Jesus und die Christen als Wundertäter: Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum 9783666538537, 3525538537, 9783525538531


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German Pages [440] Year 1996

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Jesus und die Christen als Wundertäter: Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum
 9783666538537, 3525538537, 9783525538531

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VSR

BERND KOLLMANN

Jesus und die Christen als Wundertäter Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 170. Heft der ganzen Reihe

Die Deutsche Bibliothek—CIP-Einheitsaufnahme Kollmann, Bernd: Jesus und die Christen als Wundertäter: Studien zu Magie, Medizin und Schamanismus in Antike und Christentum / Bernd Kollmann. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments; H. 170) Zugl.: Göttingen, Univ., Habil.-Schr., 1994/95 ISBN 3-525-53853-7 NE: GT

© 1996 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. — Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen.

Vorwort Seit mir im Sommer 1979 in meinem zweiten Studiensemester Gerd Theißens "Urchristliche Wundergeschichten" in die Hände fielen, hat mich die Frage nach den Wundern in Antike und Christentum in besonderer Weise fasziniert. Schon damals hätte ich gerne mehr über den historischen Hintergrund der christlichen wie der paganen Wundergeschichten erfahren. Mit der vorliegenden Untersuchung hoffe ich, in dieser Hinsicht ein Stück weit über den bisherigen Forschungsstand hinauszuführen. Als ich mich 1990 zu diesem Unternehmen anschickte, hielt ich das antike Umfeld der neutestamentlichen Wundergeschichten für weitgehend aufgearbeitet. Je tiefer ich in die Materie eindrang, desto deutlicher wurde mir freilich, daß gerade hier ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegen würde. Die vorliegende Untersuchung wurde im Januar 1994 abgeschlossen und im Wintersemester 1994/95 von der Göttinger Theologischen Fakultät als Habilitationsschrift angenommen. Mein Lehrer, Prof. H. Stegemann, stand wie gewohnt jederzeit mit fachkundigem Rat bereit und hat mich freundlich durch das Habilitationsverfahren geleitet, den weiteren Gutachten von Prof. G. Lüdemann und Prof. B. Schaller verdanke ich mancherlei Anregung. Ermöglicht wurde diese Untersuchung durch ein Stipendium der Fritz Thyssen Stiftung, Köln, die mir in ausgesprochen großzügiger Weise drei Jahre unbelasteten Forschens finanzierte. Knapp anderthalb Jahre davon, für meine Familie und mich eine unvergeßliche Zeit, konnte ich an der Divinity School der University of Chicago verbringen, wo ich mich als Visiting Scholar an dem von Prof. F. Reynolds geleiteten Institute for the Advanced Study of Religion aufhielt und in Prof. A.Y. Collins und Prof. H.D. Betz gleichermaßen kompetente wie gastfreundliche Gesprächspartner hatte. Gerne denke ich auch an den Gedankenaustausch über weite Teile dieser Arbeit mit Prof. D. Zeller, Mainz, zurück, der zeitgleich mit mir am "Institute" war. Prof. W. Schräge und Prof. R. Smend bin ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die FRLANT zu Dank verpflichtet. Die Drucklegung wurde durch einen namhaften Druckkostenzuschuß der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers erleichtert. Wolfsburg, im Juni 1995

Bernd Kollmann

Inhalt Vorwort

5

Abkürzungen

12

I.

Einleitung

13

II.

Der Stand der Forschung und die Aufgabe

18

1.

Kontroversen über den historischen Wert der ntl Wundergeschichten

18

1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6. 1.7. 1.8. 1.9. 1.10.

Die Wunder Jesu als Betrug oder Fiktion (H.S. Reimarus) Die rationalistische Erklärung der ntl Wundergeschichten (C.H. Venturini, H.E.G. Paulus) Die ntl Wundergeschichten als unhistorische Mythen (D.F. Strauß) Die Ableitung der ntl Wundererzählungen aus der hellenistischen Religionsgeschichte (M. Dibelius, R. Bultmann, G. Theißen) Ntl Wundergeschichten als Missionsätiologien (G. Schille) Wundererzählungen als Entfaltungen des Kerygmas (W. Schmithals) Jüdischer Traditionshintergrund als Indiz für Historizität (O. Betz, B. Blackburn u.a.) Ipsissima facta Jesu (F. Mußner) Atopische Motive als historisch zuverlässige Angaben (J. Jeremias, J. Roloff, R. Pesch) Heilungswundererzählungen als Selbstberichte der Betroffenen (D. Zeller)

2.

Bilder von Jesus als Wundertäter

2.1.

Jesus als Wunderprophet (R. Meyer, E.P. Sanders, P.W. Barnett u.a.) Jesus als Arzt (A. von Harnack, S. Eitrem) Jesus als pneumatisch begabter Theios Aner (H. Windisch, L. Bieler) Jesus als Magier (O. Böcher, M. Smith, J.D. Crossan) Jesus als suggestiver Heiler (J. Klausner) oder Schamane (E. Drewermann) Jesus als Chasid (D. Flusser, G. Vermes, S. Safrai)

2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6.

18 19 21 23 24 25 26 28 29 30

31 31 33 34 36 38 40

8

Inhalt

3.

Wundercharismatikertum bei den frühen Christen

42

3.1.

Machttaten als Mittel missionarischer Werbung

42

3.2.

Innergemeindliche Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen

44

4.

Aufgabe und Methodik dieser Untersuchung

45

4.1. 4.2. 4.3.

Die Aufgabe Methodische Vorüberlegungen zur historischen Urteilsfindung Begriffsklärungen

45 49 53

III.

Magie, Medizin und Wundercharismatikertum in der Umwelt des NT

61

1.

Hellenismus

61

1.1. 1.1.1.

1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4. 1.4. 1.4.1. 1.4.2. 1.4.3. 1.4.4. 1.4.5. 1.4.6. 1.4.7. 1.4.8. 1.5.

Wissenschaftliche Medizin 61 Die Begründung wissenschaftlicher Heilkunst durch Hippokrates .... 61 Exkurs: Die "Heilige Krankheit" und ihre Behandlung 63 Ärzteschulen um die Zeitenwende 66 Asklepiosheiligtümer 73 Der Asklepiosmythos 73 Epidauros 75 Kos 79 Pergamon 80 Dämonenaustreibungs- und Totenerweckungsformulare in den Zauberpapyri 83 PGM IV,1227-1264 83 PGM V,96-171 84 PGM IV,2157-2159 und PGM XIII,242-244 86 PGM XIII,277-282 87 Wunderwirkende Theioi Andres 89 Pythagoras 89 Empedokles 91 Asklepiades von Prusa 95 Simon Magus 98 Apollonius von Tyana 101 Vespasian 106 Alexander von Abonuteichos 109 Einzelne Gestalten aus Lukians Philopseudes 110 Ergebnisse 116

2.

Antikes Judentum

118

2.1. 2.1.1.

Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit Göttliche Offenbarung magisch-pharmakologischer Heilkunst im Buch Tobit Lobpreis des Arztes bei Jesus Sirach Magie und Medizin bei den Essenern Wundercharismatiker des antiken Judentums Choni der Kreiszieher Jochanan ben Zakkai

118

1.1.2. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.3.

2.1.2. 2.1.3. 2.2. 2.2.1. 2.2.2.

120 124 127 137 137 141

Inhalt 2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.2.6. 2.2.7. 2.3.

9

2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.4. 2.4.

Chanina ben Dosa Die jüdischen Zeichenpropheten Eleazar Die Söhne des Skevas Eliezer ben Hyrkanus Magische Formulare und volksmedizinische Praktiken des Judentums in rabbinischer Zeit Das jüdische Exorzismusformular PGM IV,3019-3078 Magie und Volksmedizin in Mischna und Talmud Das "Buch der Geheimnisse" (Sepher ha-Razim) Das "Schwert des Mose" (Harba de-Mosche) Ergebnisse

142 144 147 151 153 154 156 160 165 167 169

IV.

Jesus als Wundertäter

174

1.

Dämonenaustreibungen Jesu

174

1.1. 1.1.1.

1.1.2. 1.1.3. 1.1.4. 1.1.5. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3.

Die Logienüberlieferung 174 Die Beelzebulkontroverse (Mk 3,22-27parr) 174 Exkurs: Jesus als Magier oder Goet im Talmud und bei Celsus .... 179 Exkurs: έγγίζειν, φ&άνειν und das Problem der "Realized Eschatology" 183 Warnung vor Herodes (Lk 13,31-33) 187 Die Entmachtung des Satans (Mk 3,27parr; Lk 10,18) 189 Wunderinstruktionen an die Jünger (Mk 6,6b-13parr) 195 Die "Exorzismusregel" Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 199 Die synoptischen Besessenenheilungsberichte 201 Heilung eines Besessenen in Kapernaum (Mk 1,21-28) 201 Der besessene Gerasener (Mk 5,1-20) 205 Die Heilung des epileptischen Knaben (Mk 9,14-29parr) 209

2.

Krankenheilungen Jesu

2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.2.5. 2.2.6. 2.2.7. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.4. 2.4. 2.4.1.

Die Logienüberlieferung 215 Die Täuferanfrage (Mt 11,2-6/Lk 7,18-23) 216 Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen (Mt 13,16f./Lk 10,23f.)... 221 Synoptisch-johanneische Wunderheilungsberichte 222 Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 1,29-31) 222 Heilung eines Aussätzigen (Mk 1,40-45) 223 Die Gelähmtenheilungsberichte Mk 2,1-12/Joh 5,2-9b 225 Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5,25-34) 229 Die Heilung des Taubstummen (Mk 7,31-37) 231 Die Blindenheilungen Mk 8,22-26 und Joh 9,1-7 234 Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52) 238 Sabbatheilungskonflikte 239 Heilung einer verdorrten Hand am Sabbat (Mk 3,1-6) 239 Sabbatheilungsberichte im lk Sondergut (Lk 13,10-17; 14,1-6) 241 Die Sabbatheilungskomplexe Joh 5,1-47/7,15-24 und Joh 9,1-41 ... 244 Sabbatlogien Jesu zur Rechtfertigung seiner Heilpraxis 247 Berichte über Fernheilungen an Heiden 254 Heilung der Tochter einer Syrophönizerin (Mk 7,24-30) 254

215

10 2.4.2. 2.4.3. 2.5. 2.5.1. 2.5.2. 2.5.3.

Inhalt Heilung des Sohnes eines Zenturio (Mt 8,5-13par) oder königlichen Beamten (Joh 4 , 4 6 - 5 4 ) Die Heilung der zehn Aussätzigen (Lk 17,11-19) Wiederbelebungen verstorbener Personen Erweckung der Jairustochter (Mk 5,22-24.35-43) Exkurs: Die Totenerweckung Apg 9,36-43 Der Jüngling von Nain (Lk 7,11-17) Die Lazarusgeschichte (Joh 11,1-44)

257 259 263 263 264 266 268

3.

Naturwunder

271

3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8.

Umgang mit wilden Tieren (Mk 1,13) Die Sturmstillung (Mk 4,35-41) Die wunderbare Brotvermehrung (Mk 6,30-44par; 8,1-10) Der Seewandel Jesu (Mk 6,45-52par) Die Verfluchung des Feigenbaums (Mk 11,12-14.20.21) Der Stater im Fischmaul (Mt 17,24-27) Der wunderbare Fischfang (Lk 5,1-11/Joh 21,1-14) Das Weinwunder zu Kana (Joh 2,1-12)

271 272 274 275 275 277 277 279

4.

D i e V e r w e i g e r u n g demonstrativer M a c h t e r w e i s e

281

4.1. 4.2.

Jesu Ablehnung der Zeichenforderung (Mk 8,llf.parr) Die Versuchung Jesu (Mt 4,1-11/Lk 4,1-13)

281 285

5.

J e s u s als Wundertäter in der Evangelienredaktion

287

5.1. 5.2. 5.3. 5.4.

Jesus als Theios Aner im M k - E v Unterdrückung wunderhaft-magischer Züge im mt Jesusbild Jesus als Wunderprophet bei Lk Jesu Wunder als interpretationsbedürftige Offenbarungszeichen im Joh-Ev Analogien zur Evangelienredaktion der christologischen Wundertradition

287 292 294

298

6.

Ergebnisse

306

V.

Frühchristliches Wundercharismatikertum in der N a c h f o l g e Jesu

316

W u n d e r w i r k e n d e A p o s t e l und P r o p h e t e n in der Tradition der A u s s e n d u n g s r e d e

316

5.5.

1. 1.1.

1.2.

1.3. 1.4.

Die Sendboten der Logienquelle Exkurs : Das Verständnis der Aussendungstradition bei Mk, Mt und Lk Die Gegner des Paulus im 2 Kor Exkurs: Die Aussendungsanordnungen Jesu bei Pls und seinen Gegnern in Korinth Wunderpropheten tum im Umfeld des Mt-Ev (Mt 7,15-23) Der fremde Dämonenaustreiber (Mk 9,38-40)

296

316 318 323 325 330 335

Inhalt 2.

Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen auf Befehl des auferstandenen Christus

11

336

2.1. 2.2.

Die Wunderbevollmächtigung Mk 16,15-20 Krankenheilungsinstruktionen in den "Taten des Petrus und der zwölf Apostel"

336

3.

Krankenheilungen in den christlichen Gemeinden

340

3.1. 3.2. 3.3. 3.4.

Der Charismenkatalog 1 Kor 12 340 Unterweisung zu Dämonenaustreibungen durch Gebet (Mk 9,28f.)... 342 Krankenheilungen durch Presbyter (Jak 5,14-16) 344 Wiederbelebungen durch Gebet (Iren, Haer II 31,2; 32,4) 347

4.

Form- und sozialgeschichtliche Aspekte frühchristlichen Wundercharismatikertums

4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3.

339

348

Christliche Dämonenaustreibungs- und Krankenheilungsformeln .... 348 Wundertaten "im Namen Jesu" 350 Beschwörungsformeln und Gebete zur Dämonenaustreibung 351 Krankenheilungsworte und -gebete 353 Formeln und Gebete zu Wiederbelebungen 354 Charismatiker als Überlieferungsträger ntl Wundergeschichten .... 355 Sozialgeschichtliche Implikationen frühchristlicher Heilkunst 362 Der umsonst heilende Jesus und der geldgierige Asklepios 362 Exkurs: Das Theologumenon von Jesus als Arzt 363 Ärztliche Entlohnung in der Antike 369 Unentgeltliche christliche Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen 373

5.

Ergebnisse

375

VI.

Schluß

379

VII.

Literaturverzeichnis

381

1. 2. 3.

Textausgaben Hilfsmittel Sekundärliteratur

381 389 390

VIII.

Register (in Auswahl)

432

1. 2. 3.

Autoren Namen und Sachen Stellen

432 433 434

Abkürzungen Abkürzungen für Reihen, Zeitschriften, Sammelwerke und für biblische wie außerkanonische Schriften richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der "Theologischen Realenzyklopädie" von S . M . Schwertner, Berlin/New York 1994 2 , ergänzt durch das Abkürzungsverzeichnis des "Theologischen W ö r t e r buchs zum Neuen Testament" (ThWNT X / l , 53-85) und des "Exegetischen Wörterbuchs zum Neuen Testament" (EWNT I, XII-XXXI; II, IX). Rabbinische Schriften sind überwiegend nach G. Stemberger, Einleitung in Talmud und Midrasch, München 1992 8 , 357f., abgekürzt, die Nag Hammadi-Texte nach K.-W. Tröger, Gnosis und Neues Testament, Gütersloh 1973, 20f. Für klassische Autoren, Papyri, Fragment- und Inschriftensammlungen wurden ergänzend zu ThWNT auch die Abkürzungen von Liddell-Scott und von BauerAland herangezogen. Darüber hinaus finden folgende Abkürzungen Verwendung: Apoll Parad, Hist Mir Cael Aur Diosc, Simpl Med DT Emped, Fragm Gal Gal, Sub Emp HDM A HDM Β und C Kyr PDM

PGM I - L X X X I PGM LXXXIIff. PGM 1-24 PGM.S Scrib Larg, Compos SHR W

Apollonius Paradoxographus, Historia mirabilium Caelius Aurelianus, ed. G. Bendz/I. Pape Dioskurides, De simplicibus medicamentis, ed. M. Wellmann Defixionum tabellae, ed. Audollent Empedoklesfragmente, nach der Zählung von M.R. Wright Galen, ed. C.G. Kühn, mit röm. Band- und arab. Seitenzahl (sonst Galaterbrief) Galen, Subfiguratio empirica, ed. K. Deichgräber Schwert des Mose, Rez. A, nach M. Gaster Schwert des Mose, Rez. Β und C, nach P. Schäfer Kyraniden, ed. D. Kaimakis Demotischer magischer Papyrus von London und Leiden (ed. F.L. G r i f f i t h / H . Thompson) nach der Zählung von H.D. Betz, Greek Magical Papyri Papyri Graecae Magicae, nach K. Preisendanz/ A. Henrichs Papyri Graecae Magicae, nach H.D. Betz Christliche magische Papyri, nach K. Preisendanz/ A. Henrichs Papyri Graecae Magicae Supplementum, nach R.W. Daniel/F. Maltomini Scribonius Largus, Compositiones, ed. S. Sconocchia Buch der Geheimnisse, nach M. Margalioth oder M.A. Morgan Wundertexte aus Epidauros, nach R. Herzog

I. Einleitung "Meist pflegt man mit Bedauern festzustellen, daß Wundergeschichten mannigfacher Art sich an die Person des Pythagoras geheftet haben und es dem Forscher schwer machen, 'den historischen Kern aus dem Gewebe von Sage und Dichtung herauszufinden'. ... Nur vereinzelt hat man gesehen, daß gerade die Wundergeschichten eine Wirklichkeit nicht verschleiern, sondern anzeigen, daß sie Aufschluß geben über die historische Wirkung einer Persönlichkeit und einer Lehre; und ob sie nicht noch viel direktere Hinweise geben können auf Tatsachen, von denen sie berichten, wurde kaum gefragt." Diese von W. Burkert im Hinblick auf die Pythagorasinterpretation getroffene Äußerung1 läßt sich ohne weiteres auf die Jesusforschung Ubertragen. Daß Jesus und andere herausragende Personen der Antike Wundertaten bewirkt haben sollen, ist vom Standpunkt neuzeitlich aufgeklärten Denkens aus schwer nachvollziehbar. Denn Wunder sind außerordentliche Ereignisse, die Verwunderung erregen oder unbegreiflich erscheinen, weil sie sich gegen alle bekannten Gesetze des in regelmäßiger Ordnung verlaufenden Naturgeschehens zutragen und folglich nicht als Resultat natürlicher oder menschlicher Wirkungen faßbar sind. Für das Neue Testament und weite Teile seiner Umwelt hingegen stellt die Annahme einer Einwirkung Gottes oder anderer übernatürlicher Kräfte auf das gewohnte Naturgeschehen nichts Befremdliches dar. Die grundsätzliche Möglichkeit von Wundern steht außer Frage. Unterschieden wird allerdings zwischen wahren und falschen Wundern, und zwar anhand des Kriteriums, in wessen Vollmacht und mit welcher Zielsetzung ein Wunder bewirkt wird (vgl. Mt 7,22f.; Mk 13,22parr; Apk 13,13). Als wirkliches Problem wird die Vorstellung, daß Gott contra naturam Wunder wirkt und damit letztlich in einer Art Selbstwiderspruch gegen die Gesetzmäßigkeiten seiner eigenen Schöpfung verstößt, erstmals bei Augustin empfunden, der die Diastase zwischen Wunder und Natur durch eine Ausdehnung des Naturbegriffes auf das uns Unbekannte als einen nur scheinbaren Gegensatz zurückweist. Das Wunder trage sich nicht contra naturam, sondern lediglich im Widerspruch zu unserer Naturerfahrung zu. Wie es Gott nicht unmöglich war, nach Belieben l Burkert, Weisheit und Wissenschaft 113.

14

Einleitung

Naturen zu bilden, so sei es ihm auch nicht unmöglich, die von ihm gebildeten Naturen nach Belieben umzugestalten (Civ Dei XXI,8). Das von Augustin aufgeworfene Problem, daß Gott einerseits als Schöpfer nichts im Selbstwiderspruch gegen die von ihm geschaffene Natur tut, andererseits offenkundig gegen den gewohnten Ablauf der Natur Wunder geschehen, wird von Thomas von Aquin aufgegriffen und durch eine Unterscheidung zwischen unveränderlicher prima causa und variablen secundae causae der Ordnung der Dinge einer neuen Lösung zugeführt. Da die Naturordnung als ordo secundarum causarum auf Gottes freier Willensentscheidung beruht und von ihm auch anders hätte eingerichtet werden können, kann Gott beliebig an ihr vorbei wirken, ohne in Widerspruch zu seiner eigenen Gerechtigkeit zu verfallen. Gott behielt sich bei der Schaffung der Naturordnung vor, zuweilen aus irgendwelchen Gründen auch gegen sie zu handeln (Summa Theologia I 105,6). Diese Prämisse, daß man Gott als Schöpfer mit großer Selbstverständlichkeit das Recht zugestand, nach Belieben mit seiner Welt zu verfahren und gegebenenfalls durch Wunder die von ihm eingerichtete Naturordnung zu durchbrechen, wurde erst in der Neuzeit im Zuge der Aufklärung und der zunehmenden Entwicklung der Naturwissenschaften radikal in Frage gestellt 2 . Als Vorreiter der rationalen Wunderkritik konstatierte Spinoza einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Wunderglauben und Vernunft. Es geschehe nichts gegen die Natur mit ihren unveränderlichen Gesetzen. Aus Gewohnheit oder aus bewußtem Widerspruch gegenüber den Naturwissenschaften wolle das gemeine Volk nichts von den natürlichen Ursachen der Dinge wissen und begehre nur solche Dinge zu hören, die es am wenigsten kennt und deshalb am meisten bewundern kann 3 . Speziell auf das Neue Testament bezogen machte H.S. Reimarus mit einer rein vernunftgeleiteten Betrachtung der Wunder ernst, indem er diese weitgehend als Blendwerk Jesu oder als Fiktion der Evangelienschreiber ansah 4 . Konsequent widerlegt wurden alle durch Reimarus provozierten rationalistischen wie supranaturalistischen Erklärungsversuche der Wunder dann durch D.F. Strauß. Die biblischen Wundertexte wollen ihrer Intention nach eindeutig von übernatürlichen Ereignissen berichten, die jedoch in Wirklichkeit nicht so geschehen sein können. Folglich handelt es sich um Mythen, die "nicht als Abdruck einer Tatsache, sondern als Niederschlag einer Idee" zu betrachten sind 5 . 2 3 4 s

Vgl. Keller/Keller, Streit um die Wunder 34ff.; Bron, Wunder 23ff. Spinoza, Theologisch-politischer Traktat llOff. Reimarus, Apologie 130-135.371-385.540-543. Strauß, Leben Jesu I 97.

Einleitung

15

Besondere Durchschlagskraft gewann die neutestamentliche Wunderkritik durch R. Bultmann. Dieser untermauerte nicht allein historisch-exegetisch die Beurteilung der neutestamentlichen Wundergeschichten als Mythen, indem er mit seiner formgeschichtlichen Betrachtungsweise maßgeblich zur Entdeckung unhistorischer Elemente in der synoptischen Erzählüberlieferung beitrug, sondern er erklärte zudem auch systematisch-theologisch durch eine strenge Unterscheidung zwischen Wunder und Mirakel die Frage nach der Geschichtlichkeit der von Jesus berichteten Wunder als für den christlichen Glauben gleichermaßen irrelevant wie unstatthaft. Selbst wenn die grundsätzlich als Mirakel zu betrachtenden Wunder Jesu ausnahmslos historisch gesichert wären, "so gilt doch, daß sie als Werke eines Menschen der Vergangenheit uns unmittelbar nichts angehen." Sie sind "restlos der Kritik preiszugeben, und es ist mit aller Schärfe zu betonen, daß schlechterdings kein Interesse für den christlichen Glauben besteht, die Möglichkeit oder Wirklichkeit der Wunder Jesu als Ereignisse der Vergangenheit nachzuweisen, daß im Gegenteil dies nur eine Verirrung wäre." 6 Als eigentliches, wirklich relevantes Wunder läßt Bultmann ausschließlich das in der eigenen Existenz sichtbar werdende Ereignis der Offenbarung von Gottes Gnade und Vergebung gegenüber dem Gottlosen gelten und knüpft dabei an die Position Luthers an. Dieser hatte im Vergleich mit dem einen Wunder, daß Jesus durch sein stellvertretendes Sterben Sünde wie Tod überwand und ewiges Leben brachte, allen anderen Wundern Jesu eine völlig untergeordnete Bedeutung beigemessen (WA 31 I, 412,20-34; WA 40 III, 665,29 - 666,3). Solche systematisch-theologische Wunderkritik blieb auch für die historisch-exegetische Betrachtung der neutestamentlichen Wundergeschichten nicht folgenlos 7 , indem sich dort das Interesse nunmehr verstärkt auf die kritische Relativierung des Wunderglaubens bei den Evangelisten richtete. Bultmann selber wandte sich unter diesem Aspekt in erster Linie dem Joh-Ev zu, wo den Wundern lediglich ein gebrochener symbolischer Hinweischarakter auf die Offenbarung Jesu

6 Bultmann, Zur Frage des Wunders 227. - Unter einem Mirakel versteht Bultmann ein dahingehend verengtes Wunder, daß man Gott nur noch als den übernatürlichen Verursacher des Wunders betrachtet, ohne das Ereignis als solches als Gottes Tat zu verstehen (aaO. 214). 7 Vgl. Friedrich, ThWNT III 713f., wo die reformatorische Lehre von der Priorität des Wortes die historisch-exegetische Betrachtung der Wundertaten Jesu leitet: "Die Wunder sind als σημεία verbum visibile ähnlich wie die Sakramente. Wie es ohne das Wort kein Sakrament gibt, so auch kein Wunder ohne den Prediger von Gottes Tat."

16

Einleitung

zukomme 8 . Die in der Bultmann-Schule entwickelte redaktionskritische Methode konzentrierte sich auf eine von der theologia crucis her vollzogene Relativierung der Wunderchristologie bei Mk und auf die von ekklesiologischen Interessen geleitete Bearbeitung der Wundergeschichten im Mt-Ev 9 . Geschichtlich zweifelt zwar niemand an Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen Jesu. Insgesamt glaubt man aber, sowohl unter historischen als auch unter systematisch-theologischen Gesichtspunkten den Wundertäter Jesus ohne gravierenden Substanzverlust preisgeben zu können, um ungetrübten Blick auf das wirklich Bedeutsame an der Person Jesu und ihrem Wirken zu gewinnen. An dieser Gesamteinschätzung hat auch die seit Mitte der 50er Jahre verstärkt wieder einsetzende Rückfrage nach dem historischen Jesus nur wenig geändert, zumal E. Käsemann 1954 in seiner diesbezüglich programmatischen Abhandlung forderte, "die Eigenart des irdischen Jesus in seiner Predigt zu erblicken und seine sonst erkennbaren Taten wie sein Geschick von dieser Predigt aus zu verstehen." 10 Den vereinzelten ntl Hinweisen auf Wundertaten im frühen Christentum war ohnehin schon immer eine gegenüber Predigt und Lehre untergeordnete Randbedeutung beigemessen worden. Recht unvermittelt in den Blickpunkt des Interesses rückte Jesus als Wundertäter erst wieder in der jüngeren Vergangenheit durch die auf unterschiedliche Art provokativen Jesusdarstellungen von M. Smith und E. Drewermann. M. Smith zeichnet Jesus als zwielichtigen Magier, der in Ägypten Zauberei erlernte, seine Anhänger in eine esoterische Taufe einwies und dessen gesamte Wirksamkeit bis hin zur Einsetzung eines sakramentalen Mahles maßgeblich von magischen Betätigungen geprägt war 11 . E. Drewermann hingegen setzt Jesus aufgrund seiner Wundertaten in einem uneingeschränkt positiven Sinne mit Schamanen oder Medizinmännern primitiver Stammeskulturen in Beziehung, die durch eine Wiederherstellung der Einheit von Körper und Seele physische wie psychische Gesundheit bewirken, und bricht dabei bewußt mit dem 8 Bultmann, Theologie 396f.; vgl. ders., Joh-Ev, passim. 9 Vgl. zu Mk die einschlägigen Monographien von K. Kertelge, D.A. Koch und L. Schenke, zu Mt bes. Held, Mt als Interpret 155ff. 10 Käsemann, Historischer Jesus 211, vgl. Delling, Botschaft und Wunder 393ff.; Kuhn, Enderwartung 110.197 mit Anm.2; Blank, Wunderberichte 120.126f.; Pesch, Taten 24f.l47f.; Mußner, Ipsissima Facta 184; Gnilka, Jesus 133.138. Nur vereinzelt (Nielsen, Heilung und Verkündigung 103-107; van der Loos, Miracles 280-286; Albrecht, Zeugnis 11-38; Twelftree, Jesus the Exorcist 166-171) wird den Wundern bei Jesus eine dem Wort gegenüber gleichberechtigte Bedeutung beigemessen. 11 M. Smith, Secret Gospel 220-237; ders., Jesus the Magician, passim.

Einleitung

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neuzeitlichen Wunderverständnis. Ein Heilungswunder stelle keine Durchbrechung oder Aufhebung bestimmter Naturgesetze dar, sondern sei im Gegenteil durch eine Integration des Kranken in die universelle Harmonie der Natur gekennzeichnet 12 . Während die Ausführungen von Smith latent von der Tendenz geprägt sind, Jesus als Goeten zu disqualifizieren und die Unsinnigkeit von Religion herauszustellen 13 , geht es Drewermann genau entgegengesetzt darum, durch eine Wiederentdeckung des Wundertäters Jesus den durch rein vernunftbetontes Denken verschütteten Kraftquell der christlichen Religion überhaupt wieder freizuschaufeln. Durch diese breitenwirksamen, bewußt populärwissenschaftlich gehaltenen Jesus entwürfe gewinnt die Rückfrage nach Wundertaten bei Jesus und im frühen Christentum über im engeren Sinne exegetischhistorische Interessen hinaus umfassendere Aktualität. Handelt es sich bei dem Begründer der christlichen Religion und seinen frühen Nachfolgern um Magier, die sich mit Esoterik, Gaukelei und Schauspielerei Geltung zu verschaffen suchten? Oder sind die Anfänge des Christentums maßgeblich von einem ganzheitlich orientierten Schamanismus Jesu und der Apostel geprägt, aus deren gleichermaßen auf Körper wie Seele bezogener Wundertätigkeit gegenwärtig die eigentliche Wirkkraft unverfälschter Religion wiederentdeckt und gegen Rationalismus wie Säkularismus zur Geltung gebracht werden kann? Diese und ähnliche Fragen sind bei unserem Versuch einer historischen Erhellung der Wunder bei Jesus und im frühen Christentum in jedem Falle mitzubedenken.

12 Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese II 43-309, bes. 114f. 13 Vgl. das Schlagwort der "unheilbaren Religiosität", mit dem Pls und Apollonius ("Both boys came down with incurable religiosity") vergleichend zu Jesus herangezogen werden (Jesus the Magician 84).

II. Der Stand der Forschung und die Aufgabe 1. Kontroversen über den historischen Wert der ntl Wundergeschichten Die Frage nach dem historischen Wert der Wundergeschichten zählt zu den umstrittensten Themen in der ntl Forschung der vergangenen drei Jahrhunderte. Die syn Logien mit Wunderthematik gelten im allgemeinen als recht zuverlässige Zeugen für Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen Jesu, lassen aber über deren nähere Begleitumstände weitgehend im Unklaren. Wer in dieser Hinsicht genauere Informationen sucht, ist zwangsläufig an die von vornherein aus der Perspektive dritter Personen formulierten und in ihrer geschichtlichen Glaubwürdigkeit aus unterschiedlichsten Gründen ungleich zweifelhafteren Erzähltraditionen verwiesen. Neben radikaler geschichtlicher Skepsis auf der einen und recht unkritischer Historisierung auf der anderen Seite findet sich in der Forschungsgeschichte eine Reihe ernstzunehmender Versuche, aus der ntl Erzählüberlieferung wenigstens in Ansätzen solche Informationen über den Wundertäter Jesus zu gewinnen, die über das Zeugnis der Jesuslogien hinausgehen.

1.1. Die Wunder Jesu als Betrug oder Fiktion (H.S. Reimarus) Den Auftakt einer historisch-kritischen Betrachtung der Wunder Jesu markiert H.S. Reimarus mit seiner "Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes". Dem bis dahin üblichen Fürwahrhalten sämtlicher ntl Wunderberichte und ihrer supranaturalistischen Interpretation begegnet Reimarus mit einer von der Vernunft geleiteten historischen Skepsis. Die Wunder des NT seien zwar nicht so "vollkommen widersinnig und übertrieben" wie die des AT, unterlägen aber als Berichte von Menschen, "welche alle Mängel und Fehler des menschlichen Verstandes und Willens an sich hatten", erheblichen Zweifeln1. Neben Leichtgläubigkeit, Wundersucht und mangelhafter Unterscheidung des Natürlichen vom Übernatürlichen sei dabei auch mit gezieltem Betrug zu rechnen, indem einzelne Personen sich als geheilt ausgaben oder indem Jesus unter Zuhilfenahme des volkstümlichen Aberglaubens so tat, als ob 1 Reimarus, Apologie 378.

Historischer Wert der ntl Wundergeschichten

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er Teufel austreibe (130-133.542f.). Nicht ohne Grund habe Jesus seine Wunder nur vor zusammengelaufenem Volk vollbracht, das die Wahrheit nicht zu untersuchen wußte. Sind die Wunder Jesu damit bereits an sich verdächtig, so verstärkt sich für Reimarus dieser Eindruck noch durch die zum Teil widersprüchlichen Angaben der Evangelisten, die ohnehin Jahrzehnte nach Jesu Tod ohne kritische Gegeninstanz zahlreiche Wunder "nur zur Unterstützung ihres neuerfundenen Systems" erdichtet hätten 2 .

1.2. Die rationalistische Erklärung der ntl Wundergeschichten (C.H. Venturini, H.E.G. Paulus) Von ähnlichen Voraussetzungen wie Reimarus, nämlich einer vernunftgeleiteten Betrachtung der Wunder her kamen die vom Rationalismus geprägten Leben-Jesu-Darstellungen 3 zu völlig anderen Ergebnissen. Die Wundergeschichten beruhen auf Tatsachen, die bei genauerem Hinsehen nichts Übernatürliches, der Vernunft Widersprechendes an sich haben. C.H. Venturini zufolge bleibt uns bei den ntl Wundergeschichten "das Recht einer freien und natuerlichen Erklaerung der ausserordentlichen Vorfaelle unbenommen." 4 Diese bestehe für die Heilungsberichte darin, daß Jesus als Arzt mit Reiseapotheke und chirurgischen Instrumenten (215) wirkte. Ein maßgeblicher Beweggrund hierfür sei darin zu sehen, daß der "edle Mensch" Jesus aus sittlichen Gründen das Volk nicht den Händen von Quacksalbern und Scharlatanen überlassen wollte (24f.). Zudem hätten ihm die wohltätigen Krankenheilungen "als Instructionsmittel seiner goettlichen Lehre" Bekanntheit verschafft (181). Dem "rohen und ungebildeten" jüdischen Volk freilich, "dessen ganze Arzeney-

2 Reimarus, Apologie 380, vgl. ebda. 134: "Woher sollen wir armen Leute nach 1700 Jahren überführt werden, daß die zweydeutigen (sc. Wunder) ihre Richtigkeit gehabt, und daß die übrigen, welche nicht so zweydeutig gewesen seyn würden wenn sie wirklich geschehen wären, von Jesu Jüngern aufrichtig niedergeschrieben worden, da sie bey 30 Jahre nach seinem Tode schrieben, wie niemand mehr war, der ihr Vorgeben wiederlegen konnte, oder der es einmal erfuhr und sich darum bekümmerte; zumal zu der Zeit alles in Judäa in der grösten Verwirrung und Unruhe war?" 3 Vgl. Schweitzer, Leben-Jesu-Forschung 69-105. Exemplarisch werden nachfolgend das volkstümliche Leben Jesu von C.H. Venturini und das wissenschaftliche Leben Jesu von H.E.G. Paulus dargestellt. 4 Venturini, Natuerliche Geschichte Bd. II 18. Sämtliche nachfolgenden Seitenangaben beziehen sich auf diesen Band.

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Wissenschaft auf kuemmerliche Behandlung einiger aeußerlichen Krankheiten ... beschraenkt war", mußten die medizinischen Praktiken Jesu wie ein Wunder vorkommen (14), und auch die biblischen Erzähler seien "bey aller Redlichkeit des Characters" nicht zur sachgemäßen Beschreibung des ärztlichen Wirkens Jesu fähig gewesen und hätten zur Wundersucht geneigt (34f.). Bei den Dämonenaustreibungen handelt es sich für Venturini um Zugeständnisse an den Aberglauben des Kranken. Nachdem dieser sich von Dämonen befreit fühlt, sind die Voraussetzungen für eine vernünftige Behandlung durch Arzneimittel (151.176f.) oder - wie im Falle von Mk 9,14-29parr - durch "eine geschickte chirurgische Operation" (219) gegeben. Personen, die sich nicht für besessen halten, werden rein medizinisch behandelt. Dem Gelähmten von Mk 3,1-6 beispielsweise verabreicht "der geschickte Arzt" Jesus eine kräftige Salbe auf die hingestreckte Hand (425). Auch bei den Totenerweckungen, in Wirklichkeit Wiederbelebungen Scheintoter, werden pharmakologische Mittel verwandt. Der Jairustochter bestreicht Jesus ebenso wie dem Jüngling von Nain Lk 7,11-17 (293) mit einer kräftigen Tinktur die Schläfe und tröpfelt ihr zudem stärkenden Balsam auf die Zunge (212). Kann an Krankenheilungen Jesu für Venturini kein Zweifel bestehen, so beruhen die Naturwunder für ihn auf Irrtümern oder Mißverständnissen 5 . H.E.G. Paulus will in seinem "Leben Jesu" von 1828 hinter das Urteil der biblischen Erzähler zu dem tatsächlichen Geschehen durchdringen. Auch für ihn resultieren die ntl Wunderberichte daraus, daß Ereignisse aus dem Leben Jesu ohne hinreichendes Wissen um die natürlichen Ursachen als Wunder berichtet werden. Von dieser Prämisse her ergibt sich für die Wunderheilungsberichte als Grundregel "Unterscheidet genau die reine Thatsache der Heilung, an deren Glaubwuerdigkeit kein Zweifel seyn kann, von den Urtheilen ueber die Ursache der Krankheit und ueber die besondere Art der Heilung!"6. Bei den Besessenen handelt es sich für Paulus durchweg um Nervenkranke, deren Heilung sich

5 Bei einem Sturm spricht Jesus als Wetterkundiger davon, daß dieser sich legen müsse. Als das tatsächlich geschieht, schreiben es die Jünger fälschlicherweise dem Wirken Jesu zu (167ff.). Bei der Speisung der 5000 hat keine wunderbare Vermehrung von Lebensmitteln stattgefunden, sondern Jesu Ermahnung zu Freigiebigkeit und Wohltätigkeit animierte die Reichen zum Teilen mit den Armen (493ff.). Der Seewandelbericht erklärt sich dadurch, daß die Jünger den am Ufer gehenden Jesus irrtümlicherweise auf dem Wasser wähnen (497f.). 6 Paulus, Leben Jesu I, Teil I 234. Die nachfolgenden Seitenangaben b e ziehen sich auf diesen Teil.

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Historischer W e r t der ntl Wundergeschichten

zwangsläufig vollziehen mußte, sobald in ihrer Einbildungskraft "die von Furcht und Hoffnung gemischte Voraussetzung, daß die Daimonen vor dem Messias nicht bestehen koennten, in Wirkung kam" (223). Die Begegnung mit Jesus habe zu einem gesteigerten Krankheitsausbruch (Paroxysmus) geführt, der die Genesung nach sich zog. Auch die Mehrheit der Krankenheilungen führt Paulus auf eine Nervenstärkung seitens Jesu zurück, sofern es sich nicht ohnehin wie im Falle der "Fernheilungen" und "Totenerweckungen" lediglich um ärztliche Prognose (201f.) oder Diagnostizierung fortdauernder Ohnmacht (246f.2B2) handelt. In der Erklärung der Naturwundererzählungen deckt sich Paulus fast uneingeschränkt mit Venturini7. Als maßgeblicher historischer Kern der ntl Wunderberichte verbleiben somit für Paulus rational erfaßbare Besessenen- und Krankenheilungen, in denen Jesus allerdings nur eine lästige wie zeitraubende Pflicht gesehen habe, die ihn vom "Hauptgeschäft des Lehrens" (277) abhielt. Die Heilungen werden Jesus abgenötigt. Um sie einzuschränken, belegt er Geheilte mit einem Schweigegebot, da sein "eigentlicher Zweck und Wunsch das Belehren war" (222).

1.3. Die ntl Wundergeschichten als unhistorische Mythen (D.F. Strauß) Ein bis heute wegweisender Meilenstein in der Erforschung der ntl Wundergeschichten sind die Ausführungen von D.F. Strauß, der sich im zweiten Teil seiner Leben-Jesu-Darstellung von 1835/36 über Jesus als Wundertäter äußert8 und dabei eine doppelte Zielsetzung verfolgt. In einem eher destruktiven Beweisverfahren wird zunächst für die Wundergeschichten jeder rationalistische Erklärungsversuch ad absurdum geführt und auf deren Charakter als völlig ungeschichtlicher Mythen geschlossen. An dieses negative Beweisverfahren schließt sich jeweils ein konstruktiver Arbeitsschritt an, der unter Heranziehung atl Traditionsmaterials das Zustandekommen des im NT gegebenen Bildes von Jesus als Wundertäter verständlich zu machen sucht. Strauß sieht in der für seine Darstellung gewählten thematischen Abfolge von Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen, Totenerweckungen und Naturwundern eine Klimax des zunehmend Wunderhaften wie rational immer weniger Erfaßbaren. Für die Dämonenaustreibungsberichte ließe sich der Natur der Sache nach noch annehmen, "daß Jesus man7 Vgl. etwa Paulus, aaO. 228-230 (Sturmstillung).349-360 5000 und Seewandel). 8 Strauß, Leben Jesu II 1-251.

(Speisung

der

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che an vermeintlich dämonischer Verrückung oder Nervenstörung leidende Personen auf psychische Weise durch die Übermacht seines Ansehens und Wortes geheilt habe" (49f.). Doch begegneten im NT schwerste und komplizierteste Fälle, namentlich wildeste Tobsucht und Zerrüttung des Nervensystems bis zu periodischer Epilepsie hin, auf welche eine psychologische Heilart gar keine Anwendung finden konnte. Noch schwerer sei eine bleibende Hilfe durch psychologische Einwirkung Jesu dort vorstellbar, wo sich in der Krankheit kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Geistigen zeige, nämlich bei Aussatz, Blindheit, Lähmung und dergleichen. Während hier aber wenigstens noch Ansatzpunkte für eine psychologische Wirkung Jesu gegeben seien, liege der Fall bei den Totenerweckungen völlig anders. "Der Gestorbene, dem mit dem Leben auch das Bewußtsein entflohen ist, hat den lezten Anknüpfungspunkt für die Einwirkung des Wunderthäters verloren, er nimmt ihn nicht mehr wahr, bekommt keinen Eindruck mehr von ihm, da ihm selbst die Fähigkeit, Eindrücke zu bekommen, aufs Neue verliehen werden muß. Diese aber zu verleihen, oder beleben im eigentlichen Sinn, ist eine schöpferische Thätigkeit, welche von einem Menschen ausgeübt zu denken, wir unsre Unfähigkeit bekennen müssen" (154). In noch höherem Maße gelten diese Vorbehalte gegenüber den Naturwundern, bei denen die "Undenkbarkeit einer unmittelbaren Einwirkung des Willens Jesu auf die vernunftlose Natur" (205) gegeben sei. Neben erheblichen Anleihen aus der Elia-Elisa-Tradition ist für Strauß eine messianisch-christologische Deutung von Jes 35,5f. für die Entstehung der ntl Wunderberichte verantwortlich, insbesondere was die Jesuserzählungen von Heilungen Blinder, Taubstummer und Gelähmter angehe (68.93). Auch die Totenerweckungsberichte resultierten aus messianischen Erwartungen, wobei ergänzend 1 Kön 17 und 2 Kön 4 geeignete Vorbilder geliefert hätten (171-173). Eine "mythische Deduktion" aus der Elia-Elisa-Tradition erfolgt zudem für den Aussätzigenheilungsbericht Mk 1,40-45 (57) und die Erzählungen von der wunderbaren Brotvermehrung (217-219). Trotz heftiger Polemik und vielfältiger Versuche, an einer rationalistischen Interpretation der ntl Wunderberichte festzuhalten oder sogar in deren supranaturalistische Deutung zurückzufallen, konnte sich die ntl Wissenschaft auf Dauer den von Strauß gewonnenen Forschungsergebnissen nicht entziehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jhdt. war die Betrachtung der ntl Wundergeschichten als ungeschichtlicher Mythen fest etabliert. Für die Frage nach dem geschichtlichen Jesus wird die Wunderüberlieferung zunehmend bedeutungslos, die Lehre und Verkündigung rücken uneingeschränkt in den Mittelpunkt des Interesses. "Mit

Historischer Wert der ntl Wundergeschichten

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Strauß beginnt die Periode der wunderlosen Betrachtung des Lebens Jesu." 9

1.4. Die Ableitung der ntl Wundererzählungen aus der hellenistischen Religionsgeschichte (M. Dibelius, R. Bultmann, G. Theißen) Während D.F. Strauß maßgeblich den atl Traditionseinfluß auf die ntl Wunderüberlieferung herausstellte, können R. Reitzenstein und 0 . Weinreich mit ihren Werken "Hellenistische Wundergeschichten" (1906) bzw. "Antike Heilungswunder" (1909) als Wegbereiter einer Betrachtung der ntl Wundererzählungen im Rahmen der hellenistischen Religionsgeschichte gelten, indem sie die griechisch-römischen Parallelen in den Mittelpunkt des Interesses rückten. Angesichts frappierender inhaltlicher wie struktureller Übereinstimmungen zwischen ntl und paganen Wundergeschichten lag es nahe, daß die Vertreter der klassischen Formgeschichte aus einem religionsgeschichtlichen Vergleich weitreichende Rückschlüsse auf eine Ungeschichtlichkeit der ntl Wunderberichte zogen. M. Dibelius veranschlagt für die Novellen, denen er die Mehrzahl der syn Wundergeschichten zurechnet, eine vielfältige Verwendung artfremder Motive bis hin zur Übernahme und Umbildung ganzer nichtchristlicher Geschichten 10 und zieht einen Analogieschluß von den Epidaurosinschriften auf die syn Wundertradition. Daß ältere, grundsätzlich glaubwürdige Epidaurostexte mit solchen Heilungsgeschichten kombiniert seien, in denen volkstümliche Novellistik ohne geschichtlichen Anlaß auf Asklepios übertragen wurde, habe in der syn Tradition in dem Nebeneinander der recht zuverlässigen Paradigmen und der "minder bodenständigen" Novellen mit ihren fremden Stoffen seine Entsprechung 11 . R. Bultmann gibt in seiner "Geschichte der synoptischen Tradition" eine umfassende Zusammenstellung der jüdischen wie hellenistischen Parallelen zu den syn Wundergeschichten. Das angeführte Material könne zwar in den seltensten Fällen als Quelle für bestimmte syn Wundergeschichten gelten, illustriere aber deren Atmosphäre und helfe, das Eindringen von Wundergeschichten in die Evangelientradition zu verstehen (253). Insbesondere die hellenistischen Befunde böten derart reiche Parallelen, "daß sich ein Vorurteil für die Entstehung der synoptischen Wundergeschichten auf hellenistischem Boden ergibt" (255). Letztlich zieht Bultmann mit Ausnahme von Mk 1,40-45 und einzelnen Naturwun9 Schweitzer, Leben-Jesu-Forschung 145. 10 Dibelius, Formgeschichte 97. 11 Ebda. 170-172.

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dertraditionen für fast alle syn Wundererzählungen hellenistischen, implizit auf Ungeschichtlichkeit hindeutenden Ursprung in Betracht. Zu ähnlichen Ergebnissen wie die klassische Formgeschichte kommt G. Theißen. Zwar will er keiner radikalen historischen Skepsis das Wort reden und sieht die urchristlichen Wundergeschichten durch den historischen Jesus provoziert. Aber im Rahmen der gattungsspezifischen Struktur der Wundergeschichten werde Jesus in neuem Licht gesehen, indem der eschatologische Rahmen seines Wunderwirkens völlig verblasse und gleichzeitig die Gestalt Jesu über alle Maßen hinaus wunderhaft gesteigert werde. Reflexe des Wunderwirkens Jesu sieht Theißen derart in ein vorgegebenes Erzählschema gepreßt, daß ihre unverwechselbaren historischen Aspekte völlig abgeschliffen werden. "Aus den Wundergeschichten ein prägnantes Bild des historischen Jesus rekonstruieren zu wollen, wäre so unsinnig, wie aus Apg 13,38f. die paulinische Rechtfertigung oder aus Mk 6,17ff. die Bußpredigt des Täufers rekonstruieren zu wollen." 12

1.5. Ntl Wundergeschichten als Missionsätiologien (G. Schille) Eine Weiterfuhrung der klassischen formgeschichtlichen Betrachtungsweise und der dort vorausgesetzten Annahme, die ntl Wundergeschichten verdankten ihre Entstehung oder Tradierung aktuellen Gemeindebedürfnissen, bietet G. Schille. Während in der Regel für die Mehrzahl der ntl Wundergeschichten missionarische Werbung als "Sitz im Leben" in Rechnung gestellt wird, betrachtet Schille diejenigen Berichte, die eine Ortsangabe enthalten, als Missionsätiologien mit Legitimationscharakter. Dabei sei zwischen Ortsgründungstraditionen und Gebietslegenden zu unterscheiden. Erstere (z.B. Mk 8,22-26) erwähnten einen bestimmten Ort aus dem Bedürfnis heraus, die dortige Gemeinde zu legitimieren. Berichtet hingegen die Überlieferung von einer Wundertat Jesu in einem bestimmten Gebiet (z.B. Mk 5,1-20), so solle dadurch die Missionierung einer ganzen Region gerechtfertigt werden 13 . Während Schille in seiner programmatischen Abhandlung über "Die Topographie des Markusevangeliums" die historische Frage noch bewußt 12 Theißen, Wundergeschichten 278. Vgl. auch Petzke, Historizität 381: "Man wird sicherlich dazu neigen, aufgrund der Typik der Wunderberichte (= formgeschichtliches Argument) und aufgrund der Erkenntnisse der Wissenschaften (= naturwissenschaftliches Argument) die größte Zahl der berichteten Wunder für unhistorisch zu halten ..." 13 Schille, Topographie des Mk-Ev 137ff.; ders., Anfänge der Kirche 64ff.; ders., Wundertradition 26f.

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offen hält (139), beantwortet er sie später negativ. In Anbetracht von Mk 3,22ff. sei zwar von einer exorzistischen Wirksamkeit Jesu auszugehen, doch böten die Wundergeschichten "als das gesammelte Gerücht vom Wundermann Jesus" lediglich den Reflex solchen Wirkens Jesu 1 4 . Schilles Konzeption steht oder fällt bereits mit der Zuverlässigkeit der in bewußter Abgrenzung zu den Untersuchungsergebnissen R. Bultmanns erhobenen Behauptung, sämtliche Orts- oder Gebietsangaben in ntl Wundergeschichten seien traditionell. Selbst wenn dies richtig sein sollte, bedarf die These von den Wundergeschichten als Missionsätiologien dahingehend einer Absicherung, ob die frühchristliche Mission überhaupt unter einem derart massiven Legitimationsdruck stand, wie Schille ihn geltend macht.

1.6. Wundererzählungen als Entfaltungen des Kerygmas (W. Schmithals) Zweifellos am weitesten in der historischen Kritik an den syn Wundererzählungen geht W. Schmithals, indem er diese nicht allein als sekundäre Entfaltungen des "abstrakten" Kerygmas in Erzählform betrachtet, sondern für sie sogar eine vorliterarische Traditionsgeschichte kategorisch in Abrede stellt 15 . Letzteres hängt eng mit der von Schmithals vorgebrachten grundsätzlichen Kritik an einer Anwendung der klassischen formgeschichtlichen Methodik auf die syn Erzähltradition zusammen. Schmithals befürwortet zwar eine Gattungseinteilung innerhalb der syn Wunderüberlieferung aufgrund bestimmter typischer Formmerkmale, wendet sich jedoch strikt gegen die fundamentale Einsicht von Dibelius und Bultmann, daß diese Formen in erkennbarem Zusammenhang mit einer sie produzierenden oder tradierenden Gemeinde stehen und folglich den Rückschluß auf einen bestimmten "Sitz im Leben" eröffnen 1 6 . Statt dessen rechnet Schmithals für die mk Wunder-

14 Schille, Wundertradition 23. i s Schmithals, Heilung des Epileptischen 232: "Die Apophthegmen und Wundergeschichten, die Markus überliefert, stellen ... primär nicht Reste mündlicher Uberlieferung dar, sondern sind theologische Kunstprodukte, die von Anfang an literarisch konzipiert wurden ... " Noch deutlicher ders., Kritik der Formkritik 174: "Eine mündliche Überlieferungsschicht, das Fundament aller formgeschichtlichen Arbeit, läßt sich für das synoptische Erzählgut nicht nachweisen; alles spricht vielmehr dafür, daß es diese Schicht nachweislich nicht gegeben hat." - Die Wundergeschichten des lk Sondergutes hält Schmithals, sofern er sie nicht wie Lk 5,1-11 zur Grundschrift des MkEv rechnet, für durchweg redaktionell, vgl. ders., Lk-Ev 92.152.157.174f. 16 Schmithals, Kritik der Formkritik 164ff.

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tradition an Stelle mündlich überliefernder und schöpferisch tätiger Gemeinden mit einem theologischen Lehrer 1 7 , der von vornherein literarisch das Bekenntnis der Christenheit narrativ entfaltete, wobei jede einzelne der von ihm hervorgebrachten Wundergeschichten eine "Dogmatik in nuce" 1 8 darstelle. Die praktische Durchführung dieser Programmatik läßt sich plastisch anhand des Mk-Kommentars von Schmithals verfolgen. Die von ihm postulierte Grundschrift des Mk-Ev ist mit ihren Wundergeschichten und anderen Jesusstoffen das literarische Werk eines Paulus oder Johannes in nichts nachstehenden Theologen, der das Christusbekenntnis oder die Evangeliumsverkündigung seiner Gemeinde nunmehr in Erzählform fasse, ohne dabei von historischen Interessen geleitet zu sein 1 9 . Grundsätzliche Zweifel sind an der Bestreitung jeglicher mündlichen Erzähltradition durch Schmithals und an den reklamierten, vielfach recht konstruiert wirkenden Bezügen zu bestimmten Theologumena der PlsBriefe anzumelden. Zudem entzöge bereits die Einsicht in ein sukzessives Wachstum einzelner mk Wundergeschichten der Annahme den Boden, diese seien sämtlich von ein- und demselben Theologen, und zwar von vornherein schriftlich verfaßt worden.

1.7. Jüdischer Traditionshintergrund als Indiz für Historizität ( 0 . Betz, B. Blackburn u.a.) Die von den Vertretern der religionsgeschichtlichen Schule als maßgeblicher Traditionshintergrund für die ntl Wundergeschichten reklamierte hellenistische θειος άνήρ-Konzeption stößt nicht zuletzt wegen ihres Implikats, daß für die Mehrzahl der ntl Wundergeschichten von einer missionspropagandistisch motivierten Entstehung im griechischsprachigen Christentum ohne unmittelbaren Anhalt an irgendwelchen Taten Jesu auszugehen sei, immer wieder auf Kritik. Meist wird dabei

17 Ders., Heilung des Epileptischen 233. 18 Ders., Wunder und Glaube 54. 19 M k - E v I 4 4 f . Das Befehlswort εγείρε in dem Sabbatheilungsbericht Mk 3,1-6 beispielsweise kündige als "österlicher Ruf J e s u " im pln Sinne die eschatologische Freiheit vom G e s e t z (Gal 5,1.13) an ( M k - E v I 198). Der Besessenenheilung von 5,1-20 liege ein Schema zugrunde, das sich bereits Rom 7,24 ("Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn") findet ( M k - E v I 281). M k 8,22-26 zeige, daß Gott den in totaler geistlicher Blindheit gefangenen Sünder, dem sowohl Selbst- als auch Gotteserkenntnis fehlt, weiterhin "erkennt" ( G a l 4,9; 1 Kor 13,12) und ihn erlöst ( M k - E v I 376).

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entweder die Existenz einer θειος άυήρ-Konzeption für die Antike überhaupt bestritten, oder man glaubt, unter einseitiger Beanspruchung eines atl-jüdischen Traditionshintergrunds für die ntl Wundergeschichten deren hellenistische Parallelen von vornherein vernachlässigen zu können. 0. Betz weist darauf hin, daß der Begriff θειος άυήρ in der griechischen Literatur relativ selten begegnet, und meldet Zweifel an einer festgeprägten antiken θειος άνήρ-Konzeption an. Speziell für Mk 4,35-41 und 5,1-20 konstatiert Betz eine Reihe motivgeschichtlicher Bezüge auf das AT und fällt auf dieser Basis ein die gesamte syn-joh Wunderüberlieferung betreffendes Pauschalurteil: "In general, the Old Testament and the milieu of Jewish exegesis help to explain best the miracles in the gospels." 20 W. Grimm interpretiert sämtliche syn Wundererzählungen auf einem atl Traditionshintergrund, ohne daß eine differenzierte Wahrnehmung hellenistischer Parallelen auch nur in Ansätzen erkennbar wäre. Angesichts der behaupteten Bezüge zwischen Jesu Heilungen und der atl Wunderüberlieferung "erübrigt sich eine detaillierte Bestandsaufnahme der in die synoptischen Heilungsberichte eingedrungenen Stilelemente antiker - außeralttestamentlicher - Wundergeschichten" 21 , die unter diesem Aspekt "einfach irrelevant" seien. Auch R. Glöckner vermutet, "daß die neutestamentlichen Wundergeschichten mehr von alttestamentlicher Frömmigkeit geprägt sind, als daß hellenistische Religiosität in ihnen zu Wort kommt." 22 Er untersucht vier Wunderberichte (Mk 4,35-41; 5,1-20; Lk 13,10-17; 17,11-19) auf Motivberührungen mit den atl Psalmen hin und erhofft sich davon, "die Glaubwürdigkeit der Jesus-Erzählungen insofern zu stützen, als sie wieder näher an ein genuin biblisches Entstehungsmilieu herangebracht werden und damit von dem Verdacht freikommen, Produkte hellenistisch-heidnischer Religionspropaganda zu sein" (23). Die unmittelbaren historischen Ergebnisse bleiben allerdings hinter dieser Programmatik deutlich zurück, indem im wesentlichen einige angeblich unableitbarindividuelle Topoi als Indiz für die Historizität einzelner Wundergeschichten gelten (167).

20 O. Betz, Divine Man 283. Vgl. bereits Fiebig, Jüd. Wundergeschichten 69-98. 21 B e t z / G r i m m , W e s e n und Wirklichkeit der Wunder Jesu 53. Das Werk ist allein von Grimm verfaßt, vgl. Vorwort V. Ein unfreiwilliges Eingeständnis der reichlich konstruierten atl Schriftbezüge aaO. 37: "Man mußte die Schrift schon gut kennen, um auf den 'Grund' von Jesu Handeln und Verkündigen durch die erzählten 'Phänomene' durch-zu-schauen und durch-zu-hören." 22 Glöckner, Ntl Wundergeschichten 13; vgl. ders., Bibl. Glaube 51-73.

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Β. Blackburn, der auch das hellenistische Material in voller Breite zur Kenntnis nimmt, macht auf vielfältige atl-jüdische Motivparallelen zum mk Jesusbild, wie es sich in der Wunderüberlieferung darstellt, aufmerksam 2 3 . Dabei versucht Blackburn, die Entstehung der mk Wundergeschichten als eine rein innerchristliche, und zwar bereits im Aramäisch sprechenden Judenchristentum Palästinas vollzogene Entfaltung des Theologumenon von Jesus als wunderwirkendem Messias zu begreifen (233-262). Schlußfolgerungen in bezug auf die Geschichtlichkeit der mk Wundergeschichten gegenüber bleibt er zwar zurückhaltend (10.264), sieht aber durch seine Untersuchungsergebnisse die theoretische Möglichkeit hierfür fundiert.

1.8. Ipsissima facta Jesu (F. Mußner) F. Mußner greift das durch J. Jeremias geprägte Schlagwort von der ipsissima vox Jesu auf und überträgt es auf die syn Erzählüberlieferung, indem er von ipsissima facta Jesu spricht. Es handelt sich dabei um "Taten, die für ihn bezeichnend sind und die nur er gewirkt haben kann." 24 Entscheidender methodischer Schritt zur Ermittlung solcher authentischen Jesusüberlieferung ist das Differenzkriterium, konkret eine antipharisäische Front einzelner syn Wunderüberlieferungen, wie sie Mußner exemplarisch an dem Aussätzigenheilungsbericht Mk 1,40-45 nachzuweisen sucht. Jesu Verhalten dort komme eine "deutlich antirabbinische Bedeutung" zu, da er entgegen jüdischen Reinheitsvorschriften den Aussätzigen nicht als von Gott gestraften Sünder betrachte und von daher den Kontakt mit ihm meide, sondern durch das Berühren Gemeinschaft mit ihm stifte. Hier liege nicht eine "analoge" Situation im Sinne der Religionsgeschichte vor, sondern die einmalige, unwiederholbare Situation Jesu, der gegen die "frommen" Anschauungen der geistlichen Führer Israels das wahre Wesen der Gottesherrschaft sichtbar mache. Fragwürdig sind bereits die von Mußner reklamierte "antipharisäische Front" einzelner syn Wundergeschichten und die problembehaftete Anwendung des Differenzkriteriums auf die Erzählüberlieferung. Zusätzlich büßt diese Konzeption dadurch an Überzeugungskraft ein, daß Mußner sich in einem späteren Beitrag programmatisch gegen eine

23 Blackburn, Theios Aner 97-232. Vgl. meine Besprechung in ThLZ. 24 Mußner, Wunder Jesu 33, zum Ganzen 3 3 - 4 4 . Den Begriff ipsissima facta Jesu hat Mußner nach eigenem Bekunden von J.B. Bauer aufgegriffen.

Historischer Wert der ntl Wundergeschichten

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maßgebliche Einbeziehung literar-, traditions- und formkritischer Aspekte in die historische Urteilsfindung wendet 2 5 . Gerade der Verzicht auf traditionsgeschichtliche Erwägungen könnte sich aber spätestens bei Mußners Annahme, sämtliche syn Sabbatheilungsberichte wiesen eine antipharisäische Tendenz auf und seien folglich als ipsissima facta Jesu zu betrachten 2 6 , rächen, wenn hier ein sekundäres Eindringen der Sabbatthematik gegeben sein sollte.

1.9. Atopische Motive als historisch zuverlässige Angaben (J. Jeremias, J. Roloff, R. Pesch) Vielfach werden solche Motive der ntl Wundergeschichten für historisch gehalten, die weder als Einfluß hellenistischer Wundertradition noch als Reflex nachösterlicher Gemeindeinteressen erklärbar seien. J. Jeremias sieht in Wundergeschichten wie Mk 8,22-26 oder Lk 7,11-17 sekundäre Bildungen, da sie der Form und dem Aufbau nach im wesentlichen hellenistischen Parallelen entsprächen. Das Fehlen stilgemäßer Topik, beispielsweise in der Bartimäusgeschichte Mk 10,46-52, sei hingegen Indiz für Herkunft aus einer älteren palästinischen Überlieferungss chicht 2 7 . J. Roloff wendet sich gegen das Axiom der Formgeschichte, die syn Wundererzählungen seien weitgehend nachösterlichen Gemeindebedürfnissen entsprungen und das frühe Christentum habe dabei in erheblichem Maße seine eigene Wunderpraxis in die Jesusdarstellung einfließen lassen. Demgegenüber beobachtet Roloff in Mk 9,14-29, daß "die Entfaltung des Handelns Jesu in eine andere Richtung geht als die Anweisung für das Handeln der Jünger."28 Diese Diastase zwischen nachösterlicher Situation und dem, was über die Wunder Jesu berichtet wird, sieht Roloff in besonderer Weise im πίστις-Motiv der syn Wundergeschichten

25 Mußner, Ipsissima facta Jesu 180: "Aber ob markinisch oder vormarkinisch, ist für unsere Fragestellung (ipsissima facta Jesu) gänzlich ohne Belang. Das Entscheidende ist vielmehr dies, ob Mk oder sein Gewährsmann überhaupt etwas erzählt, was im Leben Jesu vorgekommen ist ... " - "Wenn ein Erzähler traditionelle Topoi und Termini benutzt, ist daraus noch lange nicht der Schluß zu ziehen, daß das von ihm Erzählte nicht wirklich G e s c h e henes im Auge hat. Es war ein Grundfehler der bisherigen Handhabung der Formgeschichte, aus formgeschichtlichen Beobachtungen Schlüsse auf Historizität bzw. Nichthistorizität zu ziehen." 26 Mußner, Wunder Jesu 42f. 27 Jeremias, Theologie I 9 2 - 9 4 . 28 Roloff, Kerygma 152.

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gegeben. In den auf nachösterliche Machttaten bezogenen Traditionen des NT erscheine das πίστις-Motiv entweder überhaupt nicht oder in grundsätzlich anderer Ausrichtung als in den syn Wundergeschichten. Folglich handele es sich hier nicht um Rückprojektion nachösterlicher Gegebenheiten in die Darstellung der irdischen Wirksamkeit Jesu, sondern um ein historisches Motiv. Mit dem Ineinander von Wunder und Glaubensangebot liege ein für das Erdenwirken Jesu charakteristischer Zug vor, "der von der überliefernden Gemeinde als solcher erkannt und bewußt bewahrt ... worden ist." 2 9 R. Pesch vertritt in seinem Mk-Kommentar die Auffassung, in den ntl Wunderberichten könne bei solchen Angaben von historischer Glaubwürdigkeit ausgegangen werden, die traditionsgeschichtlich nicht anderweitig ableitbar seien oder sich unter formgeschichtlichen Aspekten als für Wunderberichte atypische Elemente erwiesen. Wunderstoffe wie Mk 1,40-45 und alle Naturwundererzählungen gelten aufgrund ihrer stilgemäßen Züge wie ihrer Nähe zur atl Tradition als völlig ungeschichtlich. Besonderes historisches Zutrauen genießen hingegen neben Mk 1,29-31 auch die Jairus- und die Bartimäusgeschichte, da in allen drei Fällen mit der Namensnennung ein biographisches Detail vorliege 30 . Auch für Erzählungen wie Mk 1,21-28; 2,1-12 und 8,22-26 sei wegen ihrer konkreten Lokalisierung mit einem historischen Kern zu rechnen 31 . Darüber hinaus macht Pesch Alters- und Berufsangaben (Mk 5,22.42), die Erwähnung besonderer Heilpraktiken (Mk 8,22-26) oder eine detaillierte Schilderung des Krankheitsbildes (Mk 9,14-29) als unverwechselbare, geschichtlich glaubwürdige Züge geltend 3 2 .

1.10. Heilungswundererzählungen als Selbstberichte der Betroffenen (D. Zeller) D. Zeller geht von der Beobachtung aus, daß der atl Brauch, wunderbare Rettung kultisch als Tat Gottes zu bekennen und Dank abzustatten, auch in einigen ntl Heilungswunderberichten begegnet (vgl. Mk 1,45; 5,20; Lk 17,15f.). Er rechnet daher mit der Möglichkeit, daß von Jesus geheilte fromme Juden tatsächlich auf solche Art und Weise ihrem Dank Ausdruck verliehen und das ihnen widerfahrene Geschehen als Wundergeschichte in Umlauf setzten. "Wenn der Geheilte Gott lobt, dem Wun29 30 31 32

Ebda. 204, vgl. ders., Neues Testament 85. Pesch, M k - E v I 131.312; Mk-Ev II 170. Ders., M k - E v I 125.157.420. Ders., M k - E v I 312.420; Mk-Ev II 95.

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dertäter dankt und selbst das Erlebte weitersagt, kann doch die Vermutung aufkommen, daß das Bekenntnis des Betroffenen der erste Sitz im Leben für die Wundergeschichten war." In gewisser Analogie zu den Gegebenheiten an den Inkubationsheilstätten von Epidauros und Lebena "wären diese Geschichten zwar nicht am Tempel, aber in den Ortsgemeinden von interessierten Funktionären zusammengetragen, dabei in die 3.Person und in stereotype Form umgegossen worden" 33 .

2. Bilder von Jesus als Wundertäter Trotz einer erheblichen historischen Skepsis gegenüber den ntl Wundergeschichten, wie sie oben erkennbar wurde und sich indirekt auch im Fehlen einer eigenständigen Abhandlung der Wundertaten in breitenwirksamen Jesusbüchern widerspiegelt1, hat sich in der Forschung eine Reihe unterschiedlicher Bilder von Jesus als Wundertäter etabliert. Dabei steht das Bemühen im Vordergrund, die Wunder Jesu von vergleichbaren antiken oder auch neuzeitlichen Phänomenen her begreiflich zu machen. Wenn nachfolgend unterschiedliche Konzeptionen von Jesus als Wundertäter systematisiert und in ein Grobraster eingeordnet werden, sind die Grenzen zwischen den dafür gewählten Kategorien fließend und Überschneidungen unvermeidlich.

2.1. Jesus als Wunderprophet (R. Meyer, E.P. Sanders, P.W. Barnett u.a.) Nach wie vor recht populär ist der Versuch, die von Jesus überlieferten Machttaten im Kontext eines Wunderprophetentums zu betrachten, wie es für das AT und das antike Judentum belegt ist 2 . J. Klausner zufolge nahm Jesus die Stelle Johannes des Täufers ein, der seinerseits

33 Zeller, Wunder und Bekenntnis 211.221. l Bultmann, Jesus 118ff., und Braun, Jesus 36-39, erwähnen die Wunder Jesu eher beiläufig; Bornkamm, Jesus 114-117, handelt sie unter dem Stichwort "Glaube und Gebet" ab. Völlig unter den Tisch fällt der Wundertäter Jesus dort, wo man eine angeblich noch keine Wunderüberlieferung aufweisende älteste Form von Q als geschichtlich zuverlässigste Jesusquelle ausgibt und den historischen Jesus als kynischen Weisheitslehrer porträtiert (Mack, The Lost Gospel 71ff.). 2 In der Dogmatik wurde die Betrachtung der Wunder Jesu im Kontext eines prophetischen Selbstbewußtseins dadurch etabliert, daß sie unter dem munus propheticum Christi abgehandelt werden, vgl. bes. Schleiermacher, Der christliche Glaube (1831 2 ) § 103, dazu Ohst, Jesu Wunder als Thema der Dogmatik Schleiermachers 236ff.

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für Elia gehalten wurde. Folglich mußte Jesus die Wunder von Elia und dessen Schüler Elisa nachahmen oder besser noch übertreffen, um Einfluß als Prophet zu gewinnen 3 . Auch für R. Meyer steht außer Frage, daß Jesus sich als Prophet dazu berufen sah, die Herrschaft Gottes heraufzuführen 4 . Im Rahmen dieses prophetischen Bewußtseins mit präsentischen Heilsbezügen habe Jesus "in seinen und auch seiner Jünger Taten Siege über die Welt des Satans, damit aber zugleich den Anbruch der Endzeit, in der die widergöttlichen Geistermächte gebunden sein würden", gesehen 5 . W. Grimm kommt unter Berufung auf Mt ll,5par und die von ihm ohne jede historische Skepsis betrachteten syn Heilungswundererzählungen zu dem Urteil, Jesus verstehe "seine wunderbare Heilstätigkeit sowohl als Erfüllung der Prophetie Jesajas als auch in gewisser Analogie zu Elias und Elisas Wundern." 6 U.B. Müller macht nachhaltig auf prophetische Strukturen der Verkündigung Jesu aufmerksam und geht dabei am Rande auch auf Wunderaspekte ein. Das Logion vom Satanssturz Lk 10,18 markiere als prophetische Berufungsvision den Auftakt des selbständigen Auftretens Jesu 7 , wobei die dortige Entmachtung des Satan die Voraussetzung darstelle, aufgrund derer die Durchsetzung der Gottesherrschaft auf Erden in Jesu Dämonenaustreibungen (Lk ll,20par) möglich sei. Ähnlich kommt E.P. Sanders von der Verkündigung und Lehre Jesu her zu der Überzeugung, daß es sich bei Jesus um einen eschatologischen Propheten handelte, und sieht die für sich nicht aussagekräftigen Wundertaten damit kompatibel. Zugleich rückt Sanders Jesus in die Nähe der jüdischen Zeichenpropheten des Uhdt.n.Chr., von denen ihn sowohl R. Meyer als auch U.B. Müller unter Verweis auf die Zeichenverweigerung Mt 8,12parr scharf abgegrenzt hatten. "I am inclined to put him (sc. Jesus) closer to Theudas than to Honi or to the magicians of the PGM, but that is because there is other evidence which leads us to think of Jesus as an eschatological prophet, not because the miracles make him one." 8 P.W. Barnett bemüht sich demgegenüber gerade unter Berufung auf die Wunder um den Nachweis enger Bindungen zwischen Jesus und den Zeichenpropheten, wie sie bereits von der zelotischen Jesusinterpreta-

3 Klausner, Jesus von Nazareth 364f.371. Vgl. auch Bornhäuser, Wirken des Christus 51-61. 4 Meyer, Der Prophet aus Galiläa 132. 5 Ebda. 126. 6 B e t z / G r i m m , W e s e n und Wirklichkeit 31, vgl. die Einzelnachweise aaO. 32-53. 7 Müller, Vision und Botschaft 417-429. 8 Sanders, Jesus and Judaism 172.

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tion massiv postuliert worden waren 9 . Es bestehe ein mit Jesus einsetzendes common pattern prophetischer Figuren, die an einem symbolträchtigen Ort vor einer großen Volksmenge ein Zeichen zu wirken suchten 10 . Barnett verweist diesbezüglich bei Jesus ausdrücklich auf die Speisung der 5000. R.A. Horsley und J.S. Hanson, die für das ntl Zeitalter zwischen jüdischen "oracular prophets" und "action prophets" unterscheiden, ordnen Jesus zwar eher der erstgenannten Bewegung zu, sehen aber in der von Urzeit-Endzeit-Entsprechungen ("as it was in the days of old ... so now will it be ... ) geprägten Verkündigung Jesu Berührungen mit der action prophecy der Zeichenpropheten 11 .

2.2. Jesus als Arzt (A. von Harnack, S. Eitrem) Auf dem Hintergrund, daß sich "kaum ein Bild ... der urchristlichen Überlieferung so tief eingeprägt (hat), wie das von Jesus als dem großen Wunderarzt" 12 , ist es verständlich, wenn des öfteren ärztlich-helfende oder philanthropische Motive als entscheidender Beweggrund für Jesu Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen angesehen werden und man mit der Anwendung medizinischer Praktiken durch Jesus rechnet. Breitenwirksam etabliert wurde dieses Bild durch C.H. Venturinis volkstümliches Leben Jesu, demzufolge Jesus mit Reiseapotheke und chirurgischen Instrumenten durch Palästina zog 13 . Neben den eigentlichen Wunderheilungserzählungen wird auch den Jesuslogien Mk 2,17 ("Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken") und Lk 4,23 ("Arzt, heile dich selbst") ein maßgeblicher Stellenwert beigemessen. So ist Jesus nach Auffassung von A. von Harnack als Arzt in die Mitte seines Volkes getreten (Mk 2,17), zog Scharen von Kranken an sich und hatte "nur den Trieb, zu helfen" 14 . Vor keiner Seelenkrankheit sei Jesus zurückgeschreckt, und keine Leibeskrankheit sei ihm zu ekelhaft gewe-

9 Vgl. etwa Eisler, ΙΗΣΟΤΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ II 249f. 10 Barnett, Jewish Sign Prophets, bes. 689ff. Vgl. auch Aune, Magic 1528f.1539, der ebenfalls Berührungen zwischen Jesus und den jüdischen Zeichenpropheten des l.Jhdt.n.Chr. sieht und die Wunder Jesu im Kontext messianisch-prophetischer Ansprüche betrachtet. 11 Horsley/Hanson, Bandits, Prophets and Messiahs 257: "some of the sayings of Jesus are similiar in their typological pattern to the actions of the prophetic movements." 12 Oepke, ThWNT II 204. Vgl. auch Dumeige, Le Christ medecin 115ff.; Fichtner, Christus als Arzt Iff. 13 Venturini, Natuerliche Geschichte II 215, näheres oben 19f. 14 von Harnack, Mission und Ausbreitung I 129.

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sen. "In dieser Welt von Jammer, Elend, Schmutz und Verworfenheit, die ihn täglich umgibt, bleibt er lebendig, rein und immer tätig." 15 S. Eitrem vertritt die Auffassung, Jesus habe sich bereits vor seinem Bekanntwerden mit der Täuferbewegung als Wunderheiler mit volkstümlichen medizinischen Praktiken einen Namen gemacht, und Logien wie Mk 2,17 und Lk 4,23 reflektierten diese "vorjohanneische Praxis". Die Taufe durch Johannes markiere dann den entscheidenden Wendepunkt, indem Jesus kraft des Geistbesitzes mit der "radikalen prophetischen Vertreibung der Dämonen" nunmehr ohne besondere Techniken, sondern allein durch das Wort begonnen habe 16 . Daß den Evangelien zufolge auch nach der Taufe Jesu noch Heilungen mit volkstümlich-medizinischen Praktiken wie Handauflegung oder Speichelanwendung erfolgten, erklärt Eitrem als einen durch besondere Umstände bedingten Rückfall in die vor der Begegnung mit dem Täufer liegende Phase von Jesu "medizinischem" Wunderwirken. In Momenten der Schwachheit habe Jesus, zumal bei Ablehnung, keinen spirituellen Kontakt mit dem Volk herstellen können und sei dann nicht zu rein wortgewirkten Wundertaten fähig gewesen, sondern habe sich der Handauflegung als Heiltechnik bedienen müssen (Mk 6,2) 17 . Im Gebiet von Tyros und Sidon sowie in der Dekapolis (vgl. Mk 7,31-37) habe man ihm zudem nicht den Glauben an die Macht Gottes als entscheidende Voraussetzung für die ausschließlich durch das Wort zustandekommenden Heilungen entgegengebracht. Daß hier nicht allein die Wunderberichte selbst, sondern auch die hochgradig redaktionelle Stoffanordnung in den Evangelien unkritisch historisiert und zudem mit der unbeweisbaren Hypothese einer der Johannestaufe vorangehenden medizinischen Heiltätigkeit Jesu überfrachtet wird, läßt Eitrems Konzeption von vornherein als wenig plausibel erscheinen. Nachzugehen ist allerdings der Frage, wie sich die medizinisch-pharmakologischen Techniken in einzelnen syn-joh Wundererzählungen erklären und ob Jesu Wunderwirksamkeit mit im weitesten Sinne ärztlichen Maßstäben sachgerecht erfaßt werden kann.

2.3. Jesus als pneumatisch begabter Theios Aner (H. Windisch, L. Bieler) Während man in der Gegenwart die ntl Wunderüberlieferung eher von nachösterlichen θειος άυήρ-Vorstellungen geprägt sieht, suchten H. Windisch und L. Bieler bereits Jesus selber als wunderwirkenden θείος 15 Ebda. 130. 16 Eitrem, Notes 12f.64. 17 Ebda. 65f.

