationen von Kriminalität und öffentlicher Sicherheit. Bilder, Vorstellungen und Diskurse vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2010, S. 89–163. – Vor jeglicher Beschäftigung mit Flugblättern sollte eine klare, mediologisch fundierte Abgrenzung des Flugblatts von der Flugschrift stehen. 13 Vgl. aber die bislang ausführlichste Exegese der einzelnen Bildelemente eines Flugblatts mit Hexenthematik, des „Trierer Hexentanzplatzes“, von Voltmer, Abentheuer (wie Anm. 12), S. 112– 148. 14 Vgl. zur Hexenverfolgung in Frankfurt/M. Marianne Rodenstein: Die Frankfurter „Hexenprozesse“ – Ein vergessenes „Ruhmesblatt“ der Stadt. In: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 65/66 (2014/2015), S. 185–223, bes. S. 186–188, 195–205, 220 f.; zu entsprechenden Fällen in Nürnberg vgl. in erster Linie Hartmut Heinrich Kunstmann: Zauberwahn und Hexenprozeß in der Reichsstadt Nürnberg. Diss. Mainz 1970, zum Zeitraum von 1590 bis 1659 S. 69–95. Kunstmann führt hier elf Namen auf. Er resümiert: „Die Menge der dargebrachten Fälle beweist uns, daß Zauberwahn und Hexenprozeß auch vor der Reichsstadt Nürnberg keinen Halt machten. Prozesse gab es zwar, zu planmäßigen Hexenverfolgungswellen – und das ist nochmals hervorzuheben – ist es aber zu keiner Zeit gekommen“ (S. 103). 15 Vgl. Herbert Pohl: Zauberglaube und Hexenangst im Kurfürstentum Mainz. Ein Beitrag zur Hexenfrage im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert. 2. Aufl. Stuttgart 1998 (Hexenforschung, 3).
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und Bamberg.16 Der Veröffentlichungszeitpunkt des ersten Flugblatts fällt mit dem Jahr 1626 in eine explosive Verfolgungsphase in den Territorien zwischen Frankfurt und Nürnberg. Der Historiker Wolfgang Behringer qualifiziert den Nachweis der Hexerei mit einer einprägsamen Formulierung als „Superverbrechen“,17 in dessen Zusammenhang der Hexensabbat, also die Versammlung der Hexen und der Vollzug des Teufelspakts, nochmals die Super-Klimax innerhalb des Super-Verbrechens darstellte.18 Ein Flugblatt mit einer derartigen Thematik zog sicherlich schlagartig immense Aufmerksamkeit auf sich und versprach somit dem findigen Verleger Merian satte Einkünfte. Andererseits konnte das provokative und politisch hochbrisante Thema die Obrigkeit auf den Plan rufen und damit alle verlegerischen Gewinnerwartungen zunichtemachen. Gerade der Nürnberger Rat betrachtete mit wachsender Bestürzung die Vorgänge in Bamberg und Würzburg und setzte alles daran, ein Übergreifen der Hexenverfolgungen auf die Reichsstadt zu verhindern. So stoppte der Rat 1627 die Weiterverbreitung eines propagandistischen Einblattdrucks, der sogenannten Drudenzeitung, der die Massenverfolgungen in Bamberg und Würzburg verherrlichte.19
2 Michael Herr und sein Hexensabbat Michael Herr war seit 1619 in Nürnberg sesshaft.20 In den 1620er Jahren arbeitete er mit Merian in Frankfurt zusammen. Aus dieser Zeit stammen zwei Kompositionsskizzen für die Radierung des Flugblatts, Zauberkreis mit allerlei phantastischen Figuren und Hexensabbat. Im zeitlichen Umfeld entstand auch noch die 16 Vgl. zu Würzburg Elmar Weiß: Die Hexenprozesse im Hochstift Würzburg. In: Peter Kolb / Ernst-Günter Krenig (Hg.): Unterfränkische Geschichte. Bd. 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Würzburg 1995, S. 327–361; zu Bamberg Britta Gehm: Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des Reichshofrates zu ihrer Beendigung. 2. Aufl. Hildesheim u. a. 2013 (Rechtsgeschichte und Zivilisationsprozess, 3). 17 Wolfgang Behringer: Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der Frühen Neuzeit. 3. Aufl. München 1997, S. 15. 18 Vgl. zu den Imaginationsausprägungen des Hexensabbats vorzüglich Richard van Dülmen: Imaginationen des Teuflischen. Nächtliche Zusammenkünfte, Hexentänze, Teufelssabbate. In: Richard van Dülmen (Hg.): Hexenwelten. Magie und Imagination vom 16.–20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 1987, speziell zu den Bildzeugnissen Charles Zika: Exorcising our demons. Magic, witchcraft and visual culture in early modern Europe. Leiden, Boston 2003 (Studies in medieval and Reformation thought, 91), S. 375–410. 19 Vgl. zur Drudenzeitung Kunstmann, Zauberwahn (wie Anm. 14), S. 162–164. 20 Vgl. zu Herrs Biographie Silke Gatenbröcker: Michael Herr (1591–1661). Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs im 17. Jahrhundert. Mit Werkverzeichnis. Münster 1996 (Uni Press Hochschulschriften, 76), S. 42–71.
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Zeichnung Hexenkeller.21 Es ist davon auszugehen, dass Herr auch die Vorzeichnung für das endgültige Bild gestaltet hat.22 Detailreiche und ausladende Darstellungen eines kompletten Hexensabbats waren zu dieser Zeit im deutschsprachsprachigen Raum noch unüblich. Ob Herr den sogenannten „Trierer Hexentanzplatz“ aus Thomas Sigfrids Traktat Richtige Antwort auff die Frage: Ob die Zeuberer vnd Zeuberin mit jhrem zauber Pulfer/ Kranckheiten/ oder den Todt selber beybringen können […] (1593)23 oder den Hexensabbat-Kupferstich von Jan Ziarnko aus Pierre de Lancres Handbuch Tableav de l’inconstance des mavvais anges et démons (1613)24 gekannt und Bildelemente daraus nachgezeichnet oder auch nur als Anregung genommen hat, sei dahingestellt. Ebenso der Einfluss von Jacques Callots Radierung Die Versuchung des heiligen Antonius (um 1616/1617).25 Die Kunsthistorikerin Sigrid Schade geht sogar davon aus, dass Herr für die Gestaltung einzelner Figuren sowohl die Hexenbilder des Dürer-Schülers Hans Baldung Grien als auch flämische und niederländische Darstellungen gekannt haben muss. Die Ruine in der rechten Bildhälfte führt sie auf das Pantheon in Rom zurück.26 Herr unternahm 1614 und 1615 eine Reise nach Rom und Venedig, die ihn mit der bildenden Kunst Italiens vertraut machen sollte. Frühe Versuche einer Interpretation der einzelnen Bildfelder unternahm die Goethe-Forschung im späten 19. Jahrhundert, indem sie die Radierung als eine der Quellen für die Walpurgisnacht in Faust I reklamierte.27 Adolf Trendelenburg formulierte 1925 eine knappe monographische Bildexegese.28 Die bis heute über
21 Vgl. zur Zusammenarbeit zwischen Herr und Merian Riether (Anm. 4), außerdem Gatenbröcker, Michael Herr (wie Anm. 20), S. 169–171, zum „Zauberkreis“ S. 341–344, zum „Hexenkeller“ S. 348 f., zum „Hexensabbat“ S. 463–465. 22 Vgl. zur Entstehung Gatenbröcker, Michael Herr (wie Anm. 20), S. 171: „1626 veröffentlicht Matthäus Merian die erwähnte Radierung ‚Zauberfest auf dem Blocksberg‘ […], zu der zwei Kompositionsskizzen von Herr […] erhalten sind, der wohl auch die Vorzeichnung lieferte. Der Vergleich zwischen Herrs Vorarbeiten und dem Endergebnis läßt den Entstehungsprozeß erahnen. Es ist daher nicht genau zu sagen, ob Herrs Bekanntschaft mit Merian schon 1621, dem Datum der frühen Skizze […] anzusetzen ist, oder ob er sich seiner Idee erst später, jedenfalls aber vor 1626 erinnert und daraus einen Entwurf für Merian macht.“ 23 Vgl. Schild, Hexen-Bilder (wie Anm. 10), S. 360, Abb. 18. 24 Ebd., S. 358, Abb. 17. 25 Dafür plädiert Gatenbröcker, Michael Herr (wie Anm. 20), S. 608. 26 Sigrid Schade: Kunsthexen – Hexenkünste. Hexen in der bildenden Kunst vom 16. bis 20. Jahrhundert. In: van Dülmen, Hexenwelten (wie Anm. 18), S. 170–218, 317–319, hier S. 199. 27 Vgl. Max Morris: Goethe-Studien. Bd. I. 2. Aufl. Berlin 1902, S. 121. – Noch Albrecht Schöne erwähnt das Bild (Albrecht Schöne: Götterzeichen – Liebeszauber – Satanskult. Neue Einblicke in alte Goethetexte. 3. Aufl. München 1993, S. 122–125). 28 Adolf Trendelenburg: Das Hexenbild von Michael Herr. Mit zwei Tafeln. Berlin 1925 (Bildwerke als Quellen zu Goethes Faust, 2). – Vgl. die gravierende Kritik an Trendelenburg von Gatenbrö
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sichtlichste Auslegung entstand im Rahmen der Wanderausstellung „Hexen“ aus dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde 1979 und wurde von Thomas Hauschild und Heidi Staschen erarbeitet.29 Einleuchtend unterteilen Hauschild und Staschen die überbordende Fülle an Figuren und Einzelszenen in die sieben Segmente „Der Flug zum Blocksberg“ (links oben), „Das Fest auf dem Blocksberg“ (Mitte links), „Das Treiben auf dem Blocksberg“ (links unten), „Der Hexenkessel“ (Bildmitte), „Schadenszauber“ (unten rechts), „Dämonenbeschwörung“ (Mitte rechts) und „Tiersymbole“ (unter anderem unten rechts). In bildenzyklopädischer Manier versammeln Herr und Merian ein ikonographisches Pandämonium des Hexen-, Dämonen- und Teufelsglaubens. Den Auftakt des Hexensabbats bildet die Reise zum Versammlungsort, hier dem berüchtigten „Blockes Berg“, mithilfe von Tieren (in Form eines Ziegenbocks), Besen und Ofengabeln. Um die Gegenstände in Flugobjekte zu verwandeln, mussten sie zuvor mit der speziell dafür hergestellten Flug- oder Hexensalbe eingerieben werden. Auf dem Berg hat sich ein munterer Tanzreigen nackter menschlicher und dämonischer Gestalten eingefunden. Die Kette der Wesen schlängelt sich linksherum, also buchstäblich auf dem ‚falschen‘ Weg, in Richtung einer schwer erkennbaren Bocksfigur auf einer erhöhten Sitzgelegenheit. Mit eher sparsamen Bewegungen agieren die Figuren, die sich unten links den FestAusschweifungen gula (Maßlosigkeit) – die neben der bauchigen Korbflasche liegende Frau – und luxuria (Wollust) hingeben. An prominenter Stelle in der linken unteren Bild-Ecke vollzieht eine Dämonenfigur mit einer Frau die Teufelsbuhlschaft a tergo. Eine weitere Teufelsfigur hinter ihnen entleert ihren Darm. Die Ingredienzien, die in die Suppe im Hexenkessel Eingang finden, sind um die Kochstelle herum angeordnet, wobei ein Salamander (?) und die beliebte Zutat der Kröte durch den vom Kessel ausgehenden Dampfstrahl schon wieder entweichen. Weiterhin kommen Menschenknochen, speziell Kinderknochen, offen-
cker, Michael Herr (wie Anm. 20), S. 607 („viele Irrtümer“). So charakterisiert Trendelenburg z. B. Klaj höchst unzutreffend als „Spätling aus der ehrbaren Nürnberger Meistersingerzunft“ (Trendelenburg, Hexenbild, S. 17). 29 Thomas Hauschild / Heidi Staschen: Der Hexensabbat. In: Thomas Hauschild u. a. (Hg.): Hexen. Katalog zur Wanderausstellung „Hexen“ aus dem Hamburger Museum für Völkerkunde. 12. Aufl. Berlin 1986, S. 12 f. – Vgl. ergänzend: Wolfgang Harms (Hg.): Illustrierte Flugblätter aus den Jahrhunderten der Reformation und der Glaubenskämpfe. 24. Juli bis 31. Oktober 1983. Kunstsammlungen der Veste Coburg – Coburger Landesstiftung. Coburg 1983, S. 308 f.; Riether, Michael Herr (wie Anm. 4), S. 37–40; Gatenbröcker, Michael Herr (wie Anm. 20), S. 606–609 sowie bündig Schade, Kunsthexen (wie Anm. 26), S. 199: „Unter der Überschrift ‚Eigentlicher Entwurf und Abbildung des gottlosen und verfluchten Zauberfestes‘ erscheint ein Kupferstich, der in barocker Vielfalt so gut wie alle Vorstellungsbilder zusammenfaßt, die sich an den Hexensabbat knüpfen.“
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bar bevorzugt in den Kessel. Betrieben wird die Kochstelle von zwei nackten Frauen, die linke davon gegebenenfalls schwanger. Rechts vom Kessel hat sich eine komplette Gruppe um einen Tisch mit Zauberrequisiten aufgestellt. Die langhaarige Frau links neben dem Tisch beschwört mit erhobenen Armen entweder die Mächte der Finsternis oder preist die Gegenstände vor ihr an. Auf dem Tisch liegen ein Totenschädel, ein Hexendolch, eine abgeschnittene Hand und gegebenenfalls eine menschenähnliche Wurzel. Eine stark verhüllte Frau rechts hält eine Glasflasche mit einem Homunculus an eine Kerze. Rechts neben ihr sitzt ein bärtiger Magier, der zwei Frauen zur Benutzung von Zauberbüchern anweist. Alle magischen Requisiten und Folianten dienen dem Schadenszauber, also z. B. der Herbeiführung von menschlichen und tierischen Krankheiten, vom Tod von Mensch und Vieh, von Unwettern oder von Unfruchtbarkeit. War bislang vor allem die weibliche Zauberdomäne im Bild, so rückt mit der Dämonenbeschwörung die genuin männliche Komponente in den Fokus. In einer Ruine, möglicherweise einer verfallenen Kirche, beschwört ein Magier allerhand furchteinflößende Gestalten. Diese haben sich kreisförmig um ihn angeordnet oder fliegen, ausgerüstet mit lärmschlagenden Instrumenten, über ihm. Die Tiere im Bild beziehen sich teilweise direkt auf den Hexen- und Teufelsglauben wie bei der Katze neben dem Requisitentisch. Hexen waren angeblich dazu in der Lage, sich in Katzen zu verwandeln und somit unerkannt und mobil zum Ort ihres Schadenszaubers zu gelangen. Ähnlich negative Konnotationen als Flugtier oder Verkörperung des Teufels hat der bereits erwähnte Ziegenbock. Das im Bild an auffälliger Stelle darniederliegende Pferd ist mit der Annahme zu erklären, dass sich eine Hexe einen schlafenden Knecht als Reittier nehmen und diesen in ein Pferd verwandeln konnte. Ein Bildelement ist dagegen überaus diskret gehalten. Es gibt zwei Zuschauer des gottlosen Treibens. Am rechten Bildrand Mitte sind im Schatten mit einiger Mühe die Silhouetten zweier Gestalten zu erkennen, aufgrund ihrer traditionellen Kopfbedeckung vermutlich zwei Bauern.
3 Johann Ludwig Gottfrieds lateinische Bildunterschrift Johann Ludwig Gottfried darf als einer der profiliertesten Mitarbeiter in Merians früher Frankfurter Zeit gelten.30 Und auch Herr und Gottfried arbeiteten in dieser
30 Vgl. zu Gottfried ausführlich Lucas Heinrich Wüthrich: Der Chronist Johann Ludwig Gottfried (ca. 1584–1633) – nicht identisch mit Johann Philipp Abele. In: Archiv für Kulturgeschichte 43
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Zeit zusammen, fertigte doch Herr für Gottfrieds Historische Chronica einige Bildvorlagen an.31 Seine besondere Begabung für die lateinische Sprache bestätigte Gottfried eindrucksvoll mit der Übersetzung von William Harveys Exercitatio Anatomica De Motv Cordis Et Sangvinis In Animalibus aus dem Englischen ins Lateinische 1628.32 Seine knappe lateinische Bildunterschrift33 zu Merians Radierung wendet sich, summa summarum, an ein gelehrtes Publikum.34 Einige Aspekte aus dem überbordenden Bild werden herausgegriffen: die Teufelsbuhlschaft, die fliegenden Hexen und Dämonen, die giftige Suppe im Hexenkessel, die Kinderknochen und die gut versteckten Bauern als Publikum. In den ersten Versen überwiegt die Erweckung der curiositas, die der sensationsheischenden Materie zum Trotz ein epistemologisches Interesse an den einzelnen Komponenten des Hexenfestes mindestens simuliert: „Demonomaenomenum cupiens spectare furores, | Et Ditis metuenda nigri lustrare Theatra“.35 Die explizite Verwendung der Theatrum-Metapher schlägt die Brücke zu unterschiedlichsten frühneuzeitlichen Wissenskompendien mit „Theater“-, „Theatrum“- oder „Schauplatz“-Titelei. Die ebenso denkbare Vorstellung eines realen Theaters installiert den gelehrten Zuschauer in wohltuendem Abstand von der Bühne mit ihrem tableau vivant der Dämonen und Abnormitäten. Das Zaubereitheater lässt sich in seiner evidentia am besten durch die Augen, durch die eigene Anschauung, durch Autopsie erfahren. Im Text überwiegen denn auch Verben und Nomen aus dem Wortfeld der visuellen Wahrnehmung: „spectare“, „lustrare“, „spectator“, „spectra“ usw. Der professionelle gelehrte Rezipient ist dazu angehalten, den exzessiven Detailreichtum der abgebildeten Szenen mit furchtloser wissenschaftlicher Neugier in Augenschein zu nehmen und in sein Weltbild einzupassen. Ex negativo ist die rechte Haltung des Gelehrten aus dem Rezeptionsverhalten des nicht-professionellen Bildbetrachters abzuleiten. Den zuschauenden Bauern –
(1961), S. 188–216; zu Gottfried und seiner Chronik kompakt ders.: Matthäus Merian d.Ä. Eine Biographie. Hamburg 2007, S. 137–143. 31 Vgl. zur Zusammenarbeit zwischen Herr und Gottfried Riether, Michael Herr (wie Anm. 4), S. 40–43. 32 Wüthrich: Matthäus Merian d. Ä. (wie Anm. 30), S. 129. 33 Text 1 im Anhang des vorliegenden Aufsatzes. Transkribiert nach der Abbildung in Hollstein’s German Engravings (wie Anm. 6). 34 Vgl. zur Problematik vorzüglich Wolfgang Harms: Lateinische Texte illustrierter Flugblätter. Der Gelehrte als möglicher Adressat eines breit wirksamen Mediums der frühen Neuzeit. In: Klaus Grubmüller, Günter Hess (Hg.): Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses Göttingen 1985. Bd. 7. Bildungsexklusivität und volkssprachliche Literatur. Literatur vor Lessing – nur für Experten? Tübingen 1986, S. 74–85. 35 „Wenn du dämonische Leidenschaft und das furchtbare Theater eines dunklen Gottes sehen möchtest […].“ Vgl. Text 2 im Anhang des vorliegenden Aufsatzes.
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hier nur im Singular – bleibt nur die namenlose Angst vor den Hexen und Dämonen: „Exagitant miserum variis speciebus agrestem“.36 Auch wenn der Text mit entsprechenden Adjektiven den Abscheu vor den Vorgängen im Bild nicht verhehlt, vollzieht sich eine eindeutige moralische Verdammung erst ganz zum Schluss: „Quo ruitis miseri, quos tanta cupido Gehennae | Et desiderium flammae cruciabilis urget?“37 Alle Beteiligten des Hexensabbats sind offenbar von dem Verlangen besessen, in das ewige Höllenfeuer einzugehen.
4 Die ausführliche deutschsprachige Bildunterschrift Die anonyme deutschsprachige Bildunterschrift38 bedient sich nun eines völlig anders gelagerten rhetorischen Formulars zur Ansprache an den Bildbetrachter. Wieder werden einzelne Bildfelder herausgegriffen: die Versammlung von Hexen und Dämonen an einem abgelegenen Ort, der Flug auf Ofengabeln und Ziegenböcken, die Teufelsbuhlschaft, der Tanzreigen, Satan auf dem Thron, die Kinderknochen, das Ausleben einiger Todsünden, die Zubereitung der giftigen Suppe. Ein Detail unterscheidet sich von der lateinischen subscriptio beträchtlich. Der anonyme Verfasser interpretiert den agrestis nicht als verborgenen Zuschauer im Schatten, sondern als Spielball der unheimlichen Wesen im Zauberkreis der Dämonenbeschwörung in der rechten Bildhälfte: „Der Bawr im Circkel ist wol geheut | Vom Gspenst so mancherley Gesicht/ | Er kan sich bald erwehren nicht.“ Wieso ausgerechnet ein Bauer die Fähigkeiten eines Magiers und Dämonenbändigers haben soll, bleibt offen. Ungleich entschiedener als die lateinische Unterschrift bemüht sich der 60Zeiler in seinen fünf Textblöcken um die drakonische Geißelung der im Bild dargestellten gottlosen Untaten. Gleich im ersten Block verwandelt sich der erkenntnisheischende Gestus der vorangegangenen Unterschrift in einen harten Imperativ: „Sieh an O Leser dieses Bild“, wieder verbunden mit einer visuellen Deixis: „Darinn vor Augen wird gestellt/ | Der gröste Jammer inn der Welt“. Die „rasend Teufflisch Rott“ verbreitet „Forcht vnd Schrecken“ in unfassbarem Ausmaß. Angesichts einer quasi postulierten Nicht-Anschaubarkeit des Bildes ob seiner teuf-
36 „Der elende Bauer wird auf vielerlei Weise geängstigt.“ 37 „Wohin rennt ihr Unglücklichen, die ihr durch das Verlangen auf die Flammen der ewigen Höllenfeuer geplagt seid?“ 38 Text 3 im Anhang des vorliegenden Aufsatzes. Transkribiert nach der Abbildung in Hollstein’s German Engravings (wie Anm. 6).
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lischen Gräuel ist es dem zweiten Textblock um eine energische Beglaubigung der ungeheuerlichen Vorgänge zu tun. Kundig stellt sich der anonyme Verfasser auf die Seite der historia: „Ist doch kein Fabel noch Gedicht/ | Sondern ein warhafftig Geschicht/ | Der Leut die solches han gesehen“. Hier ist es die persönliche Augenzeugenschaft, die die Vorgänge zur Realität erhebt. Der dritte Textblock setzt ein mit der schriftlichen Weitergabe und nun skripturalen Beglaubigung der Zeugenschaft: „Wie man solches erfehrt vnd liest/ | Das daran nicht zu zweiffeln ist.“ Die folgende Schilderung des farbenfrohen Reigens von Hexen und Dämonen im vierten und fünften Textblock ist mit zwei deutlichen Hinweisen auf die verheerenden Konsequenzen des blasphemischen Tuns verbunden. Die schwer erkennbare Figur auf dem Thron an der Spitze des Festes auf dem Blocksberg wird als Satan identifiziert: „Der Sathan hie Platzmeister ist/ | Dem folgt der gantze Hauff zur frist/ | Biß er sie in die Höll hinein/ | Bringt vnd führt in die Ewig Pein.“ Analog zur lateinischen Unterschrift setzt auch der deutsche Text auf die ultimative Strafandrohung in den exponierten letzten Zeilen: „O daß der Mensch so gar verrucht/ | Mit Macht seine Verdammnuß sucht/ | Vnd eylt mit vollem Sporen streich/ | Ins Höllisch Fewer vnd Teuffels Reich.“ Schade sieht ein starkes Spannungsverhältnis zwischen den moralisierenden Passagen der deutschen subscriptio und der Radierung: „Michael Herr, von dem nur bekannt ist, daß er in Venedig und Rom war und 1661 in Nürnberg starb, hat in diesem Kupferstich geradezu orgiastische Szenen für schaulustige Betrachter gestaltet, die der Moral der schriftlichen Anweisung gründlich widersprechen.“39
5 Klajs Bildunterschrift und ein Rezeptionszeugnis Versucht man nun Vermutungen über die Verbindung der Radierung mit den Versen Klajs anzustellen, drängt sich umgehend ein Name geradezu auf. Es ist der des Nürnberger Verlegers Paulus Fürst (1608–1666).40 Die Indizienlage ist beein-
39 Schade, Kunsthexen (wie Anm. 26), S. 199. 40 Vgl. zu Paulus Fürst Johannes Bolte: Der Kunsthändler Paul Fürst in Nürnberg. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 20 (1910), S. 195–202; Theodor Hampe: Beiträge zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg. Teil II: Paulus Fürst und sein Kunstverlag. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1914/1915, S. 3–127; ders: Beiträge zur Geschichte des Buch- und Kunsthandels in Nürnberg. Teil III. Ergänzungen und Nachträge zu der Abhandlung „Paulus Fürst und sein Kunstverlag“ […]. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1920/1921, S. 137–170; John Roger Paas: Sigmund von Birkens anonyme Flugblattgedichte
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druckend. Vermutlich seit 1646 war Klaj für Fürst als Verfasser von Flugblattgedichten tätig.41 Dünnhaupt verzeichnet acht Flugblätter von Klaj aus der Offizin Fürst.42 Es war geradezu ein Markenzeichen von Fürsts früher Verlagsarbeit, alte Einblattdrucke reproduzieren zu lassen oder von alten Druckplatten wiederabzuziehen.43 Im Werkverzeichnis von Fürst finden sich zehn Nachbearbeitungen von Vorlagen aus dem Hause Merian.44 Hier wäre nun der Platz für die Vermutung, Fürst könnte die alte Radierung mit dem neuen Text Klajs versehen haben. Dagegen spricht, dass Fürst ab Mitte der 1640er Jahre eine Führungsposition auf dem druckgraphischen Markt in Nürnberg anstrebte und er daraufhin dazu überging, nun originäre, anspruchsvoll gestaltete Flugblätter zu verlegen und sich nicht mehr dem Recycling alter Druckvorlagen verschrieb.45 In den Fürst-Werkverzeichnissen von Theodor Hampe ist kein Hexenflugblatt mit einer Vorlage von Merian auffindbar.46 Klajs Bildunterschrift wirkt schon angesichts der respektheischenden und wertenden Flugblatt-Titelei Eigentlicher Entwurf und Abbildung deß Gottlosen und verfluchten Zauber Festes irritierend knapp. Sie lautet:
im Kunstverlag des Paul Fürst. In: Philobiblon 34 (1990), S. 321–339, sowie ders.: The Changing Landscape of the Competitive Nuremberg Print Trade: The Rise and Fall of Paulus Fürst (1608– 1666). In: Richard Kirwan / Sophie Mullins (Hg.): Specialist Markets in the Early Modern Book World. Leiden, Boston 2015 (Library of the Written Word, 40), S. 35–63. – Zu Klajs Flugblättern vgl. den Beitrag von Anna Lisa Schwartz und Franziska Bauer im vorliegenden Band. 41 Vgl. zur Zusammenarbeit zwischen Klaj und Fürst: Hampe, Beiträge II (wie Anm. 40), S. 12; S. 29, Nr. 71; S. 45, Nr. 94; S. 47, Nr. 96 und Hampe, Beiträge III (wie Anm. 40), S. 147, Nr. 374. – Vgl. bündig Paas, Flugblattgedichte (wie Anm. 40), S. 331: „Für die Flugblattgedichte wandte er [Fürst] sich an die bekannten Nürnberger Poeten, und eins seiner ersten datierten Blätter erschien 1646 mit einem Gedicht von Johann Klaj, einem der Mitbegründer des Pegnesischen Blumenordens.“ 42 Vgl. Dünnhaupt Personalbibliographien (wie Anm. 3), S. 2369, Nr. 61 f.; S. 2370, Nr. 65, 69 f.; S. 2371, Nr. 71–73. 43 Vgl. Paas, Flugblattgedichte (wie Anm. 40), S. 331: „Seine [Fürsts] frühen Flugblätter sind vorwiegend ganz gestochen und mit groben Kupferstichen und einfachen Versen verziert […], und anstatt neue Flugblätter zu verlegen, bevorzugte er oft, entweder ältere Blätter kopieren zu lassen oder Wiederabdrucke von den alten Kupferplatten in seinem Besitz zu machen.“ 44 Vgl. Hampe, Beiträge III (wie Anm. 40), S. 142, Nr. 106–109; S. 144 f., Nr. 275; S. 153 f., Nr. 395– 398; S. 158, Nr. 419. 45 Vgl. Paas, Flugblattgedichte (wie Anm. 40), S. 331: „Die Wiederausgabe von früheren Blättern gab rasch nach, und Fürst begann, völlig neue, sorgfältig hergestellte Flugblätter zu verlegen.“ 46 Und sogar ein Transfer des Blattes direkt von Herr zu Fürst ist nicht völlig auszuschließen, da Herr mit Fürst zusammenarbeitete. Vgl. Silke Gatenbröcker: Michael Herr (1591–1661). Zwischen Tradition und Innovation auf dem Weg zum Barock. In: Barockberichte. Informationsblätter zur bildenden Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts 20/21 (1998), S. 196–203, hier S. 199.
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Böckereiten, Gabelfahren, Unzucht Täntze, Adlers Klauen Bärentatzen, Löwenmähn, Teufelslarven sind zuschauen Sehet wie die Königinn gelben Gifft zum Fest muß kochen Und das alte Hexenvolck zeiget kleine Kinderknochen. Schrecket nicht den Bauersmann Pauckenbrummen, Mordgetümmel, Eulenaugen, Krötenzucht, Schlangenzischen, Würmgewimmel. Pfuy ihr tollen Sterblichen! Laset euch nicht so bethören, Wer einmahl kömt in die Hell der kan nimmer wiederkehren. J Klaj47
Die Eingangsverse der beiden Strophen weisen dabei sprachliche Parallelen zu Klajs ‚Redeoratorium‘ Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi (1644) auf.48 Conrad Wiedemann hat in einer luziden Analyse die unterschiedlichen Klangkompositionen der Höllen- und Himmelfahrt untersucht.49 Klaj beschreibt in der Höllenfahrt Lucifers Heer durch die asyndetische Reihung bestimmter Tier-Komposita und erzielt dadurch die klanglich-rhythmische Assoziation einer höllischen Schlachtordnung: Lucifer mit seinem Heer stehet da wolaußgerüstet/ Der hat einen Hundekopf/ und ist Ziegengleich gebrüstet/ Jener einen Pferdefuß/ seines Hintertheiles Prangen Ist ein gelber Schuppenschwantz/ und die Haare Hörnerschlangen/ Eulenaugen/ Krötenmund/ Adlersschnäbel/ Greifenklauen/ Wolfeszähne/ Löwenmähn/ Beerentatzen/ Katzenmauen.50
Klajs Exegese der Radierung nun als analoge Schlachtordnung der Dämonen und Mächte der Finsternis erscheint schon deshalb naheliegend, weil bestimmte Wörter aus der Höllen- und Himmelfahrt wieder verwendet werden – „Bärentatzen“,
47 Transkription nach Trendelenburg, Hexenbild (wie Anm. 28), unpag. (nach S. 20). – Vgl. als neuesten Überblick zu Klajs Lyrik im Kontext des Pegnesischen Blumenordens Hans-Georg Kemper: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. 4/I: Barock-Humanismus: Krisen-Dichtung. Tübingen 2006, S. 322–352. 48 Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965, S. [57]–[127]. – Der von Conrad Wiedemann geprägte Begriff „Redeoratorium“ ist in jüngerer Zeit in die Kritik geraten. Vgl. dezidiert Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 235–279. 49 Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 26), S. 75–84. 50 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 48), S. [68]. – Vgl. Wiedemann, Klaj (wie Anm. 49), S. 76 f.
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„Löwenmähn“, „Teufelslarven“ später in den Anmerkungen51 und „Eulenaugen“ – oder an ähnlich konstruierte Komposita angelehnt sind: „Greifenklauen“ und „Krötenmund“. In der Himmelfahrt-Passage findet sich dann noch eine abgewandelte Formulierung zum „Pauckenbrummen“.52 Mit Klajs hastigen Aufzählungen geht eine partielle Abwendung vom Bildinhalt einher. „Adlers Klauen“ oder „Bärentatzen“, am ehesten noch „Löwenmähn“,53 dürften in den Tiefen der Radierung nur mühsam zu entdecken sein. Und auch weitere Formulierungen boykottieren eine durchschaubare Abarbeitung einzelner Bildkomponenten. Die Farbe der Suppe im Kessel, laut Klaj „gelb“, dürfte aus der schwarzweißen Radierung wohl schwerlich hervorgehen. Eine oder mehrere Hexen „zeigen“ sicherlich keine Kinderknochen als deiktische und gut sichtbare Hervorhebung. Auch hier muss man das Bilddetail unter dem Kessel erst einmal erkennen. Im Gegensatz zur visuellen Theatralisierung der lateinischen subscriptio und dem Beharren auf Beglaubigung und Moralisierung in der anonymen deutschen setzt Klaj auf die zweimalige atemlose Reihung größerer und kleinerer Bilddetails. Die Metaphorik des Visuellen aus den anderen Unterschriften wird beibehalten: „zuschauen“, „Sehet“, „zeiget“ und „Eulenaugen“. Ansonsten unterläuft Klaj in seiner Wortwahl subtil sowohl die Semantik der anderen beiden Unterschriften als auch den Bildinhalt der Radierung. Die abschließende Moral unterscheidet sich in ihrer lakonischen brevitas am deutlichsten von den letzten Zeilen der lateinischen und deutschen Unterschrift. Wenn man auch kaum von einer Ironisierung der alten Bildunterschriften durch Klaj sprechen kann, so doch mindestens von einer klanglichen Neuinterpretation des heiklen Hexensabbat-Stoffs. Einer drakonischen moralischen Verdammung der Vorgänge im Bild redet Klaj nicht das Wort. Seine Aufzählungen modellieren vielmehr schlaglichtartig einige Schauwerte der Radierung. Der historisch-ikonographische Kontext von Hexendarstellungen schien sich gut zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen in Würzburg und Bamberg gewandelt zu haben. Dadurch erschien ein plakativer Abgrenzungsgestus zum Bildgeschehen in der
51 Klaj, Redeoratorien (wie Anm. 48), S. [96]: „Hier entwirfft der Poet die schrekliche Teufelslarven/ die scheußlichen Vngeheuer und garstigen Bestien.“ 52 Ebd., S. [78]: „Es paukken die heiseren Paukken und brummen“. – Der in der Bildunterschrift folgende Begriff „Mordgetümmel“ findet sich hingegen in Klajs ‚Redeoratorium‘ „Engel- und Drachen-Streit“ (1649). Vgl. ebd., S. [281]–[331], hier S. [295]: „Geht mit uns ein/ das tolle Mordgetümmel/ | oder packet euch auß eurem Himmel.“ 53 Die Löwenmähne als Attribut der Schreckgestalten aus Lucifers Heer findet sich auch im „Engel- und Drachen-Streit“, vgl. ebd., S. [312]: „Sie sind nicht mehr wie vor den Sternen gleich gestaltet/ | geschnäbelt/ kahl/ veraltet/ | mit Drachenhaut beschupt/ den Tigern gleich bezähnt/ | mit Löwenmähn bemähnt/ | Dreyleibig/ Horngefüst/ ihr Kleid die Wölffe kleidet/ | ihr Zorn die Hunde neidet.“
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subscriptio wohl weder erforderlich noch zeitgemäß. Eine konzise Bildunterschrift ohne umständliche Beschwörung der alten Dämonengräuel dürfte auch Ende der 1640er und Anfang der 1650er Jahre noch im Sinne des Nürnberger Rates gewesen sein. Und noch eine weitere Kontextualisierung erscheint möglich. Datiert man das Blatt auf die zweite Jahreshälfte 1650 oder später, fällt es in den Publikationszeitpunkt einer Gedenkschrift zum Tode Merians am 19. Juni 1650, der Memoria Merianaea.54 Sie enthält sieben Epicedien von bekannten Gelehrten und Schriftstellern, darunter ein Sonett von Klaj.55 Schwelgerisch setzt Klaj zu einer Panegyrik des verehrten Dahingeschiedenen an und betont besonders die unzähligen kostbaren Bücher des Verlages mit ihren prachtvollen Illustrationen, „das gute Bücher-drücken/ | die schöne Kupfferstücken“.56 Als postume Ehrung des Frankfurter Verlegers erscheint gerade die Hexensabbat-Radierung als besonders „schönes Kupferstück“ aufgrund seiner visuellen Opulenz eminent geeignet. Die anspruchsvolle lateinische und die ausufernde deutsche Unterschrift kann durch Klajs ungleich kurzweiligere subscriptio ersetzt werden. Eine weitergehende Wirkung von Klajs Bildunterschrift sollte nicht ausbleiben. Der Kompilator Johannes Praetorius (1630–1680) darf schon deshalb als prominenter Rezipient des Merian-Flugblatts gelten, weil er einzelne Figuren in das Titelkupfer seiner Kompilation Blockes-Berges Verrichtung (1668) hat einfließen lassen.57 Das fünfte Kapitel der Verrichtung befasst sich mit Hexenversammlungen. Nach einer atemlosen Abfolge von Zitaten aus gelehrten Folianten (u. a. Jean Bodin) und Urgichten drängt der Kompilator auf die Veranschaulichung der aufgelisteten Gräuel: „Jedoch mag der unsaubere Geist nit stets den Thieren gleich seyn/ sondern bißweilen erzeiget er sich wie ein Mensch doch sehr schwartz und scheußlich.“58 Die nun benutzte Versform schafft Evidenz: „Reimweise hat es der Leser auch im folgenden zu lesen“.59 Es folgt ein Auszug aus der anonymen deutschen Bildunterschrift, die Praetorius auf 32 Zeilen zusammenkürzt und umstellt,
54 Vgl. zur „Memoria Merianaea“ Wüthrich, Matthäus Merian d. Ä. (wie Anm. 30), S. 362–364. 55 MEMORIA MERIANAEA. | sive | EPICEDIA, | In praematurum & luctuosum Obitum Viri egregii & | Artium celebritate nominatissimi, | DOMINI | MATTHAEI MERIANI […]. Frankfurt o.J., S. 4–6. 56 Ebd., S. 5. 57 Hans Henning: Johannes Praetorius und sein Hexenbuch von 1668. In: Johannes Praetorius: Blockes-Berges Verrichtung. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1669. Mit einem Nachwort von Dr. Hans Henning, Weimar. Hanau/M. 1968, S. I–XXV, hier S. XVI: „Die Abbildung ähnelt übrigens einem Kupferstich bzw. Einblattdruck des 17. Jahrhunderts, der von dem in Nürnberg wirkenden Michael Herr (1591–1661) angefertigt und mit Versen von Klaj versehen worden ist.“ 58 Praetorius, Blockes-Berges Verrichtung (wie Anm. 57), S. 315. 59 Ebd.
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an bestimmten Stellen aber auch mit zusätzlichen Details auffüllt. Direkt dahinter steht die ungekürzte subscriptio von Klaj. Der Kompilator hebt den literarischen Rang des Herbeizitierten ausdrücklich hervor: „Bißhieher der Anonymus; in folgenden redet der fürnehme Poët Clajus.“60 Praetorius reiht Klaj einträchtig in seine Revue zusammenkompilierter Werkauszüge ein, in denen die unbeschreiblichen Gefahren der Hexenversammlungen mit drastischen Worten heraufbeschworen werden, fern jeglicher Zurücknahme und Relativierung eines inzwischen möglicherweise obsoleten Hexenglaubens. So dürfen für Klajs Bildunterschrift unterschiedliche mögliche Funktionskomponenten angenommen werden – sei es als Modernisierung eines alten Flugblattabzugs, sei es als werbeträchtige Revue der visuellen Attraktionen einer alten, aber kunstvollen Radierung, sei es als hintersinnige Parodie des apodiktischen Tonfalls der alten Bildunterschriften, sei es als Persiflage auf bilderklärende subscriptiones überhaupt, sei es als vorsichtige Distanzierung von Aberglauben und Gewalt aus historischem Abstand, sei es schließlich als Reverenz an einen jüngst verstorbenen Buchkünstler von außerordentlicher Begabung.61
Anhang Text 1: Flugblatt Zauberey von 1626, lateinische Bildunterschrift Demonomaenomenum cupiens spectare furores, Et Ditis metuenda nigri lustrare Theatra: Huc ades, hancque vide, spectator amice, tabellam,
60 Ebd., S. 316. – Vgl. zur „Blockes-Berges Verrichtung“ abgesehen von Hennings Nachwort (wie Anm. 57) bes. Gerhild Scholz-Williams: Ways of Knowing in Early Modern Germany. Johannes Praetorius as a Wittness to his Time. Aldershot, Burlington VT 2006, S. 67–110. 61 Auch wenn Diplomarbeiten in der Regel nicht zitierfähig sind, so muss abschließend doch auf eine solche hingewiesen werden: Doris Gruber: Der Hexensabbat. Zeitgenössische Darstellungen auf illustrierten Flugblättern. Diplomarbeit Graz 2013. Die kunstgeschichtliche Arbeit enthält die bislang umfangreichste und intensivste Auseinandersetzung zum Hexenflugblatt und zu seinen „subscriptiones“ (S. 50–75). Außerdem weist Gruber auf ein Ölgemälde mit Bezug zum Hexenflugblatt hin, das möglicherweise von Herr ist: „Neben den Studien ist noch ein Ölgemälde bekannt, das sich auf Schloss Tratzberg befindet und der Flugblattgraphik äußerst ähnlich ist. […] Sofern dieses Gemälde nicht von Herr stammt, ist es zumindest stark von der Graphik inspiriert oder das umgekehrte der Fall. Einige Szene[n] sind fast ident – allerdings deutlich belebter und gedrängter als auf den Flugblättern – wiedergegeben.“ (S. 70; Reproduktion des Ölgemäldes S. 111, Abb. 42).
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Quae Cacodaemoniam rabiem nocturnaque pingit Gaudia, conventus Stygios foedosque hymenaeos Cum Sathana per busta modis squallentia miris, Atque per albentes pecuinis ossibus agros Hae furcis, ille vectantur olentibus hircis Ad festum, Regina coquit lethale venenum. Ast aliae Choreas agitant, vetulaeque canistris Expediunt puerorum artus semesaque membra. Hic Furiae Lamiaeque volant, et spectra tremenda. Exagitant miserum variis speciebus agrestem. Quo ruitis miseri, quos tanta cupido Gehennae Et desiderium flammae cruciabilis urget? I.L.G62
Text 2: Übersetzung der lateinischen Bildunterschrift (von Susanne Maurer und Judit M. Ecsedy) Wenn du dämonische Leidenschaft und das furchtbare Theater eines dunklen Gottes sehen möchtest, komm nur hierher und gib Acht, mein Freund, Betrachter dieses Bildleins, das das böse und dämonische Wüten, nächtliche Wonne, Hexenzusammenkunft und auf seltsame Weise geschehene eheliche Vereinigung mit dem Satan auf den kargen Gräbern darstellt. Der Boden schimmert weiß durch die Tierknochen. Einige fahren auf Gabeln, andere wiederum auf stinkenden Ziegenböcken auf das Fest und die Königin bereitet tödliches Gift zu. Andere tanzen, alte Weiber bringen Gliedmaßen von Kindern und zur Hälfte gekaute Körperteile in Körben. Hier fliegen Furien und Lamien, furchtbar anzuschauen. Der elende Bauer wird auf vielerlei Weise geängstigt. Wohin rennt ihr Unglücklichen, die ihr durch das Verlangen auf die Flammen der ewigen Höllenfeuer geplagt seid?63
62 Hollstein’s German Engravings (wie Anm. 6), S. 156. 63 Für die Übersetzung danke ich herzlich Frau Dr. Susanne Maurer und Frau Judit M. Ecsedy (Budapest).