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άνήρ oder θειος άνθρωπος zu begreifen, wie er im Hellenismus in erster Linie durch Apollonius von Tyana repräsentiert wird. H. Windisch zufolge wußte sich Jesus seit seiner Taufe als Pneumatiker mit prophetisch-messianischen Zügen, für den sogar häufigere ekstatische Zustände und Äußerungen wahrscheinlich seien. Speziell Jesu "exorcistische und medizinische Taten" seien durch die ihm zugeschriebene εξουσία (Mk 1,22) wie durch den Begriff δύναμις (u.a. Mk 6,2; Mt ll,21.23par) als pneumatisch gewirkte Krafttaten ausgewiesen 18 . Nicht zuletzt aufgrund dieser göttlichen Wunderkräfte rechnet Windisch Jesus den θεΐοι άνθρωποι der griechisch-römischen Antike zu 1 9 , wie er dies auch mit den Gottesmännern des AT und mit Paulus tut. Ein gewisses Proprium gegenüber den hellenistischen θεΐοι άνθρωποι, das Jesus freilich mit Paulus teile, sieht Windisch in einer deutlichen Überlegenheit an Gotteskraft und Gottesweisheit. Von den θεΐοι άνθρωποι des AT, namentlich Mose und den Propheten, hebe sich der Prophet und Wundertäter Jesus hingegen durch seine Kreuzigung und Verherrlichung ab 2 0 . Auch L. Bieler ordnet Jesus dem Typus des antiken θειος άνήρ, einem sich durch besondere Taten auszeichnenden religiösen Helden, zu. Er grenzt dabei die Wunder der θεΐοι άνδρες wegen eines in ihnen manifesten unmittelbaren Ausflusses göttlicher Kraft scharf von Magie und Goetie ab 21 . Vom äußeren Erscheinungsbild her sieht Bieler offenkundig keine nennenswerten Unterschiede zwischen Jesus und anderen θεΐοι άνδρες. Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist vielmehr der jeweilige Geist, der die Gestalten beseelt. "In ihren letzten Tiefen kann die einzigartige Persönlichkeit Jesu nur aus sich selbst erklärt werden ...; daß die besondere Art ihrer Formung dem homo religiosus der Zeit entspricht, ist durchaus natürlich: das Bild des θ. ά. (sc. θειος άνήρ) ist eben die feste Form, in die der jeweils neue Gehalt einer göttlichen Botschaft eingeschlossen wird, in der er sichtbare Gestalt annimmt" (149). Und: "... der gläubige Christ darf freilich noch einen Schritt weiter gehen: für ihn ist Christus als Gottessohn Realität, der θ. ά. aber die gegebene Lebensform, deren sich der Verkünder der göttlichen Offenbarung in seiner Zeit und Kultur bedienen konnte" (150).

18 Windisch, Jesus und der Geist 224-236. 19 Windisch, Paulus und Christus 8 7 - 8 9 ; ders., Paulus und Jesus 464f. Wesentliches Interesse von Windisch ist es dabei, entgegen der von W . W r e de behaupteten völligen Diskontinuität zwischen Jesus und Paulus die Gleichartigkeit beider Gestalten, u.a. als θείοι άνθρωποι, herauszustellen. Vgl. auch Prümm, Christusdeutung von H. Windisch 22-54. 20 Windisch, Paulus und Christus 8 8 . 9 7 21 Bieler, ΘΕΙΟΣ ΑΝΗΡ I 83-87.141.

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In jüngerer Vergangenheit hat sich G. Petzke in modifizierter Form um eine weitreichende Parallelisierung von Jesus und Apollonius von Tyana bemüht. Beide Personen seien sekundär in der Traditionsbildung mit ähnlichen Hoheitstiteln belegt und als Gottmenschen verehrt worden, wobei sie diesen Prozeß durch die Art ihres sich in Grundzügen entsprechenden Auftretens in Gang gesetzt hätten 2 2 .

2.4. Jesus als Magier (0. Böcher, M. Smith, J.D. Crossan) Bereits in der antiken Jesuspolemik wurden die Wunder Jesu vielfach auf Magie zurückgeführt. Hauptvertreter einer neuzeitlichen Betrachtung Jesu als Magiers sind 0. Böcher, M. Smith und J.D. Crossan. 0 . Böcher sucht den Nachweis zu erbringen, daß im NT trotz Umdeutung und Protest ein unbefangenes Festhalten an den dämonischen Vorstellungen der Antike vorliege, und bezieht den historischen Jesus in diese Sehweise mit ein. Wie bereits das Schlagwort "Christus Exorcista" programmatisch andeutet, entwirft Böcher skizzenhaft ein recht geschlossenes Bild von Jesus als magisch begabtem Exorzisten, dessen Proprium gegenüber anderen zeitgenössischen Wundertätern allein in der Beanspruchung göttlicher Urheberschaft und besonderer eschatologischer Bezüge seiner Dämonenaustreibungen besteht 2 3 . Ansonsten bleibe Jesus dem dämonistischen Weltbild wie den magischen Praktiken seiner Zeit verhaftet. Er habe nicht nur Besessene im engeren Sinne durch Exorzismen geheilt, sondern auch bei Krankheiten des Körpers exorzistische Therapien angewandt (Mk 1,32-34; 3,10-12 u.ö.). In Mk 5,1-20 begegne uns Jesus sogar als der gefährliche Magier, dessen unheimliche Macht man fürchtet. Daß zudem auch seine jüdische Umgebung in ihm einen erfolgreichen Dämonenaustreiber sah (Mk 3,22-27parr) und bereits zu seinen Lebzeiten ein exorzistischer Ge-

22 Petzke, Apollonius von Tyana und das N T 161-194. Vgl. auch M. Smith, Jesus the Magician 8 4 - 9 3 , der das Auftreten von Jesus und Apollonius von Tyana als Magiern mit göttlichem Anspruch weitgehend parallelisiert, und Betz, RAC XII (1983) 290: Die ntl Darstellung Jesu als θ ε ί ο ς άνήρ könne sich auf das Erscheinungsbild des historischen Jesus berufen. 23 Böcher, Christus Exorcista 166f.; ders., Das N T und die dämonischen Mächte 53f. Ähnlich Twelftree, Jesus the Exorcist, der alle syn Dämonenaustreibungsberichte im Prinzip für historisch hält und Jesus als machtvollen, sogar Gewalt freisetzenden (Mk 1,26; 5,11-13; 9,26) Exorzisten mit eschatologischem Proprium betrachtet, allerdings ohne Überzeugungskraft um jeden Preis ausschließen will, daß Jesus Magier war oder zumindest von s e i nen Zeitgenossen als solcher betrachtet wurde (190-207).

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brauch seines Namens erfolgte (Mk 9,38-40), reihe Jesus in die Schar erfolgreicher antiker Geisterbanner ein, deren machtgeladener Namen sich spätere Zauberer häufig bedienten. M. Smith behauptete nach seiner Entdeckung des "Secret Gospel of Mark", in dem er den Beweis für eine magisch-esoterische Tauipraxis sah, die gesamte Wirksamkeit Jesu sei von Magie geprägt gewesen 2 4 . In voller Breite entfaltet wird diese Sehweise dann in "Jesus the Magician" 25 , wo Smith aus den Evangelien das in sich stimmige und glaubwürdige Bild einer Magierlaufbahn zu rekonstruieren sucht, die mit Jesu Taufe einsetzt und mit der Stiftung des Abendmahls endet. Wir können uns auf den Wunderaspekt beschränken, zumal Wundertaten für Smith das entscheidende Merkmal eines Magiers ausmachen. Bei Magie handelt es sich für ihn um eine lehrbare Technik, die im wesentlichen aus Hypnose, Schauspielerei und Pharmakologie besteht. Diese Komponenten meint Smith bei Jesus wiederfinden zu können. Die Wunder Jesu seien vollständig dem Repertoire des Magiers entnommen (107), wobei auch das Aussenden von Geistern als "schwärzeste Art von Magie" wenigstens in heruntergespielter Form (Mk 5,13) begegne (110). Eine "Spezialität antiker Magier" stelle das Gebet dar, das Jesus in Analogie zu anderen Magiern seinen Schüler lehrte (Mk 9,28f.; Mt 6,7ff.) (130ff.). Daneben habe Jesus zu physisch-magischen Mitteln wie Berührung durch die Hand (u.a. Mk 1,31) und Speichelverwendung (Mk 8,23; Joh 9,6) greifen können (128). Auch die schauspielerische, der Sicherung des Lebensunterhalts dienende Komponente des Magiertums stellt Smith für Jesus in Rechnung (133f.). Daß sich in den Evangelien selber nur recht spärliche Hinweise auf magische Wunderpraktiken Jesu finden, hält Smith für bedeutungslos. Hier greift die quellenmäßig ohne Anhalt bleibende These von "suppressed evidence", "unterdrücktem Beweismaterial". Aus apologetischen Motiven heraus seien die Evangelienstoffe einer "defensiven Zensur" mit Unterdrückung magischer Züge Jesu unterworfen worden 2 6 , und hinter 24 M. Smith, Secret Gospel 220-237. Vgl. zur Diskussion um den historischen Wert dieses Evangelienfragmentes Merkel, in: Schneemelcher, Ntl Apokryphen I 89-92; M. Smith, Clement of Alexandria and Secret Mark 449-461. 25 Vgl. zur Diskussion Bühner, Jesus und die antike Magie 156-176; Garrett, Light on a Dark Subjekt 144-148. 26 Smith stützt sich dabei im wesentlichen auf die von Hull, Hellenistic Magic 116ff., herausgestellte mt Tilgung magischer Züge aus der mk WunderÜberlieferung und setzt derartige Gestaltungstendenzen für die gesamte mündliche wie schriftliche Uberlieferungsgeschichte der Jesusstoffe voraus. Den Abfassungszweck der E w sieht Smith primär in der apologetischen Absicht, Jesus gegen den Vorwurf der Magie zu verteidigen (86.92f.).

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dem sichtbaren Jesus der Evangelien steckte ursprünglich ein älterer Jesus, dessen Praktiken näher an diejenigen des Magiers Jesus herankämen 27 . Letztlich deckt sich die indirekt aus den Evangelien erschlossene "magische Laufbahn" Jesu weitgehend mit dem Jesusbild, das Smith bereits unabhängig von seiner Analyse der biblischen Stoffe aus jüdischer wie hellenistischer Jesuspolemik gewonnen hatte (bes. 67). Neben dem ΑΛΗΘΗΣ ΛΟΓΟΣ des Celsus kommt dabei der von Smith auf Jesus bezogenen Ben-Stada-Notiz bSchab 104bparr entscheidende Bedeutung zu, indem sie offenbar ebenso wie Orig, Cels 1,28.38 als Bürge für eine magische Schulung Jesu in Ägypten betrachtet wird (47f.80). Eine eigenständige Fortentwicklung von Smith's Konzeption mit neuen Akzenten bietet J.D. Crossan, indem er Jesus als einen in der Tradition von Elia, Elisa und Choni stehenden Magier begreift, der eine ideale Vision von einer besseren Gesellschaft hatte und über ein festumrissenes, aus "magic and meal" bestehendes soziales Programm verfügte. "Miracle and parable, healing and eating were calculated to force individuals into unmediated physical and spiritual contact with God and unmediated physical and spiritual contact with one another. He announced, in other words, the brokerless kingdom of God." 28 Jesu Dämonenaustreibungen komme dabei als "colonial exorcisms" symbolische revolutionäre Bedeutung zu, da Besessenheit im zeitgenössischen Judentum in hohem Maße aus mentalen Störungen bestehe, die von der Besatzungssituation herrührten 2 9 .

2.5. Jesus als suggestiver Heiler (J. Klausner) oder Schamane (E. Drewermann) Vieles von dem, was man in der Antike positiv unter einem Magier oder Goeten verstand, ist in dem neuzeitlichen Begriff Schamane impliziert. Bei den ntl Dämonenaustreibungs- und Krankenheilungsberichten erfreut es sich einer gewissen Beliebtheit, dort mit überwiegend psychisch bedingten Krankheitsbildern zu rechnen und Jesus als einen Wunderheiler mit suggestiven oder schamanistischen Fähigkeiten zu be-

27 M. Smith, Jesus the Magician 146. Ergänzend rechnet Smith, aaO. 95, mit einem Verschweigen magischer Jesustradition aus Gründen der Arkandisziplin. Anders noch M. Smith, Secret Gospel 222f.235: Mit dem Geist als willfährigem Paredros habe Jesus als Magier auf ausführliche Beschwörungsformulare und Zaubersprüche verzichten können (vgl. PGM IV,208Iff.). 28 Crossan, Historical Jesus 422, zum Ganzen ebda. 303-353. 29 Crossan, aaO. 317f.

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trachten. Vereinzelt wird das Phänomen des Schamanismus auch zur Erklärung von Naturwundern herangezogen. J. Klausner geht davon aus, daß Galiläa in ntl Zeit voll von Hysterikern und Psychopathen war, nicht zuletzt aufgrund der wirren politischen Verhältnisse. Bei den von Jesus therapierten Krankheiten habe es sich um Nervenleiden gehandelt, die ein mit besonderer Suggestivkraft begabter Mensch körperlich und geistig bessern könne. Wie Vespasian, Mohammed oder Napoleon habe Jesus als Wunderheiler Suggestion und Hypnose angewandt: "Menschen mit besonderer Willensstärke und einem reichen Innenleben können durch ihren entweder eindringlichen oder sanften Blick oder auch nur durch die innere Festigkeit dieses Willens auf Nervenkranke verschiedenster Art, zuweilen selbst auf völlig Verrückte, eine heilsame Wirkung ausüben." 30 Unter Verweis auf Mt 12,43-45 rechnet Klausner mit einer gewissen Rückfallquote bei Jesu Heilungen und bringt hiermit auch die mk Geheimhaltungsgebote in Zusammenhang. Diese resultierten aus einer Furcht Jesu vor übersteigerten Ansprüchen an ihn, der bei seinen Wundern nicht immer erfolgreich gewesen sei und sich scheute, sie allzu oft anzuwenden 31 . E. Drewermann zufolge bedarf es einer intensiven Beschäftigung mit dem Verständnis von Krankheit und Wunderheilung in "primitiven" Stammeskulturen, um überhaupt erst ein Erfassen der Faktizität und Bedeutung des Wunderwirkens Jesu zu ermöglichen. "So paradox ist jetzt die Lage: während die historisch-kritische Bibelwissenschaft als ein verspäteter Bastard des Rationalismus und Säkularismus von einer Peinlichkeit in die andere stolpert, kann ein einziger Blick auf das Leben eines wirklichen Wunderheilers außerhalb des europäischen Kulturkreises zeigen, wie die Wunder der Heilung zu verstehen sind und vor allem: welch eine Wirkmacht einer unverfälschten Form von Religiosität zuzutrauen ist." 3 2 Drewermann sieht nicht den geringsten Anlaß, an der Historizität atl, ntl oder paganer Wundertraditionen prinzipielle Zweifel anzumelden 33 . Grundsätzlich könnten sich zahlreiche Heilungen in solch einer Weise zugetragen haben, wie sie in der Bibel und anderswo berichtet werden. Da Krankheit bei den "Naturvölkern" mit deren ganz30 Klausner, Jesus von Nazareth 369, vgl. 363. 31 Ebda. 371. 32 Tiefenpsychologie und Exegese II 123. Exemplarisch wird das "primitive" Schamanentum ebda. 79-114 anhand der Lebenserinnerungen von "Schwarzer Elch" (1863-1950), Medizinmann eines Sioux-Stammes (J.G. Neihardt, Black Elk Speaks. Being the L i f e Story of a Holy Man of the Oglala Sioux, Lincoln 1961), dargestellt und als religionsphänomenologische Entsprechung für Jesu Wunderheilungen beansprucht. 33 Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese II 123f.

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heitlicher Leib-Seele-Anthropologie auf einer Isolation des körperlichen Geschehens von seinen psychischen Grundlagen oder Folgen beruhe, seien sämtliche Krankheitserscheinungen in der syn Wundertradition psychosomatisch oder psychoneurotisch bedingt 34 und würden durch ein in der Begegnung mit Jesus ausgelöstes Vertrauen überwunden 35 . Auch die Naturwunder hält Drewermann für historisch. Der Schamane lebt in Einheit mit der Natur und verfügt daher über ein besonderes Wissen um das Wirken der mit ihm verschwisterten Elemente. Aufgrund dieser Kommunikation mit der Natur weiß er beispielsweise, wann es regnen oder wann ein Sturm sich legen wird, und teilt dies mit 3 6 . Religionsphänomenologisch unterscheidet sich der Wundertäter Jesus für Drewermann vom Typos her nicht von den Schamanen primitiver Stammeskulturen, etwa einem Medizinmann der Sioux. Wie diese vollziehe er eine Wiederherstellung der Einheit von Körper und Seele, bewirke er ein Zurückfinden des Kranken "zur Einordnung in das Ganze und zur Mitte der Welt". Einziges Spezifikum der Wunderheilungen Jesu, die "von den Heilungen der Schamanen weder in der Art noch im Sinngehalt noch in ihrer religiösen Kraft und Bedeutung wesentlich unterschieden" sind, ist die Personalisierung des Rituellen. Was der Schamane durch den Ritus zu vermitteln suche, bewirke Jesus fast ausschließlich durch seine eigene Person 3 7 .

2.6. Jesus als Chasid (D. Flusser, G. Vermes, S. Safrai) Insbesondere in neueren jüdischen Jesusdarstellungen dominiert die Tendenz, den Wundertäter Jesus innerhalb eines charismatisch orientierten Judentums seiner Zeit zu betrachten, das in Konflikt mit dem etablierten Pharisäertum geriet. D. Flusser zeigt in seinem Jesusbuch enge Berührungen Jesu mit den jüdischen Wundertätern Choni, Abba Chilkia, Chanan und Chanina ben 34 Ebda. 98f. Der Aussatz von Mk 1,40-44 etwa ist eine Krankheit der Seele (Drewermann, M k - E v I 217f.), die Lähmung von Mk 2,1-12 hat hysterische Ursachen (ebda. 223); vgl. auch die phantasievollen Krankengeschichten zu Mk 1,29-31 (Jesus als Auslöser der Krankheit!) und 5,25-34 ( M k - E v I 205f. bzw. Tiefenpsychologie und Exegese II 281ff.). Ähnlich hatte bereits Otto, Reich Gottes 279f., die syn Besessenenheilungen als Befreiung von Schizophrenie und Zwangsideen interpretiert und in den Heilungsberichten Blutfluß, Blindheit, Taubheit und Stummheit als hysterische, nervös bedingte Krankheitssymptome betrachtet, die Jesus als Charismatiker geheilt habe. 35 Tiefenpsychologie und Exegese II 125; vgl. M k - E v I 200f. 36 Tiefenpsychologie und Exegese II 165-169. 37 Ebda. 125.138.

Bilder von Jesus als Wundertäter

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Dosa auf 3 8 . Über drei dieser vier Wundertäter werde analog zu Jesus berichtet, daß ihre Beziehung zu Gott wie die eines Sohnes zum Vater war. Weitere Ubereinstimmungen sieht Flusser in jeweiligen Spannungen zwischen Wundercharismatikertum und Schriftgelehrtenstand, einer gezwungenermaßen oder bewußt armen Lebensweise des Wundertäters sowie in einer Vollbringung des Wunders im Verborgenen. Noch konsequenter vertritt G. Vermes die Auffassung, Jesu Heilungen und Dämonenaustreibungen seien erst auf dem Hintergrund eines zeitgenössischen Wundercharismatikertums jüdischer Chasidim in ihrer wirklichen Bedeutung zu erfassen. Jesus sei aufgrund des Verzichts auf magische Praktiken kein professioneller, mit geheimen Kräften operierender Exorzist wie etwa Eleazar (Joseph, Ant VIII,46f.), sondern gehöre in ein mit dem Auftreten Elias und Elisas gesetztes jüdisches pattern von Chasidim, die durch unmittelbaren, spontanen Kontakt mit Gott Wundertaten vollbringen und sich dabei allein einer Kombination von Gebet, dämonenvertreibendem Wort und Handauflegung oder anderweitiger Berührung bedienten. Literarisch habe sich dieses pattern beispielsweise im Genesis-Apokryphon (1 Q Gen Ap XX,12-29), dem Gebet des Nabonid (4 Q Or Nab) und in bMeil 17b niedergeschlagen 39 . Historisch sei es im Judentum des ntl Zeitalters bei Choni dem Kreiszieher und Chanina ben Dosa greifbar, mit denen Jesus als hervorstechender Repräsentant eines "first-century charismatic Judaism and as the paramount example of the early Hasidim or Devout" in besagte alte, genuin charismatische Linie eingereiht werden könne 4 0 . Auch S. Safrai bringt Jesus mit einer maßgeblich von Choni und Chanina ben Dosa als "Männern der Tat" repräsentierten chasidischen Bewegung in Galiläa in Verbindung 41 . Entscheidende Charakteristika dieser Chasidim seien Armut und eine Vorordnung der guten Tat gegenüber der Gesetzesobservanz. Ohne "actually a Hasid or a member in any form or fashion of the basically Galilean Hasidic movement of his time" zu sein, weise Jesus doch eine "similarity and affinity" mit den Chasidim "in teaching, lifestyle, behaviour and relationship with the sages" auf 4 2 . 38 Flusser, Jesus 89-91. 39 Vermes, Jesus the Jew 6 5 - 6 8 . 40 Ebda. 79. 41 Safrai, Π ϋ ϋ η • ' ' - Ρ Ο Π 133-154. Vgl. bereits ders., Teaching of Pietists 32, wo ohne Einbeziehung Jesu "the importance attributed to good deeds in public life" als entscheidendes gemeinsames Moment im Auftreten von Chasidim wie Choni, Chanina ben Dosa und Pinechas ben Jair (um 200n. Chr.), der im Zusammenhang mit Gefangenenauslösungen die wunderbare Teilung eines Flusses bewirkt haben soll (bChull 7a), gilt. 42 Safrai, Jesus and the Hasidim 16f., vgl. speziell zum Wunderaspekt 7-11.

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Stand der Forschung

3. Wundercharismatikertum bei den frühen Christen 3.1. Machttaten als Mittel missionarischer Werbung Grundlegend hat A. von Harnack den hohen Stellenwert von Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen für die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten gewürdigt. "Als Dämonenbeschwörer sind die Christen in die große Welt eingetreten, und die Beschwörung war ein sehr wichtiges Mittel der Mission und Propaganda."1 Zur Beweisführung setzt von Harnack mit Justin ein und läßt seine Darstellung über Irenäus und Tertullian hinaus mit Origenes ausklingen. Auch H. Weinel wendet sich bei seiner Untersuchung der Geisteswirkungen im nachapostolischen Zeitalter den pneumatisch bewirkten Wundertaten im rechtgläubigen wie häretischen Christentum zu und mißt ihnen hohe Bedeutung für die Mission bei 2 . A. Fridrichsen geht in seinem Werk "Le probleme du miracle dans le Christianisme primitif' der Bedeutung von Wundertaten speziell in der Mission des ntl Zeitalters nach und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die enge Bindung an Wunder die christliche Mission grundlegend von der jüdischen Mission und der Propaganda der hellenistischen Popularphilosophie unterscheide 3 . In Paulus als dem bedeutsamsten frühchristlichen Missionar sieht Fridrichsen unter Verweis auf 1 Thess 1,5; 2 Kor 12,12 und Rom 15,19 den maßgeblichen Zeugen für eine weitverbreitete christliche Propaganda unter Einschluß von Wundertaten, wie sie auch von Hebr 2,4; Mk 16,17-20 und der Apg, in extremer Form zudem von den apokryphen Apostelakten verbürgt werde. Einer besonderen Gruppe von frühchristlichen Missionaren mit Wunderwirksamkeit, nämlich den pln Gegnern im 2 Kor, gilt das Augenmerk von D. Georgi 4 . Es handele sich dabei um pneumatisch-ekstatische Wandermissionare, deren Machttaten man sich in Analogie zu den Wundern hellenistischer θείοι άνδρες vorzustellen habe (231), wobei enge Bezüge zwischen diesem Selbstverständnis und der tradierten Jesusüberlieferung gegeben seien. Dem Anspruch der Gegner als θείοι άνδρες korrespondiere die einer Rechtfertigung der eigenen Wunderpraxis dienende Berufung auf solche Tradition, in der Jesus als θείος άνήρ begegne, wobei in erster Linie an die mk Wundergeschichten zu denken

1 Vgl. 2 3 4

von Harnack, Mission und Ausbreitung I 156, zum Ganzen ebda. 151-170. auch MacMullen, Christianizing the Roman Empire 25ff. Weinel, Wirkungen des Geistes 51-57.109-127. Fridrichsen, Probleme du miracle 3 4 - 4 0 . Georgi, Gegner des Paulus 31-82.219ff.

Frühchristliches Wundercharismatikertum

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sei (213ff.289). Der Vorgehensweise nach vermutet Georgi in den pln Gegnern des 2 Kor vom Typos her sogar die Normalerscheinung des urchristlichen Missionars. Sie seien "keine singulären Gestalten, sondern Repräsentanten einer großen Gruppe von Missionaren der Urchristenheit, vielleicht sogar einer Mehrheit." 5 Von den zahlreichen Befürwortern dieser Thesen Georgis 6 verdient H.-W. Kuhn besondere Beachtung, da er die für die pln Gegner vermutete Tradierung christologischer θείος άνήρ-Vorstellungen gezielt mit der Annahme eines vormk Wunderzyklus in Mk 4,35-6,52 und einer dem Joh-Ev zugrundeliegenden Semeiaquelle verknüpft. In solchen Kreisen von Wanderaposteln, wie sie mit den pln Gegnern im 2 Kor begegnen, müsse man den "Sitz im Leben" der ntl Wundergeschichten und ihrer eventuellen Sammlung suchen 7 . J. Roloff hingegen verneint entschieden eine maßgebliche Prägung der syn Wundergeschichten von nachösterlicher kirchlicher Praxis oder christologischer Traditionsbildung her, indem er eine Diastase zwischen den Taten Jesu und den pneumatischen Erfahrungen der christlichen Gemeinden auszumachen sucht. Im Gegensatz zu einem Ineinander von Wunder und Glaubensangebot bei Jesus stimmten neben Mt 28,18-20 auch außersynoptische Zeugnisse wie 2 Kor 12,12 oder die Wundertraditionen der Apg darin überein, "daß sie Machterweisen und Wundern keine für die missionarische Verkündigung konstitutive Bedeutung einräumen ...", vielmehr allein innergemeindlich eine Rolle spielten, ohne dabei mit dem an Außenstehende ergehenden Ruf zum Glauben verbunden zu werden 8 . Grundsätzlich wird aber bereits der Frage nach Wundertaten als maßgeblichen Begleiterscheinungen der frühchristlichen Mission nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Spezialuntersuchungen zum urchristlichen Wandercharismatikertum 9 sind fast ausnahmslos an sozialgeschichtlichen Aspekten wie Besitzverzicht oder Nichtseßhaftigkeit interessiert und klammern den Wunderaspekt völlig aus. Auch in neueren Standardunter-

5 Georgi, aaO. 218. Vgl. auch Lüdemann, Antipaulinismus 136f., der auf eine Verhaftung der pln Gegner in der syn Aussendungstradition aufmerksam macht. 6 Vgl. bes. Köster, in: Köster/Robinson, Entwicklungslinien 140-143.173-179, allgemein zur Wirkungsgeschichte den Epilog der leicht revidierten engl. Ubersetzung von 1986 (Georgi, Opponents 333-450). 7 Kuhn, Sammlungen 213; ders., Der irdische Jesus 302ff. 8 Roloff, Kerygma 203f. 9 Theißen, Soziologie der Jesusbewegung; W. Stegemann, Wanderradikalismus?; Schmeller, Brechungen.

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Stand der Forschung

suchungen zur Geschichte der urchristlichen Mission 10 kommen Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen als Charakteristikum der missionarischen Werbung de facto so gut wie nicht zur Sprache. Dem hier repräsentierten Forschungsstand zufolge hat sich die Mission ausschließlich durch Predigt oder anderweitige verbale Propaganda vollzogen.

3.2. Innergemeindliche Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen Über missionspropagandistische Wundertaten hinaus sah A. von Harnack die Anziehungskraft des Christentums als "Religion der Heilung" auch in einer recht hochentwickelten innergemeindlichen Krankenfürsorge begründet und berief sich dabei auf Befunde wie 1 Thess 5,14; 1 Clem 59; Jak 5,14 oder Just, Apol I 67 11 . W. Heitmüller geht in seinem Werk "Im Namen Jesu" dem Gebrauch des Jesusnamens im Zusammenhang mit Krankenheilungen wie Dämonenaustreibungen innerhalb der christlichen Gemeinden nach und kommt zu dem Ergebnis, "daß nicht erst in der nachapostolischen, sondern schon in der apostolischen Zeit der Name Jesu als mit wunderbaren Kräften ausgestattet galt und beim προφήτευες, bei δυνάμεις überhaupt, insbesondere bei dem έκβάλλειν δαιμόνια verwertet, d.h. genannt wurde." 12 Es sei völlig sicher, daß von früh an die im Exorzismus manifeste Macht über die Dämonen als Gabe jedes im Geistbesitz befindlichen Christen galt und mit dem Namen Jesu als Machtmittel vielfältig ausgeübt wurde. Ähnlich vermutete H. Lietzmann in seiner "Geschichte der alten Kirche" unter Verweis auf 1 Kor 12,28-30: "Heilung von Kranken und Austreiben von Dämonen ist noch lange in der alten Kirche das Kennzeichen echter charismatischer Begabung gewesen." 13 Noch weiter in seinen Überlegungen geht M. Dibelius, indem er ein innergemeindlich fest ausgeprägtes Charisma der Krankenheilung als "Sitz im Leben" einzelner ntl Wundergeschichten in Betracht zieht und für Wundererzählungen mit besonders detaillierter Schilderung der Heiltechniken (u.a. Mk 7,31-37; 8,22-26) vermutet, hier solle bestimmten mit Heilkraft begabten Christen Vorbild und praktische Anleitung zu Wunderheilungen gegeben werden. "Mit der ausführlichen Beschreibung

10 Hahn, Verständnis der Mission im NT; Schille, Urchristliche Kollegialmission; Kasting, Anfänge der urchristlichen Mission. 11 von Harnack, Mission und Ausbreitung I 147f. 12 Heitmüller, Im Namen Jesu 239f., zum Ganzen ebda. 223-252. 13 Lietzmann, Geschichte der alten Kirche I 149.

Die Aufgabe

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der Heiltechnik, ganz besonders aber mit der Überlieferung der Formeln, zumal in der fremden Sprache, wollen die Erzähler offenbar den Christen nützen, denen die Gabe der Heilung (1 Kor 12,28.30) verliehen ist." 14 Speziell für die formelhafte Wendung "Dein Glaube hat dich gerettet" (Mk 5,34 u.ö.) zieht E. Käsemann in Erwägung, daß sie "ursprünglich in der festen Sprache christlicher Exorzisten und Heiler beheimatet" war 15 . Für die apokryphen Apostelakten hatte bereits E. von der Goltz auf eine Reihe von Gebeten und Formeln aufmerksam gemacht, die bei innergemeindlichen oder missionarischen Wundertaten rezitiert worden sein dürften 16 . Von medizinhistorischer Seite her wenden sich 0. Temkin und G.B. Ferngren den christlichen Krankenheilungen der ersten drei Jahrhunderte zu. Temkin konstatiert dabei eine allmähliche Infiltration der lange Zeit völlig beziehungslos zur hippokratischen Tradition stehenden christlichen Heilkunst mit rationaler, säkularer Medizin 17 . Ferngren hingegen stellt die These auf, daß man frühestens ab dem 4.Jhdt.n.Chr. überhaupt vom Christentum als Religion der Heilung sprechen könne, "the evidence of the first three centuries suggests that mainstream Christianity did not promise physical healing."18 Ähnlich niedrig wird offenkundig der Stellenwert von Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen in den frühchristlichen Gemeinden von weiten Teilen der theologischen Forschung veranschlagt und von vornherein erst gar nicht thematisiert 19 .

4. Aufgabe und Methodik dieser Untersuchung 4.1. Die Aufgabe In Anbetracht des skizzierten Forschungsstandes zu den Wundern bei Jesus und im frühen Christentum ergeben sich im wesentlichen drei Aufgabenschwerpunkte, um Ansätze der Forschung aufzugreifen, zu vertiefen oder zu korrigieren und nach Möglichkeit weiterzuführen. 1. Eine historische Untersuchung aller ntl Wunderstoffe aus der Wortund Erzählüberlieferung mit dem Ziel, die Wundertätigkeit Jesu möglichst

14 Dibelius, Formgeschichte 81, zum Ganzen ebda. 8 1 - 8 4 . i s Käsemann, R G G 3 II (1958) 995. 16 von der Goltz, Gebet in der ältesten Christenheit 2 9 0 - 2 9 8 . 3 4 6 - 3 4 8 . 17 Temkin, Hippocrates in a World of Pagans and Christians 109-145. 18 Ferngren, Early Christianity 15. 19 In den "Geschichten des Urchristentums" von H. Conzelmann und W. Schneemelcher beispielsweise findet die Heilung Kranker oder dämonisch Besessener mit keinem Wort Erwähnung.

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weitgehend zu erhellen und dabei zu vergleichbaren Erscheinungen des zeitgenössischen Judentums wie der griechisch-römischen Welt in Beziehung zu setzen, stellt ein forschungsgeschichtliches Desiderat dar. In der ntl Wunderforschung der letzten Jahrzehnte dominieren redaktionsgeschichtliche Untersuchungen. Das vorliterarische Stadium der Wundergeschichten einschließlich ihrer historischen Bezüge war lange Zeit nur unter dem Gesichtspunkt von Interesse, inwieweit sich die Evangelisten kritisch vom Wunderverständnis ihrer christologischen Tradition absetzen. Auch für religions- und formgeschichtlich orientierte Untersuchungen zum Thema hat H. Weders Urteil aus dem Jahre 1984, viele Abhandlungen zur Wunderthematik widmeten dem historischen Problem einen verschwindend kleinen Bruchteil ihres Raumes und andere ließen es völlig aus den Augen1, trotz eines in jüngerer Vergangenheit verstärkt wiederentdeckten historischen Interesses an Jesus als Wundertäter nach wie vor Bestand. Es existiert bislang keine kritische Untersuchung aller Wunderstoffe der Jesusüberlieferung mit der Zielsetzung, traditionsgeschichtliche wie historische Fragen konsequent in den Mittelpunkt zu stellen und die Wundertätigkeit Jesu in ihrem vollen Umfang und zeitgenössischen Kontext zu erfassen 2 . Die bei einer solchen Untersuchung im Hinblick auf die Wundertätigkeit Jesu und deren Konnotationen zu erwartenden Ergebnisse versprechen genaueren Rückschluß über die Frage, in welchem Maße sich Jesus mit seinen Wundertaten in vergleichbare Phänomene der Antike einordnen läßt, ob seinen Wundertaten religionsgeschichtlich analogielose Bezüge zukommen und inwieweit eines der forschungsgeschichtlich entwickelten Raster für den Wundertäter Jesus (Wunderprophet, Arzt, θειος άνήρ, Magier, Schamane, Chasid) die tatsächlichen Gegebenheiten sachgemäß zu erfassen vermag. Neben einer Erklärung für die Diastase zwischen Wunderwirksamkeit und Verweigerung von Zeichen kommt dabei der Frage nach der inneren Beziehung zwischen Wundertat und Wort besonderes Gewicht zu. Abgesehen von der starken Gewichtung eines Magier- oder Schamanentums Jesu bei M. Smith, E. Drewermann und J.D. Crossan zeigte sich in der Forschungsgeschichte fast einmütig die Auffassung, daß Wundertaten gegenüber Verkündigung oder Lehre allenfalls eine untergeordnete Randerscheinung im Wirken Jesu darstell-

1 Weder, Wunder Jesu 32. 2 Wichtige Schritte in diese Richtung sind für Einzelbereiche M. Smith, Jesus the Magician; Nielsen, Heilung und Verkündigung; Twelftree, Jesus the Exorcist, während van der Loos, Miracles of Jesus, wegen unkritischer Vorgehensweise nur von sehr begrenztem Wert ist.

Die Aufgabe

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ten. Das hier zugrundeliegende, bereits im NT selber in vielfältiger Ausprägung anzutreffende Bild von Jesus als Lehrer und Verkünder der Gottesherrschaft, der die Vollmacht seiner Worte durch Wundertaten lediglich noch untermauert oder illustriert, wird kritisch auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu befragen sein. 2. Ein zweiter Aufgabenschwerpunkt unserer Untersuchung besteht darin, Wundertaten im frühen Christentum überhaupt erstmals in ihrer vollen Bedeutung für Mission und Gemeindeleben zu erfassen. Forschungsgeschichtlich wird von einer nahezu uneingeschränkten Dominanz des Wortes im frühen Christentum ausgegangen und den durch Verkündigung oder Unterweisung gekennzeichneten Ämtern des Propheten und des Lehrers hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt, während Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen oder Wiederbelebungen mit wenigen Ausnahmen kaum als maßgeblicher Faktor in Rechnung gestellt werden. Sollte sich die Vermutung D. Georgis, daß die pln Gegner im 2 Kor mit ihren Wundertaten kein isoliertes Phänomen darstellten, sondern als Repräsentanten einer breiten Mehrheit unter den frühchristlichen Missionaren zu betrachten sind, fundieren lassen, so wäre dieses Bild revisionsbedürftig. In jedem Falle sind in der Forschung vereinzelt bereits gegebene Hinweise auf einen maßgeblichen Stellenwert von Wundertaten für das frühe Christentum vertiefend aufzunehmen und nach Möglichkeit in voller Bedeutung zu erschließen. Weitergehend wird dabei zu fragen sein, inwieweit bestimmte Wundergeschichten der Jesusüberlieferung in derartiger nachösterlicher Wunderpraxis ihren "Sitz im Leben" haben oder ihre maßgebliche Prägung erfuhren. Die von der klassischen Formgeschichte aufgeworfene Frage nach Funktion und Überlieferungsinteressen eines Jesusstoffes wird im Blick auf die stilechten ntl Wundergeschichten zu einseitig in missionspropagandistischer Richtung beantwortet. Demgegenüber ist in Anknüpfung an Überlegungen von M. Dibelius und E. Käsemann zu prüfen, ob einzelne Wundergeschichten im Zusammenhang mit frühchristlichem Wundercharismatikertum begriffen werden können - sei es, daß sich in ihnen einschlägige Wunderpraktiken niedergeschlagen haben, oder sei es, daß sie sogar als Anleitung für das Vorgehen christlicher Wundertäter gedient haben, wobei neben pharmakologischen Techniken in erster Linie an Krankenheilungs- oder Dämonenaustreibungsformeln zu denken ist. Ergänzend sind das NT und die frühe außerkanonische Literatur auf formelhafte Wendungen oder Gebete hin zu sichten, die ebenfalls im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen, Wiederbelebungen oder anderen Machttaten stehen könnten. Sofern sich dabei tatsächlich ein hoher Stellenwert von Wundern erweisen

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sollte, verdiente die Frage nach deren sozialgeschichtlichen Implikationen besondere Aufmerksamkeit. 3. Beide angesprochenen Aufgaben sind nicht ohne eine wenigstens repräsentative Erhellung dessen zu bewältigen, was in der unmittelbaren Umwelt des NT an Magie, Medizin und Wundercharismatikertum vorhanden war. Für das antike Judentum versteht sich dies im Hinblick auf Jesus von selbst. Wer qualifiziert darüber befinden will, inwieweit sich die Wundertätigkeit Jesu mit magischen oder medizinischen Praktiken des zeitgenössischen Judentums überschneidet und mit der Vorgehensweise jüdischer Wunderpropheten, Magier und Chasidim der Zeitenwende deckt, muß zunächst einmal diese vergleichend heranziehbaren Phänomene selber in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen. Erst in jüngerer Vergangenheit edierte magische Zeugnisse des antiken Judentums, eine sich zunehmend etablierende Neubewertung einzelner jüdischer Wundertäter wie Choni oder Chanina ben Dosa und eine noch nicht hinreichend erfolgte Auswertung seit langem bekannter Zeugnisse für Magie und Medizin im antiken Judentum rechtfertigen hier eine ausführliche neuerliche Behandlung des Themas. Ähnliches gilt für die genuin hellenistische Umwelt des NT, die den maßgeblichen Bezugsrahmen für die Mehrzahl der frühchristlichen Gemeinden mit ihrem Wundercharismatikertum darstellt und in der viele der ntl Wundergeschichten traditionsgeschichtlich ihre Prägung erfahren haben dürften. Die einschlägigen Untersuchungen zum hellenistischen Vergleichsmaterial der ntl Wundergeschichten stammen mit wenigen Ausnahmen aus dem ersten Drittel dieses Jahrhunderts. Seitdem wurde eine Vielzahl weiterer magischer oder medizinischer Zeugnisse aus hellenistischer Zeit ediert, früher lediglich dem Namen nach bekannte Schriften magischen oder medizinischen Inhalts sind nunmehr durch Rückübersetzungen aus dem Arabischen zugänglich. Forschungsmäßig vernachlässigt wurde ohnehin der medizinhistorische Hintergrund ntl wie anderer antiker Nachrichten über Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen oder Wiederbelebungen. Zudem ist, durch an sich begrüßenswerte religionsgeschichtliche Textbücher oder Quellensammlungen begünstigt, die Tendenz vorherrschend, antike Wundertraditionen völlig losgelöst von ihrem Kontext vergleichend bei der Interpretation ntl Wundertexte heranzuziehen, ohne solche Parallelen in ihrem übergeordneten Zusammenhang zur Kenntnis genommen und in ihrer historischen Bedeutung überhaupt erfaßt zu haben. 4. Für die Vorgehensweise ergibt sich eine Dreiteilung unserer Untersuchung. Zunächst wird zur Entlastung der dem NT gewidmeten Aus-

Methodische Vorüberlegungen

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führungen ein erster Hauptteil über "Magie, Medizin und Wundercharismatikertum in der Umwelt des NT' vorangestellt, der ohne Anspruch auf Vollständigkeit und getrennt nach Hellenismus und antikem Judentum einen repräsentativen Einblick in das zeitgenössische Umfeld der ntl Wunderüberlieferung vermitteln und dabei eine Wahrnehmung aller wichtigeren religionsgeschichtlichen Vergleichsstoffe in ihrem Kontextbezug gewährleisten soll. Dabei wurde mit dem in Kauf genommenen Nachteil zwangsläufiger späterer Rückverweise bewußt der Weg einer eigenständigen, für sich benutzbaren Darstellung gewählt. Zwei weitere Hauptteile unserer Untersuchung wenden sich dann Jesus als Wundertäter und der Bedeutung von Wundertaten für das frühe Christentum zu.

4.2. Methodische Vorüberlegungen zur historischen Urteilsfindung Bei der historischen Rückfrage nach Jesus als Wundertäter, die insbesondere bei den ntl Wundergeschichten niemals zu völlig gesicherten Ergebnissen wird führen können, lassen sich aufgrund einer Reihe unterschiedlichster Kriterien zumindest Wahrscheinlichkeitsurteile mit hoher Plausibilität fällen. a) Im Blick auf ihre geschichtliche Zuverlässigkeit sind Wort- und Erzählüberlieferungen über Jesu Wundertätigkeit mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen. Grundsätzlich gebührt den Logien der Vorrang, wenn es um eine Erhellung der Wunderpraxis Jesu geht 3 . Obwohl auch bei der Logienüberlieferung vielfach mit Gemeindebildungen gerechnet werden muß, ist dort im Prinzip die Möglichkeit gegeben, daß authentische Aussagen Jesu über sein Wunderwirken durch bloße Wiederholung tradiert wurden und damit in ihrem ursprünglichen Wortlaut weitgehend unangetastet blieben. Dagegen sind sämtliche Evangelienberichte über Jesu Wundertaten von vornherein aus der Perspektive des Erzählers gefaßt 4 und zudem ihrer Form nach in erheblichem Maße

3 Vgl. Fuller, Wunder Jesu 31-44; Pesch, Taten 20-28.137f.; Theißen, Wundergeschichten 274-277; Gnilka, Jesus 119ff. Wenig überzeugend Petzke, Wundertaten Jesu 184f.: Aus der Wort- und der Erzählüberlieferung seien keine unterschiedlichen, sondern die gleichen - nämlich negativen - Schlußfolgerungen in bezug auf die Historizität zu ziehen. 4 Treffend Lührmann, Kriterien 64f.: Bei der Frage nach dem Handeln Jesu könne man nur bis zu der sprachlichen Gestalt zurückgehen, welche die Tradenten dem Handeln Jesu gegeben haben. Bei der Verkündigung hingegen "ist das Medium der Überlieferung mit dem Medium des Überlieferten identisch, so daß in der Überlieferung von Jesus das Wort Jesu erhalten sein kann."

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vorgegebenen Mustern verpflichtet. Dies hat zur Folge, daß sie uns "weniger einen Einblick in konkret beschriebene, individuelle Geschehnisse als vielmehr das allgemeine Wissen von Jesus dem Wundertäter" vermitteln 5 , ohne daß damit ein hoher historischer Wert einzelner Wundererzählungen grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Gleichzeitig impliziert die Einsicht in eine sachliche Prävalenz und vergleichsweise höhere Glaubwürdigkeit der Wortüberlieferung von vornherein eine erhebliche geschichtliche Skepsis gegenüber Erzählungen von solchen Wundern Jesu, die nicht durch Jesuslogien abgedeckt sind, wobei in erster Linie an die Naturwunder zu denken ist. b) Sowohl bei den Logien- als auch bei den Erzählstoffen der ntl Wunderüberlieferung haben jedem Versuch einer historischen Urteilsfindung möglichst exakte literar-, traditions- und formkritische Analysen voranzugehen 6 . Diese methodischen Schritte lassen sich nicht einfach überspringen 7 , allein die älteste erreichbare Gestalt einer Wundertradition kann überhaupt auf ihre Echtheit hin befragt werden. Kein Indiz für eine von vornherein hohe Glaubwürdigkeit der Wundergeschichten in den Evangelien ist deren im Vergleich mit hellenistischen Parallelen relativ überschaubare Überlieferungsgeschichte bis zur literarischen Fixierung hin 8 . c) Für sämtliche Wundertraditionen aus den Evangelien ist eine möglichst genaue Fixierung des Entstehungs- oder Überlieferungsmilieus geboten. Nur bei ursprünglich in Palästina beheimateten Stoffen oder bei Wunderpraktiken, die sich für das antike Judentum der Zeitenwende plausibel machen lassen, kann überhaupt die Möglichkeit der Authentizität erwogen werden. Sofern bei einzelnen Wundergeschichten hellenistische Motivparallelen gegeben sind, spricht dies allerdings nicht zwangsläufig gegen ein judenchristlich-palästinisches Überlieferungsmilieu, da Palästina in ntl Zeit in erheblichem Maße hellenisiert war 9 .

s Gnilka, Jesus 122. Über Selbstberichte der Geheilten (Zeller, Wunder und Bekenntnis 211ff.) lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. 6 Lentzen-Deis, Wunder Jesu 401f.; Kertelge, Überlieferung der Wunder Jesu 175-177; Le'gasse, L'historien 129ff.; Weder, Wunder Jesu 27ff. 7 Gegen Mußner, Ipsissima facta 180. 8 Gegen Nielsen, Heilungstätigkeit Jesu 61f., der hier die rasante Entwicklung und die Komplexität der christologischen Traditionsbildung im frühen Christentum deutlich unterschätzt. 9 Vgl. grundsätzlich Hengel, Judentum und Hellenismus, speziell unter Wunderaspekten McCasland, Asclepios Cult in Palestine 221-227; Duprez, Jesus et les dieux guerisseurs 57-127; M. Smith, Wine God in Palestine 815-829.

Methodische Vorüberlegungen

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Wichtige Anhaltspunkte für das Überlieferungsmilieu liefert die LokalkoloritForschung 1 0 . Gibt es in einzelnen Wundertraditionen solche Details, die zwingend oder mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Palästina weisen? Umgekehrt können einzelne Motive oder ganze Stoffe, die eindeutig nichtpalästinische Verhältnisse voraussetzen, a priori keinen Anspruch auf Authentizität erheben. Ergänzend zum Lokalkolorit ist bei bestimmten Begebenheiten der ntl Wunderüberlieferung zu prüfen, ob sie sich unter zeitgeschichtlichen oder chronologischen Gesichtspunkten überhaupt in der geschilderten Form abgespielt haben können. Daneben kommt Schriftbezügen bei der Eruierung des Traditionsmilieus ein hoher Stellenwert zu. Bei zum ältesten Traditionskern gehörigen L X X - Z i t a ten ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dann eine von vornherein griechische Formulierung des betreffenden Stoffes gegeben, wenn die Septuaginta hier vom Masoretischen T e x t abweicht. Umgekehrt deuten auf M T diff. L X X rekurrierende Schriftbezüge oder Wortspiele sowie weitere Semitismen auf eine aramäische Urfassung der entsprechenden Tradition hin. Solche in der Forschung vielfach für palästinische Herkunft einzelner Wunderstoffe reklamierten S e m i t i s m e n 1 1 werden allerdings genauestens auf ihren Wert und ihre Beweiskraft hin zu befragen sein, zumal hier auch die Möglichkeit von " S e p tuagintismen" in Rechnung zu stellen ist.

d) Bei den Logien stellt nach wie vor das Differenzkriterium, ergänzt durch das auf ihm basierende Kohärenzkriterium, das methodisch zuverlässigste Instrument zur Bestimmung authentischer Jesustradition dar. "Einigermaßen sicheren Boden haben wir nur in einem einzigen Fall unter den Füßen, wenn nämlich Tradition aus irgendwelchen Gründen weder aus dem Judentum abgeleitet noch der Urchristenheit zugeschrieben werden kann ... , " 1 2 Wunderlogien, die mit zeitgenössischen jüdischen Vorstellungen oder mit nachösterlichen christlichen Anschauungen kohärent sind, können J e s u s allerdings nicht automatisch abgesprochen werden. Die in diesem Falle vorausgesetzte völlige Dissimilarität zwischen den Anschauungen Jesu und denjenigen des antiken Judentums oder des frühen Christentums stellt ein Postulat ohne zwingende Beweiskraft dar. e) Auf die Wundergeschichten ist das Differenzkriterium im Sinne von "ipsissima facta J e s u " (F. Mußner) wegen der dort im Vergleich mit der Wortuberlieferung andersgearteten Überlieferungsgesetzmäßigkeiten nicht anwendbar 1 3 . Die rekonstruierte älteste Fassung einer Wundergeschichte ist unter dem Aspekt mit religionsgeschichtlichen Parallelen zu vergleichen, ob sie in solchem Maße atl oder anderen vorchristlichen 10 Vgl. Le'gasse, L'historien 132f.; Theißen, Lokalkolorit 7-23.102-119. 11 Programmatisch beispielsweise bei Gutwenger, Machterweise J e s u 187. 12 Käsemann, Hist. J e s u s 205. 13 Vgl. Kertelge, Wunder J e s u in der neueren E x e g e s e 83; Kümmel, J e susforschung 279f.

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Vorbildern verpflichtet ist, daß sich eine sekundäre Übertragung auf Jesus mit hoher Wahrscheinlichkeit nahelegt. Stilgemäßheit ist allerdings nicht von vornherein mit Ungeschichtlichkeit gleichzusetzen, wie beispielsweise der in Aufbau und Topik weitgehend anderen antiken Dämonenaustreibungserzählungen entsprechende Augenzeugenbericht des Josephus (Ant VIII,46-49) über den jüdischen Exorzisten Eleazar zeigt. Formsprengende, atopische Elemente können auf historische Erinnerung hindeuten, wobei in erster Linie an traditionelle Ortsangaben und mit Vorbehalt auch an die Nennung beteiligter Personen bei ihrem Namen zu denken ist 14 , während Berufsangaben recht zweifelhaft sind 15 . Weitere in der Forschung als atopisch betrachtete und damit als historisch reklamierte Details werden auf ihren Wert und auf nicht oder nur unzureichend beachtete religionsgeschichtliche Parallelen hin zu prüfen sein. Wenn sich eine ntl Wundergeschichte der Form oder Topik nach von religionsgeschichtlichen Parallelen unterscheidet, kann dies im übrigen auch auf bestimmten Überlieferungsinteressen christlicher Gemeinden beruhen, ohne daß solchen formsprengenden Elementen zwangsläufig historische Evidenz für Jesus selber zukäme. f) Nur mit erheblichen Einschränkungen stellt Mehrfachüberlieferung ein Indiz für ein hohes Alter und für potentielle Zuverlässigkeit eines Stoffes dar. Grundsätzlich sagt eine derartige Überlieferungsbreite, wenn sie von einer identischen Ausgangstradition abhängig ist, noch nichts Zuverlässiges über deren historischen Wert aus 16 . Gerade bei den aus anderen Gründen ohnehin recht glaubwürdig wirkenden syn Logienstoffen mit Wunderthematik ist allerdings auffällig, daß es sich überwiegend 14 Bei der mt wie lk Bearbeitung der Bartimäusgeschichte liegt eine s e kundäre Streichung des Namens vor (Mt 20,29-34; Lk 18,35-43), die sich möglicherweise "mit dem Schwinden geschichtlicher Erinnerung" erklären läßt (Gnilka, M k - E v II 111). Umgekehrt heißt der von Jesus am abgeschlagenen Ohr geheilte Knecht (Mk 14,47) in Joh 18,10 plötzlich Malchus, das blutflüssige Weib Mk 5,25ff. in den Pilatusakten Bernike bzw. Veronika (Act Pilati VII), und die Syrophönizerin Mk 7,24-30 begegnet in den Pseudoklementinen mit ihrem Kind als Justa und Bernike (PsClem, Horn β 19,1; γ73,2). Hier zeigt sich mit der sekundären Namenserfindung (vgl. Bultmann, Syn Tradition 256f.338) eine Tendenz, die auch für die vorliterarische Überlieferungsgeschichte der Jairus- und Bartimäuserzählung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann. 15 Berufsangaben wie άρχισυνάγωγος Mk 5,22 sind in Wundergeschichten eher sekundär erfunden als historisch zuverlässig, z.B. galt der Mann mit der verdorrten Hand Mk 3,l-6parr im Hebräerevangelium als Maurer (Hieronymos, Comm. in Mt 12,13, Text bei Aland, Synopse 158). Vgl. auch Bauer, Leben Jesu 367f. 16 Vgl. die berechtigten Einwände von Pesch, Taten 136f.

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um Doppelüberlieferungen handelt, die sowohl in der Logienquelle als auch im vormk Traditionsbereich beheimatet waren, im Falle der Aussendungsinstruktionen wahrscheinlich schon für Pls vorausgesetzt werden können (1 Kor 9,14) und damit in jedem Falle recht alt sind. Ähnlich signifikant ist die Überlieferungsbreite bei den Sabbatheilungstraditionen. g) Selbst ein überwiegend negatives Ergebnis in bezug auf die Geschichtlichkeit der ntl Wunderberichte würde noch nicht besagen, daß die Erzählüberlieferung als ganze für die Erhellung des Wunderwirkens Jesu wertlos ist. Auch die Art und Weise, in der man sekundär über Jesus als Wundertäter dachte, hat indirekte historische Aussagekraft. Zudem deutet das kaum auf Zensur zurückzuführende Fehlen von Wundern aus dem Bereich des Demonstrations-, Liebes- und gegen Personen gerichteten Schadenszaubers in den ntl Evangelien darauf hin, daß nicht wahllos Wundertraditionen auf Jesus übertragen wurden, sondern sekundäre Gemeindebildung sich hier (anders dann in den apokryphen Kindheitsevangelien) innerhalb bestimmter, von historischer Erinnerung abgesteckter Grenzen vollzog.

4.3. Begriffsklärungen a) Wunder Für besondere Machttaten Jesu und anderer antiker Personen, neben Naturbeeinflussungen in erster Linie Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen und Wiederbelebungen, hat sich der im NT mit Ausnahme von Mt 21,15 nicht belegte Sammelbegriff Wunder (θαΰμα od. θαυμάοιον = miraculum) eingebürgert. Das neuzeitliche Axiom, daß es sich bei einem Wunder um ein der kritischen Vernunft zuwiderlaufendes, die wissenschaftlich erfaßbare Naturkausalität durchbrechendes Ereignis handelt, das nur supranaturalistisch erklärbar oder für fiktiv zu halten ist, ist dem NT wie seiner Umwelt weitgehend fremd. Jenseits gezielter Reflexion über eine bestimmte naturgesetzliche Ordnung und deren Durchbrechung stellt ein Wunder im biblischen Denken ein außerhalb des Gewohnten liegendes Geschehen dar 17 . In diesem Sinne rufen die ausserordentlichen Taten Jesu als noch nie Dagewesenes in christologischen Chorschlüssen Erstaunen oder sogar Entsetzen hervor (Mk 1,27; 2,12; 4,41) und gelten Mt 21,15 expressis verbis als Wunder. Ansonsten dominieren im ntl Sprachgebrauch zur Umschreibung der Wunder Jesu oder christlicher Charismatiker die Begriffe δυνάμεις (Machtta17 Vgl. Vögtle, LThK X (1965) 1257.

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Stand der Forschung

ten), σημεία (Zeichen) und τέρατα (außerordentliche Erscheinungen 18 ). Bei δυνάμεις steht dabei das Moment des personalen Machterweises im Vordergrund, während σημεία für sich genommen die Zeichen der atl Propheten (u.a. 1 Sam 2,34; 10,1-16) wachruft und in Verbindung mit τέρατα in deutlicher Bezugnahme auf das Exodusgeschehen (Ex 7,3; 11,9) die göttliche Urheberschaft solcher außergewöhnlichen, Verwunderung erregenden Ereignisse betont. In dieser Untersuchung wird der Begriff Wunder im überkommenen Sinne als Sammelbezeichnung für außergewöhnliche, aufsehenerregende Taten Jesu wie anderer Gestalten der Antike verwendet. Dieser Sprachgebrauch impliziert keine Vorentscheidung darüber, ob es sich bei einem sogenannten Wunder um ein rational erklärbares Ereignis oder um ein tatsächlich die Naturkausalität durchbrechendes und somit entweder supranaturalistisch zu interpretierendes oder für fiktiv zu haltendes Geschehen handelt.

b) Magie, Goetie, Schamanismus "Magic is a word with as many definitions as there have been studies of it." Diese Feststellung von J. Middleton 19 charakterisiert treffend das bislang erfolglose Bemühen, eine allgemeingültige oder auch nur annähernd konsensfähige Definition von Magie zu erzielen. Unterschiedliche soziokulturelle, theologische oder wissenschaftstheoretische Standpunkte der an diesem Prozeß der Begriffsbestimmung beteiligten Personen präjudizieren disparate Urteile über das Wesen von Magie und ihre Beziehung zu Religion wie Wissenschaft. Ausgangspunkt für eine Umschreibung von Magie muß die Frage sein, was antike Zeugnisse erster oder zweiter Hand expressis verbis unter ihr verstehen. Bei Herodot zeichnen sich die μάγοι durch mantische Fähigkeiten (Hist 1,107.120; VII, 19.37) und durch exorzistische Wetterbeeinflussung (VII,191) aus, wobei jeweils Tieropfern Bedeutung zukommt (VII,113.191). Für die μάγοι von Hippocr, Morb Sacr I,10ff., sind Sühneriten und Besprechungen gegen die Epilespie sowie ebenfalls Wetterkontrolle typisch. Bei Plinius besteht Magie, die in sich Züge von Medizin, Religion und Astrologie vereinigt (Hist Nat

18 Dem neuzeitlichen Wunderverständnis recht nahe kommt dabei Aristot, Gen An IV,4 (770B), wo τέρας als ein παρά φΰσιν gerichtetes Ereignis gilt. In der Profangräzität begegnet vielfach auch παράδοξον für Wunder. 19 Middleton, Theories of Magic 82. Vgl. grundsätzlich zur Definition von Magie ebda. 8 2 - 8 9 ; Segal, Hellenistic Magic 349-375; Luck, Arcana Mundi 3ff.; H.D. Betz, Magic in Greco-Roman Antiquity 93-97; Ratschow, TRE 21 (1991) 686-691.

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30,If.), in erster Linie aus sympathetischen Krankenheilungstechniken (u.a. Hist Nat 28,226-229.259f.). Apul, Apol 26, ist ein magus wesensmäßig dadurch gekennzeichnet, daß er durch Kommunikation mit den Göttern über wirkungsmächtige Beschwörungskräfte verfügt. In den Zauberpapyri, wo μαγεία auch exorzistischen Herbeiführungs- und Schadenszwang miteinschließt (PGM IV,2449.2453), wird qualitativ zwischen niederen Magiern mit "Werkzeug" und solchen μάγοι unterschieden, die sich allein eines Paredros bedienen (PGM IV,2081ff.). Die Suda (s.v. μαγεία) grenzt Magie als Anrufung guter Dämonen (έπίκληοις δαιμόνων άγαθοποιων) von Goetie ab.

Bei aller Vielfältigkeit des Bildes wird ein gemeinsamer Nenner erkennbar. Magie stellt in der Antike in erster Linie eine praktische Betätigung mit dem Ziel dar, durch eine Zwangsbeeinflussung oder Inanspruchnahme von Gottheiten, Dämonen und Naturgewalten die Realisierung bestimmter menschlicher Sehnsüchte oder Bedürfnisse zu betreiben. Neben Mantik, Wetterkontrolle und Krankheitsbekämpfung als den klassischen Betätigungsfeldern von Magie zählt grundsätzlich jede Art von Begünstigungs- oder Schadenszwang zu ihrem Wirkungsbereich. Maßgebliche Mittel zur Durchsetzung besagter Ziele sind neben Gebeten, Opfern, Sühneriten und sympathetischen Techniken nicht zuletzt auch Beschwörungsrituale. Bei einer sachlichen Bewertung von Magie im Gegenüber zu Religion und Wissenschaft war unter maßgeblichem Einfluß J.G. Frazers lange Zeit die Tendenz vorherrschend, Magie von der Warte bestimmter Religions- und Wissenschaftstheorien aus als Aberglaube, Pseudowissenschaft oder dekadentes kulturelles Phänomen abzuqualifizieren. Demgegenüber setzt sich in der Gegenwart zunehmend die Erkenntnis durch, daß sich keine klaren Trennungslinien zwischen Magie und Religion oder Magie und Wissenschaft ziehen lassen. Das Urteil darüber, ob jemand Magier oder göttlicher Mensch, Scharlatan oder Wissenschaftler, Quacksalber oder Arzt ist, wird entscheidend von seiner sozialen Reputation und der Konformität mit dem vorherrschenden Religions- und Wissenschaftsverständnis mitbestimmt 20 .

20 Vgl. Aune, Magic 1510-1516; Crossan, Historical Jesus 305-310 (310: "religion and magic, the religious miracle and the magical effect, are in no way substantively distinct"), grundsätzlich zur Diskussion um die gegenwärtige Bewertung von Magie in der Antike oder in "primitiven" Stammesgesellschaften die Beiträge in Kippenberg/Luchesi (ed.), Magie, und Petzoldt (ed.), Magie und Religion. - Die traditionelle Bezeichnung der PGM als "Zauberpapyri" wird in unserer Untersuchung beibehalten, ohne dabei die implizierte, grundsätzlich negative Bewertung der dortigen Magie als Zauber oder "Hokuspokus" zu teilen.

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Die Beziehung zwischen Magie und Religion war bereits in der Antike umstritten21. Grundsätzlich kann man Magie nicht den Charakter von Religion absprechen, da Magie maßgeblich mit der Beziehung zwischen Mensch und Gottheit zu tun hat und sich in der Verwendung von Gebeten oder Opfern wenn überhaupt, dann allenfalls unwesentlich von anderen Arten der Religionsausübung unterscheidet 22 . Die theologische Entscheidung über die Angemessenheit und Legitimität magischer Religionsformen stellt allerdings nicht uneingeschränkt eine Frage des subjektiven Standpunktes oder der gesellschaftlichen Machtstellung dar. Im Gegensatz zu solchen Formen von Religion, die unter der Voraussetzung einer prinzipiellen Unverfügbarkeit der Gottheit diese für sich gewinnen oder versöhnlich stimmen wollen, stellt die Zwangsbeeinflussung von Gottheiten ein maßgebliches Mittel magischer Religionsausübung dar 23 . Neben dieser Tendenz zu meist synkretistischem Götterzwang, der einer Durchsetzung von teilweise ohnehin fragwürdigen menschlichen Wünschen dient, markiert die Vernachlässigung ethischer Gesichtspunkte, wie sie insbesondere im Bereich des Schadenszaubers zu Tage tritt, ein entscheidendes Defizit bestimmter von Magie repräsentierten Formen der Religionsausübung24. Magie stellt keineswegs zwangsläufig eine problembehaftete oder negative Gestalt von Religion dar, tendiert aber in einer Vielzahl ihrer Ausübungsarten in diese Richtung. Ebensowenig, wie sich Magie aus dem Bereich von Religion ausgrenzen läßt, kann ihr der Charakter von Wissenschaft abgesprochen werden. Magie beruht auf bestimmten, dem Anspruch nach wissenschaftlichen Theorien über die verborgenen Kräfte der Natur und die Sym-

21 Während Plato die Magie des Zoroaster als θεων θεραπεία würdigt (Ale 1,122A), Diog Laert 1,6 zufolge sich Magier mit dem Wesen und U r sprung der Götter befassen und Apoll, Ep 17, der μάγος als Antitypos des άθεος begegnet, gilt Plinius die Magie als degenerierte Form von Religion (Hist Nat 30,If.). 22 Vgl. Nock, Paul and the Magus 313-315; Graf, Prayer in Magic and Religious Ritual 188ff.; Aune, Greco-Roman Prayer 787-795. 23 Vgl. die allerdings zu extreme Unterscheidung von Söderblom, The L i v ing God 35: "In religion man worships the deity. In magic man employs the deity for his own ends." Im Gegensatz zu Magie mit ihrem Glauben, an unbeschränkte menschliche Macht beginnt für Söderblom höherentwickelte, wirkliche Religion dort, wo der Mensch seine Ohnmacht gegenüber der Gottheit zu erkennen beginnt. 24 Vgl. H.D. Betz, Magic and Mystery 216. - Solche Kritik nimmt selbstverständlich die christliche Magie nicht aus, für die sowohl Schadenszwang (PGM.S 59-62) als auch die massive Beschwörung Jesu, helfend einzugreifen (PGM.S 36,13ff.), belegt ist.

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pathetik des Weltalls und ist dabei eng mit Astronomie, Alchemie und Pharmazie verbunden (Thessalos I Prooem; Plin, Hist Nat 30,2f.; Apoll, Ep 52). Magie war in der Antike nicht allein maßgeblich an der Herausbildung der Naturwissenschaften beteiligt 25 , sondern "funktionierte" auch in nicht zu unterschätzendem Umfang nach gewissen Gesetzmäßigkeiten, wovon sich beispielsweise Galen im Falle magischer Krankenheilungsanweisungen mehrfach überzeugen konnte (Gal XI,859f.; XII,207). Auf dem Gebiet der Krankheitsbekämpfung stellt allerdings eine entmythisierte, konsequent rationale Medizin, die unter Zurückweisung supranaturaler Krankheitsätiologien den natürlichen Ursachen von Krankheit nachgeht und die aus theoretischer Reflexion gewonnenen Heilungsmaßnahmen empirisch auf ihre praktische Tauglichkeit hin überprüft, eine Magie gegenüber fortgeschrittene, höherentwickelte Form von Wissenschaft dar 2 6 . Da μαγεία/μάγος bereits seit der nachplatonischen Zeit vielfach negativ besetzt ist, hat sich für Magie im positiven Sinne der aus sibirischinnerasiatischer Tradition stammende Begriff Schamanismus etabliert. Die entscheidenden Funktionen des Schamanen sind die eines Medizinmannes, der die verlorengegangene oder von bösen Geistern geraubte Seele des Kranken zu ihrem angestammten Platz im menschlichen Körper zurückbringt und dadurch Heilung bewirkt, eines Priesters, der durch Opferriten höhere Mächte versöhnt, und eines Totenführers, der den Seelen der Verstorbenen Geleit ins Jenseits gibt 27 . Schamanen sind in "primitiven" Stammesgesellschaften festetablierte, hochangesehene Mittler zwischen Menschheit und Gott, die über besondere Kontakte zu den Naturmächten verfügen und zur Kommunikation mit Tieren befähigt sind, Dämonen als Hilfsgeister in Anspruch nehmen und sich vorübergehend in ekstatischen Trancezuständen befinden, bei denen die Seele losgelöst vom Körper auf Jenseitsreise geht. Der Sache nach können antike Figuren wie Orpheus, Pythagoras oder Empedokles mit Schamanismus in Verbindung gebracht werden 2 8 . Als adäquate griechische

25 Vgl. zur Beziehung zwischen Wissenschaft und Magie in der Antike G.E.R. Lloyd, Magic, Reason and Experience 10ff. Empedokles vereinigte in sich Züge eines Magiers und Wissenschaftlers, Pythagoras war ungleich mehr ersteres als letzeres (vgl. Burkert, Weisheit und Wissenschaft 98-187; van der Waerden, Pythagoreer 364ff.). 26 Vgl. Edelstein, Greek Medicine 205-246. 27 Vgl. Eliade, R G G 3 V (1961) 1386-1388; ders., Art. Shamanism, The Encyclopedia of Religion 13 (1987) 201-208. 28 Dodds, The Greek and the Irrational 135-178; Luck, Arcana Mundi 11-13; Burkert, Weisheit und Wissenschaft 124-142. Grundlegend wurde die

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Bezeichnung für den neuzeitlichen Begriff Schamane kommt neben μάγος das ursprünglich einmal positiv besetzte Wort γόης in Betracht, das allerdings in spätantiker Zeit uneingeschränkt zu der schon im klassischen Griechisch vielfach bezeugten, diskreditierenden Bezeichnung für solche Personen wird, die der betrügerischen Zauberei oder niederen Magie bezichtigt werden 2 9 .

c) &είός άνήρ Der Begriff θειος άνήρ, seltener auch θειος άνθρωπος, hat sich in der Forschung als Bezeichnung für solche Personen der griechisch-römischen Antike eingebürgert, die aufgrund besonderer charismatischer, magischer oder wissenschaftlicher Befähigung über das allgemeinmenschliche Maß an Begabung herausragen 3 0 . Es handelt sich bei θειος άνήρ um einen in den einschlägigen Stoffen nur selten tatsächlich vorkommenden, übergeordneten Sammelbegriff für Gestalten, die ihrem personalen Selbstanspruch nach oder in den Augen dritter Personen als übermenschlich, göttlich inspiriert oder von einer Gottheit abstammend gelten. Von daher zielt der Versuch, unter Verweis auf die nur wenigen lexikalischen Belege von θείος άνήρ das Vorhandensein einer in unterschiedlichen Schattierungen ausgeprägten antiken Gottmensch-Konzeption in Frage zu stellen 3 1 , von vornherein ins Leere. Zu besagten Befähigungen eines θειος άνήρ zählen nicht zwangsläufig 32 , aber in hohem Maße Wundertaten, wobei sich die Figur des θειος άνήρ mit der des

Kontinuität zwischen antikem und neuzeitlichem Schamanismus von Meuli, Scythica 121-176, erwiesen. 29 Burkert, ΓΟΗΣ 36-55. Vgl. zu abwertendem γόης für μάγος Luc, Alex 5; Dio Cassius LXXVII 18,4; Orig, Cels 1,68, zu γόης als Gegenstück des Gottmenschen Iambl, Vit Pyth XXXII,216, zu Goetie als niederer oder schwarzer Magie Suda s.v. γοητεία. 30 Vgl. H.D. Betz, RAC XII (1983) 235ff., zur Forschungsgeschichte auch M. Smith, Divine Men 188ff.; Holladay, Theios Aner 1-43; Corrington, Divine Man 1-58; Koskenniemi, Apollonios in der ntl Exegese 64-164. 31 O. Betz, So-called "Divine Man" 275-283 (den 276, Anm.6 a b g e l i steten θείος άνήρ-Belegen ist Apoll, Ep 48,3, hinzuzufügen; zu θείος άνθρωπος vgl. u.a. Iambl, Vit Pyth XI,56); ähnlich Berger, Hellenistische Gattungen 1229-1231. 32 Gegen die uneingeschränkte Gleichsetzung von θείος άνήρ und Wundertäter erheben Tiede, Charismatic Figure lOlff.; Holladay, Theios Aner 236ff. u.ö., unter Verweis auf das Mosebild bei Philo und Josephus berechtigte Einwände, ohne daß dies allerdings gegen eine vereinbarungsgemäße Verwendung des Begriffes θεΤος άνήρ in oben beschriebenem Sinne spräche.

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herausragenden Magiers, Schamanen und Arztes überschneidet und sich namentlich bei Empedokles wie Apollonius die Beanspruchung einer göttlichen Natur expressis verbis von Mantik, Magie und Krankenheilungen ableitet (Emped, Fragm 102.132f.; Apoll, Ep 16f.). Durch weitreichende Schlußfolgerungen aus der θειος άυήρ- These und dadurch provozierte Gegenentwürfe ist die Debatte über weite Strecken ideologisch geprägt. Die Befürworter einer θειος άνήρ-Konzeption leiten aus ihr ein Verständnis der ntl Wundergeschichten als unhistorischer Produkte hellenistisch-christlicher Religionspropaganda ab (R. Bultmann, G. Petzke), stellen die Evangelien als aretalogische Biographien in den Rahmen antiker θειος άυήρ-Viten (Μ. Hadas, Μ. Smith) oder sehen in der θειος άνήρ- Christologie die maßgebliche Negativfolie der kanonischen theologia crucis (R. Bultmann, D. Georgi, Th.J. Weeden). Im Gegenzug sucht man die θειος άνήρ-Konzeption durch Destruktion von vornherein als Traditionshintergrund für das NT auszuschalten (C.R. Holladay) und schüttet dabei das Kind mit dem Bade aus. Hat es den θειος άνήρ als verbreiteten Typus in griechisch-römischer Zeit nicht gegeben, dann erscheint die genuin jüdische Herkunft und Historizität der ntl Wundergeschichten gesichert (0. Betz), die einsame Ausnahmestellung der Evangelien gegenüber hellenistischen Wundertäterbiographien gesichert (H.C. Kee) und Bultmanns Wunderhermeneutik die sachliche Grundlage entzogen (K. Berger). In unserer Untersuchung wird θείος άυήρ im oben beschriebenen Sinne als Sammelbezeichnung für antike Wundertäter mit übernatürlichem oder göttlichem Status verwendet, ohne daß dies zwangsläufig ein historisches Urteil über die ntl Wundergeschichten oder eine Ableitung der Evangeliengattung aus der aretalogischen Biographie impliziert.

d) Exorzismus In der theologischen Wissenschaft hat sich ein Sprachgebrauch etabliert, der Exorzismen und Dämonenaustreibungen fast uneingeschränkt gleichsetzt 33 . Dies ist aus doppeltem Grunde unsachgemäß. Exorzismen beschränken sich keineswegs auf Dämonenaustreibungen, und nicht bei jeder Dämonenaustreibung handelt es sich um einen Exorzismus.

33 Vgl. Theißen, Wundergeschichten 94ff.; Thraede, RAC VII (1969) 4 4 (Unter Exorzismus sei "die rituelle Vertreibung böser und schädlicher Mächte [ G e i s t e r ] aus bestimmten betroffenen Personen, Lebewesen und Gegenständen mithilfe bindender Vergegenwärtigung überlegener Gegenkräfte" zu v e r s t e -

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Exorzismus leitet sich etymologisch von εξορκισμός im Sinne magischer Beschwörung ab. Die Verben όρκίζειν und έξορκίζειν (unter Eid nehmen, beschwören) sind in der Antike stereotyp in den Zauberpapyri sowie auf Defixiones oder Amuletten als Zeugnissen angewandter Magie belegt. Dabei machen auf die Vertreibung von Krankheitsdämonen abzielende Exorzismen nur einen verschwindend geringen Anteil dessen aus, was tatsächlich an Beschwörung von Göttern oder Dämonen betrieben wurde 34 . Umgekehrt muß sich die Vertreibung von Krankheitsgeistern nicht zwangsläufig durch Exorzismen vollziehen. Gesundheitsschädigende Geister können beispielsweise auch durch sympathetische Techniken (z.B. Rauch, Schwefel, magische Gemmen) oder durch verbale Praktiken ohne eigentliche Beschwörung (Katadesmos, Ausfahrbefehl) zum Weichen gebracht werden. In Übereinstimmung mit diesen antiken Gegebenheiten wird in unserer Untersuchung grundsätzlich zwischen Exorzismus und Dämonenaustreibung unterschieden. Mit Exorzismus ist jede Art der magischen Beschwörung von Gottheiten oder Dämonen gemeint. Eine Dämonenaustreibung wird nur dann als exorzistisch bezeichnet, wenn sie sich tatsächlich durch Beschwörung des krankheitsverursachenden Geistes selber oder einer als Helfer in Anspruch genommenen Gottheit vollzieht. Klare Evidenz hierfür ist bei der Verwendung von (έξ)όρκίζω-Ροπηβ1η und von δρκοι oder έπωδαί gegeben.

hen); Böcher, TRE 10 (1982) 748 ("exorzistisch, d.h. durch Austreiben der Krankheitsdämonen"). Deutlich differenzierter Pfister, RAC II (1954) 169f. 34 Beliebte Anwendungsbereiche von Exorzismen sind etwa Wetterbeeinflussung (Clem Alex, Strom VI 31,2), Liebeszwang (PGM XXXVI, 189ff.; PGM.S 39,1.7) oder Schädigung von Feinden (PGM LXVI; PGM.S 54,4.30).

ΙΠ. Magie, Medizin und Wundercharismatikertum in der U m w e l t des NT 1. Hellenismus 1.1. Wissenschaftliche Medizin Die wissenschaftliche griechische Medizin sah sich in der Tradition des Asklepios und seiner Söhne Machaon und Podaleirius, die bei Homer wie ihr Vater als Ärzte begegnen (Ilias XI,833). Spätestens seit dem 6.-5.Jhdt.v.Chr. gelten in Griechenland Ärzte mit dem Implikat als Asklepiaden, daß sie ihre Heilkunst Asklepios verdanken und Nachfahren dieses Heilgottes und seiner Söhne sind1. Vermutlich haben an verschiedenen Orten, insbesondere Kos, Knidos und Rhodos (vgl. Gal X,5f.), ansässige Asklepiadengeschlechter die Heilkunst zunächst nur innerhalb der eigenen Familie von Generation zu Generation weitergereicht. Bei Formulierung des hippokratischen Eides, der ausdrücklich eine Weitergabe medizinischer Kenntnisse an nicht zur leiblichen Nachkommenschaft gehörige Personen voraussetzt, hat man sich die Asklepiaden als eine Ärztezunft oder -gilde vorzustellen 2 . Die Heilfertigkeiten der Asklepiaden scheinen sich dabei anfangs auf Wundversorgung und pharmakologische Praktiken beschränkt zu haben 3 .

1.1.1. Die Begründung wissenschaftlicher Heilkunst durch Hippokrates Als bedeutendster der Asklepiaden gilt Hippokrates, der um 460v.Chr. als Abkömmling einer Ärztefamilie in Kos geboren wurde 4 , als erster überhaupt die Medizin von der Philosophie getrennt und damit als ι Vgl. die "Ασκληπιάδαι-Befunde bei Edelstein/Edelstein, Asclepius I 104-107; zum Ganzen Edelstein/Edelstein, Asclepius II 54ff. 2 Vgl. Deichgräber, Ärztliche Standesethik 100-103. 3 Vgl. Plato, Res Publ III 4 0 7 E - 4 0 8 A ; Cels, Med Prooem 3; Gal V,869f. Zum Ganzen auch Kudlien, Beginn des medizinischen Denkens 3Iff. 4 Soran, Vit Hippocr 1 (vgl. zum Quellenwert Deichgräber, Epidemien 147-149; Krug, Heilkunst 40f.). Als Asklepiade aus Kos gilt Hippokrates bereits bei Plato, Prot 311B; Phaedr 270C (vgl. zur Bedeutung von Phaedr 270C für die Eruierung authentischer Hippokratesschriften Joly, Zeugnis 52ff.).

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

selbständige Wissenschaft etabliert haben soll (Cels, Med Prooem 8) und zudem als Begründer der diätetischen oder klinischen Medizin angesehen wird (Strabo XIV2,19; Plin, Hist Nat 2 9 , 4 ) 5 . Seit frühhellenistischer Zeit wird unter dem Namen des Hippokrates ein Corpus von letztlich über sechzig Schriften medizinischen Inhaltes tradiert 6 , deren Überlieferungsgeschichte und Authentizität in der Mehrzahl der Fälle kaum noch mit letzter Sicherheit aufzuhellen i s t 7 . Für die Eruierung authentischer Hippokratesschriften sind nach wie vor die Untersuchungsergebnisse von K. Deichgräber maßgebend, der durch einen Vergleich mit inschriftlichem Material überzeugend herausarbeitete, daß Hippocr, Epid I und III, als älteste der sieben Bücher über die Epidemien höchstwahrscheinlich ebenso auf Hippokrates persönlich zurückgehen, wie dies auch für die Epid I.III nahestehende Schrift Prognostikum der Fall i s t 8 . Zwei weitere Gruppen der Epidemienbücher, nämlich Epid II.IV.VI (Anfang 4.Jhdt. v.Chr.) und Epid V.VII (um 360v.Chr.), lassen sich gemeinsam mit einem breiten Kreis sachlich korrespondierender Schriften mit hoher Plausibilität der koischen Asklepiadenschule zuordnen und stehen inhaltlich unmittelbar in der Tradition von Hippokrates 9 , sind also zumindest der Sache nach "authentisch". Darüber hinausgehend hat H. Grensemann im Zuge des negativen Ausschlußverfahrens innerhalb des Corp Hippocr zahlreiche Partien oder Schichten eruiert, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf die mit den Asklepiaden von Kos konkurrierende Ärzteschule der benachbarten Halbinsel Knidos zurückgehen und vermutlich die ältesten Teile des Corp Hippocr überhaupt darstellen 1 0 . Bei aller Disparatheit hinsichtlich Form, Inhalt und Entstehungszeit seiner Einzelschriften repräsentiert das Corp Hippocr eine streng wissenschaftliche Medizin, die in die drei Hauptdisziplinen Diätetik (im Sinne einer Regelung der gesamten Lebensweise, nicht allein der E r nährung), Pharmakologie und Chirurgie zerfällt. Dabei ist neben weitreis Die dortige Behauptung, Hippokrates habe die diätetischen Anweisungen von den Votivtafeln am Asklepieion abgeschrieben, werden freilich durch die archäologischen Befunde als Fiktion entlarvt, denenzufolge das Asklepieion erst nach dem Tod des Hippokrates begründet wurde, s.u. III.1.2.3. 6 Ein Gesamtverzeichnis der hippokratischen wie pseudohippokratischen Schriften und ihrer Editionen bietet Fichtner, Corpus Hippocraticum 9ff. Zudem erleichtern zwei Indices die Erschließung des Corp Hippocr (Maloney/ Frohn, Concordantia in Corp Hippocr; Kühn/Fleischer, Index Hippocraticus). 7 Vgl. zur Forschungsgeschichte Diller, Hippokratesforschung 29ff.; Deichgräber, Epidemien 173-185 (Nachtrag). 8 Deichgräber, Epidemien 9-23. W.D. Smith, Hippocratic Tradition 4 4 - 6 0 , hält hingegen Hippocr, Vict, für authentisch. 9 Deichgräber, Epidemien 24-146. Vgl. zur koischen Asklepiadenschule Sherwin-White, Ancient Cos 256-289. 10 Grensemann, Knidische Medizin I 46ff.; ders., Knidische Medizin II 1 Iff. Vgl. auch Lonie, Knidische Schriften 83ff.; Diller, Hippokratesforschung 42f.

Wissenschaftliche Medizin

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chenden praktischen Erfahrungen in der Therapie auch ein hohes Maß an theoretischer Reflexion über die Krankheitsursachen erkennbar. Im Hinblick auf die strenge Abgrenzung von magisch-kathartischen Heilpraktiken kommt der höchstwahrscheinlich nicht von Hippokrates selber abgefaßten, aber wohl noch im 5Jhdt.v.Chr. entstandenen Schrift De morbo sacro11 zentrale Bedeutung zu, da die hier erstmals vom streng rationalen Standpunkt aus vollzogene Bekämpfung supranaturaler Epilepsieätiologien für das gesamte medizinische Denken der Folgezeit richtungsweisend wurde, ohne allerdings volkstümliche Behandlungsmethoden dauerhaft wirkungslos machen zu können.

Exkurs: Die "Heilige Krankheit" und ihre Behandlung Die meist auf dämonische Besessenheit zurückgeführte Epilepsie galt in der Antike grundsätzlich als die "heilige" oder "große Krankheit"12. Die Erklärungen für das Zustandekommen dieser Bezeichnungen differieren. Hippocr, Morb Sacr, zufolge propagierten in erster Linie "Magier und Entsühner" (μαγοί τε και καθαρταί 1,10; vgl. Philo, Spec Leg 111,101) die Epilepsie aus Hilflosigkeit ihr gegenüber als heilige Krankheit (I,10f.) und sahen in sämtlichen Erscheinungsformen des Leidens bestimmte Götter am Werke (I,32ff.). Aretaios hingegen erklärt sich die Bezeichnung ιερή πάθη dahingehend, daß die Epilepsie auf eine Versündigung gegen den Mond zurückgeführt wurde. Alternativ komme die Größe des Leidens (vgl. Plato, Tim 85A-B), die als gottgewirkt erscheinende Heilung davon sowie der Glaube an seinen dämonischen Ursprung oder alles zusammen für das Zustandekommen des Namens "heilige Krankheit" in Betracht (Aret III 4,2).

Diese supranaturalen Epilepsieätiologien führten dazu, daß neben diätetisch-pharmakologischen Behandlungsmethoden auch kathartischen Riten und sympathetischen Praktiken ein maßgeblicher Stellenwert zukommt. Die Magier und Eritsühner von Hippocr, Morb Sacr, führten

11 Vgl. zur Stellung von Morb Sacr innerhalb des Corp Hippocr Deichgräber, Epidemien 123-127 (Es handele sich um eine vor 400v.Chr. entstandene Schrift, deren Autor in sachlicher Nähe zu den älteren Epidemiebüchern stehe, ohne mit einem von deren Verfassern identisch zu sein), und Grensemann, "Über die heilige Krankheit" 7-27, der vereinzelte Bezüge zu knidischen Lehrsätzen ausmacht. Anders etwa Pohlenz, Hippokrates 31-35.79, der von Authentizität der Schrift ausgeht. 12 Hippocr, Morb Sacr 1,1 u.ö. (ιερή νόσος); Aret III 4,4 (ιερή πάθη); Cels, Med III 23,1 (morbus ... qui comitialus vel maior nominatur). Vgl. Temkin, Falling Sickness 6ff.

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Epilespie auf Schuld (μίασμα), Plagegeister (άλάστοραι) oder m e n s c h l i c h e n Schadenszauber zurück und suchten sie mit Sühneriten und B e sprechungen (καθαρμοΐσί τε χρέωνται και έπαοιδξσι) unter Verwendung von Blut zu heilen (I,39f.) 1 3 . Blut galt überhaupt als e i n e s der wirkungsvollsten Mittel gegen Epilepsie, wobei n e b e n seiner reinigenden oder sühnenden Wirkung auch der Aspekt der Kraftübertragung eine e n t s c h e i dende Rolle spielte. Cels, Med III 23,7, erwähnt als "klägliches Mittel" (miserum auxilium) gegen die Epilepsie das Trinken des noch warmen Blutes eines getöteten Gladiators (vgl. Scrib Larg, Compos 17; Plin, Hist Nat 28,4; Tert, Apol 9,10). Aretaios will sogar persönlich gesehen haben, wie Epileptiker das Blut eines gerade Erstochenen in einer Schale auffingen und zu sich nahmen (εθεησάμην δε άνθρωπου νεοσφαγέος ΰποθέντας φιάλην τω τρώματι και άρυσαμένους τοΰ αίματος πίνοντας Aret VII 4,7). Gefallene Epileptiker wurden durch Bestreik e n des Mundes oder der Füße mit Blut wieder aufgerichtet (Plin, Hist Nat 28,43.83). Über Blut hinaus wurden in der volkstümlichen Medizin mit magis c h e m Einschlag zahlreiche weitere Rezepte gegen Epilepsie empfohlen. Kallimachos, Aitia III (Fragm 75), ist von Krankheitsübertragung auf Ziegen die Rede. D i o s c , Mat Med II 56, überliefert ein sympathetisches Ritual unter Verwendung von S c h w a l b e n 1 4 . Aret VII 4,7f. b e z e u g t den Genuß von Geierhirn, rohen Möwenherzen, Wieseln und selbst von M e n s c h e n l e b e r als beliebtes Mittel bei Epilepsie. Nicht z u l e t z t Plinius überliefert vielfältige volkstümliche Praktiken gegen den comitialus

13 Grundsätzlich besteht kein Anlaß, sich das Hippocr, Morb Sacr, vermittelte Bild von den "Magiern und Entsühnern" als inkompetenten Quacksalbern und Scharlatanen unkritisch zu eigen zu machen. Es hat sich um Personen mit medizinischen Kenntnissen aus dem Bereich der Diätetik (Morb Sacr I,10ff.) und mit vermutlich ähnlich hoher Reputation gehandelt, wie sie Epimenides, Pythagoras oder Empedokles als καθαρταί genossen. Der gelegentlich mit Hippocr, Morb Sacr I,39f., in Verbindung gebrachte Menekrates Zeus (4.Jhdt.v.Chr.), der zahlreiche Personen von der "heiligen Krankheit" heilte und im Gegenzug dazu verpflichtete, ihm in Götterverkleidung als himmlischer Hofstaat zu dienen (Athen, Deipnosoph VII,289AB, vgl. dazu Weinreich, Menekrates Zeus 4ff.), verfaßte ein wissenschaftliches Werk über die Heilkunst (Anon Lond 22) und gilt in der Suda (s.v. Μενεκράτης) als ιατρός. 14 "Die Jungen der Schwalbe (χελιδών) aus der ersten Brut schneide bei wachsendem Monde auf, und du wirst im Magen Steine finden (vgl. Plin, Hist Nat 11,203; 21,91). Von diesen nimm zwei, einen bunten und einen schlichten, gib sie, bevor sie die Erde berührt haben, in die Haut von einem Kälbchen oder Hirsch und binde sie an den Arm oder Nacken, so wirst du den Epileptikern Hilfe bringen, oft aber wirst du sie auch ganz heilen."

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morbus, deren Herkunft aus dem Bereich der antiken Magie er teilweise ausdrücklich hervorhebt 15 . Hist Nat 28,99 zufolge empfehlen Magier (28,92) bei Epilepsie die Aufbewahrung des Rückenwirbels von Hyänen. Epileptikern werde Ziegenfleisch, auf dem Scheiterhaufen eines Menschen geröstet, verabreicht, wie die Magier es wollen (Hist Nat 28,226: ut volunt magi). Zudem träufelten die Magier Ziegenhirn, durch einen goldenen Ring getrieben, den Kindern gegen Epilepsie ein (Hist Nat 28,259). Darüber hinaus finden sich bei Plinius zahlreiche volkstümliche Epilepsierezepte, die der Sache nach magisch sind 16 . Auch bei den gegen Epilepsie verwendeten magischen Gemmen oder Amuletten im ersten Buch der Kyraniden (Kyr 113,16-22; 117,15-17; 119,9-17) sind neben pharmakologischen Aspekten sympathetisch-okkulte Kraftvorstellungen von großer Bedeutung. Die Wirksamkeit der Gemmen hängt davon ab, daß sie aus einer Pflanze, einem Vogel, einem Fisch und einem Stein hergestellt sind, deren Namen jeweils mit dem gleichen Buchstaben anfangen und die als Repräsentanten der vier Elemente Erde, Luft, Wasser, Feuer fungieren. Auf diese Weise ist eine Aktivierung der verborgenen Kräfte des gesamten Universums gewährleistet. *

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Demgegenüber erweist sich für den Verfasser von Morb Sacr die Epilepsie in nichts göttlicher als alle übrigen Leiden und ist wie jede Art von Krankheit auf natürlichem Wege rein medizinisch heilbar, ohne daß es magischer Praktiken oder Sühneriten bedürfte (XIII,13; XVIII,1-2.6).

15 In Hist Nat 2 8 - 3 2 , mit einem Ubergewicht an magischen Rezepten eine der wichtigsten Quellen für die antike medicina magica schlechthin, ist Plinius in hohem Maße von den verlorengegangenen Heilmittellehren des Anaxilaos und des Xenokrates, der wegen seiner magischen Tendenzen von Galen heftig kritisiert wurde (Gal XI,793), abhängig. Vgl. zur Quellenlage in Plin, Hist Nat 20-32, Hanslik, PRE 41 (19S1) 341-392. Die Belege für expressis verbis magische Rezepte bei Plinius sind im Hist Nat-Index von Schneider, Bd. II 5-7 (s.v. magus) zusammengestellt. 16 So begegnen als Heilmittel gegen Epilepsie das Hirnwasser eines Toten (Hist Nat 28,7), das Fleisch von Tieren, mit einem Pfeil erlegt, der bereits Menschen tötete (28,34), oder ein Trank aus verbrannten Schwalben und Wieseln (30,34). Vgl. ferner Hist Nat 28,63: Ein eiserner Nagel, dort eingeschlagen, wo ein stürzender Epileptiker erstmals aufschlug, verschafft B e freiung von dieser Krankheit. Vermutlich ist hier an die Vertreibung eines die Epilepsie verursachenden Dämons gedacht, denn Eisen galt als dämonenbannend (Tambornino, De antiquorum daemonismo 83; Hopfner, PRE 27 [1928] 326).

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Es handelt sich um eine bereits durch Fehlentwicklungen beim Embryo entstehende Phlegmakrankheit, deren Ursache im menschlichen Hirn liegt. Das Leiden beruht auf einer im Mutterleib unzureichend vollzogenen Reinigung des Gehirns von Feuchtigkeitsstoffen (V,l-6). Das aufgrund übermäßiger Flüssigkeit im Hirn durch zu starke Kälte gekennzeichnete Phlegma, eine der vier Körperflüssigkeiten in der hippokratischen Humoralpathologie, löst auf seinem Weg durch den menschlichen Körper die Epilepsie aus, indem es zu Absperrungen der Luftzufuhr und zu einer Erstarrung des warmen Blutes kommt (VII,1-15). Bei der Therapie geht es dementsprechend darum, den Idealzustand einer ausgewogenen Mischung in der Beschaffenheit der Körpersäfte herzustellen, wobei die überproportional vorhandene Körperqualität durch das ihr Feindliche aufgerieben werden soll. Im konkreten Falle bedeutet dies, daß die übermäßige Feuchtigkeit des Gehirns durch Zufuhr von Wärme bekämpft wird und geeignete diätetische Maßnahmen zur Regelung des Verhältnisses von Trockenheit und Feuchtigkeit, von Wärme und Kälte im Körper ergriffen werden (XVIII,3-6) 17 .

1.1.2. Ärzteschulen um die Zeitenwende

a) Aretaios von Kappadokien und die Pneumatikerschule Um die Zeitenwende lassen sich innerhalb der wissenschaftlichen, in der Tradition des Corpus Hippocraticum stehenden Medizin 18 drei Hauptströmungen unterscheiden, nämlich die Theoretiker (δογματικοί, λογικοί o.a.), die Empiriker (εμπειρικοί) und die Methodiker (μεθοδικοί)19. Die

17 Vgl. zu dieser auf Eukrasie abzielenden "allopathischen" Therapie Grensemann, "Uber die heilige Krankheit" lOlf. 18 Hauptquellen für die wissenschaftliche Medizin des ntl Zeitalters sind - neben dem kontinuierlich tradierten, teilweise auch kommentierten Corp Hippocr - die Werke einschlägiger Ärzte, Pharmakologen oder medizinischer Schriftsteller aus dem l.Jhdt.n.Chr., und zwar in erster Linie Celsus, Scribonius Largus, Aretaios, Dioskurides, Herodot als mutmaßlicher Verfasser der pseudogalenischen Schrift Introductio sive medicus (Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1167f.), mit Einschränkung auch der ältere Plinius, der Hist Nat 20-32 maßgeblich auf der verlorengegangenen, auch von Diosc benutzten Heilmittellehre des Sextius Niger basiert (Riddle, Dioscorides 14-19). Aus dem 2.Jhdt.n.Chr. besitzt neben Rufus von Ephesus insbesondere Galen wegen seiner Rezeption älterer medizinischer Tradition unschätzbare Bedeutung. Ein hoher Quellenwert kommt zudem den späteren medizinischen Werken von Marcellus Empiricus (4.Jhdt.), Oribasius (4.Jhdt.), Caelius Aurelianus (5.Jhdt.), Alexander von Tralles (6.Jhdt.) und Paulus Aegineta (7.Jhdt.) zu, die stark enzyklopädisch orientiert sind und zahlreiche alte Exzerpte oder Rezepte des uns interessierenden Zeitraumes enthalten. 19 Vgl. Cels, Med Prooem 9ff., und bes. Gal 1,117: τρεις S' είσίν έν ιατρική αιρέσεις· η τε των λογικών και των εμπειρικών και των μεθοδικών.

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oben skizzierte Schrift Hippocr, Morb Sacr, mißt neben praktisch erworbenem Wissen auch abstrakter Reflexion über die physiologischen Vorgänge und über die krankheitsverursachenden Fehlentwicklungen im menschlichen Körper hohe Bedeutung bei und ist damit - wie auch andere Schriften des Corp Hippocr - im Prinzip der theoretischen Medizin (medicina rationalis) zuzurechnen, deren Erkenntnisinteresse sich in der Folgezeit programmatisch auf vier Punkte richtete. Die Theoretiker wollten möglichst viel über die verborgenen wie die offenbaren Krankheitsursachen, über die natürlichen Verrichtungen des Körpers und schließlich auch über seine innere Beschaffenheit in Erfahrung bringen, wobei letzteres die Autopsie und insbesondere in Alexandria sogar die Vivisektion einzelner zum Tode verurteilter Verbrecher miteinschloß (Cels, Med Prooem 13-26). In der ersten Hälfte des lJhdt.n.Chr. vollzog sich unter Einfluß der mittleren Stoa eine Weiterentwicklung der theoretischen oder dogmatischen Medizin zur Pneumatikerschule 20 , als deren Begründer Galen sogar den Stoiker Chrysipp ansieht (Gal VIII,631), die aber in Wirklichkeit auf Athenaios von Attalia zurückgeht 21 . Eine der frühesten wie wichtigsten Figuren der Pneumatikerschule überhaupt war Aretaios von Kappadokien, der zu den herausragenden Ärzten des lJhdt.n.Chr. zählt und erst in jüngerer Zeit zunehmend in seiner vollen Bedeutung erfaßt wird, nachdem sich die von M. Wellmann etablierte und über Jahrzehnte hin unangefochtene Spätdatierung des Aretaios in die Wende von zweiten zum dritten Jahrhundert als nicht länger aufrechtzuerhalten erwies. Dioskurides, der um 60 - 78n.Chr. schrieb 2 2 , zitiert Aretaios in Simpl Med 11119,2 ( Ά ρ ε τ α ΐ ο ς i\ι τοις νεφριτικοΐς εγραψεν). Μ. Wellmann, der bereits unabhängig von der zunächst für pseudepigraph gehaltenen Dioskuridesschrift Simpl Med eine Datierung von Aretaios in die Zeit nach Galen etabliert h a t t e 2 3 , erklärte später besagte Stelle Diosc, Simpl Med II 119,2, zur Glosse, nachdem er zur Einsicht in die Echtheit der Schrift gelangt w a r 2 4 . Daß diese Beurteilung des Aretaioszitates als Glosse ohne hinreichende

20 Vgl. Gal VIII,642: αρέσκονται γ α ρ ούτοι πάντες οΐ πνευματικοί κ α λ ο ύ μενοι τοις άπό της στοάς δόγμασιν. 21 Vgl. zu den Ursprüngen der Pneumatikerschule Wellmann, Pneumat. Schule 5ff.; Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1177ff. 22 Vgl. zur Datierung Riddle, Dioscorides 13f. 23 Wellmann, Pneumat. Schule 23-64, bes. 63f. 24 Wellmann, Die Schrift des Dioskurides Περί απλών φαρμάκων 3 8 - 4 0 ; vgl. Dioskurides ed. Wellmann Bd. III 298, zur Diskussion um die Echtheit von Diosc, Simpl Med, auch Riddle, Dioscorides XXVIf.

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Anhaltspunkte bleibt und zudem weitere gewichtige Indizien für eine Wirksamkeit des Aretaios in der Mitte des l.Jhdt.n.Chr. sprechen, hat F. Kudlien 1965 überzeugend herausgearbeitet 25 . Während sich die von Diosc, Simpl Med II 119,2, her ohnehin naheliegende Datierung des Aretaios in die Mitte des l.Jhdt.n.Chr. in Philologen- und Medizinhistorikerkreisen durchgesetzt hat, zeigen sich theologische Werke völlig unberührt davon 26 .

Die besondere Hochachtung des Aretaios gegenüber der hippokratischen Medizin kommt bereits in seinem schriftstellerischen Stil zum Ausdruck. Aretaios schreibt in bewußter Imitation des Corp Hippocr im ionischen Dialekt und versucht zudem auch durch verstärkte Rezitation von Homer den Stil der hippokratischen Schriften nachzuahmen 27 . Deutlich erkennbar ist bei Aretaios der Einfluß der Stoa auf die medizinische Theoriebildung. Neben der stoischen Lehre von der eingepflanzten Wärme (έμφυτος θέρμη)28 spielt dabei das Pneumaverständnis der Stoa eine entscheidende Rolle 29 . Chrysipp zufolge zirkuliert das stofflich gedachte Pneuma, von dem menschlichen Herzen als seinem Zentralsitz (SVF II 897) ausgehend, durch den gesamten Organismus (SVF II 826,8-10). Diese Vorstellung vom Pneuma als derjenigen substantiellen Kraft, die den menschlichen Körper durchflutet und belebt, ist auch bei Aretaios wirksam. Das gesamte körperliche wie seelische Wohlbefinden des Menschen wird von der sachgemäßen Beschaffenheit des Pneuma bzw. der ihm zugerechneten Qualitäten Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit in Abhängigkeit gesehen. Gesundheit beruht für Aretaios wie für die gesamte Pneumatikerschule auf einer Spannung (τόνος) 30 des Pneuma sowie auf einer harmonischen Mischung (φύσις εύκρατος) der ihm zugeordneten Grundqualitäten (vgl. bes. Aret 113,5). Umgekehrt stellt Krankheit grundsätzlich das Resultat einer Unausgewogenheit, negativen Veränderung oder sonstigen Fehlentwicklung im Pneuma dar.

25 Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1162ff.; vgl. ders., Kleiner Pauly I (1964) 529. 26 Kee, Medicine, erwähnt Aretaios mit keinem Wort, während er auf die deutlich späteren Ärzte Rufus und Galen ausfuhrlich eingeht. In der sechsten Auflage des Bauer'schen Wörterbuches wird als Lebenszeit des Aretaios nach wie vor das 2.Jhdt.n.Chr. angegeben (Bauer-Aland XIII). 27 Vgl. dazu Deichgräber, Aretaeus 19-29. 28 Aret IV12,3f. ; IV 13,9; VI 11,3 u.ö.; vgl. SVF II 410,19. 29 Vgl. zu Aretaios als Pneumatiker Wellmann, Pneumat. Schule 23ff.l31ff.; Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1176ff.; Stannard, Philosophie Theory 30ff.; zum Ganzen auch Pohlenz, Stoa I 362f. 30 Aret 113,5; vgl. SVF 11471,31-33.

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Im Falle der Epilepsie ziehen mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten des eingeschlossenen Pneuma (πνεΰμα έγκαχειρχθέν) die Krankheit nach sich (Aret 15,7). Ansonsten resultiert die krankheitsverursachende Verderbnis des Pneuma auf einer unausgewogenen Mischung (Dyskrasie) der Elementarqualitäten oder der eingeborenen Wärme (IV 12,4). Die Synanche beispielsweise, eine Erscheinungsform der Angina, wird auf einen zu hohen Grad von Trockenheit und Wärme des Pneuma zurückgeführt (Aret 17,2). Die Mehrzahl der Krankheiten gilt als Resultat einer übermäßigen Feuchtigkeit oder zu starken Kälte im Pneuma 3 1 . Diesen Krankheitsätiologien, denenzufolge sämtliche Leiden des menschlichen K ö r p e r s durch eine negative Veränderung in der B e s c h a f fenheit des Pneuma hervorgerufen werden, tragen die von Aretaios empfohlenen Behandlungsmethoden konsequent Rechnung. Grundsätzlich geht e s darum, durch geeignete Mittel die im Körper zu Krankheitserscheinungen führende Dominanz von übermäßiger Wärme, Kälte, Feuchtigkeit oder Trockenheit im Pneuma zu regulieren und letztlich eine ausgewogene Mischung der verschiedenen Qualitäten zu bewirken. In der Mehrzahl der Krankheitsfälle s e t z t die Therapie mit Blutentzug durch Aderlaß und mit Verabreichung von Abführmitteln ein, bevor sich diätetisch-pharmakologische und teilweise auch physiotherapeutische B e handlungsmethoden anschließen. Der Chirurgie im engeren Sinne kommt dagegen eine eher untergeordnete Rolle z u 3 2 . Neben der festen Überzeugung des Aretaios, daß die Heilung von schwerer Krankheit letztlich in göttlicher Hand liegt (Aret IV1,1), ist seine konsequente Absage an j e d e Form magisch-sympathetischer Heilkunst bemerkenswert. Dies zeigt sich insbesondere in den Ausführungen über die Kur der Epilepsie, wo Aretaios allein wegen der besonderen Schwere der Krankheit und der daraus resultierenden Verzweiflung bei den Betroffenen auch mehrere magisch-volkstümliche Rezepte erwähnt, deren Wirksamkeit ihm freilich mehr als zweifelhaft erscheint (Aret VII4,7f.). Mit dieser Haltung erweist sich Aretaios als kompromißloser Vertreter der wissenschaftlichen hippokratischen Medizin, während der von ihm abhängige, ebenfalls der Pneumatikerschule zugehörige Archigenes (Anfang 2. Jhdt.n.Chr.) der magischen Pharmakologie und der Verwendung von Amuletten gegenüber aufgeschlossen w a r 3 3 . 31 Vgl. etwa die Ausführungen zu den Ursachen von Wassersucht (IV 1,2) und Diabetes (IV2,1); zum Ganzen Wellmann, Pneumat. Schule 157ff. Speziell zum religiösen Wahnsinn Aret III 6,11 vgl. Kollmann, Mysterienweihe bei Aretaios 252-257. 32 Aret VII 4,3 ist freilich bei der Therapie der Epilepsie, gegen die man "große und sehr mächtige" Mittel zur Anwendung bringen muß, von einem komplizierten chirurgischen Eingriff am Kopf die Rede. 33 Archigenes bei Alex Trail 1,15 (Puschmann Bd.I 561-563.567); Gal XII,573-576. Vgl. auch Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1171-1173.

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b) Die Empiriker Nicht zuletzt extreme Strömungen in der theoretischen Medizin, unter Vernachlässigung der praktischen ärztlichen Erfahrung den Schwerpunkt auf philosophisches Spekulieren über die verborgenen Krankheitsursachen und die Physiologie des Körpers zu verlagern, evozierten das Auftreten der Empiriker, über deren Entstehung differierende Traditionen überliefert sind 3 4 . Quellenmäßig sind wir über die Empirikerschule und ihre Lehren fast ausschließlich durch deren Rezeption bei Nichtempirikern informiert. Neben Cels, Med Prooem, und der pseudogalenischen Introductio kommt dabei insbesondere den Galen-Schriften περί της ιατρικής εμπειρίας und Subfiguratio empirica maßgebliche Bedeutung zu 3 5 . Während Plinius den Ursprung der Empirikerschule in Sizilien bei Akron von Akragas (5.Jhdt.v.Chr.) sieht (Hist Nat 29,5) 36 , gilt dem Verfasser der Introductio Philonos von Kos (um 250v.Chr.) als Begründer der empirischen Medizin (Gal XIV,683). Cels, Med Prooem 10, zufolge lehrte hingegen Serapion von Alexandria (um 200v.Chr.) als erster, daß theoretische Lehren nicht zur Heilkunde gehörten, sondern diese allein auf praktischer Erfahrung wie auf Experimenten beruhe. Um die Zeitenwende hat die empirische Medizin ihre wichtigsten Vertreter in Herakleides von Tarent, Apollonius von Kition (beide l.Jhdt.v.Chr.) und Zeuxis (um 50n.Chr.), die insbesondere durch ihre umfassende Kommentierung von Hippokratesschriften hervortraten 37 . Gedanklich zeigt sich die empirische Medizin in hohem Maße vom Skeptizismus geprägt 38 . Dessen grundsätzliche Zweifel an der Möglichkeit objektiver menschlicher Erkenntnis wird von den Vertretern der empirischen Medizin gegen das Axiom der Theoretiker geltend gemacht, daß eine Reflexion über die verborgenen Krankheitsursachen und eine Erkundung der Anatomie wie Physiologie des menschlichen Körpers un-

34 Vgl. dazu Wellmann, PRE 10 (1905) 2517; Deichgräber, Empirikerschule 254ff. 35 Die griechisch-römischen Fragmente der Empirikerschule einschl. einer Rückübersetzung der nur lateinisch erhaltenen Galenschrift Subfiguratio empirica ins Griechische bietet Deichgräber, Empirikerschule 37-249. Galens Frühschrift περί της ιατρικής εμπειρίας (um 150n.Chr.) ist in einer englischen Übersetzung aus dem Arabischen zugänglich (ed. R. Walzer). 36 Für Sizilien spricht zudem, daß der dortige Arzt Diokles aus Karystos (Mitte 4.Jdt.v.Chr.) spekulative Krankheitsätiologien ablehnte und der Erfahrung Vorrang einräumte (Jaeger, Diokles von Karystos 37-40; Kudlien, Probleme um Diokles 197f.). 37 Vgl. Deichgräber, Empirikerschule 258-263; W.D. Smith, Hippocratic Tradition 211-215. 38 Vgl. Deichgräber, Empirikerschule 279-281; Edelstein, Skepsis 296ff.

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abdingbare Aufgaben der wissenschaftlichen Medizin darstellten. Dem wird mit einer doppelten Argumentationsstruktur entgegengetreten: Gesicherte theoretische Erkenntnis läßt sich in der Mehrzahl der Fälle von vornherein nicht erzielen, und selbst wo dies anders ist, kann der Empiriker auf sie verzichten, da er bereits unabhängig von der Theorie auf dem Wege der praktischen Erfahrung die notwendigen Kenntnisse gewonnen hat. So stößt die Erforschung der verborgenen Krankheitsursachen mit der Begründung auf Ablehnung, daß die Natur unbegreiflich sei, wie sich bereits an den differierenden, einander teilweise widersprechenden Krankheitsätiologien der Theoretiker zeige (Cels, Med Prooem 27ff.). Zudem deckten sich spekulative, Allgemeingültigkeit beanspruchende Krankheitstheorien nicht mit der praktischen Erfahrung, daß ein- und dieselbe Krankheit den lokalen Gegebenheiten entsprechend an verschiedenen Orten unterschiedliche Behandlungsmethoden erfordere (Cels, Med Prooem 30). Selbst wenn hier gesicherte E r kenntnisse möglich wären, erwiesen sie sich für die empirische Medizin als entbehrlich, da diese bereits eigenständig auf praktischem Wege die sachgerechte Therapieform erkannt habe (vgl. Gal X,104). Ähnliche Skepsis wird gegenüber der Prämisse der Theoretiker geltend gemacht, eine Sektion von Verstorbenen oder noch Lebenden verhelfe zu gesicherter Erkenntnis über die Anatomie und Physiologie des Körpers. Nichts sei törichter als die Wahnvorstellung, im lebenden Körper seien die Teile ebenso beschaffen, wie dies im sterbenden oder bereits toten Körper der Fall ist (Cels, Med Prooem 42). Zudem sei die grausame Autopsie schon aus dem Grunde nutzlos, daß ihre wenigen verwertbaren Ergebnisse ohne weiteres auch bei der praktischen Behandlung schwerstverwundeter Gladiatoren, Soldaten oder Verbrechensopfer gewonnen werden könnten (Prooem 43).

Positiv werden von den Empirikern als Quellen ärztlicher Erkenntnis die eigene Beobachtung (αυτοψία od. τήρησις, observatio) oder Erprobung (πείρα, experimentum) sowie die ιστορία im Sinne der geschichtlich überlieferten, auf ihre Glaubwürdigkeit hin geprüften empirischen Erkenntnis früherer Mediziner anerkannt. Vervollständigt wird die Trias durch das Analogieverfahren (ή του ομοίου μετάβασις), indem die aus bestimmten Therapieerfahrungen gewonnenen Erkenntnisse auf neue, ähnlich gelagerte Krankheitsfälle übertragen werden 3 9 . Die Heilkunde ist nach Überzeugung der Empiriker ohnehin von vornherein aus Experimentieren und Beobachten entstanden; wie ein Landwirt oder Steuermann verdankt auch ein Arzt seine Qualifikation allein der praktischen Erfahrung (Cels, Med Prooem 32f.; Gal, περί της ιατρικής εμπειρίας IX,2ff.).

39 Vgl. zu diesen für die Empiriker maßgeblichen Erkenntnisquellen insbes. Gal, Sub Emp Ulf. (Deichgräber, Empirikerschule 46-51.291ff.; Atzpodien, Galens Subfiguratio Emperica 30-34.80ff.).

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Bei den Behandlungsmethoden kommt der Pharmakologie ein hervorgehobener Stellenwert zu.

c) Die Methodikerschule Eine Mittelstellung zwischen Theoretikern und Empirikern nehmen die Methodiker ein, die mit ihrer pragmatischen Vorgehensweise die römische Medizin des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. dominierten und von Galen auf das entschiedenste bekämpft werden. Mit den Verfechtern der theoretischen oder dogmatischen Richtung in der Medizin teilen die Methodiker die Überzeugung, daß die Erfahrung nur einen beschränkten Teil der Heilkunst ausmacht, da in der reinen Beobachtung der Erfahrungstatsachen zu wenig Wissenschaft stecke (Cels, Med Prooem 57: parum artis esse in observatione experimentorum). Umgekehrt wird gegen die Theoretiker geltend gemacht, daß die Heilkunde nicht auf Vermutungen über verborgene Dinge beruhe. Vielmehr genüge es völlig, drei allen Krankheiten gemeinsame Züge (communia morborum) zu beachten und dabei zwischen akuten und chronischen Leiden zu differenzieren (Prooem 5 4 - 5 6 ) . Ihre volle Ausprägung gewann die Methodikerschule unter Themison (frühes l.Jhdt.n.Chr.) und Thessalos, einem Zeitgenossen Neros 40 . Als ihr ideeller Begründer kann freilich, wie der Verfasser der pseudogalenischen Introductio mit Recht vermerkt (Gal XIV,684), der Bithynier Asklepiades von Prusa, Lehrer des Themison (Plin, Hist Nat 29,6), gelten. Da Asklepiades aufgrund seiner besonderen ärztlichen Befähigung, welche die Wiederbelebung eines Totgeglaubten miteinschloß, als Gesandter des Himmels verehrt wurde, ist seinen für die Methodiker in gewissem Maße repräsentativen Krankheitstheorien und Behandlungsmethoden im Zusammenhang mit dem antiken Gottmenschentum näher nachzugehen (III.1.4.3.).

40 Vgl. zur historischen Bewertung der unterschiedlichen antiken Nachrichten von der Gründung der Methodikerschule Edelstein, Methodists 173ff. (dt. PRE.S 6 [1935] 358-373). Der astrologisch-pharmakologische Thessalosbrief (vgl. J.Z. Smith, The Temple and the Magician 172-189) ist pseudepigraph (gegen Reitzenstein, Mysterienreligionen 127ff.; Branham, Unruly Eloquence 26 3f.).

Asklepiosheiligtümer

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1.2. Asklepiosheiligtümer 1.2.1. Der Asklepiosmythos Neben der säkularen wissenschaftlichen Heilkunst existierte in der Antike eine weitverzweigte, religiös geprägte Tempelmedizin, wobei in hellenistischer Zeit Asklepios den klassischen griechischen Heilgott Apollo nahezu völlig verdrängt hat. Der in der Grundstruktur festgeprägten, in den Details variierenden antiken Asklepioslegende zufolge handelt es sich bei Asklepios um einen Sohn von Apollo, der sich durch besondere Heilfähigkeiten auszeichnete, dafür von Zeus mit dem Tod bestraft wurde und anschließend in den Götterhimmel aufrückte. Erstmalige Erwähnung findet Asklepios, den es historisch wohl nie gegeben hat, bei Homer. Horn, Ilias IV,194, begegnet er als untadeliger Arzt (άμύμωυ ίητήρ), in Horn, Hymn 16,1-5, wird er als Arzt der Krankheiten und große Freude der Menschheit gepriesen und gilt als Sohn der Königstochter Coronis und des Apollo, in dessen ärztlichen Wirkungsbereich er in der Folgezeit zunehmend eintritt und dessen Heilfunktion er schließlich vollends übernimmt. Einen festen Topos stellt die medizinische Grundausbildung des Asklepios durch den Zentaur Chiron dar 1 . Die ärztliche Wirksamkeit des Asklepios ist dabei durch eine Verquickung magischer, chirurgischer und pharmakologischer Praktiken gekennzeichnet (vgl. Pindar, Pythia 111,51-54) und Schloß nach allgemeiner Auffassung die Heilung lebensbedrohlicher Erkrankungen bis hin zu Totenerweckungen mit ein 2 . Die Legende besagt, daß Asklepios aufgrund seiner außergewöhnlichen ärztlichen Fertigkeiten von Zeus durch einen Blitzschlag getötet wurde, wobei die Begründungen im einzelnen variieren. Meist gilt der Tod des Asklepios als Strafe dafür, daß er sich gegen Entgelt dazu verleiten ließ, einen bereits dem Tode geweihten Menschen wieder in das Leben zurückzuholen (Pindar, Pythia 111,55-58; Plato, Res Publ III 408 B-C). Alternativ oder ergänzend wird der Tod des Asklepios darauf zurückgeführt, daß sich der Hades wegen der stetig zurückgehenden Zahl Sterbender bei Zeus über Asklepios beklagte (Diod Sic IV71,4) oder daß Zeus befürchtete, Asklepios könne die Menschen dazu befähigen, sich ohne Inanspruchnahme göttlicher Hilfe selbst

1 Vgl. Horn, Ilias IV,218f.; Pindar, Pythia III,45f.; Apollodor, Biblioth III 10,3. Zahlreiche weitere Befunde bei Edelstein/Edelstein, Asclepius I 32-36. 2 Apollodor, Biblioth III 10,3, nennt die Namen von insgesamt sechs Personen, die Asklepios vom Tode erweckt haben soll, darunter Hippolyt, über dessen Erweckung Ovid ausführlich berichtet (Fasti VI,743ff.). An Kranken soll Asklepios zu Lebzeiten u.a. Tobsüchtige (έμμανεΐς) und Erblindete (τυφλωθένυες) geheilt haben, vgl. Sext Emp, Adv Math 1,260-262.

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Rettung zu verschaffen (Apollodor, Biblioth III 10,4). Dem Mythos zufolge verbleibt Asklepios freilich nach seinem Tod nicht im Hades, sondern der Blitzschlag zieht eine Apotheose nach sich, indem Asklepios in die Reihen der Götter aufgenommen wird 3 . Als Gottheit übt Asklepios nunmehr weiterhin die von ihm angeblich bereits zu Erdenzeiten praktizierte Heilkunst aus, indem sich an speziellen, ihm geweihten Kultstätten Epiphanien (vgl. Strabo VIII 6,15) vollziehen. Das älteste dieser Heiligtümer, an denen die Gottheit im Schlaf erschien und Heilung brachte oder Ratschläge dazu erteilte, befand sich im thessalischen Trikka 4 . Der hohe Stellenwert der Schlange als Symbol des Asklepioskultes könnte darauf hindeuten, daß der Arzt und Heilgott Asklepios in Trikka mit bereits dort ansässigen Erdgottheiten identifiziert oder verschmolzen wurde 5 . Im Gegensatz zum Asklepieion in Trikka konnten die Asklepiosheiligtümer von Epidauros, Kos und Pergamon, denen nachfolgend unser Augenmerk gilt, aufgespürt und freigelegt werden. Die besondere Würdigung von Epidauros als unumschränkten Zentrum des antiken Asklepioskultes versteht sich von selbst, zumal sich aufgrund der dort aufgefundenen Stelen mit ihren Heilungsberichten die Quellenlage außergewöhnlich günstig darstellt. Das Asklepieion von Kos verdient hervorgehobenes Interesse, weil es aufgrund seiner Unabhängigkeit von Epidauros und seiner engen Verflochtenheit mit der koischen Asklepiadenschule einen Sonderstatus innehatte. Das Asklepiosheiligtum von Pergamon schließlich ist unter dem Aspekt von herausragender Bedeutung, daß es im 1.-2. Jhdt. n. Chr. stark von rationaler Medizin geprägt war und sein regelmäßiger Patient Aelius Aristides in hohem Maße zur religiösen Verehrung von Asklepios als wahrem Retter des Körpers und der Seele beigetragen hat. Von den mehreren hundert bekannten weiteren Asklepioskultstätten des Rom. Reiches 6 , in der Regel direkte oder indirekte Filialgründungen von Epidauros, verdienen noch die Heiligtümer von Athen, Lebena und Rom besonders hervorgehoben zu werden. Für Athen sind der komödiantischen

3 Vgl. zur Vergottung des Asklepios Edelstein/Edelstein, Asclepius II 91-101; Dölger, Heiland 248-250, jeweils mit zahlreichen Belegen. 4 Strabo IX 5,17: Τρίκκη, δπου τό ιερόν τοΰ "Ασκληπιού τό αρχαιότατου. Vgl. auch Kerenyi, Göttlicher Arzt 87ff. s Vgl. Herzog, Wunderheilungen 140-142. Umstritten ist, ob Asklepios etymologisch als eidechsen- oder schlangenartiger Gott aufgefaßt werden kann und damit bereits der Name selber auf eine chthonische Gottheit hindeutet, vgl. zur Diskussion Fauth, Kleiner Pauly I (1964) 645f. 6 Vgl. die Übersicht bei Thraemer, PRE 4 (1896) 1662-1677, sowie die Quellenbefunde bei Edelstein/Edelstein, Asclepius I 370-452. Im l.Jhdt.n.Chr. dürfte der Asklepioskult auch in Palästina Fuß gefaßt haben, vgl. McCasland, Asclepios Cult in Palestine 221-227.

Asklepiosheiligtümer

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Schilderung des Aristophanes (Plutos 410-412; 633-747) wichtige Informationen über die Inkubationsmodalitäten und vorausgehende Opferpraktiken am Asklepieion entnehmbar. Die inschriftliche Auflistung von Votivgaben deutet - insbes. für das 3.Jhdt.v.Chr. - auf die Behebung von Augenleiden als Schwerpunkt der Krankenheilungspraxis hin 7 ; zudem ist aus dem 2.Jhdt.n.Chr. ein an Asklepios gerichtetes Gebet um Heilung von Fußgicht (ποδάγρα) überliefert (IG II 2 4514). Den Asklepieien von Lebena und Rom gebührt wegen der für sie überkommenen, den Epidaurosinschriften vergleichbaren Heilungsberichte Aufmerksamkeit 8 . Vermutlich unter Einfluß des Asklepioskultes (vgl. Tac, Hist IV 84,5) besaßen im Osten des Rom. Reiches Isis und Sarapis eine ähnlich hohe Reputation als Heilgottheiten, wobei sich hier die Quellenlage allerdings ungleich ungünstiger darstellt (vgl. aber Artemidor 11,44; Ael, Nat An XI,31f.34f.). Isis gilt als Erfinderin zahlreicher Heilmittel, darunter eine Unsterblichkeitsarznei. Sie soll ebenso wie Asklepios vielfältige Traumanweisungen zur Heilung gegeben und dabei selbst schwerste Fälle (u.a. Verlust des Augenlichtes) kuriert haben, bei denen Ärzte versagt hatten (Diod Sic 125,2-7). Für Sarapis verbürgt Strabo am Heiligtum von Canabos einen umfangreichen Heilbetrieb mit Inkubationspraxis (Strabo XVII 1,17), wie er Tac, Hist IV 81,1; Suet, Vesp VII,2; Diog Laert V,76 zufolge auch für das Sarapeion in Alexandria charakteristisch war 9 .

1.2.2. Epidauros Das unumschränkte Zentrum des antiken Asklepioskultes lag in Epidauros, von wo aus ab dem 5. Jhdt.v.Chr. systematisch Filialgründungen betrieben wurden. Strabo zufolge b e z o g Epidauros seinen Ruhm in erster Linie aus der επιφάνεια des Asklepios, dem die Heilung jeglichen Leidens zugetraut werde und d e s s e n Heiligtum immer voller Kranker sei (του 'Ασκληπιού θεραπεύειν νόσους παντοδαπάς πεπιστευμένου, και τό ιερόν πλήρες έχοντος άεί των τε καμνόντων VIII 6,15). Zudem erwähnt Strabo Votivtafeln (πίνακες, vgl. W 1.3), auf denen die Heilungen festgehalten s e i e n (έν οις άναγεγραμμέναι τυγχάνουσιν αί θεραπεΰχι). Eine detaillierte Beschreibung des Heiligtums verdankt sich Pausanias 1 0 , der um 165n.Chr. Epidauros besuchte und nach eigenem Bekunden s e c h s Inschriftenplat7 Aleshire, Athenian Asklepieion 40-42, vgl. dies., Asclepios at Athens, speziell zum dortigen Heilbetrieb auch Krug, Heilkunst 147-152. 8 Für Lebena auf Kreta handelt es sich um die teilweise aus dem 3.Jhdt.v. Chr. stammenden Heilungsberichte W Leb 1-7 (Herzog, Wunderheilungen 52-57; W Leb 6.7. entspricht dabei SIG 3 1172.1171); für Rom sind vier Heilungsberichte aus dem 2.-3.Jhdt.n.Chr. überkommen (SIG 3 1173). 9 Vgl. zum Sarapisheiligtum in Alexandria weitergehend unten III.1.4.6. 10 Paus 11 26,1-27,5. Vgl. den Grundriß des ausgegrabenen Asklepieions in IG IV,l 2 (Tab. 2) und die topographischen Angaben sowie die Abbildungen des Heiligtums bei Voutsas, Epidauros llff.; Tomlinson, Epidauros 40ff.

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ten (στηλαι) vorfand, von denen früher eine noch größere Zahl existiert habe. Auf diesen Stelen seien in dorischem Dialekt die Namen der von Asklepios geheilten Personen, die Art der Krankheit und die näheren Umstände der Heilung mitgeteilt worden (ταύταις εγγεγραμμένα και άνδρων και γυναικών εστίν ονόματα άκεσθέντων ΰπό του 'Ασκληπιού, προσέτι δε και νόσημα δ τι έκαστος ένόσησε και δπως ίάθη· γέγραπται δε φωνή τη Δωρίδι Paus II 27,3). In seiner späteren Beschreibung von Halieis teilt Pausanias ergänzend mit, daß Bewohner dieser Stadt auf den Stelen von Epidauros erwähnt seien (II 36,1). Ab 1883 wurden dann bei Ausgrabungen in Epidauros von den sechs Stelen, die Pausanias noch vorfand, drei vollständig und eine weitere bruchstückhaft gefunden 11 . Der auf Stele Α mit Ίάματα του 'Απόλλωνος και του Άσκλαπιοΰ überschriebene Inhalt der insgesamt siebzig Wunderberichte deckt sich fast uneingeschränkt mit den Angaben des Pausanias. Auf Stele Β ist tatsächlich von der Heilung eines Θέρσανδρος Άλικος und einer damit zusammenhängenden Filialgründung in Halieis die Rede (W 33). Der Text der Stelen beruht im wesentlichen darauf, daß - dem paläographischen Befund zufolge im 4 J h d t . v . C h r . 1 2 - zahlreiche der wohl hölzernen πίνακες, wie sie auch weiterhin Verwendung fanden (vgl. Strabo VIII6,15) 1 3 , auf Stein übertragen wurden. Bei diesem Vorgang ist eine deutliche Steigerung des Wunderhaften in Rechnung zu stellen, wie W 1 beweist. Dem dort wiedergegebenen Wortlaut des πίναξ zufolge war ursprünglich lediglich davon die Rede, daß eine gewisse Kleo nach fünfjähriger Schwangerschaft durch Inkubation geheilt wurde. Der Redaktor der Stele hingegen weiß ergänzend mitzuteilen, daß sie einen Knaben gebar, der unmittelbar nach der Geburt in der Lage war, sich selbst zu waschen und herumzulaufen. Zudem bot sich bei Anfertigung der Stelen die Möglichkeit, auch solche Wunder einfließen zu lassen, die nicht durch πίνακες als Vorlagen abgedeckt waren.

Daß in Epidauros tatsächlich Krankenheilungen vollzogen wurden, kann trotz der legendarischen Ausgestaltung und der erbaulichen wie propagandistischen Interessen der dortigen Heilungsberichte nicht bezweifelt werden, auch wenn die Heilungserfolge nicht überschätzt wer-

11 Maßgebliche Textgrundlage ist Herzog, Wunderheilungen 8-35. Es handelt sich dabei um einen korrigierten bzw. ergänzten Text von IG IV,l 2 121-124, wobei allerdings insbes. den Ergänzungen Herzogs gegenüber Vorsicht geboten erscheint. Für die Wundergeschichten W 4 4 - 4 8 jedenfalls hat W. Peek einen zuverlässigeren Text vorgelegt (Peek, Wundergeschichten 4 - 8 ) . Vgl. zur Korrektur von IG IV,l 2 auch Peek, Inschriften, wo allerdings die Heilungsberichte bewußt ausgeklammert werden (53). 12 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 2. 13 Daß Strabo die στηλαι mit keinem Wort erwähnt, dürfte aus ihrer stillschweigenden Subsumierung unter die πίνακες resultieren.

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den sollten 14 . Zumindest für diejenigen Berichte, die auf einen vom Geheilten gestifteten πίναξ zurückgehen, ist mit einem historischen Kern zu rechnen. Dabei handelt es sich um Inkubationsheilungen. Nach einem Voropfer (πρόθυσις; SokolowskiLSCG.S 22, vgl. W 5; IG IV,l 2 128,27ff.) übernachten die Heilungssuchenden im Abaton oder Enkoimeterion gegenüber dem Asklepiostempel (vgl. Paus. II 27,2f. του ναοΰ δέ έστι πέραν ένθα οι ίκέται τοΰ θεοϋ καθευδουσιν), wo ihnen Asklepios im Schlaf erscheint und entweder sofort Heilung bringt oder Anweisungen erteilt, deren Ausführung später die Genesung nach sich zieht 15 . Unter den vielfältigen Krankheiten, über deren Heilung berichtet wird, nehmen Augenleiden bis hin zur völligen Sehunfähigkeit und Lähmungserscheinungen besonders breiten Raum ein. Wie man sich im einzelnen den Heilvorgang vorzustellen hat, bleibt in der Mehrzahl der Fälle im Dunklen. Insbesondere bei chirurgischen Techniken, aber auch bei einzelnen pharmakologischen Praktiken ist meist unklar, ob die diesbezüglichen Schilderungen Anhalt an der Realität haben oder allein Produkt der Phantasie sind 16 . Grundsätzlich gehört der Kult von Epidauros in seiner Früh- und Blütezeit eher in den Bereich volkstümlicher Heilkunst, als daß er von wissenschaftlicher Medizin geprägt wäre. Dies geht nicht zuletzt aus W 62 hervor, wo in krassem Gegensatz zu Hippocr, Morb Sacr I,lff., offenkundig an der traditionellen Rückführung von Epilepsie auf dämonische Besessenheit festgehalten wird. Die dortige Heilung eines Epileptikers (έπίλαμπτος) aus Argos vollzieht sich dergestalt, daß Asklepios ihm im Schlaf einen Fingerring auf Mund, Nasenlöcher und Ohren drückt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden in Epidauros solche magisch-pharmakologischen Ringe verwendet, wie sie in der Antike zur Heilung von Epilepsie (Kyr I 19,9ff.) bzw. dämonischer Besessenheit (Kyr I 13,16ff.; Joseph, Ant VIII,47; Luc, Philops 17; P G M XII,271ff.) weit verbreitet waren.

Andererseits bestehen vielfältige Berührungen mit wissenschaftlicher Heilkunst, indem die Epidaurosinschriften solche Heilpraktiken reflek-

14 Paus II 27,6 zufolge starben viele Kranke (ή τελευτή τοΤς κάμνουσιν υπαίθριος έγίνετο). 15 Vgl. zum antiken Glauben an mantische Träume und Traumheilungen Weinreich, Antike Heilungswunder 76ff., zu denkbaren tiefenpsychologischen Aspekten der Inkubationsheilungen von Epidauros Drewermann, Tiefenpsychologie und Exegese II 180-188. Medizinischen Träumen wurde in der Antike auch bei wissenschaftlichen Ärzten hohe diagnostische und prognostische Bedeutung beigemessen, vgl. Oberhelman, Diagnostic Dream 47-60; ders., Dream in Graeco-Roman Medicine 121-156. 16 Vgl. Edelstein/Edelstein, Asclepius II 158-173, bes. 164ff.

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tieren, wie sie auch für die hippokratische Medizin bezeugt sind. Für zahlreiche Inschriften läßt sich dabei der Heilungsvorgang wenigstens erahnen. Lähmungserscheinungen wurden in Epidauros offenbar hauptsächlich auf psychosomatische Funktionsstörungen zurückgeführt und durch Schocktherapie behandelt, wie dies in der wissenschaftlichen Medizin Hippocr, Epid V23, der Fall ist: Ein gelähmter Junge schlägt mit dem Kopf gegen einen Stein und wird dadurch geheilt. Eine Verquickung derartiger Schocktherapie mit einer Wiedereinrenkung der Glieder spiegelt sich in zwei Inschriften. W 3 springt Asklepios dem heilungssuchenden Gelähmten (τάς χηρός δακτύλους ακρατείς εχων) im Traum auf die Hand, und W 38 fährt dem Kranken sogar ein P f e r degespann über die gelähmten Kniee. Ärztliche Willensstärkung zur Uberwindung hysterischer Lähmungserscheinungen dürfte in W 35 vorausgesetzt sein, wo ein Gelähmter (χωλός) auf einen Befehl von Asklepios hin eine Leiter hinaufsteigt 1 7 . Darüber hinaus wurden in Epidauros Lähmungen durch Heilquellen kuriert (W 37; vermutlich auch für W 64 vorauszusetzen), wie es von wissenschaftlich-medizinischer Seite her etwa Cels, Med III 27, gegen Paralyse empfiehlt. Auch bei den mehrfach berichteten Heilungen Stummer (άφωνοι, W 5.44. 51) dürfte es sich um Affektheilungen neurogener Funktionsstörungen handeln, wobei W 44 (Schrei beim plötzlichen Anblick einer Schlange) auf Schocktherapie hindeutet und in der verderbten Inschrift W 51 vermutlich eine Berührung der Zunge vorausgesetzt ist. Die Blindenheilungsberichte von Epidauros reflektieren das Einträufeln von φάρμακα (W 4.9) oder "Kraut" (ποία, W 40) in das sehunfähige A u g e 1 8 . Darüber hinaus wurden wahrscheinlich manuelle Heiltechniken angewandt 1 9 . Bei Wassersucht nahm die hippokratische Medizin auch operative Eingriffe durch Schneiden oder Brennen vor (Hippocr, Aphor VI,27; Epid VI 7,4; Äff 22; Int 23-26). Der Epidaurosinschrift W 21 zufolge schneidet Asklepios einer an Wassersucht (ϋδρωπια) leidenden Frau im Traum den Kopf ab, läßt das Wasser aus der Kranken herausfließen und setzt anschließend den Kopf wieder auf den Hals. In diesem phantastischen Bericht dürften sich allerdings keine tatsächlichen chirurgischen Eingriffe niedergeschlagen h a b e n 2 0 , zumal W 48 geradezu auf chirurgiefeindliche Tendenzen in Epidauros hindeutet. Bei nichtoperativer Behandlung von Wassersucht spielt in der hippokratischen Medizin die Verabreichung spanischer Fliegen (Kanthariden) eine gewichtige Rolle (Hippocr, Acut [Sp.] 26), wie es offenbar auch von der verderbten Inschrift W 49 vorausgesetzt wird.

17 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 104. 18 Ähnliche pharmakologische Blindenheilungspraktiken des Asklepioskultes (vgl. noch SIG 3 1171) haben sich Aristoph, Plutos 716ff., niedergeschlagen. 19 W 18: έδόκει οί ό θεός ποτελθών τοις δακτύλοις διάγει,ν τά όμματα. Vgl. die manuellen Augenheiltechniken Marceil Emp, Med VIII, 190; XXXI,33. 20 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 76f.; ähnlich Edelstein/Edelstein, Asclepius II 164-166. - Einen ähnlich phantastischen Heilungsbericht aus Epidauros (Entfernung eines Wurmes nach Abtrennen des Kopfes) gibt Ael, Nat An IX,33, wieder.

Asklepiosheiligtümer

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Trotz dieser B e z ü g e zum Corpus Hippocraticum deutet für die alten Iamata nichts auf das Wirken wissenschaftlich ausgebildeter Ärzte in Epidauros hin, was allerdings in der Kaiserzeit anders a u s g e s e h e n haben wird21.

1.2.3. Kos Die ältesten Nachrichten über die Existenz eines Asklepieions mit Heilbetrieb in Kos verdanken sich Herondas (frühes 3.Jhdt.v.Chr.), der Mim IV,1-20 im Zusammenhang mit der Opferung e i n e s Hahnes "zum Dank für die Krankheiten, die der Gott mit milder Hand geheilt hat" Kos und Epidauros als Wohnstätten von Asklepios erwähnt. Im Gegensatz zum Asklepioskult von Epidauros mit s e i n e n Inkubationsheilungen ohne einen im engeren Sinne w i s s e n s c h a f t l i c h - m e d i z i n i s c h e n Betrieb war das Asklepieion von Kos von vornherein auf das engste mit der dort ansässigen Ärzteschule der Asklepiaden verbunden. Dieser Sonderstatus des koischen Asklepioskultes wird bereits daraus e r sichtlich, daß er sich ausdrücklich von Trikka als ältestem Asklepiosheiligtum herleitete (Herondas, Mim 11,97), also offenkundig keine Filialgründung von Epidauros darstellte. Bei der Etablierung des Asklepioskultes in Kos dürfte das dortige Asklepiadengeschlecht maßgeblich beteiligt gewesen sein. Tac, Ann XII,61, zufolge ist in Kos durch die Ankunft des Asklepios die Heilkunst eingeführt worden und unter seinen Nachkommen zu besonderer Berühmtheit gelangt (mox adventu Aesculapii artem medendi inlatam maximeque inter posteros eius celebrem fuisse). Der berühmteste dieser koischen Asklepiaden war Hippokrates (vgl. Plato, Phaedr 270C; Soran, Vit Hippocr 1), der einer breitbezeugten antiken Tradition zufolge die diätetische bzw. klinische Medizin dadurch begründet haben soll, daß er von den Votivtafeln des Asklepiosheiligtums in Kos die dort erwähnten Heilkuren abschrieb 2 2 . Der legendarische Charakter dieser Tradition wurde durch die von R. Herzog in den Jahren 1898 bis 1907 vorgenommene Ausgrabung des Asklepieions von Kos erwiesen, derzufolge das Heiligtum überhaupt erst Mitte des 4.Jhdt.v.Chr. und damit nach dem Tod des

21 Vgl. die Apellasstele W 79 (= SIG 3 1170) aus dem 2.Jhdt.n.Chr., die eine deutliche Nähe zu diätetischen, physiotherapeutischen und pharmakologischen Praktiken der zeitgenössischen Medizin aufweist. 22 Strabo XIV 2,19: φασί 8' Ίπποκράτην μάλιστα έκ των ενταύθα άνακειμένων θεραπειών γυμνάσασθαι τά περί τάς δίαιτας (Strabo spielt damit auf die Votivtafeln [πίνακες] in Kos an, die er auch in VIII 6,15 erwähnt); Plin, Hist Nat 29,4 (unter Berufung auf Varro). An anderer Stelle (Hist Nat 20,264) gibt Plinius ein pflanzliches Heilrezept wieder, das im Asklepiosheiligtum von Kos in Stein geschlagen sei.

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Hippokrates begründet wurde 2 3 . Historischer Kern dieser Legende ist allerdings die auch aus Urkunden von Kos hervorgehende enge Beziehung zwischen Asklepioskult und den dortigen Asklepiaden, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihren wissenschaftlich-medizinischen Praktiken am Heilbetrieb beteiligt h a b e n 2 4 . Unter dem Monarchat des Arztes Phylotimos (um 300 v.Chr.) wurde der Einbau eines Thesauros in den Asklepiostempel beschloss e n 2 5 . Der koische Arzt und Asklepiade Xenophon kehrte, nachdem er als Leibarzt von Claudius Steuerfreiheit für die koische Bevölkerung bewirkt hatte (Tac, Ann XII61,lf.), unter Nero auf seine Heimatinsel zurück und ließ dort dem Asklepiosheiligtum zahlreiche Stiftungen zukommen 2 6 . Daß sich von Votivtafeln oder Stelen mit Heilungsberichten, wie sie Strabo VIII6,15 und Plin, Hist Nat 29,4, erwähnt sind, bei den Ausgrabungen in Kos keinerlei Spuren gefunden haben, spricht k e i n e s w e g s g e gen ihre E x i s t e n z 2 7 . Wenn Strabo die Votivtafeln in einem Atemzug mit denjenigen von Trikka und Epidauros erwähnt, deutet dies darauf hin, daß auch in Kos Inkubationsheilungen geschahen. D i e s e waren freilich aller Wahrscheinlichkeit nach von einer verstärkten Anwendung w i s s e n schaftlicher Heilkunst begleitet.

1.2.4. Pergamon Bei d e m Asklepiosheiligtum von Pergamon handelt e s sich um eine Filialgründung von Epidauros. Paus II 26,8f. zufolge etablierte Archias, Sohn d e s Aristaichmos, in Pergamon den Asklepioskult, nachdem er im Asklepieion zu Epidauros von einer Jagdverletzung geheilt worden war. Es handelt sich dabei höchstwahrscheinlich um denselben Archias, der OGIS 264 zufolge in Pergamon die Demokratie e i n f ü h r t e 2 8 und d e s s e n Wirksamkeit in die erste Hälfte d e s 4.Jhdt.v.Chr. f ä l l t 2 9 . Die Angaben

23 Herzog, Heilige Gesetze von Kos 46f.; Herzog/Schazmann, Kos I XI. Ebda. Iff. findet sich ein umfassender Bericht über die Ausgrabungsergebnisse mit Abbildungen. 24 Vgl. Herzog, Wunderheilungen 147f., samt den kritischen Einschränkungen bei Sherwin-White, Ancient Cos 275-278. Zudem wurden in Kos ärztliche Instrumente gefunden (Herzog, Wunderheilungen 148). 25 Text und Kommentar der Urkunde, auf der im Zusammenhang mit dem Asklepioskult die Namen weiterer koischer Ärzte bzw. Asklepiaden begegnen, bei Herzog, Heilige Gesetze von Kos 37-39. 26 Vgl. Herzog/Schazmann, Kos I XII. 27 Vgl. Sherwin-White, Ancient Cos 275f., die auf Zerstörung des Asklepieions durch Erdbeben und auf seine spätere Funktion als Steinbruch hinweist. 28 Vgl. Dittenberger, OGIS I 427. 29 Vgl. zur Datierung Stähelin, PRE.S 3 (1918) 143.

Asklepiosheiligtümer

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des Pausanias decken sich darüber hinaus erstaunlich gut mit dem archäologischen Befund, der "auf eine Datierung der frühesten Bauten des pergamenischen Asklepieions im späten 5.Jh.v.Chr. oder Anfang des 4." schließen läßt 3 0 . Seine Blütezeit hatte das Asklepieion von Pergamon im 2.Jhdt.n.Chr., wo es unter Hadrian zu einer umfassenden baulichen Neugestaltung des Heiligtums kam 31 , "ganz Asien" dorthin strömte (Philostr, Vit Apoll IV,45) und Lukian sich Zeus darüber beklagen läßt, daß aufgrund der Popularität des Asklepieions von Pergamon die Zeusaltäre "kälter als Platos frostige Gesetze" seien (Luc, Icaromenipp 24). Besonders gut sind wir über die Zulassungsbedingungen zur Inkubation am Asklepieion von Pergamon informiert. Dem Betreten des Asklepiostempels bzw. des Inkubationsraumes hatte ein rituelles Reinigungsbad vorauszugehen 32 . Auf das Genaueste werden die weiteren Vorbedingungen für die Inkubanten in einer 1965 gefundenen "lex sacra" geregelt 33 . Der Inkubant hat vielfältige Opfer darzubringen, sich des Geschlechtsverkehrs wie des Genusses von Ziegenfleisch und Käse zu enthalten (Habicht Nr.161,11-13) und durch Benennung von Bürgen eine Entrichtung des späteren Honorars sicherzustellen (161,29ff.). Im Gegensatz zu den Epidaurosstelen halten sich die in Pergamon von den Geheilten gestifteten, kaiserzeitlichen Weihegaben mit näheren Informationen über die Art der Krankheit oder gar die Umstände der Heilung mit wenigen Ausnahmen völlig bedeckt. Eine gewisse Eueteria dankt Asklepios für die Genesung von einer Augenkrankheit (Habicht Nr.86 Εύετηρία οφθαλμούς θεραπευθεΐοα Άσκληπιωι Σωτηρι εϋχήν), und eine von Unfruchtbarkeit geheilte Frau namens Claudia Panthagathe stiftet ΰπέρ τέκνων einen Altar (Habicht Nr.100). Zudem ist in einer Inschrift von Aderlaß die Rede (Habicht Nr.139), wie er auch durch Aristides für das Asklepieion von Pergamon verbürgt ist (Ael Arist, Or 48,47f.; 49,34). Daß sich die Inkubationsheilungen in Pergamon, ähnlich wie dies für Kos vorauszusetzen ist, unter Mitwirkung wissenschaftlich ausgebildeter

30 Ziegenaus/de Luca, Asklepieion I 96. Einen ausführlichen Bericht der Ausgrabungsergebnisse bieten dies., Asklepieion Bd. I-IV. Vgl. ferner de Luca, Le sanctuaire d'Askle'pios ä Pergame 12ff. 31 Vgl. Habicht, Inschriften 9ff, der ein persönliches Engagement Hadrians zugunsten des Asklepieions von Pergamon wahrscheinlich macht. Umfassende Beschreibung der hadrianischen Bauten bei Ziegenaus, Asklepieion III Sff. 32 Paus V 13,3; Frankel, IVP 264; dort wird zusätzlich das Tragen weißer Gewänder und das Ablegen von Fingerring und Gürtel vorgeschrieben. 33 Edition und Kommentierung durch M. Wörrle, in: Habicht, Inschriften 167-190 (= Habicht Nr.161). Die Inschrift stammt aus dem frühen 2.Jhdt.n. Chr., ist aber die Abschrift eines älteren Textes (vgl. Wörrle aaO. 169f.l87).

82

Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Ä r z t e v o l l z o g e n , w i r d bereits durch den Fund chirurgischer Instrumente bei

den

Ausgrabungen

nahegelegt34.

Als

am

Heilbetrieb

mitwirkende

Ä r z t e k o m m e n Satyros ( A e l Arist, Or 49,8-10), d e r L e h r e r Galens

(Gal

II,224f.), s o w i e T h e o d o t ( O r 47,13.55f.; 48,34f. u.ö.) und vielleicht auch Porphyrion ( O r 51,12.24) in Betracht. Auch einschlägige Äußerungen von Galen deuten auf e i n e enge Bindung d e s priesterlichen Heilbetriebs an die w i s s e n s c h a f t l i c h e M e d i z i n hin. Galen, der aus Pergamon gebürtig ist (Gal II,224f.) und sich selber nach der auf das Wirken des Heilgottes zurückgeführten Genesung von einem Abszeß als θεραπευτής des Asklepios versteht (Gal XIX,19), gibt eine uneingeschränkt positive Haltung zur Heilpraxis des Asklepioskultes zu erkennen. Er erklärt sich damit einverstanden, daß "bei uns in Pergamon" die Patienten den Anordnungen des Asklepios mehr als denjenigen der Ä r z t e Folge leisten (Gal XVIIb,137), und weiß von einer schwierigen Heilung durch Asklepios zu berichten (Gal VI,869). Darüber hinaus verbürgt Galen, daß am Asklepieion von Pergamon die wissenschaftlich-medizinische Technik der "Krankheitsversetzung" gehandhabt wurde. Einem von Elephantiasis befallenen Mann werden Schlangengift und Ölsalbungen verordnet, die eine Umwandlung des Leidens in λέπρα bewirken, welche anschließend pharmakologisch kuriert wird (Gal XII,315f.). Von einem ganz ähnlichen Fall, der sich bereits um 100 n.Chr. am Asklepieion von Pergamon zugetragen haben soll, berichtet Rufus von Ephesus (bei Oribasius, Collectionum medicarum reliquiae X L V 30,10-14): Der Epileptiker Teukras von Kyzikos wird durch eine Quartanfieberkur geheilt (και αύτω ηκει τεταρταΐος πυρετός, και το άπό τοΰδε της επιληψίας έξάντης γίνεται) . Philostr, Vit Soph I 25,5; 1125,5, bezeugt für das l.-2.Jhdt.n.Chr. Diätetik am Asklepieion von Pergamon. Wie

man sich das Ineinandergreifen von Inkubation und

W i r k e n v o r z u s t e l l e n hat, ist einschlägigen entnehmbar,

dessen

sechs

4 7 - 5 2 ) diesbezüglich Im

Traum w e r d e n

eine

ihm

Bücher schier

seitens

diätetisch-pharmakologische,

Schilderungen von Hieroi

umfassende

unerschöpfliche der

Gottheit

ärztlichem Aristides

Logoi

(=

Or

Quelle

darstellen36.

detaillierte,

überwiegend

aber auch Aderlaß miteinschließende

weisungen zuteil, die anschließend unter Heranziehung von Ä r z t e n

Anwie

m e d i z i n i s c h e m T e m p e l p e r s o n a l beratschlagt und in die Praxis u m g e s e t z t w e r d e n ( O r 47,57; 48,31-35; 48,47). Darüber hinaus erwähnt teilweise

paradox

erscheinende

Anordnungen

des

Aristides

Tempelpersonals,

34 Beschreibung der - freilich kaum datierbaren - chirurgischen Instrumente bei de Luca, Asklepieion I V 59 (Nr. 660-669); Abbildung ebda. Tafel 22 sowie de Luca, Le sanctuaire d'Asklepios ä Pergame 18. 35 Edelstein/Edelstein, Asclepius II 158 mit Anm.2, übergehen solche Zeugnisse für wissenschaftliche Medizin am Asklepieion von Pergamon. Vgl. dagegen auch Ilberg, Galens Praxis 365 mit Anm.7. 36 Vgl. dazu Behr, Sacred Tales 23-40.116-130.162-170.

Zauberpapyri

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beispielsweise Barfuß laufen im Winter oder Pferdereiten (Or 47,65). Es handelt sich dabei offensichtlich um solche körperlichen Betätigungen, wie sie auch Galen für das Asklepieion von Pergamon bezeugt und wegen ihrer positiven Auswirkungen auf die κρασις του σώματος ausdrücklich befürwortet (Gal VI,41). Besondere Heilkraft mißt Aristides schließlich den Quellen von Pergamon bei, die selbst Blindheit, Fußlähmungen und Stummheit kuriert haben sollen (Or 39,14f.) 37 .

1.3. Dämonenaustreibungs- und Totenerweckungsformulare in den Zauberpapyri 1.3.1. PGM IV,1227-1264 Eine Sonderform der volkstümlich-magischen Medizin der Antike stellen ausführliche Formulare zur Heilung dämonisch Besessener bis hin zur Auferweckung bereits verstorbener Personen dar, wie sie sich in den griechischen Zauberpapyri finden. Bei PGM IV,1227-1264 handelt es sich um eine πραξις γενναία έκβάλλουσα δαίμονας in Form eines "Gebetes" (λόγος), das über dem Kopf des Besessenen gesprochen wird. Zunächst erfolgt eine jeweils durch ΧΑΙΡΕ eingeleitete, in der ρησις βαρβαρική Koptisch gehaltene Begrüßung der Gottheiten (vgl. IV,670ff.; lllSff.) 1 mit gleichzeitiger Bitte um Vertreibung des Krankheitsdämons (IV,1232-1239). Bei diesem Traditionsstück dürfte es sich um ein ursprünglich judenchristliches Gebet handeln 2 , während das eigentliche Beschwörungsritual IV,1239-1248 aller Wahrscheinlichkeit nach heidnisch ist. Der Exorzist wendet sich nunmehr direkt an den Dämon, indem er ihn bei Gott beschwört (εξορκίζω σε, δαΐμον, όστις ποτ' ουν ει, κατά τούτου τοΰ θεοΰ) und einen Ausfahrbefehl (εξελθε δαΐμον, δστις ποτ' ουν εϊ, και άπόστηθι άπό του δείνα) mit Beschleunigungsformel (αρτι, αρτι,

37 Eine Untersuchung des Quellwassers hat radioaktiven Gehalt ergeben, vgl. Habicht, Inschriften 14. 1 Eine ganz ähnliche Götterbegrüßung findet sich bereits in einem altägyptischen Liebeszauber (ca. 1100 v.Chr.): "Sei du gegrüßt, Re Hor-achti, Vater der Götter! Seid ihr gegrüßt, die sieben Hathor-Göttinnen, die geschmückt sind mit Bändern von roten Fäden! Seid ihr gegrüßt, die Götter, Herren des Himmels und der Erde!" (Text nach Roeder, Ausklang der ägypt. Religion 184). 2 M. Smith, Jesus the Magician 183, vermutet judenchristlich-gnostische Herkunft. Die Schreibweise Chrestus statt Christus zeigt aber, daß nunmehr eine pagane Adaption des Christusnamens vorliegt (vgl. Suet, Claudius 25; Tert, Apol 3,5; zum Ganzen K. Weiß, ThWNT IX 473).

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ηδη, ηδη)3 erteilt. Ein nochmaliges Ausfahrwort, nunmehr mit Epipompe des Dämons in das "schwarze Chaos der Hölle" (εξελθε, δαΐμον, έπεί σε δεσμεύω δεσμοΐς άδαμαντίνοις άλύτοις, και παραδίδωμί σε εις τό μέλαν χάος εν ταΐς άπωλείαις), beschließt das Beschwörungsritual, b e i dem begleitend s i e b e n Ölzweige Verwendung finden. S e c h s davon werden am Kopf bzw. an den Füßen d e s B e s e s s e n e n einzeln angebunden, mit dem s i e b ten soll der Exorzist während der Beschwörung schlagen (IV,1251: τω δε ένί δέρε έξορκίζων). Als weitergehende antidämonische Schutzmaßnahme schließt sich das Umhängen e i n e s Amulettes mit Zauberworten s o w i e der Formel φύλαξον (τον δεΓνα) oder eines Amulettes mit einem Zauberzeichen an. Von der Anfertigung derartiger dämonenabwehrender Amulette ist in den Zauberpapyri vielfach die Rede. PGM IV,86f. wird ein φυλακτήριον κρός δαιμόνια mit Zaubernamen erwähnt. Das mit Homerversen zu beschriftende Eisentäfelchen PGM IV,2145-2240 wehrt Dämonen ab (IV,2170f. και δαίμονας αποπέμπει). PGM XXXVI,276-280 leitet zur Anfertigung eines auch bei Besessenen wirksamen ("ποιεί Se και προς δαιμονιοπλήκτους") Amulettes a n 4 .

1.3.2. PGM V,96-171 5

In PGM V , 9 6 - 1 7 1 ist ein griechisch-ägyptisches Dämonenaustreibungsformular mit vereinzelten jüdischen Traditionselementen überliefert, das vorgibt, aus einem Brief d e s Hieroglyphenschreibers Ίέου zu stammen (V,96f.) 6 . Anders als PGM IV,3007-3086, wo die Adaption und Ausgestaltung eines genuin jüdischen Dämonenbeschwörungsrituals durch ägyptische Magier vorliegt, sind in PGM V,96-171 die jüdischen Traditionselemente sekundär eingeflossen, indem Osiris nachträglich mit Jahwe ( Ί α β α ς , Ίαω) identifiziert wird. Sollte das magische Formular überhaupt jemals von Juden benutzt worden sein 7 , so handelte es sich um ein synkretistisches Judentum, das selbst die Anbetung von Osiris nicht scheute.

3 Vgl. zur Beschleunigungsformel in der antiken Magie Niggemeyer, Beschwörungsformeln 118 mit Anm.12. 4 Vgl. als Ergebnis der praktischen Umsetzung solcher magischen Rezepte die dämonenabwehrenden Amulette PGM CXIV; PGM.S 6; PGM.S 13, ferner die gegen Epilepsie gedachten Amulette bei Kotansky, Amulets 117f. 5 Vgl. die leicht revidierte Wiedergabe und ausführliche Kommentierung des Preisendanz-Textes bei Merkelbach/Totti, Abrasax II 153-170. 6 Vgl. die koptisch-gnostischen "Bücher des Jeu" aus Nag Hammadi (ed. C. Schmidt/V. MacDermot, NHS 13, Leiden 1978). 7 Goodenough, Jewish Symbols II 197.

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Formal zerfällt das Formular in ein Gebets- (V,98-144) und ein unmittelbares Dämonenaustreibungsritual (V,145-158), das durch ergänzende Durchführungsbestimmungen (V,159-171) vervollständigt wird. PGM V,98-144 ist dabei an die Gottheit gerichtet, die hier zunächst unter Appellation an ihre Schöpfermacht angerufen wird (V,98-112). Daß der angebetete Gott als "Kopfloser" (ό ακέφαλος) gilt, weist deutlich auf Osiris, den dem Mythos zufolge zerstückelten, auf Bildern kopflos dargestellten und in V,101 mit Όσοροννωφρις ("guter Osiris") 8 nunmehr direkt beim Namen genannten Herrscher der Unterwelt hin 9 , der in V,102f. (συ εί Ίαβας) 10 sekundär mit Jahwe identifiziert wird. PGM V,108ff. schlüpft der Magier - der Anrufung von Osiris-Jahwe entsprechend - gleichermaßen in die Rolle des Mose (έγώ είμι Μοϋσης ό προφήτης σου ν,ΙΟδί.) 11 wie in die Rolle eines "Boten des König Osiris" (έγώ είμι άγγελος του Φαπρω Όσοροννωφρις V,113f.) und bittet die Gottheit um Gehör für eine Befreiung der besessenen Person von dem sie beherrschenden Dämon (άπόστρεψον τό δαιμόνιου). Die mit zahlreichen Zauberworten und anderen Götternamen durchsetzte Bitte um Abwendung des Krankheitsdämons durch Osiris lautet: "Heiliger Kopfloser, befreie den N.N. von dem Dämon, von dem er besessen ist (άπάλλαξου τον δείνα άπό τοΰ συνέχοντος αυτόν δαίμονος) , ... starker Kopfloser, befreie den N.N. von dem Dämon, von dem er besessen ist, ... befreie den N.N." (PGM V,125-133).

Durch den V, 134ff. erfolgenden, der Herkunft nach jüdischen Lobpreis der Schöpfermacht Gottes mit ähnlichen Epitheta ("Isak, Sabaoth, Iao, dieser ist der Herr der Götter, dieser ist der Herr der bewohnten Erde, dieser ist es, den die Winde fürchten, dieser ist es, der mit dem Befehl seiner Stimme alles gemacht hat"), wie sie sich in jüdischen Beschwörungsformeln finden 12 , soll wohl dem Dämon Furcht eingeflößt werden. PGM V,139-144 wird die Gottheit nochmals angerufen und um Rettung der Seele des Besessenen gebeten (σωσον ψυχήν).

8 Vgl. die altägyptische Dämonenbeschwörung bei Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts Nr. 22, wo ebenfalls Osiris Onnophris begegnet. Weitere altägyptische Krankheitsdämonenbeschwörungen, teilweise ebenfalls mit Erwähnung von Osiris, bei von Deines/Grapow/Westendorf, Grundriß IV,1 155f.; Borghouts, aaO. Nr. 23-26.69. 9 Preisendanz, RAC I (1950) 211-213; Merkelbach/Totti, Abrasax II 153-155 (jeweils mit Abbildungen), vgl. ebda. 162 die Belege zur Schöpfermacht der Isis. 10 Vgl. zu Ίαβα, den Kirchenvätern zufolge die samaritanische Aussprache des Tetragramm, Blau, Zauberwesen 130-132; Deißmann, Bibelstudien 13-20. 11 Vgl. dazu Gager, Moses in Greco-Roman Paganism 142-144. 12 Vgl. beispielsweise SHR I,226ff.; IV,30ff.