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Text 3: Flugblatt Zauberey von 1626, deutsche Bildunterschrift Sieh an O Leser dieses Bild/ So schröcklich/ seltzam/ wüst vnd wild Darinn vor Augen wird gestellt/ Der gröste Jammer inn der Welt/ Wie sich die rasend Teufflisch Rott/ Nach dem sie hat verlaugnet GOtt. Vnd sich ergeben dem Sathan/ Zusammen fügt auff diesem Plan/ Bey finsterer Nächtlicher Zeit. Allda sucht ein Elende Frewd. Jm freyen Feld/ an ödem Ort/ Jn Forcht vnd Schrecken hie vnd dort. Da der toll/ blind vnd thöricht Hauff/ Dem Teuffel sich erst opffert auff/ Der doch so schröcklich ihn erscheint/ Daß wer es sicht vor Jammer weint Jst doch kein Fabel noch Gedicht/ Sondern ein warhafftig Geschicht/ Der Leut die solches han gesehen/ Wie auch deß Orts da es geschehen/ Man Ehrenthalb verschonen mag/ Es kompt doch noch wol an den Tag. Dann es helt diese Schelmenzunfft Auch anderstwo Zusammenkunfft/ Wie man solches erfehrt vnd liest/ Das daran nicht zu zweiffeln ist. Ettlich auff Gabeln in der Lufft/ Fahrn über hohe Berg vnd Klufft/ Andere werden vom Bock verzuckt An diesen schnöden Ort verruckt/ Da sie pflegen deß Sathans Lieb/ Auß seinem bösen zwang vnd trieb/ Daß es zu hören schröcklich ist/ Wann ein Mensch sein so gar vergist. Sie tantzen/ springen/ schreyen/ rasen Vnterm Galgen auff dem Schindwasen. Dann wie da ist die Galliard/ So hat auch der Tantzplatz sein Art/ Der Sathan hie Platzmeister ist/ Dem folgt der gantze Hauff zur frist/ Biß er sie in die Höll hinein/
Michael Herr, Matthäus Merian der Ältere und Johann Klaj
Bringt vnd führt in die Ewig Pein. Hie sieht man alte Weiber stahn/ Die tod Kinder in Körben han/ Mißbrauchen vnzeitig Geburt. Ein andere mit dem Teuffel hurt/ Die dritte frißt vnd säufft sich voll/ Wird von Höllischem Tranck gantz toll Auch finden sich Männer herbey/ Damit der Reyhen nur gantz sey/ Die Königin das Gifft bereit/ Der Bawr im Circkel ist wol geheut Vom Gspenst so mancherley Gesicht/ Er kan sich bald erwehren nicht. Jns gmein lehrt man da Zauberey/ All Laster Schand vnd Schelmerey/ O daß der Mensch so gar verrucht/ Mit Macht seine Verdammnuß sucht/ Vnd eylt mit vollem Sporen streich/ Jns Höllisch Fewer vnd Teuffels Reich.64
64 Hollstein’s German Engravings (wie Anm. 6), S. 156.
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Abbildung
Abb. 1: Eigentlicher Entwurf und Abbildung deß Gottlosen und verfluchten Zauber Festes. In: Adolf Trendelenburg: Das Hexenbild von Michael Herr. Mit zwei Tafeln. Berlin 1925, unpag. (nach S. 20)
Dichtung und Musik
Julia Amslinger und Jörg Wesche
Klajs Klangkunst In den Noten und Abhandlungen zu besserem Verständniß des West-östlichen Divan bemerkt Goethe: „Poesie ist, rein und ächt betrachtet, weder Rede noch Kunst; keine Rede, weil sie zu zu ihrer Vollendung Takt, Gesang, Körperbewegung und Mimik bedarf […].“1 Die damit an Dichtung gestellte Forderung musikalischer Körperlichkeit ist in der Barockpoesie, auch wenn Goethe ihr nicht allzu viel abgewonnen hat, gerade bei den Nürnberger ‚Klangpoeten‘ und insbesondere bei Klaj durchaus erfüllt. Das beste Beispiel einer Orchestrierung von Poesie durch Takt, Gesang, Körperbewegung und Mimik geben die in Dilherrs Auditorium publicum am Egidien-Gymnasium von Klaj selbst dargebotenen, teils durch die Kompositionen Johann Theophil Stadens begleiteten Redeactus als „poetische Vorträge“.2 Entsprechend ist die Klangpoesie der Nürnberger Dichterschule keine Neuigkeit. In den Frauenzimmer Gesprächspielen betont Harsdörffer bekanntlich, dass in „allen Dingen/ welche ein Getön von sich geben“ die „Teutsche Sprache“ spricht (I, 357).3 So hat Wolfgang Kayser bereits 1932 seine Dissertation der Klangmalerei bei Harsdörffer gewidmet, und Conrad Wiedemann schon 1966 an den Klangspielen bei Klaj den „deutschen Barockmanieristen“ herausgearbeitet.4 Die literaturgeschichtliche Verständigung darüber scheint also weitgehend klar. Das „Markenzeichen“ der „Nürnberger Manier“, schreibt etwa Hans-Georg Kemper in seiner Lyrikgeschichte der Frühen Neuzeit, ist die „Klangmalerei“.5 Ist dieser Befund natürlich zutreffend, lässt sich indessen fragen, ob die ‚Nürnberger Manier‘ wirklich so einheitlich ist. Will man hier zu gegründeten Feindifferenzierungen kommen, ist dies methodisch nicht leicht, zumal die Gesellschaft selbst durch Gemeinschaftsarbeiten wie das Pegnesische Schäfergedicht profiliert ist. Ein methodisches Grundproblem stellt zudem dar, dass man – auch mit Blick auf Goethes
1 Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan. In: Ders.: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens [Münchner Ausgabe]. Bd. 11.1.2. Hg. von Karl Richter, S. 192. 2 Ernst Rohmer: Geistliche Lieder bei Klaj. In: Morgen-Glantz 14 (2004), S. 139–157, hier S. 144. 3 Georg Philipp Harsdörffer: Schutzschrift/ für Die Teutsche Spracharbeit/ und Der selben Beflissene: zu Einer Zugabe/ den Gesprächspielen angefüget. durch den Spielenden. In: Ders.: Frauenzimmer Gesprächspiele. Hg. von Irmgard Böttcher. I. Teil. [Nürnberg 1644] Tübingen 1968, S. 339–396, hier S. 357. 4 Conrad Wiedemann: Johann Klaj und seine Redeoratorien. Untersuchungen zur Dichtung eines deutschen Barockmanieristen. Nürnberg 1966 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft, 26). 5 Hans-Georg Kemper: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Bd. 4/I: Barock-Humanismus: Krisendichtung. Tübingen 2006, S. 322.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-024
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leicht hingesagte Forderung – bei den poetischen Klangkünsten der Barockzeit weit von den phonographischen Möglichkeiten entfernt ist, die sich heute wie selbstverständlich anbieten. Stattdessen bleibt die historische Analyse auf poetologische Aussagen, aufführungspraktische Textzeugen, historische Verssysteme und die sprachlichen Merkmale der Prosodie als das ‚Hinzugetönte‘ (also sprachlicher Melos und Rhythmus) angewiesen. Besonders für Klajs Dichtarten muss dabei geprüft werden, wie sie sich zwischen den Künsten verorten und wie ihre Balance zwischen poetischer, musikalischer und visueller Zeichenverwendung6 zu beschreiben ist. Treffen sich Dichtung und Musik allgemein „auf der Ebene des Klangs“,7 hat die Forschung die Verselbständigungstendenz des Sprachklangs bei Klaj zuletzt anhand der geistlichen Lieder in Klajs Der leidende Christus luzide nachgezeichnet. „Das Irritierende dabei“ sei, „daß die Alternative zum Szenischen nicht das Rhapsodische ist, sondern daß Vieles, was Klaj hier unternimmt, auf die Klangkunst, die ‚ars acustica‘ des radiophonen Zeitalters voraus verweist.“8 Ist damit das in den Titel dieses Beitrags übernommene Stichwort der ‚Klangkunst‘ benannt, muss in historischer Perspektive doch die spezifische Klangauffassung Klajs berücksichtigt und vor diesem Hintergrund bedacht werden, inwiefern er auf eine sprachästhetische Zwitterform von Poesie und Musik abzielt, die tatsächlich als barocke ‚Klangkunst‘ – oder etwas abgeschwächt – als ‚Klangrede‘9 und nicht als Klangpoesie zu bestimmen ist.10 Auffällig ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass Sprachklang bei Klaj häufig in Wettstreitkonstellationen eingebunden ist.11 Dies trifft freilich auch für Gemeinschaftstexte wie das Pegnesische Schäfergedicht zu. Geradezu musterhaft tritt das Motiv akustischer Agonalität an einem bekannten poetischen Gesellschaftsspiel der Sammlung in Erscheinung. Die fünf Pegnitzschäfer Christoph Arnold (Leridan), Philipp Harsdörffer (Strefon), Johann Helwig (Montano), Johann Klaj (Klajus) und Sigmund von Birken (Floridan) begeben sich in ironischer Absicht in einen Konsonantenwettstreit, bei dem es – anders als etwa beim das Laut-
6 Vgl. dazu den Beitrag von Seraina Plotke in diesem Band. 7 Hans Emons: Sprache als Musik. Berlin 2011 (Kunst-, Musik- und Theaterwissenschaft, 9), S. 15. 8 Rohmer, Geistliche Lieder bei Klaj (wie Anm. 2), S. 153. 9 Christoph Hönig: Neue Versschule. Versrhythmus & Reim. München 2008, S. 245. 10 Aus historischer Perspektive ist die Rhetorik das Bindeglied zwischen Poesie und Musik. Mindestens bis zu Bach ist die Musikauffassung rhetorisch geprägt; entsprechend beschreibt etwa Johann Mattheson Musik ausdrücklich als „Klang-Rede“; Emons, Sprache als Musik (wie Anm. 7), S. 15. 11 Dazu allgemein Wilhelm Kühlmann: Balde, Klaj und die Nürnberger Pegnitzschäfer. Zur Interferenz und Rivalität jesuitischer und deutsch-patriotischer Literaturkonzeptionen. In: Thorsten Burkard (Hg.): Jacob Balde im kulturellen Kontext seiner Epoche. Tagung zur 400. Wiederkehr seines Geburtstages. Regensburg 2006 (Jesuitica 9), S. 93–113.
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spektrum ausschöpfenden Sprachspiel des Vokalfächers oder der Vokalfarbenleiter – um die möglichst hohe Häufung eines Konsonanten, in diesem Fall den Anfangsbuchstaben des eigenen Gesellschaftsnamens, in einer Quatrain-Strophe (vier paargereimte Alexandriner) geht.12 Es handelt sich also um eine Technik, die auf lautlicher Wiederholung beruht und den „Letterhäufungen“ zugeordnet wird.13 Dieses „selbstironische Konsonantenballett“14 richtet sich nach der Gewinn-Logik gegenseitiger Überbietung. Klajus bildet in seiner Lösungsvariante dabei souverän durch insgesamt 41 Wiederholungen des Anfangsbuchstabens K: Der kekke Lachengekk koaxet/ krekkt/ und quakkt Des Krippels Krükkenstokk krokkt/ grakkelt/ humpt und zakkt/ Des Gukkuks Gukke trotzt dem Frosch und auch die Krükke. Was knikkt und knakkt noch mehr? kurtz hier mein Reimgeflikke.15
Über die von Lerian vorgelegte Zahl kommt Klaj damit – wie auch die anderen Gesellschafter – allerdings nicht hinaus.16 Geht es in diesem Fall zunächst um klangliche Überbietung durch Wiederholung, lässt sich im nächsten Schritt zeigen, wie geschickt Klaj das aemulative Potential des Sprachklangs auch als Ausdrucksstärke ausreizt. Einen geeigneten Anknüpfungspunkt bietet dazu Ferdinand van Ingens Studie zu Klajs viertem Redeactus Der leidende Christus als eigenständige Bearbeitung der neulateinischen Tragoedia Christus Patiens von Hugo Grotius. Schon im Eingang setzt Klaj hier effektvoll die dramaturgischen Möglichkeiten der polymetrischen Form in Szene. Der die „ganze Natur erneuernde Frühling“, schreibt van Ingen in seiner hellsichtigen metrischen Analyse, tritt in Opposition des leidenden Christus. Viertaktige Trochäen mit umarmendem Reim stellen die Schmerzen des Gekreuzigten dar, die aufblühende Natur singt und klingt dazu wechselweise in Daktylen mit Auftakt, in Reimpaaren verbunden.“17
12 Vgl. Georg Philipp Harsdörffer / Sigmund von Birken / Johann Klaj: Fortsetzung der Pegnitz=Schäferey. Nürnberg 1645, S. 77. 13 So die entsprechende Randglosse ebd. Dazu auch Alfred Liede: Dichtung als Spiel. Studien zur Unsinnspoesie an den Grenzen der Sprache. Bd. 2. Berlin 1963, S. 101, der die Technik unter dem Stichwort ‚Tautogramm‘ rubriziert. 14 Emons, Sprache als Musik (wie Anm. 7), S. 38. 15 Harsdörffer/Birken/Klaj, Fortsetzung der Pegnitz=Schäferey (wie Anm. 12), S. 78. 16 Letzlich stellt sich ein Patt ein, so dass der Preis der Flöte schließlich keinem der Wettkämpfer zugesprochen wird und die Siegerposition in diesem Beispiel im Sinn der Wahrung gemeinschaftlicher Augenhöhe entfällt. 17 Ferdinand van Ingen: Hugo Grotius’ Tragoedia Christus Patiens (1608), Johann Klajs Bearbeitung (1645) und Daniel Wilhelm Trillers Übersetzung (1723). In: Axel E. Walter (Hg.): Regionaler
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Geradezu dialogisch setzt Klaj den Klang hier als ein wettstreitendes Prinzip ein: zum einem als – wo nicht überbietenden, so doch mindestens gleichziehenden – Dialog zwischen lateinischer (Grotius) und deutscher Sprache (Klaj); zum anderen als Opposition von absterbendem Christus und aufblühender Natur im Szeneneingang, die Klaj zugleich als Opposition der Sinne gestaltet. So wird die Visualität der Wundenmetaphorik mit „blutroten Farben“ durch die daktylisch lebendige Akustik der Frühlingsgeräusche übertönt, bevor in der nächsten Strophe, die Christus gewidmet ist, die trochäisch schwer seufzende Stimme des Gekreuzigten als „Jammerklagen“ vernehmlich wird.18 Dazwischen fügt Klaj noch eine gleichfalls akustisch durchgehaltene Strophe ein, die vier Vogelstimmen onomatopoetisch nachbildet: Die Nachtigall zwittert und kittert in Klüfften/ Die Haubellerch tiretiliret in Lüfften/ Die Stigelitz zitschert und zwitschert im Wald/ Der Fröschefeind klappert/ der Widerhall schalt.19
Die akustische Mimesis dieses Einschubs scheint dabei zunächst sprachmystisch motiviert, indem sich im Vogellaut die ‚Signatur‘ des Schöpfers zeigt.20 Der Kontrast zum Leiden Christi lässt sich vor diesem Hintergrund entweder konsolatorisch verstehen – die ‚Begleit‘-Stimme des Vaters spendet Trost – oder als dialektischer Zusammenhang von Opfertod und Heilsgeschehen, also im Sinn der Gedeihensmetaphorik in der Eröffnungsstrophe („Im lieblichen Frühling wird alles erneuet/ erfreuet/ gedeiet“ und „Der du der Welt Gedeien bist/ zagest“21). Sprachästhetisch klingt in den Vogelstimmen sodann wiederum ein agonales Moment an, das in diesem Fall als Wettstreit von Naturklang und Onomatopoesie ausgestaltet ist. Dabei ist gerade die klanglich nachgebildete Artenvielfalt (Nachtigall, Haubenlerche, Stieglitz und Storch) geeignet, poetische Diversität akustisch auszustellen, die Klaj im Schlussbild des echonischen Klapperns noch potenziert. In dieser Richtung hat Wolfgang Kayser auch für Harsdörffer herausgehoben, dass dessen Klangspiele „nicht an der Natur, am Objekt, sondern
Kulturraum und intellektuelle Kommunikation vom Humanismus bis ins Zeitalter des Internet. Festschrift für Klaus Garber. Amsterdam u. a. 2005 (Chloe, 36), S. 873–911, hier: S. 886. 18 Johann Klaj: Der leidende Christus. Nürnberg 1645, S. 2. 19 Ebd. 20 Zur Sprachmystik bei Klaj auch Volker Meid: Die deutsche Literatur im Zeitalter des Barock. Vom Späthumanismus zur Frühaufklärung. München 2009, S. 476. Die Darstellungsfunktion, dass „die Thiere und Elemente deutsch reden“ unterstreicht bereits Georg Gottfried Gervinus: Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen. Bd. 3. Leipzig 1838, S. 294. 21 Klaj, Der leidende Christus (wie Anm. 18), S. 1.
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am Wort- und Versklang“ interessiert seien und auf das Ausloten und Ausdifferenzieren der poetischen Artikulationsmittel im Deutschen abzielten.22 Die darin angezeigte poetische Vielstimmigkeit führt im nächsten Schritt auf die Frage der Ausdrucksvariabilität der Onomatopoesie als akustischer Stilfigur. Nimmt man sich im Bildbereich von Vogelstimmen bleibend etwa die Klangmalereien der Trutz-Nachtigall Spees (1649 posthum erschienen) zum Vergleichspunkt, ist die dominante Klangfarbe bei Spee das Opitzsche Ideal wohlklingender Zierlichkeit.23 Vögel lässt Spee beispielsweise im Liebgesang der gespons JESV Zum Anfang der Sommerzeit erklingen: Die meng der Vöglein hören last Jhr Schyr- und Tyre-Lyre Da sauset auch so mancher nast Sampt Er mitt musicire. Die zweiglein schwanck Zum vogelsang Sich auff, sich nieder neigen, […]24
Im Klangregister eines Liebesgesangs werden hier „Tyre-Lyre“ und „musicire“ zu einem harmonischen Kreuzreimpaar verbunden. Wohlklang und die Bewegung der in der Verkleinerungsform imaginierten Zweige sind im Rhythmus synchronisiert, so dass ein liebliches Tanzbild entsteht. Der süßliche Grundton geistlichpetrarkistischer Jesusminne klingt dabei schon im Paratext der Sammlung in Spees poetologischen ‚Merckpünctlein‘ für den Leser an, wenn diese das wettstreitende Moment in den Liedern als „trutz allen Nachtigalen süß, vnd lieblich“ anmelden.25 Bei Klaj stellt sich die Sache im Gegenzug weit weniger aus einem Guss dar. Denn bewegt man sich weiter in der Perspektive des Wettkampfs fort, stößt man bei diesem Dichter nicht nur auf den aristophanisch stolpernden ‚Lachengeck‘ oder ‚zwitschernden‘ Stieglitz, sondern immer wieder auch auf den Klang des Krieges. Fokussiert man im nächsten Schritt auf diese kriegerische Klangkunst, ist es zunächst wichtig, sich die biographische Grundsituation in Erinnerung zu rufen, in die sich Klaj – vermutlich im Dezember des Jahres 1643 oder zu Beginn des Jahres 1644 – mit dem Wechsel von Wittenberg nach Nürnberg begibt. Nürnberg, das
22 Wolfgang Kayser: Die Klangmalerei bei Harsdörffer. Ein Beitrag zur Geschichte der Literatur, Poetik und Sprachgeschichte der Barockzeit. Göttingen 21962 (Palaestra, 179), S. 67. 23 Dazu: Tamara Albertini: Elegantia. In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 2. Tübingen 1994, Sp. 991–1004. 24 Friedrich Spee: Trvtz-Nachtigal. Hg. v. Theo G. M. van Oorschot. Stuttgart 1985, S. 41. 25 Ebd., S. 5.
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‚Venedig‘ und (mit Luther) ‚Auge und Ohr‘ Deutschlands,26 ist im 17. Jahrhundert als die Künste fördernde Stadt bekannt. Die Einwohnerzahl der freien Reichsstadt liegt 1644 bei über vierzigtausend Menschen, darunter viele Emigranten und Flüchtlinge, da der Rat der Stadt im Ruf steht, wohlhabend und mildtätig zu sein. Diese Kombination ist für die biographische Entwicklung der Kriegsflüchtlinge aus den nördlichen und östlichen Gebieten entscheidend, da viele in Nürnberg bleiben. Bis 1644 hat die Stadt zwar mehr als „hundert Truppendurchzüge“ erlebt, blieb insgesamt jedoch von den unmittelbaren Auswirkungen des Krieges verschont; dies war „nicht zuletzt dem diplomatischen Geschick ihrer Obrigkeit zu verdanken, die zwischen den feindlichen Mächten zu lavieren wusste.“27 Teil dieser Gruppe von Stadt-Diplomaten ist der Ratsherr Georg Philipp Harsdörffer; Sigmund von Birken hingegen gelangt 1629 im Kleinkindalter von drei Jahren mit seinen Eltern auf der Flucht aus Böhmen (Wildstein bei Eger) nach Nürnberg, und der Student Klaj schließlich flieht aus Wittenberg vor den besonders harten Kämpfen in Sachsen. Klaj – wie etwa auch Zesen mit der Buchner-Art des Daktylus geimpft – mag dabei nicht nur dem allgemeinen ‚guten Ruf‘ der Stadt Nürnberg gefolgt sein. Es finden sich auch günstige persönliche Beziehungen. So stehen z. B. Buchner und Harsdörffer als Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft im Briefwechsel. Auf unterschiedliche Art sind also alle Gründungsmitglieder des Blumenordens vom Krieg betroffen, auch wenn sich keine generationelle Homogenität behaupten lässt: Harsdörffer ist neun Jahre älter und von Birken zehn Jahre jünger als Klaj. Wenn über das Werk Klajs bemerkt worden ist, dass Kunst und Krieg in einem „wechselseitige[n] Bedingungsverhältnis“ zueinander stehen,28 lässt sich dies zwar auch für Harsdörffer und von Birken beobachten, doch sind ihre Schilderungen von Krieg und Kriegsgräuel jeweils aus unterschiedlichen Kriegserfahrungen gefasst und daher nicht ohne Weiteres unter einem einheitlichen ‚pegnesischen Stil‘, eben jener ‚Nürnberger Manier‘, zu subsumieren. Im Weihnachtslied von 1644 etwa schildert Klaj in schulmäßig marschierenden Alexandrinern die Auswirkung des Kriegselendes in Sachsen:
Wie weinet doch das Land, wie thränet doch die Stadt Die nicht den letzten Preiss von dreyen schönsten hat So unser Teutschland rühmt; die muss sich jetzund quelen Bey der die Elster und die Pleisse sich vermählen.29
26 Vgl. Eberhard Mannack: Nachwort. In: Ders. (Hg.): Die Pegnitz-Schäfer. Nürnberger Barockdichtung. Stuttgart 1988, S. 275–292, hier S. 284. 27 Ebd., S. 280. 28 Hans-Georg Kemper: Barock-Humanismus (wie Anm. 5), S. 334. 29 Zitiert nach Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908.
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Auch im Pegnesischen Schäfergedicht finden sich zahlreiche Bezüge zum Krieg in Sachsen. Beispielsweise heißt es über die Stadt Meißen: „Aus derselben hat das rasende Schwert, die Rache der gesuchten Beleidigung, und das wütende Getümmel der Waffen unlängst alle Kunst und Gunst verjaget: Schäfer und Schäferinnen sind um ihre liebe Wollenherde gebracht.“30 Wohl als Reaktion auf seine geglückte Flucht und Aufnahme in Nürnberg widmet Klaj seine Aufferstehung Jesu Christi, „denen Edlen/ Ehrenwerten/ Fuersichtigen/ Hoch= und Wohlweisen Herren/ Herren Buergermeistern und Rahte der weitberuemten Freien Kaeiserlichen Reichs=Stadt Nuernberg“;31 und Harsdörffer trägt dazu das Lobgedicht „Wiederkehr/ Entgegengesetzt den Veraechtern der Teutschen Sprache“ in anapästischen Versen bei, das die Auferstehung Christi mit der Wiederbelebung der deutschen Dichtersprache parallelisiert. Es beginnt mit einer Schilderung des Krieges und der rhetorischen Frage: „Wie! muessen die Musen verstummet erliegen/ ins Elend verjaged und zahend sich schmiegen?“ Mit Dirk Niefanger ist es die Kriegssatire, die aufgrund der weitgehenden „Einigkeit über die moralische Bewertung des Krieges weite artistische Spielräume [eröffnet]“ und sich „für die kritischen Musen als ausgesprochen fruchtbar“ erweist.32 Diese – so muss man Harsdörffer wohl verstehen – sind aufgerufen, „auslaendischer Sprache Betruegen“ zu hassen und im Krieg mit Worten die Deutsche Sprache zum „himmlischen Siegen“ zu führen.33 Opitz, Rist, Buchner, Schottel – Harsdörffer sieht eine lange Linie deutscher Dichter und der Fluchtpunkt ist deutlich: Klaj. Laut Marian Füssel besitzen Krieg und Frieden im 18. Jahrhundert „eine klangliche Dimension“, „deren Codierung zwischen dem Schrecken des Schlachtenlärms und dem Jubel der Friedensfeiern“ oszilliert.34 Dieser Befund kann nicht nur auf den großen Krieg des 17. Jahrhunderts erweitert werden, vielmehr positioniert sich in genau dieser Spannung auch das Klajsche Werk. So aktualisiert Klaj
30 Johann Klaj: Aufferstehung Jesu Christi. In jetzo neuübliche hochteutsche Reimarten verfasset/ und in Nürnberg Bey hochansehnlicher Volkreicher Versamlung abgehandelt. Nürnberg 1644, Widmungsseite (nicht paginiert). 31 Georg Philipp Harsdörffer: Wiederkehr/ Entgegengesetzt den Veraechtern der Teutschen Sprache. In: Klaj, Aufferstehung Jesu Christi (wie Anm. 30), S. 44 [nicht paginiert]. 32 Dirk Niefanger: Lex mich im Mars. Kriegssatire im 17. Jahrhundert. In: Jutta Nowosadtko / Matthias Rogg / Sascha Möbius (Hg.): „Mars und die Musen.“ Das Wechselspiel von Militär, Krieg und Kunst in der Frühen Neuzeit. Berlin u. a. 2008 (Herrschaft und Soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, 5), S. 75–88, hier S. 87. 33 Harsdörffer, Wiederkehr (wie Anm. 31), S. 44 [nicht paginiert]. 34 Marian Füssel: Zwischen Schlachtenlärm und Siegesklang. Zur akustischen Repräsentation von militärischer Gewalt im Siebenjährigen Krieg (1756–1763). In: Stefanie Stockhorst (Hg.): Krieg und Frieden im 18. Jahrhundert. Hannover 2015, S. 149–166, hier S. 149.
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die Sprechsituation in seinen Redeactus immer in Bezug auf den Krieg. Entsprechend folgt in Herodes, der Kindermörder unmittelbar auf die Schilderung von Bethlehem ein Verweis auf die aktuelle zeitgenössische Situation: „Aber hauset nicht eben solche wütende Kriegsgurgel in unserem teutschen Vaterlande?“35 Klaj lässt zudem eine allegorische Figur auftreten, die Teutschland verkörpert und sich durch das – wie es im Text heißt – „bluttrieffende Winseln“ artikuliert.36 Nicht die rhetorisch-allegorische Verfasstheit dieser Stücke überrascht, sondern dass sie in der Allegorese den Fokus auf die klangliche Ausgestaltung legen. Die Allegorien, so kann man zuspitzen, verweisen nicht auf ein Bild-, sondern auf ein Klangprogramm. Die wütende ‚Kriegsgurgel‘ wird durch das „Winseln“37 als verwüstetes deutsches Gebiet verklanglicht. Am sich abzeichnenden Ende des Dreißigjährigen Krieges verfasst Klaj seine Lobrede der deutschen Poeterey (1645), in welcher der Konnex zwischen Krieg und Sprache schließlich am deutlichsten explizit wird: „Unser durch die blutigen Mordwaffen ausgemergeltes Teutschland/ ruffet uns/ seinen Herzgeliebten/ zu: Redet/ Redet/ Redet, daß ich gelehrter absterbe“.38
Nicht nur die Kriegskunst hat sich mit der poetischen Verarbeitung des Krieges seit Opitz verfeinert. Klaj selbst sieht mit ihm auch die Reflexion auf die deutsche Sprache auf höherer Ebene. Der Krieg, negativ verkörpert durch das „ausgemergelte Teutschland“,39 wird zur Erfolgsgeschichte für die Poetik umstilisiert: „Eben wie die Teutsche Kriegs= also ist auch die Verskunst viel höher gestiegen,“40 spitzt Klaj ausdrücklich in der Lobrede zu. Was war passiert? Folgt man Klajs Interpretation, habe der Krieg schlechterdings ganz neue, sprachmächtige Möglichkeiten des Ausdrucks geschaffen: Was sol uns jetzt der Streit/ mit Pfeilen/ Pfriemen/ Stoecken Und der bepralte Sturm mit Thuernen und mit Boeckken/ – – – – – wir haben in die Schlacht Den Donner selbst geholt/ den Blitz darein gebracht /
35 Johann Klaj: Herodes der Kinder=mörder. Nach Art eines Trauerspiels ausgebildet und In Nürnberg Einer Teutschliebenden Gemeine vorgestellet. Nürnberg 1645, S. 24. 36 Ebd., S. 27. 37 Ebd. 38 Johann Klaj: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg 1645, S. 1. Da Nicola Kaminski: Ex bello ars oder Ursprung der „Deutschen Poeterey“. Heidelberg 2004 den Text nicht thematisiert, sei er nachfolgend etwas genauer im Hinblick auf den Zusammenhang von Klang- und Kriegskunst beleuchtet. 39 Klaj, Lobrede, S. 15. 40 Johann Klaj: Lobrede (wie Anm. 38), S. 13.
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Der Glut und Eysen speyt/ fuer dem die Mauern fallen / Die Thuerme Spruenge thun/ Gebirg und Thaeler schallen/ Das wilde Meer erschrikt/ wir mischen uns zusammen Die Elemente selbst und fordern mit den Flammen Das blaue Himmelsdach/ so ganz bestuerzet steht / Wann unsers Pulvers Macht dem Feind entgegen geht.41
In Goethes Faust dichtet Raphael im ‚Prolog im Himmel‘: Die Sonne tönt nach alter Weise In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang.42
Klajs Lobrede hat den Donner indessen zur Sache der menschlichen Sprache gemacht: „Wir haben in die Schlacht/ den Donner selbst geholt.“ Damit ist die akustische Sphäre des Krieges jeder metaphysischen „Unergründbarkeit“ entgegengesetzt; Krieg und rhetorische Poesie erscheinen vielmehr als „technisierte Naturwirkungen.“43 In der Lobrede montiert Klaj überdies eine ganze Quellenassemblage, die zeigt, dass der klangliche Aspekt eines Wortes dem semantischen Gehalt übergeordnet ist. Es wird nicht beschrieben, sondern plötzlich und unmittelbar zur Geltung gebracht. An ein Gedicht über den Ätna von Heinsius schließt Klaj die Frage: „Wer vernimmet hier nicht/ aus den knallenden/ prallenden/ zusammengesetzten Wörtern das Rauchen und Schmauchen des Berges Etnae?“44 Auch für den Kriegseinsatz scheint Klaj die Verskunst wegen der überwältigenden Qualität der poetischen Sprache bestens gerüstet. In einer paradoxen didaktischen Situation unterrichten die Kriegshelden in der Lobrede Studenten der Poeterey über das Aussehen der als weibliche Jungfrau personifizierten Verskunst. Diese allegorische Gestalt ist selbst eine Kriegerin mit Helm und Rüstung: Dapfer und unverzagte Kriegshelden stellen ihnen die Poeterey vor als eine großmütige Fürstentochter/ derer Haubt mit einem güldenen Helmen staffieret/ auf welchem ein von den Musen gewundener und gebundener Lorbeerkrantz grünet/ ihre Rüstung stralet von dem Glantz der Sonnen/ wann sie ihre schimmernde Lantzẽ aufschwingt/ und die Rede aus
41 Klaj, Lobrede (wie Anm. 38), S. 13. 42 Johann Wolfgang Goethe: Faust-Dichtungen. Bd. 1. Texte. Hg. v. Ulrich Gaier. Stuttgart 1999, S. 25. 43 Vgl. dazu Rüdiger Campe: Affekt und Ausdruck. Zur Umwandlung der literarischen Rede im 17. Jahrhundert. Tübingen 1990 (Studien zur deutschen Literatur, 107), S. 226. 44 Klaj, Lobrede (wie Anm. 38), S. 14. Vgl. dazu auch Campe, Affekt und Ausdruck, S. 227.
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ihrem Munde loßbricht/ verhärtet sie den weichen Menschen in einen rauhen Felsen/ daß er keine Gefahr mehr scheuet.45
Im Verbund der Kriegstechniken kommt der Poesie eine besondere Rolle zu. Was die Kriegsmusik, die Aussicht auf Beute und Ruhm im Menschen nicht auslösen können, das vermag die Dichtkunst: Es redets die Erfahrung/ daß/ was das Brummen der Paukken/ das Schallen der Trompeten/ das Versprechen der Beutẽ/ das Vertrösten der Belohnungen/ das Prachten der Siege nicht vermag/ das thut die dapfere Verskunst.46
Sie überzeugt augenblicklich. So ist bei Klaj nicht die rhetorisch-elegant ausgestaltete ‚persuasio‘ als Teil eines Redeaktes gemeint, sondern das spontane Erkennen und Anerkennen von letztgültiger Wirklichkeit im Klang. Dass für Klaj gerade das Deutsche diese Forderung auf vorzügliche Weise erfüllen kann, belegt die Figur eines Spaniers, den Klaj in der Lobrede sagen lässt: Die Teutschen redeten nicht/ sondern donnerten/ er glaube/ daß Gott der Herr unsern ersten Eltern/ Adam und Even/ als er sie aus dem Paradiß verstossen/ ihr Vrtheil in dieser grausamlautenden Sprache gesprochen habe. Wormit dieser Spanier zu verstehen geben/ daß bloß der Hall und Schall der Teutschen Sprache dem Menschen eine Furcht einjagen könnte.47
Allein der bloße Sprachklang verbreite also Angst und Schrecken. In dieser Sicht dient er folglich nicht zur Hervorhebung und Betonung der Aussage, sondern ist bereits selbst semantisiert.48 Resümiert man die Beobachtungen zur postulierten Klangkunst Klajs, erarbeitet dieser ein poetisches Programm von Intensität und Dynamik, das nicht an vorgefasste Gattungserwartungen und deren formale Reglements (Sonett, Hymne, Elegie, Tragödie) anschließt,49 sondern den Fokus auf die lautliche und
45 Klaj, Lobrede (wie Anm. 38), S. 21. 46 Ebd., S. 22. 47 Ebd., S. 36. 48 In dieser Richtung benutzt Klaj in den Redeoratorien etwa auch onomatopoetische Techniken, um Personen oder Personengruppen instantan zu charakterisieren. Einzelheiten bei Rohmer, Geistliche Lieder bei Klaj (wie Anm. 2), S. 154. 49 Vgl. etwa Conrad Wiedemann: Nachwort. In: Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“. Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1644/45. Hg. v. Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 4), S. 1*–19*, hier S. 11*: „Trotz der szenischen Form und obwohl sie sich gelegentlich als Dramen ausgeben, sind sie keine Dramen; trotz eines beträchtlichen Anteils erzählerischer Elemente handelt es sich um keine Epen; es sind keine Gedichtzyklen und auch keine Libretti, obgleich Ausschnitte zur Vertonung bestimmt waren und
Klajs Klangkunst
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metrische Ausgestaltung der Texte legt. Dabei pflegt Klaj zwar keine radikale Klang-Autonomie, doch akzentuiert er die Verbindung von rhetorischen und poetischen Verfahren durchaus neu, indem Metapher und Allegorie aus ihrer engen Bezüglichkeit auf die Bild-Referenz um eine Klang-Semantik erweitert werden. Eine so gefasste ‚Poeterey‘ ist inhaltlich natürlich nicht festgelegt: Bukolische Schäferdichtung, sprachpatriotische Aussagen, Kriegsdichtung, eschatologische Oratorien und Friedensfeiern können gleichberechtigt zusammenstehen, geeint in ihrer Ausrichtung auf die instantane Wirkmächtigkeit des Klangs einer als ausdrucksstark, nicht lieblich – wie etwa bei Spee –, sondern „rau“ verstandenen deutschen Sprache und deren mit Harsdörffer im Wettstreit zu erbringenden „himmlischen Siegen.“
auch vertont worden sind. Als Gattung stehen die Redeoratorien einmalig in der deutschen Literaturgeschichte da.“
Irmgard Scheitler
Johann Klaj und die Musik Johann Klaj gehörte neben seinen Blumgenossen Georg Philipp Harsdörffer und Sigmund von Birken sowie dem Pastor Johann Michael Dilherr und dem Sebaldus-Rektor Johann Vogel zu den meistvertonten Dichtern im barocken Nürnberg. Nachdem Singbarkeit entscheidend zur Verbreitung eines Textes beiträgt und zudem Neuvertonung eine Ehre darstellt, lässt sich an ihr auch die Reputation des sächsischen Flüchtlings ablesen, der in Nürnberg eine neue Heimat fand. Das Fundament legte der Pegnesische Blumenorden, dem zwar, als einer Dichtergesellschaft, keine Musiker angehörten, der aber die Verbindung zu Komponisten, Instrumentalisten und Sängern nachdrücklich suchte. Georg Philipp Harsdörffer beeindruckt durch seine Beschlagenheit in theoretischen Überlegungen zur Tonkunst.1 In seine Dramen integrierte er, ebenso wie Sigmund von Birken, Gesang und Instrumentalmusik, nicht als Ornament, sondern weil er von der Schwesternschaft beider Künste und der tiefgreifenden Wirkung der Töne überzeugt war. Die Kulturgeschichte verdankt ihm und seinem Mitarbeiter Sigmund Theophil Staden das erste bekannte, ganz gesungene deutschsprachige Theaterstück überhaupt, mag man es nun „Oper“ nennen oder nicht: Das Geistliche Waldgedicht oder Freudenspiel, genant Seelewig Gesangsweis auf Italianische Art gesetzet (1644). Die Musik der Reichsstadt Nürnberg war einerseits städtisch, andererseits kirchlich organisiert. Das Stadtregiment hielt sich spätestens seit dem vierzehnten Jahrhundert ein Musikcorps, die sog. Stadtpfeifer. Diese Berufsmusiker zeichneten sich durch Fertigkeit auf verschiedensten Instrumenten aus und hatten für repräsentative Funktionen zur Verfügung zu stehen. Sie konnten auch für kirchliche Zwecke eingesetzt werden, z. B. vom Director chori musici oder von einem der Organisten der Nürnberger Kirchen St. Sebald, Lorenz, Egidien oder Hl. Geist. Nürnberg war im siebzehnten Jahrhundert deutschlandweit einer der führenden Orte auf dem Gebiet der Musik. Durch eine fortlaufende Reihe von Lehrer-Schüler-Verhältnissen stellte es eine der wichtigsten musikalischen Ausbildungsstätten dar; es war berühmt für seinen Instrumentenbau wie für den Musikaliendruck und dank seiner musisch gesinnten Bürger zeichnete es sich bereits im sechzehnten Jahrhundert durch eine bedeutende private Musikpflege aus. Bürger und Berufsmusiker fanden sich in Musikkränzlein oder Collegia musica zusammen, de
1 Vgl. Irmgard Scheitler: Harsdörffer und die Musik. „Seelewig“ im Kontext deutschsprachiger Musikdramatik. In: Georg Philipp Harsdörffers Universalität. Beiträge zu einem Uomo universale des Barock. Hg. von Stefan Keppler-Tasaki / Ursula Kocher. Berlin, New York 2011 (Frühe Neuzeit, 158), S. 213–235.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-025
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nen bedeutende Musiker Kompositionen widmeten. Überdurchschnittlich viele Kasualkompositionen sowie privat initiierte Aufführungen bezeugen das kulturelle Leben.2 Städtische Stipendien ermöglichten es den Söhnen der Stadt, ihre Studien auswärts, namentlich in Italien zu vervollständigen. Sigmund Theophil (Gottlieb) Staden (1607–1655), der zu seiner Zeit einflussreichste Musiker Nürnbergs, wurde von seinem Vater ausgebildet. Dieser, Johann Staden, hatte als Organist von St. Sebald die wichtigste Organistenstelle der Stadt inne. Für die musikalische Fortbildung seines Sohnes in Augsburg (bei Jakob Paumann) und Berlin (bei Walter Rowe) steuerten die Stadtväter nicht unbedeutende Geldbeträge bei. 1627 erhielt Sigmund Theophil einen Stadtpfeiferposten, 1634 daneben die Organistenstelle an St. Lorenz. Damit avancierte er zum bestbezahlten Musiker der Reichsstadt. Für die Pegnitzschäfer war er sozusagen der Hauskomponist, doch bekam er auch Aufträge von auswärts, z. B. von Johann Rist. Obwohl in einigen Werken konservativ, war er doch für die Neuerungen der italienischen Musik aufgeschlossen. Durch die Arbeit an Klajs Schulactus oder Harsdörffers Seelewig und „Tugendsternen“ stand er vor Aufgaben, deren innovative Herausforderung nicht zu unterschätzen ist. Klajs deutsche Actus, besser unter dem unzutreffenden Namen „Redeoratorien“ bekannt, wurden nicht, auch wenn das in der Literatur immer wieder behauptet wird, in St. Sebald aufgeführt, sondern für die Institution Auditorium Publicum der St. Egidien-Anstalt im großen Saal des Augustinerklosters.3 Staden stattete diese Vorstellungen mit instrumentalen Einleitungen, Zwischenmusiken und Liedern aus. Teilweise gibt der Dichter die Besetzungen an, die auf ein charakterisierendes Verfahren in der Komposition schließen lassen. Es handelt sich um geringstimmige Vokalbesetzungen mit klanglich angepassten obligaten Instrumenten. In ihrer Anlage gehören Klajs Auftritte in Dilherrs Veranstaltungsreihe in das Gebiet der Mischform des Actus oratorio-dramaticus, der die Formen des Actus mit denen der Bühnenaufführung mischt.4 In Fall der Nürnberger Veranstaltungen geschieht dies durch die Einschaltung von dramatischen Personen, etwa beim Lied der Maria (1. Chor in Freudengedichte Der seligmachenden Geburt Jesu Christi) oder den Chören der Engel und Teufel im Engel- und Drachen-Streit.
2 Irmgard Scheitler: Bürgerliche Frömmigkeitskultur in Nürnberg. Abraham und Isaak auf der Bühne. In: Aedificatio. Erbauung im interkulturellen Kontext in der Frühen Neuzeit. Hg. von Andreas Solbach. Tübingen 2005, S. 333–355. 3 Vgl. Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit, 69), S. 235–244. 4 Zum Actus und seinen Mischformen siehe Irmgard Scheitler: Schauspielmusik. Funktion und Ästhetik im deutschsprachigen Drama der Frühen Neuzeit. Bd. II: Darstellungsteil. Beeskow 2015 (ortusstudien, 19), S. 208–212.
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Insofern gehen Klajs Actus in ihrer musikalischen Ausstattung weit über das hinaus, was sonst bei oratorischen Veranstaltungen üblich war, nämlich lediglich eine Trennung der einzelnen Ansprachen durch Musik. Gerade ihre Vokalmusik macht den Schritt hin zur dramatischen Anlage. Klaj steht mit solchen theatraloratorischen Vorträgen aber in Nürnberg nicht allein da, wie gleichartige Vorträge im Auditorium Publicum beweisen. Ein Beispiel bietet Birkens Krieges- und Friedensbildung in einer/ Bey hochansehnlicher Volkreicher Versammelung offentlich vorgetragenen Rede/ aufgestellet, worin allegorische Figuren musikalisch auftreten.5 Staden hat seine erklärte Absicht, die Actus-Musiken zu veröffentlichen,6 nie in die Tat umgesetzt, wie er überhaupt nur zwei Sammlungen von Vokalwerken herausgegeben hat: Neben Andachtsliedern eine Zusammenstellung der Kompositionen zu den Nürnberger Friedensfeierlichkeiten, deren musikalische Leitung er innehatte, obgleich sie eigentlich in den Zuständigkeitsbereich von Georg Walch, dem Director chori musici, gehörten. Für diese Veranstaltung mit erheblicher Außenwirkung wollte die Stadt den ersten Musiker verpflichten. Die bekannte Darstellung Joachim von Sandrarts nach einem Stich Wolfgang Kilians zeigt ihn auf der Sängerempore mit erhobenem Taktstock.7 Unter den Komponisten, die ebenfalls für dieses bedeutende Ereignis, die Friedensverhandlungen, Musik beitrugen, befindet sich auch Johann Erasmus Kindermann (1616–1655). Bei der Aufführung zum schwedischen Friedensmahl saß er an der Orgel. Er ist der zweite, für Klajs Werk hochbedeutsame Tonsetzer.