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Während somit PGM V,108-144 ein an die Gottheit gerichtetes Gebet um Dämonenabwehr darstellt, das die Aporie einer Unterscheidung zwischen Magie und (synkretistischer) Religion deutlich macht, wenden sich die Formulierungen von V,145-158 offenkundig an den Krankheitsgeist selber. Der Magier identifiziert sich dabei mit dem "kopflosen Dämon" Osiris (εγώ εΐμι ό ακέφαλος δαίμων), trägt möglicherweise sogar ein Kostüm des "Kopflosen" 13 und richtet in dessen Rolle an den Geist den Ausfahrbefehl εξελθε και άκολουθησον (V,158). Aus den ergänzenden Durchführungsbestimmungen V,159-171 geht hervor, daß sich der Magier zum Machtgewinn über die Dämonen zusätzlich ein mit Zaubernamen beschriebenes Blatt (χαρτάριον) von einer Schläfe zur anderen zu spannen und dabei die Formel ΰπόταξόν μοι πάντα τά δαιμόνια, "ίνα μοι ήν υπήκοος πας δαίμων ... auszusprechen hatte.

1.3.3. PGM IV,2157-2159 und PGM XIII,242-244 Kürzere Dämonenaustreibungsanleitungen finden sich PGM IV, 2157-2159 und XIII,242-244. PGM IV,2157-2159 steht innerhalb eines umfassenden Formulars, das sich den Möglichkeiten einer magischen Verwendung dreier Homerverse 14 widmet und dabei auch auf deren antidämonische Wirkung eingeht. Wenn sich jemand als Opfer eines Bindezwanges wähnt (έπειδάν τις καταδεδέοθαι νομίζτι), wie er in der Antike vorzugsweise durch an Totengeister als ausführende Instanzen gerichtete Fluchtafeln vollzogen wurde 15 , spreche er gegen die ausgesandten Dämonen (προς έπιπομπάς) die drei genannten Homerverse, indem er sich mit Meerwasser besprengt 16 . Den Homerstychoi wird dabei offenkundig dämonenbeschwörende Wirkung zugesprochen, was auf pythagoreischen Einfluß hindeutet. Pythagoras und seine Nachfolger stellten bei psychosomatischen Leiden mit gesungenen Homer- und Hesiodversen das seelische Gleichgewicht wie-

13 Vgl. die Erwägungen von Merkelbach/Totti, Abrasax II 155. 14 "Sprach so und lenkte den Graben hindurch die stampfenden Rosse (Ilias X,564), "und noch zappelnd die Männer in schreckenvoller Ermordung (Ilias X,521), "selber wuschen sie ab ihren reichlichen Schweiß in der Meerflut" (Ilias X.S72). 15 Vgl. Hopfner, Offenbarungszauber I 85f.; Preisendanz, RAC VIII (1972) Iff.; Gager, Curse Tablets 42ff. 16 Dies erscheint als die nächstliegende Übersetzung von έπιλεγέτω υδατι θαλασσίω ραίνων (vgl. zur heidnischen Dämonenvertreibung durch Wasserbesprengung Pesiqta Rabbati 14,14). Gegen Preisendanz, Zauberpapyri I 139: "so spreche er die Verse über Meerwasser und besprenge (das Täfelchen)".

Zauberpapyri

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der her (Porph, Vit Pyth 26; Iambl, Vit Pyth XIV,63; XXV,111; XXIX,164). Einer bei Alexander von Tralles (6.Jhdt.n.Chr.) zitierten angeblichen Galen-Schrift περί της κ α θ ' "Ομερον ιατρικής zufolge hat selbst Galen die Rezitation von Homerversen bei Skorpionstichen und im Halse steckengebliebenen Knochen befürwortet (Alex Trail XI,1 [Puschmann Bd.II 475]) 1 7 . Eine umfassende Auflistung von Homerversen zu magischen Zwecken bietet PGM VII,1-148. PGM XXIIa leitet zu Heilungen von Blutfluß und Elephantiasis durch Rezitation von Homerversen an. Bei Blutfluß (αϊμάρροια) wird empfohlen, Ilias 1,75 ("Zürnen Apolls, des weit in die Ferne schießenden Herrschers") gegen das Blut zu sprechen (εις αίμα λεγόμενος). Gegen Elephantiasis soll man Ilias IV,141 "Wie wenn ein Weib das Elfenbein (ελέφαντα) färbt mit leuchtendem Purpur" aufschreiben und zu tragen geben. Vermutlich sind auch diese Heilungen letztlich als Dämonenvertreibungen verstanden. Um eine den magischen Räucherpraktiken von Kyr III 51,20f.; IV 13, 2f.; 55,4 vergleichbare Dämonenaustreibungsanleitung ohne expliziten Exorzismus handelt e s sich bei PGM XIII ,242-244. Werden einem B e s e s s e n e n S c h w e f e l und Erdharz (θεΐον και ασφαλτου) unter A u s s p r e c h e n e i n e s bestimmten Namens vor die N a s e gehalten, wird er zum Reden gebracht 1 8 , und der Dämon wird die Flucht ergreifen.

1.3.4. PGM XIII,277-282 Mit PGM XIII,277-282 findet sich in den Zauberpapyri sogar eine e x o r z i s t i s c h e Totenerweckungsanleitung, die wohl nicht auf die in der antiken Magie weitverbreitete Totenbefragung (Nekromantie) abzielt. Die Formulierung τάδε τό σώμα legt nahe, daß e s der Magier mit einem unmittelbar vor ihm liegenden m e n s c h l i c h e n Körper zu tun hat und an die tatsächliche Wiederbelebung einer scheinbar verstorbenen Person (εγερσις σώματος νεκρού) gedacht ist. Vermutlich wurde das Beschwörungsritual unmittelbar nach dem Ableben e i n e s M e n s c h e n angewandt und dürfte in bestimmten Fällen von Scheintod auch Erfolg gehabt haben. Allerdings

17 Vgl. Luc, Charon 7; Marcell Emp, Med VIII,58: Homerverse gegen Augenleiden. 18 Es geht nicht darum, dem Dämon Informationen zu entlocken (Luc, Philops 16; PGM IV,3037ff.), sondern offenkundig ohnmächtige Besessene werden hier durch Riechmittel wieder zum Sprechen gebracht (vgl. das von Gordon, Aramaic Incantation 106ff., edierte Epilepsieheilungsformular mit der an den Besessenen gerichteten Aufforderung "Rede, verrückter Mann! Steh auf, Tauber und Stummer!"). Asklepiades hat auf glühende Kohlen gelegtes Galbanumharz wegen seines üblen Geruches zur Reanimation bei epileptischen Anfällen oder hysterischen Erstickungserscheinungen empfohlen (Cael Aur, Cel Pass 11,37); Plin, Hist Nat 21,156, zufolge bringt Thymian als Riechmittel ohnmächtige Epileptiker wieder zu sich.

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kann nicht völlig a u s g e s c h l o s s e n werden, daß bei PGM XIII,272-282 an eine vorübergehende leibliche Reanimation zu nekromantischen Z w e c k e n gedacht ist, wie sie Apul, Met II 28 (reducere paulisper ab inferis c o r pusque istud postliminio mortis animare; vgl. auch W 63; Luc, Philops 14) 1 9 als magische Praktik begegnet. Die Beschwörungsanweisung lautet: 'δρκίζω σε, πνεύμα έν άέρι φοιτώμενον, είσελθε, ένπνευμάτωσον, δυνάμωσον, διαέγειρον τη δυνάμει του αιωνίου θεοΰ τόδε τό σωμα, και περιπατείτω έπί τόνδε τον τόπον, δτι εγώ εΐμι ό ποιων τξ δυνάμει τοΰ Θαύδ, άγίου θ ε ο δ . ' λέγε τό δνομα ("Ich beschwöre dich, luftschreitender Geist, komm herein, erfülle mit Atem und Lebensstärke, erwekke durch die Macht des ewigen Gottes diesen Körper, und er wandle an diesem Ort, weil ich es bin, der es wirkt durch die Macht des Thayth, des heiligen Gottes. Sprich den Namen" CPreisendanz, Zauberpapyri II 101f.]). Vom Zeitpunkt der literarischen Fixierung her stammen die b e s p r o c h e n e n Krankenheilungs- und Totenerweckungsformulare fast durchweg aus dem 4.Jhdt.n.Chr. Allerdings ist davon auszugehen, daß ihre traditionellen, t e i l w e i s e in der altägyptischen oder m e s o p o t a m i s c h e n Magie wurzelnden Praktiken im Kern bereits für die ntl Zeit vorausgesetzt w e r d e n können. Die von Wünsch und Audollent edierten Defixiones stammen großenteils aus vorchristlicher Zeit. Speziell exorzistische Besprechungen (έποιδαί) besessener Personen sind bereits Hippocr, Morb Sacr I,39f., bezeugt (vgl. auch Plato, Res Publ II 364B-365A), die Verwendung von Homerversen zu Heilzwecken geht auf Pythagoras zurück. Von magischen Handbüchern nach Art der Zauberpapyri ist Apg 19,19 und Luc, Philops 12.31, die Rede, spätestens für die Mitte des 2.Jhdt.n.Chr. ist der Gebrauch solcher der Dämonenvertreibung dienenden Exorzismen, wie sie sich in den Zauberpapyri finden, verbürgt (u.a. Just, Dial 85,3; Luc, Philops 11.16; Celsus bei Orig, Cels 1,68). Daß aus früheren Jahrhunderten keine griechischen magischen Kompendien überkommen sind 2 0 , dürfte im wesentlichen zwei Gründe haben. Einerseits handelt es sich bei magischen Formularen um Gebrauchstexte, die immer wieder neu abgeschrieben und durch Veränderung aktuellen Bedürfnissen angepaßt wurden 2 1 , womit frühere Fassungen des Textes entbehrlich wurden. Andererseits ist für die ersten Jahrhunderte von einer weitreichenden Vernichtung älterer magischer Werke aus freien Stücken heraus oder auf staatli-

19 Vgl. Luck, Magie 223-265; Fischbach, Totenerweckungen 136-142. 20 Vgl. aber das nur fragmentarisch erhaltene Formular PGM LXXXV (l.-2.Jhdt.n.Chr.), das Bestandteil eines umfassenderen magischen Kompendiums war (vgl. H.D. Betz, Magical Papyri 301). 21 Besonders gut läßt sich dies für PGM XIII nachweisen, vgl. Brinkmann, Schreibgebrauch 482f.; Merkelbach, Abrasax III 86-92. Zahlreiche Formulare in PGM geben sich expressis verbis als Kopien oder Abschriften zu erkennen, vgl. H.D. Betz, Authoritative Tradition 180f., mit Belegen.

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Theios Aner

che Anordnung hin auszugehen 2 2 . In keinem Falle sollte die relativ späte literarische Fixierung der uns bekannten griechischen Zauberpapyri, die grundsätzlich der Geheimhaltung unterlagen und durch glückliche Umstände bedingte Zufallsfunde sind, zu dem Fehlschluß verleiten, es habe die dort repräsentierte Magie um die Zeitenwende und davor noch nicht gegeben.

1.4. Wunderwirkende Theioi

Andres

Von den zahlreichen Personen der griechisch-römischen Antike, die durch Charisma, Magie und W i s s e n s c h a f t aufsehenerregende Wundertat e n vollbrachten, beanspruchten einige für sich eine göttliche Physis oder wurden von ihren Anhängern als göttlich angesehen und sind damit im oben erläuterten Sinne (II.4.3.) dem Typos d e s Theios Aner zuzurechnen1.

1.4.1. Pythagoras Für Pythagoras (6.Jhdt.v.Chr.), den "göttlichsten und w e i s e s t e n über allen Menschen" (Iambl, Vit Pyth 11,12), der das Auftreten späterer G e stalten wie Apollonius von Tyana oder Alexander von Abonuteichos e n t s c h e i d e n d mitprägte, hat W. Burkert überzeugend herausgestellt, daß e s sich b e i ihm historisch um einen Magier oder Schamanen handelte, der den M e n s c h e n direkten Kontakt zu den göttlichen Kräften vermittelte 2 . Die recht späten Hauptquellen, n e b e n den maßgeblich von Apollonius von Tyana und von Nikomachus von Gerasa abhängigen 22 Für das römische Kaiserreich (vgl. etwa Dio Cassius LXXV 13,2: systematische Vernichtung aller Geheimschriften in den ägyptischen Tempeln unter Septimius Severus) und nicht zuletzt für den christlichen Staat nach der Konstantinischen Wende ist die gezielte Vernichtung magischer Literatur durch die Obrigkeit verbürgt (Speyer, Büchervernichtung 54.59f.l30-134u.ö., vgl. auch MacMullen, Enemies of the Roman Order 95-162; Segal, Hellenistic Magic 356ff.). Zudem war es weit verbreitet, daß Heiden beim Ubertritt zum Christentum in ihrem Besitz befindliche magische Werke verbrannten (Speyer, Büchervernichtung 169-173). 1 Vgl. über die nachfolgend besprochenen Gestalten hinaus Athen, Deipnosoph VII,289Aff. (Menekrates hält sich als "König der Heilkunst" für Zeus); Dio Chrys III,30f. (Xerxes schreitet über das Meer und steht damit den Göttern in nichts nach); Plut, Pyrrhus 111,5 (die heilkräftige Zehe indiziert eine göttliche Dynamis des Pyrrhus). 2 Burkert, Weisheit und Wissenschaft 86-142; vgl. zur sachlichen Kontinuität zwischen Alt- und Neupythagoreismus ders., Hellenistische Pseudopythagorica 226-246. Mit wenig Überzeugungskraft bestritten werden schamanistische Züge des Pythagoras durch Philip, Pythagoras 159-162.

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Pythagorasviten des Porphyrius und Iamblichus noch Diog Laert VIII, 1-50, basieren im Kern auf dem jahrhundertelangen Weiterreichen vorgefundener Pythagorasnachrichten, wobei die Wunderüberlieferung zur ältesten Pythagorastradition mit hohem geschichtlichen Wert gehört. Maßgebliche Bedeutung kommt einem auf die verlorengegangene Pythagorasschrift des Aristoteles (Aristot, Fragm 191) zurückgehenden Wundergeschichtenkatalog 3 zu, der hauptsächlich Naturwunder enthält. Eine ebenfalls bereits im 4Jhdt.v.Chr. greifbare mantische Wundergeschichtensammlung mit Unheilsvorhersagen könnte dagegen ursprünglich mit Pherekydes verbunden gewesen und erst sekundär auf Pythagoras übertragen worden sein (FGH II 115,70; Diog Laert 1,116). Nicht zu bezweifeln ist, daß Pythagoras die Seelenwanderung lehrte, von einer Präexistenz der Seele in früheren Lebewesen überzeugt war und sich als Schamane oder καθαρτής schwerpunktmäßig einer Reinigung und Zurüstung der menschlichen Seele widmete 4 . Das in der Seelenwanderungslehre implizierte menschliche Wissen um das vergangene und zukünftige Geschick der Seele im Jenseits setzt einen Zugang zum Bereich der Dämonen oder Götter voraus, mit denen der Schamane in Verbindung tritt, indem seine in Ekstase vom Körper gelöste Seele sich auf Himmels- oder Unterweltreise begibt. In diesen Zusammenhang gehören neben den Pythagoraslegenden vom gleichzeitigen Erscheinen an unterschiedlichen Orten durch Flugwunder (Iambl, Vit Pyth XXVIII,134.136) und vom Wissen um die frühere Inkarnation des Myllias als Midas (Ael, Var Hist IV,17) auch die von Hieronymos von Rhodos (Diog Laert VIII,21), Aristophon (Diog Laert VIII,38) und Hermippus (Diog Laert VIII,41) überlieferten Traditionen von einer Hadesfahrt des Pythagoras, was im Zusammenhang mit einer rituell vollzogenen Katabasis in die Unterwelt (vgl. Luc, Menippus 6ff.) stehen dürfte. Diese Katabasis verfolgte wohl den Zweck, den Seelen der Verstorbenen Totengeleit ins Jenseits zu geben (vgl. Iambl, Vit Pyth 3 Apoll Parad, Hist Mir VI; Ael, Var Hist 11,26; IV,17; Diog Laert VIII,11; Iambl, Vit Pyth XXVIII,140-143; vgl. Porph, Vit Pyth 2 3 - 2 8 / I a m b l , Vit Pyth VIII,36; XIII,60-62; XVIII,134-136. 4 Vgl. zur Seelenwanderungslehre die alten Pythagorastraditionen bei Diog Laert VIII,4f.l4.30-32.36, zum Ganzen Rohde, Psyche II 160-170.417-421; Stettner, Seelenwanderung 7ff.; Burkert, Weisheit und Wissenschaft 98ff. Pythagoras steht damit in der Tradition des Epimenides (Porph, Vit Pyth 29/Iambl, Vit Pyth XXVIII,135 stellt das Lehrer-Schüler-Verhältnis auf den Kopf), der ebenfalls die Seelenwanderung lehrte (Diog Laert 1,114), die eigene Seele auf Reisen schickte (Suda s.v. Έπιμενίδης), als καθαρτής wirkte (Iambl, Vit Pyth XXVIII,136) und als θείος άνήρ galt (Plato, Leg I 642D).

Theios Aner

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XXVIII, 155) oder den Lebenden präzise Informationen über die Präexistenz ihrer Seele in früheren Lebewesen zu verschaffen (Porph, Vit Pyth 26/Iambl, Vit Pyth XIV,63). Neben der Vermittlung solchen Wissens um das Vorleben der Psyche, das vermutlich einer Offenlegung von Verfehlungen im vorherigen Leben und daraus resultierender Leiden diente, Schloß die Seelenbetreuung Musiktherapie mit ein, um die Seelenkräfte in ihr ursprüngliches harmonisches Gleichgewicht zurückzubringen. Die der Reinigung der Seele und der Behebung physischer wie psychischer Gebrechen dienende Musiktherapie vollzog sich bevorzugt durch Gesang von Homer- und Hesiodversen zur Lyra (Porph, Vit Pyth 26; Iambl, Vit Pyth XIV,63; XXV,111; XXIX,164). Da für die Pythagoreer die irdische Musik eine Imitation der himmlischen Sphärenharmonie darstellt und die Eigenschaften wie Verhältnisse der musikalischen Harmonie auf Zahlen basieren, kommt Astronomie und Arithmetik hohe Bedeutung bei der Anwendung von Musiktherapie zu (vgl. Apoll, Ep 52) 5 . Auch das schamanistische Motiv der Kommunikation mit Tieren, das sich in den Wundergeschichten Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth XIII,60-62 niedergeschlagen hat, dürfte historisch sein. Die Seelenwanderungslehre des Pythagoras Schloß Herakleides Pontikus und Xenophanes zufolge die Reinkarnation menschlicher Seelen in Tierkörpern mit ein (Diog Laert VIII,4.36), mit denen Pythagoras in Kontakt treten konnte, wie es für einen Schamanen typisch ist 6 . Spätestens seit Aristoteles (Fragm 191) wurde Pythagoras als Apollo betrachtet und damit als göttlich verehrt, wie es später insbesondere bei Iamblichus stereotyp der Fall ist. Den Schlüssel hierfür liefert Hermippus, indem er den göttlichen Status des Pythagoras (θείον τίνα) als Resultat von dessen Hadesfahrt ansieht (Diog Laert VIII,41). Wer wie Pythagoras in Ekstase seine Seele auf Jenseitsreise schickte und dabei in freundschaftlichen Kontakt zu Göttern und Dämonen trat, galt als einer der Ihren (vgl. Apoll, Ep 50) und hat vermutlich selber eine übernatürliche Natur beansprucht.

1.4.2. Empedokles Neben Pythagoras war der im Pythagoreismus wurzelnde (Timaios bei Diog Laert VIII,54; Iambl, Vit Pyth XXVIII,135) Empedokles von 5 Vgl. van der Waerden, Pythagoreer 364-367; Garman, Pythagoras 153-170. 6 Vgl. zum Erlernen der Tiersprache im Schamanismus Eliade, Shamanism 96-99.

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Akragas (5.Jhdt.v.Chr.) eine der einflußreichsten Gestalten des antiken Theios Aner. Empedokles verdient für den uns interessierenden Zeitraum h ö c h s t e s Interesse, weil die mit ihm verbundene Theios Aner-Tradition ebenfalls über Jahrhunderte hinweg überliefert und ausgestaltet wurde. Einen vorläufigen Abschluß fand d i e s e Entwicklung im 3.Jhdt.n.Chr. bei D i o g e n e s Laertius, der mit seiner Sammlung unterschiedlichster antiker Empedoklestraditionen (Diog Laert VIII,51-77) zugleich die Hauptgrundlage für eine Eruierung der historischen Figur d e s Empedokles darstellt 7 . Die in erster Linie aus mantischer Wirksamkeit und aus Krankenheilungen resultierenden Theios Aner-Ansprüche sind einem im IchStil formulierten, authentischen Empedoklesfragment entnehmbar. "Ich aber wandle euch daher als ein unsterblicher Gott, nicht mehr sterblich (εγώ 8' ύμΤν θεός αμβροτος, οϋκέτι θνητός πωλεΰμαι) ... Wann auch immer ich in blühende Städte komme, werde ich von Männern wie Frauen verehrt. Sie folgen mir in Zehntausenden, um den Weg zum Nutzen zu erkunden. Die einen suchen Orakel, andere, die an allen möglichen G e brechen leiden, begehren ein heilbringendes Wort, lange schon von Schmerzen durchbohrt. " 8 Maßgebliches Licht auf das Selbstverständnis und den personalen Anspruch des Empedokles wirft darüber hinaus die von ihm überlieferte, höchstwahrscheinlich auf sein eigenes Wirken bezogene Aussage "Zuletzt aber werden sie Seher und Sänger und Ärzte und Fürsten (μάντεις τε και ΰμνοπόλοι και [ητροί και πρόμοι) den irdischen Menschen, woraus sie emporwachsen als Götter, an Ehren reichste, den anderen Unsterblichen Herdgenossen, Tischgefährten, menschlicher Leiden unteilhaft, unverwüstlich." 9 In einem w e i t e r e n Fragment, in dem Empedokles von der Weitergab e seiner Befähigungen an einen Dritten - am e h e s t e n Pausanias spricht, ist über Krankenheilungen hinaus auch von Totenerweckungen und Naturwundern die Rede. "Und Heilmittel (φάρμακα), so viele nur geworden sind als Hilfe gegen Übel und Alter, wirst du kennenlernen, denn dir allein will ich dies alles erfüllen. Stillen wirst du auch der unermüdlichen Winde Gewalt, die gegen

7 Empedokles-Tradition findet sich darüber hinaus u.a. Plin, Hist Nat 7,175; Strabo VI2,8; Plut, Mor 515C; 1126B; Philostr, Vit Apoll VIII7,6.8; Clem Alex, Strom VI 30,Iff. 8 Diog Laert VIII,62 (Emped, Fragm 102/Diels 31 Β 112). Es handelt sich um den Anfang der Empedoklesschrift οΐ καθαρμοί, vgl. Diog Laert VIII,54. Das keineswegs ironisch gemeinte Fragment belegt, daß Empedokles mit personalem göttlichen Anspruch auftrat (Panagiotou, Divinity 276ff.). - Völlig legendarisch und teilweise von dem polemischen Topos des betrügerischen Philosophen geprägt sind die Traditionen vom wundersamen Tod und der Apotheose des Empedokles, vgl. dazu Empedokles ed. Wright 15-17. 9 Emped, Fragm 132f./Diels 31 Β 146f.

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die Erde losbrechen und mit ihrem Wehen die Felder vernichten, und umgekehrt wirst du, wenn du den Willen hast, zum Ausgleich die Lüfte herbeiholen. Schaffen wirst du aus dunklem Regen rechtzeitige Trockenheit den Menschen, schaffen wirst du aber auch aus sommerlichen Trockenheit baumernährende Regengüsse, die dem Himmel entströmen. Zurückfuhren wirst du aus dem Hades die Kraft eines verstorbenen Mannes." 1 0 Empedokles rückt mit dieser Kombination von Heilung und Kontrolle der Naturgewalten in die Nähe jener Hippocr, Morb Sacr, bekämpften Magier, die n e b e n exorzistisch-kathartischen Krankenheilungen auch Wetterbeeinflussung betreiben (I,10ff.). Wie Pythagoras lehrte E m p e d o kles die Seelenwanderung (Fragm 131 = Diels 31 Β 127), war davon überzeugt, s e l b e r bereits Knabe, Mädchen, Pflanze, Vogel und Fisch g e w e s e n zu s e i n (Fragm 108 = Diels 31 Β 117), und verfaßte Katharmoi, die wohl im Zusammenhang mit der Reinigung der S e e l e von präexistenter Schuld standen. In enger Verbindung mit d i e s e n im Pythagoreismus wurzelnden schamanistischen Zügen von Empedokles 1 1 , d e s s e n γοητεύειν Gorgias persönlich beobachtet haben will (Diog Laert VIII,59), sind s e i n e Krankenheilungen und Wiederbelebungen scheinbar Verstorbener in hohem Maße von wissenschaftlicher Medizin mitgeprägt. Empedokles verfaßte eine nur dem Titel nach bekannte Schrift namens Ιατρικός λόγος (Diog Laert VIII,77), Emped, Fragm 101, sind pharmakologische Heilpraktiken entnehmbar, und Celsus (Med Prooem 7) wie Galen (Gal X,6) betrachten ihn als Vertreter der wissenschaftlichen Heilkunst. Herakleides Pontikus (4.Jhdt.v.Chr.) berichtete in seiner nur fragmentarisch erhaltenen Schrift "Uber die Scheintode oder über die Krankheiten" (περί της απνου η περί νόσων) 1 2 von der Wiederbelebung einer Frau durch Empedokles, die weder Puls noch Atem hatte, sich nur durch einen Rest an Körperwärme von einer Verstorbenen unterschied und von den Ärzten für tot erklärt worden w a r 1 3 . Sofern die Notiz Plin, Hist Nat 7,175, daß eine ίο Satyrus bei Diog Laert VIII,59 (Emped, Fragm 101/Diels 31 Β 111). Obwohl die Herkunft des Fragments fraglich ist - Clem Alex, Strom VI 30,2, und Diog Laert VIII,59 geben lediglich "Gedichte" des Empedokles als Quelle an (vgl. auch Empedocle ed. Bollak 111,1 19ff.) - , dürfte es authentisch sein und der an Pausanias gerichteten (Emped, Fragm 4 / D i e l s 31 Β 1) Empedoklesschrift περί φύσεως zugehören (Flashar, Empedokles Frgm. Β 111 223-227). 11 Vgl. zu Empedokles als "Seherarzt" Kranz, Empedokles 22-37, zu seiner Seelenreinigung Rohde, Psyche 171-187; Stettner, Seelenwanderung 19-29. 12 Text der Fragmente (Fragm 76-89) bei Wehrli, Herakleides Pontikus 27-32, Komm. ebda. 86ff. Vgl. ferner Gottschalk, Heraclides 13-22. 13 Herakleides, Fragm 7 9 / G a l VIII,414f.; vgl. Fragm 77.83/Diog Laert VIII,60-62.67. Die Heilung der von den Ärzten aufgegebenen Panthea ( H e r mipp bei Diog Laert VIII,69) dürfte mit dieser Wiederbelebung identisch sein.

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falsche Lage der Gebärmutter die Atmung außer Kraft gesetzt hatte, auf Herakleides Pontikus zurückgeht 14 , reflektierte dieser im Sinne der hippokratischen Medizin auch über die Ursachen des Scheintodes. Die in hohem Maße knidisch geprägte Schrift De muliebribus beschreibt ausführlich, wie Uterusverlagerungen Komazustände (Hippocr, Mul 11,123 [Littre VIII,266]), Atemnot, Stummheit, Erstarrung des Kopfes und der Zunge (όρθόπνοος γίνεται, αναυδοι γίνονται, και τά άμφί την κεφαλήν και την γλωσσαν νάρκη εχει, II, 126 [Littre VIII,2701) bis hin zur Erkaltung der Gliedmaßen (11,151 [Littre' VIII,326]) nach sich ziehen 15 . Im 2.Jhdt.n.Chr. widmet sich Galen ausführlich diesem Problem und zitiert dabei Herakleides Pontikus zustimmend, indem er dessen Beschreibung der Scheintodsymptome mit Fällen aus seiner eigenen Praxis in Einklang sieht (Gal VIII,414ff.; vgl. auch VII,773). Galen erklärt sich den Scheintod damit, daß trotz fehlender Atmung durch Mund und Nase in den Arterien noch Respiration herrscht, und zieht vergleichend den totenähnlichen Winterschlaf der Tiere heran (VIII,415). Bei der Wiederbelebung der scheintoten Frau durch Empedokles hat es sich wahrscheinlich um eine auf medizinischem Wege bewirkte Wiederherstellung der Atmungsfähigkeit gehandelt, denn für Empedokles sind sowohl Erwägungen über die menschliche Respiration als auch Reflexionen über die physiologischen Grundlagen von Schlaf und Tod und deren Unterscheidung bezeugt 16 . Vermutlich war diese ärztliche Wiederbelebung mit einer schamanistischen Hadesfahrt, auf der Empedokles die Seele der Scheintoten aus der Unterwelt zurückholte (vgl. Emped, Fragm 101), gekoppelt, zumal die Empedoklestradition bei Herakleides, Fragm 78.81 (Orig, Cels 11,16; Plin, Hist Nat 7,175), im Kontext der Seelenwanderung begegnet. Über die Heilungswirksamkeit hinaus wird ausführlicher über eine ihm den Beinamen "Windbezwinger" (Clem Alex, Strom VI 30,1) einbringende Sturmstillung des Empedokles berichtet, wobei es sich nicht zwangsläufig um eine sekundäre erzählerische Entfaltung von Emped, Fragm 101,3f., handeln muß. Empedokles soll seine Heimatstadt Akragas

14 Vgl. dazu Gottschalk, Heraclides 20. Plin, Hist Nat 7,175 (Fragm 81), heißt es: "Das weibliche Geschlecht scheint diesem Übel (sc. dem Scheintod) wegen der Umstülpung der Gebärmutter am meisten unterworfen zu sein; hat man diese wieder in die richtige Lage gebracht, setzt die Atmung wieder ein (spiritus restituitur). Hierher gehört auch jenes bei den Griechen berühmte Buch des Herakleides über eine Frau, die nach einem Scheintod von sieben Tagen wieder ins Leben gerufen wurde (septem diebus feminae exanimis ad vitam revocatae)." Vgl. auch Lonie, Medical Theory 135-143. 15 Vgl. Plato, Timaios 91C; Aret 1111,2 (τουνεκεν απνοια ξυνεΤναι δοκέειν και άφωνίη); Gal VIII,425. 16 Vgl. die Ausführungen über die Respiration in Emped, Fragm 91/Diels 31 Β 100, und Aetius IV 22,1/PsPlut, Mor 903D. Aetius V24,2; 25,4/PsPlut, Mor 909DE; 910AB/Diels 31 A 85 zufolge hat Empedokles den Schlaf auf die teilweise und den Tod auf die vollständige Erkaltung des Blutes zurückgeführt und beides mit dem Erlöschen des Feuerelementes im menschlichen Körper in Verbindung gebracht.

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vor einem schädigenden Wind bewahrt haben. Dieses Ereignis wird erst im Laufe der Überlieferungsgeschichte zunehmend als wunderhaft stilisiert (vgl. Clem Alex, Strom VI30,1; Philostr, Vit Apoll VIII7,8), während in der älteren Tradition durchaus glaubwürdig davon die Rede ist, daß Empedokles durch Aufhängen von Eselshäuten die Kraft des Windes brach 1 7 . Von den weiterhin berichteten Wundertaten des Empedokles hat die Erzählung von der Bewahrung der Stadt Selinus vor einer durch verseuchtes Flußwasser verursachten Pest (Diog Laert VIII,70) einen ernstzunehmenden historischen Haftpunkt 18 , während der späte, allein bei Iambl, Vit Pyth XXV,113, überlieferte Bericht von der Beschwichtigung eines Tobsüchtigen durch Musik völlig legendarisch sein dürfte. Letztlich handelte es sich bei Empedokles, der auch als Rhetor (Diog Laert VIII,57) und Politiker (VIII,64ff.) wirkte, um eine mit TheiosAner-Anspruch auftretende, universal begabte Gestalt. Mit seinen aussergewöhnlichen Heilungen, Wiederbelebungen und Naturbeeinflussungen, die er durch eine Verquickung magischer Fähigkeiten wie wissenschaftlicher Kenntnisse bewirkte, stieß Empedokles in der griechischrömischen Welt über Jahrhunderte hinweg auf hervorgehobenes Interesse und besaß für das Auftreten späterer Wundertäter idealtypischen Vorbildcharakter.

1.4.3. Asklepiades von Prusa Asklepiades von Prusa, der in der ersten Hälfte des l.Jhdt.v.Chr. 19 wirkte, trug als einer der bedeutendsten Ärzte seiner Zeit und als eigentlicher Begründer der Methodikerschule maßgeblich zur Etablierung der wissenschaftlichen Medizin in Rom bei. Den menschlichen Leib sah er aus unzähligen, ständig zirkulierenden kleinen Körperchen 17 Timaios bei Diog Laert VIII,60 (vgl. Plut, Mor 515C; 1126B). Die Anordnung zum Schlachten von Eseln allerdings ist weder mit der Reinkarnationslehre noch mit der Blutopferkritik des Empedokles vereinbar. 18 Münzen (5.Jhdt.v.Chr.) aus Selinus bilden einen Mann ab, der Asklepios durch Opfer Heildank abstattet. Dies wird vielfach mit der Bewahrung der Stadt vor Pest Diog Laert VIII,70 in Verbindung gebracht, was allerdings unsicher bleibt (Abb. der Münzen und kritische Bewertung bei A.H. Lloyd, Coin Types of Selinus 73-93 + Plate IV). 19 Diese allgemein angenommene Datierung stützt sich auf Cic, Or 114,62 (Asklepiades als Freund des 91v.Chr. gestorbenen Crassus), und Plin, Hist Nat 26,12 (Asklepiades als Zeitgenosse von Pompeius). Rawson, Life and Death of Asclepiades 360ff., nimmt hingegen 91 v.Chr. als spätesten Todestermin von Asklepiades an.

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(αναρμοι δγκοι) zusammengesetzt, von deren Beschaffenheit und Verhältnis zu den zwischen ihnen gelagerten Hohlräumen Krankheit oder Gesundheit abhängig s e i e n 2 0 . Von den mindestens siebzehn der bei diversen antiken Autoren zitierten Schriften des Asklepiades 2 1 ist freilich keine einzige erhalten. Zusätzlich wird ein adäquates Erfassen der historischen Bedeutung des Asklepiades dadurch erschwert, daß seine Therapien bald auf massive Kritik stießen, der ältere Plinius ihn als Scharlatan verunglimpfte und seinem Werk auch später bei Galen Verachtung zuteilwurde. Für eine sachgerechte Beurteilung des Asklepiades wird man sich am ehesten an Celsus und Scribonius Largus halten können. Celsus zitiert Asklepiades vielfach 22 , würdigt sine studio et ira teils zustimmend, teils ablehnend dessen medizinische Leistungen und läßt insgesamt nicht den geringsten Zweifel daran, daß es sich bei Asklepiades um einen uneingeschränkt in der wissenschaftlichen medizinischen Tradition stehenden Arzt mit hoher Reputation handelt. Dabei wird deutlich, daß Asklepiades der Pharmakologie zurückhaltend gegenüberstand, stattdessen der Diätetik verstärktes Gewicht einräumte (Cels, Med V Praef 2) 23 , und hier insbesondere Bädern einen hohen medizinischen Stellenwert beimaß 2 4 . Spätestens im l.Jhtd.n.Chr. kursierten in Rom wegen dieser pharmakologiekritischen Haltung die wildesten Gerüchte über Asklepiades, gegen die ihn Scribonius Largus als einen maximus auctor medicinae verteidigt 25 . Wenn Plinius behauptet, Asklepiades habe in Rom zunächst als Rhetor gewirkt und sich dann ohne die geringsten medizinischen Vorkenntnisse aus reiner Gewinnsucht der Heilkunst zugewandt (Hist Nat 26,12f.), entspricht dies zumindest in bezug auf eine fehlende ärztliche Ausbildung nachweislich nicht den Tatsachen 26 . Im 2.Jhdt. n.Chr. sieht man Asklepiades der bissigen Kritik des

20 Vgl. bes. die Ad Asclepiadem gerichteten Ausführungen des Cael Aur (Cel Pass I105ff.), zum Ganzen Harig, System des Asklepiades 44ff.; Green, Asclepiades 83-87; Vallance, Lost Theory of Asclepiades 8ff. 21 Titel und Belegstellen bei Wellmann, PRE 4 (1896) 1633; Green, Asclepiades 66f.; von Vilas, Asklepiades 34-36.79-82. 22 Vgl. Richardson, Index to Celsus 177. 23 Vgl. neben der Cels, Med 1114,1, zitierten Asklepiadesschrift De communibus auxiliis auch Plin, Hist Nat 26,13, zum Ganzen: von Vilas, Asklepiades 67ff. Falsch ist aber, daß Asklepiades die Pharmakologie grundsätzlich ablehnte, vgl. Scarborough, Drug Lore of Asclepiades 43ff. 24 Cels, Med II 17,2; vgl. Plin, Hist Nat 26,14. Benedum, Badearzt Asklepiades 25ff., macht plausibel, daß Asklepiades sich seine hydrotherapeutischen Fähigkeiten bereits vor seiner Niederlassung in Rom in seiner bithynischen Heimat aneignete. 25 Scrib Larg, Compos Praef 7ff. (ed. Sconocchia) bzw. 55ff. (ed. Deichgräber, vgl. ebda. 862-864 zur berechtigten Inschutznahme des Asklepiades). 26 Vgl. von Vilas, Asklepiades 18-23; Wellmann, Asklepiades aus Bithynien 688-703 (anders noch ders., PRE 4 [1896] 1632f.), die - wie viele

Theios Aner Methodikerverächters Galen ausgesetzt (Gal, Περί της ιατρικής I,2ff.; Gal 11,165 u.ö.)·

97 εμπειρίας

B e s o n d e r e Berühmtheit erlangte Asklepiades, der Plin, Hist Nat 26,13, zufolge von s e i n e n Anhängern als "Gesandter d e s Himmels" ( c a e lo demissus) verehrt wurde und von daher dem Typus d e s Theios Aner z u z u r e c h n e n ist, durch die Wiederbelebung e i n e s totgeglaubten Mannes. Plinius, der bereits Hist Nat 7,124 eher beiläufig auf d i e s e s Ereignis zu s p r e c h e n g e k o m m e n war (relato e funere homine et c o n s e r v a to), stellt e s Hist Nat 26,15 geradezu als bewußt betrügerisches Schauspiel dar: " ... als er, dem Begräbnis eines Unbekannten begegnend, den Mann vom Scheiterhaufen herabholte und rettete, daß aber ja niemand glaube, eine solch große Wendung s e i mit einfachen Mitteln erreicht w o r d e n . " 2 7 D e n Parallelen bei Celsus und Apuleius ist dagegen deutlich entnehmbar, daß e s sich bei der Wiederbelebung nicht um Goetie, sondern um ärztliches Eingreifen handelte. Celsus, ohnehin der älteste Zeuge für diese Wiederbelebung, kommt im Zusammenhang seiner Ausführungen über die sicheren Zeichen des Todes (certa mortis indicia) auf sie zu sprechen. Um sich zu vergegenwärtigen, welche Schwierigkeiten und Fehlerquellen in der Antike selbst für fundiert ausgebildete Ärzte eine zuverlässige Diagnose des eingetretenen Todes in sich barg, lohnt sich eine Betrachtung der Asklepiadesnotiz in ihrem Kontext: "Es kann mich sehr wohl jemand fragen: 'Wenn es sichere Zeichen des bevorstehenden Todes gibt, wie kommt es dann, daß mitunter von den Ärzten aufgegebene Kranke wieder gesund werden, ja daß einige sogar beim Leichenbegräbnis wieder lebendig geworden sein sollen (quosdamque fama prodiderit in ipsis funeribus revixisse) 2 8 ?' Selbst der mit Recht berühmte Demokritus lehrte: 'Nicht einmal die Kennzeichen des erfolgten Todes, welche die Ärzte angenommen hätten, seien zuverlässig', und umso weniger gibt er zu, daß man sichere Kennzeichen für den bevorstehenden Tod hat. Hierauf will ich nicht einmal erwidern, daß oft einander sehr nahe stehende Kennzeichen täuschen können, wenn auch nicht die guten, so aber die uner-

andere (vgl. dazu Rawson, Life and Death of Asclepiades 365f.) - eine Verwechslung mit dem Rhetor Asklepiades Myrleanus vermuten. Scarborough, Roman Medicine 38-42, macht sein Bild von Asklepiades als medizinischem Autodidakten unkritisch an Plin, Hist Nat 26,12-17, fest. 27 Plin, Hist Nat 26,15, cum occurisset ignoto funeri, relato homine ab rogo atque servato, ne quis levibus momentis tantam conversionem factam existemet. Wellmann, PRE 4 (1896) 1632, übernimmt dies recht unkritisch und spricht von einer Komödie des Asklepiades. 28 Plinius berichtet Hist Nat 7,173.176 von konkreten, durchaus glaubwürdigen Scheintodfällen in Capua (unter Berufung auf Varro), Aquino und Rom, bei denen der "Tote" teilweise schon auf einer Bahre zum Begräbnis getragen wurde und zu Fuß nach Hause zurückkehrte.

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fahrenen Ärzte 2 9 . Dies wußte Asklepiades wohl, als er, einem Leichenzuge begegnend, ausrief: 'Der, welcher da hinausgetragen wird, lebt noch (quod Asclepiades funeri obvius intellexit quendam vivere qui efferebatur)!', und daß, wenn der Arzt einen Fehler begeht, derselbe nicht gleich der ärztlichen Kunst zur Last gelegt werden darf. Gemäßigter will ich nur folgendes hinzufügen: Die Heilkunde beruht auf Vermutungen, und diese können mitunter täuschen, wenn sie sich auch oft als richtig erwiesen haben" (Cels, Med 116,13-16).

Die sachlich referierte, in ihrer Glaubwürdigkeit von Celsus nicht im mindesten angezweifelte Wiederbelebung durch Asklepiades wird hier als medizinische Korrektur der fehlerhaften Diagnose unerfahrener Ärzte, wie sie offenkundig nicht selten vorkam, aufgefaßt. Dies deckt sich mit der Tatsache, daß Asklepiades eine wissenschaftliche Abhandlung über Respiration und Pulsschlag (περί της αναπνοής και των σφρυγμων) abfaßte (Gal VIII,757f.), aus der Aetius IV 22,2 (PsPlut, Mor 903EF) zitiert wird 3 0 . Noch pointierter hebt Apuleius, der die ausführlichste Schilderung des Ereignisses bietet (Flor 19,92-96), das ärztliche Wirken des Asklepiades hervor. Dieser nähert sich dem Leichenzug aus wissenschaftlicher Neugier (19,93f.), diagnostiziert bei dem Scheintoden noch Zeichen des verborgenen Lebens (Flor 19,95 pertrectavit corpus hominis et invenit in illo vitam latentem) und bringt ihn unter Verwendung bestimmter Medikamente wieder zum Leben (19,96 confestimque spiritum recreavit, confestim animam in corporis latibulis delitiscentem quibusdam medicamentis provocavit). Asklepiades erweist sich mit dieser grundsätzlich glaubwürdigen Wiederbelebung als hervorgehobener Repräsentant einer wissenschaftlich-medizinischen Tradition, die über die physiologischen Grundlagen des Scheintodes sowie über geeignete Gegenmaßnahmen reflektiert und von der sich, wie oben deutlich wurde (III.1.4.2.), bereits im Corpus Hippocraticum, bei Empedokles und bei Herakleides Pontikus Spuren finden.

1.4.4. Simon Magus Das älteste Zeugnis für Simon Magus, der vermutlich unter Claudius auftrat (Just, Apol 126,2), liegt in Apg 8,9-13, einer im Kern glaubwürdi-

29 Einzelne Ärzte hielten bei vermutetem Scheintod Wollfasern unter die Nase oder plazierten ein Gefäß mit Wasser auf dem Bauch, um aus etwaigen Bewegungen eine im Innern noch vorhandene Respiration erkennen zu können (Gal VIII,415). 30 Vgl. Vallance, Lost Theory of Asclepiades 80-85.

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gen vorlk Tradition liber Konflikte des Stephanuskreises mit Simon Magus-Anhängern bei der Samariamission, vor 31 . Diesem Bericht ist entnehmbar, daß es sich bei Simon um einen Magier handelte, der aufgrund seiner diesbezüglichen Betätigung in Samaria als "höchste Kraft" (δύναμις μεγάλη) 32 verehrt wurde. An einer Wirksamkeit Simons in Samaria dürfte nicht zu zweifeln sein, zumal dort im 2.Jhdt.n.Chr. das Zentrum der kultischen Simon Magus-Verehrung lag (Just, Apol 126,3) und in der Tradition die samarische Stadt Gitta als Geburtsort Simons gilt (Just, Apol 126,2; PsClem, Horn β 22,2). μαγευων/μαγεία Apg 8,9.11 ist zwar offenkundig abwertend gemeint, aber ernst zu nehmen. Auch Justin hebt magische Machttaten (δυνάμεις μαγικαί) Simons hervor (Apol 126,2). Die Aktivitäten Simons umfaßten oder schlossen mit ein, was man unter Magie oder Goetie verstand.

Bei δύναμις μεγάλη handelt es sich um eine Beschreibung des Gottesnamens, die im Judentum, bei den Samaritanern und in der Gnosis nachweisbar ist 3 3 . Simon Magus wurde also von seinen Anhängern als göttlich verehrt, wie es im 2.Jhdt.n.Chr. auch Justin (Apol I 26,2f.) und die Petrusakten (Act Petr 10) bezeugen, und hat möglicherweise personale Theios Aner-Ansprüche erhoben. Unklar bleibt, worin die Magie Simons bestand und inwieweit er als Urheber der simonianischen Gnosis in Betracht kommt. Wenn die Frage nach der historischen Beurteilung Simons in der Regel auf die Alternative "Magier oder Gnostiker" zugespitzt wird, scheint dabei eine den Tatsachen nicht entsprechende Ausklammerung von Magie aus dem Bereich der Religion impliziert zu sein. Man vermag sich einen Magier offenkundig nicht als Urheber einer Soteriologie oder als Religions Stifter vorzustellen. Eine genauere Sichtung der Textbefunde führt hier zu dem Ergebnis, daß die Magie Simons vermutlich auf das engste mit seiner Seelenerlösungslehre zusammenhängt 34 . 31 Vgl. Lüdemann, Frühes Christentum 103f.l06f. Ob die Taufe Simons Apg 8,13 historisch ist (Berger, Propaganda 313-317: Es habe sich bei Simon Magus um einen Repräsentanten frühen samaritanischen Christentums gehandelt), bleibt fraglich. Die Konfrontation Simons mit Petrus Apg 8,14-24 dürfte erst auf Lk zurückgehen (anders Koch, Geistbesitz 72ff.). 32 In Apg 9,10b λέγοντες· ουτός έστιν ή δύναμις τοΰ θεοΟ ή καλούμενη μεγάλη, eine möglicherweise auf eine εγώ ειμι-Aussage des historischen Simon rekurrierende Prädikation, ist ή καλούμενη zur Näherbestimmung typisch lk (Apg 1,12.23; 3,11 u.ö.) und τοΰ θεοΰ wie in Lk 22,69 redaktionelles Interpretament zu δυναμις. 33 Vgl. die Belege bei Lüdemann, Simonianische Gnosis 42ff.; Beyschlag, Simon Magus 106ff. 34 Gegen Beyschlags These von der simonianischen Gnosis als erst christlicher Häresie des 2.Jhdt. (Simon Magus 127-219) ist davon auszuge-

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Als zentrale magische Praktiken werden Simon in der Tradition die Inanspruchnahme von (Toten-)Geistern als Paredroi 35 und das Vollbringen von Flugwundern (Act Petr 4.31f.) zugeschrieben. Beides weist in den Bereich des Schamanismus. Vermutlich reklamierte Simon Magus Kontakt zum Jenseits und unternahm wie Abaris oder Pythagoras ekstatische Himmelsreisen (Act Petr 4; PsClem, Recogn III 60,l) 3 6 , was den historischen Haftpunkt für die polemische christliche Legende vom Absturz oder der mißglückten Himmelfahrt Simons Act Petr 32 darstellt. Daß Simon vom Typus her dem antiken Schamanentum pythagoreischer Prägung zuzurechnen ist, legt auch seine Soteriologie nahe. Simon behauptete frühere Inkarnationen der Helena (Iren, Haer I 23,2) und hat dabei in Übereinstimmung mit Pythagoras und der Orphik die Seelenwanderung gelehrt und den menschlichen Körper als Gefängnis der Seele betrachtet (vgl. Plato, Gorgias 493A; Crat 400C) 3 7 . Die Nag Hammadi-Schrift "Exegese über die Seele" (Ex An [NHC 11,6]), die pythagoreisch-platonische Anschauungen über das Erdenexil der Seele und ihre Rückkehr in den Himmel reflektiert, gilt in der neueren Gnosisforschung als wichtige Quelle zur Rekonstruktion des Simonianismus, die indirekt Licht auf den historischen Simon Magus wirft 3 8 . Im Zentrum der Erlösungslehre Simons stand offenkundig das Bemühen, den auf Erden geknechteten Seelen nach dem Tod ungehin-

hen, daß der historische Simon in enger Verbindung mit der entstehenden Gnosis stand, "da nur so die bereits in der 1.Hälfte des 2.Jh.s vorhandene simon. Überlieferung voll verständlich wird." (Rudolph, Simon 351, vgl. grundsätzlich Lüdemann, Simonianische Gnosis S5ff.)- Zudem könnte έπίνοια της καρδίας Apg 8,22 eine Kenntnis des simonianischen Systems andeuten, vgl. Lüdemann, Beginnings of Simonian Gnosis 424f. 35 Just, Apol 126,2 (δια της των ενεργούντων δαιμόνων τέχνης δυνάμεις ποιήσας μαγικάς); PsClem, Horn β26,1 (Seele eines Knaben als Hilfsgeist); Act Petr 31 (έποίει πνεύματα τινα προς αυτούς είσάγεσθαι, φαινόμενα μόνον, οϋκ δντα δε άληθως, ähnlich PsClem, Horn δ 4,2). Vgl. zu schamanistischer Inanspruchnahme von Paredroi Eliade, Shamanism 88-95. 36 Vgl. Burkert, Weisheit und Wissenschaft 127: "Abaris konnte nicht 'wirklich' fliegen, aber er konnte ... den Flug vorführen, Zuschauer ihn miterleben lassen - in schamanistischer Ekstase". 37 Das Simon-Referat Iren, Haer 123, wird zu Recht auf das K e t z e r syntagma Justins (Apol 126,8) zurückgeführt und läßt sich damit zumindest bis in die Mitte des 2.Jhdt.n.Chr. hochdatieren. Die Seelenwanderungslehre dürfte dabei integrativer Bestandteil des älteren Simonianismus des l.-2.Jhdt.n.Chr. gewesen sein (Rudolph, Simon 348; anders Lüdemann, Simonianische Gnosis 77f.: die Seelenlehre sei spätere Erweiterung des EnnoiaMythus). 38 Rudolph, Simon 354-359.

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Theios Aner d e r t e n A u f s t i e g z u r o b e r s t e n G o t t h e i t zu v e r s c h a f f e n . I m gnostischen Himmeln Wege,

Kosmologie

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Inkarnationen d e r S e e l e im m e n s c h l i c h e n K ö r p e r nach s i c h z i e h t . liegt

der

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in

Hier

Analogie

Ansatzpunkt

für

Magie39. Iren, Haer 121,5, zufolge wird von Gnostikern an Sterbenden eine Ölung vollzogen, die dem Schutz der Seele vor den feindlichen Gestirnmächten dient und in Verbindung mit der Rezitation festgelegter Sprüche die Durchquerung der verschiedenen feindlichen Himmelssphären gewährleistet. V e r mutlich ist die auf den Simon-Schüler Menander bezogene Aussage, daß die von ihm gelehrte magia die Engel bezwingt ( H a e r 123,5), auf diesem Hintergrund zu sehen. Celsus berichtet von christlich-gnostischen Magiern ( π λ ά ν ο ι και γ ό η τ ε ς ) , die die Seelen zu Gott führen und die Gläubigen dazu veranlassen, die Namen der Türwächter in den verschiedenen Himmeln zum ungehinderten Seelenaufstieg auswendig zu lernen (Orig, Cels VII,40; vgl. VI,30f.). V e r m u t l i c h h a n d e l t e e s sich b e i S i m o n Magus um e i n e n der

den

Gläubigen

Geheimwissen

das

zum

ungehinderten

Schamanen,

Seelenaufstieg

notwendige

e r t e i l t e , durch das B e h e r r s c h e r n v o n T o t e n g e i s t e r n

den V o l l z u g ekstatischer Himmelsreisen Kontakt zum Jenseits t e und v i e l l e i c h t d e n S e e l e n V e r s t o r b e n e r T o t e n g e l e i t

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1.4.5. A p o l l o n i u s v o n T y a n a Hauptzeugnis lJhdt.n.Chr.

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N e u p y t h a g o r e e r s A p o l l o n i u s v o n T y a n a ist die

39 V g l . grundsätzlich zur Verbindung von Seelenaufstieg und M a g i e in der Gnosis Rudolph, Gnosis 186ff. 40 Philostr, Vit Apoll 1,12, zufolge hielt sich der jugendliche Apollonius 17n.Chr. in Aigai auf, Vit Apoll VIII,29ff. verläßt er nach dem Tode Domitians die W e l t ; vgl. zur grundsätzlichen Plausibilität dieser Chronologie Graf, M a x i m o s von Aigai 68-70. Nach Dio Cassius L X X V I I 18,4 lag freilich die Blütezeit ( ά ν θ ε ΐ ν ) des Apollonius unter Domitian, und auch die mutmaßlich echten Apolloniusbriefe Apoll, Ep 23 (an Trajans Leibarzt Kriton), und Ep 58 (wohl an den 108/109n.Chr. als Prokonsul amtierenden Valerius Asiaticus Saturninus, vgl. Eck, Testamentum Dasumii 292-295), legen für Apollonius als Todesdatum eher den Anfang des 2.Jhdt.n.Chr. nahe, vgl. Dzielska, Apollonius of Tyana 32ff.

102 in ihrem

Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus historischen

Wert

recht

zweifelhafte

Biographie

Philostrats

mit ihrer tendenziösen Verherrlichung des Apollonius als eines allseits verehrten, göttlich inspirierten Philosophen und Kultusreformators, über jeden Verdacht magischer Betätigung oder finanzieller erhaben

ist. Nicht zuletzt

der von Philostrat immer wieder

währsmann beanspruchte Damis, angeblich Weggefährte des

der

Interessen als

Ge-

Apollonius

und authentischer Protokollant seines Wirkens, hat sich samt den von ihm verfaßten Hauptsache

υπομνήματα als

geht

es

Philostrat

literarische darum,

Fiktion

Apollonius

erwiesen41. vom

In

der

Vorwurf

der

Goetie freizusprechen (Vit Apoll 1,2; V,12; VII,17.33.39) und damit ein in der älteren Tradition verwurzeltes, den tatsächlichen Gegebenheiten im Prinzip e n t s p r e c h e n d e s Bild von Apollonius als Magier zu verdrängen. Philostr, Vit Apoll 1,7-12, zufolge verbrachte Apollonius seine Jugend am Asklepieion von Aigai, wo er nicht allein mit dem Inkubationsheilungsbetrieb in Berührung kam, sondern auch philosophisch geschult wurde und sich dem Pythagoreismus zuwandte 4 2 . Diese Informationen basieren auf dem Vit Apoll 1,3.12 als Quelle genannten Werk des Maximus von Aigai über die Jugend des Apollonius, an dessen Existenz wie hohem historischen Wert keine Zweifel bestehen können 4 3 . Als Philosoph (Orig, Cels VI,41) stand Apollonius zweifellos in neupythagoreischer Tradition und verfaßte ein Πυθαγόρου βίος (Suda s.v. Άπ.), das sowohl Porphyrius (Vit Pyth 2) als auch Iamblichus (Vit Pyth X X X V , 2 5 4 - 2 6 4 ) bei Abfassung ihrer Pythagorasbiographien vorlag. Von daher ist es glaubwürdig, daß Apollonius die pythagoreische Seelenwanderungslehre vertrat (Philostr, Vit Apoll 111,19.23; VI,21.43; VIII, 7,4). Das authentische Fragment Euseb, Praep Εν IV,13, aus der Apolloniusschrift περί θυσιών (Vit Apoll 111,41; Suda s.v. Άπ.), das für den höchsten Gott jeden Opferdienst ablehnt (vgl. Apoll, Ep 2 6 f . ) 4 4 , und der wohl echte Brief Apoll, Ep 58, weisen Apollonius als Eklektiker aus, bei dem neben pythagoreischen auch platonische und stoische Einflüsse vorliegen 4 5 .

41 Umstritten ist lediglich, ob die Damispapiere als vorphilostrateische Fälschung tatsächlich existent waren (Speyer, Zum Bild des Apollonius 4 8 - 5 3 ) oder Erfindung Philostrats sind (grundlegend: E. Meyer, Apollonius von Tyana 371ff.; ferner Bowie, Apollonius of Tyana 1653-1671; Koskenniemi, Der philostrateische Apollonios 9-15). 42 Vgl. zu den Asklepieien als Zentren des geistigen Lebens etwa die Gegebenheiten in Pergamon (Habicht, Inschriften des Asklepieions 15-17). 43 Vgl. Graf, Maximos von Aigai 66-73; gegen E. Meyer, Apollonius von Tyana 401-405, der auch bei dem Werk des Maximus von einer Erfindung Philostrats ausging. 4 4 Diese opferkritische Haltung (vermutlich von der pythagoreischen Lehre einer Reinkamation der menschlichen Seele in Tieren herrührend) könnte maßgeblicher Grund für die Loslösung des Apollonius vom Asklepioskult in Aigai gewesen sein. 45 Vgl. Norden, Agnostos Theos 3 7 - 4 5 ; Dzielska, Apollonius of Tyana 138-151.

Theios Aner

103

Der Pythagoreismus hat sich bei Apollonius deutlich in seinem Auftreten als Magier niedergeschlagen. Der betrügerischen Magie wird Apollonius Dio Cassius LXXVII 18,4 (γόης και μάγος ακριβής) und indirekt Luc, Alex 5, bezichtigt. Die von Philostrat kritisierte und angeblich nicht benutzte (Vit Apoll 1,3) Biographie des Moiragenes zeichnete Apollonius hingegen wohl im positiven Sinne 46 als μάγος και φιλόσοφος und beinhaltete hierauf bezogene Auseinandersetzungen zwischen Apollonius auf der einen Seite, dem Stoiker Euphrates und einem nicht näher bekannten Epikureer auf der anderen Seite (Orig, Cels VI ,41). Da die Kritik von Euphrates an magischen Betätigungen des Apollonius damit als alte vorphilostrateische Tradition erwiesen ist, verdienen auch die von diesem Konflikt handelnden Apolloniusbriefe an Euphrates (bes. Apoll, Ep 8.16f.52) und der sachlich eng damit zusammenhängende Brief an Kriton (Apoll, Ep 23) hohe historische Glaubwürdigkeit 47 und können sogar von Apollonius persönlich stammen. Apoll, Ep 16, zufolge wurde Apollonius seines Pythagoreertums wegen von Euphrates als Magier verunglimpft. Apollonius beruft sich demgegenüber auf eine bereits bei Plato belegte positive Bestimmung der Magie als Gottesdienst (Ale I 122A θέων θεραπεία) und weitet dies dahingehend aus, daß der Magier über eine göttliche Physis verfügt (Apoll, Ep 17 μάγος ουν ό θεραπευτής των θείον ή" ό τήν φύσιν θειος), während es sich bei dem Nichtmagier um einen άθεος handele. Apoll, Ep 23, gilt die Heilkunst im Sinne einer gleichermaßen auf das seelische wie das körperliche Wohlergehen bedachten Fertigkeit unter Berufung auf Pythagoras als τό θειότατον, und Apoll, Ep 52, werden unter den von Pythagoras erlernbaren Künsten u.a. die Astronomie, Medizin und Mantik sowie das Wissen über die Dämonen genannt. Die Befähigung zu Mantik, von Philostrat in Vit Apoll IV,44 tendenziös verneint, und zu Heilung hatte Apollonius bereits Ep 8 in positivem Sinne für sich geltend gemacht. Die historische Zuverlässigkeit dieser Befunde aus den Apolloniusbriefen wird dadurch untermauert, daß Moiragenes eine mantisch-astrologische Apolloniusschrift περί μαντείας αστέρων βίβλους τέτταρας bekannt war (Vit Apoll 111,41), die mit dem der Suda zufolge von Apollonius verfaßten Werk χρησμοί (Orakelsprüche) identisch sein könnte 4 8 . Die

46 Vgl. gegen die weitverbreitete Ansicht, Moiragenes habe Apollonius ebenfalls als Goeten gezeichnet, Raynor, Moeragenes and Philostratus 222-226.

47 Vgl. Bowie, Apollonius of Tyana 1676-1678; Dzielska, Apollonius of Tyana 44-49. 48 In arabischer Tradition sind mehrere astrologisch-magische und alchemistische Schriften unter dem Namen des Apollonius (Balinus) überlie-

104

Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

schwerpunktmäßig auf Krankenheilung gerichtete Orakeltätigkeit d e s Alexander von Abonuteichos scheint in noch höherem Maße bereits von Apollonius herzurühren, als dies Luc, Alex 5, ohnehin nahelegt. Allem Anschein nach verfügte Apollonius von Tyana über Fertigkeiten auf den Gebieten der Philosophie, Astronomie, Magie, Mantik und Medizin und ist damit in Grundzügen einer ähnlich universal begabten Gestalt wie Empedokles vergleichbar, zumal er wie dieser (Emped, Fragm 102) eine göttliche Physis für sich beansprucht zu haben scheint (Apoll, Ep 17; vgl. 44,1; 48,3) und im Pythagoreismus wurzelt. Von dies e m Gesamtbild d e s historischen Apollonius her kann nunmehr ein kritischer Blick auf die wichtigsten der von ihm in Vit Apoll überlieferten W u n d e r g e s c h i c h t e n 4 9 geworfen werden, die überwiegend den Vit Apoll 1,3 angesprochenen Lokaltraditionen z u z u r e c h n e n sein werden. Daß Apollonius auf Initiative des Asklepios hin in Aigai einen W a s s e r süchtigen durch diätetische Anweisungen heilte (Vit Apoll 1,9), ist glaubwürdig, da Diätetik die bevorzugte Heilmethode der Pythagoreer war (Iambl, Vit Pyth XXIX,163) und Apollonius selber in seiner Pythagorasvita von ihr handelte (Iambl, Vit Pyth XXXV,264). Zudem rühmt sich Apollonius Ep 52 der ιατρική und ist indirekter Urheber der medizinischen Fertigkeiten des Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 5), der seinerseits einen Asklepios-Glykon-Kult etablierte. Dem in Tarsus lokalisierten Krankenheilungsbericht Vit Apoll VI,43 zufolge kuriert Apollonius einen von Tollwut befallenen Jüngling durch Symp a t h e t i c indem der als Krankheitsverursacher ausgemachte tollwütige Hund durch Lecken der Bißwunde die Krankheit wieder auf sich nimmt. Angesichts seines Pythagoreertums ist Apollonius die Anwendung solcher sympathetischen Heilpraktiken zuzutrauen; der in der Suda als Pythagoreer geltende Bolos von Mendes, der wie Apollonius Sammler von Pythagorastradition war (Apoll Parad, Hist Mirab I.VI), handelte in seiner magisch-pharmakologischen Schrift Φυσικά von Sympathetik und Antipathetik (Suda s.v. Βωλος). Auch daß Apollonius den Hund anschließend durch das Wasser trieb, hat realistischen Anhalt, denn antike Ärzte haben tollwütige Patienten in Säcke gebunden und ins Wasser gelassen, um sie kurieren (Artorius bei Cael Aur, Cel Pass 111,133; vgl. Cels, Med V 27,2). Von der Heilung eines an M a n i e 5 0 leidenden Jünglings in Athen ist Vit Apoll IV,20 die Rede. Maßgebliche Praktik ist die massive Bedrohung des

fert, bei denen es sich aber durchweg um Pseudepigrapha handeln dürfte, vgl. Weisser, Das "Buch über das Geheimnis der Schöpfung" von PseudoApollonios von Tyana 28-39. 49 Umfassende Zusammenstellung des Materials bei Petzke, Apollonius von Tyana und das NT 125-134. 50 Vgl. zum Krankheitsbild (unvermitteltes Lachen oder Weinen, Selbstgespräche) die Ausführungen des Aretaios über die Manie (Aret III 6).

Theios Aner

105

Krankheitsdämons 5 1 . Durch bloßes Anblicken (όρδν) wird er in Furcht gesetzt und ausfahrwillig gemacht. Anschließend spricht Apollonius den Dämon in zorniger Erregung (ξύν όργξ) wie ein Herr seinen heimtückischen Sklaven an und gebietet ihm, sichtbar zu entweichen (κελεύοντος αϋτω ξύν τεκμηρίω άπαλλάττεσθαι) 5 2 , woraufhin der Dämon unter Zertrümmerung einer Säule die Flucht ergreift (vgl. Joseph, Ant VIII,48; Act Petr 11). G e schichtlicher Haftpunkt der Erzählung ist vermutlich eine Dämonenaustreibung des Apollonius in Athen. Apoll, Ep 52, zufolge verfügte Apollonius über εϊΒησις δαιμόνων, und ein Athenaufenthalt dürfte für ihn historisch gesichert sein 5 3 . Fragwürdig erscheinen hingegen vom Pythagoreismus des Apollonius her die ihm Vit Apoll IV,20 zugeschriebenen Praktiken. Lukian läßt zwar in ähnlicher Weise den pythagoreischen Philosophen Arignotus durch eine furchterregende ägyptische Zauberformel aus einem magischen Kompendium einen Totengeist vertreiben (Philops 30f.). Gerade bei Manie, wie sie Vit Apoll IV,20 vorausgesetzt ist, stellt aber eine auf Wiederherstellung des psychischen Gleichgewichts und der Körperharmonie abzielende Musiktherapie, die sich bestimmter Rhythmen, Gesänge oder Beschwörungen bedient und in Einzelfällen um eine Rezitation von Homer- und Hesiodversen ergänzt wird, die im Pythagoreismus normalerweise gehandhabte Heilungsmethode d a r 5 4 . Die Apoll, Ep 52, vorliegende Auflistung von Harmonie, Musik und Heilkunst als wichtiger von Pythagoras herrührender Fähigkeiten legt für Apollonius nahe, daß dieser dämonisch verursachte M a nie nicht in der Vit Apoll IV,20 beschriebenen Weise, sondern seinem Pythagoreertum gemäß durch Seelenreinigung (vgl. Vit Apoll VI,5) und Musiktherapie heilte. Da Apollonius die Seelenwanderungslehre vertrat, ist damit zu rechnen, daß er wie Pythagoras auf ekstatische Jenseitsreise ging (vgl. Vit Apoll 111,51), um die zur Heilung notwendigen Informationen über das Vorleben der Seele zu erkunden. Völlig unhistorisch dürfte der Vit Apoll IV,45 von Philostrat wiedergegebene und rational kommentierte Bericht von der Wiederbelebung einer jungen Frau in Rom sein. Für die Annahme, daß sich Apollonius überhaupt irgendwann in Rom aufgehalten hat, gibt es außerhalb der Vit Apoll keine gesicherten Hinweise. Apoll, Ep 14, legt vielmehr nahe, daß Apollonius Italien weder auf Einladung hin noch aus eigener Initiative jemals besuchte. Zudem sind Wiederbelebungen für den historischen Apollonius zweifelhaft. In den Briefen finden sie keine Erwähnung, und Reflexionen über den Scheintod sind für Apollonius im Gegensatz zu Empedokles oder Asklepiades nirgends bezeugt. Vit Apoll IV,45 ist ohnehin bereits dadurch als sekundäre Übertragung verdächtig, daß Lk 7,11-17 eine von Aufbau wie Inhalt her frappierend ähnliche Totenerweckungserzählung begegnet.

s i Auch die Vertreibung der Empuse Vit Apoll IV,25 (Anderson, Philostratus 141, vermutet einen historischen Kern) vollzieht sich durch massive Ε ins c hüc hte rung. 52 Vgl. zur Epipompe PGM IV,1247f., zu an Dämonen gerichtetem κελευειν o.ä. PGM III,89.231f. 53 Vgl. Norden, Agnostos Theos 37-45. 54 Vgl. Porph, Vit Pyth 30.33; Iambl, Vit Pyth XV,64; XXV,110f.ll4; XXIX,164.

106

Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Vit Apoll IV,10; VI,41; VIII,7,9 zufolge hat Apollonius Ephesus vor der Pest und einzelne hellespontische Städte vor Erdbeben bewahrt. Hier kommt als historischer Kern in Betracht, daß Apollonius in bestimmten Regionen magische Figuren oder Säulen als Talismane zur Abwehr von Krankheit und Naturkatastrophen errichtete 5 5 . Von den zahlreichen Beispielen für wunderbare seherische Fähigkeiten des Apollonius (u.a. Vit Apoll V,24.42; VI,39) schließlich dürfte am ehesten Vit Apoll VIII,26 (Apollonius sagt in Ephesus den gerade in Rom erfolgenden Tod Domitians voraus) auf einer historischen Begebenheit beruhen. In jedem Falle handelt es sich dabei um eine vorphilostrateische Tradition, die auch bei Dio Cassius L X V I I 1 8 , l f . überliefert ist.

1.4.6. Vespasian Von dem römischen Feldherrn und deklarierten Kaiser Vespasian wird in dreifacher Überlieferung berichtet, daß er in Alexandria 6 9 / 7 0 n . C h r . einen nahezu Erblindeten und einen Mann mit gelähmter Hand heilte, die sich beide auf Geheiß des Heilgottes Sarapis hin an ihn gewandt hatten (Tac, Hist IV81,1-3; Suet, Vesp VII,2f.; Dio Cassius L X V 8 , l f . ) . Tac, Hist IV81,2, gilt dies als Zeichen göttlicher Erwählung (divino ministerio principem electum). Meist rechnet man hier mit einer vom antiken Herrscherkult geprägten legendarischen Theios AnerTradition und ordnet insbesondere den Gelähmtenheilungsbericht denjenigen Wunderüberlieferungen zu, in denen der bloßen Berührung des Kranken durch den Wundertäter Zauberkraft beigemessen w i r d 5 6 . Demgegenüber läßt die historische Zuverlässigkeit der chronologischgeographischen Eckdaten von Tac, Hist IV81,l-3parr, von vornherein auch den dortigen Krankenheilungstraditionen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zukommen, zumal Tacitus offenkundig noch Augenzeugen dieser Geschehnisse persönlich bekannt sind ( I V 8 1 , 3 ) 5 7 . 55 Vgl. dazu Petzke, Apollonius von Tyana und das NT 2 4 - 2 8 ; Weisser, "Buch über das Geheimnis der Schöpfung" 15f.23-25. Wohl pseudepigraph ist die Apolloniusschrift über Talismane βίβλος σοφίας και συνέσεως αποτελεσμάτων (ed. F. Boll, CCAG 7, 1908, 174-181). 56 Vgl. Weinreich, Heilungswunder 67ff.; Berger/Colpe, Textbuch 37f.50, als Beispiel aus dem Herrscherkult Plin, Hist Nat 7,20; 28,34; Plut, Pyrrhus III, 4f.: Heilung eines Milzkranken durch bloßen Kontakt mit der Zehe von Pyrrhus. 57 Chilver/Townend, Commentary 84 ("as if witnesses were still available well over thirty years later, perhaps in the imperial household"), vgl. auch Henrichs, Vespasian's Visit 65-72. Daß Tacitus selber dem Geschehen ohne Sympathie gegenübersteht - der Sarapiskult entspringt für ihn dem Aberglauben (IV81,1), und die Heilungen hält er offenbar für Lüge (IV81,3) - erhöht die Glaubwürdigkeit des Berichtes, vgl. Morenz, Vespasian, Heiland der Kranken 372.

Theios Aner

107

Zutreffend ist Tac, Hist IV81,l-3parr, die Angabe, daß Vespasian sich von D e z e m b e r 69 bis ca. Anfang September 70 n.Chr. in Alexandria aufhielt 5 8 . Auch die Nachricht von einem Besuch Vespasians im dortigen Sarapisheiligtum mit dem Ziel, ein Orakel der Gottheit für die bevorstehenden gewagten politischen Unternehmungen in Rom zu erhalten (Tac, Hist IV82; Suet, Vesp VII,l) 5 9 , verdient angesichts der ausgeprägten Empfänglichkeit Vespasians für Astrologie und Mantik uneingeschränkte Glaubwürdigkeit 6 0 . Für eine historische Beurteilung der in diesem Zusammenhang überlieferten Krankenheilungen Vespasians sind die in beiden Fällen rational nachvollziehbaren Heilungsvorgänge sowie der Sachverhalt, daß e s sich letztlich um Inkubationsheilungen des Sarapiskultes handelt, von entscheidender Bedeutung. Sarapis gewann in hellenistischer Zeit in Ägypten unter maßgeblichem Einfluß des Asklepioskultes zunehmend den Status einer Heilgottheit 6 1 . Nach übereinstimmendem Zeugnis von Tac, Hist IV81,l/Suet, Vesp VII,2/ Dio Cassius LXV8,1 wenden sich die beiden Heilungsbedürftigen auf eine im Traum ergangene Anweisung des Sarapis hin an Vespasian. Man wird damit für Alexandria den gleichen Inkubationsbetrieb voraussetzen dürfen, wie er von Strabo (XVII 1,17) für das Sarapisheiligtum von Canabos verbürgt

58 Vgl. zur zeitgeschichtlichen Einordnung Heubner/Fauth, Komm. IV 175f.; Chilver/Townend, Commentary 83; Schürer/Vermes, History I 499-501. 59 Tac, Hist IV 82, erscheint die Orakelbefragung des Sarapis als Konsequenz der zuvor berichteten Krankenheilungen, während Sueton eine umgekehrte Abfolge der Ereignisse bietet. Dio Cassius, dessen Bericht einerseits verkürzt, andererseits um ein weiteres Wunder (Überschwemmung des Nils beim Einzug Vespasians in Alexandria) bereichert ist, übergeht die Orakelszene. - Vgl. zum Sarapeion von Alexandria Rowe, Temple 19ff. 60 Vespasian maß Orakeln und Prophezeiungen, wie beispielsweise der Basilidesverheißung (Tac, Hist 1178,3) oder der Josephusverkündigung von der künftigen Kaiserwürde (Joseph, Bell III,399ff.; IV,622ff.; Suet, Vesp V,6), einen hohen Stellenwert bei und umgab sich später mit dem Astrologen und Wahrsager Seleucus als Ratgeber (Tac, Hist 1178,1). Dies dürfte auch den historischen Haftpunkt für die fiktive Tradition von Apollonius als Berater Vespasians (Philostr, Vit Apoll V,27ff.) darstellen. Vgl. zum Ganzen Weber, Josephus und Vespasian 44f.; Lattimore, Portents and Prophecies 441ff.; Heubner/Fauth, Komm. II 252f.; IV 177. 61 Vgl. zum Asklepioseinfluß Tac, Hist IV 84,5 (Viele identifizierten Sarapis aufgrund seiner Heilungstätigkeit mit Asklepios), und dazu Wilcken, Papyrusurkunden I 34f.; Heubner/Fauth, Komm. IV 201f. Auf einem Graffito aus Alexandria ist neben Sarapis eine Schlange abgebildet (Kater-Sibbes/ Vermaseren, Apis I Nr.97). - Artemidor 11,44 (ähnlich Ael Arist, Or 45,29) berichtet von der Existenz zahlreicher Bücher mit Heilungsberichten aus dem Sarapiskult (συνταγάς και θεραπείας τάς ύπό Σαράπιδος δοθείσας). Mehrere Beispiele für solche Erzählungen finden sich bei Ael, Nat An XI,31f.34f. (vgl. Weinreich, Heilungswunder 120ff.).

108

Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

wird und den Gegebenheiten an den Asklepieien entspricht 62 . Im Traum erteilt die Gottheit den Kranken Anweisungen zur Heilung, deren - meist erst nach beratender Hinzuziehung des medizinisch geschulten Tempelpersonals vollzogene - Ausführung dann Genesung nach sich zieht. Im Falle Vespasians wenden sich die Heilungssuchenden mit genauen Vorstellungen von den erforderlichen therapeutischen Maßnahmen, deren Kenntnis sie dem Inkubationstraum bzw. dessen Deutung durch das Tempelpersonal verdanken, an den Wundercharismatiker. In beiden Fällen werden rationale Heilpraktiken aus dem Bereich der antiken Medizin begehrt. Dem an stark verminderter Sehfähigkeit leidenden Mann soll Vespasian "die Wangen und die Augenhöhlen mit der Absonderung des Mundes benetzen" (ut genas et oculorum orbes dignaretur respergere oris excremento, Tac, Hist IV81,1). Speichel diente in der Antike als wirkungsvolles Augenheilmittel 6 3 . Der zweite Heilungsbedürftige, dessen Hand offenbar durch Verrenkung (Tac, Hist IV81,2) bewegungsunfähig wurde, sucht exakt um diejenige Heilpraktik nach, welche die hippokratische Medizin in derartigen Fällen empfiehlt. Vespasian soll ihm auf die Hand treten 6 4 , um die Gelenke wieder einzurenken 65 . Das für den Gelähmten von Tac, Hist IV 81,2, vorauszusetzende Inkubationserlebnis entspricht dem in der Epidaurosinschrift W 3 dokumentierten Heiltraum, wo einem an den Fingern gelähmten Mann Asklepios im Schlaf auf die Hand springt (έφαλέσθαι έπΐ ταυ χηρα). Beiden Heilvorgängen kommt somit ein hohes Maß an historischer Plausibilität zu, zumal sie im Zusammenhang mit weiteren zuverlässigen 62 Artemidor IV,22 identifiziert den Inkubationsheilungsbetrieb von Alexandria uneingeschränkt mit demjenigen von Pergamon. Vgl. auch Ael Arist, Or 45,7ff., und dazu Höfler, Sarapishymnos 54-58. 63 Plin, Hist Nat 28,37.76; Marcell Emp, Med VIII,43.166; Paul Aeg VII,3. Indizien für die Heilung von Augenleiden am Sarapisheiligtum von Alexandria liefert zudem die Tradition bei Diog Laert V,76, derzufolge der Philosoph Demetrius (um 300v.Chr.) dort durch Sarapis von Blindheit geheilt wurde. Vgl. zu Sarapis als "Augenarzt" auch die legendarische Erzählung Ael, Nat An XI,31 (Heilung eines erblindeten Pferdes durch Sarapis). 64 Tac, Hist IV81,1 (calcare); Dio Cassius LXV8,1 (πατεΐν). Es geht also nicht um bloße Berührung (Suet, Vesp VII,2 contingere; auch die dortige Beinlähmung debili crure ist sekundär) und damit verbundene Heilung allein durch Kontakt mit göttlicher Dynamis, sondern um kräftiges Auftreten. 65 Die hippokratische Schrift "Über das Einrenken der Gelenke" gibt exakte Anweisungen für das Einrenken von Handgelenken, wobei die hervorstehenden Partien der Gelenke vom Arzt mittels der Hand oder unter gleichzeitiger Heranziehung seiner Ferse zurückgedrängt werden sollen (τό δέ εξέχον ή' θέναρι ή" πτέρυτι όίμα άπωθεΤν Hippocr, Art 26 [Littr'e IV, 1361). Der Empiriker Apollonius von Kition (l.Jhdt.v.Chr.) kommentiert dies zustimmend und fügt ergänzend ein Schaubild für schwere Fälle von Verrenkung bei, wo das Handgelenk vom Arzt ohne manuelle Praktiken, vielmehr allein mittels der Ferse in seine ursprüngliche Lage zurückzuzwingen ist (βιαστέον δια της πτέρνης Apoll Cit, Comm in Hippocr Art II [CMG XI 1,1, 46 + Abb.XIII]). - Henrichs, Vespasian's Visit 69-71, vermutet angesichts

Theios Aner

109

Nachrichten liber einen Alexandriaaufenthalt Vespasians überliefert sind. Dabei ist ernsthaft mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Sarapispriesterschaft von Alexandria Vespasian gezielt mit zwei minder schweren, a priori von hohen Heilungsaussichten gekennzeichneten Krankheitsfällen konfrontierte, um sich bei positivem Ausgang Sympathie und Protektion des bereits zum römischen Kaiser ausgerufenen Herrschers für den Sarapiskult zu sichern 6 6 . Umgekehrt würde Vespasian aufgrund der Neigung, außergewöhnlichen Ereignissen schicksalhafte Bedeutung beizumessen (Tac, Hist 1178,2; vgl. 110), seinerseits einen im Bereich des Möglichen liegenden Heilungserfolg als Zeichen göttlichen Wohlwollens (vgl. Tac, Hist IV81,2) und damit als weiteres gutes Omen für seine politische Zukunft gewertet haben und kann aus diesem Grunde dem Begehren der Hilfesuchenden nachgekommen sein.

1.4.7. Alexander von Abonuteichos Letzter herausragender Vertreter des antiken Schamanentums pythagoreischer Prägung ist Alexander von Abonuteichos, der in der Mitte des 2.Jhdt.n.Chr. mit großem Erfolg eine Synthese zwischen Pythagoreismus und Asklepioskult vollzog, die sich bereits bei Apollonius von Tyana eng berührt hatten (Philostr, Vit Apoll 1,7-12). Alexander, dessen historische Konturen durch die verzerrende Darstellung Lukians noch deutlich hindurchscheinen 67 , trat mit massiven Theios Aner-Ansprüchen auf. Einerseits gab er sich als göttlicher Abkömmling des Asklepiossohnes Podaleirius aus (Luc, Alex 11.39), behauptete, mit Selene eine Tochter gezeugt zu haben (Alex 35), und erwartete, wie einst Asklepios durch Blitzschlag mit nachfolgender Apotheose aus dem irdischen Leben zu scheiden (Alex 59). Andererseits betrachtete er sich als Reinkarnation des Pythagoras und verfügte angeblich wie dieser über einen goldenen Schenkel (Alex 4.40). Gemeinsamer Nenner ist die für Asklepios und Podaleirius wie für Pythagoras mit seinem goldenen Schenkel vorausgesetzte Abstammung von Apollo (Horn, Hymn 16,1-5; Aristot, Fragm 191). alexandrinischer Münzen, auf denen Sarapis mit überdimensionalem Fuß dargestellt ist, daß Vespasian mit seiner Gelähmtenheilung für Sarapis gehalten wurde. 66 Vgl. dazu Weber, Josephus und Vespasian 257; Morenz, Vespasian, Heiland der Kranken 373f.377; Heubner/Fauth, Komm. IV 177, und ebda. 180f. die ansprechende Vermutung, daß es sich bei den Vespasian zuredenden medici von Hist IV81,2 um Sarapispriester handelte. 67 Vgl. zur Intention und literarischen Umsetzung von Lukians polemischer Alexanderdarstellung Weinreich, Alexandros der Lügenprophet 129ff.; Caster, Alexandre 79-93; Jones, Culture and Society in Lucian 133-148; Branham, Unruly Eloquence 181-210; Clay, Four Philosophical Lives 3 4 3 0 - 3 4 4 8 .

110

M a g i e , Medizin und Wunder im Hellenismus

Mit dem Pythagoreismus kam Alexander durch einen Schüler des Apollonius von Tyana in Berührung, der als öffentlicher Arzt wirkte und ihn ärztlich-pharmakologisch ausbildete (Alex 5). In seiner Heimatstadt Abonuteichos etablierte Alexander offenkundig in Anlehnung an den Amphilochus-Kult in Mallus (Alex 19.29) einen Glykon-AsklepiosOrakelbetrieb, der antiken Münzen zufolge bis mindestens in das späte 3.Jhdt.n.Chr. hinein Bestand h a t t e 6 8 . Dort betätigte sich Alexander als ein zwischen Gottheit und Mensch vermittelnder mantischer Prophet, indem er bei dem "neuen Asklepios" Glykon im Gebet für die hilfsbedürftigen Bittsteller eintrat ("Αλέξανδρος ό προφήτης μου δεηθη και ευξηται ύπέρ υμών Alex 22) und im Auftrag der Gottheit Orakel erteilte. Ähnlich wie bei Pythagoras, Empedokles und Apollonius erstreckt sich das allerdings an eine feste Kultstätte gebundene Wirken des Alexander schwerpunktmäßig auf Heilungen bis hin zu Wiederbelebungen (Alex 24) und auf die Vorhersage oder Abwendung von Pest und Naturkatastrophen (Alex 36). Unter dem Heilungsaspekt betätigt sich Alexander dabei gleichermaßen als Schamane, der die frühere Existenz und das zukünftige Schicksal der Seele freilegt (Alex 34.43), wie als Arzt, der pharmakologische oder diätetische Therapien verordnet (Alex 22). Entgegen der tendenziösen Lebensbeschreibung durch Lukian dürfte es sich bei Alexander um eine seriöse P e r s o n 6 9 mit schamanistischer wie medizinischer Befähigung gehandelt haben, an deren von Lukian mit Bitternis eingestandener ärztlich-pharmakologischer Kompetenz (Alex 22) wie hoher gesellschaftlicher Reputation (Alex 30ff.57) kein Zweifel bestehen kann.

1.4.8. Einzelne Gestalten aus Lukians

Philopseudes

Über die Alexanderkritik hinaus geht Lukian im Philopseudes auf das Wirken weiterer fiktiver oder real existenter Magier ein, wobei man der Sache nach von ins Lächerliche gezogener Theios Aner-Tradition sprechen kann, ohne daß dieser terminus technicus fiele. Der Epikureer Lukian schiebt die von ihm verarbeiteten Wundergeschichten,

68 Vgl. Weinreich, Alexandros der Lügenprophet 149f.; Nock, Alexander of Abonuteichos 160; Caster, Alexandre 9 4 - 9 8 . 69 Ähnliches dürfte für den ώς θεόν verehrten (Luc, Peregr 11), von Lukian gleichermaßen als Goet abgestempelten (Luc, Peregr 13) und mit bissigem Spott überzogenen Kyniker Peregrinus gelten, über dessen Wundertaten allerdings nichts Näheres verlautet.

111

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über deren historischen Wert keine Pauschalurteile gefällt werden können, den Repräsentanten einschlägiger Philosophenschulen seiner Zeit in den Mund, um in Person des Tychiades den Wunderglauben der Platoniker, Peripatetiker, Stoiker und Neupythagoreer verächtlich machen zu können 7 0 .

a) Der chaldäische

Wunderheiler und

Schlangenbeschwörer

Der erste Wundertäter, über dessen Auftreten und Vorgehensweise Lukian in Philops llf. den Platoniker Ion ausführlich berichten läßt, ist ein Chaldäer, der sich als Heiler von Schlangenbissen und als Schlangenbeschwörer betätigt. Ob es sich dabei um eine historische oder um eine idealtypisch-fiktive Person handelt, läßt sich kaum entscheiden. In jedem Falle wird die mit dem Chaldäer verbundene Wundertopik nicht erst lukianische Erfindung sein, sondern den Stand der zeitgenössischen Magie repräsentieren. Zunächst ist Luc, Philops 11, davon die Rede, daß der Winzersklave Midas nach Verwundung durch einen Schlangenbiß auf einer Bahre herbeigebracht wird und diese im nachhinein als Zeichen der erfolgten Heilung eigenhändig wieder davonträgt. Die Heilpraktiken selbst weisen den Chaldäer als Magier aus. Durch einen Beschwörungsspruch (επψδή), wie er auch Ael, Nat An 1,54, als Mittel gegen Schlangenbisse empfohlen wird, entfernt er das Schlangengift aus dem Körper. Ergänzend wird am Fuß des Verletzten ein Stein befestigt, der von dem Grabmal einer verstorbenen Jungfrau stammt und wohl den Genesungssprozeß beschleunigen soll. Speziell solchen Gegenständen, die unmittelbar mit gewalttätig oder frühzeitig Verstorbenen in Zusammenhang stehen, wurde besondere Heilkraft beigemessen 7 1 . Daß Lukian den Chaldäer Philops 12 völlig treffend als μάγος bezeichnet, zeigt der dortige Bericht von einer Schlangenbeschwörung. Der Chaldäer spricht dazu sieben heilige Namen, offenbar Zauberworte, "aus einem alten Buch" aus, verfügt also über ein magisches Handbuch. Zudem reinigt er den Ort mit Schwefel und Pinienspänen, um-

70 Vgl. zur Kompositionstechnik in Luc, Philops, Anderson, Studies in Lucian's Comic Fiction 23-33, zu Lukians Beurteilung der Philosophenschulen seiner Zeit Helm, Lucian und die Philosophenschulen 188ff. (zu den im Philops abgehandelten, fiktiven Philosophen ebda. 193.207.212.276); J o nes, Culture and Society in Lucian 24-32. 71 Vgl. etwa Plin, Hist Nat 28,41.45f. (u.a. H a a r e eines Gekreuzigten und Kreuzesnägel gegen Fieber).

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

kreist ihn dreimal und bannt auf diese Weise alle Schlangen innerhalb der Gegend, um sie dann zu verbrennen. Im Gegensatz zu Choni, der sich mit apotropäischem Kreisziehen einen dämonenfreien Raum verschafft (Taan 111,8), geht es hier vorstellungsmäßig darum, das Feindliche in einem magischen Zirkel einzuschließen und zu vernichten 72 .

b) Der Hyperboreer Der Peripatetiker Kleodomos berichtet Luc, Philops 13f., von den wunderbaren Taten eines Magiers aus dem sagenumwobenen Land der Hyperboreer (vgl. Plin, Hist Nat 4,89). In dem summarienhaften Wunderkatalog Philops 13 sind Liebeszauber und Nekromantie des Magiers der nachfolgenden Wundererzählung Philops 14 entnommen. Als weitere Fähigkeiten werden Riegen, Wasserwandel und Durchschreiten des Feuers genannt. Für ersteres hat wohl die Tradition des auf einem Pfeil die Lüfte durchschreitenden Hyperboreers Abaris (u.a. Iambl, Vit Pyth XXVIII,135f.; vgl. auch PGM 1,119; XXXIV,9f.) Pate gestanden, während das Motiv des Wasserwandels eine Reproduktion der Lukiannotiz über die auf dem Meer wandelnden "Korkfüßler" (Luc, Ver Hist 11,4) darstellen dürfte. In der ausführlichen Liebes- und Herbeibringungszaubergeschichte Philops 14 ist davon die Rede, wie der Hyperboreer dem Philosophenschüler Glaukias gegen beträchtliches Entgelt die von ihm begehrte Chrysis zufuhrt. Als magische Begleithandlung begegnet Nekromantie, indem der verstorbene Vater des Glaukias vorübergehend in das Leben zurückgerufen wird, um seine Einwilligung in die Liebesbeziehung zu erlangen. Der eigentliche Herbeibringungszauber vollzieht sich dergestalt, daß eine vom Magier ausgesandte Erosstatuette dem Glaukias die Geliebte zuführt. Dies deckt sich mit Praktiken der Zauberpapyri, wo sich der Magier eines Paredros bedient, um bestimmte Personen herbeizubringen (PGM I,96ff.; IV,2090ff.). Unmittelbare Parallelen zu Luc, Philops 14, bieten die Zauberformulare PGM IV,1390ff.2708ff., wo der Magier jeweils in Analogie zu dem Hyperboreer eine Epiphanie der Göttin Hekate erzwingt (IV,1443ff.2745ff.), damit diese samt den ihr untergebenen Totengeistern eine bestimmte Frau vor Liebe zum Auftraggeber entflammen läßt.

72 Vgl. als unmittelbare Parallele zur Vorgehensweise des Chaldäers Plin, Hist Nat 22,60: Einschließung und Tötung eines Skorpions in einem magischen Zirkel.

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Grundlage von Luc, Phil ops 14, ist wahrscheinlich eine traditionelle Liebeszaubererzählung, die auch vom Verfasser der "Bekehrung Cyprians" aufgegriffen und ausgestaltet wurde 7 3 . Der Heide Aglaides hat sich in das Christenmädchen Justina verliebt und wendet sich mit der Bitte um Zubringungszauber an den Magier Cyprian. Dieser nimmt gegen Entrichtung von zwei Talenten den Auftrag an und sucht mit Hilfe eines ausgesandten Dämons dem Aglaides die Geliebte zuzuführen, wobei er allerdings scheitert, sich zum Christentum bekehrt und später Bischof von Antiochien wird. Letztlich handelt es sich damit bei dem Hyperboreer von Luc, Philops 13f., um eine idealtypische Figur, die Lukian selber durch Verarbeitung unterschiedlicher magischer Traditionen geschaffen hat.

c) Der palästinische Exorzist Luc, Philops 16, ist - wiederum im Munde Ions - von der Heilung eines Mondsüchtigen, also eines Epileptikers (vgl. Aret 1114,2; Gal IX,903) durch den "allen bekannten Syrer aus Palästina" (πάντες ΐσασι τόν Σύρον τον εκ της Παλαιστίνης) die Rede. Diese Formulierung läßt kaum einen Zweifel daran aufkommen, daß es sich nicht um eine fiktive Gestalt, sondern um eine zur Zeit Lukians einem breiteren Publikum bekannte historische Figur handelt, deren Identität freilich offenbleibt. Bereits der Scholiast wollte in dem palästinischen Exorzisten Jesus von Nazareth s e h e n 7 4 , der allerdings Luc, Peregr 11 (vgl. 13), als "jener große Mensch, der in Palästina gekreuzigt wurde, weil er jene neue Religion ins Leben rief" Erwähnung findet, ohne daß Anhaltspunkte für eine Identifizierung beider Gestalten durch Lukian gegeben wären. Zudem ist von dem "Syrer aus Palästina" im Präsens als von einer in der Gegenwart des Lukian wirkenden Person die Rede, und literarische Abhängigkeit zwischen Luc, Philops 16, und der Jesus-Erzählung Mt 9,14-29 kommt kaum in B e t r a c h t 7 5 . Die alternativ erwogene Möglichkeit, es habe sich bei dem palästinischen

73 Lat. Text der Erzählung in: Acta Sanctorum Septembris VII, Brüssel 1970 (Nachdruck) 196, vgl. Radermacher, Cyprian der Magier 234f.; Herzig, Lukian als Quelle für die antike Zauberei 18f.; Krestan/Hermann, RAC III (1957) 470f. - Darüber hinaus sind im Erzählgerüst von Luc, Philops 14, Berührungen mit der Liebesgeschichte Luc, Toxaris 12-16, gegeben, vgl. Anderson, Theme and Variation 51f. 74 Scholia in Luciani Philops 16, ed. H. Rabe, Leipzig 1906, 163. 75 Vgl. H.D. Betz, Lukian und das NT llf.; Berger/Colpe, Textbuch 32. Uberhaupt wird Lukian keine direkte Kenntnis ntl Schriften besessen haben, vgl. H.D. Betz, Lukian und das Christentum lOff.

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

Exorzisten um einen christlichen Wundertäter in der Nachfolge der Apostel gehandelt, erweist sich angesichts seiner erheblichen finanziellen Forderungen (επί μιοθω μεγάλω) als wenig plausibel, da sich christliche Dämonenaustreibungen in aller Regel unentgeltlich vollzogen (Mt 10,8). Eine jüdische Volkszugehörigkeit besagten Wunderheilers liegt wegen der Herkunftsbezeichnung "aus Palästina" nahe, auch wenn sie sich nicht zwingend beweisen läßt76.

Von seinen - historisch glaubwürdigen - Praktiken her erweist sich der "Syrer aus Palästina" als professioneller Exorzist, der nach Art der Hippocr, Morb Sacr I, lOff., bekämpften Magier und Entsühner von Ort zu Ort zieht und mit der Heilung dämonisch besessener Epileptiker seinen Lebensunterhalt bestreitet. Er tritt an den Besessenen heran und erkundet zunächst, woher und auf welchem Wege der Dämon Einzug in den Besessenen hielt. Vermutlich liegt die Vorstellung zugrunde, die Ausfahrt müsse sich auf demselben Wege vollziehen 77 . Daneben dürfte bei der Dämonenbefragung Philops 16 das Interesse mitschwingen, aus den verbalen Artikulationen des Besessenen Rückschlüsse hinsichtlich der Nationalität des im Körper weilenden Krankheitsdämons zu gewinnen, um letzteren mit der ρησις βαρβαρική in der ihm verständlichen Sprache anreden zu können (vgl. Orig, Cels 1,24). Nachdem der Dämon in seiner Muttersprache preisgegeben hat, auf welche Weise und von woher er in den Kranken eingedrungen ist, wird er vom Exorzisten durch Beschwörungsformeln und Bedrohung ausgetrieben (ό δε ορκους επάγων ... και απειλών έξελαύνει τον δαίμονα). Vermutlich handelte es sich dabei um solche dämonenbannende Beschwörungsriten, wie sie in den magischen Papyri zur Heilung Besessener begegnen.

d) Arignotus Philops 30f. läßt Lukian den Philosophen Arignotus, wie Apollonius von Tyana (Philostr, Vit Apoll 1,8) ein langhaariger Pythagoreer (Philops 29), genauestens darüber berichten, wie dieser persönlich in Korinth ein durch einen Totengeist besetztes Haus wieder bewohnbar gemacht hat. Arignotus benutzte zu diesem Zwecke ägyptische Zauberbücher, wobei er den Dämon durch ein schauerliches Zauberwort (έπίρρησις) in

76 Jüdische Nationalität wird von Stern, Greek and Latin Authors II 221 mit Anm.4, vorausgesetzt. Vgl. dagegen Kudlien, Jüdische Ärzte 40f. 77 H.D. Betz, Lukian und das NT 156.

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ägyptischer Sprache vertreibt, sich also der ρησις βαρβαρική bedient 7 8 . Offenkundig ist hier an ein magisches Kompendium nach Art der aus Ägypten stammenden griechischen Zauberpapyri mit ihren dämonenbannenden Beschwörungsformeln gedacht. An der Stelle, wo Arignotus den Totengeist in das Erdreich entschwinden sah, wird am folgenden Tage ein Toter ausgegraben, nach dessen nunmehr ordnungsgemäßer Bestattung das Haus fortan wieder bewohnbar ist. Selbst wenn es sich bei dem Pythagoreer Arignotus um eine historische Figur gehandelt haben sollte, so ist doch die Luc, Philops 30f., mit ihm verbundene Wundertradition in jedem Falle legendarisch, ohne daß Lukian sie durchweg erfunden hätte. Bereits bei dem jüngeren Plinius begegnet eine in Athen lokalisierte und von dem Stoiker Athenodor handelnde Variante der Erzählung (Plin, Ep VII 27,4-11), die nicht allein von der literarischen Fixierung her, sondern auch unter traditionsgeschichtlichen Aspekten älter als Philops 30f. sein dürfte 7 9 . Lukian hat diese Legende sekundär auf den Pythagoreer Arignotus übertragen und insbesondere die wunderhaften Züge massiv ausgebaut, um den Glauben an die Existenz von Totengeistern (vgl. Philops 29) und nicht zuletzt die pythagoreische Lehre von der Seelenwanderung zu karikieren. Auf das Konto Lukians gehen die bei Plinius fehlenden Angaben, daß der Totengeist schwarz war (vgl. Philops 16), den Philosophen in unterschiedlicher Tiergestalt anfiel und speziell durch ägyptische Zauberformeln aus einem magischen Kompendium vertrieben wurde. Lukian greift damit magische Vorstellungen und Praktiken seiner Zeit auf und läßt sie in die traditionelle Erzählung einfließen. Einen pythagoreischen Exorzisten Arignotus, der in der Philops 30f. geschilderten Weise Magie betrieben hätte, hat es hingegen historisch nicht gegeben.

78 Vgl. Apul, Apol 38: magica nomina Aegyptio vel Babylonica ritu; Orig, Cels 1,24: Ägyptische Worte gegen bestimmte Dämonen. Vgl. zu dem magischen Kompendium des Arignotus das "alte Buch" Philops 12, aus dem der chaldäische Magier heilige Namen zitiert, sowie die Apg 19,19 zufolge in Ephesus verbrannten Zauberbücher. In den griechischen Zauberpapyri finden sich vereinzelt ägyptische Partien. So enthält das griechischsprachige Amulett gegen Dämonen PGM IV,86f. ägyptische Worte, und PGM IV, 1231ff. begegnet ein koptisches Dämonenaustreibungsgebet. 79 Vgl. Herzig, Lukian als Quelle für die antike Zauberei 26f.; Anderson, Studies in Lucian's Comic Fiction 28.

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Magie, Medizin und Wunder im Hellenismus

1.5. Ergebnisse 1. Um die Zeitenwende existiert in der griechisch-römischen Welt eine hochentwickelte wissenschaftliche Medizin, die in der Tradition des seit frühhellenistischer Zeit kontinuierlich tradierten, ergänzten und kommentierten Corpus Hippocraticum steht und sich in unterschiedlicher Weise von bestimmten philosophischen Theorien geprägt zeigt. Grob lassen sich dabei die drei Schulrichtungen der Theoretiker, der Empiriker und der Methodiker unterscheiden, wobei innerhalb der theoretischen Medizin im lJhdt.n.Chr. der Pneumatikerschule eine hervorgehobene Stellung zukommt. Gemeinsam ist diesen wissenschaftlich-medizinischen Strömungen die Einsicht, daß jede Art von Krankheit natürliche Ursachen hat und folglich die Therapie ohne Rückgriff auf Magie oder Kathartik auf rein medizinischem Wege diätetisch, pharmakologisch oder chirurgisch zu erfolgen hat. 2. Breiten Raum nehmen in der Antike Inkubationsheilungen an bestimmten Kultstätten ein, wobei den vom 5.Jhdt.v.Chr. bis 3.Jhdt.n.Chr. in kontinuierlicher Blüte stehenden, im lJhdt.n.Chr. auch nach Palästina vorgedrungenen Asklepiosheiligtümern eine alles überragende Stellung zukommt. An der Historizität dort vollzogener Krankenheilungen ist grundsätzlich nicht zu zweifeln. Bewirkt wurden sie offenkundig durch eine Verquickung religiöser, psychologischer und volkstümlichmedizinischer Elemente. Ausgeprägte Frömmigkeit in Form eines unbedingten Vertrauens in die Heilkraft der Kultgottheit und für die Psyche förderliche Traumerlebnisse bei der Inkubation ziehen im Zusammenspiel mit im weiteren Sinne medizinischen, hauptsächlich diätetisch oder pharmakologisch ausgerichteten Praktiken Genesung nach sich. Gesteigert werden die Heilerfolge und die daraus resultierende exponierte Stellung der Asklepioskultstätten durch einen von der hellenistischen Zeit an kontinuierlich zunehmenden Einfluß der wissenschaftlichen Medizin auf den Inkubationsbetrieb, wie es in Kos vermutlich von Anfang an der Fall war. 3. Neben der streng wissenschaftlichen Heilkunst und der an Kultstätten gebundenen Tempelmedizin existierte eine weitverzweigte Volksmedizin mit magischem Einschlag. In der Regel herrscht dabei das Verständnis vor, daß Krankheit auf personaler oder präexistenter Schuld wie auf dem schädigenden Wirken von Dämonen beruht. Als Folge supranaturalistischer Krankheitsätiologien kommt neben der Anwendung medizinischer Praktiken auch Beschwörungsritualen, kathartischen Sühneriten, sympathetischer Inanspruchnahme der Kräfte des Weltalles und einem Schutz durch Amulette maßgebliche Bedeu-

Ergebnisse

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tung bei der Krankheitsbekämpfung zu. Diese Volksmedizin läßt sich nicht als inkompetente Quacksalberei abqualifizieren. In vielen Fällen werden pharmakologische oder diätetische Praktiken mit rational verifizierbarer Heilkraft um magische Begleithandlungen ergänzt, und dort, wo der Glaube an Schuld und dämonische Wirksamkeit als Krankheitsursachen fest verwurzelt ist, haben Seelenreinigung, Sühneriten und Dämonenvertreibungsrituale ernstzunehmende heilungsfördernde Einwirkungen auf die Psyche. 4. Eine Sonderform der magischen Volksmedizin stellen die Krankenheilungsformulare der Zauberpapyri dar, wo Krankheit fast uneingeschränkt als Resultat des schädigenden Wirkens bestimmter, im menschlichen Körper befindlicher Dämonen gilt und Beschwörungspraktiken sympathetische oder pharmakologisch-magische Behandlungsmethoden weitgehend in den Hintergrund treten lassen. Die meist unter festgeschriebenen Begleithandlungen zu vollziehenden Beschwörungsriten richten sich in der Regel direkt an den Krankheitsdämon, wobei ergänzend bestimmte Gottheiten durch Gebet oder Opfer dazu bewogen werden sollen, bei der Vertreibung des Dämons helfend mitzuwirken. Eine klare Trennung zwischen Religion und Magie läßt sich von daher kaum vollziehen. 5. Von den unzähligen Personen der Antike, die durch Charisma, Magie und Wissenschaft aufsehenerregende Krankenheilungen oder andere Wundertaten bewirkten und erst von der Warte des von ihnen maßgeblich mitgeprägten, nunmehr aber entmythisierten wissenschaftlichen Denkens aus zum Ärgernis wie zur Zielscheibe des Spottes wurden, ragen einzelne Gestalten durch besonders außergewöhnliche Befähigung und daraus resultierende Theios Aner-Bezüge hervor. Pythagoras und Empedokles wirkten hier als Idealtypos prägend und stießen Uber Jahrhunderte hinweg auf Interesse. Im l.-2.Jhdt.n.Chr. erlebt das unterschwellig immer lebendige pythagoreische Magiertum, bei dem Bolos von Mendes (2Jhdt.v.Chr.) ein wichtiges Bindeglied zwischen Alt- und Neupythagoreismus darstellt, mit dem Auftreten des Apollonius von Tyana und des Alexander von Abonuteichos eine bemerkenswerte Renaissance. Vermutlich hat hier auch Simon Magus mit seiner Seelenerlösungskonzeption ernstzunehmende Wurzeln. Religionsgeschichtlich handelt es sich bei diesen Personen, deren Wundertradition sich historisch als erstaunlich zuverlässig erweist, um Schamanen mit Seelenwanderungslehre, die durch ekstatische Jenseitsreisen die Kluft zwischen Mensch und Gottheit überbrücken, über den Schlüssel zu den wahrhaft lebensentscheidenden Kenntnissen verfügen und mit ihren magischen, in hohem Maße auch wissenschaftlichen

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Fertigkeiten Krankenheilungen und Naturwunder vollbringen. Als Personen, die in ständigem Kontakt mit Gottheiten wie Dämonen stehen und sich des künftigen Geschicks ihrer Seele gewiß sind, wähnten sich Pythagoras, Empedokles, Apollonius von Tyana oder Alexander von Abonuteichos dem gewöhnlichen Menschsein enthoben und beanspruchten für sich göttliche Physis oder Unsterblichkeit. Während ihnen dies ebenso wie dem Arzt Menekrates Zeus von ihren Anhängern gewährt wurde und in vergleichbarer Weise auch die Wiederbelebung eines Totgeglaubten durch Asklepiades und die von Sarapispriestern initiierten Krankenheilungen Vespasians in Alexandria als Zeichen göttlicher Herkunft oder Erwählung galten, überzieht Lukian von Samosata solche personalen Ansprüche auf göttliche Physis und den Theios Aner-Glauben seiner Zeit mit Spott, ohne damit dem eine wichtige religiöse Mittlerfunktion erfüllenden und maßgeblich am Aufkommen der Naturwissenschaften beteiligten antiken Magier- oder Schamanentum in seiner Bedeutung gerecht zu werden.

2. Antikes Judentum 2.1. Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit Im Vergleich mit der Umwelt spielten sowohl Magie als auch Medizin in Israel eine erstaunlich untergeordnete Rolle. Während Ägypten und Mesopotamien als Mutterländer und Hochburgen der antiken Magie gelten können, stellten in Israel magische Praktiken eher ein Randphänomen dar. Israel war zwar keineswegs frei von magischen Anschauungen und Betätigungen1. Doch unterscheidet es sich von seinen Nachbarn grundlegend dadurch, daß die Magie vom Gottesglauben her ständiger kritischer Überprüfung unterzogen und gegebenenfalls auf das Entschiedenste bekämpft wurde (vgl. bes. Dtn 18,9-14; Ez 13,17-23), wobei in schlimmsten Fällen die Todesstrafe drohte (Ex 22,17; Lev 20,27). Die grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber magischen Vorstellungen und Praktiken resultieren in erster Linie daraus, daß diese die Gefahr eines mit dem monotheistischen Glauben nicht zu vereinbarenden Synkretismus in sich bargen. Darüber hinaus war die Möglichkeit eines Mißbrauchs des Gottesnamens zu Beschwörungszwecken und damit eines Verstoßes gegen Ex 20,7/Dtn 5,11 gegeben.

1 Vgl. zu Magie in atl Zeit Blau, Zauberwesen 16-19; Eißfeldt, JahweName und Zauberwesen 151-157; Fohrer, Prophetie und Magie 28ff.; Albertz, TRE 21 (1991) 691-695.

Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit

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Ähnlichen religiösen Vorbehalten sah sich die Medizin ausgesetzt, die in der antiken Krankheitsbekämpfung mit der Magie oft Hand in Hand geht und s i c h e b e n s o wie d i e s e in Israel bis in die nachexilische Zeit hinein nicht f e s t etablieren konnte. Bereits die antiken Hochkulturen Ägyptens und Mesopotamiens verfügten über erstaunlich hoch e n t wickelte medizinische Kenntnisse und ärztliche Fertigkeiten 2 . Vollends gilt dies für die w i s s e n s c h a f t l i c h e Medizin Griechenlands, wie sie durch das Hippokrates z u g e s c h r i e b e n e Schrifttum begründet wurde. In Israel hat hingegen ein prinzipielles Verständnis jeglicher Krankheit als Resultat eines nur von Gott vergebbaren Fehlverhaltens 3 s o w i e das Theologumenon von Jahwe als Arzt (Ex 15,26) 4 , d e s s e n uneingeschränkte Heilk o m p e t e n z durch das Wirken menschlicher Ärzte beschnitten zu w e r d e n droht, das Aufkommen einer über akute Wundversorgung hinausgehenden rationalen Medizin weitgehend verhindert 5 . Freilich wurde insb e s o n d e r e das Diasporajudentum Ägyptens und Mesopotamiens massiv mit magischen Techniken wie medizinischen Praktiken seiner Umwelt konfrontiert, und mit der in der Ptolemäerzeit e i n s e t z e n d e n Hellenisierung Palästinas faßten Magie und Medizin im antiken Judentum 2 Vgl. Diepgen, Geschichte der Medizin I 25-36; Koelbing, Arzt und Patient 27-47; speziell für Ägypten Grapow, Grundriß I—III; Westendorf, Erwachen der Heilkunst; für Mesopotamien Sigerist, Arzt in der mesopotamischen Kultur. 3 Vgl. u.a. Num 12,9-15; 1 Kön 13,4-6; Ps 103,3. Wenn in den Büchern Hiob und Tobit von weisheitlichem Denken her ein traditioneller Tun-ErgehenZusammenhang, der Krankheit als Strafe für Fehlverhalten auffaßt, durchbrochen wird (vgl. Hiob 2,Iff.; Tob l,6ff.), stellt dies die Ausnahme dar und ist für die Folgezeit nicht repräsentativ (vgl. Sir 38,10; Test Sim 2,11-14; 1 Q Gen Ap XX,18ff.). 4 Vgl. zur Entstehung und zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund dieses wohl erst nachexilischen Theologumenoh Lohfink, "Ich bin Jahwe, dein Arzt" 15ff.; Niehr, J H W H als Arzt 3-17. Auch Philo äußert von Ex 15,26 herrührende Vorbehalte gegenüber einer Uberbetonung rationaler Medizin (SacrAC 70). In rabbinischer Tradition ist das Urteil über den Arzt ambivalent. Neben völlig ablehnenden Stellungnahmen (Qid IV,14; bPes 113a; A r z t polemik ist allerdings ein fester antiker Topos) ist eine positive Beurteilung ärztlicher Praktiken im Rahmen der von Ex 15,26 vorgegebenen Prämissen erkennbar (bBer 60a). 5 Wichtiger Unterschied zur Umwelt Israels ist, daß dem Priester keine ärztliche Funktion zukam, sondern seine Rolle sich auf die Konstatierung der nach Heilungen wiederhergestellten Kultfähigkeit beschränkte (Lev 14,2-4). Zudem ließ die jüdische Reinheitsgesetzgebung Leichensektionen, ihrerseits Voraussetzung für die Entstehung einer inneren Chirurgie, nicht zu (Hempel, Arzt 811). Vgl. grundsätzlich zur relativ niedrig entwickelten Medizin in Israel Preuß, Biblisch-talmudische Medizin 1-43; Hempel, Heilung, passim; Muntner, Medicine 3-21; Seybold, Krankheit und Heilung 11-79.

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

zunehmend Fuß, ohne daß die genannten, hauptsächlich von Ex 20, 11/Dtn 5,11 und Ex 15,26 herrührenden religiösen Vorbehalte dabei an grundsätzlicher Bedeutung eingebüßt hätten. Entsprechend bedurfte es auf Seiten der Befürworter magischer oder ärztlicher Betätigung einer umfassenden theologischen Reflexion und Auseinandersetzung, um die Anwendung einzelner Praktiken aus dem Bereich der antiken Magie und Medizin als dem Willen Gottes gemäß zu erweisen und letztlich derart in den jüdischen Glauben zu integrieren, daß das erste Gebot und die gedanklich eng damit zusammenhängende Vorstellung von Gott als Arzt in ihrer prinzipiellen Gültigkeit nicht angetastet wurden. Hauptzeugen für diesen Legitimations- und kritischen Aneignungsprozeß sind das Buch Tobit und Jesus Sirach. Speziell für volksmedizinisch-magische Praktiken der Zeitenwende kommt den Zeugnissen über Heilung und Dämonenabwehr bei den Essenern bzw. in der Qumrangemeinde hervorgehobene Bedeutung zu.

2.1.1. Göttliche Offenbarung magisch-pharmakologischer Heilkunst im Buch Tobit Im Buch Tobit 6 erfolgt eine offenbarungstheologische Legitimation dämonenabwehrender Räucherpraktiken und der pharmakologischen Behandlung von Augenleiden 7 . Die zur Erblindung führende Krankheit des Tobit (Tob 2,10) gilt als Folge einer Verunreinigung der Augen mit Vogelkot und hat somit eine natürliche Ursache. Für den von Sara bereits sieben Mal in der Hochzeitsnacht erlittenen Verlust des Ehemannes durch Tod wird dagegen das schädigende Wirken des Dämons Asmodaios verantwortlich gemacht (3,7f.). Abhilfe schafft in beiden Fällen die richtige Verwendung der Innereien des von Tobias gefangenen Fisches. Bei der Vertreibung des Dämons Asmodaios durch das Räuchern von Leber und Herz des Fisches (8,2f.) handelt es sich um einen genuin magischen Ritus ohne medizinische Implikationen. Speziell für die antidämonische Verbrennung von Fischinnereien gibt es in der antiken Magie offenkundig keine Parallelen. Das vierte Buch der aus Ägypten stammenden und im Kern in hellenistische Zeit zurückreichenden

6 Tob stammt aus dem späten 3.Jhdt.v.Chr., vgl. Deselaers, Buch Tobit 320-343; Schiirer/Vermes, History III,1 222ff. Über den Entstehungsort, sei es Ägypten, Babylonien oder Palästina, lassen sich keine gesicherten Angaben machen (zur Diskussion: Deselaers, aaO.; Rabenau, Studien 175-190). Auf jeden Fall war Tob in Palästina bekannt, wie die Qumranfunde zeigen. 7 Vgl. zum Ganzen Kollmann, Heilkunst im Buch Tobit 289-299.

Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit

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Kyraniden empfiehlt allerdings das Räuchern von Fischmaul und Fischknochen zur Dämonenabwehr 8 . Breit bezeugt ist zudem die Tob 8,2f. vorausgesetzte Vorstellung, daß Dämonen sich durch iibelriechende Substanzen vertreiben lassen 9 . Justin dürfte richtig liegen, wenn er die Anwendung solcher exorzistischen Räucherpraktiken im antiken Judentum auf heidnischen Einfluß zurückführt 10 . Das antidämonische Räuchern von Fischinnereien Tob 8,2f. liegt gänzlich auf der Linie magischer Techniken aus der Umwelt Israels, die auf eine Bannung von Krankheitsdämonen durch üblen Geruch abzielen. Tob 6,8 zeigt dabei, daß dieser Ritus nicht allein im speziellen Falle des tödlichen Wirkens von Asmodaios, sondern grundsätzlich bei jeglicher dämonischen Bedrohung eines Menschen Abhilfe schafft. Die Galle des von Tobias gefangenen Fisches hingegen findet als Heilmittel gegen Erblindung Anwendung. Tob 2,10 zufolge leidet Tobit an λευκώματα, weißen Hornhautflecken, die bei ihm zur völligen Sehunfähigkeit geführt haben. Bei dem in LXX außerhalb von Tob nicht belegten Begriff λεύκωμα (lat. albugo) handelt es sich um einen terminus technicus aus der antiken Medizin 11 . Die Heilung Tob 11,11 erfolgt durch Einsalbung der erblindeten Augen mit Fischgalle unter Aussprechen der Worte θάρσει, πάτερ. Tiergalle war bereits in den alten Hochkulturen Ägyptens und Assyriens ein verbreitetes Mittel gegen Erkrankungen des menschlichen Auges. Als maßgeblicher Anschauungshintergrund für die Heilung Tobits wird in aller Regel die für Assyrien bezeugte Verwendung von Fischgalle als Ingredienz von Augensalbe reklamiert 12 . Mindestens genau so nahe führen allerdings ägyptische Augenheilrezepte aus

8 Kyr IV13,2f.; 55,4. Vgl. auch die für Babylonien und Assyrien belegte Verwendung von Fischsymbolen und Fischgewändern als dämonenabwehrender Glückszeichen (Dölger, ΙΧΘΤΣ II 222f.234-240). 9 Vgl. Kyr III 51,20f. (geräucherte Wildgansexkremente gegen Dämonen); Pesiqta Rabbati 14,14 (Rauch verbrennender Wurzeln als heidnisches Dämonenabwehrmittel); PGM XIII,242-244 (Schwefel und Erdharz zu Besessenenheilungen). 10 Dial 85,3 (an den Juden Trypho gerichtet): ηδη μέντοι οί έξ ύμων επορκισταί τξ τέχνί], ωσπερ και τά εθυη, χρώμενοι έξορκίζουσι και θυμιάμασι. και καταδέσμοις χρωνται ... . 11 Eine präzise wissenschaftliche Diagnose dieses Augenleidens gibt die unter dem Namen Galens überlieferte, in Wirklichkeit aber bereits aus dem l.Jhdt.n.Chr. stammende (Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios 1167f.) Schrift Introductio sive medicus. Dort wird das λεύκωμα (albugo) als gesteigerte Form der ούλη (cicatrix) beschrieben, einer aus Verwundung der Iris resultierenden Vernarbung, die das Aussehen des Auges weiß erscheinen läßt (Gal XIV,775; vgl. ferner Gal XIV,411). 12 Vgl. bes. von Soden, Fischgalle als Heilmittel 8 l f .

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

dem Papyrus Ebers, in denen neben Schweine- und Schildkrötengalle auch Fischgalle als Heilmittel begegnet, an die Befunde in Tob heran. Speziell gegen albugines (shdw - weiße Stelle), wie sie bei Tobit zur absoluten Sehunfähigkeit führten, sind zwei Rezepte überliefert 1 3 . Wie schon bei den Räucherpraktiken von Tob 6,8; 8,2f. bietet wiederum das vierte Buch der Kyraniden mit seinen zahlreichen Fischgalle-Rezepten gegen λευκώματα (u.a. Kyr IV 9,5f.; 13,3f.; 23,2f.) die unmittelbarsten Parallelen zum Buch Tobit. Weitere detaillierte Informationen über die pharmakologische Bedeutung von Fischgalle für die antike Augenheilkunde verdanken wir Dioskurides, Plinius d.Ä. und Pseudo-Galen. Dioskurides gibt zunächst eine Anleitung zur ordnungsgemäßen Konservierung der Gallenblase (Mat Med II 78,1) und liefert dann die entscheidende rationale Erklärung für die besondere Heilkraft von Tiergalle. Alle Arten Galle sind scharf und erwärmend (Mat Med II 78,2 είσί Se πασαι αί χολαί δριμεΤαι, θερμαντικαί), wobei allerdings Abstufungen in der Heilwirkung bestehen. Allem voran wird die Galle des Seeskorpions genannt, die Dioskurides an anderer Stelle speziell gegen λευκώματα empfiehlt (Mat Med II 12 τοΰ Se θαλασσίου σκορπιού ή χολή αρμόζει προς τάς έ\ι όφθαλμοΐς ΰποχυσεις και λευκώματα και άμβλυωπίας). Der Galle des Seeskorpions steht Mat Med II 78,2 zufolge die des Kallionymos, eines Fisches, an Heilkraft in nichts nach. Deutet bereits der Kontext darauf hin, daß auch in diesem Falle an die Heilung von Augenleiden gedacht ist, so wird dies von Plinius her bestätigt, der die pharmakologische Behandlung der mit dem λεύκωμα bzw. der albugo eng verwandten cicatrix mittels der Galle des Kallionymos bezeugt (Hist Nat 32,69 callionymi fei cicatrices sanat et carnes oculorum supervacuas consumit). Das zweite Buch der wohl pseudepigraphen Galen-Schrift De remediis parabilibus schließlich empfiehlt gegen λευκώματα neben der Galle des Seehundes, des Hahnes und des Löwen auch Ziegengalle (Gal XIV,411f.), wie sie bereits in der hippokratischen Medizin als Augenheilmittel verwandt wurde (Hippocr, Mul 1,102 [Littre VIII,224]). In der Blindenheilung Tob 11,11 spiegelt sich somit eine pharmakologische Praktik der Antike, die nichts Wunderhaftes an sich hat, sondern 13 PapEb 360 (58,6-15) bietet eine magisch-pharmakologische Anweisung in Form eines Zauberspruches, der über einer aus Schildkrötengalle und Honig hergestellten Augensalbe zu rezitieren ist, und PapEb 405 (62,6-7) wird Fischgalle, mit schwarzer Augenschminke verrieben, empfohlen (Texte bei von Deines/Grapow/Westendorf, Grundriß IV, 1 48f.; vgl. dazu Westendorf, Erwachen der Heilkunst 72f. Weitere Augenheilrezepte unter Verwendung von Schweine- und Schildkrötengalle bei von Deines/Grapow/Westendorf aaO. 43.48.) Etwa zeitgleich mit Tobit empfehlen im 3.Jhdt.v.Chr. in Ägypten sowohl der wissenschaftliche Arzt Herophilus von Alexandria (Herophilus, Fragm 260) als auch der Magier Bolos von Mendes (Marcell Emp, Med VIII,42, vgl. Wellmann, Φυσικά des Bolos Demokritos 24) Hyänengalle gegen Augenleiden.

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rational nachvollziehbar ist 14 . Das Buch Tobit gibt dabei ein beachtliches Maß an volksmedizinischem Wissen zu erkennen. Das Augenleiden wird mit dem einschlägigen medizinischen Fachbegriff als λεύκωμα identifiziert und dem damaligen pharmakologischen Erkenntnis stand entsprechend mit Fischgalle behandelt. Die Notiz, daß Tobit die Augen brannten (συυδάκνεσθαι 11,12 BA, vgl. 11,8), verrät nicht allein empirisches Wissen um schmerzhafte Begleitumstände dieses Heilverfahrens, sondern läßt zudem eine Kenntnis dessen durchschimmern, daß die Heilkraft von Fischgalle entscheidend auf deren scharfer, wärmeentfaltender Wirkung beruht (vgl. Diosc, Mat Med II 78,2). Die an Tobit exemplarisch veranschaulichte Blindenheilungstechnik, die Tob 6,9 als die bei λευκώματα grundsätzlich gebotene Heilmethode gilt, markiert die Anfänge einer im antiken Judentum relativ hochentwickelten Augenheilkunde. Gerade im Vergleich mit späteren magischen Rezepten gegen weiße Augenflecken ( n p - Q ) 1 5 zeigt sich, in welchem Maße die Blindenheilung Tobits von rationaler Heilkunst geprägt ist. Bei dem magischen Räuchern von Fischleber und -herz und der pharmakologischen Verwendung von Fischgalle handelt es sich somit um Praktiken aus dem Bereich der antiken Magie oder Volksmedizin, deren Anwendung im Judentum von vornherein religiösen, hauptsächlich von Ex 15,26 herrührenden Vorbehalten ausgesetzt war und die aus diesem Grunde besonderer theologischer Legitimation bedurften. Dies vollzieht sich dergestalt, daß der zum himmlischen Thronrat gehörige (Tob 12,15) Engel Raphael im ausdrücklichen Auftrage Gottes als Offenbarer von Heilkunst in Erscheinung tritt. Raphael erteilt die Anweisung zum Fangen des Fisches (6,4f.) und vermittelt das Wissen um die magisch-pharmakologischen Verwendungsmöglichkeiten der Fischinnereien (6,8f.). Tob 12,6ff. gibt Raphael dabei zu erkennen, daß er gänzlich als Repräsentant Gottes fungiert. Sein Kommen beruht nicht auf eigener Initiative, sondern geht auf Gottes Ratschluß zurück, die Menschen mit antidämonischen wie medizinischen Techniken vertraut zu machen (vgl. 12,14). Folglich ist jeglicher religiöser Vorbehalt gegen deren von Gebet (8,4ff.) und Lobpreis Gottes (8,15ff.; ll,14ff.) begleitete Anwendung fehl am

14 Vgl. zu den rationalen Implikationen der bis zum Anfang des 20.Jhdt. selbst in der Schulmedizin noch üblichen Behandlung von Augenleiden durch Tiergalle Münchow, Geschichte der Augenheilkunde 2 4 0 - 2 4 2 (Lit!); Papayannopoulos/Laskaratos/Marketos, Remarks on Tobit's Blindness 18Iff. 15 bSchab 78a (Einpinseln des Auges mit Tierblut); SHR II,181ff. (Bedrohung des Blindheitsdämons unter Verwendung von Stierfett und Engelnamen); HDM A 111,11 (Rezitation magischer Worte über Öl und Sesam als Augenheilmitteln).

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Platze. In ihrer vollen Tragweite läßt sich diese Konzeption von der göttlichen Offenbarung magisch-pharmakologischer Heilkunst durch den Engel Raphael erst im Kontrast zu solchen Traditionen erfassen, denenzufolge das menschliche Wissen um Magie und Pharmakologie Resultat des gegen Gott gerichteten Wirkens gefallener Engel ist 16 . Vermutlich setzt sich die offenbarungstheologische Konzeption im Buch Tobit wenigstens implizit mit derartigen Vorstellungen auseinander, indem sie Magie und Medizin nicht als Produkt des widergöttlichen Wirkens gefallener Engel betrachtet, sondern durch den in uneingeschränkter Übereinstimmung mit dem Willen Gottes handelnden Engel Raphael vermittelt sieht.

2.1.2. Lobpreis des Arztes bei Jesus Sirach Jesus Sirach veranschaulicht demgegenüber mit seiner von weisheitlichem Denken geprägten, streng schöpfungstheologischen Legitimation des Ärztestandes wie der Pharmakologie (Sir 38,1-15)17 eine andere Möglichkeit, die sachliche Diskrepanz zwischen menschlicher Heilkunst und Gottes uneingeschränkter Vollmacht über Krankheit und Tod gedanklich zu bewältigen. Zunächst werden grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Arzt (Κ31Ί) ausgeräumt (38,1-3). Auch das Wirken des Arztes geht auf den unmittelbaren Ratschluß Gottes zurück, der ihn zur Wahrnehmung einer sinnvollen, ihm zugewiesenen Aufgabe bestimmt ipbn) und mit der dazu erforderlichen Weisheit ausgestattet hat (38,1.2a)18. Ergänzt wird der schöpfungstheologische Begründungszu-

16 Im Wächterbuch des äth Hen lehren die gefallenen Engel die Menschen Zauberei und Beschwörungen sowie das Schneiden von Wurzeln und Pflanzen zu pharmakologischen Zwecken (äth Hen 7,1; 8,3). Ähnlich PsPhilo, Lib Ant 34,1-4, wo Aod von dem Heiligtum Midians nach Unterweisung durch die Engel Zauberei betreibt. - Eine ganz ähnliche offenbarungstheologische Legitimation von Magie und Medizin wie bei Tob findet sich Jub 10,12f. (Noah wird von den Engeln in pharmakologische Heilpraktiken eingewiesen und hält dies für die Nachwelt in einem Buch fest, vgl. Tob 12,20!) und Test Sal I,6f. (Der Erzengel Michael instruiert Salomo zu Dämonenaustreibungen mit Siegelring). Vgl. grundsätzlich zur Weisheitsoffenbarung durch Engel Mach, Jüdischer Engelglaube 133-142. 17 Zugrundegelegt wird der - L X X eindeutig vorzuziehende - hebräische Text von Sir 38,1-15 nach der Edition von Schechter/Taylor, Wisdom of Ben Sira (17)f. bzw. in der dt. Übersetzung von Sauer, JSHRZ 111,5 5%f. (vgl. ebda. 4 8 4 f f . zur Textgeschichte). Sir stammt aus dem frühen 2.Jhdt.v.Chr., vgl. Sauer, aaO. 4 8 9 f . 18 Vgl. die ganz ähnliche Argumentation in Sap 7,16-20.

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sammenhang um einen empirischen Beweis. Die Legitimität des Arztes erhellt bereits daraus, daß er bei Königen und Fürsten in hohem Ansehen steht (38,2b.3) und damit die gleiche gesellschaftliche Reputation genießt wie der Weise (vgl. 11,1). In Sir 38,4-8 schließt sich eine weisheitlich-schöpfungstheologische Rechtfertigung pharmakologischer Behandlungsmethoden an 19 . Ein kluger Mensch soll die von Gott geschaffenen Arzneien ( m s n n , φάρμακα) nicht verachten (38,4), mit denen der Arzt zur Linderung der Schmerzen beiträgt (38,7). Hier ist vorausgesetzt, daß sich unter den Gen l,llf. erwähnten Pflanzen auch solche zur Heilung befunden haben. Religiös motivierte Vorbehalte gegenüber pharmakologischen Heilmethoden widersprechen somit der Schöpfungsintention Gottes, der die Heilmittel aus der Erde hervorgehen ließ 20 . Fundiert wird diese Argumentation in Sir 38,5 durch einen Schriftbeweis aus Ex 15,2521. Die Erwähnung des ηρ"Π/μυρεψός (Sir 38,8a, "Salbenmischer") deutet zudem auf die Herausbildung eines "Apothekerstandes" hin 2 2 . Nach dieser grundsätzlichen Rechtfertigung des Ärztestandes und der Heilmittel gibt Sir 38,9-14 konkrete Verhaltensmaßregeln für den Krankheitsfall und steckt dabei den theologischen Rahmen ab, innerhalb dessen sich eine legitime, gottgewollte Anwendung pharmakologischer Behandlungsmethoden zu vollziehen hat. Die Anweisungen von 38,9-11 tragen dem traditionellen Umgang mit Krankheit Rechnung und stellen ohne Zweifel den überkommenen Rahmen dar, in den nunmehr das ärztliche Wirken als neues Element integriert wird. Die Mahnung "Bete zu Gott, denn er ist es, der heilt" (38,9) ruft Ex 15,26 wach und trägt dem dortigen Theologumenon von der alleinigen Heilkompetenz Gottes 19 Ein chirurgisches Wirken des Arztes liegt nicht im Blickfeld. Die Diätetik, neben der Pharmakologie und der Chirurgie eine der drei Hauptdisziplinen der wissenschaftlichen griechischen Medizin (vgl. Cels, Med Prooem 9), kommt hingegen in Sir 37,27-31 zur Sprache, wo traditionelle weisheitlich-philosophische Appelle zum Maßhalten speziell auf das körperliche Wohlbefinden bezogen werden. In übermäßigem Essen nistet Krankheit (37, 30), Zurückhaltung verlängert das Leben (37,31; vgl. Plut, Mor 122Bff.). 20 Treffend Marböck, Weisheit im Wandel 157: "Für den Weisen wird Gott durch die Medizin nicht an den Rand gerückt. Vielmehr wird auch dadurch Gottes Kraft (38,5) offenbar, und seine Stärke, die man preisen soll (38,6)." 21 Sir 38,5 setzt dabei voraus, daß der von Mose in das ungenießbare Wasser geworfene Stock ein eigens dafür von Gott geschaffenes (vgl. Philo, Vit Mos I 185) Heilmittel darstellte. 22 Anders Lührmann, Arzt 62-64: Der Beruf des "Salbenmischers" sei nicht pharmakologisch qualifiziert, sondern wegen seiner allgemeinen Akzeptanz vergleichend herangezogen, um die Unbedenklichkeit einer Inanspruchnahme des Arztes zu veranschaulichen.

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

Rechnung. Zahlreiche Gebete um Heilung, wie sie in Sir 38,9 gemeint sein dürften, finden sich in den Psalmen 23 . Die Aufforderung zur Reinigung von Sünden (38,10) zeigt, daß Sir an der traditionellen Zurückführung von Krankheit auf persönliches Fehlverhalten festhält und ein Sündenbekenntnis (vgl. etwa Ps 32,1-5) als unumgängliche Voraussetzung für Genesung betrachtet 2 4 . Darüber hinaus sind Opfergaben des Kranken geboten (38,11). Gesprengt wird der traditionelle Rahmen dadurch, daß diesen althergebrachten Verhaltensweisen nunmehr die Hinzuziehung des Arztes als gleichberechtigtes neues Element zur Seite gestellt wird. Auch der Arzt hat bei dem Prozeß der Heilung eine festumrissene Aufgabe (38,12f.). Die Bedeutung von Ex 15,26 bleibt durch eine konsequente Unterordnung des ärztlichen Wirkens gegenüber dem Heilshandeln Gottes gewahrt. Auch der Arzt betet 2 5 , und das Gelingen seines Tuns liegt allein in Gottes Hand (38,14). Der Lobpreis des Arztes endete Sir 38,15 (hebr.) ursprünglich mit einer Warnung vor hochmütigem, Sünde gleichkommenden Verhalten gegenüber dem Arzt, während LXX und eine sekundäre hebräische Lesart die Aussage arztkritisch umformulieren 26 . Mit den skizzierten schöpfungs- und offenbarungstheologischen Argumentationsmustern von Tob und Sir ist ein grundsätzlicher Reflexionsprozeß geleistet, durch den nunmehr richtlinienartig der Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen sich im antiken Judentum eine rechtmäßige Anwendung von Magie und Medizin zu vollziehen hat. Wenn magische Praktiken derart durch Gebet und Lobpreis Gottes in den monotheistischen Glauben integriert sind wie das dämonenabwehrende Fischräuchern von Tob 8,2ff., handelt es sich um "weiße Magie", die

23 Vgl. Seybold, Gebet des Kranken 98ff. 24 Ein anschauliches Beispiel für die Kombination von Sündenbekenntnis und Gebet bietet Test Sim 2,13: "und Buße tuend (μετανοήσας) weinte ich und betete zum Herrn, daß er meine Hand wieder herstellt und ich zurückgehalten werde von aller Befleckung." 25 Hier wird offenkundig, daß Sir 38,1-15 an den gottgläubigen jüdischen Arzt denkt (Temkin, Hippocrates 90 mit Anm.4). Eine Legitimation profaner Heilkunst ist nicht beabsichtigt. Folglich läßt sich Sir 38,1-15 auch nicht gegen Tob 2,10 (negative Beurteilung profaner Ärzte) ausspielen, wie dies oftmals geschieht. 26 Sir 38,15LXX "Wer gegen seinen Schöpfer sündigt, möge in die Hände des Arztes fallen." Vgl. zum sekundären Charakter dieser der Grundintention von Sir 38,1-14 widersprechenden Sentenz gegenüber dem hebr. Text Lührmann, Arzt 66f.; Noorda, Illness and Sin 220f. mit Anm.18; Hogan, Healing 4 5 - 4 7 . Gegen von Rad, Weisheit 179; Marböck, Weisheit im Wandel 159f., die hier offenbar L X X den Vorzug geben.

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keine Gefahr synkretistischer T e n d e n z e n in sich birgt. Durch Gebet, Sündenbekenntnis und Opfer (Sir 38,9-11) oder Lobpreis Gottes (Tob ll,14ff.) begleitete medizinisch-pharmakologische Behandlungsmethoden sind legitim, da die Entscheidung über Krankheit oder Heilung nach wie vor Gott vorbehalten bleibt (Tob 13,2; Sir 3 8 , 9 9 ) 2 7 . Im Judentum kann nunmehr im Falle akuter dämonischer Bedrohung und bei Krankheiten mit natürlichen Ursachen durch Rückgriff auf "bewährte" magische oder medizinische Praktiken der Umwelt ein eigenständiger Beitrag d e s Mens c h e n zur Heilung geleistet werden, ohne daß damit die alleinige Verfügungsgewalt Gottes über Leben und Tod grundsätzlich in Frage gestellt oder auch nur beschnitten wäre. In der Folgezeit ist im antiken Judentum überwiegend von volkstümlichmedizinischen, in erster Linie pharmakologischen Heilverfahren auszugehen, deren Grenzen zu Magie hin fließend sind, wie es sich für die (Qumran-) Essener und Eleazar nachweisen läßt. Auch wenn für das Judentum des ntl Zeitalters keine ausgeprägte wissenschaftliche Medizin vorausgesetzt werden kann und insbesondere der Bereich der Chirurgie eine völlig untergeordnete Rolle spielte, so lassen sich aber doch die bei Tobit und Jesus Sirach gegebenen Ansätze in Richtung rationaler Heilkunst weiterverfolgen 2 8 . Auf einer Grabinschrift aus dem ägyptischen Leontopolis (117v.Chr.) handelt es sich bei dem verstorbenen Demas höchstwahrscheinlich um einen jüdischen Arzt (CPJ 1490). In Palästina waren im l.Jhdt.n.Chr. Ärzte im Sinne der wissenschaftlichen Medizin hauptsächlich am Hofe des Herodes tätig (Joseph, Bell 1,657; Ant XVII, 171f.); vereinzelt gab es sie wohl auch in Galiläa . Celsus v e r weist zweimal auf Rezepte eines Iudaeus (Med V19,ll; V22,4), bei dem es sich um einen jüdischen Arzt oder Pharmakologen handeln wird. Lukian erwähnt Trag 265ff. syrische Wanderärzte aus Damaskus, für die eine jüdische Volkszugehörigkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist. Ebenfalls im 2.Jhdt.n.Chr. wirkt in Rom der von Galen mehrfach erwähnte jüdische Arzt und Hippokrateskommentator Rufus von S a m a r i a 3 0 . Die Grabinschrift CIJ 745 aus Ephesus (2.-3.Jhdt.) schließlich ist dem dortigen jüdischen αρχίατρος Julius gewidmet.

2.1.3. Magie und Medizin bei den E s s e n e r n Für die E s s e n e r s t e h e n Kenntnisse und Fertigkeiten in der Heilkunst außer Frage. Die Annahme von G. V e n n e s , der Name Essener leite sich 27 Vgl. dazu Philo, Leg All 111,178: Heilung von körperlicher Krankheit gewähre Gott durch Wissenschaft und ärztliche Heilkunst, indem er diesen den Anschein des Heilens lasse, in Wirklichkeit aber selber sowohl durch diese als auch ohne sie heile. 28 Vgl. dazu Kudlien, Jüdische Ärzte im Rom. Reich 40ff. 29 Joseph, Vita 404; vgl. auch Jeremias, Jerusalem zur Zeit Jesu I 19. 30 Vgl. Edelstein, PRE.S 6 (1935) 646.

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

etymologisch von (θεραπευτής, Heiler) her und es handele sich um eine mit den Therapeuten identische, auf "healing both body and soul" (vgl. Philo, Vit Cont 2) bedachte Gemeinschaft, dürfte aber kaum den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, da Έσσηνοί/ΈσσαΤοι am ehesten auf ΚΟΠ ("fromm") rekurriert 31 . Als "Windei" erwies sich zudem das sogenannte "4 Q Therapeia", das als Bürge für weitreichende Kenntnisse der Essener in wissenschaftlicher hellenistischer Medizin angesehen w u r d e 3 2 , bei dem es sich in Wirklichkeit aber lediglich um eine Schreibübung ohne irgendwelche medizinischen Inhalte handelt 33 . Die ausgeprägte Dämonologie der Qumranschriften läßt bei den Essenern ohnehin keine streng wissenschaftliche Heilkunst, sondern ungleich eher mit magischen Elementen durchsetzte volksmedizinische Praktiken erwarten. Zuverlässige Anhaltspunkte in diese Richtung bieten Josephus und die Qumranschriften.

a) Josephus

über heilkräftige

Wurzeln

und Steine

bei den

Essenern

Joseph, Bell 11,136, zufolge durchforschten die Essener die "Schriften der Alten" (τά των παλαιών συντάγματα) darauf hin, was Seele und Leib nützt, und maßen in diesem Zusammenhang zur Heilung von Krankheiten dienenden Wurzeln und "Eigenschaften von Steinen" besondere Bedeutung bei (προς θεραπείαν παθών ρίζαι τε άλεξητήριοι και λίθων ιδιότητες άνερευνωνται). Ob bei den von den Alten abgefaßten bzw. gelesenen Schriften nur an jüdische oder auch an heidnische Werke gedacht ist, bleibt unklar. Die W e n dung τά των παλαιών συντάγματα ist innerhalb der hellenistisch-jüdischen Literatur singular, und οί παλαιοί kann sowohl die jüdischen als auch die nichtjüdischen Vorfahren bezeichnen 3 4 .

31 Hengel, Judentum und Hellenismus 319f., gegen Vermes, Etymology of "Essenes" 435ff.; ders., Essenes and Therapeutai 497ff. 32 Vgl. Allegro, The Dead Sea Scrolls and the Christian Myth 235-240; Charlesworth, Discovery, passim; ders., in: Kee, Medicine 128-134. 33 Naveh, The So-called 4 Q Therapeia 54f. 34 Sofern man aus den zwei weiteren Josephus-Belegen für substantiviertes παλαιοί überhaupt Rückschlüsse ziehen will, scheint Josephus hier eher an die jüdischen Vorfahren zu denken. Bell 111,513 zufolge vermuteten die Alten die Quelle des Jordan am Panium; Ant 1,105 sind mit den παλαιοί die hochbetagten Patriarchen von Gen 5 gemeint, während 1,108 dann die heidnischen Alten als οΐ αρχαίοι bezeichnet werden. Philo freilich rechnet neben den jüdischen Ahnen u.a. auch Sokrates (Plant 80), Hesiod (Ebr 150) und Diogenes (Deus Imm 146) zu den παλαιοί.

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Das Sichten nicht genuin essenischer Schriften auf heilkräftige Wurzeln hin läßt an das Henoch- und das Jubiläenbuch denken 3 5 , die sich beide im Besitz der Qumrangemeinde befanden. Äth Hen 7,1; 8,3 - in 4 Q En I enthalten - unterweisen die gefallenen Engel die Menschen in Beschwörungspraktiken und in dem Schneiden von Wurzeln. Jub 10,12f. erhält Noah Anweisungen zur Heilung dämonisch verursachter Krankheiten mittels Pflanzen und schreibt dies in einem Buch nieder. Möglicherweise kursierte sogar dieses Noahbuch, das man sich als magischpharmakologisches Kompendium nach Art des "Buches der Heilmittel" (Pes IV,9) vorzustellen haben wird, als των παλαιών σύνταγμα in Essenerkreisen; Noah wird jedenfalls Ant 1,105 expressis verbis zu den παλαιοί gerechnet. Das Erforschen heilkräftiger Steine hingegen hat in den Qumranschriften keine Anhaltspunkte. Steine können dadurch heilkräftig sein, daß man sie in zerriebenem Zustand als Medikament zu sich nimmt oder daß sie - meist als Amulett oder Ring getragen - allein durch Berührung oder sogar durch bloßes Anschauen Genesung verschaffen. Beides ist im antiken Judentum belegt, was der Josephusnotiz Bell 11,136 hohe historische Plausibilität verleiht. Als mineralogischem Arzneimittel kommt in der Antike dem in Palästina gewonnenen 'Ιουδαϊκός λίθος hervorgehobene Bedeutung zu. Dioskurides empfiehlt ihn, zerrieben und mit heißem Wasser vermischt, gegen Schwierigkeiten beim Harngang und zur Beseitigung von Steinen in der Harnblase (Mat Med V,137). Galen spricht dem 'Ιουδαϊκός λίθος zwar diesbezüglich jegliche Heilkraft ab, hält ihn aber bei Nierensteinen für nützlich (Gal XII,199). Das Interesse des antiken Judentums an Steinen mit magisch-sympathetischer Heilwirkung zeigt sich plastisch in bBB 16b, wo aus Gen 24,1 ("und der Herr hatte Abraham in allem gesegnet") gefolgert wird, daß um Abrahams Hals ein heilkräftiger Stein hing, der durch bloßes Anschauen jedem Kranken Genesung verschaffte. Sap 18,24 ist von antidämonischem Schmuck aus Steinen (λίθων γλύφη) die Rede, vor dem der "Verderber" (ό όλεθρεύων) flieht. PsPhilo, Lib Ant 25,12, erwähnt Steine (lapides) in Heiligtümern der Amorit e r , die auf Berührung mit den Augen hin von Blindheit heilen.

Das Durchforschen überkommener Schriften auf heilkräftige Steine hin ist am ehesten dahingehend aufzufassen, daß Essenerkreise sich mit solchen Büchern über die Heilkraft und die Wunderwirkung von Steinen beschäftigten, wie sie ab dem 4.Jhdt.v.Chr. in der Umwelt Israels bezeugt sind und im Zuge der Hellenisierung oder durch Vermittlung des babylonischen Diasporajudentums auch nach Palästina gelangt sein dürften. Bereits Aristoteles hatte am Ende seiner Metereologie nach kurzen Bemerkungen zu Mineralien und Metallen die Notwendigkeit detaillierterer

35 Hengel, Judentum und Hellenismus 440; Kottek, Essenes and Medicine 83f.

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Studien in dieser Richtung betont (Meteor 378AB), ohne dieses Vorhaben je zu verwirklichen 36 . Sein Schüler Theophrast erwähnt in De lapidibus bei aller Zurückhaltung gegenüber pharmakologischen oder magischen Aspekten zumindest, daß dem Smaragd Heilkraft für die Augen zukomme (IV,24 και προς τά όμματα άγαθή). Um 200v.Chr. verfaßte der im Pythagoreismus wurzelnde ägyptische Magier Bolos von Mendes seine magisch-pharmakologische Schrift Φυσικά, als deren Inhalt die Suda vermerkt: εχει δέ περί συμπαθειών και αντιπαθειών, λίθων κατά στοιχεΐον 37 . Ein Werk dieser Art ist uns mit dem ersten Buch der Kyraniden überkommen, das in hellenistischer Zeit in Ägypten entstand und neben pharmakologischen Pflanzen- oder Steinrezepten auch Instruktionen zur Herstellung heilkräftiger Amulette bzw. Ringe enthält, die in der Regel aus einem gravierten Stein (λίθος) mit einer darunter verborgenen Planzenwurzel (ρίζα od. "ρίζιον) bestehen 3 8 . Dem pseudepigraphen Brief des Thessalos an Claudius oder Nero zufolge will Thessalos in Alexandria eine astrologisch-pharmakologische Schrift des Königs Nechepso mit Rezepten "zur Heilung des ganzen Körpers und aller Leiden gemäß dem Tierkreis durch Steine und Pflanzen (δια λίθων τε και βοτάνων)" vorgefunden haben 3 9 . Ausführliche, im Kern wohl auf antiken Steinbüchern beruhende pharmakologische Abhandlungen περί λίθων finden sich in den Arzneimittellehren von Dioskurides (Mat Med V,123-150) 40 und Galen (Simpl Med IX,2 [Gal XII,192ff.]). Galen hat dabei persönlich die Heilkraft eines der von Nechepso als Amulett empfohlenen Steine, nämlich des grünen Jasper, überprüft und im Prinzip bestätigt gefunden (Gal XII,207) 41 . Als höchstwahrscheinlich jüdischer Verfasser von Steinbüchern ist uns Zachalias der Babylonier bekannt 4 2 , der mehrere Bücher schrieb, in denen er 36 Diesen Sachverhalt konnte sich der Verf. eines um 600n.Chr. zusammengestellten Steinbuches (ed. J. Ruska) zunutzemachen, indem er seine Sammlung alter magisch-pharmakologischer Steinrezepte als Werk des Aristoteles ausgab. 37 Suda s.v. Βωλος Μενδήσιος (Adler 1,490); vgl. Wellmann, Die Φυσικά des Bolos Demokritos lOff. Wellmanns Überzeugung, Joseph, Bell 11,136, müsse sich auf die Φυσικά des Bolos beziehen (aaO. 9), basiert auf einer Fehlbeurteilung der Essener als missionarischer neupythagoreischer Sektengründung in Palästina (vgl. kritisch Hengel, Judentum und Hellenismus 445-453, zu pythagorisierenden Quellen des Joseph auch Bergmeier, Essenerberichte 114ff.u.ö.). 38 Edition der gesamten Kyraniden (vgl. auch die Steinrezepte in Kyr VI) durch Kaimakis, Kyraniden 14ff.; Text und Kommentierung besagter Amulette bei Waegeman, Amulet and Alphabet 13ff. 39 Thessalos I Prooem 6 (Friedrich 47,5ff.); vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus 390f. Die ebenfalls pseudepigraphe, fragmentarisch überlieferte Nechepso-Schrift (Nechepsonis et Petosiridis fragmenta magica ed. E. Riess) stamm; aus der Mitte des 2.Jhdt.v.Chr., wobei in den Fragmenten medizinischen Inhalts (Fragm 27-32) mehrfach auch Steine erwähnt sind. 40 Vgl. dazu Riddle, Dioscorides on Pharmacy 158-162. 41 Vgl. Bonner, Magical Amulets 54, zur sympathetischen Heilwirkung des Jasper auch Diosc, Mat Med V,142; Plin, Hist Nat 37,118; Archigenes bei Alex Trail 1,15 (Puschmann Bd. I 567). 42 Vgl. zur jüdischen Identität von Zachalias (wohl = Zacharias) Neusner, History of the Jews in Babylonia I 10 mit Anm.2. Skeptisch: Stern, Greek and Latin Authors I 467.

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das gesamte Geschick des Menschen vom Einfluß der Steine abhängig sah und bestimmten Steinen Heilkraft im Falle von Augen- und Leberleiden beimaß (Plin, Hist Nat 37,169).

Über Joseph, Bell 11,136, hinaus eröffnet auch das Verbot in CD XI,10, am Sabbat Medikamente (CP3ÜO) herumzutragen, sowie der Dank für Heilmittel (ΓΠΚΊΣΠ) in 4 Q 511 Fragm 20,1,4 Rückschlüsse auf pharmakologische Kenntnisse der Essener. Vielleicht darf man im Zusammenhang mit den Qumran-Essenern auch an jene palästinischen "Goeten" erinnern, die den als Heilmittel berühmten jüdischen Asphalt (Scrib Larg, Compos 207.209; Diosc, Mat Med 173,1; Gal XIV,60f.) aus dem Toten Meer gewannen und unter Beschwörungen wie magisch-kathartischen Riten preßten und härteten 4 3 . Wenn Philo hervorhebt, daß die Essener die Behandlungskosten für Erkrankte aus der Gemeinschaftskasse bestreiten 4 4 , deutet dies allerdings auch auf eine Inanspruchnahme von außerhalb der Gemeinschaft stehenden Ärzten und damit auf eine Begrenztheit essenischer Heilkunst hin.

b) Dämonenaustreibungen in Qumran Neben diesen gewichtigen Hinweisen auf magisch-pharmakologische Kenntnisse der Essener sind Indizien für Dämonenaustreibungen in Qumran gegeben. Mit 1 Q Gen Ap XIX,10-XX,34 und 4 Q Or Nab finden sich in den Qumranschriften zwei Wundertraditionen, die auf Heilpraktiken der Essener hin transparent sein könnten. Bei 1 Q Gen Ap XIX,10-XX,34 45 handelt es sich um eine midraschartige Nacherzählung von Gen 12,10-20, dem Bericht vom Aufenthalt Abrahams in Ägypten, wobei zusätzlich Elemente aus der Variante Gen 20,1-18 eingeflossen sind. 1 Q Gen Ap setzt gegenüber seinen biblischen Leitbildern nicht zuletzt auch in bezug auf die Bestrafung Pharaos und deren spätere Außerkraftsetzung neue Akzente. Während Gen 12,17 allgemein von "Schlägen" (CPin]) Gottes gegen Pharao die Rede ist, 43 Poseidonius bei Strabo XVI 2,43 (Strabo selber verwechselt hier das Tote Meer mit dem See Sirbonis, vgl. Stern, Greek and Latin Authors I 309); vgl. Joseph, Bell IV,480-482. 44 Philo, Omn Prob Lib 87 τά προς τάς νοσηλείας εκ των κοινών εχοντες έν έτοίμψ/Euseb, Praep Εν VIII 11,13 και μην εί τις αύτων άσθενήσειεν, έκ των κοινών νοσηλεύεται. 45 Text nach Fitzmyer, Genesis Apocryphon 51ff. Die Schriftrolle ist ungefähr auf Ende l.Jhdt.v.Chr./Anfang l.Jhdt.n.Chr. zu datieren, vgl. ebda. 12ff., als ursprüngliche Abfassungszeit von 1 Q Gen Ap kommt das 2.Jhdt. v.Chr. in Betracht (vgl. Schürer/Vermes, History 111,1 323).

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Magie, Medizin und Wunder im Judentum

sieht 1 Q Gen Ap hier speziell einen Krankheitsdämon (ΠΊΊ) 4 6 am Werke. Nach vergeblichen Heilungsversuchen ägyptischer Zauberer und Ärzte (XX,19f.) wird offenkundig, daß Pharaos Begierde nach Sara die eigentliche Ursache der somit auf individuellem Fehlverhalten beruhenden Krankheit darstellt. Nachdem Pharao Sara freigegeben hat, sind die Voraussetzungen für eine Heilung geschaffen, deren Vollzug Abraham in Ich-Form schildert (XX,28f.). Zunächst erfolgen Gebet und Handauflegung (Πϋ[·>ΧΊ] •'-p rDODl... r p b s i ) . Dann wird der Krankheitsdämon offenbar noch eigens durch eine Bedrohung ( m u i n x i ) 4 7 unter Kontrolle gebracht und gebannt, woraufhin sich die völlige Genesung einstellt. Das Motiv des Gebetes um Heilung wird dabei aus Gen 20,17 eingeflossen sein, während sich mit der Handauflegung und der Bedrohung des Dämons magische Praktiken des Zweistromlandes in der 1 Q Gen Ap XX,28f. vorliegenden, über Gen 12,10-20 hinausgehenden Schilderung der Heilung niedergeschlagen haben dürften 48 . Nur bruchstückhaft erhalten und in seiner Bedeutung entsprechend schwierig zu erfassen ist das "Gebet des Nabonid" 4 Q Or Nab. Die bislang beste Textrekonstruktion für diese traditionsgeschichtlich eng mit Dan 4 verwandte, vom paläographischen Befund her spätestens auf das l.Jhdt.v.Chr. zu datierende 49 Schrift hat F.M. Cross geleistet 50 . In 4 Q Or Nab ist von einer bösartigen Entzündung (]Πϋ) Nabonids, des Königs von Babylon, die Rede, von der er auf sein Gebet zu Gott hin geheilt wird. Daß die Krankheit als dämonisch verursacht gilt, ist naheliegend, bleibt aber unsicher, da das oft mit Exorzist übersetzte 51 Ί Π

46 Vgl. zu dieser Wiedergabe von ΓΠΊ 11 Q Ps a Plea XIX,15 "Laß weder weder Satan noch einen unreinen Geist (HXQU Π Ή Ί fttt^) über mich herrschen." Vgl. ferner Fitzmyer, Genesis Apocryphon 116f.; Kirchschläger, Exorzismus in Qumran? 140, und bes. Sekki, Meaning of ruah at Qumran 145-171. 47 Vgl. zur Bedeutung von ~1X73 in dämonistischem Kontext (1 Q Μ XIV,10 für die Bannung der Geister Belials durch Gott verwendet und in L X X durch έπιτιμδν wiedergegeben, vgl. Hatch-Redpath I 537) Kee, Terminology 233; Caquot, T h W A T I 55. Gegen Greenfield, Observations X X X V I I I f . , demzufolge Ί Ι Π hier einfach "austreiben" meint, ohne noch gesonderte Bedrohungsworte miteinzuschließen. 48 Vgl. Dupont-Sommer, Exorcismes 252 Anm.l. 49 Milik, Priöre de Nabonide 407. Sollte 4 Q Or Nab traditionsgeschichtlich älter als Dan 4 sein, käme eine deutlich frühere Abfassungszeit als dieser von der Schriftrolle her gegebene terminus ad quem l.Jhdt.v.Chr. in B e tracht, vgl. R. Meyer, Gebet des Nabonid 106f. (5. Jhdt. v.Chr.); Garcia Martinez, Prayer of Nabonidus 135f. (3.Jhdt.v.Chr.). so Cross, Prayer of Nabonidus 260-264. 51 Dupont-Sommer, Exorcismes 256-258; Annen, Heil für die Heiden 120; Garcia Martinez, Prayer of Nabonidus 125f.

Jüdische Heilkunst in hellenistisch-römischer Zeit

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eher mit "Wahrsager", "Astrologe" wiederzugeben sein dürfte 5 2 . In jedem Falle wird Nabonids Entzündung als Resultat von Schuld betrachtet, da der Heilung eine Sündenvergebung vorausgeht. Eine Reihe von Exegeten hält dabei in 4 Q Or Nab 4 (... ~ΙΠ nb pnttf ^ΟΠί) den ΊΠ für das Subjekt von und sieht einen Sündenvergebungszuspruch durch einen Menschen gegeben 53 . Demgegenüber dürfte allerdings ΊΠ eher den Beginn eines neuen Satzes markieren und für die vorausgehende Aussage von der Sündenvergebung Gott als gedankliches Subjekt zu ergänzen sein 5 4 . Der als Exiljude charakterisierte ΊΠ, bei dem wahrscheinlich an Daniel gedacht ist, wäre dann überhaupt kein aktiv an der Heilung beteiligter Wundertäter gewesen, sondern seine Rolle hätte sich darauf beschränkt, die dem Gotteslob dienende schriftliche Fixierung der wie in Dan 4,31 allein gottgewirkten Genesung zu veranlassen (4 Q Or Nab 5ff.). Weder bei 1 Q Gen Ap noch bei 4 Q Or Nab handelt es sich um genuin essenische Schriften 5 5 . Folglich erlauben diese Stoffe keine unmittelbaren Rückschlüsse auf Wunderheilungen in Qumran. Speziell 1 Q Gen Ap XX,12-34 konnte allerdings als Anleitung zu Dämonenaustreibungen durch Gebet, Handauflegung und Bedrohung des Dämons aufgefaßt werden 5 6 und spiegelt wahrscheinlich magische Praktiken der Essener wider 5 7 , zumal sich mit der auf Gebet hin erfolgenden Heilung dämonisch verursachter, aus Sünde resultierender Krankheit Verbindungen zu den Bitten um Sündenvergebung und Dämonenabwehr in 11 Q Ps a 155 XXIV, 12f. und 11 Q Ps a Plea XIX,13-16 ergeben 5 8 . Daß in Qumran tatsächlich Besessenenheilungen oder apotropäische Dämonenbeschwörungen vollzogen wurden, hat zudem in 11 Q Ps Ap a 52 R. Meyer, Gebet des Nabonid 24; Hengel, Judentum und Hellenismus 438 Anm. 772; Hogan, Healing 154f. 53 Dupont-Sommer, Exorcismes 245 ("et un exorciste remit mes peches"); Vermes, Jesus the Jew 68. 54 R. Meyer, Gebet des Nabonid 36f.; van der Woude, Gebet des Nabonid 124f.; Grelot, Priöre de Nabonide 485; Cross, Prayer of Nabonidus 163f.; Hogan, Healing 151-157. 55 Vgl. zum nicht-essenischen Charakter beider Schriften, der bereits durch die engen Berührungen mit Jub (1 Q Gen Ap) bzw. Dan 4 (4 Q Or Nab) offenkundig wird, etwa Schürer/Vermes, History III,1 322f.440f. 56 Ähnliches gilt für das ebenfalls im Besitz der Qumrangemeinde befindlich gewesene Buch Tobit mit seiner Anleitung zu antidämonisch-pharmakologischen Praktiken (Tob 6,8f.; 8,2f.; 11,11). 57 Vgl. Dupont-Sommer, Exorcismes 248-253; Flusser, Healing 108; Fitzmyer, Genesis Apocryphon 124f. Skeptisch: Kirchschläger, Exorzismus in Qumran? 143.151f. 58 Text bei Sanders, DJD IV 71.77. Vgl. Flusser, 'Apotropaic' Prayers 194ff.