5 Sigmund von Birken: Krieges- und Friedensbildung in einer/ Bey hochansehnlicher Volkreicher Versammelung offentlich vorgetragenen Rede/ aufgestellet/ Nebenst einer Schäfferey. Nürnberg: Endter 1649, S. 4, vgl. S. 21 f.; 38. Doch gab es dergleichen Mischformen keineswegs nur in Nürnberg. Eine gut vergleichbare Parallele bietet das bislang unbekannte Jugendwerk des großen Liedmeisters Adam Krieger, ein Weihnachtsactus. Das Neugebohrne Jesulein besungen in Deutscher Zungen von Adam Krügern von Drisen aus der Neuen Mark. in der Weitberühmten Hällischen Schule Am 30. Tage deß Christ-Monats dieses endlauffenden 1650ten HeilJahrs. Halle a. d.S.: Rappoldt 1651. Irmgard Scheitler: Schauspielmusik. Funktion und Ästhetik im deutschsprachigen Drama der Frühen Neuzeit. Bd. I: Materialteil. Tutzing 2013 (Würzburger Beiträge zur Musikforschung, 2.1), Nr. 590. 6 Johann Klaj: Der Leidende Christus. Nürnberg: Endter 1645, S. 40. Johann Klaj: Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poetery“. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock) 1965, S. [248]. Näheres bei Irmgard Scheitler: Deutschsprachige Oratorienlibretti. Von den Anfängen bis 1730. Paderborn 2005 (Beiträge zur Geschichte der Kirchenmusik, 12), S. 47–51. 7 „Das Friedensmahl“, Gemälde von Joachim von Sandrart, Nürnberg, Fembohaus. Der Stich Wolfgang Kilians ist den einschlägigen Drucken von Klaj und Birken beigefügt. Christian Klemm: Das Nürnberger Friedensmahl am 25. September 1649: Joachim Sandrarts Gemälde. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 75 (1988), S. 77–82.
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Auch er war ein Schüler Johann Stadens. In seiner Jugend hatte dieser kreative und innovative Musiker das Glück gehabt, in Italien studieren zu können. Zurück in seiner Heimatstadt musste er sich mit schlecht dotierten Posten begnügen. 1636 wurde er zweiter Organist bei St. Marien, 1640 Organist bei St. Egidien, was ihn aber immerhin in die unmittelbare Umgebung des einflussreichen Pastors und Schriftstellers Johann Michael Dilherr rückte, dessen musikalischer Mitarbeiter er bald wurde. Staden hatte die wesentlich bessere Position inne, aber an Genie übertraf ihn Kindermann womöglich noch. Er führte das Ritornelllied in Nürnberg ein, d. h. die Kombination von Sing- und Spielmusik, und wagte sich an frühe Experimente mit rezitativischem Stil und anspruchsvoller mehrsätziger konzertierender geistlicher Musik.
1 Friedensdichtungen Von April 1649 bis Ende Juni des Folgejahres tagte eine Versammlung von hohen Diplomaten in Nürnberg, die über die Friedens-Exekutions-Traktate beriet, d. h. die praktische Durchführung des Westfälischen Friedensschlusses vom Oktober 1648, etwa den Abzug der Heere.8 Wie bei jedem Kongress arbeiteten die Diplomaten nicht nur, sondern wollten auch unterhalten werden und durch Bankette ihre Großherzigkeit beweisen. Außerdem galt es, die Verhandlungsergebnisse gebührend zu feiern. Verschiedene Dichter und Musiker stellten ihre Kunst in den Dienst der Festlichkeiten. Zum Druck gelangten zwei Sammlungen von Musikstücken, die beide auch Texte von Klaj enthalten: Sigmund Theophil Stadens Musicalische Friedens-Gesänger (1651)9 bestehen aus zwölf dreistimmigen geistlichen und weltlichen Werken; die Texte stammen, wie der Titel hervorhebt, von verschiedenen nürnbergischen „berümbten Poëten“. Klaj ist mit zwei Texten vertreten.
8 Stefan Hanheide: „Lieb und Einigkeit machet eiserne Jahre zu guldenen Zeiten.“ Zu Sigmund Theophil Stadens „Musicalischen Friedensgesängen“. In: Amor docet musicam. Musik und Liebe in der Frühen Neuzeit. Hg. von Dietrich Helms und Sabine Meine. Hildesheim 2012, S. 365–384, hier S. 366. Vgl. zu den Nürnberger Friedensfesten vgl. Hartmut Laufhütte: Das Friedensfest in Nürnberg 1650. In: 1648. Krieg und Frieden in Europa. Hg. von Klaus Bußmann und Heinz Schilling. Bd. II. München 1998, S. 347–357. 9 Sigmund Theophil Staden: Musicalische Friedens-Gesänger/ Welche Denen […] Herren Plenipotentiarien, Generaln […] Zu […] gehorsamen Ehren/ Von underschiedlichen berümbten Poëten gedichtet/ und durch Sigmund Theophilum Staden, Organisten bey St. Lorentzen […] in die Noten gebracht. Nürnberg: Endter 1651. In: Stefan Hanheide (Hg.): Friedensgesänge 1628–1651. Musik zum Dreißigjährigen Krieg. Werke von Johannes Werlin, Sigmund Theophil Staden, Melchior Franck und Andreas Berger. Wiesbaden u. a. 2012 (Denkmäler der Tonkunst in Bayern, N.F. 22).
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14 strophische Ritornell-Lieder stehen in Kindermanns Musicalischer Friedens Freud (1650),10 darunter fünf auf Texte von Klaj. Eine musikalische Rekonstruktion der Friedensfeiern kann leider nicht gelingen. Für das erste von Hofmarschall Christoph Carl von Schlippenbach organisierte Festbankett am 25. September 1649 liegt eine Beschreibung in einer schwedischen Quelle vor.11 Vier „Chöre“ (d.i. Musikgruppen) waren in den Saalecken auf Emporen untergebracht, unterteilt in Sänger und Orgel (1), Saiteninstrumente (2), Posaunen und Zinken (3), Fagotte (4).12 Zehn Nummern erklangen bis zum „Umtrunck“, doch gab es zwischen den fünf Vokalwerken ein Gebet und vier instrumentale Einlagen mit dem berühmten Streichklavier, einer Nürnberger Spezialität, auch „Geigenwerk“ genannt.13 Beim „Schwedischen Friedensmahl“ wurden nur biblische Texte gesungen. Von Staden sind zwei Stücke ausgewiesen: Neben dem Schlusschor Ps 150 („Lobet Gott in seinem Heiligtum“) noch Nr. 4 der aufgezählten Reihenfolge: „Ihr Himmel lobet den Herrn“ und dazu „Ehre sei Gott in der Höhe“. Nur das „Ehre sei Gott in der Höhe“ ist durch Stadens Sammlung belegt und steht dort als Nr. V. Die übrige Musik gelangte nicht zum Druck. Die 51 damals beteiligten Personen sind namentlich aufgeführt. Aus dem personellen Aufwand, den man betrieb, und dem Einsatz verschiedener Instrumente (Orgel, Theorbe, Harfen, Gamben, Violinen, Fagotte, Posaunen) lässt sich ableiten, dass auch die übrigen Feiern viel größer dimensioniert waren, als die beiden erwähnten Veröffentlichungen es ahnen lassen. Trompeten und Heerpauken werden bei
10 Johann Erasmus Kindermann: Musicalische Friedens Freud/ Welche mit 1. und 2. singenden Stimmen/ beneben 3. Violen in Rittornello (so man wil) Kan Musicirt werden/ sampt dem General-Bass. Nürnberg: Endter 1650. Johann Erasmus Kindermann: Ausgewählte Werke. Tl. II. Hg. nach den hinterlassenen Materialien von Dr. Felix Schreiber und eingel. von Bertha Antonia Wallner. Augsburg 1924 (Denkmäler der Tonkunst in Bayern, 32), S. 111–116. 11 Abdruck z. B. in Tobias Norlind: Ein Musikfest in Nürnberg im Jahre 1649. In: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 7 (1905/06), S. 111–113. Wieder in: Hermann Harrassowitz: Das Nürnberger Friedensmahl am 25. September 1649. Die Festmusik. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 75 (1988), S. 83–90. Die 51 Mitwirkenden sind namentlich genannt. 12 Die genaue Besetzung, die differenzierter ist, gibt die schwedische Quelle an; Norlind, Musikfest (wie Anm. 11), S. 112 f. 13 John Henry van der Meer: Gestrichene Saitenklaviere. In: Basler Jahrbuch für Historische Musikpraxis 13 (1989), S. 141–181. Michael Praetorius: Syntagma musicum. 3 Bde. Faksimile-Nachdr. der Ausg. Wittenberg bzw. Wolfenbüttel 1614–1619. (Kassel u. a. 1959–1980. Documenta musicologica, Erste Reihe, 21, 14, 15), Bd. 2 (1619), S. 67–72 und Abb. III.
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den Instrumentalisten nicht genannt und nehmen eine eigene Gruppe ein.14 Auch wenn der Druck wohl subventioniert war, so musste man doch aus Finanzierungsgründen, aber auch wegen einer möglichen Wiederverwendbarkeit der Musiken (auch im privaten Rahmen) bescheidenere Besetzungen wählen. Johann Klaj hat 1650/1651 versucht, einen Eindruck von den Festlichkeiten zu geben durch seine umfangreichen, mit Kupferstichen gezierten Veröffentlichungen Irene (1651) und Geburtstag deß Friedens (1650).15 Dabei handelt es sich freilich nicht um getreue Beschreibungen. Vielmehr greift der Dichter auf ihm geläufige Gattungen, v. a. die Prosa- und die Verspastorale sowie auf den Actus mit seinem „Poeta“ zurück und bringt die Ereignisse auf diese Weise in einen Erzählund Handlungszusammenhang (mit vielen gelehrten Anmerkungen). Dramatische und theatralische Elemente freilich bestimmten auch die historische Festgestaltung. Sie bilden sich sogar im ersten Teil von Stadens gedruckten Friedensgesängen ab, der deutlich Aufzugs-Charakter hat.16 Irene ist in verschiedene Teile gegliedert. Vergleicht man ihre liedhaften Passagen mit den Veröffentlichungen in den Komponistensammlungen, so findet man in diesen nur einen Bruchteil. Andererseits enthalten die Musikalien zahlreiche Werke, die nicht Klaj zum Dichter haben, denn dieser unterschlägt verständlicherweise die poetischen Beiträge der anderen Autoren. Es ist gut möglich, dass die narrative Bearbeitung weit mehr singbare Teile aufweist als Musikstücke auf dem historischen Fest aufgeführt wurden. Aber mit ziemlicher Sicherheit gelangte auch nur eine Auswahl der tatsächlich musizierten Stücke zum Druck – die Instrumentalmusik und die Trompeterstücke blieben ohnedies unveröffentlicht. Auch wenn also längst nicht alle Musikstücke, die bei den verschiedenen Nürnberger Festakten erklangen, auf uns gekommen sind, so bietet das Vorliegende doch einen historisch hoch bedeutsamen Einblick und Klajs Anteil daran verdient Beachtung.
14 Vgl. auch Johann Klaj: Irene/ das ist Vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Friedens. Nürnberg: Endter 1651, S. 69 Anm. 47: „Obgleich sonsten die Music in vier Chöre abgetheilet/ und sich die gantze Zeit über mit den Trompetern und Heerpauckern Wechselweise lustig hören lassen […]“. 15 Klaj, Irene (wie Anm. 14). Johann Klaj: Geburtstag deß Friedens/ Oder […] Wie der großmächtigste Kriegs- und Siegs-Fürst Mars auß […] Teutschland/ seinen Abzug genommen/ mit Trummeln/ Pfeiffen/ Trompeten/ Heerpaucken […] hingegen […] Irene mit Zincken/ Posaunen/ Flöten/ Geigen/ Dulcinen/ Orgeln […] angenommen worden. Nürnberg: Endter 1650. 16 Nr. I-III der Veröffentlichung Stadens (Friedensgesänge, wie Anm. 9). Zum Terminus und dessen Bedeutung vgl. Scheitler, Schauspielmusik, Darstellungsteil (wie Anm. 4), S. 215–220.
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Leitender Ausdruck der allgemeinen Freude über den endlich erreichten Frieden war das Gloria: „Ehre sein Gott in der Höhe“. Klaj druckt einen „Canon in Unisono“ über diesen Text schon auf dem Kupfertitel seiner Irene. Die historischen Berichte erwähnen das „Ehre sei Gott“ als musikalischen Höhepunkt während des Schau-Essens im „Schwedischen Fried- und Freudenmal“. Allerdings unterscheidet sich Stadens Komposition von den Beschreibungen, so dass man eine Übereinstimmung nicht mit Sicherheit behaupten kann. Auf jeden Fall liegt eine Umarbeitung vor. Im Theatrum Europaeum liest man: „haben die Musici […] sonderlich aber das Gesang der Engel/ bey der Geburt deß Friedens Fürsten: Ehre sey Gott in der Höhe/ Friede auff Erden/ und den Menschen ein Wohlgefallen/ etc. künstlich und lieblich gesetzet/ erklingen lassen.“17 Genauer ist die schwedische Quelle, die ausdrücklich Staden als Komponisten nennt: „4. Ihr Himmel lobet den Herrn dazu haben wir inn der höch 2 discantisten zu einer Theorba, gesungen: Ehre sey Gott in der Höhe, Fried auff Erden, und den Menschen ein wolgefallen“.18 Die beiden Stücke wurden offenbar konzertierend musiziert. Die anrührende Wirkung entstand durch die erhöhte Position des Engelsgesangs,19 wobei der ätherische Klang von „einem Discant- und Lautencohre“ [sic] auch von Klaj in Irene hervorgehoben wird.20 Vermutlich war die Textgrundlage des Stadenschen Stückes nicht der Bibeltext, den die historischen Quellen benennen, sondern die von Klaj in Irene angeführte und in Stadens Noten gedruckte Versifizierung:21 Ehre sei Gott in der mächtigen Höhe. Widerhall: prächtigen Höhe. Alles auf Erden recht friedlichen stehe. Widerhall: schiedlichen gehe. Alle Welt laß ihr von Hertzen gefallen Göttliches/ friedliches/ schiedliches Wallen.22
Klaj legt also eine Variation des bekannten Gloria-Textes vor, die er um der Begeisterung willen in ein daktylisches Versmaß gebracht hat, wobei die Kurzzeilen als Echo wirken. Der Echo-Effekt wurde immer noch als etwas Besonderes emp-
17 Johann Georg Schleder: Theatri Europaei Sechster und letzter Theil. Frankfurt a. M.: Merian 1663, S. 938 f. 18 Norlind, Musikfest (wie Anm. 11), S. 113. 19 Zu dessen möglicher Aufstellung auf einem gesonderten Podest vgl. Friedensgesänge (wie Anm. 9), Vorwort S. XXIX. 20 Klaj, Irene (wie Anm. 14), S. 69 Anm. 47. 21 Ebd., S. 51 f. 22 Staden: Göttliches Wallen und englisches Schallen [Göttliches Wallen und englisches Schallen] lasset euch Christen von herzen gefallen.
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funden und übte auf die Zeitgenossen einen großen Reiz aus. Die Komposition setzt die Daktylen nicht als Dreiertakt, sondern als 4/4 Takt um. Sie zeichnet sich gegenüber den anderen Stücken der Sammlung dadurch aus, dass sie in der ersten Hälfte in die (modern gesprochen) Dominante moduliert und in der zweiten Hälfte wieder in die Ausgangstonart zurückführt. Sechs Stimmen, drei Sänger (zwei hohe Stimmen und ein Bass) und drei Streicher (Violine I und II; Violone) musizieren für diese 29taktige Liedmotette zusammen, gestützt von einem Generalbass. Die spezielle Wirkung der Originalaufführung wird aus den vorliegenden Noten nicht recht deutlich, zumal auch das dazugehörige erste Stück fehlte. Staden hat die Besetzung (zwei Sänger und Theorbe) geändert und hat transponiert, nämlich „ein [sic] Terz niderer gemacht“. Am 25. September 1649 erklang das Stück in D und in der angegebenen zarten Besetzung. Vielleicht war das dazugehörige Ihr Himmel lobet den Herrn kontrastierend angelegt, womöglich sogar unterstützt von Trompeten in D-Stimmung. Sigmund von Birken lässt in seiner Beschreibung des Schwedischen Banketts das „Ehre sei“, das einzige von ihm erwähnte Musikstück, bereits zu Beginn der Feier noch vor Tisch erklingen, nämlich mit allen vier Chören.23 Als weiteren Text von Klaj vertonte Staden „Steh auff/ steh auff/ du Morgenstern deß Lentzen“.24 Er veröffentlichte einen Tonsatz für drei Vokalstimmen mit einer vorgeschalteten Sinfonia von drei Streichern (zwei Violinen, Violone) und Basso continuo. Diese instrumentale Einleitung weist die Komposition als Ritornelllied aus, eine damals moderne, auch in der Hausmusik gern praktizierte Gattung. Die Besetzung mit zwei Violinen und einem das Continuo unterstützenden Bass ist weit verbreitet. Staden lässt die Motivik der Vokalstimmen schon in den Parts der versetzt einsetzenden Streicher erklingen, ein hübscher Einfall, den man aber ebenfalls immer wieder findet. Das „Ehre sei“ steht ohne Spielmusik – auch dies ist ein Hinweis, dass es sich nicht um eine selbstständige Komposition handelte, denn sonst schreibt Staden in den Friedensgesängen nur Ritornelllieder. Eine Anmerkung vermerkt, das Lied sei ursprünglich einstimmig gewesen. Dieser Rückbezug auf die historische Aufführung war dem Komponisten offenbar wichtig, ebenso den zeitgenössischen Käufern seiner Veröffentlichung. Die vier Strophen finden sich im 1. Abschnitt der Irene.25 Sie richten sich an die Nachtigall
23 Die Fried-erfreuete Teutonie. Eine Geschichtschrifft von dem Teutschen Friedensvergleich/ was bey Abhandlung dessen/ in des H. Röm. Reichs Stadt Nürnberg/ nachdem selbiger von Osnabrügg dahin gereiset/ denkwürdiges vorgelauffen. Nürnberg: Dümler 1652, S. 57: „welches an den Ecken des Saals vier wolbestimmte kling- und SingChöre verrichteten und mit Kunstspielender Uberlieblichkeit das Gehör des Anwesenden belustigten.“ 24 Friedensgesänge (wie Anm. 9), Nr. VI. 25 Klaj, Irene (wie Anm. 14), S. 12 f.
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als den Vogel des Gotteslobes,26 der hier zugleich Bote eines Friedensfrühlings ist. Um dies zu verdeutlichen, setzte Klaj vor „Steh auff/ steh auff“ ein weiteres Lied, die Aufforderung Irenens, der Personifikation des Friedens, an die Nachtigall: „Frülingsbringerin/ schwing dich hin und wieder“.27 An dem sehr charakteristischen Strophenmuster, das der Dichter dafür verwendete, werden die Zeitgenossen erkannt haben, dass der Text auf die Melodie von Ps 81 im Genfer Psalter passte.28 Die vier Strophen erscheinen fett gedruckt, vielleicht sind sie auch gesungen worden.29 Das nun folgende, von Staden vertonte Gedicht hingegen wirkt zunächst gar nicht, als böte es sich zur musikalischen Umsetzung an. Das ausladende Strophenmuster mit seinen zehn unterschiedlich langen Zeilen (fünf-, drei- und zweihebig) ist nahezu madrigalisch und ohne Vorläufer. Der Text ist dem „Poeten“ in den Mund gelegt, jener Figur, die wir aus den Actus kennen und die als Erzähler fungiert. Der Text bei den Noten bietet eine Reihe von Varianten gegenüber Irene, von denen aber nur eine größere Bedeutung hat: Bei Staden wendet sich die letzte Strophe konsequent an die versammelten Diplomaten. Steh auf/ steh auf/ du Morgenstern deß Lentzen/ du laute Nachtigal/ sing trefflich/ sing in unsern Pegnitz-grentzen mit Friedvermengtem Schal; auf/ schwing dich auf und laß den Lauf/ Feldsängerin/ der honigsüssen Kehlen/ schleif/ artlich schleif/ pfeif/ artlich pfeif/ kein Kriegessturm wird deinen Pusch mehr qvälen. Sie singet/ hört: Der Sternenthron sich heitert/30 der Wald ist wieder Wald: Es hat sich Blut und Mut hell aufgeläutert/ der Hornung ist steinalt;31
26 Ebd. S. 11: „Vor allem loben Gott die Sängernachtigallen“. S. 28 Anm. 26 verweist auf Verse von Paul „Melissus“ Schede. 27 Ebd., S. 11. 28 „Singt mit freier Stimm | Gott der da allmächtig“. EdK. Das deutsche Kirchenlied. Kritische Gesamtausgabe der Melodien. Vorgelegt von Joachim Stalmann, bearbeitet von Karl-Günther Hartmann, Hans-Otto Korth u. a. Kassel 1993/2010 (Das deutsche Kirchenlied, III/1–4) (im Folgenden zitiert als EdK), Fa67. 29 Leider lassen sich aus den Drucktypen in ‚Irene‘ keine Schlüsse auf die Aufführungsform ziehen. Vielmehr scheint der Platz auf der Seite den Ausschlag gegeben zu haben. 30 Staden: das Wolkenblau ist silberklar geheitert. 31 Staden: Der Winter ist steinalt.
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kein Frost noch Schnee ermordt den Klee/ Wind/ Winter/ Reif/ Frost/ Vnlust sind gefallen/32 in dem wir hier/ dir/ Erdenzier/33 ein Friedens-Lied zu Lobe lassen schallen.34 Das Teutsche Land darf sich nicht mehr befahren/ das Kriegen ist zernicht/ diß ist der Tag nach dreymal zehen Jahren/ willkommen schönes Liecht! du machst uns froh/ jo/ jo/ jo/ jo! Gott Lob/ es ist der Friedenschluß getroffen/ durch Himmelgunst und Heldenkunst/ hat alle Welt den güldnen Fried zu hoffen. Die Helden auch sind überhoch zu preisen ob dick gehabter Müh/ fort rasten sie von Müh und müden Reisen/ so ruhet spat und früh/ ihr Lebensliecht35 verlesche nicht/ lebt allezeit ein tausendgüldnes Leben. Wo/ wann ihr geht wo/ wann ihr steht/ wird Friedelar üm eure Haubter schweben.36
Während Stadens Sammlung nur zwei Klaj-Texte enthält, ist der Anteil bei Kindermann in seiner Musicalischen Friedens-Freud reicher. Es sind dies die fünf Nummern 9–13. Alle Texte stehen auch in Irene. Nr. 9 „Wie trefflich schön und überfein“ entstammt dem Teil Lustfreudiges Feldpanquet,37 in dem der Frühling beschworen wird. Die Überschrift heißt dort: „3. Chor. Geistlicher Orpheus Ps. 133 in der Stimme: Allein Gott in der Höh sey Ehr“. Der „Chor“ bildet zugleich das „Ende deß Ersten Theils“ von Irene.38 Kinder
32 Staden: Wind, Winter, Sturm, Frost Unlust. 33 Staden: des Friedens Zier. 34 Staden: Ein Lobelied in unserm Nordgau lassen schallen. 35 Staden: Ihr Helden seid auch überhoch zu preisen ob vielgehabter Müh. Nun rastet fort von Müh und müden Reisen, ja rastet spat und früh. Eur Lebenslicht […]. 36 Staden: Wird Gottes Fried um euch und eure schweben. 37 Klaj, Irene (wie Anm. 14), S. 88. 38 Ein zweiter Teil fehlt, es sei denn, man will ‚Geburtstag deß Friedens‘ als solchen ansehen.
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manns Tonsatz ist ein zweistimmiges Generalbasslied für zwei hohe Stimmen (Soprane oder Tenöre) und Generalbass. Hier wie in allen übrigen Fällen hat der Komponist darauf verzichtet, auf die Melodie zurückzugreifen, deren Muster der Text folgt und die Klaj in Irene angibt. Die Bezeichnung „Chor“ ist nicht als musikalischer Terminus zu verstehen, sondern als Begriff aus der Dramentheorie. An ihm zeigt sich, dass Irene weniger als Festbeschreibung, sondern eher als dramenähnliche Dichtung aufgefasst werden will. Dann nämlich kann das Lied als musikalischer Schluss angesehen werden und in dieser Funktion „Chor“ heißen. Der Text versifiziert wie angegeben Ps 133, ein Lob der Eintracht, das hier zum Lob des Friedens modifiziert wird. Die für Klaj bezeichnenden, jedoch stark vom Normalstil abweichenden Annominationen in der letzten Strophe geben dem Bild Nachdruck: Wer friedlich Frieden im Herzen trägt, der schenkt Vergebung und wird leben. Die Komposition hat die stollige Textanlage nicht aufgegriffen, markiert die metrischen Einschnitte aber harmonisch. Zum Zeichen der Eintracht laufen die zwei Singstimmen die meiste Zeit in Terzenparalellen. Musikalische Textausdeutung darf auf „rinnen“ (Ende von I,6) nicht fehlen, wohingegen sie bei „Locken“ (letztes Wort der I. Strophe) zugleich malerisch wie auch als Kunstzier am Strophenende verstanden werden kann. Kindermann benützt gerne kleine Koloraturen, um die Schlusskadenz einzuleiten.39 Nr. 10: „Kommt/ stimmet vor dem Herren“ ist wiederum ein Duett, diesmal für Cantus und Alt mit Generalbass, und steht ebenso wie die vorhergehende Komposition ohne Ritornell. In Irene, und zwar in der Abteilung Schwedisches Fried- und Freudenmal, kündigt der Poet ziemlich zu Beginn an, „Cantzeln“, „Rahthaus“ sowie „Marckt/ und jedes Bürgerhaus“ sollten die Personifikation des Friedens begrüßen.40 Kindermann hat alle drei für diese Instanzen gedachten Lieder vertont. Mit „Kommt/ stimmet vor dem Herren“41 sind die „Cantzeln“, d.i. Kirchen aufgerufen. Klaj merkt an: „Psal. 6 auf die Stimme: Nun lob mein Seel den Herren“. Aus dem bekannten Kirchenlied Johann Gramanns42 hat er die Idee des Gotteslobes beibehalten. Der fünfstrophige Text nennt in Strophe IV verschiedene Instrumente, mit denen „Gantz Nürnberg“ Gott preist. Der Dichter greift auf einen
39 Vgl. Thomas Schlage: Die Begräbniskompositionen des Nürnberger Organisten Johann Erasmus Kindermann. In: Diesseits- und Jenseitsvorstellungen im 17. Jahrhundert. Interdisziplinäres Kolloquium vom 3.–5.2.1995. Protokollband. Hg. von Ingeborg Stein im Auftrag der Forschungsund Gedenkstätte Heinrich-Schütz-Haus, Bad Köstritz. Jena 1996, S. 115–132, hier S. 118. 40 Klaj, Irene (wie Anm. 14), S. 35. 41 Ebd., S. 35 f. 42 EdK (wie Anm. 28), Ef16; Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. Leipzig 1870, Hildesheim 1964, Bd. III, Nr. 968 f. Gramanns Lied folgt Ps 103.
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für seine Epoche altmodischen Zwölfzeiler in Barform zurück, bringt aber eine wichtige Veränderung an dem Strophenmuster an, das es gleichsam kürzt und vereinfacht. Aus dem Zwölfzeiler macht er ein achtzeiliges Lied mit einem vierzeiligen, in der letzten Strophe veränderten, Refrain. Die überlange zweite Stollenzeile (sie ist vierhebig, die anderen Zeilen aber dreihebig) regte Kindermann zu einer Hemiole an. Am Ende der 8. Zeile setzt er zudem einen Wechsel vom geraden zum ungeraden Takt, um dann für den Refrain mit der Vortragsbezeichnung „Allegro“ zum geraden Takt zurückzukehren. Gleich das nächste Lied in Irene ist Kindermanns Nr. 11: „Du hast O Herr dein Volck geliebt“.43 Bei Klaj stellt es die Aufforderung an das „Rahthaus“ dar, Gott zu loben. Der Dichter vermerkt: „Psal. 85. in der Weise deß Morgensterns“, die Strophenform rekurriert also auf das beliebte Lied Philipp Nicolais, „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, dessen Reimfülle dem Stil des Nürnbergers entgegenkommt. Kindermann verfasste einen Tonsatz für Cantus oder Tenor mit einer „Sinfonia à 3“ (zwei Violinen, Violone mit Basso continuo) und Basso continuo, also in ein Generalbasssololied mit einer motivisch selbstständigen, recht zupackend wirkenden Spielmusik. Die kleinen Melismen in den letzten Textzeilen der Gesangsstimme sind mehr ornamental als textausdeutend gedacht. Die schlagreimartigen Kurzzeilen 7–9 greift der Komponist auf, indem er sie identisch gestaltet – was als kleine Reverenz an die bekannte Melodie des Morgenstern-Liedes gewertet werden darf. Klajs dreistophiges Gedicht dankt Gott für seine Verzeihung. Dahinter steht die Vorstellung, die Geißel des Kriegs sei eine Strafe für das sündige Volk. Erst nachdem Gott alle Sünden zugedeckt hat (Klaj benützt I,4 den für Luther typischen Hebraismus), kann Friede kommen, mit dem Frieden aber auch Wohlstand. Nr. 12: „Als Teutschland Gott durch seine Macht“, das Danklied der „Gemeine“, ist gedichtet nach „Psal. 126. auf die Weise: Nun freut euch lieben Christen“.44 Wieder nimmt Klaj mit dem Muster eine eigenwillige Veränderung vor: Er verwandelt die letzte Zeile der siebenzeiligen Lutherstrophe in einen Refrain, der dem Kerngedanken Ausdruck verleiht: „willkommen/ Fried willkommen!“ Kindermann setzt den dreistrophigen Text als Generalbasssololied für Cantus oder Tenor. Für den Refrain wechselt er in den freudigen Dreierrhythmus und lässt zudem die Singstimme bei „Fried“ zum Spitzenton aufsteigen. Die Refrainzeile stellt die Klimax des Liedes dar. Nr. 13: „Auff singet dem Herren ein Neues vom Liede“45 ist dem Abschnitt Lustfreudiges Feldpanquet entnommen. In diesem Teil wird der Frühling be
43 Klaj, Irene (wie Anm. 14), S. 37 f. 44 Ebd., S. 39 f. 45 Ebd., S. 78.
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schworen, nachdem die Schrecken des Winters abgetan sind. Die Natur singt Gottes Lob, unter anderem die Nachtigall, die bis zum „dreybestrichne[m] C“ aufsteigt, dem höchsten Ton auf der Orgel, wie Klaj fachkundig anmerkt.46 Mit Venus, Ceres, Bachus, Palamedes treten die Vertreter der vier Jahreszeiten auf. Es folgt ein Wechselgesang zwischen der Friedensgöttin und ihren Gespielinnen, der von zwei Strophen „Irene mit ihren Gespielinnen“ beschlossen wird. Möglicherweise war diese ganze Passage gesungen, veröffentlicht ist aber nur die Neukomposition des Schlusses. Wiederum handelt es sich um eine Psalmadaptation (Ps 147). Klaj gibt an, dem Muster von „Allein Gott in der Höh“ zu folgen,47 es aber „Auf Dactylischen Sprung“ abgewandelt zu haben. Kindermanns Tonsatz für Cantus oder Tenor ist ein sehr eingängiges Generalbasssololied im belebten Dreierrhythmus, wobei der Beginn des Vokalparts durch eine energische Skala bei „Auf“ akzentuiert wird. Der klar gegliederte Tonsatz kann als beispielhaft für Kindermanns luzide Deklamation gelten. Die Textzeile ist bei ihm auch metrisches Gliederungsmuster (hier: zwei Takte für jede Zeile). Zwar wiederholt sich die Melodie nicht stollenweise, aber die harmonische Abschnittsbildung durch Kadenzen und die bewusst neue Motivik im Abgesang orientiert sich am Strophenmuster. Kindermann benützt in seinen Friedensliedern keine Generalvorzeichen. Bei den Noten aber sind die Versetzungszeichen, hier für (modern gesprochen) A-Dur, konsequent zu finden. Die Melodie ist durch Sequenzen und Motivwiederholungen sanglich, die Harmonik zeigt Nähe zur modernen Tonalität. Dies alles macht Kindermanns Liedkompositionen gefällig.48 Die Friedenslieder Kindermanns sind wichtige Vertreter der damals aktuellen Gattung des Generalbassliedes und führen ein Genre fort, das Heinrich Albert im deutschsprachigen Raum sehr beliebt gemacht hatte. Diese Werke sind keine Musik für durchschnittliche Dilettanten, was uns nicht weiter erstaunt, handelt es sich ursprünglich ja auch nicht Privatmusiken. Andererseits werden ausgesprochen virtuose Merkmale vermieden, wie etwa ausgedehnte Koloraturen oder harmonische Kühnheiten. Die Bässe sind bewegt und harmonisch interessant. Deklamationswert für den Gesang ist fast überall die Achtelnote (Fusa), was für raschen Fluss sorgt. Nr. 10, 12 und 13 weisen Taktwechsel auf. Bei Nr. 11 fällt regelmäßig an den Zeilengrenzen der Generalbass zuerst ein, was die Übergänge bei jambi
46 Ebd., S. 73, dazu S. 86 Anm. 2. 47 Nicolaus Decius. Wackernagel, Kirchenlied (wie Anm. 42), Bd. III, Nr. 615–617. 48 Die Edition in den Denkmälern der Tonkunst in Bayern (wie Anm. 10) gibt auch bei Nr. 14 „Nun so singen wir mit Schalle“ Johann Klaj als Dichter an. Der Text steht jedoch nicht in Irene; der Dichter muss als unbekannt gelten. Es handelt sich um ein vierstrophiges Generalbasssololied mit einer relativ langen „Sinfonia à 3“. Es fehlt eine Überschrift.
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schem Versmaß weich gestaltet. Dass in einem Korpus von 14 Kompositionen von den fünf ritornelllosen Liedern vier zu Klaj-Texten gehören, sollte nicht gegen den Dichter ausgelegt werden. Von diesem stammen auch die Worte zu den einzigen beiden Duetten. Klajs Friedensdichtungen enthalten zahlreiche Texte, die auf vorgefundene Melodien gesungen werden können. Etliche sind mit einer Thonangabe versehen, wie etwa auch Chor 4 „Lobt Gott, ihr Himmel schön polirt“ in Geburtstag des Friedens.49 Er folgt der Melodie von Nikolaus Hermans Osterlied „Erschienen ist der herrlich(e) Tag“ und ist von dessen freudigem Duktus durchzogen.50 Als Schlusslied der Veröffentlichung trägt er, ebenso wie der Schlusschor von Irene, die Überschrift „Geistlicher Orpheus“. Quelle ist Ps 148, der die ganze Schöpfung zum Gotteslob aufruft. Klaj hat in 15 Strophen eine Fülle origineller und anschaulicher Bilder und Wortschöpfungen aufgeboten. Der Himmel ist „verglasirt“ (I,1), die Sterne blicken aus „silbern Fenstern“ (III,3), der Blitz heißt „Wetterboltz“ (VI,1), der Wind bekommt das Epitheton „flügelschnell“ (VIII,1). Obgleich jede Strophe mit der Anapher „Lobt Gott“ beginnt und mit „Alleluja“ endet, versteht es der Text, in seinen dicht gepackten Vierzeilern immer neues Personal zum Reigen des Gotteslobes heranführen. Bei anderen Verstexten fehlt ein Melodiehinweis. Eine mögliche Singweise anzugeben, war in einer Zeit mit verbreitetem Melodiewissen im Grunde unnötig.51 Nimmt man etwa den Chor „Göttin/ Gott hat alle Gaben“ in Irene, Abteilung Schwedisches Fried- und Freudenmal,52 so findet sich dafür sehr leicht eine passende Musik: Heinrich Alberts Komposition zu Simon Dachs „Wer die Weisheit im erkoren“ (Arien III,11). Sie war so beliebt, dass sie auch Christoph Kaldenbach in seine Liedsammlung Deutsche Sappho aufnahm.53 Auf die gleiche Melodie bzw. die gleiche Komposition lassen sich der Chor der Flora in Geburtstag des Friedens „Hier in diesem Sommergarten“54 oder das Lied des Apollo „Die den Frieden unterschrieben“55 vortragen. Vollends unnötig war eine Melodieangabe, wenn die erste Zeile schon das Original verriet. Geburtstag des Friedens enthält die Opitz-Parodie „Wir empfin49 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 15), S. 75. 50 EdK (wie Anm. 28), A302. Wackernagel, Kirchenlied (wie Anm. 42), Bd. III, Nr. 1374. 51 Vgl. Irmgard Scheitler: Musikwissen in der Frühen Neuzeit. In: Thorsten Burkard u. a. (Hg.): Natur – Religion – Medien. Transformationen frühneuzeitlichen Wissens. Berlin 2014 (Diskursivierung von Wissen in der Frühen Neuzeit, 2), S. 305–321. 52 Klaj, Irene (wie Anm. 14), S. 58. 53 Heinrich Albert: Arien. Hg. von Eduard Bernoulli, in Neuaufl. hg. u. kritisch rev. von Hans Joachim Moser. 2 Bde. Wiesbaden, Graz 1968 (Denkmäler deutscher Tonkunst, 12, 13), Bd. I, S. 90. Christoph Kaldenbach: Deutsche Sappho. Königsberg: Mense 1651, Nr. 2. 54 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 15), S. 12. 55 Ebd., S. 24.
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den nun ein Grauen“.56 Wie wir aus einer Notiz bei Harsdörffer erfahren,57 war das Lied mit der Komposition Heinrich Alberts als „seiner eigenen“ verbunden (Arien I,19/20).58 Die Zeitgenossen hatten also dies reflektorisch im Sinn. Der dialogische Chor 3 von Geburtstag des Friedens „Auf ihr Hirten/ schneidet Pfeiffen“59 folgt dem Muster der „Corydon-Strophe“. Diese war von Anfang an mit einer Melodie versehen gewesen, erhielt aber auch neue Kompositionen und war dank Opitz als solche ein Begriff.60 Klajs Text – und darüber hinaus auch das „Schäferlied bey dem Kripplein Christi“ aus den WeihnachtGedichten61 – hätte wahlweise auch nach Heinrich Alberts etwas anspruchsvollerer Komposition von „O du Göttin dieser Erden“ gesungen werden können (Arien III,18).62 Die Beispiele zeigen, dass der Grundaffekt oder die ideelle Prägung des Musters, in diesem Fall die pastorale Einfärbung, bei Kontrafakturen sehr häufig erhalten bleiben.
2 Gedichte in Prosaeklogen Die Friedensverhandlungen mit ihren Festen müssen für Nürnbergs Künstler eine gute Zeit gewesen sein: Sie bekamen öffentliche Aufträge, sie konnten Ideen verwirklichen. Allerdings war die Reichsstadt mit ihrem kulturell interessierten Publikum insgesamt ein Glücksfall, nicht zuletzt für den jungen Kriegsflüchtling Klaj, dem die Bekanntschaft mit Harsdörffer und Dilherr die Integration bedeutend erleichterte. Letzterer engagierte ihn für jene Actus im Auditorium Publicum, die Sigmund Theophil Staden mit seiner leider verlorenen Musik auszierte. Harsdörffer verfasste mit ihm die Nürnberger Prosaeklogen, die als Gründungsurkunden des Blumenordens gelten dürfen. Durchblättert man das Pegnesische Schäfer-
56 Ebd., S. 19. 57 Georg Philipp Harsdörffer: Poetischer Trichter. Die Teutsche Dicht- und Reimkunst/ ohne Behuf der Lateinischen Sprache/ in VI. Stunden einzugiessen. Erster Theil […] Zum zweitenmal auffgelegt und an vielen Orten vermehret. Nürnberg: Endter 1650, S. 98. 58 Albert, Arien-Edition (wie Anm. 53), Bd. I, S. 25. 59 Klaj, Geburtstag des Friedens (wie Anm. 15), S. 49. 60 Vgl. Scheitler, Schauspielmusik, Darstellungsteil (wie Anm. 4), S. 486. Vgl. auch Sigmund von Birken: „Schweige, mein Gemüt, nit belle“ mit der Angabe: „Nach der Singweise: deß Opitzischen Coridons.“ Albert Fischer / Wilhelm Tümpel (Hg.): Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts. 6 Bde. Gütersloh 1904–1916. Reprogr. Ndr. Hildesheim 1964, Bd. V, Nr. 79. 61 „WeihnachtGedichte“ (1648), Nr. IX. Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften. Hg. von Conrad Wiedemann. Tübingen 1968 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, 10), S. [253]. 62 Albert, Arien-Edition (wie Anm. 53), Bd. I, S. 95 f.