134

Magie, Medizin und Wunder im Judentum

gesicherte Anhaltspunkte 59 . Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung des "Schutzpsalmes" Ps 91, seinerseits wohl bereits in atl Zeit zu Beschwörungszwecken verwendet 6 0 , mit weiteren, apokryphen "Psalmen Davids" (1,2; IV,4), die motivmäßig stark von der jüdischen Dämonologie geprägt sind 61 . In diesen apokryphen Psalmen findet sich, textlich allerdings nicht völlig gesichert, zweimal die Wendung "Worte der Beschwörung im Namen Gottes" (11 Q PsAp a I,l[2]; IV,4 ΓΠΓΡ OE/n ΌΓ0 " n m ) 6 2 . In 11 Q Ps Ap a 1,3 werden die David zugeschriebenen antidämonischen Beschwörungsworte zudem mit Salomo in Verbindung gebracht, was Assoziationen zu den Joseph, Ant VIII,45.47, erwähnten, angeblich von Salomo verfaßten Exorzismusformeln Eleazars sowie zu der dämonenbannenden Formel δεΰρο καλεΤ σε ό Σολομών Test Sal 1,9.11 wachruft 63 . Zudem kündigt David PsPhilo, Lib Ant 60,3, den bösen Geistern einen aus seinen Lenden hervorgehenden, künftigen Dämonenbeherrscher an (... de qua nascetur post tempus de lateribus meis qui vos domabit), mit dem am ehesten Salomo gemeint sein dürfte 64 . Der Sache nach weist die 11 Q Ps Ap a gegebene Zusammenstellung mehrerer Psalmen zu Beschwörungszwecken in den Bereich der pythagoreischen Musiktherapie 65 . 1 Sam 16,14-23 berichtet davon, daß David

59 Dieterich, Abraxas 143ff., wollte sogar PGM IV,3007-3086 den Essenern oder Therapeuten zuschreiben. 60 Vgl. Nicolsky, Spuren 14-29. 61 Vgl. bes. Delcor, L' utilisation des psaumes 63-67. 62 11 Q Ps A p a 1,1(2) liest van der Ploeg, Psaumes apocryphes 130, lediglich 'Ισραήλ um mt Variation der Mt 9,8 übergangenen Akklamation Mk 2,12 οίίτως ουδέποτε εϊδομεν.

Bei den verbleibenden Divergenzen ist jedoch Mk 3,22-27 gegenüber Mt 12,22-30/Lk 11,14-23 mit wenigen Ausnahmen traditionsgeschichtliche Priorität einzuräumen. Lk 11,15a ist das unbestimmte τινές ursprünglich, da es sich bei den γραμματείς (Mk 3,22) und den ΦαρισαΤοι (Mt 12,24) um die bei Mk bzw. Mt jeweils typischen, oft redaktionellen Gegner Jesu handelt 5 . Der gegnerische Vorwurf liegt Mk 3,22c/Lk 11,15b (vgl. Mt 9,34) in ältester Form vor, während sich δτι Βεελζεβούλ εχει Mk 3,22b als mk Parallelbildung zu δτι έξέατη Mk 3,21 erweist 6 und auch ούτος οΰκ έκβάλλει τά δαιμόνια εί μή Mt 12,24b redaktionell sein d ü r f t e 7 . Der Hinweis auf das wunderbare Wissen Jesu um die Absichten seiner Gegner Mt 12,25/Lk 11,17 ist ein Q-Zuwachs, den Mk kaum ausgelassen hätte (vgl. Mk 2,8). Die Bildworte vom geteilten Reich und Haus dürften Mk 3,24-26 in ursprünglicher Form vorliegen. In Mt 11,25 wird jedenfalls πόλις mt Zusatz sein, und Lk ll,17f. begegnet die lk Vorzugsvokabel διαμερίζειν (von 11 ntl Belegen entfallen 6 auf das Lk-Ev und 2 auf Apg) und mit 11,18b zudem eine redaktionelle Erweiterung. Die im Vergleich mit Mk 3,22-27 überschießenden Logien Mt 12,27f./Lk ll,19f. bieten als einzige nennenswerte Divergenz das auf M t zurückgehende Gegen Dibelius, Formgeschichte 221 ("situationslos überliefert"); Haenchen, Weg Jesu 151f.; W . Weiß, Neue Lehre 168-170; Fuchs, Beelzebulkontroverse 35-49 (Deutero-Mk habe exemplarisch eine Dämonenaustreibung [Lk ll,14par] vorangestellt). 4 Käsemann, Lk 11,14-28 242; Gnilka, Mt-Ev I 456. Sand, M t - E v 261, verweist zudem auf redaktionelles τυφλός in Mt 15,30f.; 21,14. s Vgl. zu γραμματείς, im Mk-Ev die bevorzugten, meist redaktionell eingebrachten Gegner Jesu: Jülicher, Gleichnisreden II 216; Hultgren, Adversaries 102; Lührmann, Mk-Ev 50f.; zu sekundärem ΦαρισαΤοι in Mt 12,24: Manson, Sayings of Jesus 83; Lührmann, Redaktion 32; Laufen, Doppelüberlieferungen 127. 6 Laufen, Doppelüberlieferungen 133; Gnilka, Mk-Ev I 145; gegen Fuchs, Beelzebulkontroverse 37-39. Darüber hinaus ist 3,23a mk geprägt: vgl. zu προσκαλεσάμενος αυτούς u.a. Mk 6,7; 7,14; 8,1.34; 10,42; 12,43, zu έν παραβ ο λ α ΐ ς Mk 4,2.11; 12,1. 7 Red. ούκ ... εΐ μή begegnet Mt 14,17; 15,24, vgl. ουδέν ... εϊ μή Mt 5,13 (red.).

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Dämonenaustreibungen Jesu

έ\ι τφ πυεύματι θεοΰ (Mt 12,28) diff. έν δακτύλω θεοΰ Lk 11,20®. Eine Tilgung dieser Jesuslogien durch Mk läßt sich nicht plausibel machen. Für Mk waren weder "fremde Exorzismen" (vgl. Mk 9,38-40) noch Dämonenaustreibungen Jesu anstößig (Mk 1,23-29.32-34; 3,11; 5,1-20; 7,24-31; 9.14-29) 9 . Speziell die Mt 12,28/Lk 11,20 entnehmbaren theologischen Bezüge der Wunderwirksamkeit Jesu hätten sich mit den mk Dämonenbekenntnissen zu Jesus als άγιος oder υίός του θεοΰ (Mk 1,24; 3,11; 5,7) in Einklang bringen lassen. Ebensowenig stellen eschatologische Gesichtspunkte einen Grund für eine mk Nichtberücksichtigung von Mt 12,27f./Lk ll,19f. dar, da sich das dortige εφθασεν έφ' ΰμας ή βασιλεία τοΰ θεοΰ wohl in die mk Konzeption von der Gottesherrschaft (Mk 1,15; 9,1) hätte integrieren lassen 1 0 . Auch eine spurlose Eliminierung dieser zentralen Jesuslogien im vormk Überlieferungsstadium der Beelzebultradition ist unwahrscheinlich 11 . Die Logien Mt 12, 27f./Lk ll,19f. waren kein ursprünglicher Bestandteil der Beelzebultradition, sondern wuchsen dieser sekundär zu, wobei die Replik Jesu Mk 3,23b entbehrlich w u r d e 1 2 . Die erheblichen Differenzen zwischen Mt 12,29 und Lk ll,21f. dürften sich dadurch erklären, daß Mt hier Mk 3,27, Lk hingegen Q folgt 1 3 . Auch wenn die Verbindung dieses Gleichnisses mit der Beelzebulperikope damit sehr alt ist, wird sie traditionsgeschichtlich sekundär sein. Entfernte Parallelen in Jes 49,24 und Ps Sal 5,3 sowie eine Variante ohne Bezug zur Beelzebulperikope in E v T h Log 35 legen für Mk 3,27parr deutlich eine selbständige Traditions-

8 Da Lk mit seiner ausgeprägten Pneumatologie ein vorgefundenes εν πνευματι kaum abgeändert hätte und Mt an einer Beseitigung des auf Ex 8,15 basierenden Anthropomorphismus έν δακτύλψ θεοΰ gelegen haben kann, gebührt έν δακτύλφ der Vorzug, vgl. Windisch, Jesus und der Geist 217f.; Manson, Teaching of Jesus 82f.; Schulz, Q 205; Laufen, Doppelüberlieferungen 129f.; Nielsen, Heilung 33, Anm.95. - Anders Harnack, Sprüche 20; Jülicher, Gleichnisreden II 229; Hamerton-Kelly, Note on Mt XII.28 167-169; Yates, Luke's Pneumatology 295-299; van Cangh, Par l'esprit de Dieu 337-342. 9 Gegen Polag, Christologie 38, Anm.110: Mk habe die Logien Mt 12,27f.par ausgelassen, da er die Parallelisierung der Dämonenaustreibungen Jesu mit denen der Rabbinen als anstößig empfunden habe. 10 Syx, Jesus and the Unclean Spirit 172f., zufolge überging Mk das Logion Mt 12,28par, weil er die Gottesherrschaft nicht den Pharisäern zugesprochen wissen wollte. Warum hat Mk dann nicht einfach έφ' ΰμας weggelassen? 11 Gegen Gnilka, Mk-Ev I 145 ("zersagte Einzeltradition"); Luz, M t - E v II 256f.: Lk ll,14.19.(20)par sei älter als Mk 3,22-27. 12 Vgl. Fuchs, Beelzebulkontroverse 67, der allerdings wiederum mit deutero-mk Redaktion rechnet. 13 Daß dieses Gleichnis nicht in Q stand, sondern erst von Mt wie Lk unter Einfluß von Mk 3,27 mit der Q-Beelzebulperikope verbunden wurde (Lührmann, Redaktion 33; Schulz, Q 203, Anm.200; Schüling, Studien 109f.), ist unplausibel. Während sich von Mk her eine Anfügung des Gleichnisses an Mt 12,26/Lk 11,18a nahegelegt hätte, bieten Mt und Lk es unter Q-Einfluß zwischen Mt 12,28/Lk 11,20 und Mt 12,30/Lk 11,23 (Laufen, Doppelüberlieferungen 130f.). Ohnehin läßt sich Lk ll,21f. nicht als lk Bearbeitung von Mk 3,27 erklären, sondern bietet Sondertradition (Manson, Sayings of Jesus 84).

Die Logienüberlieferung

177

geschichte nahe 1 4 . Bei der generalisierenden Schlußsentenz Mt 12,30/Lk 11,23 handelt es sich um einen isoliert überlieferungsfähigen (vgl. Mk 9,40) Q-Zuwachs.

In der frühesten Überlieferung war folglich von der Heilung einer dauerhaft stummen oder aufgrund epileptischer Anfälle vorübergehend sprechunfähigen (Hippocr, Morb Sacr VII,10; X,6) Person durch Vertreibung des Krankheitsgeistes die Rede (Lk 11,14). Dies zog den Vorwurf nach sich, Jesus bewirke έν Βεελζεβούλ τω αρχοντι των» δαιμονίων Dämonenaustreibungen, was durch die Replik Mk 3,23b und deren Explikation durch die Bildworte vom in sich geteilten Reich und Haus (Mk 3,24f./Mt 12,25par) in Abrede gestellt wird. Von diesem ältesten Traditionskern ist nicht nur das selbständige Gleichnis Mk 3,27parr, sondern auch der in Q hinzugetretene Passus Mt 12,27f./Lk ll,19f. getrennt zu betrachten. Dieses Doppellogion setzt im argumentativen Duktus ebenfalls den Vorwurf des Satansbündnisses voraus. Dies könnte zu der Annahme verleiten, hier spiegele sich eine zu Mk 3,22parr analoge Situation im Leben Jesu, in der ebenfalls eine Dämonenaustreibung den Vorwurf des Teufelspaktes evozierte und Jesus sich mit Mt 12,27f./Lk ll,19f. verteidigte. In Q sei dann aufgrund der identischen Ausgangssituation eine Verschmelzung dieser Tradition mit der Beelzebulkontroverse vollzogen worden 15 . Wahrscheinlich wurde aber Mt 12,27par sekundär formuliert, um die Integration des eigenständigen Jesuslogions Mt 12,28par in die Beelzebulkontroverse zu ermöglichen 16 .

b) Interpretation von Mk 3,22-26parr Zunächst ist dem eigentlichen Streitgespräch mit der Anschuldigung, Jesus treibe mit Hilfe des Beelzebul Dämonen aus, nachzugehen. Der Beelzebul gilt hier als ein mit dem Satan identischer (vgl. Mk 3,23) Dämonenfürst. Vorausgesetzt ist dabei die traditionelle jüdische Vorstel-

14 Bultmann, Syn Tradition 11; Pesch, Mk-Ev I 215; Laufen, Doppelüberlieferungen 133.137f.; Klauck, Allegorie 127 ("ad vocem οικία angefügt"); Nielsen, Heilung 31f.; W. Weiß, Neue Lehre 164-166. 15 Schulz, Q 205: "Obwohl später hinzugefügt, setzen auch diese Logien (sc. Lk 11,18-20) denselben Vorwurf voraus!". 16 Käsemann, Lk 11,14-28 243; Lührmann, Redaktion 33f.; Merklein, Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 158; Laufen, Doppelüberlieferungen 148; Hultgren, Adversaries 105. Ähnlich Kümmel, Verheißung 98f.; Perrin, Jesus 64f.; die ebenfalls keinen ursprünglichen Zusammenhang zwischen Mt 12,27/Lk 11,19 und Mt 12,28/Lk 11,20 annehmen.

178

Dämonenaustreibungen Jesu

lung eines Dämonenreiches, über das der Satan oder eine Gestalt als Oberhaupt der bösen Geister regiert.

ähnliche

Nächstliegende Parallelen sind Jub 10,8 (Mastema als Fürst der Geister) und griechJub 17,16 (Μαστιφάμ ό άρχων των δαιμονίων)17. Βεελζεβούλ ist außerchristlich nicht belegt 18 und etymologisch umstritten. Ausgangspunkt dürfte die in Texten aus Ugarit titular für Baal gebrauchte Wurzel zbl ("Fürst") sein 19 , die als Kakophemie m n t ("Herr der Fliegen" 2 Kön 1, 2ff.) und !?r13''T 'PI?? ("Herr des Mistes") nach sich zog. Alternativ kommt eine Rückführung auf S m t b y 3 ("Baal der Wohnung") in Betracht (vgl. Mt 10,25), wobei am ehesten an den himmlischen Aufenthaltsort des Teufels oder der Dämonen gedacht wäre 2 0 . Da in der ältesten Tradition Mk 3,22parr Beelzebul als Dämonenfürst begegnet, ist es völlig abwegig, hier von einer Jesusbezeichnung auszugehen, die sekundär zur dämonischen Größe geworden sei 21 . Mit έν Mk 3,22parr im Sinne von 3 ist an Beelzebul als eigentlichen Urheber des Handelns Jesu gedacht. Es wird vorausgesetzt, daß der Wundertäter grundsätzlich instrumental im Dienst einer höheren Macht steht, sei es Gott oder sei es der Satan. Dämonenaustreibungen Jesu sind dabei als unbestrittene Tatsache vorausgesetzt. Die Kontroverse kreist ausschließlich um die Frage, mit wessen Kraft sie geschehen. Was sich konkret hinter dem Vorwurf der Dämonenaustreibungen έν Βεελζεβούλ verbirgt, bleibt unklar. Im Horizont von äth Hen 7,1; 8,3; 9,7v.l. (ähnlich PsPhilo, Lib Ant 34, 2-4), wo die gefallenen Engel mit Semyaza als ihrem Oberhaupt (äth Hen 9,7) die Menschen in Beschwörungspraktiken oder Zauberei unterweisen, steht am ehesten die Vorstellung im Hintergrund, daß Jesus seine dämonenbannen17 Denis, Fragmenta Pseudepigraphorum 94. Vgl. ferner äth Hen 6,3.7 (Semyaza als Oberster der gefallenen Engel, griech Hen άρχων αύτων); 1 QM XIV,9f. (Belial und seine Geister). 18 Vgl. Foerster, ThWNT I 605f., wobei aber für die Belege in Test Sal (vgl. McCown, Testament of Solomon, Index 130*) hinsichtlich der Abhängigkeit vom NT Unsicherheiten bleiben. Gegenüber der v.l. Βεεζεβούλ wird Βεελζεβούλ wegen des ungewöhnlichen λζ lectio difficilior sein (Gaston, Beelzebul 247; gegen Foerster, ThWNT I 605), während die Vulgata-Lesart Beelzebub von 2 Kön 1,2 beeinflußt ist. 19 Vgl. MacLaurin, Beelzeboul 157-159; Lührmann, Mk-Ev 75. 20 Limbeck, Beelzebul 38f. mit Anm.39. - Foerster, ThWNT I 605, Anm.4, denkt alternativ an das Einwohnen im Besessenen. Abwegig Gaston, Beelzebul 253-255 ("Lord of the Temple"), der einen von den Pharisäern mißverstandenen Anspruch Jesu auf den Jerusalemer Tempel (Mk 14,58; 15,29f.) postuliert. 21 Gegen Limbeck, Beelzebul 31ff., der Mt 10,25 als jüngsten ntl Beleg für Beelzebul viel zu hoch bewertet. Mt 10,25b (εί τον οίκοδεσπότην Βεελζεβούλ έπεκάλεσαν ... ) diff. Lk 6,40 ist vermutlich redaktionell, setzt jedenfalls ein bereits christologisches Verständnis von οικοδεσπότης (vgl. Mt 12,27.37; Lk 13,25) und wohl auch Kenntnis von Mk 3,22 δτι Βεελζεβούλ εχει voraus.

Die Logienüberlieferung

179

den Fähigkeiten und Kenntnisse dem Beherrscher der bösen Geister verdankt. Mk scheint mit der Einfügung von δτι Βεελζεβούλ εχει 3,22, das sachlich οτι έξέστη 3,21 und οτι πνεύμα άκάθαρτον εχει 3,30 entspricht, vom Vorwurf dämonischer Besessenheit Jesu auszugehen, wie er auch Joh 7,20; 8,48-52 und 10,20 erhoben wird. Daß Jesus der Manie bezichtigt wurde, dürfte historisch sein, da dies auch für den Täufer der Fall war (Mt ll,18par), und wird auf pneumatisch-ekstatische Erregung Jesu bei seinen Wundertaten zurückgehen 2 2 . Weitergehend kann Mk 3,22parr den Vorwurf implizieren, daß Jesus im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen Beelzebul anrief, wie es von Origenes als magische Praktik der Antike bezeugt wird (Orig, Horn in Num 13,5: magi sunt qui invocant Beelzebul) 2 3 . Die Pilatusakten präzisieren den Beelzebulvorwurf in Richtung auf Goetie (γόης εστίν, και έν Βεελζεβούλ κτλ.), wie sie auch Empedokles (Diog Laert VIII,59), Apollonius von Tyana (Dio Cassius LXXVII18,4), Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 6) und den Zeichenpropheten nachgesagt wurde, und weisen mit τοΰτο ούκ εστίν έν πνεύματι άκαθάρτω έκβάλλειν τά δαιμόνια die Auffassung zurück, Jesus habe sich bei seinen Dämonenaustreibungen eines in seine Abhängigkeit gebrachten Geistes (vgl. PGM 1,1-42; IV,1928ff.3024f.) als Paredros bedient (Act Pilati 1,1). Der Paredrosvorwurf, der vielfach hinter Mk 3,22parr vermutet wird 2 4 , ist als Diskreditierung auch gegen Sokrates (Philostr, Vit Apoll 1,2), Simon Magus (Just, Apol 126,2; PsClem, Horn β 26,1) und Markus (Iren, Haer 113,3) bezeugt. Speziell schamanistische Krankenheilungen unter Inanspruchnahme von Hilfsgeistern sind aber für Jesus unwahrscheinlich, weil er die dafür konstitutive Seelenwanderungslehre offenkundig nicht vertreten h a t 2 5 .

Exkurs:

Jesus

als Magier

oder

Goet im Talmud und bei

Celsus

Außerhalb d e s NT ist sowohl im Talmud als auch im ΑΛΗΘΗΣ ΛΟΓΟΣ des Celsus stereotyp davon die Rede, daß Jesus Zauberei oder Goetie betrieb (bSanh 43a; 107b; Orig, Cels 1,6.71; 11,32) und sich zum Erwerb magischen W i s s e n s in Ägypten aufhielt (Orig, Cels 1,28.38.46.68; bSanh 107b). Der g e g e n Jesus erhobene Vorwurf der Magie und Volksverführung ist auch Justin bekannt (Apol 130,1; Dial 69,7; 108,2). Μ. Smith führt d i e s e antike Jesuspolemik auf ein von ihm vermutetes jüdisch-palästinensisches "Gegenevangelium" mit einem über das Zeug-

22 Windisch, Jesus und der Geist 225-236, vermutet plausibel eine Unterdrückung pneumatisch- ekstatischer Züge Jesu im Traditionsprozeß (vgl. die mt-lk Auslassung von Mk 3,21.30). 23 Vgl. Samain, L' accusation de magie 467f. 24 Kraeling, Necromancy 154-157; Böcher, Christus Exorcista 161f.; M. Smith, Jesus the Magician 98ff. 25 ψυχή bezeichnet in der syn Tradition in Ubereinstimmung mit K/S? gewöhnlich das Leben oder die ganzheitliche Person. Lediglich Mt 10,28par setzt überhaupt einen griechischen Leib-Seele-Dualismus, freilich keine Seelenwanderung voraus.

180

Dämonenaustreibungen Jesu

nis der kanonischen Ew hinausgehenden historischen Wert zurück 2 6 . Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Ben Stada-Traditionen in Tosefta und Talmud zu. TSanh 10,11/jSanh 7,16 (25c-d)/jJeb 16,6 (15d) zufolge wurde Ben Stada (Sutra, Satra), der offenkundig in der Zeit nach 70n.Chr. wirkte, vom Sanhedrin in Lydda zur Steinigung verurteilt, weil er Götzendienst betrieben hatte. In einer weiteren, TSchab 11,15; jSchab 12,4 (13d)/bSchab 104b greifbaren Tradition ist davon die Rede, daß Ben Stada geisteskrank ( H U I ü ) war und gegen die Sabbatruhe verstieß, indem er seinen Körper mit magischen Zeichen (bSchab 104b: aus Ägypten) beschriftete. M. Smith behauptet, nur die erstgenannte Tradition TSanh 10,llparr beziehe sich auf den historischen Ben Stada, während TSchab ll,15parr von vornherein auf Jesus gemünzt sei, und beruft sich dabei auf die textkritisch und vom Alter her umstrittene Identifikation von Ben Stada und Ben Pandera (alias Jesus) in bSanh 67a/bSchab 104b 27 . Auch wenn die dortige Verschmelzung beider Gestalten für den ursprünglichen Text gesichert sein sollte, handelt es sich um eine spätere Kombination der Ben Stada-Tradition TSchab ll,15parr mit der talmudischen Jesusüberlieferung bSanh 43a, derzufolge Jesus am Vorabend des Passa wegen Zauberei aufgehängt wurde 2 8 . Entsprechend ist bSanh 67a nunmehr von Gehängtwerden als Todesart Ben Stadas die Rede. In TSchab ll,15parr sind nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür gegeben, daß hier in Blick auf Manie und magische Tätowierung an eine andere Person als den wegen Verführung zum Götzendienst durch Steinigung hingerichteten historischen Ben Stada von TSanh 10,llparr gedacht wäre. Dies gilt umso mehr, als das Ägyptenmotiv, das im Horizont von Mt 2,13-15 die Hauptlast für eine Ben Stada-Jesus-Identifikation trägt, in TSchab 11,15 als wohl ältester Tradition fehlt und erst im Talmud zugewachsen ist. Die bSanh 67a/bSchab 104b vollzogene Identifikation Jesu mit dem des Wahnsinns und des Imports von (ägyptischer) Magie bezichtigten Ben Stada dürfte maßgeblich dadurch mitbedingt sein, daß Jesus in den Ew Manie (Mk 3,21.30; Joh 7,20; 8,48-52; 10,20) wie Magie (Mk

26 M. Smith, Jesus the Magician 45-67. 27 Ebda. 4 7 f . l 7 8 , ähnlich bereits Bauer, Leben Jesu 462. Vgl. dagegen Klausner, Jesus von Nazareth 2 0 - 2 3 ; Goldstein, Jesus in the Jewish Tradition 5 7 - 6 0 , und - extrem kritisch gegenüber einer Ben Stada-Jesus-Identifikation Maier, Jesus von Nazareth 203-218. 28 Die Jesustradition bSanh 43a (vgl. dazu Maier, Jesus von Nazareth 219-237) scheint mit der Datierung des Todestages auf den 14. Nisan Kenntnis der joh Chronologie vorauszusetzen und führt mit dem Vorwurf der Zauberei sachlich nicht über die Beelzebulbezichtigung Mk 3,22parr hinaus.

Die Logienüberlieferung

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3,22parr) vorgeworfen wird, beide Personen mit Sabbatverletzung in Verbindung gebracht werden und bei Celsus die aus jüdischer Quelle gespeiste, auch in bSanh 107b eingeflossene Behauptung einer magischen Ausbildung Jesu in Ägypten begegnet (Orig, Cels I,28.38.46.68) 29 . Der Erwerb magischer Kenntnisse in fernen Ländern ist ein grundsätzlich mit historischer Skepsis zu betrachtender, fester Topos in der Lebensbeschreibung herausragender antiker Gestalten. Von Pythagoras, Empedokles, Demokrit, Plato, Thessalos von Tralles oder Apollonius wurde ebenso wie von Simon Magus behauptet, daß sie sich zur Aneignung wunderbaren Geheimwissens in Ägypten, Babylonien oder Indien aufhielten 30 . Im Falle von Jesus wurde die magische Schulung in Ägypten offenkundig aus dem hochgradig redaktionellen ägyptischen Kindheitsaufenthalt Mt 2,13-15 herausgelesen, auf den sich Celsus bzw. sein jüdischer Gewährsmann ausdrücklich berief (Orig, Cels 1,38.61.66)31. Weder der Vorwurf der Zauberei oder Goetie noch der Topos einer magischen Ausbildung in Ägypten führt traditionsgeschichtlich oder historisch hinter die in den Ew greifbare jüdische Jesuspolemik zurück, sondern stellt einen wirkungsgeschichtlichen Reflex des dort grundsätzlich gegebenen Bildes von Jesus als Wundertäter und konkreter Einzeltraditionen wie Mt 2,13-15; Mk 3,22parr oder Joh 7,20 dar. *

*

*

Jesus betrachtet in Mk 3,22-26parr die Anschuldigung, seine Dämonenaustreibungen im Dienste des Dämonenoberhauptes Beelzebul zu 29 Mit der Einführung eines fiktiven Juden (Orig, Cels 1,28.71; 11,31) gibt Celsus zu erkennen, daß diese Jesuspolemik jüdischer Herkunft ist. Vgl. zum Ganzen Bauer, Leben Jesu 452ff.; Fridrichsen, Probleme du miracle 59-64; Andresen, Logos und Nomos 46ff.; Gallagher, Divine Man 48ff.; Remus, Conflict over Miracle 104ff., Maier, Jesus von Nazareth 251-258, zur Rekonstruktion der Celsus-Schrift Bader, ΑΛΗΘΗΣ ΛΟΓΟΣ, passim. 30 Plin, Hist Nat 30,9; Philostr, Vit Apoll 1,2; Diog Laert VIII,3; Iambl, Vit Pyth IV,18f.; Thessalos I Prooem; Diod Sic I 69,4; PsClem, Horn β 22,3. 31 Offenkundig hatte die Quelle des Celsus Mt 2,13-15 dahingehend korrigiert oder ausgestaltet, daß Jesus erst im Jugendalter als Tagelöhner nach Ägypten ging und dort Magie erlernte. Von Mt 2,13-15 unabhängige historische Tradition liegt dabei kaum vor (gegen Luz, Mt-Ev I 128 mit Anm.20, der in Orig, Cels 1,38, den Ägyptenaufenthalt Jesu als Tagelöhner für glaubwürdig hält). Unwahrscheinlich ist die Annahme, Mt habe einen Ägyptenaufenthalt in die Kindheit Jesu zurückdatiert, um Jesus vom dortigen Erlernen magischer Künste freizusprechen (M. Smith, Jesus the Magician 48). Wie man einen Ägyptenaufenthalt des Wundertäters entschärft und positiv einfärbt, zeigt Philostr, Vit Apoll 1,2; Iambl, Vit Pyth 11,12; IV,18f.

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Dämonenaustreibungen Jesu

vollbringen, mit der Replik πως δύναται σατανας σαταναυ έκβάλλειν und der dies illustrierenden Bildworte vom in sich gespaltenen Reich und Haus als widersinnig. Da der Satan nicht gegen sein eigenes Reich vorgehen würde, handelt es sich bei der hinter Jesu Wirken stehenden höheren Macht nicht um das Oberhaupt der Dämonen, sondern um Gott 3 2 . Die Formulierung σαταναν έκβάλλειν spielt auf solche Traditionen an, denenzufolge Gott den Teufel durch "Hinauswerfen" entmachtet (Apk Mos 39; Test Jud 25,3; vgl. Joh 12,31; Apk 12,9f.), und steht damit in engem sachlichen Bezug zu dem Logion vom Satanssturz Lk 10,18. Sämtliche Züge des Streitgespräches wurzeln in zeitgenössischer jüdischer Tradition und sind grundsätzlich glaubwürdig33, zumal jegliche weitergehende christologische Explikation fehlt. Zudem spricht auch der Sachverhalt, daß im Gegensatz zur Mehrzahl der als Gemeindebildung geltenden syn Streitgespräche hier kein Verhalten der Jünger, sondern ein Aspekt des Wirkens Jesu zur Diskussion steht, für Historizität.

c) Interpretation von Lk ll,20par Ähnlich hohe Glaubwürdigkeit wie Mk 3,22-26parr kommt dem Logion Lk 11,20/Mt 12,28 zu, das "den höchsten Grad der Echtheit" beanspruchen kann, "den wir für ein Jesuswort anzunehmen in der Lage sind" 3 4 . Neben einer nur impliziten Christologie in Lk ll,20par rechtfertigt auch der singuläre Bezug zwischen Dämonenaustreibungen und präsentischer Gottesherrschaft dieses Urteil 35 . Steht somit der direkte innere Zusammenhang zwischen dem Weichen der Dämonen und der Verwirklichung des Heils außer Zweifel, so bleibt doch aufgrund differierender Interpretationen von εφθασεν um32 Treffend Jülicher, Gleichnisreden II 225: "Jesus hat offenbar seine Verteidigungsrede von der Voraussetzung aus gehalten, dass man nur durch Gott oder göttliche Kräfte Teufel austreiben kann." 33 Gegen Käsemann, Lk 11,14-28 243; Limbeck, Beelzebul 37f. mit Anm.20. 34 Bultmann, Syn Tradition 174; vgl. Perrin, Jesus 64-69; Böcher, Christus Exorcista 19; Gräßer, Gottesherrschaft 7-15; Merklein, Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 159; Nielsen, Heilung 32-40. - Sanders, Jesus and Judaism 133-156, spielt die Bedeutung von Mt 12,28par herunter, um sein Konzept von einer futurischen Eschatologie Jesu aufrechterhalten zu können. 35 Lorenzmeier, Logion 293, nivelliert dieses Proprium Jesu, indem er keinen qualitativen Unterschied zu anderen jüdischen Dämonenaustreibungen sieht, und bezweifelt daher die Echtheit von Lk ll,20par. Dabei wird aber Lk ll,19par nicht als sekundäre Vorschaltung von ll,20par erkannt und die Gegenwart der Gottesherrschaft fälschlicherweise auch für die jüdischen Dämonenaustreibungen von Lk ll,19par reklamiert.

Die Logienüberlieferung

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stritten, w e l c h e r Grad der Nähe hier für die Gottesherrschaft vorausges e t z t ist. D i e s e s Problem wird nicht zuletzt dadurch virulent, daß n e b e n dem φθάνειν von Lk ll,20par in der Q-Aussendungsrede Lk 10,9/Mt 10,7 (vgl. n o c h Mk 1 , 1 5 3 6 ) von einem έγγίζειν der Gottesherrschaft die Rede ist, und zwar ebenfalls im Zusammenhang mit Wundertaten.

Exkurs:

έγγίζειν,

φ&άνειν und das Problem

der "Realized

Eschatology"

Seit J. Weiß die Auffassung vertrat, z w i s c h e n ε φθάσε υ έφ' ύμας ή βασιλεία τοΰ θεοΰ und ηγγικεν ή βασιλεία τοΰ θεοΰ b e s t e h e kein sachlicher Unterschied, ist eine kaum überschaubare Diskussion um die Beziehung z w i s c h e n Mk 1,15; Lk 10,9par einerseits, Lk ll,20par andererseits im Gange. Kontrovers beurteilt wird dabei, ob die Aussagen vom έγγίζειν und vom φθάνειν der Gottesherrschaft synonym zu f a s s e n sind. Selbst wo dies bejaht wird, bleibt weitergehend umstritten, ob έγγίζειν/φθάνειν dann "nahekommen, vor der Tür stehen" oder "ankommen, da sein" meint. J. Weiß hielt ηγγικεν Mk 1,15; Lk 10,9par und εφθασεν Lk ll,20par für übersetzungsbedingte Varianten des aramäischen ΚΠΟ und interpretierte beides eher futurisch: "die βασιλεία ist in Eure unmittelbare Nähe gekommen, sie berührt Euch schon." 3 7 Diese Sicht der Dinge suchte W. Clark weitergehend zu fundieren, indem er φθάνειν mit dem Ergebnis untersuchte, das Verb beschreibe "arrival upon the threshold of fulfillment and accessible experience, not the intrance into that experience"; folglich seien die Synonyma έγγίζειν und φθάνειν mit "to draw near, even to the very point of contact" zu ü b e r s e t z e n 3 8 . C.H. Dodd hingegen faßte beide Aussagen präsentisch im Sinne von "the Kingdom of God has come" 3 9 . Während J. Becker in grundsätzlicher Ubereinstimmung damit eher den präsentischen Charakter von η γ γ ι κ ε ν / εφθασεν έφ' ύμας ή βασιλεία τοΰ θεοΰ b e t o n t 4 0 , bemüht sich R.F. Berkey um 36 Mk l,14f. wurde, wie alle Summarien des Mk-Ev, unter Verwendung von Traditionsmaterial redaktionell formuliert (Egger, Frohbotschaft 43-67). In Mk 1,15 stammt πεπλήρωται ö καιρός aus einer Gal 4,4 nahestehenden Tradition, während ηγγικεν ή βασιλεία τοΰ θεοΰ Mk durch die Aussendungstradition überkommen sein wird (vgl. Mt 10,7/Lk 10,9). Mk hat die Wendung in 6,6b-13 offenbar gestrichen, um sie in 1,15 programmatisch als entscheidenden Verkündigungsinhalt Jesu vorzustellen (vgl. Lührmann, Mk-Ev 41.109.112). 37 J. Weiß, Predigt Jesu 70f.220f. 38 Clark, Realized Eschatology 379.382, vgl. Campbell, Kingdom of God 91-94. 39 Dodd, Parables 44f.; ders., Kingdom of God 138: " ... I take εφθασεν at its face value and try to make ηγγικεν conform." 40 Becker, Heil Gottes 201: Bei ηγγικεν handele es sich um bewußt gewähltes Perfekt. Es bringe das Eingetroffensein im Sinne eines sich ereignenden Prozesses zum Ausdruck, und sowohl Mk 1,15 als auch Lk 11,20 seien mit "Jetzt vollzieht sich das Herrwerden Gottes" zu übersetzen.

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Dämonenaustreibungen Jesu

einen Ausgleich präsentischer und futurischer Aspekte. In beiden Fällen sei sowohl "realized" als auch "unrealized eschatology" impliziert, eine akzeptable Beschreibung hierfür böten die Begriffe "inaugurated eschatology" oder "eschatology in the process of being realized" 4 1 . Zu anderen Ergebnissen kommt man dort, wo eine Synonymität der Aussagen vom έγγίζειν und vom φθάνειν der Gottesherrschaft verneint wird. So lehnt W . G . Kümmel eine Harmonisierung von Lk ll,20par mit Mk 1,15; Lk 10,9par entschieden ab. Lk ll,20par sei bewußt εφθασεν im Sinne einer in Jesu Wirken bereits begonnenen Gottesherrschaft verwendet, und dies dürfe nicht an die Verkündigung von deren Nähe Mk 1,15; Lk 10,9par angeglichen w e r d e n 4 2 . Ähnlich wendet sich H . - W . Kuhn gegen die Annahme, έγγίζειν und φθάνειν seien Ubersetzungsvarianten von ΚΠΟ. Im Gegensatz zu Kümmel, der das Nebeneinander präsentischer und futurischer Aussagen als entscheidendes Charakteristikum der Eschatologie Jesu betrachtet, löst Kuhn die Spannung durch eine Zuweisung an unterschiedliche Traditionsschichten. Während έ'φθασεν έφ' ύμας ή βασιλεία τοΰ θεοΰ auf Jesus selbst zurückgehe, könne das dem urgemeindlichen Denken gemäßere ηγγικεν ή βασιλεία τοΰ θεοΰ Gemeindebildung s e i n 4 3 . Für sich betrachtet, ist εφθασεν έφ' ύμας ή βασιλεία του θεοΰ Lk ll,20par präsentisch zu fassen, da φθάνειν (ursprünglich "zuvorkommen, voraussein") im späteren Griechisch und dem davon beeinflußten LXXund NT-Sprachgebrauch die Bedeutung "hingelangen, ankommen" h a t 4 4 . Erst der Sachverhalt, daß mit ηγγικεν ή βασιλεία του θεοΰ Lk 10,9par eine fast gleichlautende und ebenfalls in Wunderkontext s t e h e n d e , an und für sich aber f u t u r i s c h e 4 5 Aussage Jesu begegnet, reizt zu einem Ausgleich beider Traditionen und damit zu einer Relativierung d e s präsentischen Charakters vom φθάνειν der Gottesherrschaft oder der futurischen B e z ü g e von deren έγγίζειν. Überschneidungen ergeben sich insofern, als in LXX beide Verben der Übersetzung von d i e n e n 4 6 . Eine zumindest bedingte Synonymität erhellt auch aus Dan 4,9.19, w o ΚΓ10 in LXX mit έγγίζειν, bei Theodot dagegen mit φθάνειν w i e d e r g e g e b e n wird. Zudem meint έγγίζειν vereinzelt nicht nur ein "nahe sein", sondern

41 Berkey, ΕΓΓΙΖΕΙΝ 186f. Vgl. auch Jüngel, Paulus und Jesus 185-188. 42 Kümmel, Verheißung 99-101; ähnlich Strecker, Weg der Gerechtigkeit 168f.; Nielsen, Heilung 41-43. 43 Kuhn, Enderwartung 191f. 44 Fitzer, ThWNT IX 92f.; Bauer-Aland, Wörterbuch 1708. 45 έγγίζειν hat grundsätzlich die Bedeutung "sich nähern, nahekommen", ohne daß dies bereits die Ankunft einschlösse (vgl. Campbell, Kingdom of God 91f.; Clark, Realized Eschatology 367-371). 46 Vgl. zu φθάνειν für ÜJtf Ri 20,34; 2 Chron 28,9; 2 Esr 3,1; Koh 8,14; 12,1; Cant 2,12; Dan 8,7θ'; 12,12θ'; zu έγγίζειν für Μ ] Ps 31,6LXX; 87,4LXX; 106.18LXX; Jona 3,6; Jer 28,9LXX.

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bereits ein "da sein" 4 7 , ohne daß solche Ausnahmen allerdings die Beweislast flir ein grundsätzlich präsentisches Verständnis zu tragen vermögen. Entsprechend der jeweiligen Grundbedeutung dürfte ηγγικεν ή βασιλεία τοΰ θεοϋ mit futurischem Akzent, εφθασευ εφ' ύμας ή βασιλεία τοΰ θεοΰ hingegen uneingeschränkt präsentisch aufzufassen sein. Beide Aussagen sind grundsätzlich auf Jesus zurückflihrbar, da eine Spannung zwischen präsentischen und futurischen Bezügen in der eschatologischen Verkündigung durch weitere authentische Jesustraditionen bestätigt wird 4 8 . *

*

*

Auf das Logion Lk ll,20par bezogen, hat εφθασευ εφ' ΰμας ή βασιλεία τοΰ θεοΰ präsentische Bedeutung, indem das in Jesu Wirken manifeste Weichen der Dämonen bereits gegenwärtig den Einbruch der Gottesherrschaft anzeigt. Neben diesen religionsgeschichtlich analogielosen präsentischen Heilsbezügen ist Lk ll,20par eine direkte Urheberschaft Gottes bei Jesu Wundertätigkeit entnehmbar, wie sie bereits auch Mk 3,23 implizit zum Ausdruck kam. Die Dämonenaustreibungen Jesu geschehen έυ δακτύλψ θεοΰ, womit er sich dem Selbstverständnis nach instrumental als Mittler oder Werkzeug Gottes sieht 4 9 . Die dabei implizierte göttliche Urheberschaft 50 schließt gezielte Dämonenaustreibungspraktiken Jesu, über die das Logion weder positiv noch negativ Auskunft gibt, keineswegs aus. Auch die Magier hinter PGM IV,1227-1264 und V,96-171 betrachten die von ihnen vollzogenen Dämonenaustreibungen als gottgewirkt (IV,1237-1239; V,119) oder verstehen sich sogar als Bote der Gottheit Osiris (εγώ είμι άγγελος τοΰ Φαπρω Όοοροννωφρις V,113f.). Neben dem direkten Bezug auf Ex 8,15 ruft έν δακτύλω θεοΰ auch die Erinnerung

47 Vgl. Jona 3,6 και ηγγικεν ό λόγος προς τον βαοιλέα: Die Botschaft des Jona ist nicht nur nahe, sondern hat den König von Ninive erreicht, denn sonst würde er nicht Buße tun. Auch Lk 21,28 könnte έγγίζειν bereits ein Eingetroffensein der Erlösung bei der Parusie des Menschensohns meinen. 48 Lk 17,21 zufolge ist die Gottesherrschaft έντός υμών, Mk 9,1 steht sie έν δυνάμει noch aus, und Lk 6,10par wird um ihr Kommen gebeten. Es handelt sich bei der Gottesherrschaft um ein dynamisches Geschehen, das unwiderruflich in Gang gesetzt und damit grundsätzlich bereits eingetroffen ist (Lk ll,20par), in seiner universalen Durchsetzung oder Vollerfüllung aber noch aussteht, wie auch die syn Wachstums- und Kontrastgleichnisse zeigen. Vgl. Perrin, Kingdom of God 185-201; Becker, Heil Gottes 199-209. 49 Treffend Manson, Sayings of Jesus 86: "Jesus Himself is the medium through which the power of the Kingdom becomes operative." 50 Vgl. Hahn, Hoheitstitel 298f.; Schulz, Q 208f.

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Dämonenaustreibungen Jesu

an Gottes machtvolle Hand (Ex 9,3: Dtn 2,15; Ps 107,27) und seinen starken Arm (Jes 40,10; 51,5; 52,10) wach. Unmittelbarste Parallele zu Lk 11,20 ist 1 Q M I,14f., wo von der endzeitlichen Unterwerfung Belials und seiner Engel durch die "große Hand Gottes" die Rede ist 5 1 . Im antiken Judentum wurden Krankheitsdämonen nicht nur im Namen Gottes (11 Q Ps Ap a 1,1; IV,4), sondern auch bei seiner machtvollen rechten Hand (Naveh/Shaked A 4,31f.; vgl. SHR VI,35f.) beschworen. Auf Exorzismen Jesu beim Finger Gottes erlaubt Lk 11,20 allerdings keine gesicherten Rückschlüsse.

Für das Verhältnis von Wundertat und Wort geht aus Lk ll,20par eine Vorordnung der Dämonenaustreibungen gegenüber der Basileia-Verkündigung hervor, indem das Weichen der Dämonen den Verkündigungsinhalt als direkte Folgeerscheinung (αρα) bedingt (ei) und dieser somit als Reflex oder Kommentar dessen erscheint, was sich in der vorausliegenden Wundertat ereignet hat. Umgekehrt vertieft das Wort das Tatgeschehen interpretativ als präsentischen Anbruch der Gottesherrschaft und erschließt auf diese Weise den qualitativen Unterschied von Jesu Wunderwirksamkeit gegenüber vergleichbaren Phänomenen seiner Zeit 5 2 . Eine Dämonenaustreibung impliziert im antiken Judentum noch keine Gegenwart eschatologischen Heils (vgl. 11 Q Ps Ap a ; Joseph, Ant VIII,45-49). Von daher öffnet in Lk ll,20par das Wort den Blick auf die Besonderheit der Tat Jesu, ohne daß dies zu einer grundsätzlichen Überordnung der Verkündigung und zu einer Degradierung der Dämonenaustreibungen als deren Beglaubigungszeichen berechtigte 5 3 . Das im Wunderwirken Jesu manifeste Weichen des Bösen ist Prämisse für die präsentische Gottesherrschaftsverkündigung und ruft diese hervor. Letztlich geht die Beelzebulperikope Mk 3,22-26parr auf ein historisch glaubwürdiges Streitgespräch zurück, in dem eine durch Dämonenvertreibung bewirkte Stummenheilung den Vorwurf des Beelzebulbündnisses evoziert und Jesus dies durch impliziten Hinweis auf die göttliche Urheberschaft seiner Wunderwirksamkeit zurückweist. In Q wurde mit Mt 12,28/Lk 11,20 ein authentisches Logion integriert, demzufolge Jesus sich bei seinen Dämonenaustreibungen, über deren Zustandekommen hier nichts näheres verlautet, als Werkzeug Gottes verstand und interpretativ aus dem Weichen der Krankheitsgeister den Anbruch der Gottesherrschaft ableitete. Dem selbständigen Gleichnis Mk 3,27par wird im Zusammenhang mit dem Logion vom Satanssturz Lk 10,18 näher nachzugehen sein. 51 Vgl. zur Rekonstruktion des beschädigten Textes Lohse, Texte 182. 52 Perrin, Jesus 67. 53 So aber von Delling, Botschaft und Wunder 392f. (vgl. auch Gnilka, MtEv I 458), unter Berufung auf Mt ll,4f.par. für Mt 12,28par vorausgesetzt.

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1.1.2. Warnung vor Herodes (Lk 13,31-33) Ergänzend zur Beelzebulperikope deutet die zum lk Reisebericht g e hörige Sonderguttradition Lk 13,31-33 auf Dämonenaustreibungen und zudem auch auf Krankenheilungen Jesu hin. Entgegen der Annahme, Lk habe die gesamte S z e n e unter Verwendung unterschiedlichen Materials fiktiv g e s t a l t e t 5 4 , dürfte eher ein vorgegebenes TraditionsstUck (13,31f.) sprachlich redigiert und um 13,33 erweitert worden sein. "Εν αύτη τη ωρα (Lk 13,31) kommt im NT nur bei Lk vor (Lk 2,38; 10,21; 12,12; 20,19; 24,33; Apg 16,18; 22,13), und auch die Kombination von έξέρχεσθαι und πορεύεσθοα ist abgesehen von Mt 24,1 ausschließlich im lk Doppelwerk belegt 5 5 . Weitere Lukanismen sind in 13,31f. nicht auszumachen 5 6 . G e gen rein lk Verfasserschaft von 13,31f. spricht zudem 13,31c mit der Tötungsabsicht des Herodes, denn in dem wohl redaktionellen Sondergutstück Lk 23,8-12 ist Herodes demgegenüber Jesus zunächst wohlgesonnen. Lk 13,33 dürfte angesichts der lk Vorliebe für πλην (Mk lmal; Mt 5mal; Lk 15mal; Apg 4mal) als redaktionelles Interpretament von 13,32 und zugleich als Überleitung zu 13,34f. von Lk angeschlossen worden sein 5 7 . Eine weitergehende Dekomposition von Lk 13,31f. scheitert daran, daß nicht begreiflich wäre, wie aus dem Logion Lk 13,32b die S z e n e 13,31.32a entwickelt worden sein k ö n n t e 5 8 . In der lk Endgestalt der Perikope meint και τη τρίτη τελειουμαι. 13,32b im Horizont von 13,33, daß Jesus auf göttlichen Ratschluß hin (δει, vgl. Mk 8,31; Joh 3,14) in Jerusalem das gewaltsame Geschick der Propheten erleiden muß und daher die im Widerspruch zu Gottes Heilsplan s t e h e n d e n Tötungsabsichten d e s Herodes in Galiläa (13,31) zum Scheitern verurteilt sind. Für Lk 54 Denaux, L'hypocrisie 258-285: Lk 13,31-33 sei unter Verwendung von Traditionsmaterial (u.a. aus Mk 6,6b-29) von Lk als Einleitung für 13,34f. geschaffen worden. Ähnlich Rese, Erwägungen, bes. 224f. 55 Jeremias, Sprache 234, in Anlehnung an Denaux, L' hypocrisie 260. 56 Jeremias, Sprache 234, hält das im NT nur bei Lk belegte Γασις (Lk 13,32; Apg 4,22.30) in 13,32 für redaktionell, doch bleibt dies unsicher (vgl. Steck, Israel 41, Anm.3). Denaux, L' hypocrisie 261, will das Verhalten der Pharisäer und die Machtlosigkeit des Herodes Lk zuschreiben, Fuller, Wunder Jesu 92, spricht gar von Lk 13,32 als "programmatischer Erklärung" des Lk. 57 Steck, Israel 43f.; Schneider, Lk-Ev II 310; Schnackenburg, Lk 13,31-33 237f.; ähnlich Jeremias, Drei-Tage-Worte 222f., der allerdings Lk 13,33 für ein echtes Jesuswort hält (225); vgl. ferner Bultmann, Syn Tradition 35. Blinzler, Reisebericht 42-46, vermutet dagegen unter Streichung von σήμερον και αυριον Lk 13,33 einen originären Zusammenhang von 13,31-33 (ähnlich bereits Wellhausen, Lk-Ev 75f.). Für Einheitlichkeit von Lk 13,31-33 plädieren dagegen Grimm, Eschatologischer Saul 129ff.; Hoehner, Herod Antipas 215 (vgl. auch Conzelmann, Mitte der Zeit 60). 58 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 35.

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13,31f. als vorlk Tradition ist dagegen unklar, ob και iff τρίτΐ] τελειοΰμαι 13,32b im medialen Sinne von "ich komme zum Abschluß" als logische Fortführung von αποτελώ σήμερον και αίίριον Jesu aktives Vollenden seiner Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen meint oder eher als Passivum Divinum aufzufassen ist. Christologisch qualifiziertes, passives τελειοϋσθαι begegnet im NT nur im Hebr (5,9; 7,28), und zwar für die himmlische Vollendung Jesu nach seinem Kreuzestod. Mediales τελειοϋσθαι ist zumindest in der Profangräzität belegt 5 9 . Folglich kommen zwei Übersetzungsvarianten für τελειοΰμαι in Betracht. Diese Verbform kann medial mit "ans Ziel kommen, vollenden" wiedergegeben werden und Lk 13,32 den Sinn haben, daß Jesus sich von den Tötungsabsichten des Herodes nicht beeindrukken läßt, sondern mit seiner Wundertätigkeit bis zu deren Abschluß fortfährt. Alternativ besteht die Möglichkeit, τελειοΰμαι als Passivum Divinum aufzufassen. Lk 13,32 brächte in diesem Falle die Überzeugung zum Ausdruck, daß nicht Herodes, sondern allein Gott nach einer unbestimmten Fortdauer der Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen dem Wirken Jesu ein Ende setzen wird 6 0 . Nicht allein die Aporie, einen plausiblen nachösterlichen "Sitz im Leben" für Lk 13,31f. in seiner ältesten Gestalt zu ermitteln 6 1 , deutet auf ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit hin. Daß Herodes Antipas, der den Täufer hinrichten ließ (Mk 6,14-29; Joseph, Ant XVIII,116-119), auch gegenüber Jesus Tötungsabsichten hegte, erscheint historisch als plausib e l 6 2 . Das Lk 13,31 entnehmbare, in der Evangelientradition singulare Bild der Pharisäer als einer Jesus wohlgesonnenen Gruppierung spricht gegen eine sekundäre Formulierung des S t o f f e s 6 3 . Zudem ist durch ιδού έκβάλλω δαιμόνια eine Kohärenz zu Lk ll,20par gegeben, ohne daß die ergänzende Erwähnung von Krankenheilungen oder das Schweigen hin59 Iambl, Vit Pyth XXIX,158 (και την Χογικήν έτελειώσατο); Iambi, Protr 20 ( μ α θ ε ΐ ν και γ ν ό ν τ α τελεώσασθαι). 60 Im Horizont von Lk ll,20par, wo Jesu Dämonenaustreibungen έν δακτυλω θεοΰ den Anbruch der Gottesherrschaft markieren, kann man erwägen, ob bei τελειοΰμαι an die Beendigung der Wirksamkeit Jesu durch den universalen Durchbruch oder die Vollendung der Gottesherrschaft gedacht ist. 61 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 35: Es liege keine ideale Szene, sondern ein singuläres, im eigentlichen Sinne biographisches Stück vor. 62 Vgl. Tyson, Jesus and Herod 245f.; Gnilka, Jesus 272. 63 Tyson, Jesus and Herod 245; Hoehner, Herod Antipas 214 mit Anm.4. Das relativ positive Pharisäerbild im lk Doppelwerk (vgl. Stemberger, Pharisäer 30-35) rechtfertigt hier kaum die Annahme eines redaktionellen Motivs (gegen Rese, Überlegungen 212, vgl. 210 mit Anm. 48). Heuchlerische Absichten der Pharisäer (Wettstein, NT-Graecum I 748 simulant autem se Christo bene velle) liegen bei der Warnung von Lk 13,31 nicht vor.

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sichtlich der Urheberschaft Gottes in Lk 13,32 eine unüberbrückbare Diastase zwischen beiden Traditionen darstellte. Sofern Lk 13,32 tatsächlich ein authentisches Jesuswort vorliegt, hat Jesus den Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen einen derart hohen Stellenwert beigemessen, daß er mit den Worten έκβάλλω δαιμόνια και ιάσεις αποτελώ geradezu seine gesamte galiläische Wirksamkeit zusammenfassend umschreiben konnte 6 4 , ohne einen expliziten Hinweis auf die dortige Verkündigungs- und Lehrtätigkeit zu geben.

1.1.3. Die Entmachtung des Satans (Mk 3,27parr; Lk 10,18) Die in der Beelzebulperikope Mk 3,22-26parr verarbeiteten Traditionen und mit Vorbehalt auch Lk 13,31f. verbürgen Dämonenaustreibungen Jesu mit ideeller Urheberschaft Gottes und gegenwärtiger Heilsverwirklichung. Mk 3,27 und Lk 10,18 gewähren demgegenüber einen weitergehenden Einblick in die Voraussetzungen des Wunderwirkens Jesu und machen verständlich, warum Jesus im Gegensatz zu anderen Wundertätern seiner Zeit aus Dämonenaustreibungen die Gegenwart der Gottesherrschaft ableitete.

a) Das Gleichnis von der Überwindung des Starken (Mk 3,27) Das bereits früh mit der Beelzebulperikope verbundene, ursprünglich aber selbständige Gleichnis von der Überwindung des Starken liegt neben Mk 3,27/Mt ll,29f. in einer deutlich abweichenden Q-Fassung Lk ll,21f. vor 6 5 . Die Ansicht, Lk ll,21f. repräsentiere hier eher die ältere Tradition 66 , läßt sich nicht verifizieren. Die gehäufte militärische Terminologie in Lk ll,21f. (καθωπλιομένος, φυλάσσί], νικήοη, πανοπλίας, σκΰλα) deutet auf eine Allegorisierung des Mk 3,27 besser bewahrten Gleichnisses unter dem Einfluß des Motivs vom himmlischen Krieg gegen den Satan hin 6 7 . Vollständig auf Lk wird 11,22c και τά

64 Vgl. Jeremias, Theologie 96; Hollenbach, Jesus' Exorcisms 125. 65 Zur Q-Zugehörigkeit und ursprünglichen Selbständigkeit des Gleichnisses siehe oben IV.1.1.1. 66 Offenbar von Jülicher, Gleichnisreden II 226-229; Grimm, Jesu Verkündigung 88-93, vorausgesetzt. 67 Als Anschauungshintergrund kommt Test Lev 3,3; Test Dan 5,10f.; 1 QM I,4f.l4f.; XV-XIX; Apk 12,7-12 in Betracht. Gegen eine rein lk Verfasserschaft dieser Ausgestaltung (Klauck, Allegorie 183) sprechen die lk Hapaxlegomena καθωπλισμένος, νικαν und πανοπλία (vgl. Eph 6,11).

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Dämonenaustreibungen Jesu

σκΰλα αυτοΰ διαδίδωσίΛΐ zurückgehen 6 8 . Diese Anspielung auf Jes 53,12LXX (και των ισχυρών μεριεΤ σκΰλα) christologisiert das Gleichnis unter Rückgriff auf Gottesknechtstradition 6 9 . Zudem ist in Lk 11,22 ισχυρότερος titular auf Jesus gemünzt (vgl. Lk 3,16; Apg 13,25). Als ursprünglich selbständiges, erst sekundär zur Beelzebulperikope hinzugetretenes Gleichnis könnte Mk 3,27 sprichwörtliche Erfahrungsweisheit ohne dämonistische B e z ü g e b e i n h a l t e n 7 0 . Demgegenüber drängt eine begriffe- und motivgeschichtliche Analyse zu der Annahme, daß Mk 3,27 originär in den Sachzusammenhang einer Entmachtung des Satans und Bekämpfung der ihm untergebenen Dämonen hineingehört. Die Wendung τον ΐσχυρόν δήση ruft das in jüdischer Tradition für die eschatologische Zeit erwartete Binden des Satans wach (Test Lev 18,12 και ό Βελίαρ δεθήσεται ύπ' αύτοΰ [sc. θ ε ο ΰ 7 1 ] ) , zumal ισχυρός Mk 3,27 titular für den Satan gebraucht zu sein scheint. Zudem ist δεϊν im Wächterbuch des Henoch terminus technicus für das Fesseln von Dämonen. Raphael bindet auf Gottes Befehl hin Azael (griech Hen 10,4 δησον τον Άζαήλ; 13,1), Michael soll Semyaza und seine Gefährten fesseln (10,12). Die οικία τοΰ ϊσχυροΰ Mk 3,27 schließlich ist auf die Vorstellung vom menschlichen Körper als Wohnstätte des Teufels (Test Napht 8,6) hin transparent. Die dämonistische Metaphorik von Mk 3,27 stellt keine e s o t e r i s c h e Geheimlehre dar, die auf nachösterliche Allegorisierung hindeutete, sondern knüpft an geläufige Topoi jüdischer Eschatologie a n 7 2 . Auch w e n n unbekannt ist, in w e l c h e m Zusammenhang Jesus das Gleichnis lehrte, deutet d e s s e n Motivinventar darauf hin, daß der traditionsgeschichtlich sekundäre Kontextbezug zur Beelzebulperikope insoweit den tatsächlichen G e g e b e n h e i t e n entspricht, als e s sich bei Mk 3,27 um e i nen Kommentar Jesu zu s e i n e n Dämonenaustreibungen handelt. Daß in jüdischer Tradition das eschatologische Binden d e s Teufels (Test Lev 18,12) oder d e s s e n Vernichtung im Endgericht (Test Jud 25,3; griech

68 Weitere Lukanismen sind neben φυλάσσειν (6mal im Lk-Ev; 8mal Apg; bei Mk wie Mt je lmal) auch ΰπάρχειν, ειρήνη, έπέρχεσθαι und πείθειν, vgl. Klauck, Allegorie 183, Anm.180 ; Fuchs, Beelzebulkontroverse 96. Enge Bezüge von Lk 11,21b.22c zu den ebenfalls redaktionellen Besitzverzichtsaussagen in Apg 4,34f. weist Legasse, L' "Homme fort" 8f., nach. 69 Jülicher, Gleichnisreden II 228; vgl. auch Grundmann, ThWNT III 403; Grimm, Verkündigung 88-93, der allerdings bei Lk ll,21f. mit einem authentischen Jesuswort rechnet. 70 Lührmann, Mk-Ev 76 ("allgemeine Regel"). Vgl. Jes 49,24; Ps Sal 5,3. 71 Test Lev 18,12 ist ursprünglich nicht der messianische Hohepriester, sondern Gott handelndes Subjekt, vgl. Becker, Untersuchungen 297f.; ders., JSHRZ 111,1 61. 72 Vgl. Klauck, Allegorie 182.357f.

Die Logienüberlieferung

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Apk Esr 4,43) normalerweise Gott vorbehalten bleibt, spricht gegen eine weitverbreitete christologische Interpretation von Mk 3,27. Die Aussageintention liegt nicht in der Enthüllung eines Sendungsbewußtseins Jesu, stärker als der Satan zu sein und diesen besiegt zu haben 7 3 , sondern es handelt sich um ein Gottesgleichnis 74 . Wie man das Haus eines Starken dann berauben kann, wenn man ihn gefesselt hat, dringt Gott in den Machtbereich des Teufels ein, nachdem er diesen gebunden hat, was hier als ein bereits eingetretenes und vermutlich mit dem Satanssturz Lk 10,18 identisches Ereignis vorausgesetzt ist 7 5 . Die eschatologische Fesselung des Dämonenbeherrschers impliziert eine Schwächung der unter seinem Kommando stehenden, ihres Oberhauptes beraubten bösen Geister (Test Lev 18,12). Mit seinen έν δακτύλω του θεου vollzogenen Dämonenaustreibungen versteht sich Jesus offenkundig als Werkzeug Gottes bei dem Unterfangen, nach der definitiven Entmachtung des Teufels gegen die nunmehr herrenlos gewordenen Dämonen als verbliebene Verursacher des Bösen vorzugehen. Die Bindung Satans zieht Dämonenaustreibungen Jesu nach sich.

b) Das Logion vom Satanssturz Lk 10,18 Vom Aussagegehalt her mit Mk 3,27 weitgehend deckungsgleich ist das Sondergutlogion vom Satanssturz Lk 10,18. Dieses ursprünglich eigenständige Jesuswort wurde erst sekundär in den Sachzusammenhang von Dämonenaustreibungen im Namen Jesu (Lk 10,17.19) hineingestellt 76 und ist daher losgelöst von diesem Kontextbezug auf seinen Sinngehalt hin

73 So Dibelius, Formgeschichte 221; Dodd, Parables 95f.; Jeremias, Gleichnisse 123 ("Satana maior Christus!"); Grundmann, ThWNT III 404 ("daß Jesus der ισχυρότερος ist, der den ισχυρός besiegt hat und seine Beute raubt"); Laufen, Doppelüberlieferungen 138; Böcher, EWNT I 508. Die Berührungen zwischen Mk 3,27 und Jes 49,24 sind zu entfernt, als daß sie eine christologische Gottesknechtsdeutung des ursprünglichen Gleichnisses rechtfertigten. 74 Percy, Botschaft 184f.; Käsemann, Lk 11,14-28 245; Klauck, Allegorie 182; Sand, Mt-Ev 262; Schmithals, Lk-Ev 133; Wiefel, Lk-Ev 221; Vollenweider, Satan 197 Anm.48. 75 Gegen Lührmann, Mk-Ev 76 (Mk 3,27 zeige nicht, daß der Satan schon gefesselt ist). - Daß Mk 3,27 auf die Versuchung Jesu rekurrierte (u.a. Jeremias, Gleichnisse 123), davon ist hier "gar nichts wahrzunehmen" (Jülicher, Gleichnisreden II 226). 76 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 170.174; Miyoshi, Reisebericht 99f.; Fitzmyer, Luke II 859. Gegen Vollenweider, Satan 189-191. Ausführliche Analyse von Lk 10,17-20 in Teil V.l.l. dieser Untersuchung.

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Dämonenaustreibungen Jesu

zu befragen. Der Blitzschlag dient dabei nicht einfach nur als Bild für den Sturz des Satans, ohne daß an dessen Anwesenheit im Himmel gedacht wäre 7 7 , sondern das Herabfallen eines Blitzes vom Himmel auf die Erde veranschaulicht einen analogen Sturz des Satans 7 8 . Folglich setzt Lk 10,18 eine dem Fall vorausgehende Anwesenheit des Satans im Himmel voraus, wo er nach traditioneller jüdischer Anschauung als Ankläger der Menschen vor Gott fungiert. Locus classicus für dieses Motiv ist Hiob 1,6-12; 2,1-6, wo der Satan vor Gott Hiobs Bewährung im Leid bezweifelt (vgl. auch Sach 3,1 und Ps 109,6). Breit entfaltet ist die Funktion des Satans oder einer ähnlichen Gestalt als himmlischen Anklägers in der atl-apokryphen Literatur. Jub 1,20 bittet Mose für sein Volk, daß es nicht von Beichor (Belial) vor Gott angeklagt werde. Jub 48,15.18 ist von einer vorübergehenden Fesselung Mastemas die Rede, damit er die Kinder Israels nicht anklage. Äth Hen 40,7 werden mehrere Satane daran gehindert, an Gott heranzutreten und die Menschen anzuklagen. Die Imperfektform έθεώρουυ Lk 10,18 zeigt, daß Jesus eine ihm in der Vergangenheit zuteilgewordene Vision 7 9 wiedergibt. Diese Vision bestand nicht aus der Vorwegschau eines zukünftigen, noch nicht eingetretenen Ereignisses, sondern beinhaltete ein bereits Wirklichkeit gewordenes Geschehen 8 0 . Πεσόντα ist dabei im Sinne eines gottgewirkten Gestürztwerdens des Satans aufzufassen 8 1 . Daß der Sturz des Satans und das damit verbundene grundsätzliche Zerbrechen seiner Macht Lk 10,18 wie in Mk 3,27 als ein schon vollzogener Akt gilt, steht in deutlicher Diskrepanz zu zeitgenössischen jüdischen Anschauungen, denenzufolge sich die definitive Entmachtung des Satans in der Zukunft ereignet und erst die kommende Heilszeit satansfreie Zeit sein wird. 77 Gegen Michaelis, ThWNT VI 163, Anm.ll: πίπτειν könne Lk 10,18 die übertragene Bedeutung gestürzt werden = die Macht verlieren haben, wobei der Vergleich mit dem Blitz dann nur die Raschheit illustriere, mit der dies geschah. - Auch in der Parallele Test Sal 20,16f. fallen dagegen die Dämonen ώς άοτραπαί vom Himmel auf die Erde (dazu: Vollenweider, Satan 192-194; Crump, Scribal-Intercessor 54f.). 78 Müller, Vision 418, Anm.8; vgl. auch J. Weiß, Predigt Jesu 92f. 79 Vgl. zum Visionscharakter von Lk 10,18 J. Weiß, Predigt Jesu 93; Müller, Vision 417ff.; Sato, Q 114-116. Völlig abwegig Hill, Who Saw Satan Fall? 26-40: έθεώρουν sei 3.Pers.Pl., und nicht Jesus, sondern die Dämonen hätten den Satanssturz beobachtet. 80 Kümmel, Verheißung 107; Merklein, Jesu Botschaft 60 mit Anm.8. Gegen Zerwick, Vidi satanam 110-114. 81 Michaelis, ThWNT VI 163, Anm.ll. Gegen Spitta, Satan 161f.: Im Gegensatz zu Joh 12,31; Apk 12,9 könne man Lk 10,18 nicht von einer Verdrängung Satans aus dem Himmel sprechen, sondern das πίπτει,ν εκ τοΰ οΰρανοΰ sei als aktiver Versuch Satans anzusehen, Schaden auf Erden anzurichten.

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Der Topos von Gottes endzeitlicher Vernichtung oder Entmachtung des Satans begegnet im antiken Judentum in unterschiedlicher Ausformung. Test Lev 3,3; Test Dan 5 , 1 0 f . 8 2 und 1 Q Μ X V - X I X erwarten einen eschatologischen Krieg Gottes gegen Beliar/Belial und seine Heerscharen. Ähnlich liegt der Fall 11 Q Melch II,12ff., wo allerdings Melchisedek als eschatologischer Richter über Belial f u n g i e r t 8 3 . Test Jud 25,3 zufolge wird Beliar nach der Auferstehung der Patriarchen (25,lf.) in das Feuer geworfen werden (έμβληθήσεται), und griech Apk Esr 4,43 kündigt Gott sogar eine Einschmelzung der gesamten Erde zur Vernichtung des sich versteckt haltenden "Widersachers" an. Nach Apk Mos 39 (vgl. Vit Ad 47) wird Adam am Ende der Tage auf des Verführers Thron gesetzt, jener aber gestürzt (βληθήσεται) und gerichtet werden (κατακριθήσεται). Mit der endzeitlichen Vernichtung des Satans wird Gottes alleinige H e r r schaft über seine Schöpfung wiederaufgerichtet, und es erfolgt eine Restitution der satansfreien Heilszeit wie einst im Paradies. Besonders anschaulich erhellt dies aus Ass Mos 10,1 (et tunc parebit regnum illius in omni creatura illius et tunc zabulus finem habebit et tristitiaüm] cum eo adducetur). Auch Test Lev 18,10-14 ist die Fesselung Beliars in die Wiederherstellung des Paradieszustandes eingebunden. Test Dan 5,10f. folgen dem Sieg über Beliar ebenso ewiger Friede und ein Verharren der Heiligen im Garten Eden wie Jub 23,29 "und alle ihre Tage werden sie in Frieden und in Freude vollenden und leben. Und es gibt auch keinen Satan, und es gibt auch keinen Bösen, der zugrunde richtet" (vgl. Jub 50,5; Test Sim 6 , 6 ) 8 4 . Syr Bar 73,1-3 zieht die eschatologische Königsherrschaft das Ende von Krankheit und vorzeitigem Tod nach sich.

Hebt sich Lk 10,18 von zeitgenössischen jüdischen Vorstellungen durch die bereits vollzogene Entmachtung des Satans durch Gott ab, so besteht der entscheidende Unterschied zu vergleichbaren ntl Aussagen im Fehlen christologischer Bezüge 8 5 . Joh 12,31 und Apk 12,9-12 ist dagegen die Entfernung des Satans aus dem Himmel eng mit Jesu Tod und Erhöhung verknüpft und damit trotz nach wie vor gegebener Wirksamkeit Gottes ein maßgeblich christologisch qualifiziertes Geschehen. Joh 12,31 νΰυ ό άρχων του κόσμου τούτου έκβληθήσεται εξω erfolgt das Gericht am Satan in der Todesstunde Jesu (νΰν, vgl. Joh 12,27.33). Auch der zum Sturz des Satans und seiner Engel auf die Erde führende himmlische Krieg Apk 12,7-12 ist christologisch eingefärbt, da Apk 12,5 auf die Geburt

82 Bei Test Dan 5,10b-13 handelt es sich wohl um ein ehemals selbständiges Traditionsstück, das an Gott als Kriegsherrn gegen Beliar denkt, vgl. Becker, Untersuchungen 352-354; ders., JSHRZ 111,1 95f. 83 Vgl. von der Osten-Sacken, Gott und Belial 207f.; Reiser, Gerichtspredigt Jesu 68f. Zur Textrekonstruktion von 11 Q Melch: Puech, Notes 485ff. 84 Vgl. die satanslose eschatologische Neuschöpfung kopt Apk Elias 5,38. 85 Müller, Vision 419; Nielsen, Heilung 48.

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Dämonenaustreibungen Jesu

und Entrückung Jesu a n s p i e l t 8 6 und der Sieg über den Teufel Apk 12,11 mit christologischen Sühnetodvorstellungen verknüpft wird.

Es handelt sich bei Lk 10,18 um ein authentisches, von nachösterlicher Traditionsbildung unbeeinflußtes und mit seinen präsentischen Heilsbezügen zugleich in deutlicher Spannung zu zeitgenössischer jüdischer Eschatologie stehendes Logion. Jesus betrachtete die Gegenwart dahingehend als Heilszeit, daß die Macht des Satans von Gott bereits gebrochen wurde und als Folge Gottes Herrschaft über seine Schöpfung fortschreitend wiederaufgerichtet wird, wie dies zeitgenössischen jüdischen Anschauungen vom (allerdings zukünftigen) Satanssturz entspricht. Dabei ist offenkundig nach der Entfernung des Satans aus dem Himmel noch ein vorübergehendes Weiterwirken der ihm untergebenen Dämonen auf der Erde vorausgesetzt. Wird damit die βασιλεία τοΰ θεοΰ nach Jesu Verständnis noch nicht έν δυνάμει (Mk 9,1) realisiert, so zeigt doch umgekehrt der Satanssturz aus dem Himmel, daß Gott die Herrschaft über seine Schöpfung unwiderruflich durchzusetzen beginnt. Folglich macht es in bezug auf die Mk 3,22parr; Lk ll,20par; 13,32 bezeugten Dämonenaustreibungen Jesu Sinn, dort im Horizont von Lk 10,18 von "Nachhutgefechten" eines bereits entschiedenen Kampfes Gottes gegen den Satan zu sprechen 8 7 . Es geht Jesus als "Handlanger" Gottes darum, die Dämonen als verbliebene Repräsentanten des grundsätzlich besiegten Bösen zu eliminieren. Wann und wo Jesus den Satanssturz Lk 10,18 beobachtete, kann nicht mehr ermittelt werden, da der jetzige Kontextbezug sekundär ist. Trotz aller Hypothetik spricht vieles dafür, daß es sich bei der Schau des Satanssturzes um das entscheidende Ereignis handelt, das die Loslösung von Johannes dem Täufer hervorrief, der keine Wunder vollbrachte (Joh 10,41). Lk 10,18 hätte dann als eine Art Βerufungsvision den Beginn der eigenständigen Wirksamkeit Jesu mit Dämonenaustreibungen und darauf bezogener Basileia-Verkündigung markiert 88 . Die Eschatologie Jesu mit ihren präsentischen Zügen und einer eindeutigen Heilsprävalenz, durch die Gerichtsvorstellungen an den Rand gedrängt werden oder sogar als 86 Im Horizont von Apk 19,15 ist 12,5 auf Jesus gemünzt (Holtz, Christologie 98-101; Kraft, Offb 166; gegen Roloff, Offb 128). 87 Becker, Heil Gottes 210; Klauck, Allegorie 182; ähnlich Müller, Vision 421; Nielsen, Heilung 50f. Gegen Merklein, Jesu Botschaft 64. 88 Vgl. Müller, Vision 4 2 7 - 4 2 9 . Ähnlich Merklein, Jesu Botschaft 62: Die Vision Lk 10,18 könne Jesus nach seiner Taufe in der Wüste zuteilgeworden sein. Vielleicht darf man in diesem Zusammenhang religionsphänomenologisch an die Geistervisionen erinnern, die den Auftakt im Wirken von Schamanen markieren (Eliade, Shamanism 8 5 - 8 8 ) .

Die Logienüberlieferung

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bedeutungslos erscheinen 8 9 , dürfte jedenfalls historisch der maßgebliche Grund für Jesu Trennung von Johannes dem Täufer gewesen s e i n 9 0 .

1.1.4. Wunderinstruktionen an die Jünger (Mk 6,6b-13parr) Jesus hat der Überlieferung zufolge nicht allein persönlich Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen vollbracht, sondern in seiner Aussendungsrede auch Jünger zu derartigen Taten bevollmächtigt (Mk 6, 6b-13parr). Quellenmäßig handelt es sich zweifelsfrei um eine Doppelüberlieferung. Lk 9,1-6 orientiert sich dabei an Mk 6,6b-13, während Lk 10,1-12 auf Q beruht. Mt hat die Aussendungstradition der Logienquelle mit Mk 6,6b-13 verschmolzen (9,37f.; 10,5-16). Ein Vergleich von Q mit Mk 6,6b-13 verdeutlicht, daß die vier Elemente a) Vorschrift über die Ausrüstung, b) Anweisung für das Verhalten in einem Haus, c) Bevollmächtigung zu Wunder und Verkündigung sowie d) Regelung des Verhaltens bei Ablehnung den ältesten Kern der Aussendungstradition ausmachen 9 1 . Daß Q quantitativ deutlich über Mk 6,6b-13 hinausgeht, wird vereinzelt - etwa im Falle des Gerichtswortes Lk 10,12par - aus späterem Wachstum resultieren, überwiegend aber auf einem exzerptartigen Charakter von Mk 6,6b-13 beruhen, wobei einzelne Instruktionen der Q-Tradition für die (vor)mk Missionssituation offenbar nicht mehr aktuell w a r e n 9 2 . In den Wunderinstruktionen Mk 6,6b.7 und deren Durchführung 6,12f.(30) ist Mk gegenüber Q sekundär. Die Exposition Mk 6,6b.7 einschließlich einer 89 Vgl. Becker, Johannes der Täufer 88-104, ferner Reiser, Gerichtspredigt Jesu 303-307, der freilich den Stellenwert der Gerichtsthematik in der Verkündigung Jesu zu hoch veranschlagen dürfte. 90 Jesus teilte zunächst die Täuferverkündigung vom unmittelbar bevorstehenden Endgericht, da er sich andernfalls nicht der Johannestaufe unterzogen hätte. Umso dringlicher stellt sich dann die Frage, warum Jesus die G e richtsbotschaft des Täufers nicht in das Zentrum seiner Verkündigung rückte und die damit eng verbundene Taufe des Johannes überhaupt nicht oder allenfalls kurze Zeit (Joh 3,22.26; 4,1) fortführte. Eine plausible Erklärung dafür bietet die Entwicklung einer eigenständigen, von präsentischen Heilsbezügen dominierten Eschatologie. Vgl. auch H. Stegemann, Essener 316-330. 91 Gegen Uro, Sheep among the Wolves 98-116, der allein Lk 10,4ab.5-7ab als Kern betrachtet und die Instruktionen von Lk 10,8-llpar ohne überzeugende Begründung für einen Zuwachs hält. 92 Vgl. hier zum Verhältnis von Mk und Q Hahn, Mission 34f.; Laufen, Doppelüberlieferungen 246-260; Nielsen, Heilung 82-85; Schüling, Studien 17-55. Gegen Schürmann, Vorgeschichte 137-149, zählt das samariakritische Logion Mt 10,5b.6 nicht zur ursprünglichen Aussendungsrede, sondern ist wohl in Q M t zugewachsen. Abwegig Fuchs, Aussendungsrede 80ff., der in Lk 10,l-12par in hohem Maße mit dt-mk Redaktion statt mit Q-Stoff rechnet und die Abweichungen gegenüber Mk 6,6b-13 von vornherein für sekundär hält.

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Sendung der Zwölf geht auf Mk zurück. Mk 6,6b enthält das typisch mk Motiv vom lehrenden Jesus (u.a. Mk l,21f.; 2,13; 8,31). Mk 6,7 mit der uns interessierenden Notiz έδίδου αϋτοΤς έξουσίαν των πνευμάτων των ακαθάρτων ist eine Reproduktion von Mk 3,14f. 9 3 . Freilich basieren sowohl Mk 3,15 als auch Mk 6,7 auf einer älteren, auch in Q fest mit der Jüngeraussendung v e r bundenen Bevollmächtigung zu Dämonenaustreibungen (Mt 10,8). Mk 6,12f. konstatiert den Vollzug der Aussendung in Form von Umkehrruf, Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen mittels Öl, wobei das Wirken der Jünger an die Verkündigungs- und Heilungstätigkeit Jesu in dem mk Summarium 1,39 angeglichen wird. Als Verkündigungsinhalt war auch Mk ηγγικεν ή βασιλεία τοΰ θεοΰ überkommen, was er redaktionell in Mk 1,15 einfließen ließ, um es als entscheidenden Aspekt des Evangeliums dem Beginn der öffentlichen Wirksamkeit Jesu programmatisch voranzustellen (vgl. IV.l.l.c). Die älteste Gestalt der Jüngerbevollmächtigung zu Heilung und Verkündigung ist folglich aus Mt 10,7f./Lk 10,9 zu ermitteln. Mt 10,7f. wird die Verkündigung der Gottesherrschaft den Wundern vor- und damit sachlich überordnet, wobei e s sich um jeweils eigenständige, nicht unmittelbar korrellierende Größen handelt. Lk 10,9 ist dagegen eine Abfolge von Heilungen und darauf b e z o g e n e r Wortverkündigung entnehmbar, indem zunächst eine Beauftragung zu Krankenheilungen ergeht und dann den Geheilten die Nähe der Gottesherrschaft z u g e s p r o c h e n werden soll (λέγετε αύτοΐς s c . τοις άσθενέσιν Lk 1 0 , 9 ) 9 4 . Ob εφ' ύμας dabei dem Q-Wortlaut entspricht oder sich lk Assimilation von Lk 10,9 an das Logion Lk ll,20par verdankt, kann nicht mit Gewißheit e n t s c h i e den werden. Der lk Abfolge von Heilung und Ansage der Gottesherrschaft kommt trotz eines bei Lk mehrfach redaktionellen Tat-WortS c h e m a s höchstwahrscheinlich Ursprünglichkeit zu, da Mt seinerseits

93 Zu Mk 3,14f. ίνα άποστέλλη αυτούς κηρυσσειν και εχειν έξουοίαν έκβάλλει,ν τα δαιμόνια vgl. Reploh, Markus 46: "Offensichtlich ist 3,14f. im Blick auf 6,6b-13 formuliert, und umgekehrt greift 6,6b-13 auf die Formulierung von 3,14f. zurück." Erst Mk ordnet also die Wundertaten der Verkündigung unter. 94 Diese Abfolge läßt sich weder stillschweigend umkehren (Schulz, Gottesherrschaft 59: "Nach der Aussendungsrede [Lk 10,2ff.] sollen die von Jesus ausgesandten Jünger und apokalyptischen Erntearbeiter in Israel ausrufen: 'Die Gottesherrschaft ist nahe herbeigekommen' und die Kranken heilen"; Laufen, Doppelüberlieferungen 258) noch dadurch beseitigen, daß man die Aufnahme der Gesandten (Lk 10,8) als Folge vorheriger Verkündigung ausgibt (Roloff, Kerygma 186f.: "Heilungen und Exorzismen erfolgen also erst da, wo die Botschaft grundsätzlich angenommen ist ... Die Grundsatzentscheidung der Städte fällt gegenüber der Botschaft von der Gottesherrschaft, während die Wunder nur nachfolgende Zeichen ihrer heilvollen Gegenwart sind"). Die Ansage der nahen Gottesherrschaft ist Lk 10,9 Folgeerscheinung der Heilungen, von vorheriger Verkündigung verlautet nichts.

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stereotyp die Lehre oder Verkündigung den Taten vorordnet 9 5 und hier in 10,7f. die Rangordnung beider Größen zudem an die redaktionelle Notiz Mt 9,35 anpaßt 96 , indem die Jünger genau dazu beauftragt werden, was auch Jesus tat. Was den Umfang der aufgetragenen Wundervollmacht angeht, so ist bei Lk eine Beschränkung auf Krankenheilungen (και θεραπεύετε τους ασθενείς) gegeben, während bei Mt ergänzend auch Totenerweckungen, Aussätzigenheilungen und Dämonenaustreibungen erwähnt werden. Unverkennbar hat Mt dabei die Jüngerbevollmächtigung Mt 10,8 an den Wunderkatalog Mt ll,5par angeglichen und unter Einfluß des dortigen λεπροί καθαρίζονται ... και νεκροί εγείρονται die Q-Aussendungsinstruktion um den Befehl zu Aussätzigenheilungen und Totenerweckungen bereichert. Lediglich mit der Erwähnung von Dämonenaustreibungen, die in dem Wunderkatalog Mt 11,5 keine Rolle spielen und folglich auch nicht von dort her in Mt 10,8 eingeflossen sein können, dürfte Mt dem QWortlaut näher stehen. Lk tilgt mehrfach Hinweise auf Dämonenaustreibungen der Jünger 97 , und im Horizont des authentischen Jesuslogions Lk ll,20par ist im ältesten Kern der Aussendungsrede neben der Verkündigungsbevollmächtigung von vornherein eine Beauftragung zur Vertreibung von Krankheitsgeistern zu erwarten, zumal auch Mk 6,7.12 eine Ursprünglichkeit des δαιμόνια έκβάλλετε Mt 10,8 nahelegt 98 . Die älteste Fassung der Wunder- und Verkündigungsinstruktion Jesu lautete somit δαιμόνια έκβάλλετε, άσθενουντας θεραπεύετε και λέγετε (κηρύσσετε) αΰτοΐς· ηγγικεν (εφ' ΰμας) ή βασιλεία του θεοΰ. Entgegen der Auffassung, bei den syn Aussendungsanordnungen handele es sich um Gemeinderegeln, die nachösterliche Gegebenheiten 95 Vgl. Hoffmann, Instruktionsrede 39, Anm.9; ders., Studien 275; Schulz, Q 406, Anm.22; Laufen, Doppelüberlieferungen 221; Polag, Christologie 69; Nielsen, Heilung 80; anders Miyoshi, Reisebericht 65-67. - Mk 6,30 και άπήγγειλαν αύτω πάντα δσα εποίησαν και δσα έδίδαξαν deutet darauf hin, daß auch in der Mk zugänglichen Fassung der Aussendungstradition die Wundertaten dem Wort vorgeordnet waren, da für Mk selber diese Reihenfolge untypisch ist (3,14f.; 6,12f.). 96 Vgl. auch Mt 10,14, wo Mt unter Einfluß von Mk 6,11 (μηδέ άκούσωσιν) in die - Lk 10,10 wortgetreu wiedergegebene - Q-Vorlage μηδέ άκούση τους λ ό γ ο υ ς ΰμων einfügt. Nach mt Sehweise ist das missionarische Wirken der Jünger in erster Linie durch das Wort gekennzeichnet. 97 Lk 6,12-16 diff. Mk 3,14b.l5; Lk 9,2.6 diff. Mk 6,12f.; vgl. ferner das wohl redaktionelle wunderkritische Logion Lk 10,20. 98 Hahn, Mission 35. Gegen Hoffmann, Studien 275: Erst Mt habe unter Einfluß der Rahmenbemerkung Mt 10,1 die Dämonenaustreibungen eingebracht, um Jesu und der Jünger Handeln zu parallelisieren; ähnlich Laufen, Doppelüberlieferungen 223; Nielsen, Heilung 80.

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Dämonenaustreibungen Jesu

spiegelten und in Analogie zu Mt 28,19f. oder Lk 24,47ff. ursprünglich überhaupt nicht im Erdenleben Jesu angesiedelt gewesen s e i e n " , besteht kein Anlaß, an einer Historizität des ältesten Überlieferungskerns von Mk 6,6b-13parr zu zweifeln. Während die nachösterlichen Jüngerbeauftragungen Mt 28,19f.; Lk 24,47-49 und Joh 20,22f. in hohem Maße christologische Traditionsbildung voraussetzen und von ekklesiologischsoteriologischen Interessen wie Taufe, Sündenvergebung und universaler Heidenmission geprägt sind, enthält die Aussendungstradition Mk 6, 6b-13parr mit der Bevollmächtigung zu Wundertaten und Verkündigung nichts, was nicht auch in anderen Zusammenhängen für Jesus verbürgt wäre. "Alles bleibt hier dem Lebenskreis des vorösterlichen Jesus verhaftet, und es fehlt jede Anspielung auf christologische Verkündigungsinhalte, wie sie in der nachösterlichen Missionspraxis zentral waren." 100 Daß Jesus einzelne Personen in die Nachfolge berufen hat, kann angesichts im Kern glaubwürdiger Traditionen wie Mk 1,16-20 oder Mt 8,18-22 nicht bezweifelt werden 101 . Dieser Ruf in die Nachfolge stand aller Wahrscheinlichkeit nach in engem sachlichen Zusammenhang mit der Beauftragung dazu, was nach Zeugnis der syn Tradition das Zentrum des Wirkens Jesu markierte, nämlich Wundertaten und Verkündigung der Gottesherrschaft 1 0 2 . Wie in Lk ll,20par besteht dabei eine enge wechselseitige Beziehung zwischen Wundertat und Verkündigung, indem weder ein Primat des Wortes gegenüber der Tat noch ein unverbundenes Nebeneinander beider Größen gegeben ist, sondern die Zusage der nahegekommenen βασιλεία του θεού wiederum als Reflex oder Konsequenz der zuvor geschehenen Dämonenaustreibungen und Heilungen erscheint. In den auf Jesu Anordnung hin gewirkten Wundertaten mani99 Bultmann, Syn Tradition 156; ähnlich Wellhausen, Mk-Ev 46; Haenchen, Weg Jesu 223.229ff.; Schmithals, Mk-Ev I 307f.; ders., Markusschluß 402f. (Mk 6,7.12f. sei in einer Grundschrift des Mk-Ev eine Ostertradition gewesen und nunmehr unter Einarbeitung von Logientradition [6,8-11] in das Erdenleben Jesu zurückprojiziert). Schulz, Q 409ff., rechnet die Aussendungstradition erst der hellenistisch-judenchristlichen Traditionsschicht von Q zu. 100 Roloff, Apostolat 151. ιοί Hengel, Nachfolge und Charisma, passim; Bammel, Jesu Nachfolger 27-30 u.ö.; Gnilka, Jesus 166ff. 102 Vgl. zur Historizität der Jüngeraussendung, sei es als demonstrativer singulärer Akt oder als wiederholtes Ereignis, Manson, Sayings 73f. (dessen Urteil "one of the best attested facts in the life of Jesus" freilich auf fraglichen Quellenhypothesen gründet); Lohmeyer, Mk-Ev 115; Hahn, Mission 36; Roloff, Apostolat 150f.; Hengel, Nachfolge und Charisma 82-89; Schürmann, Lk-Ev I 505; Hoffmann, Studien 262; Pesch, Mk-Ev I 330f.; Gnilka, Mk-Ev I 241; Laufen, Doppelüberlieferungen 260-278, speziell zur Wundertopik 266-268; Nielsen, Heilung 85-88; Luz, Mt-Ev II 89.

Die Logienüberlieferung

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festiert sich eine Vergegenwärtigung des Heils, die im nachhinein verbatim als Nähe der Gottesherrschaft bestimmt wird. Hinsichtlich der Diskrepanz zwischen der bei aller Naherwartung doch futurisch akzentuierten Aussage vom έγγίζειν der Basileia gegenüber deren φθάνειν in Lk ll,20par zeigte sich bereits, daß eine Spannung zwischen uneingeschränkt präsentischen und die Vollerfüllung als noch ausstehend betrachtenden Zügen für die eschatologische Verkündigung Jesu mit ihrem Verständnis der Gottesherrschaft als dynamischem Prozeß typisch war. Übereinstimmung herrscht aber insoweit, als in beiden Fällen die Heilszusage in dem Weichen der Dämonen gründet. Insgesamt zeigt die Aussendungstradition, die nachösterlich bei den Q-Boten und anderen Wandercharismatikern als normative Missionsagende galt (vgl. V.l.), daß Jesus über sein eigenes Wirken hinaus auch "Jünger" in die Wundertätigkeit und die darauf bezogene Verkündigung miteinbezog. Vom religionsphänomenologischen Typus her handelt es sich damit bei Jesus um einen jener antiken Wundertäter wie Pythagoras, Empedokles oder Apollonius, die durch eine Weitergabe ihres Wissens um Dämonenvertreibung und Krankheitsbekämpfung gezielt Anhänger instruierten und eine Art Schule in Gang setzten 1 0 3 .

1.1.5. Die "Exorzismusregel" Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 Vermutlich gehört Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 in den Sachzusammenhang solcher Dämonenaustreibungsinstruktionen Jesu, wie sie von der Aussendungsrede verbürgt werden. Diese Warnregel vor Rückfall in dämonische Besessenheit begegnet bei Lk der Q-Stoffolge gemäß im unmittelbaren Anschluß an die Beelzebulperikope (Lk ll,14-23) 1 0 4 . Mt piaziert die Tradition dagegen hinter die Zeichenforderung Mt 1 2 , 3 8 - 4 2 / Lk 11,29-32. Hieraus resultiert die inhaltlich einzig relevante Abweichung gegenüber Lk 11,24-26, nämlich die kontextbedingte (vgl. Mt 12,39 γενεά πονηρά; 12,42 της γενεάς ταύτης) mt Anfügung von 12,45c οίίτως εαται και τ§ γενεά ταύτη τη πονηρή . Damit wird 12,43-45ab zu einer Gleichniserzäh103 Pythagoras hat für seine Schüler exorzistische Musiktherapien zusammengestellt (Iambl, Vit Pyth X V , 6 4 ) , Empedokles seine Befähigung zu Krankenheilungen, Totenerweckungen und Naturwundern auf Pausanias übertragen (Emped, Fragm 101), Apollonius von Tyana den Lehrer des Alexander von Abonuteichos magisch-pharmakologisch ausgebildet (Luc, Alex 5). Vgl. auch Choni, der seine Befähigung auf dem Gebiet der Wettermagie offenbar an seine Enkel weitergegeben hat (bTaan 23a-b). 104 Vgl. Laufen, Doppelüberlieferungen 140; Gnilka, M t - E v I 463. 105 Jülicher, Gleichnisreden II 237; Schulz, Q 477; Böcher, Dämonische Mächte 5; Laufen, Doppelüberlieferungen 140; Gnilka, M t - E v I 464. Gegen

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Dämonenaustreibungen Jesu

lung umgestaltet, die allegorisch das Geschick Israels deutet. In Analogie zu einem neuerlich Besessenen, der Schlimmeres erleidet als vor der Dämonenaustreibung, stellt sich angesichts der Verschmähung des in Jesus gekommenen Heils die Lage Israels aussichtsloser dar, als dies vor dem Auftreten Jesu der Fall war.

Dieser allein aus 12,45c resultierende allegorische Sinngehalt von Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 läßt sich nicht ftir die Q-Fassung des Stoffes reklamieren 106 , denn diese enthält ursprünglich "nichts gleichnishaftes, sondern will eine fundamentale Frage der Dämonologie beantworten." 107 Dabei geht es nicht darum, die jüdischen Dämonenaustreibungen von Mt 12,27/Lk 11,19 dahingehend abzuqualifizieren, daß sie nur vordergründig oder vorübergehend helfen und letztlich zu einem schlechteren Zustand des Kranken als zuvor führen 1 0 8 . Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 rechnet grundsätzlich mit der Möglichkeit eines Rückfalls in Besessenheit, ohne dies als eine unabänderliche, allgemeine Erfahrungstatsache verstanden wissen zu wollen 1 0 9 . Die Formulierung και έλθόν ευρίσκει Mt 12,44/Lk 11,25 hat konditionalen Sinn 110 , womit die Rückkehr ausgetriebener Dämonen nicht als der Normalfall betrachtet wird. Es handelt sich in dem Sinne um eine Warnregel für Wundertäter, daß ein "Leerstehen des Hauses" dem Krankheitsgeist die Möglichkeit der Wiederkehr bietet, sofern keine präventiven Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Vermutlich liegt die Vorstellung zugrunde, daß immer irgendwelche Geister im menschlichen Körper Wohnung nehmen (vgl. Herrn, Mand VI,Iff.) und der Einzug eines guten Geistes das neuerliche Eindringen schädigender Dämonen zu verhindern vermag 111 . In jedem Falle verfolgt Mt 12,43-45/Lk 11,24-26 die Absicht, Belehrung über das Wesen von Krankheitsgeistern Bultmann, Syn Tradition 176: Mt 12,45c sei möglicherweise ursprüngliche Gleichnisanwendung. 106 Gegen Käsemann, Lk 11,14-28 246, der offenbar auch Lk 11,24-26 dem Judentum sein Schicksal angekündigt sieht. 107 Jülicher, Gleichnisreden II 239. 108 Gegen Schulz, Q 479 (Es liege eine unüberhörbare, beispielhafte W a r nung vor den gängigen jüdischen Dämonenbannungen vor); Sand, M t - E v 268, ist dem Text nicht die geringste Polemik in diese Richtung entnehmbar. Treffend Jülicher, Gleichnisreden II 238 "und wer denkt Lc 24 noch an die flüchtig 19 berührten pharisäischen Exorcisten?"; Laufen, Doppelüberlieferungen 142f. 109 Gegen Luz, M t - E v II 281: "exorzistische Volksweisheit". 110 Jülicher, Gleichnisreden II 236; Nyberg, Verständnis, bes. 23f.; Jeremias, Gleichnisse 196f. i n Eitrem, Notes 33, unter Verweis auf entsprechende Praktiken assyrischer Dämonenaustreiber. Vgl. auch Manson, Sayings of Jesus 88; Jeremias, Gleichnisse 197.

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Besessenenheilungsberichte

zu geben und zur Vermeidung eines Rückfalls die Notwendigkeit nicht näher bestimmter antidämonischer

Schutzmaßnahmen im Anschluß

die eigentliche Dämonenaustreibung einzuschärfen.

Bei dieser

an

durch-

weg in Vorstellungen jüdischer Dämonologie wurzelnden Tradition dürfte es sich um authentische Jesusüberlieferung handeln 1 1 2 .

1.2. Die synoptischen Besessenenheilungsberichte 1.2.1. Heilung eines B e s e s s e n e n in Kapernaum (Mk 1,21-28) Im Mk-Ev setzt die öffentliche Wirksamkeit Jesu sogleich mit der Heilung einer besessenen, wohl an Epilepsie leidenden (σπαράξαν αύτόυ τό πνεύμα) Person in Kapernaum ein (1,21-28). Mk stellt in l,21f. dem Wunderbericht eine redaktionelle Exposition mit dem Motiv des in b e sonderer Vollmacht stehenden Lehrers Jesus voran 1 . Bei der Lokalisierung in Kapernaum handelt es sich um eine vormk, aber vermutlich zu dem Heilungsbericht 1,29-31 gehörige und erst im nachhinein auch auf die Dämonenaustreibung von 1 , 2 3 - 2 8 bezogene Ortsangabe 2 . Der B e richt selber weist mit διδαχή καινή κατ' έξουοίαν einen redaktionellen Eingriff auf, der in Verbindung mit l,21f. die Absicht verfolgt, Jesu Wunderwirksamkeit inklusionsartig durch Lehraussagen zu rahmen 3 . Das auf einer Linie mit den redaktionellen Schweigegeboten Mk 1,34 und 3,llf. liegende φιμώθητι 1,25 wird ebenso auf Mk zurückgehen 4 wie die Ver-

112 Vgl. Jülicher, Gleichnisreden II 239; Klausner, Jesus von Nazareth 371; Böcher, Dämonische Mächte 9, und Kilgallen, Return of the Unclean Spirit 45-59, der enge Bezüge zur Beelzebulperikope ausmacht. Vgl. zur Siebenzahl der πνεύματα Test Ruben 2f., zur Angst vor einer Wiederkehr von Dämonen Tob 6,8.17; Joseph, Ant XVIII,45.47, zu wasserlosen Stätten als ihrem Aufenthaltsort Tob 8,3, zum menschlichen Körper als Wohnstätte des Teufels oder der Dämonen Test Napht 8,6 (ό διάβολος οϊκειοΰται αΰιτόν). 1 Vgl. Stein, Markan Seam 83-89; Kertelge, Wunder Jesu 50f.; Koch, Wundererzählungen 43f.; Scholtissek, Vollmacht Jesu 119ff. Lediglich είοελθών εις την συναγωγήν wird der ursprünglichen Einleitung von l,23ff. gedient haben. 2 Vgl. Pesch, Mk-Ev I 117; Gnilka, Mk-Ev I 77. - Lührmann, Mk-Ev 49, rechnet dagegen mit der Möglichkeit, daß die Lokalisierung in Kapernaum bereits vormk an 1,23-27 haftete. 3 Anders Theißen, Wundergeschichten 165: καινή διδαχή sei Missionsterminus und der Erzählung in der mündlichen Uberlieferung als Hörerreaktion auf die Wiedergabe des Wunderberichtes in der Missionspraxis zugewachsen. 4 Nicht aufrechterhalten läßt sich die von Bultmann, Syn Tradition 239 mit Anm.3, etablierte, fast uneingeschränkt anerkannte Ansicht, Verstummungsbefehle an Dämonen zählten zum antiken Dämonenaustreibungsritual. Vgl. Kollmann, Schweigegebote 267-273.

202

Dämonenaustreibungen Jesu

breitungsnotiz 1,28 5 , so daß als vormk Tradition ein 1,23-27 (ohne φιμώθητι καί und διδαχή καινή κατ' έξουοίαν) umfassender Dämonenaustreibungsbericht judenchristlicher Herkunft verbleibt. Die Bedrohung des Krankheitsgeistes (έπετίμησεν αύτψ ό "Ιησούς Mk 1,25) zählt zu den typischen dämonenbannenden Praktiken der Antike. Allerdings begegnet hierfür in den hellenistischen Wundertraditionen einschließlich der Zauberpapyri niemals έπιτιμαν 6 , während umgekehrt das in LXX überwiegend mit έπιτιμαν wiedergegebene "ΊΙΠ im antiken Judentum - nicht zuletzt in der formelhaften Wendung Sach 3,2 - typisch für die Bedrohung von krankheitsverursachenden Dämonen oder von dem Satan persönlich ist 7 . Folglich geht έπιτιμαν Mk 1,25 höchstwahrscheinlich auf hebräisches oder aramäisches "1U3 zurück 8 und ist ein Semitismus mit hohem historischen Wert. Dabei liegt es im Bereich des Möglichen, daß Jesus sich der Formel "ΠΙΠ 1 bedrohe dich, Satan" bediente. Dies deckte sich damit, daß einerseits Mk 1,25; 9,25 historisch glaubwürdig die Bedrohung als maßgebliches Machtmittel Jesu gegen die Dämonen begegnet, andererseits dem authentischen Logion Lk ll,20par zufolge Jesus dem Selbstverständnis nach bei seinen Dämonenaustreibungen instrumental für Gott in Erscheinung tritt. Zudem würde eine Verwendung von Sach 3,2 zwanglos erklären, warum die implizite Wirksamkeit Gottes kein Proprium der Dämonenaustreibungen Jesu darstellte, sondern auch für andere jüdische Wundertäter gegeben war (Mt 12,27par). Unmittelbare Parallelen zu dem Ausfahrwort εξελθε έξ αΰτοΰ Mk 1,25 hingegen finden sich in nichtchristlicher Tradition allein in den Zauberpapyri 9 . PGM IV, 1242-1244 heißt es εξελθε δαΐμον, δστις ποτ' ουν εϊ, καί άπόστηθι άπό τοΰ δείνα, αρτι, αρτι, ηδη, ηδη. εξελθε δαΐμον ... . PGM IV,3007ff. ist bei

5 Koch, Wundererzählungen 45f.; Schenke, Wundererzählungen 98f.; Lührmann, Mk-Ev 49. - Kertelge, Wunder Jesu 51; Pesch, Mk-Ev I 125; Gnilka, Mk-Ev I 82, halten dagegen lediglich της Γαλιλαίας Mk 1,28 für redaktionell. 6 Vgl. Luc, Philops 16 (και έπειλων έξελαύνει τον δαίμονα); Philops 31 (Vertreibung des Dämons durch eine "sehr schreckliche Formel"); Philostr, Vit Apoll 111,38 (an den Dämon gerichteter Brief mit massiven Drohungen); Vit Apoll IV,20 (der Dämon wird wie ein heimtückischer Sklave angesprochen), zum Sonderstatus von έπιτιμαν Kee, Exorcism Stories 240ff. - Die von Gundry, Mark 77, behaupteten έπιτιμαν-Belege in PGM sind nicht existent. 7 Vgl. neben Sach 3,2 "ΠΊΓΡ bedrohe ("IV l/έπιτιμαν) dich, Satan" als festgeprägter Formel gegen Dämonen oder den Satan (Judas 9 = Ass Mos; Vit Ad 39; bBer 51a; bQid 81b) noch in 1 Q Μ 14,10; 1 Q Gen Ap XX,28f.; SHR II,181ff.; Naveh/Shaked A 2,8.11; A 9,2.4; A 14,9; G 4,3 (= Schiffman/ Swartz TS Κ 1.68,3). 8 Ein Septuagintismus liegt kaum vor, da έπιτιμαν in LXX nie auf Krankheitsgeister bezogen ist, überhaupt nur an einer einzigen Stelle (Sach 3,2) in einem expressis verbis dämonistischen Kontext begegnet und sonst die Bedrohung des Meeres (Ps 105,9LXX) und gottloser Mächte oder Personen (Ps 9,6; 67,31LXX; 118.21LXX) durch Gott bezeichnet. 9 Vgl. aus jüdischer Tradition allenfalls bMeila 17b: "Hinaus, Ben Tamaljon, hinaus, Ben Tamaljon" (X3 ρ ^ Ώ Π p , KS f p ' p o n p ) , dazu Geller, Jesus' Theurgic Powers 141f.

Besessenenheilungsberichte

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der Zubereitung einer dämonenbannenden Tinktur εξελθε άπό (τοΰ δεινός) zu sprechen. PGM V,158 bietet, ebenfalls an den Dämon gerichtet 1 0 , das Ausfahrwort εξελθε και άκολουθησον. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben auch christliche Wundertäter solche mit έξελθεΐν/exire formulierten Ausfahrworte an Dämonen verwendet (vgl. Apg 16,18; Act Petr 11; Act Thom 73; 74; 77). In Dämonenaustreibungserzählungen aus der Umwelt des NT (1 Q Gen Ap XX,12-34; Joseph, Ant VIII,46-48; Luc, Philops 16.31; Philostr, Vit Apoll IV,20.25) sind in wörtliche Rede gefaßte Ausfahrworte an Dämonen im Munde des Wundertäters hingegen nicht belegt. Hier liegt ein recht eigenständiges Formmerkmal der ntl Dämonenaustreibungsgeschichten vor, das auf den Einfluß nachösterlicher Wunderpraktiken hindeutet.

Seinen gegenüber religionsgeschichtlichen Parallelen besonderen Charakter bezieht der Wunderbericht Mk 1,23-27 darüber hinaus aus der Gestaltung des Abwehrwortes Mk 1,24 unter Einfluß von 1 Kön 17,18 und aus dem christologischen Dämonenbekenntnis zu Jesus als dem άγιος τοΰ θεοΰ. Mk 1,24 liegt eine Abwehrformel des Dämons vor 1 1 , die mit τί ήμΤν και σοί auf 1 Kön 17,18 rekurriert 1 2 , wo die Witwe von Sarepta eine ähnliche Wendung an Elia als Wundertäter richtet. Theoretisch ist in Mk 1,24 LXXEinfluß von τί έμοί και σοί 3 Kön 17,18 ebenso gut denkbar wie eine vom griechischen AT unabhängige Orientierung an HQ. Für die οϊδα-Wendung gibt es auffällige Parallelen in den Zauberpapyri, wobei die vielzitierte Stelle PGM VIII, 13f. οΓδά σε. Έρμη, τίς εϊ και πόθεν ει, και τίς ή πόλις σου ' Έρμούπολις die weitestreichenden Ubereinstimmungen mit οίδα σε τίς εί, ό άγιος τοΰ θεοΰ Mk 1,24 aufweist 1 3 . Allerdings begegnen sämtliche vergleichbaren οϊδα-Formeln in PGM nicht im Munde von Dämonen, sondern werden vom Magier an Gottheiten oder Dämonen gerichtet, um eine Kenntnis von deren Namen zum Versuch der Zwangsbeeinflussung zu nutzen. Eine Herkunft der οϊδα-Formel aus magischer Tradition ist damit zwar wahrscheinlich. Aufgrund des demgegenüber anderen Benutzers wie Adressaten in Mk 1,24 handelt es sich aber nur um eine formale Analogie, die keinen Gegenzauber des Dämons impliziert, zumal dieser mit seinem christologischen Bekenntnis vor der Hoheit Jesu kapituliert 1 4 . Nächstliegender Anknüpfungspunkt zur Erhellung von ό άγιος τοΰ θεοΰ Mk 1,24 sind angesichts des Rekurses von τί ήμϊν και σοί auf 3 Kön 17.18LXX die dortige Bezeichnung Elias als άνθρωπος τοΰ θεοΰ sowie die Charakterisierung Elisas als άνθρωπος τοΰ θεοΰ άγιος 4 Kön 4,9LXX 1 5 . Indem Jesus 10 Merkelbach/Totti, Abrasax II 161.169. 11 Vgl. zur Gegenwehr von Dämonen Apg 19,16; Test Sal 1,12; Luc, Philops 31. 12 Vgl. zum atl Hintergrund der Formel Bächli, "Was habe ich ... " 69ff. 13 Vgl. Bauernfeind, Worte der Dämonen 14f., mit ausführlicher Besprechung des Vergleichsmaterials. 14 Koch, Wundererzählungen 59, betont zu Recht, daß von einem wirklichen Kampf zwischen dem Dämon und Jesus keine Rede sein kann. i s Hahn, Hoheitstitel 237f.; Gnilka, Mk-Ev I 81. Pesch, Mk-Ev I 122, rechnet in Mk 1,24 sogar mit unmittelbarer Ersetzung des άνθρωπε τοΰ θεοΰ 1 Kön 17,18 durch άγιος τοΰ θεοΰ.

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Dämonenaustreibungen Jesu

im Zusammenhang mit seinen Dämonenaustreibungen als "Heiliger Gottes" (Mk 1,24) oder als Gottessohn (Mk 5,7) gilt, erscheint er in der ntl Erzählüberlieferung vom Typus her als einer jener antiken θεΤοι άνδρες, die sich durch die außerordentliche Befähigung zu Wundertaten als übermenschlich oder gottähnlich erweisen 16 . Eine judenchristliche Prägung von Mk 1,23-27 steht außer Frage. Neben dem mutmaßlichen Semitismus ΊΙ^/έπιτιμαν könnten dabei weitere Indizien für eine aramäische oder hebräische Vorlage der Erzählung gegeben sein. Das Nebeneinander von Ίησοΰ Ναζαρηνέ und άγιος του θεού Mk 1,24 resultiert vielleicht aus einem Wortspiel mit dem Gleichklang von Ή 33 Π ("aus Nazareth") und ~PT3 ("geweiht")1^, zumal • " ' Π ^ Π ~PT3 Ri 13,7;' "16,17 in LXX (B) durch άγιος θεοΰ (Α: ναζιραΐος) wiedergegeben wird. Allerdings ist eine Wiedergabe von T T 3 durch άγιος recht ungewöhnlich. Von den unzähligen αγιος-Belegen in LXX gehen ausschließlich diejenigen von Ri 13,7B; 16,17B auf Τ Τ3 zurück. Basierte Mk 1,24 tatsächlich auf einer hebräischen Vorlage, läge für das dortige άγιος als Bezugspunkt das in LXX stereotyp mit όίγιος übersetzte 2)~lp näher als T T J . Keinen Rückschluß auf eine semitische Vorlage von Mk 1,21-28 erlauben das pluralische τοις σάββασιν 1,21b sowie die angeblich semitisierend wirkende Wendung οίδά σε τίς εΓ, ό άγιος τοΰ θεοΰ (statt οϊδα σύ εϊ ό άγιος τοΰ θεοΰ) 1 8 . Daß der Wunderbericht Mk 1,23-27 hauptsächlich mit dem Dämonenbekenntnis 1,24 aus dem Rahmen stilgemäßer antiker Parallelen herausfällt, deutet auf ein erzählerisches Primärinteresse an einer Propagierung Jesu als όίγιος του θεοΰ hin, der den atl Wunderpropheten Elia und Elisa mindestens ebenbürtig ist und den sogar die Dämonen für den "Heiligen Gottes" halten. Folglich verdankt die Erzählung ihre Tradierung in erster Linie missionarischen Interessen, wobei die Bezüge zum Elia-ElisaZyklus einschließlich der christologischen Titulatur όίγιος τοΰ θεου am ehesten bei AT-kundigen jüdischen Adressaten Sinn machen. Daneben war Mk 1,23-27 in geringem Maße geeignet, christlichen Wundercharismatikern Motivation oder Anleitung zu Dämonenaustreibungen zu geben, da die Erzählung mit έπετίμησεν αΰτφ und der Ausfahr16 Vgl. H.D. Betz, Jesus als göttlicher Mensch 419ff. 17 Mußner, Wortspiel 285-286; ähnlich Schweizer, Nazoräer 53f. 18 Gegen Gnilka, Mk-Ev I 77; vgl. auch Lohmeyer, Mk-Ev 36. Pluralisches τά σάββατα für den einzelnen Sabbattag ist im hellenistischen Judentum geläufig (Philo, Abr 28 την έβδόμην, ην 'Εβραίοι σάββατα καλοΰσιν; Joseph, Ant 1,33; 111,237; XII,259.276) und begegnet sogar bei Plutarch (Mor 671Ε την των σαββάτων έορτήν). Zur vermeintlich semitisierenden Konstruktion der οϊδα-Aussage Mk 1,24 vgl. die oben zitierte Parallele PGM VIII, 13.

Besessenenheilungsberichte

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formel εξελθε έξ αΰτου nachahmungsfähige Wunderpraktiken enthält. Neben der Lokalisierung des Geschehens in einer Synagoge dürfte auch der mutmaßliche Semitismus Ίΐη/έπιτιμδν auf eine durch Bedrohung des Krankheitsdämons vollzogene Besessenenheilung Jesu als historischen Haftpunkt hindeuten, wobei das Ausfahrwort εξελθε εξ αΰτοΰ allerdings eher einen Reflex nachösterlicher Wunderpraktiken als eine tatsächliche Dämonenaustreibungsformel Jesu darstellt.

1.2.2. Der besessene Gerasener (Mk 5,1-20) Eine vom Erzählmuster und Überlieferungsmilieu her eng mit Mk 1,21-28 verwandte Wundererzählung liegt Mk 5,1-20 vor. Dort verdankt sich Mk 5,1.2a.l8a 19 der Integration der Gerasenererzählung in die Seefahrtkomposition Mk 4 , 3 5 - 5 , 4 3 2 0 , und das Nachfolgemotiv 5,18b sowie die Ausgestaltung des Wunderberichtes zu einer Missionsätiologie für die Dekapolis 5,20 sind redaktionell 21 . Zudem scheint es sich bei der erst in Mk 5,13 zu erwartenden Apopompe 5,8 um eine vormk Ergänzung zu handeln 22 . Der ausführliche Erzählstil dieses Wunderberichtes berechtigt nicht von vornherein zu weitergehenden literarkritischen Analysen oder traditionsgeschichtlichen Dekompositionen 23 . Lediglich 19 Die Ortsangabe ist aber traditionell, wobei Γερασηνών als lectio difficilior (das "Gebiet der Gerasener" reichte nicht bis zum See Genezareth) Präferenz zukommt. Vormk war die Erzählung im Heidenland (vgl. die Schweineherde) am See Genezareth (θαλασσή 5,1.13) angesiedelt, der am ehesten zum Ertrinken von 2000 Schweinen paßt. Möglicherweise hat Gerasa als bedeutende Stadt der Dekapolis (vgl. Kraeling/Klauser, RAC X [1978] 223ff.) eine ältere Ortsangabe (Gergesa? [vgl. Gnilka, Mk-Ev 201]) verdrängt. 20 Schenke, Wundererzählungen 174-176; Pesch, Besessener 14-17; Kertelge, Wunder 101; Annen, Heil für die Heiden 40-44. 21 Vgl. zu ίνα μετ' αΰτοΰ η insbes. 'ίνα ώσιν μετ' αύτοΰ Mk 3,14 (wohl red.). Mk 5,19.20 ist durch das mk Nebeneinander von Geheimhaltungsabsicht und deren Nichteinhaltung (bes. l,44f.) geprägt, vgl. Koch, Wundererzählungen 78-84; Annen, Heil für die Heiden 67-69. Als ursprünglicher Schluß des Wunderberichtes kann 5,19 (vgl. Mk 1,44; 2,11; Philostr, Vit Apoll IV,45 επανήλθε τε ές την οίκίαν τοΰ πατρός) mit Admiration im Hause des Geheilten (πάντες έθαυμαζον Mk 5,20; vgl. zu Heilungsadmirationen mit θαυμάζειν Tob 11,16; Lk 11,14; Plut, Coriolanus XXIV,3; Luc, Abdicatus 5) gelten. 22 Bei mk Formulierung von 5,8 (Cave, Unclean Spirits 96; Koch, Wundererzählungen 62f.; Annen, Heil für die Heiden 50-52) wäre eine deutlichere Angleichung an die Ausfahrworte 1,25 oder 9,25 zu erwarten. 23 Vgl. Gnilka, Mk-Ev I 200-202; Lührmann, Mk-Ev 99. Gegen Annen, Heil für die Heiden 39-74, der in 5,1-3.8.9.15.17-20 weitreichende mk Eingriffe veranschlagt, und Pesch, Besessener 41-49 (ähnlich Kertelge, Wunder Jesu 104-107), der mit vier vormk Traditionsstufen rechnet.

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Dämonenaustreibungen Jesu

bei der ausführlichen Krankheitsschilderung Mk 5 , 3 - 5 und der dadurch bedingten nochmaligen Begegnung Jesu mit dem B e s e s s e n e n 5,6 ist aufgrund erheblicher Spannungen zum Kontext von einem w e i t e r e n vormk Zuwachs auszugehen. Zwischen μνημεΐον Mk 5,2 und dem im NT recht seltenen μνήμα (5,3.5) liegt ein terminologischer Bruch vor. Zudem ist mit έκ των μνημείων 5,2 und δς την κατοίκησιν εΓχεν έν τοις μνήμασιν Mk 5,3 eine überflüssige Doppelung gegeben. Ähnlich überfrachtet wirkt die zweifache Begegnung Jesu mit dem Besessenen Mk 5,2.6, wobei 5,6 eine aus der Einfügung von 5,3-5 resultierende Wiederaufnahme von 5,2 darstellen dürfte. Wahrscheinlich handelt es sich bei Mk 5,3-5(6) um eine erzählerische Ausgestaltung von έκ των μνημείων άνθρωπος 5,2 unter Einfluß von Jes 65,4LXX und Ps 6 7 , 7 L X X 2 4 . Die Annahme, και έν τοΤς μνήμασιν ... κοιμωνται (sc. die Heiden) Jes 65,4LXX habe auf die sekundäre Formulierung von Mk 5,3.5 eingewirkt, bietet eine plausible Erklärung für den Begriffswechsel von μνημεΐον Mk 5,2 auf μντ{μα 5,3.5. Allerdings stellt Mk 5,1-20 in seiner G e samtheit kaum einen christlichen Midrasch zu Jes 65,1-5 d a r 2 5 . Aus Ps 67,7LXX (diff. MT!) könnte πεπεδημένους (vgl. δησαι/δεδέσθαι Mk 5,3f.) und τούς κατοικοΰντας έν τάφοις Mk 5,3-5 mitbeeinflußt haben. Für ein w e i t e r g e h e n d e s vormk Wachstum der verbleibenden Tradition Mk 5,(l).2b.7.9-17.18b.l9 ergeben sich keine Anhaltspunkte. Von der Grundstruktur her b e s t e h e n derart weitreichende Übereinstimmungen mit Mk 1,23-27, daß von einem in w e s e n t l i c h e n Zügen identischen Erzählgerüst beider G e s c h i c h t e n ausgegangen werden k a n n 2 6 . D i e s e s Grundmuster b e g e g n e t allerdings Mk 5,1-20 in christologisch deutlich fortentwickelter und z u d e m in sekundär um antike Dämonenaustreibungspraktiken bereicherter Gestalt. Bei dem besessenen Gerasener handelt es sich um einen Geistesgestörten, wie bereits die vergeblichen Fesselungen zeigen, denn gewalttätige Irre wurden für gewöhnlich gebunden (Cels, Med III 18,21). Zudem deuten alle Begleiterscheinungen des Leidens auf Manie hin. Daß der Besessene sich an Grabstätten oder in Grabhöhlen aufhält (Mk 5,2f.), deckt sich ebenso wie die 24 Craghan, Gerasene Demoniac 529f.; Pesch, Besessener 30f.; ähnlich Cave, Unclean Spirits 95f. 25 Gegen Sahlin, Gerasenischer Besessener 160-162. Die in Mk 5,1-20 angeblich von Jes 65,3f.LXX herrührenden Motive δαιμόνιον und κρέα ίίεια begegnen dort in völlig anderem Sachzusammenhang (den Heiden wird das Opfern zugunsten von Dämonen sowie der Genuß von Schweine- und Götzenopferfleisch vorgeworfen). 26 Vgl. Wendling, Entstehung 45f.; Kertelge, Wunder Jesu 104; Pesch, Besessener 41. Anstatt sekundärer Parallelbildung zu Mk 1,23-27 kommt eher in Betracht, daß beide Wunderberichte auf ein verwandtes Erzählmuster rekurrieren, vgl. Bauernfeind, Worte der Dämonen 24; Kertelge, aaO.

Besessenenheilungsberichte

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aus Mk 5,15 indirekt hervorgehende Nacktheit mit jTer 1,1 (40b)/bChag 3b, wo nächtliches Herumlaufen, die Übernachtung an einer Grabstätte und das Zerreißen der Kleider als Symptome für Wahnsinn gelten. Das gesamte Krankheitsbild Mk 5,3-5.15 entspricht dem, was Aretaios über die Manie berichtet (Aret III 6). Von ihr Betroffene haben sich schon die Kleider z e r rissen (εσθήτάς τε έρρήξαντο, vgl. Mk 5,15) und Hand an sich gelegt (έωυτέοισι χείρας έπήνεγκαν, vgl. κατακόπτων εαυτόν λίθοις Mk 5,5). Zudem leiden von Manie Befallene an Schlaflosigkeit, lachen, scherzen und tanzen Tag und Nacht (γελωσι, παίζουσι, όρχωνται νυκτός και ήμερης, vgl. δια παντός νυκτός και ήμέρας ... ήν κράζων Mk 5,5), laufen wild herum oder fliehen in die Einsamkeit. Die Schilderung in Mk 5,1-20 ist damit uneingeschränkt realistisch, weist aber umgekehrt auch keine unverwechselbaren, zwangsläufig auf historischer Erinnerung basierenden Züge a u f 2 7 . Die Dämonenaussage Mk 5,7 enthält wie Mk 1,24 eine aus 1 Kön 17,18 eingeflossene Abwehrformel (τί έμοί και σοί), wobei aber als christologische Anrede, nunmehr mit lauter Stimme gesprochen, Ίησοΰ υίέ τοΰ θεοΰ τοΰ υψίστου begegnet. Könnte Mk 1,24 noch als Versuch dämonischer Gegenwehr aufgefaßt werden, so handelt es sich bei ορκίζω σε τον θεόν, μή με βασανίσης Mk 5,7 von vornherein um eine Kapitulation vor der Überlegenheit des Wundertäters, wie bereits die sonst als Gestus Heilungssuchender bekannte Proskynese (Mt 8,2; 9,18; 14,33; 15,25) und die frappierend ähnliche Verschonungsbitte der Empuse Philostr, Vit Apoll IV,25 (έδεΐτο μή βασανίζειν αϋτό) zeigen. 'Ορκίζω σε stammt zwar aus magischer Tradition 2 8 , begegnet aber in Analogie zur οϊδα-Formel Mk 1,24 in den Zauberpapyri nie im Munde von Dämonen. Wie schon in Mk 1,24 wurde wiederum ein traditioneller magischer Topos seiner ursprünglichen Funktion entkleidet und als an Jesus gerichtete Dämonenaussage christologischen Hoheitstendenzen dienstbar gemacht. In Mk 5,8 hat sich ein Apg 16,18; Act Thom 77 vergleichbares Ausfahrwort christlicher Wundertäter niedergeschlagen. Die Ep Ap 5 verarbeitete Variante von Mk 5,1-20 bietet stattdessen im Munde Jesu mit "Gehe aus diesem Manne heraus, ohne ihm irgendetwas zuzufügen!" eine anderslautende Epipompe, die ihrerseits Act Petr 11 (exi a iuvene, nihil nocens eum) als nachösterliche Dämonenaustreibungsformel bezeugt ist. Die Jesusüberlieferung wurde offenkundig in Anlehnung an das Vorgehen christlicher Wundertäter ausgestaltet oder modifiziert. Mk 5,9 spiegelt sich als magische Praktik ohne Entsprechung in Mk 1,23-27 die Namenserfragung. Die Befragung von Dämonen mit dem Ziel, sie zum Sprechen zu bringen und das daraus resultierende Wissen zu einem gezielten Vorgehen gegen sie zu verwenden, ist für die jüdische Magie PGM IV, 3037-3041 (Beschwörung des Dämons beim Siegel Salomos, zu reden) und als Praktik des syrischen Exorzisten aus Palästina Luc, Philops 16, bezeugt. Theophil, Autolyc 2,8 (2.Jhdt.n.Chr.) "Bis zum heutigen Tage werden die von

27 Gegen Annen, Heil für die Heiden 161f., der die Nacktheit des Besessenen für einen individuellen, historisch zuverlässigen Zug hält. 28 Vgl. etwa die Befunde bei Wünsch, Antike Fluchtafeln 13ff., und die unzähligen (εξ)ορκίζω σε-Formeln in PGM, etwa 111,76; IV,978.1239.3019.3037f.; XVI, Iff. Weniger zwingend sind die Bezüge zu ορκίζω σε 3 Kön 22,16 LXX; 2 Chron 18,15LXX, da dort keinerlei dämonischer Kontext gegeben ist.

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Dämonenaustreibungen Jesu

Dämonen Besessenen manchmal im Namen des wahrhaftigen Gottes beschworen, und die betrügerischen Geister bekennen, daß sie Dämonen sind (και ομολογεί αυτά τά πλάνα πνεύματα είναι δαίμονες)" zeigt, daß es zu den Techniken christlicher oder jüdischer Wundercharismatiker zählte, Dämonen zum Sprechen zu zwingen. Ein Mk 5,8f. vergleichbarer christlicher Ausfahrbefehl mit Dämonenbefragungsformel hat sich Act Thom 74 niedergeschlagen: "Vor allem hier stehenden Volk, fahrt aus und sagt mir, welchen Geschlechtes ihr seid (εξελθόντες είπατε μοι. ποίου γένους εστε, vgl. auch Test Sal 2ff.)". Der Epipompe Mk 5,13 2 9 liegt die Vorstellung zugrunde, daß sich die Ausfahrt ausgetriebener Dämonen nach Möglichkeit sichtbar manifestieren soll 3 0 und sie dauerhaft eines neuen Aufenthaltsortes bedürfen, damit die Gefahr einer Rückkehr ausgeschlossen ist (vgl. Tob 8,3; Plin, Ep VII 27,11/Luc, Philops 31). Zu den Techniken des jüdischen Exorzisten Eleazar zählte der Befehl an den Dämon, beim Entweichen ein Wasserglas umzustürzen (Joseph, Ant VIII,48). Act Petr 11 enthält ein mutmaßliches Ausfahrwort christlicher Wundercharismatiker an den Dämon, für jedermann sichtbar auszufahren (quicumque es daimon, in nomine domini nostri Iesu Christi exi a iuvene, nihil nocens eum; ostende te omnibus adstantibus). Direkte Parallelen für die Epipompe in die dann ertrinkende Schweineherde Mk 5,13 sind Paus VI6,10 (der besiegte Dämon stürzt sich ins Meer) und PGM IV,1247 (Bannung des ausgetriebenen Dämons in die Unterwelt). Unverkennbar war die Erzählung ursprünglich im Judenchristentum beheimatet, da sich zahlreiche Erzählmotive (Wohnstätte in Grabhöhlen, Rekurs auf 1 Kön 17,18; Vernichtung der Schweineherde) und magische Techniken (Befragung des Dämons; Befehl zum sichtbaren Entweichen) am besten oder zumindest problemlos aus jüdischer Tradition erklären. Für eine aramäische oder hebräische Vorlage sind keine Indizien gegeben, spätestens bei Ausgestaltung durch Mk 5 , 3 - 5 war die Erzählung im griechischsprachigen Judenchristentum beheimatet, da μνήμα 5,3.5 LXX-Einfluß indiziert und möglicherweise auch Ps 6 7 , 7 L X X (diff. MT) den Passus 5 , 3 - 5 mitprägte. Als primäres Überlieferungsinteresse legt sich in Analogie zu Mk 1 , 2 3 - 2 7 die Werbung mit Jesus als Wundertäter nahe, worauf bereits die Entlassung des Geheilten zur Bekanntmachung des Wunders in seinem Haus (5,19) und vielleicht auch 5,17 als Reflex gescheiterter Mission im Heidenland hindeutet. Dieser vermuteten Überlieferungsintention korrespondiert die gegenüber 1 , 2 3 - 2 7 deutlich gesteigerte christologische

29 Gegen O. Betz, "Divine Man" 282f., liegen kaum Bezüge zum Untergang der Ägypter im Roten Meer (Ex 14; Ps 106,11) und damit verbunden eine Mose-Jesus-Typologie vor. 30 Philostr, Vit Apoll IV,20, und Act Petr 11 demonstriert das Zerstören eines Standbildes sichtbar das Weichen des Dämons. Luc, Philops 16, sollen die Geister "schwarz und rußig" aus dem Besessenen ausgefahren sein.

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Stilisierung der Erzählung, denn der Gottessohn Jesus beherrscht eine Legion von rund 6000 Dämonen nach Belieben 31 . Von den Wundertechniken können der Versuch, Dämonen zum Sprechen zu bringen, und der Befehl zur sichtbaren Ausfahrt für die palästinische Magie des l.-2.Jhdt. als gebräuchlich vorausgesetzt und damit für Jesus theoretisch in Betracht gezogen werden, wie das Beispiel Eleazars und des "Syrers aus Palästina" zeigt. Das gegenüber Mk 1,23-28 fortgeschrittene Traditionsstadium 32 der Gerasenererzählung deutet allerdings in Verbindung mit dem vormk offenbar eigens nachgetragenen Ausfahrwort 5,8 darauf hin, daß hier weniger historische Erinnerung an Begleitumstände des Wirkens Jesu vorliegt, sondern sich eher solche christlichen Wundertechniken niedergeschlagen haben, wie sie zumindest für das 2.Jhdt.n.Chr. bezeugt sind und Mk 5,1-20 - über christologische Werbung für den dämonenbezwingenden "Sohn des höchsten Gottes" hinausgehend - auch als Anleitung zu Dämonenaustreibungen in der Nachfolge Jesu geeignet erscheinen lassen. Daß dabei eine tatsächliche, den näheren Umständen nach nicht bekannte Dämonenaustreibung Jesu in heidnischem Gebiet zu derartiger Traditionsbildung veranlaßte, liegt im Bereich des Möglichen 33 .

1.2.3. Die Heilung des epileptischen Knaben (Mk 9,14-29parr) Als letzter der drei mk Besessenenheilungsberichte ist nunmehr Mk 9,14-29 zu untersuchen, einer der literarkritisch wie traditionsge-

31 Gegen innergemeindliche Auseinandersetzungen um die Legitimität der Heidenmission als "Sitz im Leben" (Annen, Heil für die Heiden 186-190, ähnlich Schille, Topographie 140) spricht der Sachverhalt, daß die Gerasenererzählung Jesu Wirksamkeit im heidnischen Land in keiner Weise problematisiert oder gar in apologetischer Absicht expressis verbis autorisiert (vgl. dagegen Mk 7,24-30 und Mt 8,5-13par). 32 Daß Mk 5,1-20 nicht nur unter christologischen, sondern auch unter magischen Aspekten ein späteres Traditionsstadium als Mk 1,23-28 markiert, spricht gegen die These von M. Smith, Jesus the Magician 146, bereits die gesamte vorliterarische Uberlieferungsgeschichte der ntl Wundererzählungen sei von einer tendenziösen Unterdrückung magischer Praktiken Jesu geprägt gewesen. Für die Gerasenererzählung gilt offenbar genau das Gegenteil. 33 Craghan, Gerasene Demoniac 536 ("At some point in His public life Jesus exorcized a demoniac in pagan territory on the other side of the Sea of Galilee"); Annen, Heil für die Heiden 196; Pesch, Besessener 44. - Die von Dibelius, Formgeschichte 98, vermutete Übertragung einer jüdischen Erzählung auf Jesus bleibt ohne Anhalt; Joseph, Ant VIII,45-49, aus der Zeit nach Abfassung des Mk-Ev scheidet hier von vornherein aus. Ebenso unplausibel ist angesichts der zahlreichen jüdischen Züge in Mk 5,1-20 die Hypothese von

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Dämonenaustreibungen Jesu

schichtlich umstrittensten syn Wunderstoffe. Klarheit besteht

hinsicht-

lich der redaktionellen Gestaltung der Exposition 9,14-16 und des

se-

kundären Charakters der Jüngerunterweisung 9 , 2 8 f . 3 4 . Entscheidend e r leichtert wird die weitergehende Rekonstruktion der vormk Fassung dadurch, daß Mt 17,14-21 und Lk 9 , 3 7 - 4 3 a nicht primär auf Mk 9 , 1 4 - 2 9 als literarischer Vorlage basieren.

Beide

Seitenreferenten

des

Mk

bieten

diese Erzählung zwar unter Einfluß der Mk-Akoluthie, doch deutet die große Zahl der Übereinstimmungen gegen Mk darauf hin, daß Mt und Lk hier im wesentlichen einer von Mk 9 , 1 4 - 2 9 literarisch unabhängigen, und zwar vergleichsweise ursprünglicheren Traditionsvariante folgen. Ganze Teile von Mk 9,14-29 fehlen in Mt 17,14-21/Lk 9,37-43a, wobei Mk 9,14-16.21-24.25b-26 von beiden Seitenreferenten fast völlig übergangen wird. Auch gegen Mk übereinstimmende oder gemeinsam über ihn hinausgehende Formulierungen 3 5 lassen sich hier in ihrer Häufung entgegen einer schematischen Handhabung der Zwei-Quellen-Theorie nicht als unabhängig voneinander vollzogene Verbesserungen des M k - T e x t e s erklären, sondern legen den mt wie lk Rückgriff auf eine Variante von Mk 9,14-29 n a h e 3 6 . Ohnehin kann Mk 9,14-29 kaum die alleinige Vorlage für Lk 9,37-43a gewesen sein. Im Gegensatz zu Mt neigt Lk in der Wunderüberlieferung nicht zu Kürzungen größeren Ausmaßes und bietet sogar Mk 5,1-20 fast in voller Länge (Lk 8,26-39). Auch eine Tilgung der Apopompe Mk 9,25b, die Mt 17,18/Lk 9,42 fehlt, läßt sich für Lk nicht plausibel machen, da Lk 4,35 und 8,29 die Ausfahrbefehle Mk 1,25 und 5,8 jeweils wiedergegeben werden. Da die Mk 9,14-29 im Vergleich mit Mt und Lk überschießenden Elemente im wesentlichen sekundär (Mk 9,21-24.25b.26b) oder sogar erst redaktionell (vgl. 9,14-16) sind und damit der kürzeren mt-lk Fassung gegenüber Mk 9,14-29 traditionsgeschichtliche Priorität zukommt, basieren die mt-lk agreeBousset, Kyrios Christos 61, und Bultmann, Syn Tradition 225, eine rein hellenistische Erzählung sei auf Jesus übertragen worden. 34 Vgl. Koch, Wundererzählungen 119-121; Kertelge, Wunder Jesu 176f.; Gnilka, M k - E v II 45; Lührmann, Mk-Ev 160, speziell zu Mk 9,28f. Kuhn, Sammlungen 189 (weitergehend zu 9,28f.: V.3.2.) Daß Mk 9,14-27 vor der Integration in das Mk-Ev bereits einen längeren Traditionsprozeß durchlaufen hat, steht angesichts des komplizierten Aufbaus außer Frage (gegen Schmithals, Heilung des Epileptischen 21 Iff.: Es handele sich um eine einheitliche theologische Kunsterzählung mit Entfaltung pln Theologumena). 35 Vgl. a) ήδυνήθησαν Mt 17,16/Lk 9,40 diff. ίσχυσαν Mk 9,18; b) Mk 9,19 fehlendes και διεστραμμένη und ώδε in Mt 17,17/Lk 9,41 und c) και έθεραπεύθη ö παις Mt 17,18/καί ίάσατο τον παΐδα Lk 9,42 diff. ό δε ηγειρεν αυτόν Mk 9,27. Eine exakte Auflistung der mt-lk Übereinstimmungen gegen Mk 9,14-29 bietet Neirynck, Minor Agreements 126-130. 36 Vgl. Lohmeyer, M t - E v 269; Vaganay, Probleme Synoptique 4 0 5 - 4 2 5 ; Schramm, Mk-Stoff 99f.l29; Roloff, Kerygma 147; Theißen, Wundergeschichten 139 (anders aber 180); Bovon, Lk-Ev I 507f.; Luz, M t - E v II 519f. Dagegen u.a. Achtemeier, Miracles and the Historical Jesus 4 7 3 - 4 7 5 ; Gnilka, M t - E v II 105.

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ments nicht auf einer geglätteten oder gekürzten deutero-mk Fassung von Mk 9,14-29 als Vorlage für Mt und L k 3 7 .

Aus diesen literarkritischen Erwägungen resultiert die Einsicht in eine ältere, vorliterarische Version von Mk 9,14-29parr, die den Mk 9,14a.l5c. 17-20.25a.26a.27/Mt 17,14-21/Lk 9,37-43 gemeinsamen Überlieferungsbestand umfaßte, ohne daß der exakte Wortlaut noch rekonstruierbar wäre 3 8 . Mit der recht ausführlichen Krankheitsschilderung, dem Motiv des Jüngerversagens und dem Fehlen eines Dämonenbekenntnisses unterscheidet sich dieser Wunderbericht in auffälliger Weise von Mk 1,23-28 und 5,1-20. Bei grundsätzlicher Ubereinstimmung in der Charakterisierung der Krankheit als Besessenheit differieren die drei Versionen von der Heilung des epileptischen Knaben doch in Details, indem sie sich an unterschiedlichen (volks)medizinischen "Diagnosen" epileptischer Symptome orientieren. Die ausführlichste, teilweise gegenüber Mt und Lk sekundäre Krankheitsschilderung bietet Mk, wo 9,17 zunächst von einem πνεΰμα αλαλον (9,25 τό αλαλου και κωφόν πνεύμα) die Rede ist. Da nicht der Kranke selbst (vgl. Mt 9,32; 12,22), sondern der von ihm Besitz nehmende Dämon als "sprachlos" gilt, dürfte eine nur vorübergehende Stummheit als Begleiterscheinung epileptischer Anfälle vorausgesetzt s e i n 3 9 . Folglich besteht keine Veranlassung, in Mk 9,14-29 zwei sich im Grunde widersprechende Krankheitsschilderungen anzunehmen und dies als Indiz für eine Mehrschichtigkeit des Textes zu beanspruchen 4 0 . Mk 9,18 schildert den Verlauf des epileptischen Anfalls. 37 Gegen Aichinger, Epileptiker-Perikope 144ff. 38 Roloff, Kerygma 143-149, zählt von ähnlichen Quellenvoraussetzungen her Mk 9,(14-17a?)17b-19a.l9c-20.25-27 zur ältesten Tradition. Petzke, Wundertaten Jesu 188-191, bestimmt allein aufgrund einer literarkritischen Analyse des M k - T e x t e s Mk 9,17-19a.l9d.20.25-27 als ursprünglichen Kern. - W e gen einer einseitigen Verabsolutierung wortstatistischer Kriterien abzulehnen ist die Rekonstruktion von Schenk, Epileptiker-Perikope, bes. 93f.: Der gescheiterte Heilungsversuch sei ursprünglich nicht von den Jüngern, sondern von den Pharisäern unternommen worden (ähnlich Pesch, Mk-Ev II 84ff.). 39 Vgl. zu Mk 9,17f. bereits die Charakterisierung eines besessenen Epileptikers in Schurpu VII,31-34: "his mouth filled with spittle (and) foam; dumbness (and) daze have come upon this man" (Reiner, Schurpu 37). Plut, Mor 438 B, wird Pythia von einem stummen und bösen Geist ergriffen (άλαλου και κακοΰ πνεύματος ουσα πλήρης). Hippocr, Morb Sacr VII,1; Χ,6 zählt vorübergehender Sprachverlust (άφωνος γίνεται/και άφωνος γενόμενος) zu den Begleiterscheinungen eines epileptischen Anfalls (ebenso Hippocr, Epid VII 46; Aret I 5,5 άφωνίη), wie es auch PGM XIII , 2 4 2 - 2 4 4 (der Besessene wird mit Schwefel und Harz zum Sprechen gebracht) voraussetzt. 40 Bornkamm, Πνεΰμα αλαλον 24: In der vormk Erzählung gingen Epilepsie und Taubstummheit durcheinander, folglich seien zwei Heilungsberichte miteinander verschmolzen worden (ähnlich Bultmann, Syn Tradition 225; Koch, Wundererzählungen 115f.; Achtemeier, Miracles 4 7 6 - 4 8 2 ) . Theißen,

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Dämonenaustreibungen Jesu

Der Dämon reißt den Besessenen herum, so daß er schäumt und mit den Zähnen knirscht und "ausgezehrt" wird (και αφρίζει και τρίζει τους οδόντας και ξηραίνεται). Dies deckt sich mit der Charakterisierung epileptischer Anfälle bei Hippocr, Morb Sacr VII,1 "und Schaum fließt aus dem Mund, und die Zähne sind zusammengepreßt (και άφρός έκ τοΰ στόματος ρεΤ, και οί οδόντες συνηρείκασι), Aretaios (Aret I 5,4.7 ξυνερείσουσιν οί οδόντες ... άφρόν δέ άποπτύουσι) und der vom Mt-Ev unbeeinflußten Parallele Luc, Philops 16: Der palästinische Exorzist nimmt sich derer an, die mondfällig (καταπίπτοντας πρός την σελήνην) sind, die Augen verdrehen und deren Mund sich mit Schaum füllt (και άφροΰ πιμπλαμένους τό στόμα). Zudem entspricht das dortige καταπίπτοντας ... και άφροΰ πιμπλαμένους τό στόμα weitgehend der Schilderung von Mk 9,20 και πεσών έπί της γης έκυλίετο αφρίζων (vgl. auch Cels, Med III 23,1). Daß die Besessenheit nach Mk 9,21 bereits έκ παιδιόθεν datiert, steigert die Schwere der Krankheit (vgl. έκ γενετής Joh 9,1) und damit die Größe des Wunders, entspricht aber gleichzeitig der antiken medizinischen Einsicht, daß Epilepsie häufig bereits im Kindesalter auftritt und daher als puerilis passio gilt (vgl. Aret 1114,1; Cael Aur, Tard Pass 1,60). Der letzte Verweis auf Begleiterscheinungen der Anfälle Mk 5,22 fügt sich nahtlos in das bisherige Bild ein: Vollzieht sich das Hinfallen von 5,20 in der Nähe einer Feuerstelle oder eines Gewässers, droht Lebensgefahr für den Besessenen, und es scheint, als wolle der Dämon ihn töten 4 1 . Insgesamt bleibt die Mk 9,17.18.20-22 vorliegende Krankheitsschilderung durchweg dem verhaftet, was man in der Antike über epileptische Anfälle wußte oder jederzeit beobachten konnte, und erlaubt daher trotz ihrer realistischen Details keine Rückschlüsse auf individuelle, historische Züge der Epileptikerperikope 42 . Bei Mt findet sich anstelle einer ausführlichen Krankheitsschilderung in 17,15 lediglich die Notiz και σεληνιάζεται και κακώς πάσχει, ergänzt um eine Mk 9,22 weitgehend entsprechende Schilderung der Folgen einzelner Anfälle. Dabei ist als Krankheit ebenfalls Epilepsie vorausgesetzt; denn diese gilt als σεληνιάζειν o.ä. (Kyr 124,42 u.ö.; Luc, Philops 16), da nach Ansicht antiker Medizin der Mond das Intervall zwischen den einzelnen epileptischen Anfällen bestimmt 4 3 . Die lk Krankheitsschilderung entspricht Mk 9,18 mit dem Unterschied, daß der Besessene während des Anfalls nicht stumm ist, sondern der Dämon

Wundergeschichten 139f., zeigt dagegen, daß Mk 9,22-24 - vermeintlicher Bestandteil einer zweiten, eigenständigen Wundergeschichte in 9,14-29 9,14ff. voraussetzt. Dies spricht auch gegen die Analyse von Kertelge, Wunder Jesu 174ff.: Grundbestand sei Mk 9,20-27 als apophthegmatisch erweiterte Wundergeschichte, die Mk klammerartig mit dem Motiv des bleibenden Unverständnisses und Unvermögens der Jünger umschlossen habe. 41 Philostr, Vit Apoll 111,38, droht der Dämon mit "Felsen und Abgründen" und der Tötung des Sohnes; nach Joseph, Bell VII,185, trachten die Dämonen den Menschen nach dem Leben. 42 Gegen Pesch, Mk-Ev II 95: Die detaillierte Beschreibung des Krankheitsbildes erkläre sich ungezwungen aus der Vorlage eines konkreten Falles, nicht aus erzählerischer Erfindung. 43 Gal IX,903; Luc, Toxaris 24. Aret III 4,2 zufolge befällt Epilepsie diejenigen, die sich am Mond versündigen (ές την σελήνην άλιτροΤσι).

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Laute von sich gibt (και εξαίφνης κράζει Lk 9,39). Als die Hilfsbedürftigkeit steigerndes Motiv findet sich zudem die wohl redaktionelle Notiz, daß es sich um das einzige Kind gehandelt habe (vgl. Lk 7,12). Lk bietet aber cum grano salis die vergleichsweise ursprünglichste Schilderung der Krankheit. Der mk Bericht weist dagegen eine sekundär wirkende Ausgestaltung mit Anleihen in antiker Epilepsiediagnose auf, während Mt offenbar eine Lk 9,39 vergleichbare Schilderung stark gekürzt hat und in 17,15b Formulierungen aus Mk 9,22 in seine von Mk 9,14-29 literarisch weitgehend unabhängige, lediglich in Mt 17, 19 eindeutig auf Mk basierende Fassung der Epileptikerperikope einfließen ließ.

Daß sich Mk 9,14-27 mit dem fehlgeschlagenen Heilungsversuch der Jünger und einer darauf bezogenen Reaktion Jesu (9,18b.l9) von den verwandten Berichten Mk 1,23-28 und 5,1-20 abhebt, ist kein Indiz für Historizität 44 . Eher dürfte das Motiv bereits gescheiterter Heilungsbemühungen, das in antiken Wundertraditionen ein fester Topos i s t 4 5 , mit dem Ziel eingeflossen sein, auf der Negativfolie des Jüngerversagens die Kompetenz Jesu selbst in schwersten Fällen von Besessenheit betont hervorzuheben 46 . Auch wenn diese christologische Stilisierung werbende Interessen verfolgt 47 , fehlen Mk 9,14-27parr im Vergleich mit Mk 1,23-28 und 5,1-20 solche Züge, die sich speziell einer Verwendung der Besessenenheilungsberichte in Missionszusammenhängen verdanken. Es begegnet weder ein Dämonenbekenntnis (Mk 1,24; 5,7) noch ein werbender Schluß (Mk 1,27; 5,19). Dies erklärt, warum die Erzählung mit der Thematisierung wahren Glaubens (9,23f.) wie mit der Ausgestaltung zur Jüngerunterweisung (9,28f.) bald gemeindeinterne Lehrinteressen verfolgte und bei Mk nicht innerhalb des Wunderzyklus 4,35-5,43, sondern im zweiten Hauptteil seines Evangeliums in paränetischem Kontext steht. In solchen Lehrzusammenhängen sind auch die Wunderpraktiken von Mk 9,14-27parr zu betrachten, denn hier ist eine Reflexion magischer Praktiken des frühen Christentums oder eine bewußte Anleitung dazu noch weniger von der Hand zu weisen als in Mk 1,23-28 und 5,1-20. 44 Anders Roloff, Kerygma 147-149, der geschichtliche Erinnerung an gescheiterte Dämonenaustreibungen des Zwölferkreises beim Vollzug der Aussendungsanordnungen Jesu (Mk 6,7.12f.) vermutet. Vgl. auch Gnilka, Mk-Ev II 50. 45 Vgl. zum Motiv des Jüngerversagens neben 2 Kön 4,29-31 bes. Luc, Philops 35f.; Ael, Nat An IX,33. Vergleichbar ist auch der Topos gescheiterter Heilungsversuche durch Ärzte (u.a. Tob 2,10; Philostr, Vit Apoll IV,45). Zum Ganzen: Weinreich, Antike Heilungswunder 81-87.195ff. 46 Schürmann, Lk-Ev I 568; Petzke, Wundertaten Jesu 191; Bornkamm, Πνεΰμα αλαλον 25 ("thaumaturgisches Meisterstück Jesu"). Pesch, Mk-Ev II 95, sieht dagegen "fehlende christologische Stilisierung". 47 Petzke, Wundertaten Jesu 202f.; Gnilka, Mk-Ev II 45.

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Dämonenaustreibungen Jesu

Kein ntl Wunderbericht zeigt ein derart ausgeprägtes Interesse an detaillierter "ärztlicher" Diagnose des Krankheitsbildes wie Mk 9,14-27. Bereits die Jüngerunterweisung Mk 9,28f. impliziert offenbar eine (allerdings erfolglose) Anwendung der Dämonenaustreibungspraktiken von 9,14-27. Das Ausfahrwort 9,25 weist mit εγώ επιτάσσω σοι eine Formel auf, die in den Pendants Mk 1,25; 5,9 ohne Entsprechung bleibt, dagegen Parallelen in den Zauberpapyri hat 4 8 . Mit dem Verbot der Wiedereinkehr an den Dämon (και μηκέτι είσέλθ^ς εις αυτόν Mk 9,25) ergeben sich Bezüge zur Vorgehensweise Eleazars, der durch Beschwörungsformeln den Dämon an der Rückkehr in den Besessenen zu hindern suchte (μηκέτ' εις αύτόν έπανήξειν Joseph, Ant VIII,47; vgl. Philostr, Vit Apoll IV,20) und dabei dem έγώ επιτάσσω σοι vergleichbare Befehlsworte an den Dämon richtete (τψ δαιμονίω προσέταττεν VIII,48), ohne daß Josephus deren Wortlaut mitteilte. Auch wenn solche Praktiken somit für das palästinische Judentum des Uhdt.n.Chr. verbürgt sind und Jesus selber vor einer Wiederkehr von Dämonen warnte (Mt 12,43-45par), hat sich Mk 9,25 offenkundig sekundär, weil in der mt-lk Fassung fehlend, ein bei christlichen Dämonenaustreibungen verwendeter Ausfahrbefehl mit Rückkehrverbot niedergeschlagen. Act Thom 77 begegnet im Munde des Thomas eine höchstwahrscheinlich von christlichen Dämonenbeschwörern benutzte Formel, die Mk 9,25 der Sache nach entspricht: "Jesus befiehlt (κελεύει) dir (sc. dem Dämon) und deinem Sohn durch mich, daß du nicht mehr in eine Menschenwohnung eingehst (ίνα μηκέτι εΐσέλθΐ|ς εις κατοίκησιν ανθρώπου), sondern zieht aus (εξέλθετε) und geht (απέλθετε) und wohnt gänzlich außerhalb der Wohnung der Menschen!" 49 . Auch in Mk 9,26b.27 könnte sich eine Wunderinstruktion spiegeln. Daß der Besessene nach der Dämonenaustreibung wie tot erscheint, deckt sich mit der Realität 50 . Aus Mk 9,27 geht hervor, daß in solchen Fällen ein Heilgestus mit Berührung durch die Hand (vgl. Mk 1,29; 5,41) zur Reanimation führt (ähnlich Philostr, Vit Apoll IV,45). Für die älteste Fassung von Mk 9,14-27parr, in der sich die Dämonenaustreibung ohne Ausfahrbefehl allein durch die Bedrohung (έπετίμησεν 48 PGM 1,254 επιτάξω ύμΐν; VII,331 φάυηθί μοι, κύριε "Ανουβι, επιτάσσω σοι; XII,171 επιτάσσω σοι, ό μέγας ... δαίμων; IV,1038 επιτάσσει σοι ό μέγας ζων θεός, siehe Eitrem, Notes 33f. Vgl. auch die nachösterliche Dämonenaustreibungsformel Apg 16,18 παραγγέλλω σοι ... έξελθεΐν. 49 In der verwandten Formel Act Andr 5 wird dem ausfahrenden Dämon befohlen, von Christen betretene Gebiete in Zukunft völlig zu meiden. so Joseph, Ant VIII,47: Der Besessene fällt nach der Dämonenaustreibung sogleich zusammen; Vit Apoll IV,20: "Der Jüngling aber rieb sich die Augen wie ein Erwachender." Act Thom 77 liegen die beiden Frauen nach der Dämonenaustreibung wie Tote hingestreckt und sind stumm.

Besessenenheilungsberichte

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αύτω) vollzog (Mt 17,18/Lk 9,42), ist aufgrund des vermutlich wiederum auf ΊϊΟ rekurrierenden έπιτιμαν51 die Heilung eines epileptischen Knaben durch Jesus als historischer Haftpunkt wahrscheinlich 52 , zumal es sich bei dem Gewässer von Mk 9,22par, das zumindest die zum Ertrinken notwendige Tiefe aufgewiesen haben muß, um den See Genezareth handeln könnte 5 3 . Sämtliche über die Bedrohung hinausgehenden Wunderpraktiken wurden aus aktuellen Bedürfnissen heraus nachgetragen 54 . Wie schon in Mk 5,1-20 war auch hier die vorliterarische Überlieferungsgeschichte nicht durch eine Unterdrückung, sondern eine Verstärkung magischer Techniken Jesu gekennzeichnet.

2. Krankenheilungen Jesu 2.1. Die Logienüberlieferung Die ntl Evangelien berichten nicht allein von Krankenheilungen Jesu, sondern auch von der Heilung solcher Gebrechen, die zwar im einzelnen auf das Wirken böser Geister zurückgeführt werden können, bei denen jedoch keine Anwesenheit von Dämonen in der erkrankten Person angenommen wird. Bereits Lk 13,32 war neben Dämonenaustreibungen auch von Krankenheilungen Jesu die Rede. Bevor den ntl Heilungserzählungen nachgegangen wird, sind als weitere Logienstoffe noch Mt ll,2-6par und Mt 13,16f.par auf ihre Authentizität und ihren Aussagegehalt hin zu untersuchen.

51 Ausnahmslos abzulehnen sind die von Pesch, Mk-Ev II 95 mit Anm. 38, reklamierten Semitismen. Die και-Parataxe ist ebensowenig Indiz für eine aramäische Vorlage wie das pluralische ύδατα Mk 9,22 (vgl. die pluralischen Belege bei Liddell/Scott 1846) und das inkludierende πολλοί Mk 9,26 (vgl. Rom 5,15.19). Noch unbegreiflicher ist, wie Pesch πνεύμα άκάθαρτον für palästinisches Uberlieferungsmilieu beanspruchen kann, denn als unrein gelten Dämonen sogar Philostr, Vit Apoll IV,19 (τά δαιμόνια μή καθαρόν εΤναι). 52 Achtemeier, Miracles and the Historical Jesus 490 ("... the historical Jesus did in fact perform deeds such as the exorcism reported of him in the early tradition underlying Mark 9:14-29"); zu weitgehend Pesch, Mk-Ev II 95. Gegen Petzke, Wundertaten Jesu 201: "Erzählerische Darstellung des christologischen Titels 'Wundertäter' ". 53 Pesch, Mk-Ev II 95, Anm. 38; Gnilka, Mk-Ev II 45. Überzogen Schenk, Epileptiker-Perikope 81, der wegen εις ύδατα in der Heilung des Epileptischen sogar eine der δυνάμεις in Bethsaida (Mt ll,20f.) sehen will. 54 Kurzschlüssige petitio principii ist die Behauptung von Twelftree, Jesus the Exorcist 95, "that there were no particular reasons why the early Church should have added the details of the address to the demon", folglich seien Ausfahrworte wie Mk 9,25 historisch.

216

Krankenheilungen Jesu

2.1.1. Die Täuferanfrage (Mt 11,2-6/Lk 7,18-23) Der bedeutendste syn Logienstoff mit Heilungsthematik ist das in seinem historischen Wert allerdings fragliche Apophthegma von der Täuferanfrage Mt 11,2-6/Lk 7,18-23, das von Mt und Lk nahezu gleichlautend in der Q-Fassung wiedergegeben wird. Die Mt 11,2 mit έν τω δεσμωτηρίω expressis verbis gegebene Gefangenschaft des Täufers ist auch Lk 7,18-23 impliziert (vgl. Lk 3,20). Lk hat die Notiz έν τω δεσμωτηρίφ gestrichen, da sie ihm von 3,20 her als entbehrlich erschien 1 , und zudem die Exposition Lk 7,18-21 ausgestaltet. Die Überschüsse in Lk 7,18.20 gegenüber Mt sind aufgrund zahlreicher lk Vorzugswörter redaktionell 2 . Lk 7,21 έν εκείνη τη öpqt έθεράπευοεν πολλούς άπό νόσων και μαστιγών και πνευμάτων πονηρών, και τυφλοΐς πολλοίς έχαρίσατο βλέπειν - ohne Parallele bei Mt - wird Lk unter Rückgriff auf die summarische Notiz Mk 3,10f. (dort Lk 7,21 vergleichbar πολλούς έθεράπευοεν, πνεύματα άκάθαρτα und das ntl lediglich sechsmal belegte μάστιξ) und unter Verwendung von χαρίζομαι (im NT nur im Lk-Ev und in der Apg) formuliert haben 3 . Priorität dürfte bei Lk allerdings der gegenüber dem mt α άκοΰετε και βλέπετε abweichenden Abfolge von Wort und Tat in Lk 7,22 α εΐδετε και ήκούσατε zukommen. Eine Vorordnung der Verkündigung Jesu gegenüber den Wundertaten ist bei Mt mehrfach redaktionell nachweisbar 4 , und in dem Makarismus Mt 13,16f./Lk 10,23f. bieten beide Evangelisten übereinstimmend die Q-Rangfolge βλέπειν - άκούειν.