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gedicht (1644) und dessen Fortsetzung, die Pegnitz-Schäferey (1645), so findet man Liedtexte, deren Bestimmung für den Gesang unübersehbar ist. Verhältnismäßig selten sind sie auf vorgefundene Melodien singbar, denn ihre Strophenmuster sind innovativ. Insgesamt wird zwar oft von Singen geredet, aber es bieten sich keine Melodien an. Die Muster sind bewusst kompliziert, haben ungleiche Zeilenlängen oder mischen sogar kunstvoll die Metren. Hingegen enthält die Pastorale des Pegnitzschäfers Johann Helwig, die Nymphe Noris (1650), mehr Kontrafakturen. Ein paar wenige Gedichte steuerten auch andere Blumgenossen bei. So stimmt Klaj den Friedensseufzer „Du guldnes Himmelskind! Du langgewünschtes Gut“ an, und die Freunde stimmen mit ein.63 Die Alexandriner dieses Textes passen zu einer populären Melodie, die gut 20 Jahre später in einem Schauspiel von Christian Weise aufgezeichnet wurde, die aber schon länger im Umlauf gewesen sein dürfte.64 In der Schäfererzählung wird vom Abschied des Hirten Floridan, d.i. Sigmunds von Birken, berichtet. Johann Klaj steuerte dafür das Lied "Heulet/ weint/ ihr Pegnitz Hirten" bei.65 Das Strophenmuster war aus dem Hugenottenpsalter bekannt und wurde mehrfach von Opitz und anderen Dichtern benützt. Bei Andreas Hammerschmidt findet sich zwei anonyme Texte mit gleichem Incipit „Was ist doch des Menschen leben“, die beide den Affekt des Klajschen Abschiedsgedichtes teilen.66 Am eindeutigsten gibt sich das Hirtenliedchen „Lasset uns/ lasset uns lieben die Künsten“, als Parodie zu erkennen.67 Es handelt sich um eine Initialkontrafaktur von August Buchners „Lasset uns/ Lasset uns schauen in Garten“, einem der ersten daktylischen Lieder des siebzehnten Jahrhunderts, das 1638 von Caspar Kittel vertont wurde.68 Der Text in der Nymphe Noris stammt zwar nicht von Klaj, 63 Johann Helwig: Die Nymphe Noris In Zweyen Tagzeiten vorgestellet. Nürnberg: Dümler 1650, S. 192 f. 64 Scheitler, Schauspielmusik, Materialteil (wie Anm. 5), S. 816, Nr. 1097, II,7. 65 Helwig, Nymphe Noris (wie Anm. 63), S. 70 f. 66 Andreas Hammerschmidt: Weltliche Oden oder Liebes-Gesänge, mit einer oder zwo Stimmen zu singen, benebenst einer Violina, und einem Basso pro Viola di Gamba, Tiorba. Freiberg 1642, Ander Theil Freiberg 1643, 3. Theil Leipzig 1649. Hg. von Hans Joachim Moser. Mainz 1963 (Das Erbe deutscher Musik 5/ 43), Tl. I, Nr. 18 und Tl. III, Nr. 29. Das Lied ist auch singbar auf „O du kleiner nackter Schütze“ bei Johann Erasmus Kindermann: Opitianischer Orpheus. Das ist Musicalischer Ergetzlichkeiten Ersten Theil Mit 1. und 2. Stimmen neben dem General Bass darzu noch 3 Violn in Rittornello (so man will) können Musicirt werden. Cantus sive Tenor et Bassus Continuus. Nürnberg: Endter 1642. Opitianischer Orpheus […] Ander Theil. Nürnberg: Endter 1642, Tl. II, Nr. 12. 67 Helwig, Nymphe Noris (wie Anm. 63), S. 118. 68 Vgl. Werner Braun: Thöne und Melodeyen, Arien und Canzonetten. Zur Musik des deutschen Barockliedes. Tübingen 2004 (Frühe Neuzeit, 100), S. 341. Buchners Text ist vertont von Caspar Kittel: Arien und Kantaten. Dresden 1638. Hg. von Werner Braun. Winterthur 2000 (Practica Musi
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aber wahrscheinlich wurde Helwig auf Buchners Lied mit seinem für die Nürnberger so wegweisenden Metrum durch den kenntnisreichen Klaj aufmerksam. Dieser nämlich zitiert Buchners erste Strophe in seiner Lobrede der deutschen Poeterey (1645).69
3 Casualcarmina Kindermann hatte in der Hierarchie der Musiker Nürnbergs eine nachgeordnete Position. Aufträge für Begräbnismusiken erreichten ihn daher längst nicht so häufig wie Sigmund Theophil Staden. Sind von diesem 15 Leichencarmina bekannt, so von Kindermann nur fünf.70 Klaj seinerseits verfasste sehr eifrig Gelegenheitsgedichte, auch solche, zu denen er bestimmt nicht beauftragt worden war, sondern von denen er sich Vorteile versprach oder die er als Tribut der Freundschaft und Ehrerbietung ansah. Er dürfte fast an die 100 Casualia geschrieben haben.71 Komponiert wurden davon – soweit ich sehe – drei; Verluste sind, wie überall bei Gelegenheitsmusiken, natürlich auch hier nicht auszuschließen. Die früheste Gelegenheitskomposition ist ein Hochzeitslied für Johann Golling,72 dem Klaj bereits ein Jahr vorher das Trauerlied anlässlich des Todes seiner ersten Gemahlin geschrieben hatte.73 Johann Golling, der 1649 Anna Maria Trummer zur Ehe nahm, war „Genannter des Größeren Rats“ in Nürnberg74. Klaj bezeichnet ihn als seinen Guttäter. Das Lied ruft mit „Klio, jo Klio" die Muse der Geschichtsschreibung und Lyrik herbei, wendet sich aber in den folgenden Strophen an die Zuhörer und Hochzeitsgäste. Die Strophe ist daktylisch und füllt die Zeilen mit jenen für Klaj so typischen Paronomasien und Wortwiederholungen. Das Stro-
cale, 5), Aria XXVIII. Kittels Satz ist vierstimmig. Im Kontext der Nymphe Noris wird der Gesang von zwei Flöten begleitet. Nimmt man noch einen Bass dazu, so kommt man auf vier Stimmen. 69 Johann Klaj: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg: Endter 1645, S. 15. 70 Schlage, Begräbniskompositionen (wie Anm. 39), S. 117. Diese Aufstellung ist vollständiger als die von RISM, die von Staden nur 13, von Kindermann nur drei nennt. 71 Renate Jürgensen: Melos conspirant singuli in unum. Repertorium bio-bibliographicum zur Geschichte des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg (1644–1744). Wiesbaden 2006, S. 58–62 verzeichnet schätzungsweise 60. 72 Fröliche Ehrengedancken Auff die Hochzeitlichen Frewden deß Erbarn Johann Gollings/ Bräutigams/ Und der Tugendreichen Jungfrawen Anna Maria/ Deß auch Erbarn Balthasar Trummers Ehelicher Tochter/ Braut/ Welche den 9. Julii deß 1649. Jahrs Christlicher Ordnung nach angestellet worden/ verfasset und fürgetragen von günstigen Herrn und gnten [!] Freunden. Nürnberg: Endter [1649]. 73 Jürgensen, Melos (wie Anm. 71), S. 54 und Anm. 35. 74 Vgl. seine Grabschrift VD17 75:688285G.
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phenmuster, das Jahre später recht bekannt wurde, ist 1649 durchaus innovativ zu nennen.75 Der unbekannte Komponist schuf ein schlichtes Generalbasssololied für hohe Stimme, das durch das vollkommene Fehlen von Taktstrichen auffällt. Der Tonsatz übernimmt sowohl den ungeraden Rhythmus wie auch die Barform vom Text. Die Komposition in d mit Neigung zu Moll lässt die Stollen auf der 3. Stufe schließen. Das muntere Lied könnte ein Tanzlied gewesen sein, jedenfalls suggeriert es in seinen letzten beiden Strophen die Situation des Hochzeitstanzes, von dem sich die Brautleute verabschieden. Ihnen wünscht der Text allen Segen des Himmels und verzichtet in pegnesisch züchtiger Art auf die öfters in der Gattung Brautlied anzutreffenden deutlichen Anspielungen. Tobias Peller von Schoppersdorf, dessen Begräbnis 1651 durch ein Klajsches Gedicht und eine Kindermannsche Komposition geehrt wurde, war ein wichtiger und vornehmer Rats- und Handelsherr.76 Er hatte, wie Johann Gottfried Biedermann in seinem Geschlechtsregister des hochadeligen Patriciats zu Nürnberg schreibt, „die Ehre und das Vergnügen [gehabt], daß auf seinem Schloß Schoppershof, von dem Kayserlichen General Piccolomini und dem Königlich Schwedischen General Oxenstierna, die Praeliminaria zu den berühmten Westphälischen Frieden, abgeschlossen worden seyn.“77 Klajs Begräbnislied folgt mit der ersten Textzeile eng dem Bibeltext 2Tim 4,7, einem Diktum, das gern für Begräbnisse verwendet wurde. Die II. Strophe hält sich an den folgenden Vers 2Tim 4,8. Strophe III klingt an das Dreimal Heilig von Jes 3,6 an, Strophe IV schließlich versifiziert 1Kor 2,9. Der enge Bibelbezug ist nicht nur gattungsgemäß, sondern auch bezeichnend für Klajs Schreibweise. Klajs Name erscheint nur in Initialen unter dem Text und nicht auf dem Titelblatt. Sehr wohl aber erwähnt eine zweite Funeralkomposition für Peller den Dichter, Rektor Vogel, und den Tonsetzer, David
75 Johannes Zahn: Die Melodien der deutschen evangelischen Kirchenlieder aus den Quellen geschöpft. 6 Bde. Gütersloh 1889–1893, Hildesheim 1963, Nr. 3930 (Flittner, Suscitabulum 1661). 76 Grablied über dem seligen Absterben auß dieser Welt Deß Edlen/ Vesten und Wolfürnehmen Herrn Tobias Peller/ Fürnehmen Handelsmann allhier etc. Auß Christlichem Mitleiden/ bey seiner Erdbestättigung mit 6. singenden Stimmen componirt und zu musiciren gerichtet durch Iohann Erasmum Kindermann zum St. Egid. Organisten. [Nürnberg: Endter] 1651. Der Text weist Ähnlichkeit auf zu Heinrich Alberts „Einen guten Kampff hab ich auff der Welt gekämpffet“. Albert, Arien I,3; Ausgabe (Anm. 53) Bd. I, S. 9 f.; auch in: Sigmund Theophil Staden: Seelen-Music Ander Theil Geist- und Trostreicher Lieder. Nürnberg: Sartorius 1648, Nr. 13. 77 Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister des hochadeligen Patriciats zu Nürnberg welches aus denen bewährtesten Urkunden, Kauf-Lehen u. Heyrathsbriefen, gesammleten Grabschriften u. eingeholten genauen Nachrichten von innen beschriebenen gräflich-freyherrlich u. edlen Häusern in gegenwärtige Ordnung verfasset u. richtig zusammengetragen. Bayreuth: Dietzel 1748, Tab. CCCCXXVII.
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Schedlich.78 Zu einer Zeit, da Johann Klaj nicht mehr in Nürnberg lebte, war Kindermann die wichtigere Figur von beiden. Bei Vogel und Schedlich war es eher umgekehrt. Der Kleindruck mit Titelblatt präsentiert die Noten auf drei Seiten in repräsentativer Partitur. Kindermanns Komposition in g ist nach Art einer Liedmotette für sechs Sänger eingerichtet, die in wechselnden Stimmgruppen singen. Dem Titel nach zu schließen, wurden sie von Instrumenten unterstützt („und zu musiciren gerichtet“), was auf eine Aufführung in der Kirche schließen lässt. Die Komposition beginnt gleichsam mit einer akkordischen Psalmodie. Rhythmisch nicht fixiert, werden die Worte „Ich hab ein guten Kampf gekämpft“ vorgestellt und sodann von Hoch- und Tiefchor nacheinander noch einmal wiederholt, wobei der Tonsatz die Kernbegriffe herausarbeitet: Das Wort „Kampf“ in der 2. und insbesondere das Wort „gut“ in der 3. Wiederholung bekommen besonderes Gewicht. Der Tutti-Vortrag der zweiten Textzeile „Sünd, Teufel, Tod und Höll gedämpft“ schließt den ersten Teil ab, überraschenderweise auf f. Der zweite Teil ist zunächst hochchörig, dann ins Tutti gesetzt. In der letzten Textzeile verlangsamt sich das Tempo und Kindermann drückt durch lange Notenwerte und hohe Lage in den Mittelstimmen und die Stimmkreuzung zwischen den beiden Cantus-Stimmen die Freude über die Seele aus, die nun „himmelwärts“ geht. Harmonisch ist der Schluss geprägt von einer von Kindermann „vor allem in Motetten und Concerten oft verwendete[n] Kadenzwendung, die durch eine ungewöhnliche Sextakkordfolge auf H und c“79 eingeleitet wird und über D zurück zum Ausgang findet. Die motettenhaft und streng-kirchliche Art der Komposition korreliert mit den Bibelanklängen des Gedichttextes. Ebenso wie sich der Liedtext an der Hl. Schrift orientiert, so die Komposition am Motettenstil, der üblichen Art der Bibelvertonung. Der Egidienorganist zeigt sein kompositorisches Können, das ihn vor seinen Nürnberger Zeitgenossen auszeichnet. Kindermann bearbeitete den gleichen Text noch einmal für einen Trauerfall 1654.80 Die Verstorbene, Anna Catharina von Racknitz (Räcknitz, Rägkhnitz) und
78 Tröstliches Zusprechen Deß selig-abgeleibten Herrn Tobias Pellers An seine jederzeit hertzlich geliebte nunmehr aber hertlich betrübten hinterblieben. Auß hertlichem mitleiden auffgesetzt von Johann Vogel Rector und in die Noten verfertigt von David Schedlich/ der Kirchen zum H. Geist Organisten. Nürnberg: Endter 1651. 79 Schlage, Begräbniskompositionen (wie Anm. 39), S. 119. 80 Grablied. Mit 4. Violn, 1 singenden Stimm/ samt dem General Bass, componirt von Johann Erasmo Kindermann/ Norimberg: Organisten zu S. Egidien. Sonsten nach der Weise zu singen: Ich hab mein Sach Gott heimgestellt/ etc. Unter dem Text: Joh. Klaj/ P.L.C. In: Bewehrtes Heilund Trostpflaster/ welches Aus den Worten Hiobs […] Ich weiß daß mein Erlöser lebt, etc. Praeparirt und zubereitet/ Vnd bey trauriger und wehmütiger Leichbegängniß Der Hoch-Wolgebornen Frauen/ Frauen Annae Catharinae Frauen von Rägkhnitz […] Deß […] Herrn Galln/ Freyherrn zu
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ihre Familie, adelige Exulanten aus Österreich, standen zu Sigmund von Birken in enger Beziehung. Er hatte ihnen 1649 seine Krieges- und Friedensbildung gewidmet und steuerte 1654 zur Publikation der Leichenpredigt von Diakon Dominikus Beer einen Andachtstext mit Verseinlagen bei.81 Für das Leichenlied der adeligen Dame wechselt Kindermann die Gattung und schreibt ein Lied für Solotenor und drei Violen, Violone und Basso continuo, eine auch sonst bei Gelegenheitskompositionen immer wieder anzutreffende Besetzung. Die Komposition steht in e und wird durch eine relativ lange Streichersinfonia eingeleitet, die nach jeder 2. Strophe wiederholt wird. In der Mehrzahl der Strophen singt der Tenor allein zum Generalbass; in der IV. und VIII. Strophe jedoch spielen die Streicher mit, füllen den Tonsatz zur Vierstimmigkeit auf und schaffen Abwechslung in der langen Strohenfolge. Während Klajs Text für die Peller-Beerdigung und auch im Nürnbergischen Gesangbuch vier Strophen umfasst, ist deren Zahl nun auf acht vermehrt.82 Die Qualität der Zusatzstrophen bleibt noch hinter derjenigen des Ursprungstextes zurück. Teilweise werden die Zeilen durch Wiederholungen aufgefüllt, die nicht als Lizenz aufgrund von Emphase zu erklären sind. Die Funeralkomposition für Frau von Racknitz ist nur auf einem gefalteten Einzelblatt gedruckt und hat keine eigene Titelseite. Auch ist jetzt vermerkt: „Sonsten nach der Weise zu singen: Ich hab mein Sach Gott heimgestellt/ etc.“, sodass man, sollten für die Aufführung der Komposition die Musiker fehlen, auch die bekannte Singweise verwenden konnte. Die Parodievorlage aus dem sechzehnten Jahrhundert drückt Ergebung in die Todesverfallenheit des Menschen und zuversichtliche Vorfreude auf die ewige Seligkeit aus. Dass Klaj seinen Text auf das charakteristische Muster des bekannten Ewigkeitsliedes geschrieben hatte, war ohnedies klar. Die verkürzte vierte Zeile ist ein untrügliches Indiz, auch wenn Kindermann sie in beiden Tonsätzen mit der dritten Zeile zusammenspannt. Die Komposition für Peller hat die Tonart oder den Modus g des Vorlagenliedes beibehalten.83 Das Grablied für Frau von Racknitz aber verwendet den Phrygius
Rägkhnitz […] Hertzgeliebtesten Frauen Gemahlin […] Denen Hinterlassenen Hochbetrübten zu Linderung Ihres Schmertzens Applicirt und auffgelegt worden. Nürnberg: Endter 1654. 81 Vgl. Hermann Stauffer: Sigmund von Birken (1626–1681). Morphologie seines Werkes. Berlin 2007, Nr. 29 und Nr. 139. 82 Die Strophen 1, 3, 4, 5 lauten wie bei Peller (wie Anm. 78). Nürnbergisches Gesang-Buch/ Darinnen 1160. Außerlesene/ so wol alt als neue/ Geist- Lehr- und Trostreiche Lieder/ auf allerley Zeit- Freud- und Leid-Fälle der gantzen Christenheit gerichtet/ und mit Voransetzung der Autorum Namen/ auch theils vortreflich-schönen Melodien/ Noten und Kupffern gezieret/ zu finden. Alles zu Gottes Ehr […] zusammen getragen. Mit einer Vorrede Herrn Johann Sauberts. Nürnberg: Gerhard; Göbel 1677 (1676), S. 1180. 83 EdK (wie Anm. 28), A835D-F.
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oder e-Modus, den Harsdörffer „traurig und betrübet“ nennt.84 Besonders charakteristisch ist die Sinfonia mit Vorhaltsketten und chromatischen Schritten.85 Die Aufwärtsbewegung bei „himmelauf“ wird musikalisch übernommen, indem der Tenor mehr als eine Oktav nach oben geht und mit dem für Kindermann typischen Kadenzmelisma schließt. Auch die Harmonie ist aufgestiegen und befindet sich nicht mehr im düsteren e, sondern in A mit Hochterz. Obgleich kleiner dimensioniert als die Liedmotette für Peller bleibt der Tonsatz doch nicht hinter der kompositorischen Qualität Kindermanns zurück. In Klajs Dichtung spricht die Verstorbene. Die Rede aus dem Grabe, die in Epicedien, d.i. Sprechgedichten, öfters anzutreffen ist als in Liedern, verdankt ihre poetische Inventio dem Bibelwort als Anstoß. Die letzten beiden Strophen fordern die Hinterbliebenen zu baldigem Nachkommen ins Himmelreich auf. Protestantischer Begräbnispastoral entsprechend, die die altkirchliche Gerichtsangst verbannt, ist nur von Zuversicht, Glück und Himmelsfreude die Rede. Angesichts dieser positiven Stimmung bleiben für das Leid der Hinterbliebenen keine Worte und ist die Trauertonart kaum gerechtfertigt. 1646 verstarb Cornelius Marci (Marx), 1. Prediger an St. Lorenz. Sein Trauerlied für diesen bedeutenden Mann in der Nürnberger geistlichen Hierarchie richtete Klaj in ungewöhnlicher Weise dialogisch ein.86 Es besteht in einem Gespräch zwischen dem Verstorbenen und seiner Gemeinde, seiner Witwe, seinen Söhnen, Töchtern, Zuhörern und allen Hinterlassenen. Der Verstorbene repliziert jeweils
84 Georg Philipp Harsdörffer: Gesprechspiele Fünfter Theil. Nürnberg: Endter 1645, S. 291. Dies ist die übliche Beurteilung des Modus. Johann Andreas Herbst, bis 1644 Director chori musici in Nürnberg, schließt die alte Charakterisierung als „heroisch“ mit ein in seine Beschreibung, betont aber: „Zu dieser unserer Zeit hat dieser Modus eine solche Liebligkeit in sich/ daß er über die massen wundersam beweget/ und den man auch gern höret: Derohalben gebraucht man ihn sonderlich in Gebeten/ Trostliedern und Grabgesängen“. Johann Andreas Herbst: Musica Poëtica, Sive Compendium Melopoëticum, Das ist: Eine kurtze Anleitung, vnd gründliche Vnterweisung, wie man eine schöne Harmoniam, oder lieblichen Gesang, nach gewiesen Praeceptis vnd Regulis componiren, vnd machen soll. Nürnberg: Dümler 1643, S. 103. 85 Vgl. auch Schlage, Begräbniskompositionen (wie Anm. 39), S. 120. 86 Des um die Kirche Gottes wolverdienten seligstverblichenen Predigers Herrn M. Cornelj Marxens Himmelabschallender Trost/ an seine hinterlassene Gemeine/ höchst-betrübte Wittib/ leidtragende Kinder und trauerklagende Freunde/ Zu sungen auf die Weise: Wo ist mein junger Fürst und Herr hinkommen? Oder Ach Gott erhör mein Seuftzen/ Angst und Klagen. Aufgesetzet von Johann Klaj/ der H. Schrifft Beflissenen und gekrönten Poeten. In: Corneliomnema: Das ist/ Christlöbliches Ehrengedächtniß deß […] Herrn M. Cornelii Marci, weiland wolverdienten Predigers bey S. Lorentzen und deß Ministerii Norici wachsamen Antistitis, Welcher den 27. Julii, dieses […] 1646. Jahrs […] entschlaffen […] auff vielfältiges Begehren in den Druck gegeben Durch M. Jacobum Petrum Schechsium, in der Pfarrkirchen bey S. Lorentzen Diaconum und Predigern bey den Parfüssern. Nürnberg: Endter [1646], S. 89–92.
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in entsprechender Rolle auf die Klagen seiner Hinterbliebenen. Sie alle vertröstet er auf ihr Sterben und ihre Seligkeit. Ein wenig erinnert dieses Totengespräch an die Ergänzungsstrophen im Grablied für Frau von Racknitz, nur ist der Text hier besser gelungen als acht Jahre später. Die Strophenform mit zwei viersilbigen zwischen drei elfsilbigen Zeilen ist sehr charakteristisch. Als Thöne gibt Klaj an: „Auf die Weise: Wo ist mein junger Fürst und Herr hinkommen oder Ach Gott erhör mein Seuftzen, Angst und Klagen". Der Dichter zitiert aus dem Gedächtnis und hat die Incipits etwas verändert, sie sind aber zu identifizieren. Das erstgenannte Lied dürfte älter sein.87 Es erscheint bereits 1637 als Thonangabe für einen Trauergesang auf Kaiser Ferdinand II. Jakob Peter Schechs, der Dichter des 2. Liedes, hat das Muster wohl davon übernommen.88 Sein Text ist uns durch BWV 254 geläufig. Komponiert erscheint er zuerst im 2. Teil von Sigmund Theophil Stadens Seelen-Music.89 Das Generalbasslied kam also erst zwei Jahre nach dem Todesfall in Druck. Für uns heute ist es der erste musikalische Beleg. Entweder kannte Klaj Stadens Satz bereits und hielt ihn sogar für zitierbar oder er wusste von einer anderen Melodie, dann aber von einer, die der Hymnologie unbekannt ist. Schechs, damals Diakonus bei St. Lorenz, war zugleich der Herausgeber der außerordentlich umfangreichen Trauerschrift für den Lorenzpfarrer Cornelius Marci, seinen unmittelbaren Vorgesetzten.
4 Andachtslieder 1646 veröffentlichte Klaj eine Sammlung AndachtsLieder, die er Christoph Fürer von Haimendorf widmete.90 Das schmale Bändchen von fünf Liedern war wohl
87 „Wo ist mein junger [i.e. schöner] Fürst und Herr hinkommen“. Vgl. Ein Klag und TrehnenLied. Uber den Gottseligen verstorbenen Römischen Kayser/ auß dem Hochlöblichen Hauß Oesterreich der 13. Ferdinandt/ der ander von Gottes Gnaden/ Selig in Gott entschlaffen/ den 15. Februarij/ zwischen 9. und 10. in diesem Jahr 1637. Wien 1637. Drey schöne Geistliche Lieder/ Welche zuvor noch nie in Druck gewesen: […] Das Dritte Vom himlischen Bräutigam Jesu Christo/ Ach Gott mein Seel thut hertzlich zu dir schreyen/ etc. Im Ton: Wo ist mein schöner Fürst und Herr hinkommen/ etc.“ Auch als Melodie-Angabe verwendet von Birken in: Daniel Wülffer: Fatum, das ist: das vertheidigte Gottes-geschick. Nürnberg: Gerhard 1666, S. 308 (Lied zum 8. Kapitel). 88 „Ach Gott erhör mein Seuftzen, Angst und Klagen“ i.e. „Ach Gott erhör mein Seufzen und Wehklagen“. Fischer/Tümpel, Kirchenlied (wie Anm. 60), Bd. III, Nr. 247 mit Verweis auf Stadens „Seelen-Music“. Schon im gleichen Jahr aufgenommen in Groß und Vollständig Gesang Buch. Darinnen 760 Geistliche Lieder. Erfurt: Fritzsche 1648, S. 939. 89 Staden, Seelen-Music (wie Anm. 76), Nr. 8. 90 Johan Klaj gekrönten Poëtens AndachtsLieder. Nürnberg: Sartorius 1646.
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zur Privatandacht des Patriziers gedacht, der, laut einer Mitteilung Harsdörffers, ein ausgeprägtes Interesse an Musik hatte.91 Die Texte sind auf bekannte Kirchenliedweisen geschrieben und geben dies auch an. Sie eignen sich zum Singen für die häusliche Betstunde am Morgen oder Abend, die der Christ allein oder mit seiner Familie und seinem Hausgesinde abhalten konnte, wie auch für die persönliche fromme Versenkung. Weitere Lieder finden sich in WeihnachtGedichte (1648), auch sie sind teils mit Melodieangaben versehen.92 Das gleiche gilt für die Singtexte in Trauerrede über das Leiden seines Erlösers (1650).93 Dieses letztgenannte Werk wurde 1649 als Actus im Auditorium publicum vorgetragen wurde, wofür die Einladungsschrift vorliegt.94 Im Unterschied zu Klajs anderen Veranstaltungen dieser Art sind die zahlreichen Gesangstexte mit Melodien aus dem sechzehnten Jahrhundert versehen: Als Parodievorlagen werden erwähnt „Nun freut euch lieben Christen gmein“,95,„Nun lob mein Seel den Herren“,96 „Ich ruf zu dir Herr Jesu Christ“,97 „Christus der uns selig macht“98 und „Da Jesus an dem Kreuze hing".99 Nur ein einziges Lied, „Solte nicht beliebet machen“100 ist bezeichnet mit „In seiner eignen Melodey“. Vielleicht hat der Text von Staden, dem Komponisten der übrigen Actus, eine neue Melodie erhalten.101 Drei Lieder Klajs gingen mit Angabe des Verfassers in das Nürnbergische Gesangbuch von 1677 (1676) ein, ein hochbedeutsames Buch, das unter seinen 1160 Liedern viele neue Texte und Singweisen, speziell von Nürnberger Komponisten und Dichtern aufgenommen hat. Eines davon ist das erwähnte Leichencarmen „Ich hab ein guten Kampf gekämpft“. Es steht im Gesangbuch mit der Melodieangabe „Ich hab mein Sach Gott heimgestellt“.102 Ein weiteres ist „Ein Lied von dem himlischen Pelican/ Jesu Christo. Im Thon: Wie schön leuchtet der Morgen-
91 Harsdörffer war Fürers Begleiter auf der Bildungsreise gewesen. Peter Keller: Die Oper „Seelewig“ von Sigmund Theophil Staden und Georg Philipp Harsdörffer. Bern 1977, S. 23. 92 Johann Klaj: Weihnacht Gedichte. Nürnberg: Dümler 1648. Enthält 11 Stücke. 93 Johann Klaj: Trauerrede über das Leiden seines Erlösers. Nürnberg: Endter 1650. 94 Paul, Reichsstadt und Schauspiel (wie Anm. 3), S. 267 f. 95 Klaj, Trauerrede (wie Anm. 93), S. 2. 96 Ebd. S. 4. 97 Ebd. S. 20. 98 Ebd. S. 33. 99 Ebd. S. 47. 100 Ebd. S. 13. 101 Keine Melodie-, sondern eine Quellenangabe ist „Psalm 31“ (Klaj, Trauerrede S. 25). Die erste Zeile stimmt mit Opitzens Version des Psalms überein. Martin Opitz: Die Psalmen Davids Nach Frantzösischen Weisen gesetzt. Danzig: Hünefeldt 1637, S. 71. 102 Siehe oben Anm. 82.
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stern/ etc.“ („Entbrenne du mein gantzes Ich“), Nr. 4 in den AndachtsLiedern.103 Dieser exzentrische Text war schon zehn Jahre vorher (1667) von Paul Gottlieb Berlich in den Anhang von Biblischer Perlen-Schatz oder Gedenck-Reime aufgenommen worden.104 Schließlich steht noch im Nürnbergischen Gesangbuch (S. 754) „Eins sprach der kühne Jonathan.“ Auch dieses Lied ist auf die beliebte Melodie von „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ zu singen. Der Herausgeber Johann Saubert entnahm es möglicherweise Michael Dilherrs Predigtsammlung Himmlisches Freudenmahl auff Erden (1647).105 Dort steht es unter den angefügten Liedern (unpag.) mit dem Titel: „Ein Lied/ Von deß H. Abendmahls Nutzen/ abgesehen auß dem Eingange der fünfften Predigt.“ Damit entsteht der Eindruck, Klaj habe seine Verse nach Anregung der Predigt Dilherrs verfasst. Dies würde in der Tat die Inventio des poetischen Textes erklären. Dilherr vergleicht zu Beginn seiner Predigt das Abendmahl mit dem Honig, der Sauls Sohn Jonathan stärkte und seine Augen strahlen ließ (1Sam 14, 25–31). Dilherr vertiefte die Parallele nicht, sondern benützte sie nur als Einstieg – anders Klaj, der nicht nur den Honig mit dem Abendmahl vergleicht, sondern auch die Kühnheit des alttestamentarischen Helden zum Anlass nimmt, den Christen zu mutigem Bestehen des Lebens anzuhalten. Sämtliche Texte der kleinen AndachtsLieder-Sammlung haben Melodieangaben. Hier wie auch in seinen anderen Liedern, ja selbst in den Melodieangaben für Irene, beweist Klaj eine Vorliebe für Gesänge aus dem sechzehnten Jahrhundert. Die fünf Texte geben als Singweisen an: „Nun lob mein Seel den Herren“;106 „An Wasserflüssen Babylon“;107 „Wie nach einer [sic] Wasserquelle“;108 „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, zweifellos Klajs Lieblingslied, das er immer wieder verwendet
103 Nürnbergisches Gesangbuch (wie Anm. 82), S. 225. 104 Biblischer Perlen-Schatz oder Gedenck-Reime mit Ansetzung der VII. Buss-Psalmen und anderer geistlichen nothwendigen Gebetlein in welchem nicht allein der Inhalt/ sondern auch die gewisse Zahl eines ieglichen Capituls in sonderliche Zahl Buchstaben eingeschlossen richtig zubefinden […] an Tag gegeben von M. Paul Gottlieb Berlich. Jena: Bauhofer 1667, S. 250–55 (in: „12. geistreiche Lieder, welche ich aus unterschiedener Authorum Büchern zusammen getragen habe“, S. 246–281). 105 Michael Dilherr: Himmlisches Freudenmahl auff Erden; welches in sechs kurtzen WochenPredigen über die Wort Pauli I. Cor. XI. V. 23 &c. von dem H. Abendmal in der Kirchen bey S. Sebald in Nürnberg gezeiget/ vnd selbigen nützliche Gebetlein vnd Gesänge beygefüget worden. Nürnberg: Dümler 1647. Auch in Dominikus Beer / Johann Michael Dilherr: Der irdischen Menschen himmlische Engelfreude: Das ist/ Neu zugerichtetes und mit Fleiß durchsehenes GesangBüchlein. Nürnberg: Endter 1653, S. 337. 106 Vgl. das Lied der „Cantzeln“ aus Klaj, Irene (wie Anm. 14). Melodie von 1540. 107 Text Wolfgang Dachstein, EdK (wie Anm. 28), Eb17, 1525. 108 Text Ambrosius Lobwasser, EdK (wie Anm. 28), Fa40.
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hat,109 sowie „Ich dank dir lieber Herre“.110 Diese Vorliebe ist auffallend, denn gewöhnlich greifen Dichter von Liedern zur persönlichen Erbauung auf neue Melodien zurück. Obgleich in seinen Neuschöpfungen avantgardistisch und experimentierfreudig, ist der Dichter bei seinen Kontrafakturen konservativ. Er orientiert sich am Genfer Psalter, wählt „Allein Gott in der Höh“ oder ein Lutherlied und nimmt dabei die unbequemen und komplizierten Muster des frühen sechzehnten Jahrhunderts in Kauf. Seiner Epoche näher ist lediglich „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, das im ganzen siebzehnten Jahrhundert eine Favoritenrolle einnahm. Nr. 2 der AndachtsLieder, „KriegsTrost“ gibt als Quellen 2Kön 19 und Jes 37 an, schließt aber auch eng an Ps 137 an, besonders in der I. Strophe. Die Deutschen klagen um ihr verlorenes Land wie die Juden im Babylonischen Exil (582 v. Chr.) oder wie nach der Deportation, die auf die Niederlage Hiskias gegen den Assyrer Sanherib folgte (702 v. Chr.). „Ach Teutschland“ ist eines der überzeugendsten Lieder Klajs mit sehr kräftigen Bildern („So lege ihm den Zwingering in seine wilde Nase“ XII,11f.), und mit den für ihn typischen neologistischen Komposita: die Lämmer sind „schlägebäuchig“ (III,8), die Not „magenleer“ (V,1), ein Attribut, das im ersten Lied der Trauerrede über das Leiden Christi wiederkehrt.111 Unter den AndachtsLiedern fällt Nr. 1 ins Auge.
Die Sonn hat sich verkrochen der müde Tag ist hin/ die Nacht ist angebrochen die Sorgenlinderin/ die Weld hat angeleget jhr düsterschwartzes Kleid/ kein Baum ist der sich reget in Wäldern weit und breit.
Die Zeitgenossen kannten die Anfangszeile mit ihrem berückenden Bild, ja die Anfangsstrophe schon als Dichtung von Opitz:112 Die Sonn hat sich verkrochen/ Der Tag ist gantz dahin/ Der Mond ist angebrochen/ Die Arbeit-trösterin/ Die Nacht hat angeleget
109 Philipp Nicolai 1599, EdK (wie Anm. 28), A1068. 110 Johann Kolroß 1535 nach der alten weltlichen Melodie „Entlaubet ist der Walde“. EdK (wie Anm. 28), B41. 111 Klaj, Trauerrede (wie Anm. 93), S. 2: „Die Magenleere Hungersnoht“. 112 „Auff Herrn Johann Seylers Hochzeit“. In: Martin Opitz: Teutsche Poemata und Aristarchus Wieder die Verachtung teutscher Sprach. Strassburg: Zetzner 1624, S. 63.
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Ihr schwartzes Trawerkleyd/ Kein Laub kein Graß sich reget/ Kein Blümlein weit und breit.
Die weiteren Strophen differieren, denn Klaj schreibt ein Abendlied, Opitz aber ein Hochzeitsgedicht. Die erste Strophe aber hat Klaj in der Tat weitestgehend von seinem großen Vorbild übernommen. Opitzens Text hatte 1638 Caspar Kittel und 1643 Andreas Hammerschmidt durch Kompositionen bekannt gemacht.113 Klaj war nicht der erste, der Opitz’ Lied aufgriff. Ein Text gleichen Anfangs findet sich schon in Josua Stegmanns Suspiria Temporum, das ist Andächtige HertzenSeufftzer.114 Die Bedeutung dieses Gebet- und Gesangbuches beweist Andreas Gryphius’ Bearbeitung HimmelSteigente HertzensSeüfftzer (postum 1665). Stegmann hat Opitzens Verse bereits zum Abendlied fortentwickelt. Unter Stegmanns Namen nahm Saubert das Lied in das Nürnbergische Gesangbuch auf.115 Dort lautet der Text: Die Sonn hat sich verkrochen Der Tag ist nun dahin Die Nacht ist angebrochen Die Arbeit-Trösterin Dir sag ich Danck von Hertzen Jesu/ meins Lebens Ruh daß Du den Tag ohn Schmertzen Mich lassen bringen zu.
Die Gebetswendung Stegmanns in Strophe I hat Klaj nicht nachvollzogen – er bleibt bei Opitz als Vorbild. Und auch in den weiteren Strophen hat sein Text keinerlei Anklänge an Stegmann, der wegen seiner häufigen Tonbeugungen ohnehin als Vorbild ausscheiden musste. Der Kunst speziell dieses Liedes von Klaj mit seinen überzeugenden Bildern, mit der typischen Neigung zur Annominatio und seiner unabgegriffenen Frömmigkeit kann die Anlehnung der I. Strophe an Opitz keinen Eintrag tun. Klaj hat Opitzens Formulierungen sogar verbessert, die Bilder sind bei ihm plausibler und „Sorgenlinderin“ ist „Arbeit-Trösterin“ in jeder Hinsicht vorzuziehen.
113 Kittel, Arien und Kantaten (wie Anm. 68), Nr. 24. Andreas Hammerschmidt: Weltliche Oden oder Liebes-Gesänge. Mit 1. 2. und drey Stimmen zu singen/ benebenst einer Violina, und einem Basso pro Viola di Gamba, diorba, etc. Ander Theil. Freiberg: Beuthner 1643, Nr. 2. 114 Josua Stegmann: Suspiria Temporum, das ist Andächtige HertzenSeufftzer. Jtzo vermehret und zum dritten mal gedruckt. Rinteln: Lucius 1628, S. 207. Zuerst u.d.T. Christliches GebetBüchlein. Jetzo vermehrt und zum andern mal gedruckt. Rinteln 1627. 115 Nürnbergisches Gesangbuch (wie Anm. 82), S. 867. Vgl. Irmgard Scheitler: Das Geistliche Lied im deutschen Barock. Berlin 1982 (Schriften zur Literaturwissenschaft 3), S. 323 Anm. 160.
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Das Nürnbergische Gesangbuch hat Stegmanns ursprüngliche Melodieangabe: „Im Thon: Ich danck dir lieber Herre“ in „Herzlich tut mich verlangen“ geändert. Das ist plausibel, denn Stegmanns Abendlied beschwört in der letzten Strophe die nahezu obligatorische Parallele Tod – Schlaf: „Sol ich aber gesellen | Mit dem Todt meinen Schlaff | Laß mirs an Trost nicht fehlen | In deim Arm halt mich straff“. Für Klaj aber ist die ursprüngliche Melodieangabe die richtige. Bewusst rekurriert seine letzte Strophe auf das Bild der überkreuzten Beine des Schlafenden, im Unterschied zu den parallelen des Toten. Auch geht sein lyrisches Ich nicht von Sünden bedrückt zur Ruhe, sondern mit froher Zuversicht.
5 Einblattdrucke Obgleich seit 1651 Pfarrer in Kitzingen, hielt Klaj die Geschäftsverbindung zum Kunstverleger Paulus Fürst aufrecht. Bei diesem war, mit Kupfern geschmückt, Das gantze Leben Jesu (1648) herausgekommen, die Einblattdrucke Tempel des Friedens (1650) und Abbildung der FriedensUnterschreibung (1650) sowie die Flugschrift Nürnbergisches Denckwürdiges Freuden Fest (1650) erschienen, und Fürst sollte noch das Geleitgedicht zu Petrarcas Glück- und Unglückspiegel (1652) drucken. Der gleiche Kunstverlag Fürst brachte ca. 1650 heraus: Ein schön Christliches Newes Lied Einer Christglaubigen angefochtenen Seelen Ritterliche Angstkämpffung/ Männliche Feindsdämpffung/ Grünende SiegsKrönung/ Gantz lieblich zusingen. Das sorgfältig gestaltete, große Blatt (39 x 30 cm) gruppiert die zwölf Singstrophen, die mit „J. Klaj“ gezeichnet sind, wie einen Rahmen um das Bild in der Mitte. Dieses zeigt die Allegorie des Glaubens, die Tod und Teufel mit Füßen tritt und bereits vom Himmel herab von einem Engel Siegelpalme und Lorbeerkranz überreicht bekommt. Der Liedtext nimmt die Illustration sehr getreu in seine Formulierungen auf. Klaj bewährt sich als poetischer Bildbeschreiber, der nicht nur zur Musik, sondern auch zur bildenden Kunst eine Affinität hatte. Obgleich der Titel ein „Lied […] Gantz lieblich zusingen“ ankündigt, ist eine Melodie weder angegeben noch aufgezeichnet. Sie war den Zeitgenossen aber klar: Es handelt sich um die Singweise von Psalm 8 im Genfer Psalter, eine Melodie, die nicht nur zu Lobwassers Text „O höchster Gott, o unser lieber Herre“, sondern auch zu anderen Liedern im Vers commun gebraucht wurde.116 1652 erschien bei Paulus Fürst in Nürnberg ein weiteres Kunstblatt im FolioFormat mit dem Titel Aller Verlaßnen Wittiben und Vatterlosen Waysen/ zu Gott im
116 EdK (wie Anm. 28), Fa8. Zu weiterer Verwendung vgl. auch Zahn, Melodien (wie Anm. 75), Nr. 923.
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Himmel abgeschicktes Seuffzen und erhörtes Gebett. Der Katalog der Wolfenbütteler Bibliothek schreibt das Alexandrinergedicht, das „JK“ gezeichnet ist, wohl zurecht Johann Klaj zu.117 Ein Kupferstich nimmt die obere Hälfte ein. Er zeigt eine vaterlose Familie, die Mutter mit acht Kindern (Hund und Katze dürfen nicht fehlen). Das kleinste Kind ist noch gewickelt und liegt im Zentrum wie aufgebahrt. In seiner kindlichen Unschuld soll es das dringende Gebet der Mutter unterstützen (Ps 8,2; Mt 21,16). Gott lässt die Blumen seiner Gnade darauf regnen, das Gebet ist erhört. Der Gedichttext in paargereimten Alexandrinern lässt sich in 14 Strophen auflösen. Er ist nicht durchnummeriert und muss nicht als Gesangslyrik verstanden werden, der ganze Duktus legt dies aber nahe. Schon die erste Strophe vollzieht angesichts dessen, was abgebildet ist, die Wendung vom Angstgebet zur Schilderung der Wohltaten Gottes. Die Bitte wandelt sich in der Folge in Dank, ja in Lobpreis. Ich bring zu meinem Gott mein Angstgebett mit schalle/ Heb auff mein liebes Kind/ die Stimm und mit mir lalle/ Gott öffnet allbereit das blancke Himmelthor/ Hört unser Hertzeleid mit wolgeneigtem Ohr.
Die verwendete Alexandrinerstrophe gehört seit 1630 zu den verbreiteten Liedstrophen und lässt sich auf die damals sehr bekannten Melodien von „Groß ist, o großer Gott, die Not so uns betroffen“ aus Johann Heermanns Devoti Musica Cordis. Hauß- und HertzMusica,118 auf „O Gott du frommer Gott“ von demselben119 oder auf Martin Rinckarts „Nun danket alle Gott“ singen.120 Nach ihrer affektiven Befindlichkeit, die in den meisten Fällen eine Kontrafaktur unterstützt, passen alle drei Lieder zu Klajs Text. Auch „Groß ist, o großer Gott“ vollzieht den Wandel von Klage und Bitte zum Lob und endet mit der Zeile „Wir singen Lob und Preis“. Durch den Gesang, der mithin durchaus naheliegt, würden die Verse Klajs zu diesem Blatt mehr Innigkeit und Nachdruck bekommen haben, denn „es hat nichts eine grössere Macht über den Menschlichen Geist/ als wenn ein schönes/ wolgesetztes Carmen mit der Music verbunden ist“.121
117 Nicht bei Jürgensen, Melos (wie Anm. 71), verzeichnet. 118 Johann Heermann: Devoti Musica Cordis. Hauß- und HertzMusica. Breslau: Müller, Leipzig: Mintzel 1630, S. 136. 119 Ebd. S. 137. 120 Zahn, Melodien (wie Anm. 75), Nr. 5142. 121 Daniel Morhof: Unterricht von der teutschen Sprache und Poesie. Lübeck, Frankfurt/M. 1700, S. 635.
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Epilog Im Unterschied zu Fleming oder Gryphius erlebte Johann Klaj keine Renaissance in der Musik des zwanzigsten oder einundzwanzigsten Jahrhundert. Grund dafür ist nicht Klajs Stil. Bei Musikern seiner Zeit und seines Umfelds war seine Lyrik sogar sehr gefragt und er selbst glaubte seine Verse von Stadens „anmutigen und bewegenden Melodeyen beseelt“,122 gemäß der Communis opinio, dass Noten den Text erst lebendig machen.123 Die Überzeugung, angesichts seiner lyrischen Wortmusik sei jede Komposition überflüssig,124 hätte der Dichter nicht geteilt. Vielmehr dürfte die Tatsache, dass Klaj relativ wenig bekannt ist, dafür verantwortlich sein, dass seine Verse von Komponisten der Gegenwart kaum herangezogen wurden. Ausnahmen machen Ernst Kreneks „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen“ von 1932, die ein Klaj-Gedicht enthält125 und der „BarockZyklus“ des Schweizers Peter Mieg (1909–1990) von 1955.126 Umso erstaunlicher ist die zweimalige Vertonung einer exquisiten Liedeinlage in das Pegnesische Schäfergedicht (1644). Die Verse, die als herausragendes Beispiel für Klajs akustische Virtuosität gelten,127 bringen die Bewunderung der Freunde Strefon und Klajus für einen Springbrunnen zum Ausdruck. „Bei solcher Spazirlust sange Klajus“: Hellgläntzendes Silber/ mit welchem sich gatten Der astigen Linden weitstreiffende Schatten/ Deine sanftkühlend-beruhige Lust Ist jedem bewust. Wie solten Kunstahmende Pinsel bemahlen Die Blätter? die schirmen vor brennenden Strahlen/ Keiner der Stämme/ so grünlich beziert/ Die Ordnung verführt.
122 Anmerkungen zu: Klaj, Der Leidende Christus (wie Anm. 6), S. 40. 123 „Die Noten machen den Text lebendig“ druckte als Luther-Wort Johann Mattheson auf die Titelseite von Die neueste Untersuchung der Singspiele. Hamburg 1744. 124 Richard Hinton Thomas: Poetry and Song in the German Baroque. A Study of the Continuo Lied. Oxford 1963, S. 77: „but it was left to Johann Klaj […] to render music quite literally superfluous.” 125 Op. 72 für Sopran, gemischten Chor und Klavier. Texte von Fleming, Gryphius, Klaj, Opitz. 126 Zyklus für Sopran, Bariton und Klavier. Text von Fleming, Klaj, Feinler. Michael Schneider: Der Komponist Peter Mieg: Leben – Werk – Rezeption. Winterthur 1995, S. 247. Vertont wurde neben Flemings Sonett „An den Mon“ Klajs „Spazirlust“, das auch von Klein komponierte Gedicht, und das Madrigal „Musica“ von Gottfried Feinler. 127 Thomas, Poetry (wie Anm. 124), S. 75.
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Es lisplen und wisplen die schlupfrigen Brunnen/ Von ihnen ist diese Begrünung gerunnen/ [Sie] Schauren/ betrauren und fürchten bereit Die schneyichte Zeit.128
Das Muster ist kompliziert. Auf zwei anapästische Zeilen von je vier Hebungen folgt eine ebenso lange daktylische. Den Schluss bildet jedoch eine anapästische Halbzeile. Selbst dem Setzer war diese Kombination zu schwierig: Er fügte fälschlich in der III. Strophe eine Silbe ein. Lautspiele und Binnenreime, Assonanzen und Wortneuschöpfungen machen die Sprache ebenso artifiziell wie das Muster. Selbstverständlich lag für dieses keine Melodie vor. Nur Neukomposition kommt in Frage. Der junge tschechische Komponist Gideon Klein fand Gefallen an den Versen, die er einer tschechischen Übersetzung entnahm und vertonte die I. und III. Strophe für hohe Stimme und Klavier. Er ging dabei nicht strophisch vor. Vielmehr sollte eine durchkomponierte Musik der speziellen Färbung der Worte gerecht werden. Das Klavierlied bildete zusammen mit zwei anderen Liedern nach Texten von Hölderlin und Goethe Kleins opus 1. Das Liederheft und sein 2. Streichquartett sind die einzigen Werke, die Klein aus einer schon respektablen Anzahl von Kompositionen mit einer Opuszahl versah. Entstanden ist „Hellgläntzendes Silber“ im Mai 1940. 18 Monate später wurde der gerade Zweiundzwanzigjährige nach Theresienstadt deportiert.129
128 Pegnesisches Schäfergedicht in den Berinorgischen Gefilden/ angestimmet von Strefon und Klajus. Nürnberg 1644, S. 20. In: Georg Philipp Harsdörffer / Sigmund von Birken / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645. Hg. von Klaus Garber. Tübingen 1966 (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock 8), S. 20. 129 Gideon Klein: Tři písně pro vyšší hlas a klavír, op. 1 (1940). Drei Lieder für höhere Stimme und Klavier op. 1 (1940). Berlin 1993, S. 3–5. Vorwort von Vojtěch Saudek.
Thorsten Preuß
„Hellgläntzendes Silber“ in „schneyichter Zeit“ Zur Klaj-Rezeption bei Ernst Krenek und Gideon Klein1
In seiner 1979 erschienenen Erzählung „Das Treffen in Telgte“ lässt Günter Grass, in Anlehnung an die legendären Tagungen der Gruppe 47, das Who’s Who der deutschen Barockliteratur zu einem fiktiven Dichtertreffen zusammenkommen. Simon Dach, von Grass konzipiert als das barocke Alter Ego Hans Werner Richters, hat dazu eingeladen, und zahlreiche Autoren des 17. Jahrhunderts, populäre wie weniger bekannte, folgen dieser Einladung: Weckherlin aus London zum Beispiel, Logau und Hoffmannswaldau aus Schlesien, Rist aus Wedel, Buchner aus Wittenberg, sogar Gryphius, den das Einladungsschreiben auf seiner Kavalierstour durch Italien und Frankreich erreicht. Als sich jedoch herausstellt, dass das vorgesehene Quartier in Oesede bei Osnabrück bereits von schwedischen Truppen belegt wurde, steht das Projekt, noch bevor es richtig begonnen hat, vor dem Aus:
Schon erwogen die Schlesier, weiter nach Hamburg, Gerhardt zurück nach Berlin, Moscherosch und Schneuber mit Rist nach Holstein zu ziehen, […] schon drohten die meisten, nicht ohne Anklage gegen Dach, das Treffen auffliegen zu lassen, […] da kamen – zeitig genug, bevor es eindunkelte – die Nürnberger angereist: Harsdörffer mit seinem Verleger Endter und der junge Birken; es begleitete sie ein rotbärtiger Kerl, der sich Christoffel Gelnhausen nannte […].2
Die Ankunft der „Nürnberger“ rettet das Treffen; und jener „Gelnhausen“, in dem Züge von Grimmelshausen, von dessen Simplicissimus-Figur und von Günter Grass selbst miteinander verschmelzen, führt die Dichter nach Telgte, wo die Tagung schließlich stattfinden kann. Kein Wunder, dass Simon Dach nach diesen Ereignissen am Abend noch lange wach in seiner Kammer liegt und sich in Erinnerung ruft, wen er mit Briefen gerufen, […] auf Empfehlung in seine Liste genommen oder zurückgewiesen hatte, und wer noch nicht eingetroffen war: sein Freund Albert, für den das zweite Bett in der Kammer bereitstand. Schlafvertreibende, schläfrig machende Sorgen: Vielleicht wür-
1 Den Hinweis auf die Klaj-Vertonung von Gideon Klein und damit die Anregung zu diesem Text verdanke ich Irmgard Scheitler; vgl. auch ihren Beitrag in diesem Tagungsband. 2 Günter Grass: Das Treffen in Telgte. 2. Aufl. München 1996, S. 12.
https://doi.org/10.1515/9783110669480-026
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de Schottel doch kommen? (Der Wolfenbütteler kam aber nicht, weil Buchner eingeladen war). Den Klaj hatten die Nürnberger mit Krankheit entschuldigt.3
Johann Klaj fehlt also, anders als Harsdörffer und Birken, beim „Treffen in Telgte“ – und diese explizite Leerstelle in der Erzählung eines Nachkriegsautors, dessen Kenntnis der Barockliteratur die vieler seiner Kollegen bei weitem übersteigt,4 ist in gewisser Weise durchaus symptomatisch für die nachbarocke KlajRezeption: Während Georg Philipp Harsdörffer mit seinem „Poetischen Trichter“ sogar sprichwörtlich geworden ist, während Sigmund von Birken zumindest in der Barockforschung gebührende Beachtung fand5 und mit einigen seiner geistlichen Liedern im Evangelischen Gesangbuch bis heute lebendig geblieben ist, ist der dritten Gründerfigur des Pegnesischen Blumenordens das Glück der Etablierung im kollektiven Bewusstsein versagt geblieben. Selbst bei Grass ist Klaj ein Abwesender. Vor diesem Hintergrund muss es umso mehr erstaunen, dass – entgegen diesem Befund – schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Abstand von nur wenigen Jahren, zwei (jede auf ihre Wiese) gewichtige Vertonungen von Klaj-Versen entstanden waren: im Rahmen der „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen“ op. 72 von Ernst Krenek (1932) und als erstes der Drei Lieder op. 1 von Gideon Klein (1940). Ersterer kombiniert Klaj mit weiteren, allerdings viel bekannteren barocken Autoren, mit Gryphius, Opitz und Fleming; letzterer verwendet eine tschechische Übersetzung und stellt Klaj gar neben Goethe und Hölderlin. Stutzig macht dabei sofort, dass die beiden Komponisten, die auf den ersten Blick nichts miteinander verbindet,6 denselben Klaj-Text ausgewählt haben. Es handelt sich dabei um eine der zahlreichen Gedichteinlagen im gemeinsam mit Harsdörffer verfassten „Pegnesischen Schäfergedicht“:
Hellgläntzendes Silber/ mit welchem sich gatten Der astigen Linden weitstreiffende Schatten/ Deine sanfftkühlend-beruhige Lust
3 Ebd., S. 20 f. 4 Vgl. Theodor Verweyen / Gunther Witting: Polyhistors neues Glück. Zu Günter Grass’ Erzählung „Das Treffen in Telgte“ und ihrer Kritik. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 30 (1980), S. 451–465. In Grass’ Hauptquelle, der Barock-Anthologie Albrecht Schönes, waren immerhin einige Klaj-Texte abgedruckt – vgl. Albrecht Schöne (Hg.): Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage. München 1968, S. 303 ff. und S. 713 ff. 5 Vgl. insbesondere die im Entstehen begriffene, von Klaus Garber, Ferdinand van Ingen, Hartmut Laufhütte und Johann Anselm Steiger herausgegebene große Werkausgabe. 6 Der fast eine Generation ältere Krenek (1900–1991) lebte zum Zeitpunkt der Komposition in Wien, Gideon Klein (1919–1945) in Prag; beide sind sich nie begegnet.
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Ist jedem bewust. Wie solten Kunstahmende Pinsel bemahlen Die Blätter? die schirmen vor brennenden Strahlen/ Keiner der Stämme/so grünlich beziert/ Die Ordnung verführt. Es lisplen und wisplen die schlupfrigen Brunnen/ Von ihnen ist diese Begrünung gerunnen/ Sie schauren/ betrauren und fürchten bereit Die schneyichte Zeit.7
Der Schäfer Klajus singt dieses Lied beim Spaziergang mit Strefon, hinter dem sich, der Tradition der Ekloge gemäß, Harsdörffer verbirgt, vor den Toren Nürnbergs, und zwar an einem ganz konkreten Ort: die beiden Hirten sind auf ihrem Weg über die Pegnitzwiesen im Westen der Stadt an der Drahtziehmühle und der Kleinen Weidenmühle vorbeigekommen und nun zur Hallerwiese gelangt, deren Name im vorangehenden Prosatext augenzwinkernd etymologisiert wird als „einer aus der Massen lustigen und von der Vogel hellzwitscherenden und zitscherenden Stimlein erhallenden/ Wiesen“.8 Dort betrachten sie die reiheweise gepflanzten „dikbelaubten hohen Linden“ und darunter „drey hellqwellende Springbrunnen“, die „lieblich platscheten und klatscherten“.9 Wie durchgängig im „Pegnesischen Schäfergedicht“ ist hier die Darstellung eines locus amoenus verschränkt mit der konkreten Darstellung eines realen Ortes; Harsdörffer und Klaj beschreiben „eine bestimmte Lokalität […] mit einer Genauigkeit […], für die es in der gesamten deutschen Barockdichtung kein Seitenstück gibt“.10 In diesem Kontext also fungiert das Klaj zugewiesene Gedicht11 als poetische Überhöhung der Hallerwiese mit ihren drei von Linden überragten Springbrunnen.
7 Georg Philipp Harsdörffer / Sigmund von Birken / Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht 1644–1645. Hg. v. Klaus Garber. Tübingen 1966 (= Deutsche Neudrucke. Reihe Barock, 8), S. 20. 8 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 20. Tatsächlich ist die Wiese nach der einstigen Besitzerin des Grundstücks benannt, die der Patrizierfamilie Haller entstammte. 9 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 20. 10 Klaus Garber: Nachwort des Herausgebers. In: Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 1*–27*, hier: S. 10* f. 11 Wenngleich das „Pegnesische Schäfergedicht“ natürlich ein Gemeinschaftswerk von Harsdörffer und Klaj darstellt, gibt es doch gute Gründe dafür anzunehmen, dass die mit „Klajus“ gezeichneten Gedichteinlagen tatsächlich von Klaj, die mit „Stefon“ gezeichneten dagegen von Harsdörffer stammen. Gattungsgeschichtlich ließe sich mit der von Vergil begründeten Tradition argumentieren, dass die fiktiven Schäfer die realen Dichter repräsentieren, ferner mit den autobiographischen Zügen, die die Figuren tragen – vgl. Garber (wie Anm. 10), S. 22* –; schließlich damit, dass die Prosaekloge nicht zuletzt „zur Mitteilung neuer Gedichte“ fungierte, „ohne daß gleich ein ganzer Gedichtband gefüllt hätte werden müssen“ (Klaus Garber: Literatur und Kultur
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Klaj gelingt diese Überhöhung unter erheblichem rhetorischen Aufwand: Assonanzen und Binnenreime, Metaphern und Personifikationen, Neologismen und die bei ihm fast unvermeidlichen onomatopoetischen Wendungen werden aufgeboten, um die Wiese an der Pegnitz zum locus amoenus zu stilisieren. Das daktylische Versmaß führt die bereits in der Prosaeinleitung beschworene freudige Stimmung fort und bildet nebenbei auch das sanfte Dahinfließen des Wassers metrisch ab. Beim Lesen wirken die drei Strophen mit ihrer Abfolge von drei vierhebigen Verse und einem zweihebigen Vers, teils mit, teils ohne Auftakt, mit unterschiedlich ausgeprägter Katalexe, reichlich artifiziell; stellt man sich dazu jedoch eine Melodie im Dreiertakt vor (laut Prosahandlung singt Klajus das Gedicht ja), so glätten sich die Unregelmäßigkeiten, und nur der verkürzte vierte Vers jeder Strophe sorgt für einen besonderen Schlusseffekt. Dieser Effekt wird insbesondere in der letzten Strophe auch inhaltlich relevant. Zunächst jedoch hatte Klaj den besonderen Reiz des locus amoenus aus dem Zusammenwirken von Bäumen und Brunnen begründet, der durch die menschliche Hand arrangierten Natur: Das Wasser, angenehm kühl dank des Schattens der angepflanzten Bäume, spendet Erfrischung, die Lindenblätter schützen vor der sengenden Sonne und grünen ihrerseits dank des lebenswichtigen Wassers. Zweieinhalb Strophen lang beschwört Klaj dieses sommerliche Bild, bevor in den letzten beiden Versen die Gefährdung dieser Idylle, ihre saisonale Begrenztheit in den Blick rückt. Dass diese Bedrohung in der vorletzten Zeile zwar schon angekündigt, der Winter aber erst mit der letzten Zeile benannt wird, verleiht dem Gedicht eine unerwartete Schlusspointe, die durch den Metrumwechsel noch unterstrichen wird. Der locus amoenus erscheint also dem zyklischen Wechsel der Jahreszeiten unterworfen – und dieser Aspekt des Jahreszeitenzyklus wird auch im nachfolgenden Prosatext wieder aufgegriffen: Strefon bringt Klajus auf eine Anhöhe, von der aus sich die Wälder, Felder und Gärten der Umgebung gut überblicken lassen, und schwärmt von der Fruchtbarkeit der Landschaft: Hier wachsen Obst und Gemüse, hier leben Rehe, Fische und das „Federwild“: „ob es zwarten theils in die Winterung verreiset/ muß uns doch die jenige Schaar/ die uns in verwichenen
im Europa der frühen Neuzeit. Gesammelte Studien. München 2009, S. 297). Albin Franz hatte bereits versucht, die Autorschaft an stilistischen Kriterien festzumachen – vgl. Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts. Marburg 1908 (zum vorliegenden Gedicht vgl. S. 107). Gleichwohl verweist Silvia Serena Tschopp zu Recht darauf, es sei – erst recht natürlich mit Blick auf die Prosapassagen – „kaum möglich, Klajus und Strefon eine je spezifische, während des gesamten Pegnesischen Schäfergedichts konsequent zum Ausdruck gebrachte Denk- und Sprechweise zuzuordnen“ – vgl. Silvia Serena Tschopp: Friedensentwurf. Zum Verhältnis von poetischer Struktur und historischem Gehalt im „Pegnesischen Schäfergedicht“ von G. Ph. Harsdörffer und J. Klaj. In: Compar(a)ison 2 (1993), S. 217–237, hier: S. 230.
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Lentzen die Ohren / anjetzo die Schüssel und Magen füllen.“12 Auf Klajus’ ungläubige, sich auf Conrad Celtis berufende Nachfrage, dass doch gerade Nürnberg für seine unfruchtbaren Böden bekannt sei, antwortet Strefon: „Die Zeit/ welche alles zu verändern pfleget / hat unseren vor diesem unfruchtbaren Sandboden nach und nach glüklich ausgebauet.“13 Zwei Zeitvorstellungen treffen hier aufeinander: einerseits die zyklische Zeit, der Wechsel der Jahreszeiten, der Wandel von Werden und Vergehen; andererseits eine lineare Zeit, in der durch das Zusammenspiel von Natur und Mensch Fortschritt möglich wird.14 Beide Vorstellungen werden aber nicht gegeneinander ausgespielt, sondern ergänzen einander. Klajs Loblied auf die Hallerwiese ist (speziell auch mit seinen Schlussversen) in diesen Kontext eingebunden: Zwar sind Brunnen und Linden dem Spiel der Jahreszeiten unterworfen, damit aber zugleich Teil einer kosmischen Ordnung – und diese ist die Grundlage für die Herausbildung jener Kulturlandschaft, die Klaj und Harsdörffer in ihrem „Schäfergedicht“ idealisieren. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ernst Krenek oder Gideon Klein diesen Kontext gekannt haben, dass sie das „Pegnesische Schäfergedicht“ gar gelesen hätten. Betrachtet man die beiden Partituren, fällt nämlich auf, dass sowohl Krenek als auch Klein die zweite Strophe des Gedichts nicht vertont haben15 – also jene Strophe, die mit den „brennenden Strahlen“ der Sonne besonders eindrücklich den Sommer beschwört. Das wirft die Frage nach einer eventuellen gemeinsamen Quelle auf. Erstaunlicherweise führt dabei die Spur, ausgehend von einer Vorbemerkung zur Partitur Kreneks,16 zurück zu keinem Geringeren als Karl Kraus. Der Herausgeber der „Fackel“ war bekanntlich nicht nur ein scharfzüngiger Satiriker und hellsichtiger Sprachkritiker, sondern auch als fesselnder Rezitator berühmt. Ernst Krenek zählte zu seinen begeisterten Zuhörern: Es macht keinen Unterschied, ob er seine eigenen und brillanten Satiren las, oder Theaterstücke von Shakespeare, Nestroy oder Offenbach. Das Wesentliche war die moralische Kraft, die von dem Mann ausstrahlte […].17
12 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 21. 13 Ebd. 14 Vgl. auch Tschopp, Friedensentwurf (wie Anm. 11), S. 227 f. 15 Vgl. Ernst Křenek: Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen für gemischten Chor a capella, Sopran-Solo und Klavier Op. 72 (1932). Partitur. Wien 1932 (im folgenden zitiert als KVI), S. 12–15, sowie Gideon Klein: Tři Pìsnĕ pro vyšš hlas a klavír, op. 1 (1940). Ukolébavka (Terezín 1943). Berlin, Prag 1993 (im folgenden zitiert als TP), S. 3–5. 16 Vgl. KVI (wie Anm. 15): „Die Texte der Gesänge sind der Sammlung ‚Die Vergessenen […]‘ […] entnommen“ (vor S. 1). 17 Ernst Krenek: Selbstdarstellung. Zürich 1948, S. 27.
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In seinen 700 Vorlesungen zwischen 1910 und 1936 trug Kraus gelegentlich auch barocke Gedichte vor.18 Am 15.3.1921 in Wien beispielsweise hatte er für den ersten Teil der Vorlesung Texte von Strindberg, Shakespeare, Jacobsen und Petronius ausgewählt, bevor dann nach einer kurzen Pause eine Lyriklesung den Bogen von Gryphius bis zum frühen Goethe spannte, mit Gedichten u. a. von Hoffmannswaldau, Weckherlin, Harsdörffer, Hagedorn, Klopstock und Claudius.19 Diese Lesungen waren so eindrücklich, dass sie einen der Zuhörer, den jungen Schriftsteller Heinrich Fischer, zur Herausgabe einer eigenen Anthologie mit 100 Gedichten des 17. und 18. Jahrhunderts anregten. Sie erschien 1926 unter dem bezeichnenden Titel „Die Vergessenen“.20 Da Heinrich Fischer heute Gefahr läuft, selbst ein ‚Vergessener‘ zu werden, hier zunächst einige biographische Hinweise:21 1896 in Karlsbad geboren, begann er seine Karriere als Mitarbeiter der expressionistischen Zeitschrift „Die Aktion“ und als Dramaturg der Münchner Kammerspiele. Seit den frühen 1920er Jahren gehörte Fischer zum engsten Kreis um Karl Kraus und war seither in vielfacher Hinsicht eng mit dem österreichischen Dichter verbunden. Als Direktor des Theaters am Schiffsbauerdamm brachte er 1930 z. B. den Epilog der „Letzten Tage der Menschheit“ auf die Bühne, er verfasste auch eine Reihe von Aufsätzen über Karl Kraus und sollte von ihm schließlich als Nachlassverwalter eingesetzt werden. 1933 emigrierte Fischer zunächst in die Tschechoslowakei, 1939 dann nach England, wo er für die BBC arbeitete. 1956 kehrte er nach Deutschland zurück und war dort als Fernsehmoderator, Übersetzer und Publizist tätig. 1974 ist Heinrich Fischer in München verstorben. Welche Wertschätzung Fischers Barock-Anthologie Ende der 1920er Jahre genoss, lässt sich nicht nur daran ablesen, dass Karl Kraus sie im Rahmen seiner
18 Die Programme und Programmzettel sind abrufbar unter http://www.kraus.wienbibliothek. at/der-vorleser. Vgl. auch http://www.digital.wienbibliothek.at/wbr/nav/classification/1136528 [Abruf jeweils 20.9.2017]. 19 Vgl. http://www.kraus.wienbibliothek.at/content/198-vorlesung-am–15031921 [Abruf 20.9. 2017]. Im Programm wird auch ein Gedicht von Klaj genannt, das aber wohl von Harsdörffer stammt – vgl. Anm. 27. 20 Heinrich Fischer (Hg.): Die Vergessenen. Hundert deutsche Gedichte des XVII. und XVIII. Jahrhunderts. Berlin 1926. 21 Zur Biographie Fischers vgl. Wilhelm Sternfeld / Eva Tiedemann: Deutsche Exil-Literatur 1933–1945. Eine Bio-Bibliographie. Mit einem Vorwort von Hanns W. Eppelsheimer. Heidelberg, Darmstadt 1962, S. 83 f. sowie den Wikipedia-Eintrag https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_ Fischer_(Autor) [Abruf 20.9.2017]. Vgl. zudem John L. Stewart: Ernst Krenek. The Man and His Music. Berkeley u. a. 1991, S. 147.
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Vorlesungen bewarb,22 sondern beispielsweise auch an der folgenden Rezension von Kurt Tucholsky: Man sieht schaudernd, wessen deutsches Wesen fähig ist – man vergißt nur zu leicht, was Deutschland einmal hervorgebracht hat. Es ist immer gut, zu erinnern. Heinrich Fischer erinnert. […] Eine liebevolle Hand hat diesen Band zusammengestellt, und ein Gehirn hat daran gearbeitet, das jedes Wort und jeden Buchstaben der geliebten Sprache so aufnimmt, wie er aufgenommen werden muß. Es ist Heinrich Fischer gelungen, durch seine geistige Haltung eine Atmosphäre zu schaffen, in der man einen guten Vers dahin legt, wohin er gehört: auf die Goldwaage.23
Die Verse, die Fischer gewogen und für gewichtig befunden hat, stammen nicht nur von literaturgeschichtlichen Schwergewichten wie Fleming, Hoffmannswaldau, Opitz, Gryphius, Hagedorn oder Günther, sondern auch von kleineren Autoren des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts wie Jacob Schwieger (bzw. Philidor der Dorferer), Johann Georg Schoch, Nikolaus Dietrich Giseke, Johann Gaudenz von Salis oder Friedrich Adolph Kuhn; auf etwa 20 dieser 100 Gedichte wurde Fischer eigenem Bekunden zufolge von Karl Kraus aufmerksam gemacht. Der Titel „Die Vergessenen“ erscheint vor dem Hintergrund dieser Auswahl selbsterklärend, Fischer will ihn aber in dreifacher Hinsicht verstanden wissen:
in dem naheliegenden Sinn eines Protestes der Unvergeßlichen gegen die offizielle Wertung der Literarhistorie; dann aber – weil nicht zufällig Paul Gerhards [sic] Friedenslied am Anfang steht – als mahnendes Gedenken der Millionen Toten, an denen die Politik des Tages unbelehrt und unbekümmert vorübergeht; und schließlich, im Widerspiel des modernen Literaturtyps, als beispielhaftes Zeugnis für die Reinheit und tiefe Verantwortlichkeit eines sittlichen Bewußtseins, das in jenen Tagen auch die Dii minores als Fundament ihrer ästhetischen Begabung erkannt und gehütet haben.24
Ohne an dieser Stelle diskutieren zu wollen, inwieweit letztere Zuschreibung eine Projektion darstellt, bleibt festzuhalten, dass für Fischer das literaturhistorische Interesse eng verknüpft ist mit ethischen und politisch-pazifistischen Implikationen. Mit seiner Nachbemerkung legt er – in dezidierter Zurückweisung jeder „starren philologischen Absicht“25 – eine aktualisierende Lesart der Gedichte nahe: Sie sollen inmitten der unruhigen Zeiten der Weimarer Republik als Mahnung und
22 Vgl. das Plakat zur Vorlesung vom 5. März 1927 unter http://www.kraus.wienbibliothek.at/ content/410-vorlesung-am–05031927 [Abruf 20.9.2017]. 23 Peter Panter: Heinrich Fischer, ‚Die Vergessenen, Hundert Deutsche Gedichte des XVII. und XVIII. Jahrhunderts‘. In: Die Weltbühne, 28.10.1930, S. 651 unter http://www.textlog.de/tuchol sky-heinrich-fischer.html [Abruf 20.9.2017]. 24 Fischer, Die Vergessenen (wie Anm. 20), S. 213. 25 Ebd.
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Vorbild fungieren. Nicht zuletzt deshalb hat Fischer ganz gezielt immer wieder den Krieg thematisierende Texte wie Gryphius’ „Thränen des Vaterlandes“, Logaus „Der Frühling“, Göckingks „Lied eines Invaliden“ oder Tiedges „Elegie auf dem Schlachtfeld bei Kunersdorf“ in seine Sammlung eingestreut. Vor dem Hintergrund der intendierten Rezeptionsperspektive erscheint nun auch das Klaj-Gedicht an durchaus prominenter Stelle innerhalb der Anthologie: direkt im Anschluss an das eröffnende Paul-Gerhardt-Lied „Gottlob, nun ist erschollen“. Gerhardt hatte dieses Lied als Reaktion auf die Verkündigung des Westfälischen Friedens gedichtet; Fischer versieht den Abdruck nun mit der neuen Überschrift „Nach dem großen Kriege“ und weckt dadurch bei seinen Lesern Assoziationen nicht nur an den Dreißigjährigen Krieg, sondern auch an den Ersten Weltkrieg, la Grande Guerre. So präsentiert, wird Gerhardts mahnendes Friedenslied zum gewichtigen Eröffnungs-Statement. Ihm folgen zwei Ausschnitte aus dem „Pegnesischen Schäfergedicht“, die allerdings nicht als solche gekennzeichnet sind, sondern als geschlossene Gedichte inszeniert und dafür ebenfalls mit neuen Titeln versehen werden. Fischer ordnet beide Texte dem Autor Johann Klaj zu; in Wirklichkeit aber stammt einer davon wohl von Harsdörffer. Es handelt sich bei diesem ersten Gedicht um jene Verse, die der Schäfer Strefon vor seiner Begegnung mit Klajus in die Rinde eines Lindenbaums einritzt26 und mit denen er sich als „Der unwürdig Spielende“27 zu erkennen gibt. Fischer druckt das Gedicht unter der Überschrift „An eine Linde“: Schöne Linde! Deine Rinde Nehm’ den Wunsch von meiner Hand: Kröne mit den sanften Schatten Diese saatbegrasten Matten, Stehe sicher vor dem Brand. Reißt die graue Zeit hier nieder Deine Brüder: Soll der Lenz diese Aest’ Jedes Jahr belauben wieder Und dich hegen wurzelfest.28
Gegenüber dem Original hat Fischer den Text orthographisch geglättet, den Strophendruck vereinfacht und minimale metrische Anpassungen vorgenommen.
26 Vgl. Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 11 f. 27 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 12. In der Fruchtbringenden Gesellschaft trug Harsdörffer den Namen „der Spielende“. Franz, Klaj (wie Anm. 11), S. 106, nennt stilkritische Argumente für die Autorschaft Harsdörffer, die mindestens bedenkenswert sind. 28 Fischer, Die Vergessenen (wie Anm. 20), S. 11.
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Gewichtiger sind freilich die Änderungsoperationen, die er an der folgenden zweiten, uns bereits gut bekannten Verseinlage aus dem „Pegnesischen Schäfergedicht“ durchführt: An einen Springbrunnen Hellglänzendes Silber, mit welchem sich gatten Der astigen Linden weitstreifende Schatten, Deine sanft kühlende ruhige Lust Ist jedem bewußt. Es lispeln und wispeln die schlüpfrigen Bronnen. Vor ihnen ist diese Begrünung geronnen. Sie schauern, betrauern und fürchten bereit Die schneeige Zeit.29
Auch hier sind Orthographie und Metrik geglättet, zudem die Lautung modernisiert. Gravierender ist jedoch die Detraktion der ursprünglichen zweiten Strophe. Nicht nur in der quantitativen Relation, sondern auch in der inhaltlichen Gewichtung erhält dadurch die Schlusspointe größere Bedeutung: Das sommerliche Bild der sengenden Sonne fehlt, der Bedrohung des Winters wird kein saisonales Gegengewicht im zyklischen Jahreslauf mehr entgegengesetzt. Schneller und zielstrebiger läuft das Gedicht nun auf die „schneeige Zeit“ zu. Er habe, schreibt Heinrich Fischer, „von vornherein jeder schulmeisterlichen Schranke ledig“, die Anordnung der Gedichte „freier gestaltet, die chronologische Folge dem inneren Zusammenhang zuliebe bisweilen vernachlässigt, manche Gedichte in verkürzter Fassung übernommen“.30 Das mag auf den ersten Blick geringfügig erscheinen, doch findet dadurch gerade im Fall des Klaj-Gedichts eine entscheidende Umakzentuierung statt, die den Text womöglich erst für eine Vertonung attraktiv macht und sich mit den Stichworten der Entkontextualisierung und Neukontextualisierung beschreiben lässt – Entkontextualisierung, weil die Quelle, das „Pegnesische Schäfergedicht“, nicht einmal mehr genannt wird, weil der einordnende Prosatext entfällt und das Gedicht nun als in sich geschlossene Einheit erscheint; Neukontextualisierung, weil das Gedicht jetzt einen Platz in einer ganz bewusst neu komponierten Ordnung, in der Ordnung der Anthologie, erhält. Der Leser, der vom Herausgeber zur aktualisierenden Lektüre ermuntert wird, soll das Gedicht in Relation setzen zum programmatisch am Anfang stehenden Friedenslied von Paul Gerhardt, zu den dort beschworenen „Städte[n] voller
29 Ebd., S. 12. 30 Ebd., S. 212 f.
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Schutt und Stein“31, den „Gräber[n], voller Leichen“32, dem gerade beendeten „großen Kriege“33; in Relation setzen aber auch zum unmittelbar vorausgeschickten Gegenbild der Linde, die als Zeichen der Hoffnung „sicher vor dem Brand“34 steht. In diesem Spannungsfeld wird der Springbrunnen, der die „schneeige Zeit“35 fürchtet, zum Sinnbild einer bedrohten Idylle. Der Kontext der Anthologie verstärkt, unterstützt durch die Auslassung der zweiten Strophe, die resignativmelancholischen Züge, die im „Pegnesischen Schäfergedicht“ nur angedeutet waren. Die neue Überschrift, die fehlende Strophe, der neue Kontext bewirken, dass aus dem Rollengedicht des Schäfers Klajus, dem Loblied auf einen konkreten Ort, nämlich die Nürnberger Hallerwiese mit ihren drei Brunnen, ein Gedicht über einen (einzigen) abstrakten Springbrunnen wird, dem innerhalb des Themenfeldes von Krieg und Frieden, vor dem historischen Hintergrund des Dreißigjährigen Kriegs und dem aktuellen Hintergrund des gerade beendeten Ersten Weltkriegs, symbolische Qualitäten zuwachsen. Die Kantate von Ernst Krenek übernimmt diesen Ansatz und führt ihn modifiziert weiter. Krenek hatte Fischers Anthologie kurz nach ihrem Erscheinen kennengelernt und bereits 1927 vier Gedichte daraus vertont.36 Das Buch sollte ihn dann über mehrere Jahre hinweg immer wieder beschäftigen.37 Im Herbst 1930, als Krenek durch Vermittlung des Musikverlegers Hans W. Heinsheimer Zugang zum Karl-Kraus-Kreis erhielt, bekam er sogar ein signiertes Exemplar von „Die Vergessenen“ als Begrüßungsgeschenk.38 In seiner Autobiographie hat Krenek beschrieben, warum ihn die Anthologie – durchaus im Einklang mit Fischers Nachwort – so ansprach: Die Gedichte, die von Autoren wie Gryphius, Fleming, Opitz und Klaj stammten, bewegten mich sehr. Es war sehr beeindruckende Barockdichtung, die zum großen Teil unter dem Ein-
31 Ebd., S. 9. 32 Ebd., S. 9. 33 Ebd., S. 7. 34 Ebd., S. 11. 35 Ebd., S. 12. 36 Es handelt sich um die Vier Gesänge für mittlere Stimme und Klavier op. 53 nach Gedichten von Günther, Weckherlin und Fleming. 37 Noch 1933 vertonte er zwei Gedichte von Eberhard Friedrich Freiherr von Gemmingen und von Paul Fleming, die er der Anthologie entnommen hatte, als op. 75 und 76. 38 Vgl. Stewart, Krenek (wie Anm. 21), S. 133 f. und S. 147. Krenek selbst empfand es als Auszeichnung, dass Kraus, also „der Mann, der, ohne es zu wissen, den stärksten Einfluß auf mich ausgeübt hatte, mich bis zu seinem Tode mit seiner Freundschaft ehrte“ – vgl. Krenek, Selbstdarstellung (wie Anm. 17), S. 29.
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druck des Dreißigjährigen Krieges geschrieben worden war und menschliches Leid mit außergewöhnlicher Intensität zum Ausdruck brachte.39
Als Krenek dann 1930 von Hermann Dubs, dem Leiter des Häusermann’schen Privatchors in Zürich, den Auftrag zu einem neuen Chorwerk erhielt,40 griff er erneut auf die Gedichtsammlung zurück. Er vereinbarte mit Dubs, eine Kantate für gemischten Chor, Solosopran und Klavier zu komponieren; den Solopart sollte Lucy Siegrist, eine Sopranistin aus dem Chor, übernehmen. Krenek begann wegen verschiedener anderer Aufgaben erst im Januar 1932 mit der Komposition und schloss diese am 16. April 1932 ab.41 Die Uraufführung verzögerte sich etwas, weil Siegrist offenbar kurzfristig nicht mehr zur Verfügung stand, was bei Krenek für erhebliche Verstimmung sorgte.42 Schließlich wurde die „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen“ am 9. Oktober 1933 erstmals in Zürich aufgeführt, nun mit Mia Peltenburg als Solistin und mit Krenek selbst am Klavier. Die Uraufführung „wurde so akklamiert, dass sie wiederholt werden musste“,43 und Krenek hielt die Komposition noch später für „eines meiner besten Werke aus dieser Periode“.44 Es war für Krenek in mehrfacher Hinsicht eine schwierige Periode. Als Komponist war er von tiefen Selbstzweifeln geplagt; stilistisch wähnte er sich in einer Sackgasse, seinen neoromantischen Stil, für das exemplarisch das „Reisetagebuch aus den österreichischen Alpen“ (1929) steht, empfand er als unzureichend; zugleich fühlte er sich durch Schönbergs Zwölftontechnik zunehmend herausgefordert. So tiefgreifend war die persönliche Krise, dass Krenek um 1930 ernsthaft erwog, „die Musik ganz und gar aufzugeben“.45 Darüber hinaus machten dem politische wachen Komponisten aber auch die Zeitläufte zu schaffen; seine „persönlich[e] Niedergeschlagenheit“ sei 1931 noch verstärkt worden „durch die trüben Eindrücke, die ich auf einer Reise durch Österreich und Deutschland empfing, als ich überall die alarmierenden Symptome der rapid um sich greifenden Pest des Nationalsozialismus wahrnahm.“46 Kreneks eigene politische Position war freilich die eines Außenseiters; in Abgrenzung sowohl vom rechten wie vom
39 Ernst Krenek: Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne. Aus dem Englischen von Friedrich Saathen. Revidierte Übersetzung von Sabine Schulte. 2. Aufl. Hamburg 1998, S. 796. 40 Vgl. Claudia Maurer Zenck (Hg.): Ernst Krenek – Briefwechsel mit der Universal Edition (1921– 1941). Teil II. Köln u. a. 2010, S. 596 f. 41 Vgl. ebd., S. 659, und KVI (wie Anm. 15), 42. 42 Vgl. Maurer Zenck, Krenek (wie Anm. 40), S. 700 f. Krenek und sein Verlag suchten sogar zeitweilig (aber erfolglos) nach anderen Interpreten, die die Uraufführung besorgen könnten. 43 Ebd., S. 733. 44 Krenek, Im Atem der Zeit (wie Anm. 39), S. 796. 45 Krenek, Selbstdarstellung (wie Anm. 17), S. 28. 46 Ebd., S. 29.
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linken Lager appellierte er an „einen entkulturierten österreichischen Traditionalismus“,47 an die „Wiedergeburt der Tradition des alten übernationalen Reiches aus dem Geist katholischer Christlichkeit“,48 wohl wissend, dass ein solcher Appell angesichts der aktuellen Entwicklungen allenfalls den Charakter einer Utopie annehmen konnte. Die „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen“ spiegelt die angedeuteten Aspekte dieser bedrückenden Situation nicht nur im Titel, sondern auch in der Auswahl und Anordnung der Texte. Krenek entnahm der Anthologie „Die Vergessenen“ neben den erwähnten beiden Ausschnitten aus dem „Pegnesischen Schäfergedicht“ (die er, wie Fischer, beide Klaj zuordnet) noch fünf weitere Gedichte: eine Verseinlage aus Martin Opitz’ „Schäfferey von der Nimfen Hercinie“ (von Fischer mit „Sta viator!“ überschrieben); die letzten vier Strophen der „Neujahrsode 1633“ von Paul Fleming (von Fischer mit dem Kurztitel „Neujahr 1633“ versehen); sowie von Andreas Gryphius drei Strophen aus der Ode „Dimitte me“ (in der Anthologie unter der Überschrift „Am Ende“) und die beiden Sonette „Abend“ und „Thränen des Vaterlandes“.49 Zwar gehen alle Vertonungen attacca ineinander über, doch lassen sich die einzelnen Teile nicht nur textlich, sondern auch musikalisch deutlich voneinander abgrenzen, da zwei Klangschichten alternierend als dominierende Sinnträger der Gedichte in Erscheinung treten: der a-cappella-Chor und die vom Klavier begleitete Solo-Sopranistin. Dabei ist der Chor tendenziell eher freitonal angelegt, stellenweise mit fast volksliedhaften Kadenzierungen50 und mit auffallend madrigalesker Textausdeutung,51 während die anspruchsvolle, teils von extremen Intervallsprüngen geprägte Solostimme ebenso wie die atonale Klavierbegleitung auch im Gestus schon Kreneks Beschäftigung mit der Zwölftontechnik erkennen lassen.52 Der Aufbau der Kantate stellt sich wie folgt dar:
47 Meret Forster: Reflexe kultureller Modernisierung. Ernst Kreneks Radikalismus der Mitte und der Einfluss von Karl Kraus 1928–1938. Frankfurt am Main u. a. 2004, S. 11. 48 Krenek, Selbstdarstellung (wie Anm. 17), S. 37. 49 Vgl. KVI (wie Anm. 15), vor S. 1, und Fischer, Die Vergessenen (wie Anm. 20), S. 215 ff. 50 Vgl. KVI (wie Anm. 15) 22, 2. Akkolade, 4./5. Takt; KVI 26, 1. Akkolade, 1./2. Takt; KVI 41, 1. Akkolade, 1.–3. Takt (die Taktzählung setzt in der Partitur leider ab S. 7 aus). 51 Vgl. z. B. KVI (wie Anm. 15) 1, T. 6 f. („die rasende Posaun’“), KVI 3, T. 36 („und Tod“), KVI 4, T. 49–52 („dreimal“) und an zahlreichen anderen Stellen. 52 Krenek, Im Atem der Zeit (wie Anm. 39) beschreibt in seiner Autobiographie, wie schwierig es für ihn war, sich in diese neue Technik hineinzufinden. In der „Ballade vom Fest“ (1931) z. B. habe er nichts anderes getan, „als daß ich die zwölf Töne durchging und mit einer anderen Zusammenstellung wieder von vorne anfing. Mit anderen Worten, ich benützte eine ziemlich große Anzahl von Zwölftonreihen, jede nur einmal. Trotzdem klingt das Stück ganz ähnlich wie echte Zwölftonmusik – was es in gewisser Weise auch ist“ (S. 785).
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Takt53
Gedicht54
Tempo
Sinnträger
Bemerkungen
1–73
Gryphius, Thränen des Vaterlandes
Kräftig bewegt, nicht zu schnell
Chor a cappella
–
T. 74 – S. 12, 4. Akk., T. 1
Opitz, Sta viator!
Andante
Sopr. solo m. Klavierbegl.
Chor tritt beim Frage-AntwortSpiel der letzten Verse hinzu; am Ende Klavierüberleitung
S. 12, 4. Akk., T. 2 – S. 15, 2. Akk., T. 7
Klaj, An einen Springbrunnen
Leicht und heiter Chor a cappella bewegt, sehr zart
Zu Beginn noch Reste der Klavierüberleitung
S. 15, 3. Akk., T. 1 –S. 20, 1. Akk., T. 2
[Harsdörffer], An eine Linde
Andantino con grazia
Sopr. solo m. Klavierbegl.
Begleitende Chor-Vokalisen
S. 20, 2. Akk., T. 1 –S. 23, 3. Akk., T. 6
Fleming, Neujahr 1633
Allegro, leicht und schnell
Chor a cappella
-
S. 24, 1. Akk., T. 1 – S. 33, 2. Akk., T. 1
Gryphius, Am Ende
Andante agitato, nervös
Sopr. solo m. Klavierbegl.
S. 25, 3. Akk., T. 1- S. 42, 2. Akk., T. 8
Gyrphius, Abend
Äußerst ruhevoll
Chor m. Klavierbegl., ab S. 37 mit Sopr. solo
Zunächst beide Gedichte alternierend, dann simultan
Krenek hat die Texte nach einer wohldurchdachten Dramaturgie zusammengestellt: Der Beginn beschwört mit Gryphius’ wuchtigen Bildern und im kompakten Chorsatz die Schrecken des Kriegs, bevor am Ende des a-cappella-Teils als Gegenbild kurz und leise der verlorene „Seelen Schatz“55 anklingt. Auch das nachfolgende Opitz-Gedicht, das der Solo-Sopranistin anvertraut ist, wird von
53 Die Taktzählung setzt in der Partitur wie erwähnt ab S. 7 aus. 54 Gemäß der Bezeichnung in KVI (wie Anm. 15). 55 KVI (wie Anm. 15) 6.
702
Thorsten Preuß
einer ähnlich antithetischen Denkfigur beherrscht, dem Gegensatz zwischen „Seel’ und Geist“ und „ihre[m] Knecht, de[m] Leib“,56 zwischen den materiellen Eroberungen in fernen Ländern, dem „Krieg und Streit“,57 und einem immateriellen, jedermann zugänglichen Gut; die Erkenntnis, dass dieses ganz naheliegt, entfaltet sich am Ende des Gedichts im Dialog, für den der Chor zur Solistin hinzutritt. Nach diesen beiden konfliktbetonten Eingangstexten lassen sich die folgenden drei Gedichte als eher optimistische Intermezzi verstehen: Die Verse aus dem „Pegnesischen Schäfergedicht“ evozieren Springbrunnen und Linde als (allerdings latent bedrohte) Idyllen, Flemings Neujahrs-Ode entwirft sogar eine Friedens-Utopie, bei der der Soldatenhelm zum Nistplatz für Vögel wird und „Spieß und Degen“ sich in „Pflug und Spaten“58 verwandeln. Diese erhoffte neue Zeit, das neue Jahr wird abschließend in einem Choral („Largo maestoso“) geradezu hymnisch herbeigerufen. Dann jedoch rückt mit den letzten beiden GryphiusGedichten erneut das Thema der Vergänglichkeit in den Blick. Hier, in diesem Schlussteil, gelingt Krenek ein besonders wirkungsvoller Coup: Er verschränkt die beiden Texte miteinander, zunächst alternierend, dann simultan, „Am Ende“ im solistischen Sopran, „Abend“ im Chor. Auf diese Weise kommentieren und verstärken sich die Bilder von Nacht und Sterblichkeit, die beide Texte dominieren, gegenseitig. Die Strophen aus der Ode lässt Krenek allerdings vor dem Sonett enden, so dass die beiden abschließenden Terzette aus dem „Abend“-Gedicht, in denen das lyrische Ich sich explizit im Gebet an Gott wendet, wieder alleine vorgetragen werden. Besonderes Gewicht erhalten diese Schlussverse dadurch, dass sich der Solo-Sopran in den letzten Takten dem Chor anschließt und die flehentliche Bitte „so reiß mich aus dem Tal der Finsternis zu dir“59 mit seiner Strahlkraft überhöht. Die achtfache Wiederholung der Schlussworte „zu dir“ verleiht dem Finale der Kantate eine besonders eindringliche Wirkung. Aus dieser Anordnung heraus wird deutlich, dass der Titel „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen“ nur einen zentralen Aspekt des Werks benennt; wird doch dem vergänglichen Irdischen als Gegenpol das Unvergänglich entgegengesetzt – nur andeutungsweise am Anfang, besonders nachdrücklich aber am Ende. Kreneks Gedankenbewegung führt vom Gedicht „Thränen des Vaterlandes“ mit seinen Bildern von Leid, Krieg und Zerstörung hin zum „Abend“-Sonett mit seiner religiösen Hinwendung zu Gott. Diese Dramaturgie war nicht allein den barocken Texten geschuldet, sondern wurzelte auch in der Weltanschauung des
56 57 58 59
KVI (wie Anm. 15) 8. KVI (wie Anm. 15) 8. KVI (wie Anm. 15) 22. KVI (wie Anm. 15) 41.
„Hellgläntzendes Silber“ in „schneyichter Zeit“
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Komponisten, der, „nach einer Periode der Entfremdung, schrittweise zur römisch-katholischen Kirche, in der ich geboren und aufgewachsen war, zurückgekehrt“ war.60 Vor dem Hintergrund der biographischen wie der historischen Situation dürfte sich die Kantate mit ihrer Warnung vor Krieg und Verfall, aber auch mit der darin formulierten christlichen Hoffnung aktualisierend sowohl auf die persönliche Krise wie auf die politische Lage beziehen lassen. Welche Funktion hat nun das Klaj-Gedicht in diesem Kontext? Es erscheint an dritter Stelle in der Kantate und ist mit dem vorangehenden Opitz-Gedicht durch ein Klavier-Zwischenspiel verknüpft. Dieses Zwischenspiel leitet von der zerklüfteten, teils atonalen Tonsprache des Sopransolos über zum eher freitonalen Chorgesang, indem es einen B-Dur-Sextakkord als tonales Zentrum etabliert,61 und weist mit seinen Arpeggien der rechten Hand bereits auf das Plätschern des Springbrunnenwassers voraus, das dann in den ersten Gedichtversen beschrieben wird. Der Chor setzt quasi kanonisch ein, zunächst wiederum mit einem B-Dur-Akkord in den (geteilten) Oberstimmen, und sobald auch Tenöre und Bässe hinzugetreten sind, verstummt das Klavier bis zum Ende des Gedichts. Der Chorsatz zeichnet sich, wie erwähnt, in der Kantate generell durch Tonmalerei aus; hier werden z. B. die „weitstreifende[n] Schatten“62 durch ein weitschweifiges Sopranmelisma symbolisiert sowie durch einen Klangschatten, den die tiefen Stimmen werfen, während die hohen schon verstummt sind.63 Die „sanft kühlende ruhige Lust“64 wird durch Vokalisen in den Männerstimmen unterstrichen, und das „[L]ispeln und [W]ispeln“65 ahmt Krenek durch „sehr schnell[e]“66 Achtelbewegung im Pianissimo nach. Bei der Vertonung beschränkt er sich naturgemäß auf die beiden Strophen, die er durch Heinrich Fischers Anthologie kannte, und gliedert seine Komposition in 4 Abschnitte zu je zwei Versen.67 Die ersten drei Abschnitte beginnen jeweils auf vergleichbare Weise: Der B-Dur-Akkord des ersten Choreinsatzes wird am Anfang des zweiten Teils nach Ges-Dur transponiert, der kanonisch verzögerte Einsatz der Tenöre nach den Frauenstimmen bleibt be
60 Krenek, Selbstdarstellung (wie Anm. 17), S. 36. 61 Vgl. KVI (wie Anm. 15) 12, 2. Akkolade, T. 2. Harmonisch weist die Klaj-Vertonung nur wenige funktionsharmonisch-tonale Reste auf, kehrt aber immer wieder zu tonalen Akkorden und sogar kadenzierenden Bildungen zurück. 62 KVI (wie Anm. 15) 13. 63 KVI (wie Anm. 15) 13, 2. Akkolade, T. 1/2. 64 KVI (wie Anm. 15) 13. 65 KVI (wie Anm. 15) 14. 66 KVI (wie Anm. 15) 14, 1. Akkolade, T. 1. Diese Vortragsbezeichnung unterstützt die Tempobezeichnung „Molto vivace“ (ebd.). 67 Dabei wird zu Beginn des 3. Verses die anfängliche Anrede „hellglänzendes Silber“ wiederholt; vgl. KVI (wie Anm. 15) 13.
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stehen;68 der dritte Teil wiederum beginnt wieder in B-Dur, nun aber erfolgen die Stimmeinsätze spiegelverkehrt, ausgehend also von den Tenören und Bässen, denen Alt und Sopran versetzt folgen.69 Alle diese drei Teile sind überwiegend durch Achtelbewegung gekennzeichnet. Der vierte Teil aber, also die Vertonung der letzten beiden Gedichtverse, hebt sich davon nun deutlich ab. Er setzt „[l]angsam“ ein, zudem in punktierter Viertelbewegung, mit einem als „dünn“70 bezeichneten, pianissimo vorgetragenen einsamen Klagegesang der Soprane, die durch absteigende Skalenausschnitte das „[S]chauern“ und „[B]ertrauern“,71 von dem der Text spricht, musikalisch spiegeln. Die übrigen drei Stimmen wiederholen den Halbvers nach einer Generalpause als „hohl[es]“ Echo im dreifachen piano. Eine breite Steigerung im vierstimmigen homophonen Satz bis zum Forte zu den Worten „und fürchten bereit“72 bereitet spannungsvoll die Schlusspointe vor; nach einer abermaligen Generalpause wird dann der Schlussvers „die schneeige Zeit“ vorgetragen: „sostenuto“, „dünn“, im pianissimo umkreisen die vier Stimmen chromatisch einen B-Dur-Akkord, um dann diesen Teil der Kantate mit jenem B-Dur-Sextakkord zu beschließen, den das Klavierzwischenspiel unmittelbar vor dem Gedicht eingeführt hatte. Schon dieser knappe Überblick zeigt, wie bewusst Ernst Krenek seine Vertonung gestaltet hat. Er zeigt aber auch, wie sehr der Aspekt der winterlichen Bedrohung des Brunnens, der in Klajs Prätext lediglich als Schlusspointe angelegt war, hier in den Vordergrund gerückt ist – nicht zuletzt quantitativ: bei einer Aufführung der „Kantate“ nehmen die beiden Schlussverse, die im „Pegnesischen Schäfergedicht“ nur ein Sechstel des Gedichtumfangs ausmachen, aufgrund ihres langsamen Tempos fast genauso viel Zeit in Anspruch wie alle übrigen Verse zusammengenommen.73 Qualitativ gewinnt die „schneeige Zeit“ durch die musikalische Kontrastwirkung an Bedeutung. Der Brunnen wird somit im Kontext der Kantate zu einem Symbol der Vergänglichkeit aufgeladen. Dass Krenek die Gedichtvertonung nicht mit einem B-Dur-Grundakkord beschließt, sondern mit einem instabilen Sextakkord, unterstreicht die Vorstellung einer hochgradig gefährdeten Idylle.
68 Vgl. KVI (wie Anm. 15) 13, 2. Akkolade, T. 2. 69 Vgl. KVI (wie Anm. 15) 14, 1. Akkolade, T. 1. 70 KVI (wie Anm. 15) 14. 71 KVI (wie Anm. 15) 14 f. 72 KVI (wie Anm. 15) 15. 73 In der CD-Aufnahme des RIAS Kammerchors unter der Leitung von Christoph Rademann (Harmonia mundi HMC 902049) dauern die ersten anderthalb Strophen 57 Sekunden, die beiden Schlussverse 45 Sekunden, was einem Anteil von 44 % entspricht.
„Hellgläntzendes Silber“ in „schneyichter Zeit“
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Kreneks „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen“ hatte, wie wir gesehen haben, vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des aufkommenden europäischen Faschismus ein beträchtliches Aktualisierungspotential. Die Themen Krieg, Vergänglichkeit, Gefährdung von Idyllen, aber auch die Suche nach einem Halt, wie ihn für Krenek die Rückwendung zum christlichen Glauben bot, legten eine auf die Gegenwart bezogene Lesart nahe, die schon Heinrich Fischer wenige Jahre zuvor in seiner Anthologie angeregt hatte. Dass die Uraufführung 1933 in Zürich, wenige Monate nach Hitlers Machtergreifung, so begeisterte Zustimmung fand, dürfte kein Zufall gewesen sein und legt nahe, dass Kreneks Kantate von den Zeitgenossen auch in diesem Sinne verstanden wurde. Eine weitere, sehr erfolgreiche Aufführung ist übrigens für das Fest der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“ am 20.6.1938 in London mit den BBC Singers und Krenek am Klavier dokumentiert.74 Zu diesem Zeitpunkt war Kreneks österreichische Heimat bereits von den Nationalsozialisten annektiert worden, und der Komponist musste in die USA emigrieren. Die „schneeige Zeit“ war gekommen. Auch wenn Kreneks Kantate gelegentliche Aufführungen erlebte, ist es wenig wahrscheinlich, das Gideon Klein dieses Werk kannte. Dennoch gibt es gute Gründe dafür anzunehmen, dass Heinrich Fischer und seine Anthologie auch den Ausgangspunkt für Kleins Vertonung des Klaj-Gedichts im Rahmen seiner Drei Lieder op. 1 dargestellt haben. Der Komposition liegt eine tschechische Übersetzung von Erik Adolf Saudek zugrunde, der Klein auf das Gedicht aufmerksam gemacht haben dürfte und dem die Lieder auch gewidmet sind.75 Der in Wien geborene und in Prag lebende Saudek (1904–1963) war nicht nur ein Freund der Familie Klein und ein wichtiger Mentor des jungen Komponisten,76 sondern auch ein bedeutender tschechischer Übersetzer, der insbesondere für seine Shakespeare-Übertragungen bekannt geworden ist.77 Saudek hatte in Wien und Prag studiert und war polyglott; er übersetzte Molière aus dem Französischen, Goethe, E.T.A. Hoffmann und zahlreiche andere Autoren aus dem Deutschen und besorgte sogar tschechische Synchronisationen für Disney-Filme. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er u. a. als Dramaturg des Prager Nationaltheaters tätig und in zwei
74 Vgl. Maurer Zenck, Krenek (wie Anm. 40), S. 851 und 901. 75 Vgl. TP (wie Anm. 15) 3 sowie Milan Slavický: Gideon Klein – Torso eines Lebens und eines Werks. In: Gideon Klein – Materialien. Hg. von Hans-Günter Klein. Hamburg 1995 (Verdrängte Musik 6), S. 11–58, hier S. 39 und 114. 76 Vgl. ebd., S. 15 und 39. 77 Vgl. den tschechischen Wikipedia-Beitrag https://cs.wikipedia.org/wiki/Erik_Adolf_Saudek [Abruf 29.9.2017] sowie die Biographie unter https://www.fdb.cz/lidi-zivotopis-biografie/63002erich-adolf-saudek.html [Abruf 29.9.2017].
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ter Ehe mit einer Nichte Franz Kafkas verheiratet. Während der Zeit der deutschen Besatzung war Saudek mit Berufsverbot belegt und musste daher unter falschem Namen publizieren. Es berührt eigentümlich, dass Saudek unter diesen Umständen ausgerechnet an einer Anthologie deutscher Barocklyrik (in tschechischer Übertragung) arbeitete, die er 1941 unter dem Pseudonym Karel Brož herausbrachte. Sie enthält auch jene Übersetzung des Klaj-Gedichts, die im Jahr zuvor von Gideon Klein verwendet worden war.78 Saudeks tschechische Fassung ist zielsprachlich orientiert, versucht Metrum und Reimform bestmöglich zu erhalten und erlaubt sich daher einige kleinere Freiheiten in der Wortwahl, wie das Beispiel der letzten Strophe zeigt: Klajs Original
Saudeks Übersetzung
Rückübersetzung ins Deutsche79
Es lisplen und wisplen die schlupfrigen Brunnen. Von ihnen ist diese Begrünung gerunnen. Sie schauren/ betrauren und fürchten bereit Die schneyichte Zeit.80
Śumí a ševelí mokřivé zdroje Jimi to zeleno zplozeno je Smějí se smutně a tuši už tedˇ Sněhy a led.81
Es rauschen und flüstern die nässenden Quellen Durch sie wurde das Grün erzeugt Sie lächeln traurig und ahnen schon jetzt Schnee und Eis.
Während es Saudek in den ersten beiden Verse gelingt, sehr nah am Ausgangstext zu bleiben und sogar den Binnenreim „lisplen – wisplen“ durch eine Alliteration adäquat zu ersetzen, erlaubt er sich in den letzten beiden Versen minimale poetische Lizenzen, lässt den Brunnen „lächeln“ und verengt die „schneyichte Zeit“ metonymisch auf „Schnee und Eis“. Eine Reihe von Indizien spricht übrigens dafür, dass Saudek dabei Heinrich Fischers Anthologie als Vorlage verwendete. Zum einen beschränkt sich seine Übersetzung auf die beiden Strophen, die Fischer abdruckt hatte; zum anderen findet sich auch bei Saudek die Überschrift
78 Vgl. Karel Brož: Růže Ran. Básnĕ nĕeckého baroku. Prag 1941, S. 37. Gegenüber der von Klaj vertonten Fassung hat Saudek den Text in Vers 3 und 6 noch einmal minimal modifiziert. Der folgenden Analyse liegt aber die Fassung zugrunde, die Klein verwendet hat. Posthum wurde das Gedicht in der folgenden Anthologie veröffentlicht: Erik A. Saudek: Labut´a růže. Překlady poezie od Shakespeara k Rilkovi. Prag 21997. 79 Ich danke Blanka Bonham-Meyer und Klaus Meyer für Ihre Hilfe bei der Übersetzung. 80 Pegnesisches Schäfergedicht (wie Anm. 7), S. 20. 81 Zitiert nach TP (wie Anm. 15) 4 f.
„Hellgläntzendes Silber“ in „schneyichter Zeit“
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„Vodotrysk“82 („Springbrunnen“). Überdies könnte ein persönlicher Kontakt zwischen Saudek und Fischer bestanden haben: Fischer war, wie bereits erwähnt, 1933 in die Tschechoslowakei emigriert und arbeitete dort einige Jahre lang beim Deutschen Rundfunk in Prag.83 Gut denkbar also, dass er und der offenbar recht gesellige Saudek sich in dieser Zeit kennengelernt hatten. Möglicherweise war Saudek auf diese Weise auch auf den Klaj-Text gestoßen und hatte ihn dann an Gideon Klein vermittelt.84 Insofern wäre auch bei Klein die durch die „Vergessenen“-Anthologie vorgegebene Rezeptionsperspektive mitzudenken. Saudeks Übersetzung wie auch Kleins Komposition entstanden in einer außerordentlich bedrückenden Zeit: War bereits im September 1938 im Münchner Abkommen die Eingliederung des Sudetenlands in das Deutsche Reich ratifiziert worden, besetzten deutsche Truppen am 15. März 1939 auch das restliche tschechoslowakische Staatsgebiet. Die Folgen für Gideon Klein, der gerade sein Abitur abgelegt hatte und sich im Herbst 1939 sowohl für ein Musikwissenschafts-Studium an der Prager Karlsuniversität immatrikulierte als auch der Kompositionsklasse von Alois Hába am Konservatorium beitrat, waren schon zu diesem Zeitpunkt gravierend: Am 19. November 1939, also nach nur wenigen Semesterwochen, wurden die tschechischen Hochschulen geschlossen, und infolge der Anwendung der Nürnberger Gesetze musste der Jude Klein im Frühjahr 1940 auch das Studium bei Hába aufgeben. Zudem wurde er daran gehindert, ein Stipendium für die Royal Academy of Music in London anzunehmen.85 Dass Klein sich in diesem Kontext dazu entschloss, ausgerechnet drei Gedichte deutscher Autoren – Goethe, Hölderlin und Klaj – zu vertonen, ist mehr als bemerkenswert; und dass er diese Gedichte in tschechischer Übersetzung verwendete und nicht im deutschen Original, kann vor dem skizzierten Hintergrund durchaus als entschiedenes Statement gewertet werden. Klein komponierte die drei Lieder für höhere Stimme und Klavier im Mai und Juni 1940 und versah sie selbstbewusst mit der Opuszahl 1 – aus gutem Grund,
82 Brož, Růže Ran.Básnĕ (wie Anm. 78), S. 37. Denkbar war natürlich auch, dass Saudek den Text einer anderen Anthologie entnommen hat. Im Literaturverzeichnis zum Nachwort von Vojtĕch Jirtát (ebd., S. 88) z. B. wird explizit auf die Barockanthologie von Herbert Cysarz hingewiesen; diese jedoch druckt das Gedicht vollständig und unter dem Titel „Spazierlust“ und kommt daher als Quelle für die Übersetzung nicht in Frage. Vgl. Herbert Cysarz (Hg.): Barocklyrik. Band 2: Hoch- und Spätbarock. Unveränderter reprografischer Nachdrck der Ausgabe Leipzig 1937. Darmstadt 1964 (Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, Reihe Barock), S. 143. 83 Vgl. Krenek, Im Atem der Zeit (wie Anm. 39), S. 938. 84 Auch wenn Saudek Fischers Buch gekannt hat, muss er daneben noch andere Quellen verwendet haben; zwar finden sich einige Gedichte z. B. von Weckherlin, Opitz, Gryphius oder Gottfried Arnold sowohl bei Fischer als auch bei Saudek, doch gibt es in der tschechischen Anthologie auch zahlreiche Gedichte, die bei Fischer nicht abgedruckt sind. 85 Vgl. Slavický, Gideon Klein (wie Anm. 75), S. 16 f.
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denn bereits in der eröffnenden Klaj-Vertonung zeigt er sich stilistisch auf der Höhe der Zeit.86 Der junge Komponist schreibt hier in einem frei atonalen Idiom, das zugleich die Auseinandersetzung mit der konstruktiven Strenge der Wiener Schule erkennen lässt.87 Der virtuose Klavierpart zeigt dabei die Handschrift eines versierten Pianisten und ist „gut spielbar“, während „die Vokalstimme […] extrem hohe Ansprüche stellt“.88 Entsprechend den zwei Gedichtstrophen lässt sich auch das mit der Tempovorschrift „Rychle (Schnell)“89 überschriebene Lied grob in zwei Teile gliedern. Der erste beginnt mit einem achttaktigen Klaviervorspiel, das zweimal mit einem quirligen Sechzehntelaufschwung und anschließender kaskadenartig absteigender, teils auch akkordischer Fortführung den Springbrunnen klangmalerisch vorstellt. Einige der dabei eingeführten motivischen Elemente (z. B. Sechzehntelaufschwung, Quartolen, modifizierte Dreiklangsbildungen) prägen auch die Begleitung der Singstimme, die ab T. 9 in ausnahmslos syllabischer Textdeklamation einsetzt. Ihre erste Strophe ist sowohl durch eine dynamische Steigerung als auch durch zunehmend große Intervallsprünge gekennzeichnet, führt vom piano zum forte und mündet in einen emphatischen großen Septsprung nach oben.90 Doch schon im kurzen Klavierzwischenspiel, das den zweiten Teil einleitet, wandelt sich das Bild. Zwei jeweils über einen ganzen Takt gehaltene Akkorde bringen erstmals die bislang so flüssige Bewegung zum Stocken, und der Sechzehntelaufschwung verkehrt sich in eine Sechzehntel-Abwärtsbewegung über fast zwei Oktaven.91 Der Klaviersatz erscheint nun zunehmend ausgedünnt: Den Wiedereinsatz der Gesangsstimme z. B. begleitet nur noch eine pianissmo vorgetragene einstimmige Linie in Oktavparallelen, und Haltetöne bleiben über teil
86 Die Chronologie der Komposition entspricht nicht der Anordnung im Zyklus, denn die KlajVertonung wurde am 25.Mai 1940 abgeschlossen (vgl. TP, wie Anm. 15, 5) und entstand also zwischen dem Hölderlin- und dem Goethe-Lied, die im Zyklus an Position 2 und 3 stehen. 87 Eine ausgesprochen detaillierte und erhellende Analyse findet sich bei Galit Gertsenzon Fromm: Musical Expressions in Times of Uncertainty: A Study Of Gideon Klein’s Songs Opus 1 (1940). Diss. University of Cincinnati 2012, S. 18 ff. Allerdings reduziert Fromm seine Interpretation ein wenig zu schematisch auf das Gegensatzpaar „optimistic“ vs. „uncertainty“ (passim) und zieht z. B. im Hinblick auf die Bildung der Gesangsmelodie den Einfluss beispielsweise der Sprachintonation gar nicht in Betracht. 88 Slavický (wie Anm. 75), S. 38. Klein hat den Gesangspart später noch einmal modifiziert, wohl nach Rücksprache mit einer Sängerin. TP gibt die ursprüngliche Fassung wieder und liegt auch den folgenden Betrachtungen zugrunde. 89 TP (wie Anm. 15) 3. 90 Vgl. TP (wie Anm. 15) 4, 2. Akk., T. 2. 91 Vgl. TP (wie Anm. 15) 4, 2. Akk., T. 2–4.
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weise mehr als zwei Takte liegen.92 Die Vereisung des Wassers, von der Saudeks Übersetzung im letzten Vers spricht, kündigt sich im Klavier klangmalerisch also schon deutlich früher an. Auch die Verse der Singstimme sind ab Beginn der zweiten Strophe durch jeweils mehrtaktige Pausen voneinander getrennt, die Bewegung ist kleinschrittiger und beschränkt sich ab Beginn des dritten Verses auf klagende Abwärtsbewegungen. Der Schlussvers „sněhy a led“93 wird im Klavier durch abermals fallende Sechzehntel vorbereitet und dann von der Gesangsstimme durch zwei absteigende kleine Sekundschritte im pianissimo wiedergegeben, die zwischen „Schnee“ und „Eis“ durch eine Binnenpause getrennt sind und schließlich den tiefsten gesungenen Ton des Liedes erreichen, ein g‘. Das Klavier, das in der Binnenpause erneut mit fallenden Sechzehnteln eingesetzt hatte, greift diese zu Beginn des kurzen Nachspiels ein letztes Mal auf und mündet dann in drei langsame Schlussakkorde. Deren tiefster Ton (c‘) bleibt, ohne nochmals angeschlagen zu werden, nach dem Ende der Akkorde liegen und beschließt einsam verklingend das Lied. Die zwei Teile der Klaj-Vertonung beschreiben also einen gegenläufigen Prozess: Lässt sich der erste Teil durch Begriffe wie ‚Öffnung‘, ‚Aufschwung‘, ‚Bewegung‘ charakterisieren, kann man den zweiten durch Vokabeln wie ‚Ausdünnung‘, ‚Abfallen‘ oder ‚Erstarrung‘ umschreiben. Die knappe Analyse dürfte deutlich gemacht haben, dass in Gideon Kleins Lesart, womöglich verstärkt durch eine kleine Textmodifikation im letzten Vers der Übersetzung Saudeks, das Gefrieren des Brunnens zum dominierenden Bild des Gedichts geworden ist, das die Komposition bis in die Struktur hinein bestimmt. Dem quirligen, stellenweise fast tänzerischen ersten Teil folgt ein zweiter, klagender Abschnitt, in dem das langsame Erstarren des Brunnens gleichsam auskomponiert ist. Ein kurzer Blick auf die beiden folgenden Lieder des Zyklus zeigt, dass auch dort anhand von Natur- und Jahreszeiten-Bildern grundlegende Umbruchssituationen thematisiert und gestaltet werden: An das Klaj-Lied schließt zunächst eine Vertonung von Hölderlins Gedicht „Hälfte des Lebens“ (ebenfalls in einer Übersetzung von Saudek) an, das bekanntlich durch die Gegenüberstellung von Spätsommer und Winter eine biographische Schwellensituation umschreibt. Dem dritten und letzten Lied schließlich legt Klein mit „Dämmrung senkte sich von oben“ ein Goethe-Gedicht (in einer Übersetzung von Jan Dostal) zugrunde, das dem späten Zyklus „Chinesisch-Deutsche Jahres-und Tageszeiten“ entstammt und dort ebenfalls zwischen den Sommer- und Herbstgedichten platziert ist; mit dem Bild der Abenddämmerung ist hier auch eine existentielle menschliche Erfahrung erfasst. Der Zusammenhang
92 Vgl. z. B. TP (wie Anm. 15) 5, 1. Akk., T. 3 bis 2. Akk., T. 1. 93 TP (wie Anm. 15) 5.
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der drei Gedichte auf der motivischen wie der thematischen Ebene ist frappierend, und die Klaj-Vertonung fügt sich dabei schlüssig ein. Als Ganzer ist der Liederzyklus „von melancholisch-nostalgischem Charakter, der durch die ungewöhnliche Temporelation (schnell – langsam – langsam) noch gesteigert wird“,94 und angesichts von Kleins Lebensumständen zum Zeitpunkt der Komposition dürfte es ausgesprochen schwer fallen, die Drei Lieder op. 1 nicht auch biographisch zu deuten. Sie sind, wie es Fromm formuliert, “the fruit of the unfathomable reality Klein was living, cornered in by the circumstances of the approaching effects of the Holocaust onto his door step”.95
Ist es Zufall, dass ein Gedicht aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs seine Wirkung just zu Beginn einer neuerlichen historischen Katastrophe entfaltet? Wie kommt es, dass Klajs poetische Beschreibung der Nürnberger Hallerwiese rund drei Jahrhunderte später dazu in der Lage ist, die Ängste und düsteren Vorahnungen eines jungen jüdischen Komponisten nach der Besetzung Prags durch die Nationalsozialisten zum Ausdruck zu bringen? So wie sie schon wenige Jahre zuvor von den Hörern der Krenek-Kantate als Mahnung vor dem aufkommenden Faschismus verstanden werden konnte? Der womöglich entscheidende Faktor für die produktive Rezeption des Gedichts war – wie wahrscheinlich bei sehr vielen Kunstwerken – die Loslösung aus dem ursprünglichen Kontext, wie sie in der Anthologie Heinrich Fischers vorgenommen wurde. Diese Ent- und Neukontextualisierung, verbunden mit der Detraktion einer der drei Strophen und der Adjektion einer Überschrift, bewirkte, dass sich Bedeutungsschichten in den Vordergrund schoben, die im Ausgangstext gewiss angelegt, aber nicht dominierend waren. Aus den amönen Brunnen auf der Hallerwiese wurde so ein symbolischer Springbrunnen, dem vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den nahenden Winter erhebliches Aktualisierungspotential zugeschrieben werden konnte. Dieses Potential erkannten und nutzten sowohl Krenek als auch Klein im Angesicht der Finsternis, die sich damals über Europa hinabsenkte. Es scheint, als habe sich das hellglänzende Silber der Klajschen Sprachvirtuosität erst in schneeiger Zeit in seinem wahren Wert erfassen lassen. Die bange Frage nach der Umbruchsituation, die der 20jährige Gideon Klein mit seinem Opus 1 stellte, erwies sich in der Folge leider als nur allzu berechtigt und wurde von der Realität schließlich mit einer Brutalität beantwortet, die Klein bei der Komposition wohl selbst nicht geahnt hat. Am 4. Dezember 1941 wurde der jüdische Komponist nach Theresienstadt deportiert. Knapp drei Jahre lang
94 Slavický, Gideon Klein (wie Anm. 75), S. 39. 95 Fromm, Musical Expressions (wie Anm. 87), S. 107.
„Hellgläntzendes Silber“ in „schneyichter Zeit“
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engagierte er sich dort bekanntermaßen an exponierter Stelle am kulturellen Leben des Konzentrationslagers, das von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken missbraucht wurde. Im Oktober 1944 wurde Gideon Klein dann nach Fürstengrube, in ein Außenlager das KZ Ausschwitz, gebracht. Dort kam er, „unmittelbar an der Schwelle der Befreiung, wenige Wochen nach seinem 25. Geburtstag“,96 unter ungeklärten Umständen und an einem nicht mehr genau rekonstruierbaren Datum ums Leben.
96 Slavický, Gideon Klein (wie Anm. 75), S. 22.
Die Autorinnen und Autoren Dr. Julia Amslinger, Institut für Germanistik, Universität Duisburg-Essen, Berliner Platz 6–8, D–45127 Essen. [email protected] Prof. Dr. Stefanie Arend, Institut für Germanistik, Universität Rostock, August-Bebel-Straße 28, D–18055 Rostock. [email protected] Franziska Bauer M. A., Georg-August-Universität Göttingen, Böcklerstraße 226, D–38102 Braunschweig. [email protected] Prof. Dr. Franz M. Eybl, Institut für Germanistik, Universitätsring 1, A–1010 Wien. franz. [email protected] Prof. Dr. Peter Fleischmann, Staatsarchiv Nürnberg, Archivstraße 17, D–90408 Nürnberg. [email protected] Prof. Dr. Klaus Garber, Universität Osnabrück, Forschungsstelle Literatur der Frühen Neuzeit, Neuer Graben 19/21, 49074 Osnabrück. kgarber@uni-osnabrück.de Prof. Dr. Ferdinand van Ingen, Verlengde Slotlaan 84, NL-3707CL Zeist. Prof. Dr. Bernhard Jahn, Institut für Germanistik, Universität Hamburg, Überseering 35, D–20297 Hamburg. [email protected] PD Dr. Hans-Joachim Jakob, Literaturdidaktik, Universität Siegen, Adolf-Reichwein-Straße 2, D–57076 Siegen. [email protected] Dr. Hans-Otto Keunecke, Dr.-Rühl-Straße 7, D–91090 Effeltrich. [email protected] Prof. Dr. Dieter Martin, Neuere Deutsche Literatur. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Br., Platz der Universität 3, D–79085 Freiburg. [email protected] Prof. Dr. Dirk Niefanger, Department Germanistik und Komparatistik, Friedrich-Alexander-Universität, Bismarckstraße 1, D–91054 Erlangen. [email protected] Prof. Dr. Seraina Plotke, Institut für Germanistik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, An der Universität 5, D–96047 Bamberg. [email protected] Dr. Thorsten Preuß, Bayerischer Rundfunk, Studio Franken, Wallensteinstraße 117, D–90431 Nürnberg. [email protected] Dr. Thomas Rahn, Institut für Deutsche und Niederländische Philologie, Freie Universität Berlin, Habelschwerdter Allee 45, D–14195 Berlin. [email protected]
https://doi.org/10.1515/9783110669480-027
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Die Autoren
Dr. Nora Ramtke, Ruhr-Universität Bochum, Germanistisches Institut, Universitätsstraße 150, D–44801 Bochum. [email protected] Prof. Dr. Ernst Rohmer, Institut für Germanistik, Universität Regensburg, Universitätsstr. 31, D–93053 Regensburg. [email protected] Prof. Dr. Irmgard Scheitler, Institut für deutsche Philologie, Universität Würzburg, Am Hubland, D–97074 Würzburg. [email protected] Frederike Schmäschke M. A., Museen der Stadt Nürnberg, Äußere Sulzbacher Straße 60, D–90491 Nürnberg. [email protected] Prof. Dr. Werner Wilhelm Schnabel, Department Germanistik und Komparatistik, Friedrich-Alexander-Universität, Bismarckstraße 1, D–91054 Erlangen. [email protected] Dr. Ralf Schuster, Frühlingstraße 1, D–94032 Passau. [email protected] Anna Lisa Schwartz M. A., Wiesenstraße 97, D–90459 Nürnberg. [email protected] Ass. Prof. David L. Smith, Ph.D., East Carolina University, Mailstop 556, FLL, Greenville, NC 27858, USA. [email protected] Prof. Dr. Stefanie Stockhorst, Institut für Germanistik, Universität Potsdam, Am Neuen Palais 10, D–14469 Potsdam. [email protected] Franziska Vitzthum, Department Germanistik und Komparatistik, Friedrich-Alexander-Universität, Bismarckstraße 1, D–91054 Erlangen. [email protected] Prof. Dr. Mara R. Wade, Department of Germanic Languages and Literatures, University of Illinois at Urbana-Champaign, 2090 Foreign Languages Building, 707 S. Mathews Ave., Urbana, IL 61801, USA. [email protected] Prof. Dr. Jörg Wesche, Institut für Germanistik, Universität Duisburg-Essen, Berliner Platz 6–8, D–45127 Essen. [email protected] Prof. Dr. Rosmarie Zeller, Deutsches Seminar, Nadelberg 4, CH–4051 Basel. [email protected]
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Index Nominum Erstellt von Werner Wilhelm Schnabel1 Erschlossen sind historische Personen, die bis 1930 geboren sind, nicht jedoch Erwähnungen Johann Klajs selbst. Neben Pseudonymen bzw. Gesellschaftsnamen sind außerdem auch literarische Gestalten erfasst. Angegeben sind nach Möglichkeit die Lebensdaten (nicht die der Amts- oder Regierungszeit); die Datierung von Erwähnungen bzw. Erwähnungszeiträumen (erw.) bezieht sich nicht zwangsläufig auf die Nennungen in diesem Band, sondern auf Nachweise in der einschlägigen prosopographischen Literatur (Universitätsmatrikel, Personalschriftenverzeichnisse, Pfarrerbücher, Gelehrten- und Künstlerlexika etc.) und in entsprechenden Datenbanken (Index Personarum, Gemeinsame Normdatenbank, VD 17 …). Fürsten sind unter ihrem Territorium, Kaiser unter ihrem Vornamen lemmatisiert. Bei Frauen erfolgt die Einordnung – soweit bekannt – unter ihrem Geburtsnamen bzw. wird von diesem auf ihren Ehenamen verwiesen. Abkürzungen: Bf. = Bischof; Hzg. = Herzog; Kfst. = Kurfürst; Kg. = König; Mgf. = Markgraf. Abesser, Sebastian (1581–1638) 111 Abner 64 Abraham a Sancta Clara (1644–1709) 273, 546 Absalom 519 Adam 52, 531, 534, 656 Äsop (6. Jh. v.Chr.) 357 Agricola, Hieronymus (1571–1627) 45, 60, 64, 102 –, Ulrich (erw. 1645) 60 Albert, Heinrich (1604–1651) 671–673, 676, 689 Alberti, Johann Georg, gen. Steyer († 1665) 67, 133, 135 Alciato, Andrea (1492–1550) 454, 464 Alcidor => Sechst, Johann Alewyn, Richard (1902–1979) 10 Altdurst, Hans (erw. 1645) 59 Am Ende, Willibald (erw. 1649) 100
Amarantes => Herdegen, Johann Ambrosius von Mailand (339–397) 123 Ammann, Andreas (erw. 1655) 140 Ammon, Hieronymus (1591–1659) 45, 47, 50, 59, 65, 70, 73, 75, 79, 81, 89, 91, 98, 102, 112, 114, 118 –, Jacob (erw. 1650/60) 595–597, 601 Amyntas => Osthof, Georg Conrad Angelus Silesius => Scheffler, Johann Anhalt-Bernburg, Christian I. Fürst von (1568– 1630) 181 Anhalt-Köthen, Ludwig I., Fürst von (1579– 1650) 68, 193 Anschütz, Sebastian († 1664) 225, 596, 597, 601 Antonius Eremita (251?–356) 630 Apelles (* 375/70 v.Chr.) 342 Aphrodite => Venus Apollo 276, 456, 510, 512, 672
1 Für erste Vorarbeiten wird Frau Ariadni Yfantidou gedankt. https://doi.org/10.1515/9783110669480-029
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Index Nominum
Aresi, Paolo (1574–1644) 273 Ariès, Philippe (1914–1984) 545, 546 Aristophanes (450/44–um 380 v.Chr.) 651 Aristoteles (384–322 v.Chr.) 309, 355, 362 Arndt, Johann (1555–1621) 273 Arnim, Ludwig Achim von (1781–1831) 267 Arnold, Caspar (1798–1863) 139 –, Christoph (1627–1685) 52, 55, 57, 61, 67, 68, 80, 83, 85, 92, 97, 98, 103, 105, 108, 113, 141, 302, 303, 489, 648, 649 –, Gottfried (1666–1714) 707 Arnschwanger, Johann Christoph (1625–1696) 50, 79, 83, 110 Ascenas 363, 531 Assum, Philipp Ernst (erw. 1651) 133 Asterio => Burger, Georg Arnold Astraea 45 Athene 301 Auer, Andreas (erw. 1637/44) 51 Augenstein, Johann Ulrich († 1694) 92, 129 Ausfeld, Christoph (erw. 1644/64) 51 Ausonius, Decimus Magnus (um 310–393/94) 121, 610 Authaeus, Hermann Adolph (erw. 1650) 117 –, Philipp Ludwig (1621–1684) 117 Aventinus, Johannes (1477–1534) 363 Ayermann, Susanna († 1669), verh. Endter 121, 210, 587, 590, 593, 596 –, Thomas (1586–1662) 42, 121, 589, 592, 596 Ayerschöttel, Matthäus (erw. 1653) 138 Bacchus 397, 671 Bach, Johann Sebastian (1685–1750) 190, 648 Baier, Maria Helena (1631–1676), verh. Tetzel 88 Balde, Jacob (1603–1668) 65, 69, 117, 264, 274–279, 290–292, 301, 310, 319, 499 Baldung gen. Grien, Hans (1484/85–1545) 630 Balzac, Jean-Louis Guez de (1595–1654) 281 Barth, Caspar von (1587–1658) 75, 299 Basedow, Johann Bernhard (1724–1790) 546 Basse, Peter (erw. 1649/50) 96, 113
Bauhofer, Johann Jacob (1660–1692) 145 Baumann, Georg (erw. um 1650) 125 –, Johann (1622–1682) 139 Bayer, Georg Stefan (erw. 1646) 69 –, Heinrich Martin (erw. 1646) 69 Bayern, Maximilian I., Hzg., dann Kfst. von (1573–1651) 64, 181, 182, 187 –, Wilhelm V. der Fromme, Hzg. von (1548– 1626) 369 Beck, Johann Daniel (erw. 1652) 136 Beelzebub => Lucifer Beer, Christoph (erw. vor 1650) 601 –, Dominicus (1598–1663) 57, 80, 95, 138, 139, 678 –, Martin (1617–1692) 45, 50, 63, 73, 80, 82, 86, 89, 91, 95, 106, 114, 122 –, Michael (1589–1659) 86 Behaim, Albrecht (1589–1636) 77 –, Georg Christoph (1643–1682) 54 –, Georg Friedrich (1616–1681) 122 –, Lucas Friedrich (1587–1648) 52, 83, 87, 177–179 –, Ursula (1618–1669), verh. Utz 77 Bellihn, Johannes (erw. 1645) 62 Bellona 130, 458, 459 Beneke, Joachim (erw. 1650) 113 Benßen, Naaman († 1659) 99 Benz, Johann Caspar (erw. 1646/57) 67, 89 Berkholz, Joachim (erw. 1650) 113 Berlich, Paul Gottlieb (erw. 1667) 145, 682 Bernhard, Gottfried († 1645) 50 Bert, Paul Wilhelm (1619–1693) 70, 71, 73, 82, 98, 102, 103, 109, 110, 112, 119 Bertali, Antonio (1605–1669) 516 Besantinos 609 Besler, Michael Ruprecht (1607–1661) 73 Besserer, Johann Georg (1635–1650) 116 Betulius, Christian (1619–1677) 14, 41, 43, 50, 51, 57, 58, 65, 66, 72–74, 77, 78, 80, 82, 86, 89, 91, 92, 95, 96, 98, 102, 103, 109, 111, 119 –, Daniel (1582–1642) 36, 66 –, Sigismund => Birken, Sigmund von Biedermann, Johann Gottlieb (1705–1766) 676 Birken, Margareta Magdalena, geb. Göring, verw. Mülegk (1616–1670) 146
Index Nominum
–, Sigmund von (1626–1682) 5, 11–14, 19, 33, 36, 39, 40, 48–52, 54, 55, 57, 61, 62, 66– 69, 71, 75, 76, 83, 85, 88, 91–98, 100, 102, 103, 107–110, 112–115, 117–119, 124, 126, 131, 132, 155, 157, 135–137, 139, 140, 142–150, 154, 194, 195, 204, 207, 213, 224, 249, 251, 252, 256, 292, 293, 298, 300, 301, 303, 310–326, 412, 418, 420, 421, 430, 439, 446, 448, 449, 477, 480– 484, 489–492, 495–497, 499, 503, 504, 506–511, 518, 532, 539, 540, 570, 578, 612, 614, 616, 620, 648, 652, 659, 661, 666, 674, 678, 689, 690 Bittner, Conrad († 1656) 67 Bitzenhofer, Franciscus (erw. 1650) 596 Bock, Benedict (1621–1703) 50, 65, 66, 94, 112 Bodin, Jean (1529/30–1596) 639 Böcklin, Arnold (1827–1901) 394 Böhmen, Friedrich I. Kg. von => Pfalz, Friedrich V. Kfst. von der Bolster, Georg (1623–1692) 67, 92, 127 Bombyphilus, Melissus (erw. 1647) 81 Bonamicus, Gaudentius (erw. 1644) 50 Bonarelli, Guidubaldo (1563–1608) 605–608 Boner, Ambrosius (* 1617) 85 –, Heinrich (1610–1684) 85 Bothe, Bartholomäus (erw. 1649/50) 96, 113 Bourdieu, Pierre (1930–2002) 391 Bouterwek, Friedrich (1766–1828) 153 Brachman, Martin (erw. 1651) 130 Brandenburg, Friedrich Wilhelm Kfst. von (1620–1688) 550 Brandenburg-Kulmbach, Johann Georg Mgf. von (1598–1637) 181 –, Johann Mgf. von (1597–1627) 181 Brandmayer, Helena (1618–1674), verh. Ruprecht 56 Brant, Sebastian (1457/1458–1521) 408 Braun, Michael (1597–1667) 40 Braunschweig-Lüneburg, Anton Ulrich von (1633–1717) 85, 100, 312 Braunschweig-Lüneburg-Bevern, Ferdinand Albrecht I. Hzg. von (1636–1687) 100 Braunschweig-Wolfenbüttel, August d.J. Hzg. von (1579–1666) 256
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Brehme, Christian (1613–1667) 54, 55 Brendel, Johann Martin († 1653) 60, 63, 115 Brennecke, Johann (erw. 1649) 99 Brenner, Adam († 1643) 223, 225 Brentano, Carlo Moretti (um 1630–1684) 188 –, Clemens (1778–1842) 11, 267 Brinckmann, Jacob (1609–1662) 64, 79, 81 Brockes, Barthold Heinrich (1680–1747) 519– 521 Brockhaus, Friedrich Arnold (1772–1823) 154 Brockmann, Reiner (1609–1647) 485 Bröstel, Wolfgang († 1649) 59 Bronner, Georg (1667–1720) 523 Brož, Karel => Saudek, Erik Adolf Bruninck, Johann (erw. 1649) 108 Brunn, Lucas (um 1572–1628) 255 Brunner, Johann Samuel (erw. 1651) 133 Bruno, Jacob (1594–1654) 45, 50, 75 Buchanan, George (1506–1582) 362, 364 Buchner, August (1591–1661) 37, 39, 193, 264, 295, 300, 309, 329, 335, 339, 346, 393, 578, 652, 653, 674, 675, 689, 690 Bühel, Johann Wilhelm (erw. 1650/54) 116 –, Wilhelm (erw. 1633/58) 66, 116 Bütner, Johann Georg (1612–1666) 99 Burger, Georg Arnold (1649–1712) 49 –, Heinz-Otto (1903–1994) 157 –, Salomon (erw. 1644/49) 45, 50, 94 Burmeister, Anton († 1670) 83, 88, 92, 495, 497, 498, 403–512 Bustisgundus, Emilius => Birken, Sigmund von Cahlenus, Friedrich (1613–1663) 130 Calisius, A. (erw. 1655) 140 –, Gottfried (erw. 1655) 140 –, Johann Heinrich (1633–1698) 140 Calixt, Georg (1586–1656) 99, 142 Callot, Jacques (1592–1635) 630 Camerarius, Joachim d. J. (1534–1598) 571, 572 –, Ludwig (1573–1651) 177–179 Camman, Johann (erw. 1651) 132 Campe, Joachim Heinrich (1746–1818) 546 Capella, Eberhard (erw. 1653) 138 –, Michael (1646–1653) 138 –, Susanna, geb. Lang (erw. 1653) 138
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Index Nominum
–, Wilhelm (erw. 1649) 103 Carbach, Georg Wolfgang (1658–1725) 149 Caspari, Jacob (erw. 1649) 99 –, Michael (erw. 1649) 99 Castelvetro, Lodovico (um 1505–1571) 309 Cato, Ercole († nach 1605) 607 Caussin, Nicolas (1583–1651) 284, 285, 288, 308 Caymox, Balthasar (1583–1635) 212, 247, 248, 411 Celtis, Conrad (1459–1508) 693 Ceres 397, 671 Ceropoeus, Johannes (erw. 1649) 107 Cervantes Saavedra, Miguel de (1547–1616) 7 Chemnitius, Christian (1615–1666) 66 Christiani, Christian (erw. 1648/50) 92 Cicero, Marcus Tullius (106–43 v.Chr.) 355 Cinzio, Giambattista Giraldo (1504–1573) 309 Clairpensier, J. (erw. 1649) 97 Claius/Clajus = Klaj, Johannes Clajus, Johannes d.Ä. (1535–1592) 125, 162, 625–627 Claudianus, Claudius (um 370–nach 404) 621 Claudius, Johann (erw. 1649) 99 –, Matthias (1740–1815) 694 Clerford, Heinrich => Lochner, Friedrich Cleusl, Thomas (erw. 1644/49) 47, 50, 59, 64, 70, 79, 81, 83, 91, 102 Cloridan => Calisius, Johann Heinrich Coler, Christoph (1602–1658) 67, 319 Comenius, Johann Amos (1592–1670) 207, 226, 546 Concordia => Irene Conring, Hermann (1606–1681) 99 Corydon 57, 673 Courasche 389 Crailsheim, Anna Elisabeth von => Rothschütz, Anna Elisabeth von Cramer, Johann Friedrich Heinrich († 1778) 12, 155 Creizenach, Wilhelm (1851–1919) 155 Cressius, Johann Sigmund (erw. 1651) 130 Cunradi, Johann Gottlieb (erw. 1651) 130 Cupido 594
Curio, Anna Maria (erw. 1645), verh. Heigel 59, 60 –, Leo (erw. 1645) 59, 60 Curtius, Ernst Robert (1886–1956) 499 Cysarz, Herbert (1896–1985) 156, 707 Dach, Simon (1605–1659) 143, 672, 689 Dachstein, Wolfgang (um 1487–1553) 682 Dadan, Mattes (erw. 1647) 79 Dädalus 456 Dambach, Johann (1590–1646) 80, 81 Damman, Magdalena (erw. 1655), verh. Pipenburg 140 Dangries, Johann Ulrich (erw. 1651) 133 Danneberg, Wolfgang (erw. 1649) 102 Daphnis aus Cimbrien => Rist, Johann Daubmann, Caspar (erw. 1556) 229 David, König 64, 121, 360, 395, 524 Debora 350 Decker, Georg (1596–1661) 60 –, Johann Stephan (erw. 1647) 78 Degen, Jacob (1635–1684) 117 Deleuze, Gilles (1925–1995) 21 Demler, Valentin (erw. 1650/60) 596, 597, 601 Denner, Johann Christoph (1655–1707) 190 Derrer, Christoph (1596–1670) 54 Deschauer, Maria (1604–1664), geb. Schmidt, verh. Dilherr 51 Deutter, Caspar (erw. 1649) 109 Diana 59, 75, 298–301 Diana => Nicolai, Sophia Dietelmaier, Carl (1628–1702) 122 Dietherr von Anwanden, Johann Christoph (1658–1709) 47 –, Ursula => Rieter von Kornburg, Ursula Dietherr, Christoph Ludwig (1619–1687) 53, 60, 63, 64, 67, 71–73, 78, 79, 82, 110–112, 119 –, Johann Georg (erw. 1650) 110 Dietlin, Johann (erw. 1647/50) 79, 92, 103, 122 Dietrich, Catharina (1597/1607) 219, 227 Dietwar, Bartholomäus (1592–1670) 131 Dilherr von Thumenberg, Christoph Gottlieb (1625–1658) 594 –, Johann Ulrich (erw. 1638/50) 78
Index Nominum
Dilherr, Johann Michael (1604–1669) 7–9, 13, 14, 32, 33, 35, 39–43, 45, 47, 48, 50–54, 59, 60, 62, 64–66, 69, 72–82, 84, 86–92, 94–96, 98–103, 106, 108– 114, 116, 118–120, 122, 123, 127–129, 132, 135, 138, 141, 142, 146, 189, 194, 205, 207, 303, 312–314, 320, 339, 355, 356, 359, 361, 443, 444, 446, 541, 547, 549–551, 561, 564, 565, 568, 570, 575, 589, 594, 647, 659, 660, 662, 673 Dippert, Johann H. (erw. 1650) 112 Discordia 457 Disney, Walt (1901–1966) 705 Doppelmayr, Anna Sabina, geb. Schyrer (1611–1649) 57, 94 –, Anna Susanna (erw. 1660), verh. Endter 596 –, Jacob (erw. 1644/45) 50, 51, 65, 70 –, Johann (1603–1661) 64, 94, 111, 596 Dorsch, Johann Georg (erw. 1647) 80 Dose, Heinrich (erw. 1611) 207 Dosiadas von Kreta 609 Dosio, Giovanni Antonio (1533–1611) 617 Dostal, Jan 709 Douglas, Robert Gf. (1611–1662) 92 Dousa, Janus (1545–1604) 362 Dreier, Josias (erw. 1645) 62 Drezel, Paul (erw. 1649) 102 Dubs, Hermann (1895–1969) 699 Duchamp, Marcel (1887–1968) 17 Dümler, Jeremias (1598–1668) 43, 57, 59, 70, 75, 77–79, 81–83, 89, 90, 102, 104, 105, 109, 115, 116, 119, 124, 129, 202–205, 209, 215, 220–222, 224, 229–231, 256 –, Wolfgang Jacob (1610–1676) 42, 56, 57, 64, 75, 91, 138 Dümpfel, Johann Jacob (erw. 1650) 594 Dünnhaupt, Gerhard (* 1927) 27, 30, 31, 105, 625, 627, 636 Dürer, Albrecht (1427–1502) 256 –, Albrecht (1471–1528) 182, 242, 433, 436, 630 Düring, Georg (erw. 1651) 133 Dürr, Johann Conrad (1625–1677) 136
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Ebermaier, Johann (erw. 1650) 119 Ebler, Conrad Andreas (erw. 1660) 597 Echalius, Zedeckieldanus (erw. 1645) 59 Echo 57, 291, 475, 492, 493 Eckermann, Johann Peter (1792–1854) 528 Eckmann, Christoph (erw. 1645) 57 Egk und Hungersbach, Beatrix von, geb. von Saurau (1615–1646) 71 –, Christian von (1599–1675) 71 Eichendorff, Joseph von (1788–1857) 11 Eilhart von Oberg (um 1200) 207 Eimmart, Georg Christoph (1638–1705) 190, 256 Elagabal 377 Elster, Ernst (1860–1940) 155 Emmert, Leonhard (erw. 1652) 596 Ende, Bonperantus von (erw. 1646) 72 Endter (Drucker- und Verlegerfamilie) 44, 63, 69, 79, 87, 98, 111, 197, 202, 218–224, 250, 330, 585 –, Christoph (1632–1672) 111, 136, 596 –, Clara Regina (erw. 1672), verh. Kohl 597 –, Dorothea Maria (* 1630), verh. Lange 136, 592, 596 –, Georg Andreas (1654–1717) 597 –, Georg d.J. (1585–1629) 205, 225 –, Johann Andreas (1625–1670) 121, 204, 210–212, 585, 587, 591, 593, 596, 597 –, Johann Friedrich (1617–1682) 597 –, Kunigunde (1588–1676) 225 –, Maria (1597–1657), geb. Öder 590 –, Michael d.Ä. († 1585) 215 –, Michael d.J. (1613–1682) 56, 75, 134, 143, 205–207, 215, 226, 227, 597 –, Paul († 1660) 111, 136, 594 –, Wolfgang d.Ä. (1593–1659) 43, 45, 47–49, 52, 54, 55, 57, 58, 60, 61, 65, 66–68, 72, 73, 76, 85, 86, 88, 92, 94, 95, 100, 103, 107, 109–112, 114, 120–123, 127, 129, 135, 136, 138, 139, 141, 207–212, 215, 225, 237, 256, 293, 296, 403–430, 441, 443, 550, 585–608, 689 –, Wolfgang d.J. (1622–1655) 111, 204, 212, 296, 591, 596, 602, 603 –, Wolfgang Moritz (1653/58–1723) 597 Epilogus, Paucifacius (erw. 1646) 64 Erato 299
726
Index Nominum
Ernst, Christian (erw. 1649) 109 –, Georg Friedrich (erw. 1650) 64, 116 –, Sigismund (erw. 1649) 109 Erwachsene, Der => Birken, Sigmund von Eschenbach, Christian (1618–1690) 43, 51, 66, 69, 74, 83, 90 Eschenwecker, Wolfgang († 1660) 122 Esebeck, Johann Caspar († 1668) 92, 105 Eser, Johann Sigmund (1629–1687) 88, 142, 143, 145 –, Maria Elisabeth => Rhumelius, Maria Elisabeth Eurydike 306 Eva 52, 534, 656 Faber, Adam Georg (erw. 1635/49) 50 –, Erhard (1626–1670) 63, 122 –, Sigmund (1599–1669) 47, 59, 67, 87, 98, 122 Fabricius, Anna Maria => Schmid, Anna Maria –, Georg (1632–1704) 78, 89, 112, 136 –, Johann (1618–1676) 45, 50, 67, 82, 106, 111, 136, 594 –, Johann Baptist (erw. 1648) 89 –, Johann Georg (1593–1668) 44, 45, 47, 50, 59, 60, 65, 66, 72, 73, 75, 77–79, 88–91, 94, 100, 103, 106, 111, 114, 136, 594 –, Wolfgang Ambrosius († 1653) 60, 67 Falckner, Conrad († um 1706) 122 –, Johann Christoph (1629–1681) 47, 122 Fama 300, 460, 474, 475, 479, 480, 483, 492 Faust, Heinrich 529 Feinler, Gottfried (1650–1721) 687 –, Johann (erw. 1648) 422 Felsecker, Wolfgang Eberhard (1626–1680) 146, 147, 149, 197, 229 Felwinger, Johann Paul (1606–1681) 45, 47, 50, 60, 64, 75, 82, 89, 136 Ferber, Friedrich (1621–1676) 98, 112, 127 –, Wolfgang (1586–1657) 369 Ferdinand II. (1578–1637), Kaiser 35, 181, 194, 680 Ferdinand III. (1608–1657), Kaiser 212, 412, 425 Fertige, Der =>Harsdörffer, Georg Philipp
Feuerborn, Justus (1587–1656) 99 Feuerlein, Conrad (1629–1704) 148 Ficino, Marsilio (1433–1499) 345 Filanthon => Burmeister, Anton Finck, Joseph Balthasar (1607–1656) 99 Finckelthaus, Gottfried (1614–1648) 486 Fischer, Albert Friedrich Wilhelm (1829–1896) 155 –, Bernhard (erw. 1577) 229 –, Heinrich (1896–1974) 694–698, 700, 703, 705–707, 710 –, Philipp Jacob (erw. 1648) 404 Fleming, Paul (1609–1640) 143, 339, 365, 485, 590, 687, 690, 695, 698, 700–702 Flemming, Willi (1888–1980) 156 Flora 300, 398, 672 Floridan => Birken, Sigmund von Fontano => Schottel, Justus Georg Forstenheuser, Georg (1584–1659) 256 Fracastoro, Girolamo (um 1477–1553) 362 Francisci, Erasmus (1627–1694) 597 Franck, Wolfgang (1602–1658) 61 Franckenberger, Reinhold (1585–1664) 37 Frankreich, Ludwig XIV. Kg. von (1638–1715) 188, 425 Franz, Albin (erw. 1908) 155, 329, 331, 515, 692 Freher, Andreas (erw. 1629/47) 67, 75 –, Paul (1611–1682) 67 Freier, Christoph (erw. 1651) 131 Freinsheim, Johann Caspar (1608–1660) 339 Freißhirn, Johann (erw. 1636/48) 88 Fremde, Der = Klaj, Johann Freytag, Georg (erw. 1654) 139 Friedenhold, Victorinus (erw. 1649) 105 Friedfertige, Der => Werder, Paris von dem Friedrich III. (1415–1493), Kaiser 377, 378 Frisch, Johann Christoph (erw. 1649/56) 116 –, Johann Leonhard (1604–1673) 71, 72, 79, 81, 85, 89, 90, 102, 106, 110, 111, 114, 116, 122, 594 Frischmann, Georg (erw. 1646) 67 Frischmuth, Johann (1619–1687) 122 Frisius, Balthasar (erw. 1641/46) 62 Frölich, Tobias (erw. 1645) 59 Fronmüller, Christoph (erw. 1651) 133 –, Conrad (1609–1681) 63
Index Nominum
Fürer von Haimendorf, Christoph (1578–1653) 65, 76, 563, 574, 578, 680 –, Jacob (1560–1587) 65 –, Maria => Pömer von Diepoltsdorf, Maria –, Susanna (1616–1646), verh. Harsdörffer 193, 563 Fürst, Paul (1608–1666) 77, 84, 93, 115, 118, 125, 126, 134, 137, 199, 201, 212–214, 216, 217, 220, 221, 224, 229, 240, 246– 249, 251, 256, 403–430, 547, 549–551, 635, 636, 685 –, Paul (1611–nach 1635) 249 Fuhrmann, Georg Leopold († 1616) 218 –, Valentin († 1608) 230 Funck, Christian (1625–1695) 144 Furtenbach, Johann Sigmund von (1628–1678) 67, 72, 78 –, Johann Wilhelm von (1629–1680) 59, 68, 72, 78, 89 Gabriel, Erzengel 267, 525 Gackstatt, Johann († 1666) 67 Gadebusch, Valentin (1583–1655) 98, 113 Gärtner, Magdalena († 1662), verh. Beer 86 –, Stephan († vor 1648) 86 Galluzzi, Tarquinio (1574–1649) 263 Galoup de Chasteuil, Jean (erw. 1624) 332 Gammersfelder, Catharina (1618–1668), verh. Richter 49 –, Christoph († 1646) 49, 50 Gaßner, Christoph (1628–1664) 60 Gebler, Elias (erw. 1651) 130 Geertz, Clifford (1926–2006) 20 Geilinger, Hieronymus (1617–1649) 86 –, Susanna Clara, geb. Schmidt (1619–1648) 86, 87 Geller, Georg Christoph (erw. 1612/43) 40 –, Rudolf Carl (* um 1629) 14, 43, 50, 52, 54, 64, 65, 67, 70, 102, 614, 615, 625 –, Walter (erw. 1646) 64 Gemmingen, Eberhard Friedrich von (1726– 1791) 698 –, Wolfgang von (1610–1658) 72 Genath, Johann Jacob (1582–1654) 60 Georg, Paul (erw. 1646/49) 64, 85, 103 Gerhard, Christoph (1624–1681) 148, 214, 220
727
–, Johann (1582–1637) 565, 568, 576 Gerhardt, Paul (1607–1676) 689, 695–697 Gerlach, Christian (erw. 1649) 99 –, Samuel (1583–1639) 132 Germeau de Lamormain, Henri (1575–1647) 284, 285, 288, 308 Gertner, Veit (1566–1647) 73 Geuder, Hans Philipp von (1597–1650) 38 Gil Polo, Gaspar (um 1535–1591) 75, 298 Giseke, Nikolaus Dietrich (1724–1765) 695 Gläser, Enoch (1628–1668) 100, 113, 140 Glasenapp, Joachim von (1600–1667) 100, 132 Glaß, Salomon (1593–1656) 95 Gloger, Matthäus († 1600) 89 Göbel, Georg Wilhelm (erw. 1701) 151 –, Sebastian (erw. 1681) 149, 151 Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von (1748–1828) 696 Goedemann, Caspar (1529–1603) 385 Göring, Maria Magdalena (1610–1670), verh. Dambach, verh. Betulius 80, 81 Görlin (Familie) 218 Goethe, Johann Wolfgang von (1749–1832) 156, 273, 398, 524, 527–529, 630, 647, 655, 688, 690, 694, 705, 707–709 Goetz, Joachim (erw. 1649) 100 Götz, Johann (1610–1684) 47 Golling, Anna Maria, geb. Schiller (1615–1648) 88 –, Johann (1611–1688) 88, 100, 675 Gosky, Martin (1586–1656) 71 Gottfried, Johann Ludwig (1584–1633) 626, 628, 632, 633 Gottsched, Johann Christoph (1700–1766) 11, 151–153 Gräff, Johannes (erw. 1644/46) 50, 60, 64 Grässe, Johann Georg Theodor (1814–1885) 154 Grätter, Georg Friedrich (erw. 1646) 74 Graf, Johannes (erw. 1644) 41, 43, 305 Gramann, Andreas (erw. 1651) 133 –, Johann (1487–1541) 669 Grambs, Johann (erw. 1649) 99 Grass, Günter (1927–2015) 689, 690 Grattenauer, Ernst Christoph (1744–1815) 216
728
Index Nominum
Greiffenberg, Catharina Regina von (1633– 1694) 11, 13, 145, 311, 561, 568 Gretschmann, Georg Clemens († 1669) 57 Griendel, Johann Franz (um 1631–1687) 454 Grimm, Jacob (1785–1863) 529 –, Wilhelm (1786–1859) 529 Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von (um 1622–1676) 177, 273, 689 Grohmann, Friedrich (erw. 1695) 150 Grotius, Hugo (1583–1645) 151, 302, 309, 649, 650 Grünling von Distelfinck, Jäck (erw. 1650) 594 Grünwald, Johann († vor 1647) 80 –, Susanna (* 1617), verh. Sechst 79, 80 Grumbach, Michael (erw. 1644/45) 50, 51, 53 Grundherr, Leonhard (1597–1665) 54 Gryphius, Andreas (1616–1664) 7, 11, 284, 684, 687, 689, 690, 694–696, 698, 700– 702, 707 Guarini, Alessandro (um 1563–um 1636) 607 Gueintz, Christian (1592–1650) 68, 92, 132 Günther, Hans Georg Christoph (1645–1645) 56, 57 –, Johann Christian (1695–1723) 695, 698 –, Johann Georg (erw. 1645) 56, 57 Güntzel, Johann († 1657) 214, 227, 230 Gugel von Diepoltsdorf, Christoph Andreas (1586–1646) 67, 68 Gundermann, Johannes (1604–1670) 47, 60, 63, 66, 69, 72, 73, 85, 88–91, 94, 98, 100, 103, 109–111, 114, 116, 122, 127, 219 Gutbrod, Wolf Achaz († 1667) 96 Gutknecht, Christoph (erw. 1542) 229 –, Jobst (erw. 1514/42) 228 Haakius, Daniel (erw. 1649) 109 Haan, Melchior (erw. 1660) 597 Haas, Christian († 1646) 227 –, Georg (1605–1695) 214, 227 Hába, Alois (1893–1973) 707 Habermann, Johann (1516–1590) 144 Haeberlin, Leonhard => Heberlein, Leonhard Hänning, Margarethe (1567–1648), verh. Gloger, verh. Lochner 89 Häusermann, Hans (erw. 1930) 699
Hagedorn, Friedrich von (1708–1754) 694, 695 Hagen, Georg (1620–1666) 138 –, Georg (erw. 1650) 596 –, Joachim Heinrich (1648–1693) 146 Hager, Johann Sigmund (1620–1655) 97 Haidenreich, Paul (erw. 1660) 597 Hainlein, Sebastian (1594–1663) 42, 53, 59, 73, 86, 103, 116 Haistenius, Johann (erw. 1645/48) 60, 78, 90 Halbmaier, Simon (1587–1632) 197, 202, 227 Haller von Hallerstein, Anna Felicitas (1621– 1684), verh. Tetzel 45, 47, 474 –, Johann Albrecht (1569–1654) 47, 90 –, Johann Georg (1634–1682) 91 –, Johann Jacob (1623–1692) 90 –, Johann Melchior (1631–1687) 47, 91 –, Lazarus (1607–1657) 69 –, Paul Joachim (1609–1654) 59 Hammerschmidt, Andreas (1611–1675) 674, 684 –, Caspar (1613–1675) 67, 80 Hampe, Theodor (1866–1933) 636 Hanmann, Enoch (1621–1680) 611 Hannoldt, Georg Paul (erw. 1649/53) 139 Hardesheim, Justinus (1620–1676) 67, 75, 78 Harmonicus, Pantophilus (erw. 1645) 59 Haro y Guzmán, Marquis von Carpio, Graf von Olivares, Luis Méndez de (1598–1661) 375 Harpff, Johann (erw. 1649) 99 Harsdörffer, Carl Gottlieb (1637–1708) 113 –, David (1584–1654) 193 –, Georg Philipp (1607–1658) 1–4, 7, 11–14, 16, 19, 32, 35, 38–41, 43–45, 47, 49, 50, 52, 54–59, 61, 62, 64–69, 71–73, 75, 76, 80–82, 85, 87, 89–92, 95, 96, 99, 100, 104, 106, 108, 109, 111–114, 118, 130, 132, 134, 136, 140, 141, 143, 147, 154, 155, 191–194, 204, 205, 207, 210, 213, 251, 281, 284, 285, 288, 293–315, 319, 320, 325, 329, 332, 334, 335, 339–343, 353, 355, 357, 365, 398, 408, 439, 442, 443, 445–449, 456–458, 460, 463–465, 469, 471, 473–479, 484, 486, 488–492, 501518, 524, 532, 535, 536, 538–541, 563, 570, 585, 594, 595, 598, 601, 603–605,
Index Nominum
608, 625, 647, 648, 650, 652, 653, 659, 660, 673, 679, 681, 687, 689–694, 696, 701 –, Maria Magdalena (1624–1686), verh. Volckamer von Kirchensittenbach 71, 72, 592 –, Paul (1605–1666) 54 –, Philipp (1577–1631) 72, 192 Hartmann, Enoch (erw. 1646/58) 68 Hartstein, Heinrich (erw. 1651) 130 Harvey, William (1578–1657) 633 Hasius, Thomas (erw. 1651) 133 Haß, Leonhard (erw. 1650) 110 Hastver, Claus (1597–1634) 183 Hauer, Johann (1586–1660) 240–245, 255, 257 –, Rupprecht (1624–1667) 243 Hauff, Georg (erw. 1649) 109 Haupolt, Georg Christoph (erw. 1642/47) 83 Haußschwender, Paul (erw. 1638/46) 63, 65 Hayer, Paul (erw. 1644) 45 Heberlein, Leonhard (1584–1656) 115, 410, 411 Hecht, Joachim (erw. 1651) 113 Hedwig, Johann Mattheus (erw. 1650) 596 Heering, Justus Daniel (1609–1649) 47, 71, 72, 80, 87, 90, 92, 94, 95, 98 Heermann, Johann (1585–1647) 686 Heher, Georg Achaz (1601–1667) 53, 69, 194, 195 –, Georg Lorenz (1634–1714) 59 Heichely, Jacob (erw. 1650/52) 596 Heigel, Anna Maria => Schmidmaier von Schwarzenbruck, Anna Maria –, Heinrich Magnus (1613–1683) 59, 60, 73, 78, 79, 89 –, Paul (1640–1690) 60 Heilbronn, Lorenz (erw. 1648) 89 Heinlein, David (erw. 1646) 74 Heinsheimer, Hans W. (1900–1993) 698 Heinsius, Daniel (1580–1655) 281, 302, 308, 309, 339, 362, 516, 655 Held, Johannes (erw. 1646) 72, 75 –, Maria Magdalena => Walther, Maria Magdalena Helena 507, 508 Helfrich, Nicolaus († 1617?) 79, 106 –, Nicolaus (erw. 1649) 106
729
–, Ursula (* 1610), verh. Rhumelius 79 Helianthus => Volkamer, Johann Georg Helling, Johann (erw. 1646) 63 Hellwig/Helwig, Johann (1609–1674) 47, 52, 55–57, 66, 68, 71–73, 76, 79–82, 85–87, 89, 90, 92, 98–100, 113, 124, 140, 143, 145, 146, 318, 471, 472, 478, 479, 489, 494, 495, 540, 648, 674, 675 Henisius, Johannes (1585–1656) 324 Henrichs, Dirich (erw. 1647) 83 Herberstein, Adolph Friedrich von (1632– 1678) 80 Herbst, Johann Andreas (1588–1666) 223 Herdegen, Johann (1692–1750) 6, 15, 152, 153 Herel, Veit (1609–1651) 47 Herman, Nicolaus (1480/1500–1561) 672 Herodes (73–4 v.Chr.) 51, 281–288, 292, 308, 309, 516, 519–524, 526 Herostratos († um 356 v.Chr.) 518 Herpfer, Johann Christoph (1583–1654) 80 Herr, Michael (1591–1661) 125, 551, 625, 626, 629–633, 635, 636, 639, 640 Herrich, Johann Gottfried (erw. 1651) 130 Herrnschmid, Johann (1675–1723) 109 Hertz, Hiob (erw. 1652) 596 Hesperus 482 Hettstett, Christoph (erw. 1652) 596 Hetzel, Johann († 1658) 80 Hildebrand, Conrad (erw. 1645) 55 –, Tobias (erw. 1651) 130 Hille, Carl Gustav von (1590–1647) 44, 55, 445, 490 Hilling, Gregor (1614–1680) 60, 73, 79, 80, 89 Hiob 138, 677 Hirn, Georg Christoph (erw. 1647) 78 Hirschbach, Leonhard (1596–1682) 109 Hiskia (um 750–696 v.Chr.) 683 Hitler, Adolf (1889–1945) 705 Hochheimer, Peter († 1608) 243 Hochstater, Paul (erw. 1642/48) 74 Hoefel, Johann (1600–1683) 149 Hoefer, Johann (1605–1667) 100 Höfer, Johann (erw. 1645/49) 98, 102 Höhn, Nicolaus (erw. 1651) 133
730
Index Nominum
Hölderlin, Friedrich (1770–1843) 156, 688, 690, 707–709 Höller, Georg (um 1613–1694) 265, 266 Hönn, Cornelius (* um 1623) 78 –, Georg (1609–1666) 78 –, Georg Christoph (1621–1674) 78 –, Paul (1622–1689) 69 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian (1616–1679) 689, 694, 695 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus (1776–1822) 705 –, Johann (1629–1698) 146, 213, 412 –, Moritz (1622–1698) 60, 97 –, Wolfgang (1604–1647) 99, 117 Hofmann, Caspar (1572–1648) 45, 47, 50 –, Conrad (1622–1677) 66, 69 –, Joachim Wendelin (1618–1686) 83 Hohenner, Paul (erw. 1646) 74 Holl, Philipp (1596–1656) 109 Holofernes 350 Holzschuher, Anna Sabina (1611–1675), verh. Oelhafen 105 –, Georg (1629–1679) 106 –, Georg Christoph (1623–1673) 106, 110 –, Maria Margarete Magdalena von (erw. 1801) 239 –, Veit (1631–1684) 106, 114 –, Veit Engelhard (1581–1656) 105 Homann, Johann Baptist (1664–1724) 190 Homer (8. Jh. v.Chr.) 356 Honold, Jacob (1599–1664) 95 Hopffner, Johann Willibald (1615–1651) 73, 89 Horatius Flaccus, Quintus (65–8 v.Chr.) 290, 340, 366, 621 Horneius, Conrad (1590–1649) 99 Hrabanus Maurus (um 780–856) 614 Hübler, Caspar (erw. 1647) 80 Hübner, Johann (1631–1676) 95 –, Michael Andreas (erw. 1651) 130 –, Susanna (1625–1675), verh. Moscherosch 95 Hülsemann, Johann (1602–1661) 38 Hund, Samuel (1609-nach 1660) 13, 43, 50, 52, 54, 55, 68, 85, 99, 295, 489 Hutten, Ulrich von (1488–1523) 337, 366
Iberer, Conrad (1582–1655) 50 Idoneus, Gervasius Cosmus (erw. 1647) 79 Imhoff, Andreas (1562–1637) 437 –, Georg (1601–1659) 52, 83 –, Johann Baptist (1629–1668) 51, 69, 89 –, Johann Georg (1620–1697) 110, 115, 119 –, Johann Hieronymus (1621–1705) 43, 47 –, Johann Jacob (1627–1700) 53 –, Johann Paul (1626–1687) 51 –, Wilhelm (1622–1690) 88, 89 Imitativus, Festinas (erw. 1648) 89 Ingolstetter, Andreas (1633–1711) 146 –, Georg (erw. 1646/47) 63, 80 Irenander => Cramer, Johann Friedrich Heinrich Irene 120, 129, 130, 394, 400, 401, 450–453, 457, 459, 460, 463, 619, 671 Iser, Wolfgang (1926–2007) 482 Isselburg, Peter (1568/80–1630) 125, 411, 434, 436, 441, 447, 456, 462 Itter, Anton (erw. 1649) 99 Jaan, Vater 357–359, 365 Jacobi, G. (erw. 1651) 130 Jacobsen, Jens Peter (1847–1885) 694 Jacquet, Isaac (1616–1652) 75, 594 Jahn, Andreas (1588–1652) 54, 55 –, Helena Susanna (* 1632), verh. Capella 103 –, Johann Martin (erw. 1649/50) 103 –, Maria, geb. Los († 1655), verh. Piccart 102, 103 –, Martin († 1648) 85, 103 –, Sabina (* 1628), verh. Boner 85 Jamnitzer, Wenzel (1508–1585) 243 Janus => Jaan Jenisch, Paul (1602–1648) 93 Jeremia 516 Jesaia 76, 566, 579 Jesus von Nazareth (7/4 v. Chr–30/31 n. Chr.) 40, 41, 52, 62, 84, 85, 87, 94, 96, 98, 114, 119, 125, 126, 128, 141, 309, 519, 525, 526, 547, 551, 552, 554–556, 566– 573, 576–578, 580, 649, 650, 653, 660, 661, 673, 684 Joas 39 Jocosus, Severus (erw. 1650) 111
Index Nominum
Jöns, Dietrich Walter (1924–2011) 293, 301, 318 Jöstelsberg, Amalia Catharina von, geb. Zobel von Giebelstadt (1606–1658) 142 Johannes, Evangelist 557, 576, 577 Johannis, Martin (erw. 1644/51) 50, 133 Jonathan 81, 138, 144, 148, 150, 156, 682 Jonathan (erw. 1649) 102 Josef, Sohn Jakobs 98 Josephi, Jeremias (erw. 1651) 130 Josua 350 Judas Iskariot 519, 523 Judith 350 Julianus, Flavius Claudius, gen. Apostata (331/32–363) 518, 519 Jungermann, Ludwig (1572–1653) 45, 50, 60, 75 Juno 301 Jupiter 460 Kärner, Gregorius (erw. 1650) 596 Kafka, Franz (1883–1924) 706 Kain 519 Kaldenbach, Christoph (1613–1698) 672 Karl der Große (747/48–814), Kaiser 364 Karl V. (1500–1558), Kaiser 432 Kauffmann, David (1579–1635) 228 –, Paulus (1568–1632) 225 –, Susanne (erw. 1637/44) 228 Kautz, Magnus Melchior (erw. 1612/49) 105 Kayser, Johann Christoph (erw. 1652) 137 –, Johann Conrad (erw. 1652) 137 –, Wolfgang (1906–1960) 647, 650 Keller, Matthäus († 1681) 74, 80 Kellermann, Nicolaus (erw. 1650/60) 596, 597, 601 Kempe, Martin (1642–1683) 145, 146, 312 Kerler, Johann Christoph (erw. 1644) 44 Kessel, Nicephor (erw. 1626/33) 209 Keyin, Georg (erw. 1650) 596 Khol, Andreas (1624–1656) 93, 115, 125, 247, 410, 411 Kilian, Wolfgang (1581–1662) 276, 661 Kinck, Johann (1579–1657) 284 Kindermann, Johann Erasmus (1616–1655) 123, 127, 135, 140, 141, 445, 563, 564, 661–663, 668–671, 675–679
731
Kißling, Johann (erw. 1652) 136 Kittel, Caspar (1603–1639) 674, 684 Klaius = Klaj, Johannes Klaj, Diederich († vor 1648) 35 –, Johann Christoph (* 1652) 137 –, Johann Michael (* 1651) 129 –, Maria Elisabeth => Rhumelius, Maria Elisabeth –, Paul Gottfried (* 1649) 106 Kleesattel, Johann Wolfgang (1611–1665) 81 Klein, Gideon (1919–1945) 156, 687–690, 693, 705–711 Kleinschmidt, Heinrich (erw. 1649) 99 Kling, Thomas (1957–2005) 338 Klio 14, 16, 28, 93, 101, 303, 675 Klöcker von Ehrenstrahl, David (1629–1698) 256 Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724–1803) 694 Klüplin, Regina (erw. 1645), verh. Günther 57 Knespel, Jacob († 1671) 80 Knoblach, Christoph Hieronymus (erw. 1650) 111 Knoblauch, Hans († 1653/54) 226 Knörzer, Lorenz Bernhard (erw. 1655) 140 Knopel/Knoppel, Egidius (erw. 1650/60) 596, 597, 601 Knorr, Georg Wolfgang (1705–1761) 206 –, Johann (1567–1606/07) 219 Kob, Albert Casimir (erw. 1649) 109 –, Anna († 1649) 108 –, Johann (1590–1661) 108 –, Johann Friedrich (erw. 1649) 109 –, Sebastian (1603–1685?) 108, 139 –, Stephan (1561–1638) 108 Koch, Helena (* 1623), verh. Gutbrod 96 König, Christoph Gottfried (1636–1705) 117 –, Georg (1590–1654) 45, 50, 75, 128 Körber, Sebastian († 1624) 225 Kohl, Johann Jacob (erw. 1657/72) 597 –, Johann Nicolaus (erw. 1637/1672) 597 Kohler, Sigismund Gabriel (erw. 1650/60) 596, 597 Kolb, Jacob (erw. 1652) 596 Koler, Georg Siegfried (1622–1688) 122 Kolroß, Johann (um 1487–1558/60) 683 Kopp, Georg (um 1610–1666) 266
732
Index Nominum
Korn, Christian Heinrich (1807–1863) 216 –, Michael (1600–1656) 72, 81 Krabler, Albert (erw. 1646) 70 Kraer/Kroer, Johann (erw. 1650/60) 596, 597, 601 –, Marcus (1603–1678) 64, 86, 109 Kraus, Karl (1874–1936) 693–695, 698 Krauß, Sebastian Jacob (1611–1679) 65, 84, 112, 122, 136 Krebs, J. M. (erw. 1649) 102 Kreiselmann, Johannes (1611–1659) 63, 64 Kremel, Johann Georg (erw. 1649) 95 Krenek, Ernst (1900–1991) 156, 687, 689, 690, 693, 698–705, 710 Kreß von Kressenstein, Christoph Hieronymus (1627–1696) 51 –, Clara Catharina (1650–1727), verh. Endter 597 –, Jobst Christoph d.Ä. (1597–1663) 52, 83 –, Jobst Christoph d.J. (1623–1694) 47 –, Johann Wilhelm (1589–1658) 54, 58 –, Marx Christoph (1625–1681) 51 –, Wilhelm (1618–1675) 58, 59, 597 Kreutzberger, Paulus († 1681) 226 Krieger, Adam (1634–1666) 661 Krimbler, Sigmund Gottlieb (erw. 1647/58) 116 Krolow, Heinrich († 1666) 107 Krüger, Johann (erw. 1650) 596 –, Johann Jacob (* 1617) 101 Krumpholtz, Samuel (erw. 1651) 131 Kuefstein, Hans Ludwig von (1582–1656) 76, 298, 299, 489 Kühn, Balthasar (1615–1667) 140 Külsner, Michael (1569–1652) 207, 214, 218– 221, 229 Kuhn, Friedrich Adolph (1774–1844) 695 Kurtzweil, Hilarius (erw. 1648) 92 Lagus, Jacob (erw. 1634/50) 97, 132 Lamormaini => Germeau de Lamormain Lancre, Pierre de (1553–1631) 630 Lang, Georg Jacob (erw. 1646) 74 –, Johann (1630–1700) 94, 112 –, Susanna => Capella, Susanna Lange, Christoph (erw. 1652) 136, 596
–, Johann Christoph (1622–1666) 136, 592, 596 –, Matthäus (erw. vor 1650) 601 Langsam, Heinrich (erw. 1650) 122 Lascaris, Andreas Johannes (1445–1534) 609 Lattermann, Valentin (erw. 1647) 83 Lauer, Johann (1560–1641) 209, 215, 217, 225 Lauterholz, Hans (erw. 1648) 91 Lazarus 519, 520 Leda 594 Leder, Christoph (erw. 1651) 130 Lehmann, Johann (erw. 1650) 596 Leibnitz, Justus Jacob (1610–1683) 71, 72, 82, 85, 86, 88, 90, 91, 94, 95, 98, 103, 106, 109–111, 116, 122, 136, 138, 594 Lentz, Johann (1607–1661) 133 Leopold I. (1640–1705), Kaiser 250 Lerian => Arnold, Christoph Liebkind, Matthäus (erw. 1649) 102 Liechtstein, Georg Philipp (1606–1682) 99 Limburger, Martin (1637–1692) 49, 145, 146, 150, 494 Lindstatt, Johann Leonhard (1630–1692) 102 Lipsius, Justus (1547–1606) 364 Litzel, Georg (1694–1761) 278 Lobherr, Johann (1604–1652) 88, 100 Lobwasser, Ambrosius (1515–1585) 682, 685 Lochner (Druckerfamilie) 95 –, Carl Friedrich (1634–1697) 88, 115 –, Christoph d.Ä. († 1614) 215 –, Christoph d.J. (1603–1677) 84, 122, 215, 216, 220, 549, 550 –, Friedrich († 1621) 89 –, Friedrich (1602–1673) 52, 56, 57, 61, 68, 78–80, 83, 85, 88–90, 92, 97, 98, 103, 113, 115, 119, 132, 140, 489 –, Hieronymus (1620–1682) 211, 229, 230 –, Johann Christoph (1639–1677) 216 –, Johann Christoph (1654–1730) 216 –, Ludwig (1592–1632) 216 –, Margarethe (erw. um 1650) 216 Löber, Johann Georg (erw. 1646/63) 75 Löffelgans (erw. 1649) 103 Löffelholz von Colberg, Anna Helena (1630– 1703), verh. Haller von Hallerstein 90, 91 –, Burkhard (1599–1675) 54, 91
Index Nominum
–, Johann Hieronymus (1632–1676) 59, 103, 115 –, Johann Jacob (1624–1674) 78 –, Johann Joachim (1631–1664) 91, 103, 119 –, Wolf Jacob (1629–1652) 91 Logau, Friedrich von (1605–1655) 689, 696 Lommer, Daniel (erw. 1649) 99 Lorenz, Hl. 101 Los, Maria => Jahn, Maria Lothringen, Renata von (1544–1602), verh. Hzgin. von Bayern 369 Lotichius, Johann Peter (1598–1669) 117 Lucifer 482, 498, 637, 638 Lucretius Carus, Titus (99/94–55/53 v.Chr.) 362 Ludovici, Michael (1602–1680) 102, 103, 110 Ludwell, Wilhelm (1589–1663) 50 Lüdemann, Daniel (1621–1677) 98, 106, 109, 111, 117 Lütkemann, Joachim (1608–1655) 113 Lukas, Evangelist 552, 555 Luna 460, 463 Luther, Martin (1483–1546) 144, 150, 306, 364, 523, 568, 652, 670, 687 Magellan, Ferdinand (vor 1485–1521) 306 Magnus, Johannes (1488–1544) 363 –, Olaus (1490–1557) 363 Maier, Johannes (1612–1680) 86, 88, 92, 95, 106, 112 –, Peter (erw. 1650) 122 Maior, Elias (1588–1669) 125 Mair, Simon (1611–1681) 276–278 Mangolt, Leonhard (erw. 1642/50) 111 Manner, Michael (* 1597) 53, 60, 66, 86, 89, 116, 136 Mannich, Johann (1580–1637) 444 Mansfeld, Peter Ernst II. Gf. von (1580–1626) 181 Manutius, Aldus (1449–1515) 609, 610 Marci, Cornelius (1594–1646) 47, 50, 53, 60, 68, 72, 679, 680 Marcus Aurelius (121–180), Kaiser 617, 620 Maria 261–264, 267, 277, 278, 523, 525, 660 Maria Magdalena 305 Mariamne (54–29 v.Chr.) 281–288, 308
733
Marino, Giambattista (1569–1625) 520, 521 Marius, Simon (1573–1624) 215 Markus, Evangelist 555 Markwardt, Bruno (1899–1972) 329, 339 Marozelus, Postliminius (erw. 1650) 122 Mars 120, 336, 381, 394, 460 Martini, Jacob (1570–1649) 38 Marx, Johann (1608–1687) 72 Matthäus, Evangelist 516, 555 Matthesius, Johann (erw. 1650) 596 Mattheson, Johann (1681–1764) 648, 687 Matthiae, Johann (erw. 1649) 99 Matthias (1557–1619), Kaiser 432 Mauricius, Benedict (1602–1664) 67, 98 Maximilian I. (1459–1519), Kaiser 432 Maximilian II. (1527–1576), Kaiser 432 Mayer, Georg (1616–1668) 47, 122 Mazarin, Jules (1602–1661) 375 Mechler, Johann (erw. vor 1650) 601 Meder, Regina Catharina => Mülegk, Regina Catharina Meichsner, Paul († vor 1649) 101 –, Regina (* 1625), verh. Krüger 101 Meiern, Johann Gottfried von (1692–1745) 151 Meisner, Daniel (1585–1625) 417 Melanchthon, Philipp (1497–1560) 573, 575 Merian, Matthäus d.Ä. (1593–1650) 117, 125, 255, 625–633, 636, 639 Merkur 301, 460 Mesnardière, Hippolyte-Jules Pilet de la (1610–1663) 296, 309 Metzger, Ambrosius (1573–1632) 562 Meyer, Rudolf (1605–1638) 255 Michael, Johann (erw. 1660/62) 144 Michahelles, Wolfgang († 1717) 151 Michelbach, W. E. (erw. 1651) 130 Mieg, Peter (1909–1990) 157, 687 Milag, Martin (1598–1657) 68 Minck, Johann (erw. 1646) 72 Mindernde, Der => Milag, Martin Mirus, Christian (erw. 1646) 53, 74 Möller, Arnold (erw. 1649) 96 –, Johann (erw. 1650) 113 Mohr, Johann Conrad (1606–1671) 99 Molière, Jean-Baptiste Poquelin, gen. (1622–1673) 705
734
Index Nominum
Molitor, Christoph (1627–1674) 88 –, Johann Christoph († 1662) 50, 112 –, Johannes (erw. 1647) 79 –, Nicolaus (1591–1654) 88 Moller, Alhard (erw. 1651/62) 142 Mollyn, Jacob (erw. 1633/40) 202 Montano => Hellwig, Johann Montemayor, Jorge de (um 1520–1561) 143, 293, 297, 298, 489, 501 Moscherosch, Johann Michael (1601–1669) 50, 54, 95, 113, 132, 689 –, Quirin (1623–1675) 74, 94, 95 Moser, Sigmund Benedict († 1697) 110 Moses 350, 534 Mülegk, Johann († 1655) 79, 80 –, Regina Catharina (erw. 1649), geb. Meder, verh. Rittershausen, verh. Otto 97 Mülholzer, Anton (erw. 1642/55) 63 Müller, Franz (erw. 1645) 62 –, Georg Christoph (1617–1690) 111, 136, 594 –, Johann Georg (1632–1676) 112 –, Wilhelm (1794–1827) 154 –, Wolfgang Jacob (1614–1661) 86 Münch, Gerhard (1607–1671) 99 Münster auf Niederwerrn, Lorenz von (1596–1655) 141 Murr, Helena (1614–1691), verh. Neu 112, 592 –, Hieronymus (erw. 1650) 112 Murrer, Wolf (erw. 1649) 95 Myron (480/440 v.Chr.) 121 Myrtillus I. => Hund, Samuel Myrtillus II. => Limburger, Martin Nablach, Hans => Knoblauch, Hans Nährende, Der => Anhalt-Köthen, Ludwig I. von Nehemia 395 Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (37–68) 518, 519 Nestroy, Johann (1801–1862) 693 Neu, Joachim Christian (1611–1675) 112, 592 Neumark, Georg (1621–1681) 311 Neumeister, Erdmann (1671–1756) 15, 150, 280
Nicolai, Christian (1622–1676) 50, 219 –, Christoph (1618–1662) 73, 89 –, Philipp (1556–1608) 670, 683 –, Sophia (erw. 1648) 83 Nike 457, 459, 460 Nipperdey, Thomas (1927–1992) 390 Noah 358, 399, 415, 453 Noblach, Hans => Knoblauch, Hans Noessler, Georg (1590–1650) 45, 50, 60, 97 Nürnberger, Anna Veronica => Stöberlein, Anna Veronica –, Martin (erw. 1647) 80 Nüßler, Bernhard Wilhelm (1598–1643) 501 Nützel von Sündersbühl, Joachim (1629–1671) 53, 64, 116 –, Gabriel (1624–1687) 47, 122 Oder, Daniel († 1650) 45, 47, 65, 69, 70, 80 Odysseus 361 Öder, Maria => Endter, Maria Oelhafen von Schöllenbach, Gabriel (1576– 1652) 105 –, Georg Tobias (1632–1685) 72, 91, 106, 115 –, Johann Ernst (1630–1700) 106, 115 –, Johann Hieronymus (1608–1675) 105 –, Maria Salome (1630–1670), verh. Pömer 114 –, Maximilian (1627–1691) 83, 91 –, Tobias (1601–1666) 50, 114 Örtel, Endres († nach 1570?) 1 –, Wolfgang (1635–1687) 116, 136 Oesterlein, Matthias (erw. 1646) 70 Österreich, Ferdinand Ehzg. von (1578–1637) => Ferdinand II., Kaiser Offenbach, Jacques (1819–1880) 693 Oktavian 500 Olearius, Adam (1599–1671) 154 –, Johann Gottfried (1635–1711) 130 Olphenius, Wilhelm (erw. 1649) 99 Omeis, Johann Heinrich (1610–1663) 63, 64, 73, 98 –, Magnus Daniel (1646–1708) 149, 151, 518 Ong, Walter Jackson (1912–2003) 534 Opitz, Martin (1597–1639) 8, 19, 36, 75, 143, 264, 301, 307, 329, 334–336, 338, 339, 347, 348, 354, 355, 359, 361, 362, 365, 397, 473, 477, 485, 486, 492, 501, 502,
Index Nominum
532, 562, 611, 651, 653, 654, 672–674, 681, 683, 684, 690, 695, 698, 700, 701, 707 Oppichinus, Heimbert (1551–1613) 130 Ordnende, Der => Gueintz, Christian Orland, C. => Arnold, Christoph Orpheus 16, 121, 306 Osthof, Georg Conrad (erw. 1642/48) 55, 62, 68, 83, 85, 488 Ott, Daniel († vor 1650) 113 –, Hans († 1546) 216 –, Magdalena => Pipenburg, Magdalena Otto, Georg (erw. 1648) 92 –, Paulus (erw. 1650/60) 596, 597, 601 Otto von Mauderode, Otto (1600–1671) 114 Ovidius Naso, Publius (43 v.Chr.–wohl 17 n.Chr.) 295, 346, 347, 542 Oxenstierna, Bengt (1623–1702) 118, 120, 398, 617, 676 Pachelbel von Gehag, Wolfgang Adam (1599–1649) 80 Pachelbel, Johann (1653–1706) 190 Palamedes 397, 671 Pamela 295 Pan 58, 300, 478, 493, 503, 504 Pancratz, Michael (erw. 1654) 139 Pappenheim, Gottfried Heinrich Gf. von (1594– 1632) 36, 181 Paris 507, 508 Pastorius, Melchior Adam (1624–1702) 133 Paullini, Christian Franz (1643–1712) 147 Paulus von Tarsus (vor 10 v.Chr.–nach 60 n.Chr.) 81, 141, 530, 531 Paumann, Jacob (erw. 1621/23) 660 Paumgartner von Holnstein, Andreas Georg (1613–1686) 54 –, Johann Paul (1630–1706) 72 Pegasus 299 Peller von Schoppershof, Christoph (1630–1711) 53, 189 –, Jobst Christoph (1638–1709) 122 –, Johann Lucas (1633–1655) 53 –, Maria Magdalena (1625–1661), verh. Winkler 52, 53 –, Tobias (1599–1650) 53, 127, 676, 678, 679 Peltenburg, Mia (1897–1975) 699
735
Pérac, Etienne du (um 1520–1604) 617 Pérez de Guzmán, Alonso (1550–1615) 298 Periander => Lochner, Friedrich Petrarca, Francesco (1304–1374) 158, 345, 685 Petrasancta, Silvestro (1590–1647) 607, 608 Petreius, Johann (um 1497–1550) 229 Petronius Arbiter, Titus (um 14–66) 694 Petschawitsch, Georg Andreas von (* 1631?) 82 Petz, Anna Juliana (erw. 1674), verh. Endter 597 Peypus, Friedrich (1485–1534) 229 Pfalz, Friedrich IV. Kfst. von der (1574–1610) 177 –, Friedrich V. Kfst. von der (1596–1632) 35, 177, 179, 550 Pfalz-Sulzbach, Johann Ludwig von (1625– 1649) 106, 107 Pfalz-Zweibrücken, Carl Gustav von (1622–1660) 98, 104–106, 110, 112, 118, 130, 190, 395, 396, 412, 417, 437, 439, 452, 458, 459 Pfann, Johann (1601–1682) 72, 256, 441, 442 Pfaud, Lucas († 1657) 63 –, Lucas Friedrich (erw. 1646/59) 64 –, Regina Sophia (* 1625), verh. Kreiselmann 63, 64 Pfeiffer, Georg (1621–1668) 139 –, Johann Heinrich (erw. 1648) 90, 97 –, Johannes (erw. 1650/52) 136, 594 –, Michael (erw. 1648/85) 108, 140 Pfinzing von Henfenfeld, Christoph Gottfried (1629–1683) 53, 59, 69, 78, 83 –, Jacob d.J. (1626–1670) 48, 69, 83 –, Martin (1623–1684) 69, 72 Philidor der Dorferer => Schwieger, Jacob Philo-Boccatius 96, 97 Philomela 65, 290, 310, 319 Picasso, Pablo (1881–1973) 17 Piccart, Johann Andreas (1620–1666) 102 Piccinelli, Filippo (1604–um 1679) 272 Piccolomini, Ottavio, Hzg. von Amalfi (1599–1656) 37, 97, 117–119, 253, 377, 412, 616
736
Index Nominum
Pillenhofer, Heinrich († 1652) 82, 86, 91, 96, 97, 106, 113, 214, 216, 217, 219–221, 224 –, Jacob (1593–1676) 215, 217, 219 Pindar (522/18–nach 466 v.Chr.) 69, 72, 78, 107, 113, 117, 592 Pipenburg, Joachim (1596–1661) 62, 67, 96, 113, 140, 149, 319 –, Magdalena (1603–1650), geb. Ott 113, 136, 147 Pirckheimer, Willibald (1470–1530) 432, 433, 436 Pischon, Friedrich August (1785–1857) 154 Pistorius, Cyriacus (erw. 1650) 596 Plancus, Heinrich (1607–1653) 73, 89 Platon (428/27–348/347 v.Chr.) 347, 355, 362, 532 Plautus, Titus Maccius (um 254–um 184 v.Chr.) 341, 362 Plinius Secundus Maior, Gaius (22/24–79) 267 Pöddecker, Philipp Jacob (erw. 1655) 140 Pömer von Diepoltsdorf, Albrecht (1597–1654) 52, 83, 89 –, Georg Abraham (1584–1655) 114 –, Georg Gottlieb (1626–1681) 51 –, Georg Jacob (1620–1673) 114 –, Johann Albrecht => Pömer von Diepoltsdorf, Albrecht –, Johann Christoph (1633–1657) 89, 103, 109 –, Johann Jacob (1614–1669) 102, 103 –, Maria Helena (1632–1716), verh. Imhoff 88, 89 –, Maria, geb. Fürer (1611–1649) 109 –, Wolf Jacob (1615–1670) 109 Polster, Georg (1530?–1591) 83 Pomona 81 Pona, Francesco (1595–1655) 85 Pontanus, Jacob (1542–1626) 362 Pontius Pilatus († nach 36) 523 Portugal, Alfons V. Kg. von (1432–1481) 573 Praetorius, Johannes (1630–1680) 130, 145, 639, 640 Praun, Johann Sigmund (1629–1649) 78 –, Michael (1626–1696) 50, 60, 69, 78, 89
–, Tobias Sebastian (erw. 1646/48) 69, 89, 114 Prokop von Templin (1608–1680) 261–274 Puecher, Johannes (erw. 1655) 140 Purus, Heinrich Philipp (erw. 1650) 596 Pythagoras (570 v.Chr.–510 v.Chr.) 356 Quirinus, Eucharius Eubulus (erw. 1650) 111, 594 Racknitz, Anna Catharina von (1595–1654) 139, 677, 678, 680 –, Gall von (1590–1658) 82, 139 –, Gustav von (1635–1681) 82 Rahel 516 Raphael 655 Rappoldt (erw. 1651) 130 Rasp, Johann (erw. 1647) 81 Rebelein/Rebenlein, Georg (1575–1657) 74, 226 Rebenlein, Jacob (1630–1662) 226 Recaldi, Giulio 606 Reck, Johannes (erw. 1649) 99 Rehlin, Johann (erw. 1645/47) 60, 66, 69, 72–74 Reinecker, Philipp (erw. 1660) 597 Reinmund, Servatius (erw. 1648) 85 Relouw, Peter (erw. 1644) 51 Rem, Georg (1561–1625) 435, 436, 447, 455, 456 Renos, H. G. (erw. 1649) 102 Rese, Roman (erw. 1651) 130 Reu, Johann Elias (1628–1667) 86 Reutter, Georg Andreas († 1704) 103, 109, 112, 136, 139 Reutz, Johannes (erw. 1649) 99 Reyher, Martin (erw. 1645) 53 Rhumelius, Johann Conrad d.Ä. (1574–1630) 91, 92, 195 –, Johann Conrad d.J. (1597–1661) 73, 79, 81, 89, 97, 122, 195, 594 –, Johann Pharamund (erw. 1632/62) 196 –, Maria Elisabeth (vor 1628–1664), verh. Klaj, verh. Eser 91, 92, 143, 145, 195 Richelieu, Armand-Jean du Plessis, duc de (1585–1642) 178
Index Nominum
Richter, Albrecht (* 1616) 45, 50, 65, 69, 70, 94, 112 –, Conrad († 1626) 69 –, Georg (1592–1651) 45, 47, 60, 64, 65, 70, 94, 111 –, Gustav Maximilian (1632–1700) 83 –, Hans Werner (1908–1993) 689 –, Johann Georg (1620–1683) 45, 47, 49, 60, 65, 70, 89, 94, 111 Rictius/Rickhes, Matthäus († 1661) 284 Riederer, Johann Bartholomäus (1720–1771) 562 Riedner, Johann (1603–1656) 53, 60, 66, 79, 81, 86, 89, 91, 98, 112, 114, 116, 122, 127, 594 Riegel, Christoph († 1714) 148 –, Sebastian (1611–1652) 94 Rieter von Kornburg, Nicolaus Albrecht (1574–1646) 54, 110 –, Ursula, geb. Dietherr (1584–1650) 110 Rinckart, Martin (1586–1649) 485, 686 Rinder, Johann Leonhard (1610–1681) 81 Rist, Johann (1607–1667) 41, 52, 55, 62, 67, 68, 74, 75, 83, 92, 96, 105, 113, 132, 143, 145, 311, 319, 339, 365, 422, 591, 653, 660, 689 Ritsch, Gregorius (1584–1678) 590 Ritter, Johann Balthasar (1606–1683) 99 Rittershausen, Nicolaus (1597–1670) 97 Röber, Paul (1587–1651) 38 Röder, Johann (1620–1681) 60, 61, 65, 66, 73, 77–79, 82, 89, 90, 94, 103, 111, 122, 136, 594 –, Nicolaus († 1665) 60 Rösel, Ludwig (erw. 1627/67) 48, 50, 59, 64, 65, 70, 78, 79, 81, 97 Rollenhagen, Gabriel (1583–1619?) 455, 572–574, 578 Rollos, Peter (erw. 1619/42) 84, 549, 550, 553, 556 Rompler von Löwenhalt, Jesaias (1605–nach 1672) 50, 55, 68, 76, 140, 590, 591 Rosa, Johann (1615–1670) 133 Roselius, Adolph (erw. 1650) 594 Rosenthal, Dorothea Eleonore von († 1649) 486
737
Rothschütz, Anna Elisabeth von, geb. von Crailsheim (erw. 1647/55) 142 Rousseau, Jean-Jacques (1712–1778) 546 Rowe, Walter (1584–1671) 660 Rubinger, Anna Maria (1626–1677), verh. Betulius 66 –, Johann (1586–1651) 66 –, Johann Adam (1623–1679) 66, 90 Rudolf II. (1552–1612), Kaiser 190 Rüd, Johann Jacob (1590–1654) 65, 71, 94 Rüdel, Sigmund († 1658) 73 Rühm, Gerhard (* 1930) 157 Rues, Simson (erw. 1644/46) 50, 65, 70 Rüstige, Der => Rist, Johann Rummel => Rhumelius Ruprecht, Christoph Adam (1612–1647) 45, 47, 50, 60, 75 –, Johann Christian (um 1600–1654) 56 –, Tobias (1609–1673) 75, 102, 109, 111, 112, 594 Ruß, Friedrich (erw. 1651) 133 Sachs, Conrad († 1658) 91 –, Hans (1494–1576) 408 Sachsen, Johann Georg I. Kfst. von (1585–1656) 36, 180 Sachsen-Altenburg, Magdalena Sibylla Hzgin. von, geb. Kurprzin. von Sachsen (1617–1668) 144 Sachsen-Weimar, Johann Ernst I. Hzg. von (1594–1626) 211, 603 Sagittarius, Caspar (1597–1667) 96 Salis-Seewis, Johann Gaudenz von (1762– 1834) 695 Sallustius Crispus, Gaius (86–35/34 v.Chr.) 355 Salmasius, Claudius (1588–1653) 281 Salomo, König 54, 350, 568 Saltzsieder, Matthias (1597–1673) 113 Sambstag, Johann Jacob († 1665) 97 Samson => Simson Samuel 64, 65 Sandrart, Jacob von (1630–1708) 213, 256, 589 –, Joachim von (1606–1688) 190, 253, 255, 257, 258, 404, 661 –, Johann Jacob von (1655–1698) 578
738
Index Nominum
–, Susanna Maria von (1658–1716) 239 Sandys, George (1578–1644) 309 Sanherib (um 745–680 v.Chr.) 567, 580, 683 Sannazaro, Jacopo (1458–1530) 262 Sarbievius, Matthias Casimir (1578–1640) 516, 517, 520 Sartorius, Johann Friedrich († 1649) 51, 53, 63, 64, 66, 71, 73, 74, 76, 209, 214, 217–219, 220, 221, 223, 224 Satan 635, 642 Saturn 460 Saubert, Adolph (1635–1678) 80 –, Johann (1592–1646) 47, 50, 53, 55, 60, 63, 65, 72, 73, 444, 564, 565, 575 –, Johann (1638–1688) 138, 148, 682, 684 Saudek, Erik Adolf (1904–1963) 156, 705–707, 709 Sauer, Johann (1621–1677) 80, 98, 136 –, Johann Georg (erw. 1649) 109 Saul 682 Saur, Johann Heinrich (erw. 1651) 133 Saurau, Beatrix von => Egk und Hungersbach, Beatrix von Scaliger, Joseph Justus (1540–1609) 302 –, Julius Caesar (1484–1558) 296, 302, 309, 362, 363, 518, 519, 610 Scazon 275 Schacher, Helena Clara (1631–1670), verh. Endter 111, 596 –, Moritz († 1653) 111, 596 Schäffer, Theodor (erw. 1649) 101 Schechs, Jacob Peter (1607–1659) 68, 90, 100, 138, 680 Schede gen. Melissus, Paul (1539–1602) 667 Schedel, Hartmann (1440–1514) 438 –, Hermann (1410–1585) 250 Schedlich, David (1607–1687) 127, 677 Scheffler, Johann (1624–1677) 154 Schellhammer, Sigmund (1622–1684) 73, 82, 113 Schenda, Rudolf (1930–2000) 426 Schenk von Limpurg auf Obersontheim, Georg Friedrich (1591–1651) 133 Schepler, Gerhard (erw. 1645) 62 Scherertz, Friedrich (erw. 1651) 113 Scherff, Balthasar (1575–1643) 219, 220, 225 –, Cunigunda (1587–1659) 45, 50
Scherffer von Scherffenstein, Wenzel (um 1603?–1674) 50, 54 Schernwebel, Heinrich (erw. 1636/51) 133 Scheurl von Defersdorf, Christoph (1629– 1661) 59, 69, 114 –, Christoph Christian (1634–1655) 59 –, Clara (1617–1693), verh. Schlaudersbach 59 –, Heinrich Julius (1600–1651) 99 –, Hieronymus (1632–1716) 59, 89 –, Johann Christoph (1562–1632) 59 Schiller, Anna Maria => Golling, Anna Maria Schlaudersbach, Joachim (1616–1674) 59 Schleder, Johann Georg (1597–1685) 117, 137 Schlegel, Johann Elias (1719–1749) 11, 152 Schlippenbach, Christoph Carl von (1624–1660) 663 Schlüsselfelder von Kirchensittenbach, Adam Rudolph (1626–1683) 47 –, Carl (1585–1624) 47 –, Hieronymus Wilhelm (1616–1672) 45, 47, 474 –, Johann Wilhelm (1633–1665) 116 Schlütter, Evert (erw. 1653) 139 –, Heinrich (erw. 1646) 64 –, Johann (1623–1646) 64, 65 Schmid, Maria Rosina (* 1626), verh. Röder 60, 61 Schmidmaier von Schwarzenbruck, Anna-Maria, geb. Heigel (1605–1664) 82 –, Johann Christoph (erw. 1643/45) 53 –, Johann Jobst (1611–1647) 81, 82, 335, 348, 357, 359 Schmidt, Christoph († 1649) 57, 87 –, Clara => Geilinger, Clara –, Maria => Deschauer, Maria –, Thomas (1624–1705) 57 –, Tobias Christoph (erw. 1648/50) 94, 112 –, Wolfgang (1634–1668) 117 Schmoringer, Johann Leonhard (erw. 1650) 596 Schnabel, Clara Susanna (1625–1663), verh. Hönn 78 –, Daniel (1590–1658) 78 Schneider, Lorenz (erw. 1610/15) 207 –, Matthias (erw. 1643/44) 50
Index Nominum
Schnell, Sebald (1621–1651) 45, 50 Schneuber, Johann Matthias (1614–1665) 140, 689 Schnitzer, Barbara (* 1619), verh. Rösel 78, 79 –, Johannes († 1622) 78, 79 –, Lucas (1600–um 1674) 71, 119, 235, 237, 238, 247, 256 Schoch, Johann Georg (1627–1690) 695 Schön, Johann (erw. 1650/60) 596, 597 Schönberg, Arnold (1874–1951) 699 Schönborn, Johann Philipp von (1605–1673) 127–129, 135, 141, 157 Schönburg, Otto Friedrich Frh. von (1589–1631) 181 Schönerstätt, Johann Michael (erw. 1660) 597 Schönig, Johann Ulrich (1589–1655) 93 Schottel, Justus Georg (1612–1676) 16, 38, 43, 52, 55, 99, 100, 113, 132, 144, 154, 305, 312, 316, 329, 336, 353, 354, 362, 531, 532, 653, 690 Schröder, Georg (erw. 1644/49) 50, 63, 94 Schröttel, Christian (1629–1678) 86 Schudt, Conrad (erw. 1649) 99 Schütte, Paul (erw. 1650) 113 Schütz, Johann (erw. 1650) 596 –, Martha (erw. 1622), verh. Ayermann 589 –, Valentin († 1625?) 589 Schul, Sigmund (erw. 1628/50) 60, 112 Schultes, Friedrich (nach 1620–1685) 108 Schultetus, Albert (erw. 1649) 96 –, Andreas (1622/23–1649) 154 Schultheiß, Hieronymus (1600–1669) 65, 66, 94, 138 Schultz, Daniel (erw. 1650) 113 Schultze, Gottfried (1611–1665) 133 Schumacher, Johann Baptist (1595–1649) 64 Schurtz, Johann Christoph (erw. 1646/47) 82 Schwarz, Friedrich († vor 1649) 102 –, Maria Magdalena (1628–1661), verh. Piccart 102 Schweden, Carl X. Gustav Kg. von => PfalzZweibrücken, Carl Gustav von –, Christina von (1626–1689) 425, 459 –, Gustav II. Adolf Kg. von (1594–1632) 36, 37, 180, 183, 184, 209, 385, 398, 550
739
Schwendendörffer, Leonhart († 1636) 486 Schwieger, Jacob (1629?–1663?) 695 Schwingshärlein, Johann Georg (erw. 1644/47) 47, 50, 70, 80 Schyrer, Anna Sabina => Doppelmayr, Anna Sabina Scultetus, Andreas (1622/23–1649) 154 –, Johannes (1621–1680) 64, 78 Sechst, Johann († 1674) 52, 55, 57, 61, 66, 68, 71, 73, 74, 79, 80, 85–87, 90, 92, 109, 111, 136, 141, 489, 594 –, Matthäus (erw. 1647) 80 Seefried, Johann Adam († 1655) 109 Seeling, Johann Christoph (erw. 1650) 110 Segemann, Barbara (* 1619), verh. Richter 69, 70 –, Matthias (erw. 1646) 70 Seidel, Georg (1596–1667) 90 SeltenFreud, Achatz von (erw. 1647) 79 Seneca, Lucius Annaeus (um 1–65) 272, 307 Seutter, Hans Adam (erw. 1643/1644) 42 –, Hans Adam d.Ä. (erw. 1644) 42 Seyboth, Johann (1593–1661) 202 Seyler, Johann (erw. 1699) 683 Shakespeare, William (1564–1616) 7, 11, 693, 694, 705 Sibmacher, Johann (1561–1612) 213 Sidney, Philip (1554–1586) 295, 473 Siegfried, Christoph († 1666) 109 Siegrist, Lucy (1897–1939) 699 Sigfrid, Thomas (* um 1543) 630 Simias von Rhodos (vor 300 v.Chr.) 609 Simon, Jeremias (erw. 1651) 130 –, Maria (erw. 1645), verh. Jahn 54, 55 Simson 382, 383, 394, 464, 465 Singer, Georg (1591–1673) 226 –, Hans († 1626) 227 Sisera 350 Sobbe, Anna Maria (1626–1679), verh. Schottel 99, 100 –, Thomas (1600–1640) 100 Sol 460 Solger, Adam Rudolf (1693–1770) 189 Soner, Johann Wolfgang (erw. 1649) 102 Spahr, Blake Lee (1924–2006) 157 Spee, Friedrich von (1591–1635) 651, 657 Spiegel, Andreas († 1649) 186
740
Index Nominum
Spielende, Der => Harsdörffer, Georg Philipp Spies, Christoph Paul (1631–1688) 91 Spindler, Johannes (1609–1692) 133 Spörl, Jobst d.Ä. (1580–1665) 227 –, Jobst d.J. (1591–1673) 227 Sporhan-Krempel, Lore (1908–1994) 197 Staden, Adam (1614–1659) 48, 50, 59, 64, 65, 70, 75, 78, 79, 81, 85, 94, 97, 102, 103, 112, 115, 122, 134 –, Andreas († 1655) 116 –, Johann (1581–1634) 155, 660, 662 –, Sigmund Theophil (1607–1655) 42, 54, 94, 104, 128, 134, 155, 218, 444, 452, 459, 463, 465, 541, 647, 659–668, 673, 675, 680, 681, 687 Statius, Publius Papinius (um 40–um 96) 482 Staude, Tobias (erw. 1649) 108 Stegmann, Josua (1588–1632) 684, 685 Steinau gen. Steinrück zu Eversbach, Anna Johanna von (erw. 1655) 142 Steiniger, Caspar (1616–1675) 83 Stephani, Johann Carl (1620–1683) 66, 69 Stern (Drucker) 100 Stieler, Caspar (1632–1707) 518–520 Stierle, Johann Georg (erw. 1647) 83 Stirn, Georg Christoph (1616–1669) 64, 77, 78, 89 Stöberlein, Anna Veronica, geb. Nürnberger (erw. 1646) 74 –, Georg Christian (* 1624) 45, 60, 74 –, Johann Leonhard (1636–1696) 74 –, Magdalena Veronica (erw. 1646) 74 –, Wolfgang (1589–1646) 73 Stör, Leonhard (erw. 1643/50) 92 Stoll, Johann Veit (1623–1701) 83, 119 Stopp, Frederick John (1909–1979) 440 Stoy, Michael (erw. 1650) 118 Straub, Lucas (erw. 1645/92) 275 Strauch, Georg (1613–1673) 589 Strefon/Strephon => Harsdörffer, Georg Philipp Streissel, Georg Christoph (erw. 1644/51) 80 Streng, Georg (1607–1667) 47, 63, 136 Strindberg, August (1849–1912) 694 Strobel, Georg Theodor (1735–1794) 189
Stubenberg, Georg Augustin von (1628–1691) 82 –, Johann Wilhelm von (1619–1663) 132, 143, 311 –, Otto Gall von (1631–1688) 82 Sturm, Leonhard († 1682?) 109 Styrzel, Johann Georg (1591–1668) 84, 92, 101, 113, 114, 117, 131, 132, 135, 137, 142, 289–291, 321–325 Suchende, Der => Schottel, Justus Georg Sultzer, Wolfgang (1617–1680) 50 Tacitus, Publius Cornelius (um 58–um 120) 358 Tannen, Wahrmund von der => Rompler von Löwenhalt, Jesaias Tasso, Torquato (1544–1595) 296 Tauber, Johann (um 1608–1664) 197, 229 Taubmann, Friedrich (1565–1613) 346, 532 ter Borch, Gerard (um 1617–1681) 404, 414 Tetzel von Kirchensittenbach, Carl Erasmus (1623–1667) 45, 47, 474 –, Gustav Philipp (1632–1696) 47, 106, 122 –, Johann Jacob (1595–1646) 47, 65, 66, 122, 193 –, Maria Jacobina († 1702), verh. Nützel 122 –, Marie Salome (erw. 1644), verh. Schlüsselfelder 45, 47, 474 –, Philipp Jacob (1624–1669) 88 Teut => Tuiscon Thalia 473 Themis 45 Theodosius II. (401–450), Kaiser 284 Theokrit (um 270 v.Chr.) 492, 609–611, 614 Thill, Christoph Sigmund von (1622–1687) 69 –, Georg von (1596–1653) 69 –, Maria Magdalena von (1626–1671), verh. Haller von Hallerstein 69 Thomas 557 Thyresius, B. (erw. 1655) 140 Tiedge, Christoph August (1752–1841) 696 Tilly, Johann Tserclaes Gf. (1559–1632) 36, 180, 181 Timon von Athen (5. Jh. v.Chr.) 518 Timotheus 141 Titius, Gerhard (1620–1681) 99
Index Nominum
Tittmann, Friedrich Julius (1814–1883) 154, 155, 157, 330 Tityrus 500, 504 Tobing, Johann Heinrich (1634–1680) 130 Trabeth, Christian (erw. 1652) 596 Trajanus, Marcus Ulpius (53–117) 617, 620 Trekel, Gerhard (um 1620–nach 1646) 63, 71, 74, 79, 80, 83 Trendelenburg, Adolf (1844–1941) 630 Treuer, Gotthilf (1632–1711) 143 Trew, Abdias (1597–1669) 60, 136 –, Christoph Jacob (1695–1769) 189 Triller, Daniel Wilhelm (1695–1782) 151 Tristrant 207 Troschel, Peter (1615–1680) 247 Trummer, Anna Maria (* 1631), verh. Golling 100, 675 –, Balthasar (erw. 1649) 100 Truntz, Erich (1905–2001) 157 Tscherning, Andreas (1611–1659) 62, 143, 339, 365, 590 Tucher von Simmelsdorf, Friedrich (1614–1659) 47 –, Johannn Christoph (1627–1693) 51, 67 –, Stephan 1628–1689) 67 –, Tobias (1627–1693) 51, 67 Tucholsky, Kurt (1890–1935) 695 Tülsner, Gregor (erw. 1649) 99 Tümpel, Wilhelm (1855–1915) 155 Tuiscon 130, 358, 360 Tyde, Jacob (1572–1655) 45, 50, 75, 97, 137 Uffenbach, A. (erw. 1649) 99 Ulrich, Johann (1601–1646) 45, 59, 60, 63 Ulysses => Odysseus Unverdrossene, Der => Hille, Carl Gustav von Urania 143, 299 Ursinus, Johann († 1647) 79 Utz, Benedict (1615–1652) 77 –, Christoph Aegidius († 1682) 78 Valckenborch, Gillis van (1570–1622) 617 Varenius, August (1620–1684) 62 Vega, Lope de (1562–1635) 296 Venator, Balthasar (1594–1664) 501 Venus 70, 91, 301, 397, 460, 471, 482, 507–510, 512, 671
741
Ver, Plat de (erw. 1649) 100 Vergilius Maro, Publius (70–19 v.Chr.) 295, 362, 469, 475, 482, 485, 492, 499–501, 503, 512, 517, 541, 594, 691 Vetter, Johannes (1626–1674) 123 Viatis, Bartholomäus (erw. 1645) 58 –, Clara (1622–1666), verh. Kreß von Kressenstein 58, 59 Victoria => Nike Vida, Marco Girolamo (1485–1566) 309, 362 Vitalia 92 Vogel, Johann (1589–1663) 13, 14, 41–43, 45, 47, 50, 53, 59, 60, 63–65, 67, 70, 72, 73, 77–82, 85–92, 94, 98–100, 102–104, 106, 108–114, 116–119, 122, 123, 127, 132, 134, 136, 139, 415, 416, 445, 446, 453, 465, 562, 563, 575, 594, 659, 676, 677 Volckamer von Kirchensittenbach, Georg (1560–1633) 436 –, Georg Christoph (1582–1632) 72 –, Georg Christoph (1610–1679) 71, 72, 592 Volckart, Albert (1591–1666) 42, 49, 60, 86, 87, 89, 90, 98 Volckmann, Adam (1616–1664) 67, 79 Volkamer, Endres (erw. 1618/27) 223 –, Johann Georg (1616–1693) 42, 50, 56, 62, 65, 68, 73, 79, 80, 85, 87, 92, 98, 103, 106, 111, 119, 136, 138, 140 Volland, Johann (1600–1646) 63 –, Johann Christoph († 1667) 94, 112, 117 –, Matthäus (erw. 1649) 99 Vossius, Gerhard Johannes (1577–1649) 302 Wackernagel, Wilhelm (1806–1869) 154 Wagenmann, Abraham († 1632) 214, 229 Wagner, M. (erw. 1647) 221 Walch, Georg (1612–1656) 661 –, Hieronymus (1589–1668) 44 Waldis, Burkhard (um 1490–1556) 358, 360 Waldmann, Christoph (erw. 1642/64) 67 Waldschmidt, Bernhard (1608–1665) 99 Wallenstein, Albrecht von (1583–1634) 37, 183 Walther, Georg (1612–1656?) 57, 75 –, Georg Christoph († 1678) 75 –, Maria Magdalena, geb. Held (1614–1646) 75
742
Index Nominum
–, Michael (1593–1662) 80, 95 Wandersleben, Oswald (1594–1664) 110, 122 Weber, Johann Michael (erw. 1650/52) 596 –, Michael (1593–1668) 70, 72, 98, 116, 589 –, Paul (1625–1696) 50, 98, 136 –, Philipp (1619–1678) 93 –, Wilhelm (1601–1660) 114 Weck, Johannes (erw. 1645) 53 Weckherlin, Georg Rodolf (1584–1653) 689, 694, 698, 707 Weigel, Valentin (1533–1588) 575 Weinmann, Johannes (1599–1672) 45, 50, 80 Weinrich, Carl (erw. 1652) 596 Weise, Christian (1642–1708) 674 Welhammer, Christoph (1585–1646) 47 Weller von Molsdorf, Peter (1576–1654) 94 –, Rudolf (1609–1663) 94 Welser, Carl (1635–1697) 106, 116, 122 Werder, Paris von dem (1623–1674) 55 Werner, Heinrich (1601–1648) 62 Westcken, Bernhard (erw. 1649) 94 Westerfeld, Johann Marcellus (1610–1678) 108 Wetzel, Johann Caspar (1691–1755) 151, 153 Wider, Johann Christoph (1613–1677) 80 –, Johann Jacob (1618–1657) 59, 63, 80, 90, 136, 594 –, Johann Ludwig († 1670) 59, 63, 80, 90, 122 –, Theodosius (1622–1685) 63, 80 –, Zacharias (1620–1682) 63, 80 Widmann, Georg (1611/12–1686) 47, 60, 65, 66, 77, 79–82, 87, 89, 91, 92, 95, 103, 106, 109, 111–114, 116, 119, 122, 127, 136, 139, 594 Wied-Runkel-Isenburg, Johann III. von (um 1475–1533) 573 Wigalois 207 Will, Georg Andreas (1727–1798) 152, 153, 189 Willing, Christoph (1600–1646) 70 Winckler, Anna Magdalena (erw. 1670), verh. Endter 597 –, Jacob († vor 1670) 597 –, Martha (* 1625), verh. Doppelmayr 111 Windhesel, Jacob Ernst (erw. 1629/49) 67, 80
Windischgrätz, Gottlieb von (1630–1695) 312 Winkler, Benedict (1621–1680) 52, 53 –, Georg (erw. 1645) 53 –, Paul (1630–1686) 53 Winterfeld, Carl von (1784–1852) 155 Wirnt von Grafenberg (Anf. 13. Jh.) 207 Wirrich, Heinrich († um 1572) 369 Wohnhaas, Theodor (1922–2009) 197 Wolfarth, Georg (1623–1677) 92 Wolff, Martin (1604–1648) 80 Wolffart, Johann Conrad († 1666) 131–133, 142 Wolfsberg, Bartholomäus († 1684) 112 Wrangel, Carl Gustav (1613–1676) 64, 92, 128, 303, 380, 447 Wülfer, Daniel (1617–1685) 42, 47, 50, 65, 66, 72, 73, 75, 80, 82, 86, 88–91, 95, 96, 100, 102, 103, 109, 111–114, 119, 138, 314 Wüthrich, Lucas Heinrich (* 1927) 625, 627 Wulkow, Magdalene (erw. 1649), verh. Krolow 107 –, Wilhelm (erw. 1649) 107 Wurfbain, Johann Gabriel (1611–1655) 65, 136 –, Johann Hieronymus (1619–1692) 60 –, Leonhard (1581–1654) 223 Zachariae, David (erw. 1634/47) 80 Zanner, Adam (1600–1682) 66, 80, 90, 111, 112, 136, 594 –, Bartholomäus (erw. 1650/60) 596, 597 Zeiler, Sixt (erw. 1646) 67 Zesen, Philipp (1619–1689) 50, 54, 55, 486, 508, 509, 590, 652 Zeuxis von Herakleia (um 400 v.Chr.) 340 Ziarnko, Jan (erw. 1596/1629) 630 Ziegler, Hieronymus (um 1514–1562) 516 Zilliger, Christoph Friedrich († 1693) 132, 144 Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von (1700–1760) 568 Zobel von Giebelstadt, Amalia Catharina => Jöstelsberg, Amalia Catharina von –, Hans Heinrich (1634–1688) 142 –, Johann Wilhelm (1614–1695) 141 Zum Jungen, Maximilian (1596–1649) 99 Zunner, Johann Christoph († 1674) 73 –, Johann David (1610–1653) 85, 416
Index Operum Erstellt von Werner Wilhelm Schnabel Aufgeführt sind die Werke Klajs mit Angabe ihres Entstehungsjahres bzw. ihrer Erstveröffentlichung. Die Titelansätze sind sprachlich modernisiert und gegebenenfalls gekürzt. Berücksichtigt werden i.d.R. nur eigenständige Drucke (bis auf die Ebene von Einblattdrucken), nicht aber Beiträge zu diversen Sammelschriften. Deren Titel und Initien sind über das Verzeichnis auf S. 166–175 eruierbar. Abbildung der bei der völlig-geschlossenen Friedens-Unterschreibung gehaltenen Session (1650) 115, 409, 410, 412, 417, 422, 425, 685 Abbildung des schwedischen Löwen (1649) 104, 236, 417, 418 Aller verlassenen Wittwen und vaterlosen Waisen zu Gott im Himmel abgeschicktes Seufzen und erhörtes Gebet (1652) 137, 685 Allzufrühes Ableben des durchleuchtigen … Johann Ludwig, Pfalzgrafen bei Rhein (1649) 106–107 Andachtslieder (1646) 76, 148, 559–583, 680–685 Auferstehung Jesu Christi (1644) 41, 294, 297, 305, 306, 309, 653 Christlich-gottselige Betrachtung des vollgültigen Leidens Jesu Christi (o.J.) 126 Das ganze Leben Jesu Christi (1648/51) 34, 84, 134, 213, 545–557, 685 Der leidende Christus, in einem Trauerspiele vorgestellet (1645) 54, 151, 152, 280, 293, 294, 309, 310, 316, 343, 614, 648, 649 Der Pegnitz-Hirten Frühlings-Freude (1645) 55 Der schönen Diana dritter Teil (1646) 75, 298–302, 310, 325, 501 Ehrengedichte der kunstlöblichen Druckerei (1644/46) 76, 210, 296, 536–537, 595–608 https://doi.org/10.1515/9783110669480-030
Eigentliche Abbildung des wegen völliggeschlossenen Reichsfriedens in Nürnberg gehaltenen Armbrustschießens (1650) 118 Eigentlicher Entwurf und Abbildung des gottlosen und verfluchten Zauber-Festes (o.J.) 125, 145, 625–644 Ein schönes christliches neues Lied … (o.J.) 125, 685 Engel- und Drachen-Streit (1649) 101, 105, 144, 638, 660 Fortsetzung der Pegnitz-Schäferei (1645) 57, 58, 315, 316, 324, 325, 448, 469–471, 474, 477–481, 483, 484, 490–492, 539, 541, 612, 613, 674 Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Christi (1650) 128, 149, 153, 156, 158, 261, 281, 289, 660 Geburtstag des Friedens (1650) 115, 119–121, 153, 157, 256, 335, 367–386, 389–401, 419, 423,425–430, 451, 609–623, 664, 668, 672, 673 Glückwünschung an des Heiligen Römischen Reichs hochberühmte Stadt Nürnberg (wohl 1650) 116 Güldenes Kleinod, welches die rechtgläubigen Christen erster Kirchen zur Erinnerung der heilig hochgelobten Dreieinigkeit an ihrem Halse und auf ihren Herzen getragen (o.J.) 125 Herodes, der Kindermörder (1645) 51, 52, 152, 279–288, 292–294, 307,
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Index Operum
308, 316, 515–517, 522–525, 625, 654 Herren Wolfgang Franckens Namensgedächtnis (1645) 61 Hochadliges aufgewecktes Blut (1655) 141 Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi (1644) 8, 43, 44, 294, 304, 306, 637 Irene, das ist: Vollständige Ausbildung des zu Nürnberg geschlossenen Friedens (1650/51) 104, 124, 129, 137, 237, 256, 337, 367–386, 389–401, 432, 439, 450, 453, 455, 458, 616, 664–672 Joas. Geistliches Hirten-Gedicht (1650) 39, 295 Kriegstrost (1646) 77 Lob des weltgepriesenen Buchhandels (1650) 122, 210, 231 f., 293, 585–594 Lobrede der deutschen Poeterei (1644/45) 9, 48, 146, 157, 280, 294, 304, 307, 329–351, 353–366, 526, 527, 531, 532, 542, 654–656, 675 Myrrhenbaum Tod Christi (o.J.) 126 Neu-auspolierter Venus-Spiegel (o.J.) 126 Nürnbergisches denkwürdiges Freudenfest (1650) 115, 116, 412, 413, 427, 428, 685 Passions-Schiff (o.J.) 125 f. Pegnesisches Schäfergedicht in den berinorgischen Gefilden (1644) 1–3, 11, 45–48,
69, 156, 157, 210, 293, 294, 296, 300– 302, 314, 315, 337, 448, 449, 469–471, 473, 474, 476, 477, 479, 480, 483, 486, 487, 488, 490, 492, 541, 612, 647, 648, 653, 673, 687, 690–693, 696, 697, 700, 702, 704 Pegnesisches Schäfergedicht, in den Nördgauer Gefilden angestimmet (1648) 88, 485–502 Schlösser im Luft … (o.J.) 126 Schwedisches Fried- und Freudenmahl (1649) 104, 109, 417, 418, 669, 672 Springendes Fried- und Freudenlied (1649) 105 Tempel des Friedens und gegenüber gesetztes Kastell des Unfriedens (1650) 118, 237, 405, 406, 412, 415, 426, 685 Trauerrede über das Leiden seines Erlösers (1650) 112, 515, 516, 524–526, 681, 683 Trostschrift (1647) 81 f. Wahrhafter Verlauf, was sich bei geschlossenem und unterschriebenen Frieden zu Nürnberg auf der Burg begeben (1650) 115, 133, 431 Weihnacht-Gedichte (1648) 4, 83, 134, 143, 261, 280, 289–292, 673, 681 Weihnacht-Lied, der heiligen Geburt Christi zu Ehren gesungen (1643) 40, 83, 549, 652