Völlig umstritten ist die vorliterarische Traditionsgeschichte des Apophthegmas. Teilweise gilt Mt ll,2-6par in seiner Gesamtheit als 1 von Harnack, Sprüche 64; Klostermann, Lk-Ev 89; Kümmel, Jesu Antwort 193; Fitzmyer, Luke I 665. Zudem kommt für δεσμωτήριον als mt H a paxlegomenon eher vormt Herkunft als mt Redaktion in Betracht. Anders Lührmann, Redaktion 26, Anm.4; Schürmann, Lk-Ev I 184; Vögtle, Wunder und Wort 221; Schulz, Q 191; Gnilka, Mt-Ev I 405: Mt habe έν τω δεσμωτηρίω eingefügt, um die Mt 4,12 erwähnte Gefangensetzung des Täufers nochmals in Erinnerung zu rufen. 2 Hoffmann, Studien 193 mit Anm.12; Schulz, Q 191f.; Vögtle, Wunder und Wort 220; zu den lk Vorzugswendungen in Lk 7,18.20 zählen παραγίνεσθαι, άνήρ und πας. Lührmann, Redaktion 26, vermutet dagegen mt Kürzungen. 3 Vgl. auch Dibelius, Johannes der Täufer 33, Anm.l; Schürmann, Lk-Ev I 410, Anm.19. 4 Vgl. neben der Komposition Mt 5-9 noch Mt 9,35; 13,14. Aus der mt Umstellung von βλέπειν und άκούειν in Mt l l , 4 f . resultiert ein Chiasmus mit der Betonung auf den Außengliedern ά άκούετε ... πτωχοί ευαγγελίζονται (Grundmann, M t - E v 304; Vögtle, Wunder und Wort 221f.; vgl. Hoffmann, Studien 193). Für eine Priorität des mt ά άκούετε καϊ βλέπετε plädieren dagegen Conzelmann, Mitte der Zeit 179; Pesch, Taten 36, Anm.3; Schulz, Q 192; Schürmann, Lk-Ev I 410, Anm.20, vgl. 232, Anm.74; Kümmel, Jesu Antwort 193, Anm. 70; Völkel, Täuferanfrage 171f.; Gnilka, Mt-Ev I 406; Bovon, Lk-Ev I 369.

Die Logienüberlieferung

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historisch glaubwürdiger B e r i c h t 5 . Hiergegen spricht bereits der Sachverhalt, daß Johannes der Täufer die Frage du ει ό ερχόμενος η ά λ λ ο ν / έτερον προσδοκωμεν dem Inhalt nach nicht an Jesus gerichtet haben w ü r d e 6 , da das aus der authentischen Täuferverkündigung eruierbare Bild vom kommenden Stärkeren auf Gott hindeutet. Nach Mk 1,8 wird der kommende Stärkere ausschließlich die Geisttaufe vollziehen, Q zufolge dagegen auch als Feuerrichter auftreten (Mt 3,11/Lk 3,16). Da sich letzteres nahtlos in die im Kern authentische Gerichtspredigt Mt 3,7-10.12par einfügt, kommt Mt 3,11/Lk 3,16 gegenüber Mk l,7f. Priorität zu 7 , und Johannes der Täufer hat einen eschatologischen Geistausgießer und Feuerrichter angekündigt 8 . Gegen dessen Identität mit dem Menschensohn oder einer ähnlichen richterlichen Endzeitgestalt 9 spricht έν πνεύματι άγίφ, da die eschatologische Geistausgießung Gott vorbehalten bleibt (vgl. bes. Ez 36,25ff.; Joel 2,28-32) 1 0 . Zudem ist 1 QS IV,18-23 in Analogie zu Mt 3,llpar von dem Gericht und der Geistausgießung Gottes die Rede. Ist mit dem kommenden Stärkeren Gott gemeint, dann wäre e s für den Täufer völlig abwegig g e w e s e n , s e i n e Ankündigung d e s ερχόμενος in der Mt 11,3/Lk 7,19 b e s c h r i e b e n e n W e i s e mit Jesus in Verbindung zu bringen 1 1 . G e g e n eine Historizität von Mt l l , 2 - 6 p a r dürften zudem auch

s Kümmel, Jesu Antwort 192-200; Twelftree, Jesus the Exorcist 121; mit Vorbehalt auch Luz, Mt-Ev II 164-166. 6 Hoffmann, Logienquelle 201; Vögtle, Wunder und Wort 223-225. 7 Gnilka, M t - E v I 64. Gegen Laufen, Doppelüberlieferungen 107-109: και πυρί sei sekundärer Zusatz der Q-Redaktion. 8 Ohne Textanhalt bleibt die Annahme, lediglich die Feuertaufe gehe auf Johannes zurück, während die Geisttaufe des Stärkeren sich einer Rückprojektion der christlichen Taufe in die Verkündigung des Täufers verdanke, so Dibelius, Johannes der Täufer 56; Manson, Sayings of Jesus 40f.; Hoffmann, Studien 29f.; von Dobbeler, Gericht 55-59; Bovon, Lk-Ev I 177. 9 Becker, Johannes der Täufer 34-37. 10 Test Jud 24,2, wo von einer Geistausgießung durch den Messias die Rede ist, verdankt sich höchstwahrscheinlich christlicher Interpolation (Becker, Untersuchungen 319-323). Test Lev 18,11 "und er wird den Heiligen vom Baum des Lebens zu essen geben, und der Geist der Heiligung wird auf ihnen ruhen" spricht von Gott, nicht vom Messias, vgl. Becker, Untersuchungen 297f. Vgl. zur Identität des kommenden Stärkeren mit Gott Thyen, Sündenvergebung 137; von Dobbeler, Gericht 144-147; Ernst, Johannes der Täufer 49-55; Reiser, Gerichtspredigt Jesu 170-175. 11 Der Einwand, ό ερχόμενος sei kein gebräuchliches Messiasprädikat gewesen, folglich müßte bei Gemeindebildung mit einer geläufigeren Titulatur, als ό ερχόμενος sie darstellt, gerechnet werden (Kümmel, Verheißung und Erfüllung 103; ders., Jesu Antwort 196f.), ist nicht zwingend. Denn ό ερχόμενος wurde nicht erst von der christlichen Gemeinde auf Jesus hin formuliert, sondern war ihr aus der Täuferverkündigung Mk l,7f.parr vorgegeben.

218

Krankenheilungen Jesu

chronologische Aspekte sprechen. Die in vielem historisch zuverlässiger als Mk 6,14-29 wirkende Darstellung von Gefangenschaft und Tod des Täufers J o s e p h , Ant XVIII,116-119, deutet darauf hin, daß Johannes der Täufer erst nach J e s u Kreuzigung verhaftet und hingerichtet wurde. Der syn Chronologie zufolge setzt Jesu Verkündigungstätigkeit nach der Gefangennahme des Täufers ein (Mk 1,14) und erstreckt sich über dessen Tod (Mk 6,17-29) hinaus. Demgegenüber vertritt W. Schenk die Auffassung, Jesu Wirksamkeit sei von der des Täufers um mehrere Jahre überdauert worden, und beruft sich auf die engen Bezüge zwischen dem Todesgeschick des Täufers und der auf 36n.Chr. zu datierenden 12 Niederlage von Herodes Antipas gegen Aretas IV. in Joseph, Ant XVIII, 116-119. Auslöser des Krieges war die geplante Verstoßung der Aretastochter durch Herodes Antipas, nachdem dieser eine neue Ehe mit Herodias, der Frau seines Bruders Herodes (Joseph, Ant XVIII,109f.) - nicht Philippus (Mk 6,17) - einzugehen gedachte. Daß der Täufer diese nach jüdischem Recht (Lev 18,16) ungesetzliche Heirat kritisierte, war nach Mk 6,18 entscheidender Grund für seine Gefangennahme und Hinrichtung. Da zwischen der militärischen Auseinandersetzung und ihrem Anlaß (Brüskierung der Aretastochter aufgrund neuer Eheschließung, was die Verhaftung des Täufers als Kritiker nach sich zog) kein längerer Zeitraum gelegen habeii wird und Joseph, Ant XVIII, 116, die Antipas-Niederlage als unverzügliche göttliche Strafe für die Hinrichtung des Täufers zu gelten scheint, dürften in der Tat Gefangenschaft und Tod des Täufers erst auf etwa 35n.Chr. zu datieren sein 1 3 . Da έυ τω δεσμωτηρίφ Mt 11,2 ursprünglich ist, resultierte hieraus zwingend Ungeschichtlichkeit von Mt ll,2-6par, da sich der Täufer dann zu Lebzeiten Jesu überhaupt noch nicht in Gefangenschaft befand und erst Jahre nach Jesu Kreuzigung hingerichtet wurde. Gleichzeitig wäre damit die Behauptung ad absurdum geführt, daß Jesus von seinen Zeitgenossen bezichtigt wurde, sich den Totengeist des verstorbenen Täufers als Paredros dienstbar gemacht zu haben 1 4 . Bei Mt 11,5f. handelt e s sich um einen jener ursprünglich eigenständig umlaufenden 1 5 , von (dt-)jesajanischen Heilsaussagen mit J e s 35,5f./61,l als Zentrum her entwickelten Wunderkataloge, wie sie literarisch unabhängig von der Täuferperikope sowohl in jüdischer (4 Q 521 Fragm 1, II 8-12) als auch in christlicher Tradition 1 6 breit bezeugt sind. 12 Schürer/Vermes, History of the Jewish People I 350 mit Anm.34. 13 Schenk, Gefangenschaft und Tod des Täufers 461-463; dagegen Ernst, Joh der Täufer 345, Anm.256. 14 So postuliert von Kraeling, Necromancy 155-157; Μ. Smith, Jesus the Magician 33f., unter Berufung auf Mk 6,14-16; 8,28. i s Bultmann, Syn Tradition 22.56; Schürmann, Lk-Ev I 413f.; Kuhn, Enderwartung 195-197. Gegen Stuhlmacher, Evangelium 223f.; Hoffmann, Studien 210; Kümmel, Jesu Antwort 197; Bovon, Lk-Ev I 370, die Mt ll,5par nicht für isoliert tradierfähig halten. 16 Hills, Miracle Lists 389f., verzeichnet aus den atl wie ntl Apokryphen und aus den Schriften der Kirchenväter über 30 solcher Wunderkataloge, bei

Die Logienüberlieferung

219

Als M a t e r i a l f ü r M t 11,5 diente Jes 26,19; 29,18f. 35,5f. und 61,1, e r g ä n zend kommt Einfluß von J e s 42,7.18 in B e t r a c h t . Die Kombination von Blindenheilung und T o t e n e r w e c k u n g begegnet auch 4 Q 521 F r a g m 1, II 8-12, wo aber offenkundig wie im A T G o t t die W u n d e r der messianischen Zeit wirkt. Eine L X X - A b h ä n g i g k e i t von M t 11,5 w ä r e gesichert, wenn es sich um ein M i s c h z i t a t ausschließlich aus Jes 35,5f. und Jes 61,1 handelte. In diesem Falle v e r d a n k t e sich κωφοί άκούουσιν L X X - E i n f l u ß , da gegen άκούειν Jes 35,5 L X X im hebräischen T e x t nicht VölÜ, sondern Π Π 2 ("öffnen") s t e h t 1 7 . Zudem ginge τ υ φ λ ο ί άναβλέπουσιν M t 11,5 zwingend auf Jes 61,1 L X X κηρύξαι ... τ υ φ λ ο ΐ ς άνάβλεψιν zurück, während M T hier Π Ί ρ _ Π [ 7 3 η · , Ί Ί Ο Κ ί ? 1 ("den G e f a n g e n e n Entfesselung") b i e t e t 1 8 . Da allerdings das von Jes 26,19 h e r r ü h r e n d e νεκροί εγείρονται auf eine f r e i e Kombination unterschiedlichster J e s a j a s t e l l e n in M t 11,5 hindeutet, könnten sich b e s a g t e Abweichungen gegenüber Jes 35,5; 61,1 M T nicht L X X , sondern Jes 42,18 ( M T Π ί Χ Ί 1 ? Ι ϋ ^ Π Ε Ρ - η Ρ Γ η ΊΡΟΕ/ • " Ί 2 Π Π Π ; L X X oi κωφοί, ακούσατε, και οί τυφλοί, άναβλέψατε ίδεΤν) verdanken. Dabei s t e h t e i nem Rückgriff auf den hebräischen T e x t von Jes 42,18 theoretisch nichts im W e g e , da die W i e d e r g a b e von 1702/ durch άκούειν und von ΠΧ~Ι durch ά ν α β λ έ π ε ι ν (vgl. 1 Kön 14,27LXX) nichts Ungewöhnliches darstellte. Eine semitische U r f a s s u n g von M t 11,5 liegt damit im Bereich des Möglichen, ohne daß sie zwingend beweisbar w ä r e .

Traditionsgeschichtliche Vorstufen von Mt ll,5par ohne Erwähnung von Totenerweckungen und Aussätzigenheilungen lassen sich nicht nachweisen 1 9 . Das Fehlen jeden Hinweises auf die für Jesus konstitutiven Dämonenaustreibungen spricht gegen die Auffassung, hier liege eine authentische Stellungnahme Jesu zu seinem Wunderwirken vor 2 0 . Bei Mt ll,5par handelt es sich um einen nachösterlichen Wunderkatalog, der nicht erst Anlaß zur sekundären Formulierung von Krankenheilungs- und

denen in der M e h r z a h l keine direkte Abhängigkeit von M t l l , 5 p a r f e s t s t e l l b a r ist. Vgl. f e r n e r F r a n k f u r t e r , M i r a c l e - L i s t Tradition 3 4 4 - 3 7 4 . 17 Vgl. Gundry, Use of the OT 80. 18 Stendahl, School of St. M a t t h e w 91; Gundry, Use of the OT 79f.; Vögtle, W u n d e r und W o r t 2 3 2 . 19 Als Möglichkeit bei Strobel, Verzögerungsproblem 274, Anm.l; Pesch, T a t e n 49. Die im mandäischen Joh-Buch Kap. 76 (dt. T e x t : Lidzbarski, J o h Buch II 243) auf A n o ¥ - U t h r a b e z o g e n e Parallele zu M t l l , 5 p a r ohne T o t e n erweckungen wird ebenso wie die Wunderkataloge im Rechten Ginza (GR 29,9f.; 53,6ff.) und im Joh-Buch Kap. 72 von der syn Tradition abhängig sein (Bultmann, Syn Tradition 22f., Anm.2; Schürmann, L k - E v I 412, Anm.34; Rudolph, M a n d ä e r I 103-105). 20 Richtig Vögtle, W u n d e r und W o r t 233; Gnilka, M t - E v I 410; vgl. f e r ner Stuhlmacher, Evangelium 218-223; Pesch, T a t e n 3 6 - 4 4 ; H o f f m a n n , S t u dien 198-215. - Sekundäre Varianten von M t 11,Spar mit D ä m o n e n a u s t r e i b u n gen begegnen u.a. Act Pauli 10 (PHamb 8); T e r t , Apol 21,17, und im A b g a r brief (Euseb, Hist Eccl I 13,6).

220

Krankenheilungen Jesu

Totenerweckungsberichten Jesu gab21, sondern seinerseits bereits die Kenntnis solcher Wundergeschichten voraussetzt. Wie τά έργα του Χρίστου Mt 11,2/περί πάντων Lk 7,18 zeigt, ist schon in Q bei den Mt ll,5par aufgelisteten Wundern an Taten Jesu gedacht 22 , was von Lk durch Einfügung von 7,21 noch deutlich ausgebaut wird. Wenn zudem die Schriftorientierung an (Dt-)Jesaja mit λεπροί καθαρίζονται durchbrochen wird, dürfte sich dies einer Kenntnis von Aussätzigenheilungsberichten wie Mk 1,40-44 verdanken 2 3 . Das die gezielte Zusammenstellung von Mt ll,5par leitende Kriterium bestand offensichtlich darin, über Jesus erzählte Wunder, die einen Haftpunkt in der eschatologischprophetischen Wundertopik des AT besaßen, als Erfüllung der Schriftverheißungen zu qualifizieren (vgl. Mk 7,37). Von daher ist das Fehlen von Dämonenaustreibungen in Mt ll,5par nicht verwunderlich, da solche weder in prophetischen Heilsaussagen des AT noch im Elia-Elisa-Zyklus Anhalt haben. Die Relation zwischen Wundertat und Wort ist auch in Mt ll,5par durch eine wechselseitige Bezogenheit beider Formen des Wirkens Jesu mit Schwerpunkt auf der Tat gekennzeichnet. Die Wunder stehen im Vordergrund, bevor mit πτωχοί ευαγγελίζονται im nachhinein die Verkündigung Erwähnung findet. Auch wenn diese Abfolge aus Jes 29,18f. vorgegeben ist und damit nur bedingt Rückschlüsse auf die bei den Tradenten von Mt ll,2-6par dominante Verhältnisbestimmung beider Größen zuläßt, erhielt hier doch Jes 29,18f. gegenüber Jes 61,lf. mit der umgekehrten Rangordnung von Wundergeschehen und Verkündigung den Vorzug. Zudem ist auch Lk 7,22 (Q) mit α είΧετε και ακούσατε eine formale Vorordnung der Tat gegenüber dem Wort gegeben. Das Wunder

21 Bultmann, Syn Tradition 22: Mt 11,Spar wolle lediglich mit den Farben (Dt-)Jesajas die selige Heilszeit schildern, die Jesus gegenwärtig anbrechen spüre, ohne daß man die einzelnen Aussagen auf bereits geschehene Ereignisse beziehen dürfe. Ebenso Jeremias, Gleichnisse 116; Kuhn, Enderwartung 196; Müller, Krankheit und Heilung 99-101; Kertelge, Überlieferung 187f.; Merklein, Jesu Botschaft 67. 22 Zudem wird Mt 11,5 gegen αλλεσθαι Jes 35,6 mit περιπατεΤν ein Wort benutzt, das für die ntl Gelähmtenheilungserzählungen (Mk 2,9; Joh 5,8-12; Apg 3,6-12; 14,8.10) typisch ist (Pesch, Taten 43). Ebenfalls als Rekurs auf bereits erzählte Wunder Jesu betrachten Mt 11,5 Schille, Wundertradition 42f.; Stuhlmacher, Evangelium 220-225; Hoffmann, Studien 203; Polag, Christologie 36, Anm.100. 23 Bei λεπροί καθαρίζονται Mt 11,5 könnte 2 Kön 5,1-19 im Hintergrund stehen (dort in L X X mehrfach λέπρα und καθαρίζειν). Daß der καθαρά όδός von Jes 35,8 zur Erwähnung der Aussätzigenheilungen inspirierte (so Dupont, L'ambassade 950), ist dagegen unwahrscheinlich.

Die Logienüberlieferung

221

ruft das Wort hervor, und umgekehrt vertieft das Wort das Wundergeschehen im Sinne präsentischer Erfüllung dessen, was in der atl Prophetie an künftigem Heil verheißen w i r d 2 4 . Auch wenn Mt ll,5par mit dem Fehlen von

Dämonenaustreibungen

nicht unmittelbar auf Jesus zurückführbar ist, liegt dort ein r e c h t

ar-

chaisches Verständnis seiner Wunder vor. In sachgemäßer Anknüpfung an deren präsentische Heilsbezüge (vgl. Lk l l , 2 0 p a r ) 2 5 wird das in der jüdischen Eschatologie für die Zukunft erwartete Weichen von Krankheit, Leid und T o d 2 6 als ein mit dem Auftreten Jesu bereits realisiertes Geschehen betrachtet.

2.1.2. Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen (Mt 13,16f./Lk 10,23f.) In engem Zusammenhang mit Mt 11,5/Lk 7 , 2 2 und Mt 1 2 , 2 8 / L k 11,20 steht die Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen Mt 13,16f./Lk 10,23f. Der ursprüngliche Kontext dieses Q-Makarismus, der bei Mt wie Lk sekundär der Jüngerbelehrung d i e n t 2 7 , ist nicht nicht mehr auszumachen. Die vergleichsweise wortgetreuere Q-Fassung findet sich bei Lk. Der einleitende Makarismus dürfte Lk 10,23b in ursprünglicher Form vorliegen; denn die Einfügung von ύμων, das die wörtliche Bedeutung des βλέπειν spiritualisierende δτι βλέπουσιυ 28 und das kontextkonform zu einer Parallelität von Sehen und Hören führende και τά ωτα ύμων άκούουσιν werden sich mt Redaktion verdanken 2 9 . In Mt 13,17 diff. Lk 10,24 hat Mt βασιλεύς durch 24 Gegen Delling, Botschaft und Wunder 395, der Mt 11,5 in den Taten Jesu lediglich eine Bestätigung des Wortes sieht. 25 Hoffmann, Studien 208 (vgl. 203 "Endzeit im Vollzug"); Merklein, Jesu Botschaft 68: Bei Mt ll,5f. handele es sich um einen sehr frühen Kommentar zu Jesu Wirken, der auf dessen Taten in wirkungsgeschichtlich adäquater Weise reagiere; Nielsen, Heilung 63: Mt 11,5f. sei zumindest in dem Sinne authentisch, daß das dortige eschatologische Wunderverständnis sachgerecht Jesu eigenes Verständnis seiner Heilungstätigkeit wiedergebe. 26 In jüdischer Eschatologie ist das endzeitliche Weichen von Krankheit, Leiden und Tod ein fester Topos, vgl. Jub 23,29f.; äth Hen 96,3; slav Hen 65,9; syr Bar 73,1-3; 4 Esra 7,121(äth).123; 8,53f. 27 Lührmann, Redaktion 61; Hoffmann, Studien 287. Mt integriert 13,16f. ad vocem άκούειν και βλέπειν in seine Version der "Parabeltheorie" Mt 13,10-17, während Lk durch 10,23a eine redaktionelle (Schulz, Q 419 mit Anm.105) Anbindung von 10,23f. an die Q-Tradition 10,21f. herstellt. 28 Strecker, Weg der Gerechtigkeit 197. 29 Vgl. Schulz, Q 420; Luz, Mt-Ev II 302 mit Anm.20. - Conzelmann, Mitte der Zeit 177-190; Kuhn, Enderwartung 194, vermuten dagegen lk Tilgung von και τά ωτα ύμων δτι άκούουσιν, motiviert durch ein lk Primat der Tat gegenüber dem Wort.

222

Krankenheilungen Jesu

sein Vorzugswort δίκαιος ersetzt 3 0 , während Lk άμήν gestrichen haben wird (vgl. Lk 9,27; 21,3; 22,18.34 diff. M k ) . Als mutmaßlicher Q - T e x t ergibt sich μακάριοι οί οφθαλμοί οί βλέποντες α βλέπετε, άμήν γαρ λέγω ήμίν οτι πολλοί προφηται και βασιλείς ήθέλησαν (έπεθύμησαν) ίδεΐν α βλέπετε και ούκ είδαν, και άκοΰσαι α άκουετε και οΰκ ηκουσαν.

In grundsätzlicher Übereinstimmung mit Jesu Antwort auf die Täuferanfrage Mt 11,5/Lk 7,22 liegt hier ein präsentisches Verständnis der Heilsbezüge von Tat und Wort vor. Was selbst für Propheten und Könige als höchste Repräsentanten der Geschichte Israels Gegenstand zukunftsorientierter Hoffnung blieb 31 , hat sich in Jesu Wirken und der damit verbundenen Verkündigung gegenwärtig erfüllt und ist für die Augenund Ohrenzeugen Wirklichkeit geworden. Die Betonung liegt dabei wiederum auf den Taten Jesu. Im Makarismus Lk 10,23b wurden ursprünglich wohl allein die Sehenden seliggepriesen, im anschließenden Amen-Wort ist eine Vorordnung des Sehens vor dem Hören gegeben, wie es in der ältesten Form von Mt 11,5/Lk 7,22 der Fall war. Da Mt 13,16f. keine christologische Traditionsbildung aufweist und dem Inhalt nach mit dem Wunderverständnis von Mt 12,28/Lk 11,20 kohärent ist, dürfte eine authentische Aussage Jesu zu dem mit seinem Auftreten verbundenen Tatgeschehen, am ehesten Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen, und der darauf bezogenen Verkündigung gegeben sein 3 2 .

2.2. Synoptisch-johanneische Wunderheilungsberichte 2.2.1. Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 1,29-31) Den Auftakt der Krankenheilungen Jesu im Mk-Ev markiert Mk 1,29-31, wo die fieberkranke Schwiegermutter des Simon Petrus auf Jesu Eingreifen hin genest. Dieser bereits vormk in Kapernaum lokalisierte Traditionsstoff 1 enthält zwar die allernotwendigsten Bestandteile

30 δίκαιος begegnet 17mal bei M t ( M k 2mal; Lk llmal); vgl. auch Strecker, W e g der Gerechtigkeit 197, Anm.3; Kuhn, Enderwartung 194, Anm.3. 31 Vgl. die futurische Aussage Ps Sal 17,44 μακάριοι οί γενόμενοι έν ταΐς ήμέραις έκείναις ίδεΐν τά άγαθά 'Ισραήλ ... α ποιήσει ό θεός. 32 Bultmann, Syn Tradition 135; Kuhn, Enderwartung 195; Kümmel, V e r heißung 105; Grimm, Selige Augenzeugen 172-179; Hoffmann, Studien 210; Merklein, Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 162; Sato, Q 261; Nielsen, Heilung 55-57. - Schulz, Q 421, rechnet dagegen mit Gemeindebildung in Q, Käsemann, Anfänge 90f., mit einer Gemeindeordnung aus dem palästinischsyrischen Grenzraum. 1 και είσπορεύονται εις Καφαρναούμ M k 1,21 dürfte die ursprüngliche Einleitung von 1,29-31 darstellen, vgl. Schenke, Wundererzählungen 96.109;

Wunderheilungsberichte

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eines typischen Wunderheilungsberichtes, läßt jedoch keine christologische oder anderweitige kerygmatische Stilisierung erkennen. Dies deutet darauf hin, daß die Erzählung ihre Tradierung primär einem biographischen Interesse an Simon Petrus und seiner Familie verdankt. Historisch ist an Mk 1,29-31, daß Simon Petrus verheiratet war (1 Kor 9,5). Darüber hinaus kann der Wunderbericht die geschichtliche Erinnerung an eine Fieberheilung bewahrt haben, die Jesus an der Schwiegermutter des Petrus in Kapernaum vollzog2. Vermutlich handelte es sich dabei um eine Dämonenaustreibung. Fieber galt im antiken Volksglauben weithin als dämonisch verursacht 3 , in Mk 1,30 (και άφηκεν αυτήν ό πυρετός) wirkt es personifiziert, und Lk führt die Heilung durch Einfügung von έπετίμησεν τω πυρετω (4,39) expressis verbis auf die Bedrohung eines Fieberdämons zurück. Auffällig ist der schlichte Heilgestus von Mk 1,31. Jesus richtet die Frau durch Handergreifung auf 4 , woraufhin das Fieber weicht und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (και διακονεί αύτοΐς) erfolgt. Von charismatischem Gebet (bBer 34b) oder magischen Praktiken (4 Q 560 1,4; bSchab 66b.67a; HDM A 111,23), wie sie sonst im antiken Judentum bei Fiebererkrankungen bezeugt sind, ist keine Rede.

2.2.2. Heilung eines Aussätzigen (Mk 1,40-45) In dem Aussätzigenheilungsbericht Mk 1,40-45 wirken 1,43 und das darauf bezogene Geheimhaltungsgebot 1,44a sekundär 5 , zumal in PapEg 2 eine Parallelfassung der Erzählung begegnet, die 1,43.44a nicht enthält und in dieser Hinsicht traditionsgeschichtlich ursprünglicher sein könnte 6 . Pesch, M k - E v I 116f. Die jetzige Exposition 1,29a ist ebenso redaktionell wie die unter Einfluß von Mk 1,16-20 vollzogene Erwähnung dreier weiterer Jünger neben Petrus (vgl. Kertelge, Wunder Jesu 60; Gnilka, Mk-Ev I 83). 2 Lohmeyer, M k - E v 40; Roloff, Kerygma 115f.; Schenke, Wundererzählungen 120ff.; Pesch, Mk-Ev I 131; Gnilka, Mk-Ev I 84f. 3 Vgl. 4 Q 560 1,4; Test Sal 7,6f.; Naveh/Shaked A 9; PGM XIII,15-17 sowie antike Fluchtafeln, auf denen Totengeistern die Verursachung von Fieber bei mißliebigen Personen befohlen wird (z.B. Ziebarth, Fluchtafeln Nr. 24 ένβάλετε πυρετούς χ α λ ε π ο ύ ς εις πάντα τά μέλη). 4 Möglicherweise ist an Kraftübertragung gedacht (Böcher, Christus Exorcista 81; Pesch, M k - E v I 130), da die Handergreifung dem Eintritt der Genesung vorausgeht (ähnlich Mk 5,41; 9,26). Vgl. zur Handauflegung als christlichem Fieberheilgestus Apg 28,8; Act Barn 15 (έπιθέντες τάς χείρας ευθέως άπεστήσαμεν του πυρετόν αϋτοΰ, έπικαλεοάμενοι τό δνομα τοΰ κυρίου Ίησοΰ). 5 Mk 1,45 ist recht eindeutig redaktionell (gegen Pesch, Taten 59). 6 Lührmann, M k - E v 54; Crossan, Historical Jesus 321-323. Anders Pesch, Taten 107-113; Neirynck, PapEg 2 and the Healing of the Leper 773-779. Text der Parallele in PapEg 2 bei Aland, Synopse 60.

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Krankenheilungen Jesu

Indem der Hilfsbedürftige Mk 1,40 als λεπρός gilt, ist eine derjenigen Hauterkrankungen vorausgesetzt, die in LXX unter dem Sammelbegriff λέπρα (MT ΓΙϋΊΧ) begegnen. Im Corp Hippocr wird mit λέπρα die recht harmlose, nicht ansteckende Schuppenflechte bezeichnet 7 , die auch bei den minder schweren Fällen von Lev 13 gemeint sein dürfte. Daneben scheinen unter λ έ π ρ α / Π ΰ Π ^ auch lebensgefährliche, übertragbare Krankheiten subsumiert worden zu sein. Wenn Aussätzige den Toten gleichgestellt werden (Num 12,12; Joseph, Ant 111,264), dürfte dies über kultische Unreinheit hinaus implizieren, daß es sich bei bestimmten Formen von λ έ π ρ α / Π ΰ Π ^ u m e ' n e schlimmstenfalls tödliche, allein von Gott heilbare Krankheit handelt (2 Kön 5,7). Entsprechend wird bSanh 47a die Heilung Naemans einer Totenerweckung gleichgestellt. Folglich werden bei der primär aus Gründen kultischer Reinheit erfolgten Isolation Aussätziger 8 auch medizinisch-hygienische Aspekte eine Rolle gespielt haben, indem bei einzelnen Formen von λέπρα/Π Ansteckungsgefahr bestand 9 . Herodot berichtet, daß bei den Persern an λέπρα Leidenden der Zugang zu den Städten und der Umgang mit anderen Personen verwehrt blieb (Hist 1,138), und auch Ktesias, Pers 41 (FGH IIIC 688,14), zufolge wurden dort λεπροί abgesondert (πασιν απρόσιτος). Dies deckt sich mit den Maßnahmen gegen Elephantiasiskranke, von denen Aretaios berichtet 1 0 . Die schweren, lebensbedrohlichen Fälle von λέπρα/ΓΙ können die meist tödliche Elephantiasis 1 1 oder den bei Paul Aeg IV,5 erwähnten, oft unheilbaren "weißen Aussatz" (λεύκη) miteingeschlossen haben. Folglich ist fraglich, ob der λεπρός von Mk 1,40-45 als ein von harmloser S c h u p p e n f l e c h t e (Psoriasis) Befallener angesehen und mit einer psychotherapeutischen Spontanheilung s o l c h e r Hautveränderungen durch Jesus g e r e c h n e t w e r d e n k a n n 1 2 , zumal sich weitere Zweifel gegen die Historizität der Erzählung erheben. Wie die zahlreichen A T - B e z ü g e

7 Hippocr, Morb 3, gilt λέπρη als eine der Krankheiten ohne tödlichen Ausgang, Hippocr, Äff 35, wird sie sogar mehr den Unansehnlichkeiten als den Krankheiten zugerechnet. 8 Vgl. zum Umgang mit Aussatz neben Lev 13f. und dem darauf bezogenen Mischnatraktat Negaim u.a. 11 Q TR 45,16-18; 48,14-49,4 (dazu: Yadin, Temple Scroll I 293f.); 4 Q Zadokite Fragments on Skin Desease (ed. J.M. Baumgarten, vgl. dazu auch Qimron, Notes 256ff.); Joseph, Ap 1,281; Bell V,227; Ant 111,261. Vgl. auch Billerbeck IV,2 745-763. 9 Bayer, RAC I (1950) 1026; ähnlich Preuß, Biblisch-talmudische Medizin 371-373. Vgl. zur Bestimmung von auch Seidl, ThWAT VI 1131f. (Lit.). 10 Aret IV 13,19 zufolge wurden bei Elephantiasis aus Furcht vor Ansteckung sogar engste Verwandte in der Wüste oder im Gebirge ausgesetzt und teilweise nicht einmal mit Nahrung versorgt. 11 Vgl. zur Elephantiasis Cels, Med III 25,Iff.; Aret IV13,lff.; VIII13,Iff.; Diosc, Mat Med 112; 1170,3; 1178,4; Simpl Med I 195; Plin, Hist Nat 26,7f.; Kyr I 4,22; PGM XXIIa,15. 12 Gegen Fenner, Krankheit 67f.; Koehler, "Aussatz" 291.

Wunderheilungsberichte

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zeigen, wurzelt Mk 1,40-44 traditionsgeschichtlich im Judenchristentum, wobei mit einer maßgeblichen Beeinflussung durch die Aussätzigenheilungserzählung 2 Kön 5,1-19 zu rechnen ist. Die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen Mk l,41f. und 4 Kön 5,13f. (καθαρίσθητι, και έκαθαρίσθη) deuten auf LXX-Einfluß und damit auf eine von vornherein griechische Formulierung des Stoffes hin 1 3 . Die Mk 1,40-44 vorliegende Traditionsbildung verdankt sich wesentlich dem Theologumenon von Jesus als eschatologischem Propheten oder "Gottesmann", der die Heilung Naemans durch Elisa übertrifft 1 4 . Über eine Handauflegung, wie sie 2 Kön 5,11 als gebräuchlicher Aussätzigenheilgestus vorausgesetzt zu sein scheint, und die Worte θέλω, καθαρίσθητι hinausgehend werden keine Heiltechniken Jesu erwähnt, während bSanh 101a zufolge Aussätzige mit Lev 13,9 besprochen wurden und HDM A 111,46 ein jüdisches Dämonenbeschwörungsformular gegen Aussatz bietet. Über physische Genesung hinaus impliziert Heilung von Aussatz im antiken Judentum die Wiederherstellung der Kult- und Kontaktfähigkeit 1 5 . Sollte Jesus mit Aussätzigen als gesellschaftlich wie kultisch weitgehend isolierten Personen Umgang gehabt und sie geheilt haben, stünde dies in deutlichem Gegensatz zu den Qumran-Essenern. Dort führte die auch für Jesu Denken maßgebliche Vorstellung einer von Krankheit freien eschatologischen Heilsgemeinschaft in Verbindung mit strengen kultischen Reinheitsvorschriften dazu, daß Aussätzige wie andere Gebrechliche nicht in die das Israel der Endzeit repräsentierende Gemeinde aufgenommen wurden und von deren kultischen Begehungen ausgeschlossen blieben (vgl. 11 Q TR 48,14-49,4; 1 Q Sa 11,5-7; 1 Q Μ VII,4f.). Von Mk 1,40-44 her ergeben sich allerdings keine gesicherten Anhaltspunkte für Aussätzigenheilungen Jesu, da hier offenkundig eine christologische Adaption und Überbietung von 2 Kön 5 vorliegt.

2.2.3. Die Gelähmtenheilungsberichte Mk 2,1-12/Joh 5,2-9b a) Mk 2,1-12 Von Gelähmtenheilungen Jesu, wie sie in dem Logion Mt ll,5par begegneten, ist in der Erzählüberlieferung Mk 2,1-12 und Joh 5,2-9b (vgl. 13 Vgl. auch δεΐξον τφ ίερεΤ Mk 1,44 mit δείξει τω ίερεΤ Lev 13,49. Ob die Anweisung Mk 1,44 prophetische Kritik an den religiösen Führern Israels impliziert (Broadhead, Witness of the Leper 260-265), erscheint zweifelhaft. 14 Vgl. Pesch, Taten 76-78 mit Anm.84a. 15 Vgl. zu diesen kultisch-sozialen Implikationen von Mk 1,40-45 Kazmierski, Evangelist and Leper 41ff.

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Krankenheilungen Jesu

auch Mk 3,1-6; Lk 13,10-17) die Rede. Daß in Mk 2,1-12 die Exposition 2,lf. weitgehend redaktionell ist und mit 2,5b(6)-10 als vormk Eins c h u b 1 6 eine ältere Wundergeschichte zum Apophthegma ausgestaltet wurde, kann keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen. Mit και είοελθών πάλιν εις Καφαρναούμ (2,1) knüpft Mk an 1,21 an 1 7 , nachdem er zwischenzeitlich Jesus in "ganz Galiläa" (1,39) hatte auftreten lassen. Mk 2,2 ist wohl in seiner Gesamtheit redaktionell. Daß sich viele um Jesus versammelten, wird auch Mk 4,1 und 5,21 in redaktionellen Rahmenbemerkungen erwähnt; προς την θύραν nimmt steigernd 1,33 auf, und και έλάλει αύτόΐς τόν λόγον schließlich ist ebenfalls typisch mk (4,33; 8,32). Da Mk 2,4 Jesu Anwesenheit in einem Haus voraussetzt, dürfte ήκούσθη δτι έν οίκφ έστιν 2,1b die ursprüngliche Exposition darstellen, an die sich mit και έρχονται φέροντες ein ähnlich abrupter Beginn anschloß, wie dies Mk 7,32; 8,22 mit και φέρουσιν der Fall ist. Die oft als widersprüchlich empfundenen und für eine zuverlässige Eingrenzung d e s Überlieferungsmilieus in Anspruch g e n o m m e n e n W e n dungen άπεοτέγαααν την στέγην und έξορύξαντες in Mk 2,4 sind hingegen ohne w e i t e r e s miteinander in Einklang zu bringen. Άπεστέγασαν την στέγην läßt an die ziegelgedeckte griechisch-römische Dachbauweise denken, έξορυξαντες dagegen an das flache palästinische Lehmdach. Dies könnte darauf hindeuten, daß die Erzählung ursprünglich in einem palästinischen Überlieferungsmilieu beheimatet war und später um das Motiv des Dachabdeckens erweitert wurde, um den Vorgang an griechischrömische Gegebenheiten anzupassen 1 8 . Zwingend ist dieser Rückschluß auf palästinische Herkunft der Gelähmtenheilungserzählung aber kaum, da flache Lehmdächer ebensogut außerhalb Palästinas bezeugt sind und έξορύξαντες sich auch auf eine unter dem ziegelgedeckten Schrägdach befindliche, horizontale Zwischendecke oder auf eine den Dachziegeln als Unterlage dienende Lehmschicht beziehen könnte 1 9 , ohne daß ein auf sekundäres Wachstum hindeutender Widerspruch in Mk 2,4 gegeben wäre.

16 Vgl. bes. Maisch, Heilung des Gelähmten 21-48; ähnlich Klauck, Sündenvergebung 225-236. Gegen Koch, Wundererzählungen 49f.; Lührmann, Mk-Ev 58, geht die Einfügung nicht auf Mk zurück, denn Mk 2,1-12 war als Apophthegma bereits Bestandteil einer vormk Streitgesprächsammlung, vgl. Kuhn, Sammlungen 53ff.; Thissen, Befreiung 90ff. 17 Thissen, Befreiung 47-49. - Pesch, Mk-Ev I 151; Gnilka, Mk-Ev I 98, rechnen Kapernaum zur vormk Tradition. 18 Lohmeyer, Mk-Ev 51; Maisch, Heilung des Gelähmten 17; Gnilka, Mk-Ev I 97. 19 Vgl. zu entsprechenden Dachkonstruktionen in der Antike Deichmann, RAC III (1957) 520f.631-636, zu Flachdächern außerhalb Palästinas ebda. 517-519.

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Vermutlich verdankt sich die Schilderung von Mk 2,4 dem Motiv eines erschwerten Zugangs zum Wundertäter 20 , wie die gesamte Erzählung von der Topik her typische Elemente antiker, speziell hellenistischer Heilungswundertraditionen aufweist. In den Gelähmtenheilungsberichten von Epidauros werden die Patienten stereotyp auf einer Bahre (επί κλίνας) zum Asklepieion gebracht (W 35.64.70), und W 15 bietet einen Mk 2,llf. entsprechenden Demonstrationsschluß, indem die von ihrer Lähmung geheilte Person als Erweis der Genesung einen größtmöglichen Stein zum Heiligtum zu bringen hat. Enge Berührungen mit Mk 2,1-12 weist zudem eine unterschiedlich ausgestaltete antike Wanderlegende (Cic, De Div 126,55; Livius 1136,1-8; Plut, Coriolanus XXIV,1-3) auf, derzufolge ein zur Strafe Gelähmter auf der Bahre (lectic[ul]a od. κλινίδιον) zum Senat getragen wird, dort nach ordnungsgemäßer Berichterstattung wieder genest und zum Erstaunen aller auf eigenen Füßen den Heimweg antritt 21 . Noch weiterreichende Analogien zu Mk 2,1-12 bietet Luc, Philops 11, wobei es sich dort allerdings nicht um eine Lähmung, sondern um einen Schlangenbiß handelt. Midas wird auf einer Liege (επί σκίμποδος) von seinen Mitsklaven gebracht und trägt nach erfolgter Heilung die Bahre auf seinen Schultern davon. Die Pistis in die Kraft des Wunderheilers (Mk 2,5a) ist außerhalb des NT im Zusammenhang mit Asklepios und Sarapis belegt 2 2 . Hauptunterschied der ntl Erzählung gegenüber den genannten religionsgeschichtlichen Parallelen ist neben dem Lobpreis Gottes Mk 2,12b, daß der Heilungsbefehl εγείρε και άρον τον κραβαττόν σου και περιπατεί 2,11 in direkter Rede wortgetreu wiedergegeben wird 2 3 . Wegen der 20 Theißen, Wundergeschichten 62f. Für dämonistische Bezüge (Jahnow, Abdecken des Daches: Dem Dämon solle der eigentliche W e g in das Haus verheimlicht werden; vgl. auch Berger/Colpe, Textbuch 34) sind nicht die geringsten Hinweise gegeben. Pesch, Mk-Ev I 158, vermutet im Dachabdecken gar historische Erinnerung. 21 Vgl. dazu Maisch, Heilung des Gelähmten 61-64. 22 Gegen Roloff, Kerygma 204 (Pistis als historisches Motiv in Wunderkontext); Gnilka, Jesus 130 (Glaube als Proprium ntl Wunderberichte; ähnlich bereits Bieler, ΘΕΙΟΣ ANHP 113ff.). Vgl. dagegen Strabo VIII 6,15 ('Ασκληπιού θεραπευειν νόσους παντοδαπάς πεπιστευμενου); XVII 1,17 (Selbst die angesehensten Männer glaubten an Heilungen im Sarapisheiligtum von Canabos und fänden sich dort zur Inkubation ein); W 3 (Ein an den Fingern Gelähmter glaubt nicht an die Heilkraft des Asklepios; als er im Traum seinen Unglauben ablegt, erwacht er geheilt, erhält aber zur Strafe den Namen "Απιστος); Luc, Abdicatus 5 (Dem seinen Vater heilenden Arzt b e gegnet die Stiefmutter als άπιστοΰσα), zum Ganzen Theißen, Wundergeschichten 133-136; Aune, Magic 1535. 23 Vermutlich ist hier ein Heilwort christlicher Wundercharismatiker eingeflossen, vgl. bes. Apg 3,6 εν τφ ονόματι Ίησοΰ Χρίστου τοΰ Ναζωραίου

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Krankenheilungen Jesu

offenkundigen engen Berührungen mit griechisch-römischen Wundertraditionen, die überwiegend vorchristlichen Alters sind, erscheint es recht fraglich, ob sich hinter der traditionellen Topik von Mk 2,1-12 tatsächlich eine Gelähmtenheilung Jesu als historischer Haftpunkt verbirgt 24 .

b) Joh 5,2-9b Ein Mk 2,1-12 im Kern entsprechender Gelähmtenheilungsbericht begegnet Joh 5,2-9b, einer erst sekundär in 5,9c-18 zum Sabbatkonflikt ausgeweiteten Tradition. Fast wörtliche Übereinstimmungen bei dem Heilungswort Joh 5,8/Mk 2,9.11 wie dem Demonstrationsschluß Joh 5,9ab/Mk 2,12a und die jeweilige Verwendung des seltenen κράβαττος lassen an einer traditionsgeschichtlichen Verwandtschaft beider Erzählungen kaum Zweifel aufkommen 25 , zumal Joh 5,14 in Entsprechung zu Mk 2,5b eine Beziehung zwischen Krankheit und Sünde hergestellt wird. Unterschiede bestehen dahingehend, daß es sich bei dem Gelähmten Mk 2,3 um einen παραλυτικός, Joh 5,4 hingegen um einen χωλός handelt, wobei zur Betonung der Schwere des Falles eine Krankheitsdauer von 38 Jahren vermerkt wird. Zudem sind die Begleitumstände der Heilung bei Joh anders, da sich die gesamte Szene in Jerusalem an der Teichanlage Βηθεσδά26 abspielt. Dort wartet Joh 5,4 zufolge eine Reihe Gebrechlicher, um beim Sprudeln einer intermittierenden Quelle in das Wasser herabzusteigen und Heilung zu finden 2 7 . Heilende Quellen sind in der Antike für den Asklepioskult charakteristisch (vgl. bes. Ael Arist, Or 39,14f.). Eine direkte Parallele zu Joh 5,2b-9 findet sich in der Epidaurosinschrift W 37, wo von der Heilung des gelähmten Kleimenes von Argos berichtet wird, den Asklepios im Traum zu einem außerhalb des Heiligtums liegenden Teich führt. Als Kleimenes erwacht, badet er und kommt gesund aus dem εγείρε και περιπατεί, ferner Apg 9,34; 14,10. In keiner der griechisch-römischen Parallelen zu Mk 2,1-12 begegnet hingegen eine in wörtlicher Rede an den Kranken gerichtete Heilungsformel. 24 So vermutet von Pesch, Mk-Ev I 157f.; Gnilka, Mk-Ev I 98. 25 Gegen Becker, Joh-Ev I 231; ähnlich Schnackenburg, Joh-Ev II 122. 26 Vgl. zum textkritischen Problem Jeremias, Discovery of Bethesda l l f . ; Barrett, Joh-Ev 268f., zu den archäologischen Fragen von Joh 5,2 Jeremias, aaO. 13-38; Duprez, Jesus et les dieux gue'risseurs 28ff. Die Existenz von Bethesda in ntl Zeit verbürgt aber nicht eo ipso die Historizität von Joh 5,2-9b, sondern dürfte ihrerseits zur Lokalisierung der ursprünglich situationslos überlieferten Wunderheilungserzählung Anlaß gegeben haben. 27 Cels, Med III 27,1, empfiehlt bei Lähmung (paralysis) so oft als möglich künstliche oder natürliche Heilbäder.

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Wasser heraus (εξεγερθείς δ' έλοΰτο και άσκηθής εξήλθε). Auch der Umstand, daß die im NT ausschließlich Joh 5,9 belegte Wendung έγένετο ύγιής in den Epidaurosinschriften nicht zuletzt im Zusammenhang mit Gelähmtenheilungen stereotyp begegnet 2 8 , deutet auf eine unmittelbare Beziehung zwischen Joh 5,2-9b und Wunderheilungstraditionen des Asklepioskultes hin 2 9 . Dabei dürfte das Interesse wirksam sein, die Überlegenheit Jesu gegenüber Asklepios als Wundertäter herauszustellen. Neben der Betonung der Krankheitsdauer als Steigerungsmotiv spricht hierfür der Sachverhalt, daß Jesus bei seiner Gelähmtenheilung Joh 5,8 nicht wie Asklepios einer Heilquelle bedarf, sondern allein durch ein Befehlswort die Gesundung bewirkt 30 . Daß in Joh 5,2-9b eine Traditionsvariante von Mk 2,1-12, die ähnlicher historischer Skepsis wie jene Erzählung unterliegt, nunmehr in Jerusalem lokalisiert wird, spricht keineswegs gegen solch eine Auseinandersetzung mit dem Asklepioskult. Dieser hatte sich im lJhdt.n.Chr. in Phönizien (Strabo XVI 2,22; vgl. Paus VII 23,7f.) und wohl auch in Galiläa etabliert, wobei für die von Josephus (Bell 11,614; Ant XVIII,36) erwähnten Heilquellen von Tiberias durch Münzen aus dem Jahre 99n.Chr. Asklepiosbezüge gesichert erscheinen 31 . Die Bindung des Geschehens von Joh 5,2-9b an Bethesda schließlich wird dadurch motiviert sein, daß sich dort im l.-2.Jhdt.n.Chr. vermutlich ein Asklepios-Sarapis-Heilbetrieb befand 3 2 .

2.2.4. Heilung der blutflüssigen Frau (Mk 5,25-34) In dem erst redaktionell in die Jairusgeschichte integrierten Heilungsbericht Mk 5,25-34 dürften Vv 28.31 und die vielleicht unter Einfluß von Mk 10,52 formulierte Wendung θυγάτηρ, ή πίστις σου σέσωκεν οε (5,34b) auf Mk zurückgehen 33 . Die verbleibende vormk Wundertradition erzählt von der Heilung einer Frau, als deren Leiden Blutfluß (ρύσις αίματος)

28 υγιής έγενετο bei Gelähmtenheilungen: W 16.57 (ähnlich W 70: υγιής γενόμενος), im Zusammenhang mit sonstigen Heilungen u.a. W 5.11.23. 29 Rengstorf, Anfänge 16f. 30 Vgl. Arnobius, Adv Nat 1,48 (CSEL 4, 32): Die Heilungen durch Asklepios seien menschlich, da er sie im Gegensatz zu Jesus unter Heranziehung von Heilmitteln bewirke. 31 Vgl. McCasland, Asclepios Cult in Palestine 223f. 32 Duprez, Jesus et les dieux gue'risseurs 89-97. 33 Gnilka, Mk-Ev I 213. Koch, Wundererzählungen 136-138, hält dagegen Mk 5,30-34 für eine vormk Erweiterung. Vgl. zur mk Verschachtelungstechnik in 5,21-43 insbes. Mk 11,12-21.

230

Krankenheilungen Jesu

angegeben wird. Es handelt sich dabei um eine krankhaft intensive M e n struationsblutung o d e r e h e r noch um eine chronische

Gebärmutterblu-

tung. Als Steigerungsmotiv b e g e g n e n die Angabe einer

Krankheitsdauer

von z w ö l f Jahren und der traditionelle T o p o s v o m V e r s a g e n der Ä r z t e 3 4 . Der Kontakt mit einer Menstruierenden galt in der Antike grundsätzlich als numinos-schädigend 35 . In besonderem Maße trifft dies im Judentum zu, wo die Berührung mit einer Menstruierenden kultisch unrein macht und sich eine Vielzahl von Reinheitsgesetzen dem Problem des Blutflusses widmet 3 6 . Die Krankheitsbeschreibung Mk 5,25 (και γυνή ουσα εν "ρυσει αίματος δώδεκα ετη) greift Formulierungen aus Lev 15,19 L X X (και γυνή, ή'τις έάν ρέουσα αΐματι, εσται ή ρύσις αυτής έν τ ω σώματι αυτής ... ) auf, ohne daß expressis verbis die permanente kultische Unreinheit der blutflüssigen Frau reflektiert würde. Deutet b e r e i t s d i e s e L X X - O r i e n t i e r u n g 3 7 auf ein hellenistisch-judenchristliches Traditionsmilieu hin, so wird dies auch durch die heilung ohne W i s s e n scheint θείος

in

des Wundertäters

Übereinstimmung

άνήρ, der

magisch

mit

mit

antiken

einer

Kontakt-

M k 5,28f. bestätigt. Jesus Herrscherkulttraditionen

heilenden

Kraft

(δύναμις)

erals

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i s t 3 8 , die ohne sein Zutun durch einfache Berührung wirksam gemacht w e r d e n kann. Die Vorstellung, daß die Berührung des Gewandes bedeutsamer Personen Teilhabe an deren Kraft oder Glück sichert, ist im Zusammenhang mit A l e x ander und Sulla belegt 3 9 . Speziell Heilungen durch bloßen Körperkontakt

34 Vgl. ergänzend zu den Belegen bei Weinreich, Antike Heilungswunder 195f., noch Tob 2,10; 1 Q Gen Ap XX,20; Luc, Abdicatus 4 (speziell dazu: Wöhrle, Medizinische Theorie 104ff.). Eine Reihe ärztlich-pharmakologischer Heilmittel gegen Blutfluß findet sich Plin, Hist Nat 20,180; 26,131.155; 28,255f.; Diosc, M a t Med IV43f.; bSchab 110b; PDM XIV,953-955.961-965. 35 Vgl. Diosc, Mat Med II79, und Plin, Hist Nat 7,64ff.; 28,77ff.: Menstruationsblut mache neuen Wein sauer, lassen Bienen sterben, Spiegel erblinden, Hunde wahnsinnig werden etc. (dazu: McDaniel, Medical and M a g i cal Significance 531ff.). 36 Vgl. Lev 15,19-30; 11 Q TR 48,15-17; Joseph, Bell VI,426f.; Ant 111,261; Zabim V,6f., zur magisch-schädigenden Wirkung, einer Menstruierenden zu begegnen, bPes l i l a . Vgl. auch Trümmer, Blutende Frau 109-118. 37 Für einen Rückgriff auf den M T sind keinerlei Indizien gegeben. Völlig abwegig Pesch, M k - E v I 303: μάστιξ Mk 5,29 rekurriere auf in den von Aussatz (!) handelnden Stellen Lev 14,3.48 M T diff. άφή L X X . 38 Vgl. Preisigke, Gotteskraft 210ff.; Bieler, ΘΕΙΟΣ ΑΝΗΡ I 80-82; Hahn, Hoheitstitel 312f. 39 Arrian, Alexandri Anabasis VI,13 (ed. E.I. Robson, L C L ) ; Plut, Sulla X X X V , 3 f . Vgl. auch Act Joh 62: Bei Ankunft des Johannes in Ephesus berührten die dortigen Christen "seine Füße und legten sich seine Hände auf ihr

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werden von Pyrrhus berichtet, dessen rechter großer Zehe man eine δύναμις θεία nachsagte, die sich u.a. in der Heilung Milzsüchtiger mit der Fußspitze zeigte (Plut, Pyrrhus III,4f.; Plin, Hist Nat 7,20; 28,34).

Bei Mk 5,25-34 handelt es sich um eine im Judenchristentum entstandene Wundergeschichte hellenistischer Prägung, die keine historischen Anhaltspunkte für die Heilung einer blutflüssigen Frau durch Jesus aufweist 4 0 . Ihre Entstehung verdankt sie missionarisch-werbenden Interessen, wie neben der Betonung der langen Krankheitsdauer und des Ärzteversagens auch die Darstellung Jesu als eines besonders kraftgeladenen Thaumaturgen zeigt 41 .

2.2.5. Die Heilung des Taubstummen (Mk 7,31-37) Der ursprünglich ohne geographischen oder chronologischen Rahmen tradierte Taubstummenheilungsbericht Mk 7,32-37, der erst von Mk durch Voranstellung von 7,31 in der Dekapolis lokalisiert wird 42 , ist von einem besonders ausgeprägten Interesse an Heiltechniken gekennzeichnet. Jesus weist hier Züge eines volkstümlichen Arztes auf, indem er sich pharmakologisch-manipulativer Praktiken mit magischem Einschlag bedient. Bei dem Kranken handelt es sich um einen Taubstummen (κωφός και μογιλάλος), wobei δεσμός της γλώσσης Mk 7,35 als Bindung der Zunge durch einen Krankheitsdämon aufzufassen sein dürfte 43 . Der

Gesicht und küßten sie, und sie streckten ihre eigenen Hände aus und küßten sie, wenn sie ihn berührten, weil sie wenigstens seine Kleider berührt hatten (οτι καν ηψαντο των ιματίων αΰτοΰ)". 40 Gegen Pesch, Mk-Ev I 305f., der sogar die Krankheitsdauer für ein historisches Motiv hält, obgleich er sie zuvor als festen Wundergeschichtentopos erkannt hatte (Mk-Ev I 301). 41 Vgl. Schenke, Wundererzählungen 208; Gnilka, Mk-Ev I 215-219. 42 Vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 149; Gnilka, Mk-Ev I 296; Lührmann, Mk-Ev 132. Marxsen, Evangelist 43f.; Pesch, Mk-Ev I 393, halten die Lokalisierung "inmitten der Dekapolis" dagegen für traditionell. - Zudem ist Mk 7,34.36 redaktionell beeinflußt. Die griechische Übersetzung von εφφαθα 7,34 wird auf Mk zurückgehen, vgl. die analogen Befunde in Mk 5,41 und 15,22.34. In Mk 7,36 wurde vermutlich ein vormk im Singular an den Geheilten gerichtetes Geheimhaltungsgebot (7,36a; vgl. Theißen, Wundergeschichten 152) redaktionell ausgestaltet. 43 Die Fluchtafel SIG 3 1175 enthält mehrfach die Wendung (κατ)έδησα την γλωσσαν, wobei an einen Vollzug des Schadenszaubers durch Dämonen gedacht sein dürfte. Dämonisch verursachte Stummheit ist auch Schurpu VII,33; Plut, Mor 438B, und PGM XIII,242-244 vorausgesetzt. Vgl. auch Deißmann, Licht vom Osten 258-261; Pesch, Mk-Ev I 397.

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Taubstumme wird beiseitegenommen, um die Geheimhaltung der Wunderpraktiken zu gewährleisten 4 4 , bevor Jesus ihm zunächst die Finger in die Ohren steckt. Das nachfolgende πτύσας ist mehrdeutig. Es könnte sich dabei um ein dämonenbannendes Ausspucken handeln, das Plin, Hist Nat 28,36, zufolge bei jedem Heilverfahren als unterstützende Begleitmaßnahme üblich war (despuere precatine in omni medicina mos est atque ita effectus adiuvare, vgl. Hist Nat 26,93) 4 5 . Da Speichel in der Antike ein beliebtes Heilmittel darstellte 4 6 , dürfte πτύσας allerdings eher eine therapeutische Speichelverwendung als ein apotropäisches Ausspeien implizieren. Jesus bespuckt seine Hand und bestreicht die Zunge des Taubstummen mit Speichel. Hippocr, Epid V,80 (par VII,85), erleidet der stumme Epileptiker Androphanes (ΆνδροφανεΤ άφωνίη, λήρησις) nach seiner Heilung regelmäßig Rückfälle und muß die trockene, wohl am Gaumen festklebende Zunge anfeuchten, um die Sprache zurückzugewinnen (ή Si γλωσσά διετέλει πάντα τον χρόνον ξηρή· και ει μή διακλύζοιτο, διαλέγεσθαι οΰχ οΐός τε ήν). Cael Aur, Tard Pass 11,22, empfiehlt bei chronischer, zu Stummheit führender (11,6) Lähmung der Zunge, ein Gemisch aus warmem Wasser und Ol in den Mund zu geben, um die Zunge zu lockern 47 . Sofern δεσμός της γλώσσης tatsächlich auf einen dämonischen Ursprung der Krankheit anspielt, könnte ergänzend zu solcher Verwendung des Speichels auch an eine antidämonische Wirkung gedacht sein, indem der die Zunge bindende Dämon durch Speichel entkräftet wird 4 8 . Der Speicheltherapie schließen sich ein Aufblick zum Himmel, bei dem es sich in Analogie zu Mk 6,41 um einen Gebetsritus handeln 44 Vgl. Theißen, Wundergeschichten 70f., mit Belegen, bes. Luc, Philops 16, und PGM III,616f.; XII,36f. 45 Vgl. zur apotropäischen, der Schadensabwehr dienenden Speichelverwendung ferner Gal 4,14; Plin, Hist Nat 7,15; 28,35-39; Test Sal 7,3; Η DM A 111,26. 46 Vgl. Kallias bei Ael, Nat An XVI,28; Plin, Hist Nat 28,25.37.76; Diosc, Mat Med I 67,2; Gal XII,288-290; Paul Aeg VII,3; in jüdischer Tradition bBB 126b; bSchab 108b. Auch das TSanh 12,10; bSanh 101a; ARN A 36 (dort unter Berufung auf den um llOn.Chr. wirkenden Jochanan ben Nuri) bezeugte Ausspeien bei Rezitation von Ex 15,26 erfolgte auf die Wunde (ΓΟΟΠ 7V p p T i m ARN A 36) und impliziert somit eine pharmakologische Speichelverwendung. 47 Vgl. auch Plin, Hist Nat 22,105: Verwendung von Silphion bei Lähmung der Zunge (linguae paralysis). Eine Berührung der Zunge eines Stummen durch Asklepios könnte in der verderbten Epidaurosinschrift W 51 vorliegen, vgl. Herzog, Wunderheilungen 97f. 48 Die Exorzismusformel PGM IV,3039f. setzt eine Haggada von Jer 1,9 voraus, derzufolge die Stummheit Jeremias durch eine mit Siegelring Salomes vorgenommene Manipulation an der Zunge gelöst wurde, und deutet auf entsprechende jüdische Praktiken zur Behebung dämonisch verursachter Stummheit hin, vgl. Sperber, Rabbinic Themes 95-99, zum Ganzen oben III.2.3.1.

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dürfte, und ein Seufzen (έστέναξεν) als magische Technik zum Krafteinholen 4 9 an, bevor das auf die hörunfähigen Ohren gemünzte semitische Wort εφφαθα 50 die vollständige Heilung nach sich zieht. In dem griechisch formulierten Wunderbericht Mk 7,31-37 handelt es sich bei εφφαθα um eine ρησις βαρβαρική (Luc, Philops 9). Fremdsprachige Zauberworte sind fester Bestandteil des antiken Wunderrituals (vgl. Plin, Hist Nat 28,20; Apul, Apol 38; Clem Alex, Strom 1143,6; Orig, Cels I,24f.). Mk 7,34 wird das fremdsprachige Heilungswort verbatim mitgeteilt, während sich hellenistische Wundererzählungen auf die bloße Feststellung beschränken, daß sich der Wundertäter der ρησις βαρβαρική bedient hat (Luc, Philops 31 έπίρρηοιν αΐγυπτιάζων; Philostr, Vit Apoll IV,45 άφανως έπειπών). Speziell hebräische Zauberworte sind neben PGM 111,120 (εξορκίζω σε κατά της εβραϊκής φωνής); IV,3084f.; V,475f. auch im "Achten Buch Mose" (XIII ,150-152.4S8f.) überliefert, wo sie analog zu Mk 7,34 in ihrer griechischen Bedeutung mitgeteilt werden. Auch Alexander von Abonuteichos bediente sich hebräischer oder phönizischer Wörter, um seine Anhänger zu beeindrucken (Luc, Alex 13).

Zumindest im 2.Jhdt.n.Chr. ist für Griechisch sprechende Christen eine Verwendung fremdsprachiger, in erster Linie hebräischer Wunderformeln verbürgt. Celsus will bei christlichen Presbytern Bücher gesehen haben, in denen nichtgriechische Dämonennamen und "Gaukeleien", wohl nomina magica, aufgeführt waren (Orig, Cels VI ,40 βιβλία βάρβαρα, δαιμόνων ονόματα έχοντα και τερατείας). Dabei kann es sich um solche in Hebräisch vorliegenden magischen Kompendien Salomos gehandelt haben kann, wie sie sich Origenes zufolge im Besitz von Dämonenbeschwörern befanden 51 . Irenäus berichtet von christlichen Häretikern, die sich bei der Taufe hebräischer Wörter bedienten, um die Täuflinge in Erstaunen zu versetzen (Haer 121,3). In dem Strafwunder Act Phil 132 rezitiert der Apostel eine hebräische Formel (και κράζων έβραΐστίΆβαλώ, άριμουνί, δουθαήλ, θαρσελεήν, ναχαώθ, άειδουνάφ, τελετελοειν), wie sie vermutlich von griechischsprachigen christlichen Wundercharismatikern verwendet wurde. Folglich spricht εφφαθα nicht zwangsläufig für

49 Dibelius, Formgeschichte 82f. Vgl. PGM IV,2492f. άναστενάξας; XIII, 945 στενάξας. so Vgl. HDM A 111,9, wo bei Ohrenleiden nomina magica in das erkrankte Ohr zu flüstern sind. - εφφαθα kann hebräisch (Rabinowitz, "Be Opened" 229-238) oder aramäisch (Black, ΕΦΦΑΘΑ 57-62) sein, vgl. zur Diskussion auch Horton, Nochmals έφφαθά 101-108. 51 Orig, Comm. ad Mt 26,63 (GCS 38, 230): sed ipsi, qui utuntur adiurationibus illis, aliquotiens nec idoneis constitutis libris utuntur, quibusdam autem de Hebraeo acceptis adiurant daemonia. Offenbar sind dabei christliche Dämonenbeschwörer miteingeschlossen (etsi aliquando a nostris tale aliquid fiat), vgl. PGM 17; PGM.S 24 sowie Preisendanz, PRE.S 8 (1956) 668.

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eine semitische Urfassung des Wunderberichtes 52 , sondern kann im hellenistischen Christentum als ein wegen seines fremdsprachigen Klanges besonders wirksames magisches Wort eingeflossen sein, das bei christlichen Wunderheilungen Verwendung fand. Neben εφφαθα deuten auch das Beiseitenehmen des Kranken, die detaillierte Beschreibung der Heiltechniken und das Geheimhaltungsgebot 7,36a darauf hin, daß sich in Mk 7,31-37 die Vorgehensweise christlicher Charismatiker spiegelt und dieser Wunderbericht bedingt als Heilungsinstruktion aufgefaßt werden konnte 5 3 . Von den Wunderpraktiken her kommen für das Judentum der Zeitenwende neben dem Mk 7,34 angedeuteten Gebet auch die pharmakologische Speichelverwendung (vgl. TSanh 12,10parr; bBB 126b) und die Schwächung von stummheitsverursachenden Dämonen durch Manipulationen an der Zunge des Kranken (vgl. PGM IV,3039f.) in Betracht, so daß ein palästinisches Überlieferungsmilieu und historische Haftpunkte keineswegs ausgeschlossen sind. Zudem knüpft die schöpfungstheologisch-eschatologische Akklamation Mk 7,37 5 4 der Sache nach zutreffend an präsentische Heilsbezüge der Wundertaten Jesu an. Mk 7,31-37 dürfte aber von Anfang an auf Griechisch formuliert gewesen sein, zumal die Rezitation eines semitischen Wortes als ρησις βαρβαρική und das Seufzen als magischer Ritus in die geistige Nähe der griechisch-ägyptischen Zauberpapyri weisen.

2.2.6. Die Blindenheilungen Mk 8,22-26 und Joh 9,1-7 a) Der Blinde von Bethsaida Mk 8,22-26 Eine ähnlich ausführliche Beschreibung der Heilpraktiken wie in Mk 7,31-37 findet sich in den Blindenheilungstraditionen Mk 8,22-26 und Joh 9,1-7. In Mk 8,22-26 verdankt sich die Exposition και έρχονται εις 52 Gegen Lohmeyer, Mk-Ev 152. 53 Vgl. Dibelius, Formgeschichte 81; Böcher, Christus Exorcista 90; Lührmann, Mk-Ev 133. 54 καλώς πάντα πεποίηκεν ruft Gen 1,31 wach, και τούς κωφούς ποιεΐ άκούειυ και τούς άλαλους λαλεϊν läßt an Jes 29,18; 35,5f. denken und eröffnet damit ein metaphorisches Verständnis im Sinne einer Behebung geistlicher Taubheit und Stummheit. Vermutlich ist Mk 7,37 ein sekundärer Schriftbezug, der aus einer späteren Verwendung der Erzählung in der Mission des hellenistischen Judenchristentums resultiert. Gegen Pesch, Mk-Ev I 399 ("gewollt-gekonnte Inszenierung der Realisierung der Verheißung von Jes 35,5f. durch Jesus"), ist Mk 7,31-37 weder aus Jes 35,5f. entwickelt noch von vornherein auf Heilung geistlicher Taubheit und Stummheit hin konzipiert.

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Βηθσαϊδάν 8,22a mk Redaktion 55 . Folglich erlaubt diese Ortsangabe keinerlei Rückschlüsse auf eine Historizität des Wunderberichtes 56 . Bei der Heilung spuckt Jesus dem Blinden zunächst in die Augen und berührt diese dann mit den Händen, womit er sich einer in der antiken Volksmedizin weitverbreiteten Augenheiltechnik bedient. Als Augenheilmittel ist Speichel (saliva) bei Plinius (Hist Nat 28,37.86) gegen Augenentzündungen (lippitudines) und blutende Augen oder Augenfluß (oculi cruentati, epiphora), bei Marcellus Empiricus (Med VIII,43.166) gegen Rauheit der Augen (acritudo lippitudinis) und Augenflecken oder grauen Star (livor, suffusiones) bezeugt. Paulus Aegineta, der Speichel gegen Augenschwielen (ΰπώπια) empfiehlt, führt seine Heilkraft auf eine verteilende und reinigende Wirkung zurück (σίαλον τό των ανθρώπων, νήστεων μάλιστα, διαφορητικόν τε και ρυππκόν έστι VII,3) 5 7 . Daß sich Tac, Hist IV81,lparr, ein Blinder auf Geheiß des Sarapis mit dem Begehren an Vespasian wendet, ihm die Wangen und Augenhöhlen mit Speichel zu benetzen (ut genas et oculorum orbes dignaretur respergere oris excremento), deutet für das l.Jhdt.n.Chr. auf die Handhabung dieser Augenheilmethode am Sarapeion von Alexandria hin. Aus den Sabbatbestimmungen jSchab 14,4(14d)/bSchab 108b; jAZ 2,2(40d)/bAZ 28b und aus jSota l,4(16d) geht hervor, daß auch im antiken Judentum Speichel als Augenheilmittel Verwendung fand, wobei wie in der griechisch-römischen Medizin dem Speichel einer nüchternen Person besondere Wirkung beigemessen wird. Wenn in der Chanina ben Dosa-Tradition bBB 126b von der Heilkraft des Speichels eines Erstgeborenen die Rede ist, dürfte dies ebenfalls die Behebung von Augenleiden miteinschließen. Eine Parallele zu der Mk 8,25 gegebenen Abfolge von Augenberührung und Wiederherstellung der Sehkraft (έπέθηκεν τάς χείρας έπί τους οφθαλμούς αϋτοΰ ... και ένέβλεπεν τηλαυγως όίπαντα) findet sich SIG 3 1173, wo ein Blinder im Asklepieion von Rom die Asklepiosstatue berührt, seine Hand auf die erblindeten Augen legt und sehend wird ( ... και δραι την χεΤρα και έπιθεΤναι έπί τους ιδίους οφθαλμούς" και όρθον άνέβλεψε).

In Mk 8,22-26 vollzieht sich die Heilung nach der Speicheltherapie sukzessive. Der Blinde sieht zunächst die Menschen wie Bäume (ώς 55 Bultmann, Syn Tradition 227: Ursprünglich spiele die Erzählung in einer κώμη (8,23), was auf Bethsaida nicht zutreffe; ferner Roloff, Kerygma 128f.; Johnson, Blind Man 370-372. - Das dem Geheimhaltungsgebot Mk 7,36 korrespondierende Verbreitungsverbot 8,26b ist kaum redaktionell (Kertelge, Wunder Jesu 161; Gnilka, Mk-Ev I 313; Lührmann, Mk-Ev 139), sondern diente wie 7,36 vormk einem Schutz der Heilpraktiken. 56 Gegen Pesch, Mk-Ev I 420, der Mk 8,22a in Verbindung mit Mt 11, 21par Jesu Wunderwirken in Bethsaida verbürgt sieht. 57 Nicht den Tatsachen entsprechend ist folglich die Behauptung von Kee, Magic and Messiah 138, Speichel sei in der griechisch-römischen Medizin kein Heilmittel gewesen, folglich gehe es in Mk 7,31-37; 8,22-26 um "Jesus's defiance of ritual standards" (Lev 15,8; Num 12,14).

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δένδρα) umherwandeln 58 , und erst nach nochmaliger Handberührung der Augen wird die volle Sehkraft wiedergewonnen. Die wie in Mk 7,33 zur Geheimhaltung der therapeutischen Praktiken abseits der Öffentlichkeit stattfindende Heilung geschieht rational nachvollziehbar in zwei Stufen unter Anwendung einer pharmakologischen Augenheiltechnik der Antike. Da aufgrund des Fehlens wunderhafter Züge oder einer ausgeprägten christologischen Stilisierung keine missionsspezifischen Interessen erkennbar sind 59 , deutet alles darauf hin, daß Mk 8,22-26 christlichen Wundercharismatikern als Krankenheilungsanleitung diente. Nachösterliche Blindenheilungen unter Verwendung von Speichel sind auch Act Phil 128 entnehmbar, wo in Analogie zu Plin, Hist Nat 28,76, und Marc Emp, Med VIII,43.166, dem Speichel der Frau besondere Heilkraft beigemessen wird (και εποίησαν άναβλέψαι δια πτύσματος γυναικός). Daß der Wunderbericht Mk 8,22-26 auf eine geschichtliche Begebenheit zurückgeht, liegt im Bereich des Möglichen. Die bSchab 108parr; jSota 1,4 (16d) bezeugte Verwendung von Speichel als Augenheilmittel, die allem Anschein nach im lJhdt.n.Chr. auch am Sarapeion von Alexandria gehandhabt wurde, war vermutlich bereits um die Zeitenwende im antiken Judentum üblich (vgl. bBB 126b) und zeigt, daß die Erzählung keineswegs auf außerpalästinischem Boden entstanden sein muß. Da Tac, Hist IV81,l-3parr, unserer Analyse zufolge (III.1.4.6.) wahrscheinlich auf ein historisches Ereignis aus dem Winter 69/70n.Chr. zurückgeht, kann diese Parallele im Blick auf Mk 8,22-26 jedenfalls nicht als Indiz für vormk Übertragung einer antiken Wunderlegende auf Jesus in Anspruch genommen werden.

b) Heilung des Blindgeborenen Joh 9,1-7 Eine ganz ähnliche Blindenheilungserzählung begegnet Joh 9,1-7. Dort dürfte der älteste Überlieferungskern 9,1.6.7 umfassen, während mit

58 Eine frappierende Parallele dazu bietet die Epidaurosinschrift W 18, wo sich wie in Mk 8,25 nach einer manuellen Augenheiltechnik (τοΤς δακτύλοις διάγειν τά όμματα) die Heilung schrittweise vollzieht und der Blinde zunächst im Traum die Bäume im Heiligtum (ΐδεΐν τά δένδρη πρατον τά εν τωι ίαρωι) sieht, bevor er dieses am nächsten Morgen mit voller Sehkraft verläßt. 59 Im Gegensatz zu dem propagandistischen Lobpreis des von Asklepios durch eine Augensalbe aus Hahnenblut und Honig geheilten Blinden SIG 3 1173 (και ηύχαρίστηοεν δημοοία τω θεφ) fehlt in Mk 8,22-26 eine Doxologie oder ein Chorschluß. Zweifelhaft erscheint die Annahme, Mk 8,22-26 sei vormk als Vorspann zu Mk 7,31-37 tradiert worden und der Lobpreis 7,37 habe auch der Blindenheilung gegolten (so Gnilka, Mk-Ev I 296).

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9 , 2 - 5 vorjoh oder joh Erweiterungen v o r l i e g e n 6 0 . Insbesondere die Verwendung von Speichel als Heilmittel legt nahe, daß e s sich b e i Joh 9,1.6.7 um eine traditionsgeschichtliche Variante oder Parallelbildung zu Mk 8 , 2 2 - 2 6 handelt 6 1 . Unterschiede b e s t e h e n dahingehend, daß der Speichel hier als Ingredienz einer πηλός genannten Augenheilsalbe gilt (9,6) und der Wiederherstellung der Sehkraft eine Waschung ( 9 , 7 ) 6 2 vorausgeht. Ein ähnliches Heilmittel aus πηλός und Flüssigkeit 6 3 begegnet Kyr III 50,24f., wo der "Dreck" aus dem Schwalbennest mit Wasser vermischt gegen Entzündungen auf den Hals aufzutragen ist (ό δέ πηλός εκ της καλιας αύτοΰ μεθ' ύδατος λειωθείς και περιχριόμενος τραχήλψ). Mit πηλός ist hier K o t 6 4 gemeint. Diese Bedeutung liegt auch für Joh 9,6 im Bereich des Möglichen, da Tierkot in der Antike ein weitverbreitetes Augenheilmittel w a r 6 S . Vermutlich haben sich auch in Joh 9,6 Augenheilpraktiken christlicher Wundercharismatiker niedergeschlagen, wobei eine gegenüber Mk 8 , 2 2 - 2 6 leicht veränderte "Rezeptur" vorliegt. Auch w e n n die Blindheit von Geburt an (9,1) ein Steigerungselement darstellt, dürfte Joh 9,1.6.7 keine unmittelbare Konkurrenz z w i s c h e n Christentum und Asklepioskult reflektieren, da der ntl Heilungsbericht im Vergleich mit den Blindenheilungstraditionen des Asklepioskultes kaum dazu geeignet war, die Überlegenheit Jesu als Augenarzt zu e r w e i s e n 6 6 . Wie bei Mk 8 , 2 2 - 2 6

60 Vgl. Roloff, Kerygma 136; Becker, Joh-Ev I 315f. - Bultmann, Joh-Ev 250; Schnackenburg, Joh-Ev II 309; Haenchen, Joh-Ev 382, halten zumindest Vv 3b(4)-5 für sekundär. 61 Vgl. Lührmann, Mk-Ev 139; Roloff, Kerygma 135f. 62 Vgl. Ael Arist, Or 39,14f., zur Heilkraft der Asklepiosquelle von P e r gamon: "Denn viele haben darin gebadet und ihre Augen gesund empfangen (πολλοί μεν γαρ τούτψ λουσάμενοι οφθαλμούς έκομίσαυτο)." 63 Zur Verwendung eines Gemisches von Speichel und Staub als Zaubermittel (zur Zeichnung der Stirn): Petronius, Satyrica 131,4. 64 πηλός bezeichnet neben Lehm, Schlamm oder Morast auch Kot, vgl. Pape, Griech. Handwörterbuch II 610; Rengstorf, ThWNT VI 118. 65 In den altägyptischen Augenheilrezepten des Pap Ebers begegnen Tierkot, Mineralien und Wasser als Ingredienzen von Augensalben (von Deines/ Grapow/Westendorf, Grundriß IV,1 41ff.). Tierkot wird u.a. auch Herophilos, Fragm 260; Kyr III43,3f.; Plin, Hist Nat 28,172, als Augenheilmittel empfohlen. 66 Vgl. neben den Blindenheilungsberichten aus Epidauros noch S I G 3 1173 und Paus X38,13. Im Blick auf eine Tradition wie W 32 (Asklepios setzt einem durch Speerstich Erblindeten neue Pupillen ein) erscheint die Einschätzung, Joh 9,1-7 wolle durch die Unerhörtheit der von Jesus bewirkten Heilung seine schlechthinnige Überlegenheit gegenüber Asklepios erweisen (Rengstorf, ThWNT VI 119; vgl. ders. Anfänge 39f.), wenig plausibel.

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läßt sich als geschichtlicher Haftpunkt ebenfalls die Verwendung von Speichel als Augenheilmittel durch Jesus vermuten. Die Erwähnung des Siloahteiches ist hingegen kaum ein Indiz für Historizität 67 , sondern dürfte sich wie Bethesda Joh 5,2 einer sekundären Lokalisierung der Tradition in Jerusalem verdanken.

2.2.7. Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52) Die Bartimäusgeschichte war bereits vormk in Jericho lokalisiert, wird aber von Mk durch Einfügung von και έκπορευομένου αύτοΰ άπό 'Ιεριχώ ... nunmehr auf den Weg von Jericho nach Jerusalem verlegt 68 . Dieser Redaktionstendenz korrespondiert das ebenfalls mk έν τη όδω 10,52 im Sinne des Weges in die Passion, wobei wohl die gesamte Nachfolgethematik von 10,52c erst auf Mk zurückgeht 69 . Auf eine Mehrschichtigkeit der vormk Erzählung deutet neben der atypischen Ausschmückung in 10,49f. auch die differierende Anrede Jesu als υιός Δαυίδ (10,47f.) und als ραββουνί (10,51) hin, wobei letzteres archaischer wirkt. Von daher liegt es nahe, eine Mk 10,46.47 (ohne υιέ Δαυίδ).51.52ab umfassende, relativ stilgemäße Heilungswundergeschichte als älteste Tradition anzunehmen und 10,48f. als sekundäre Ausgestaltung aufgrund eines besonderen Interesses an der Figur des Bartimäus zu betrachten 7 0 . Als ursprüngliches Überlieferungsmilieu kommt das palästinische Judenchristentum in Betracht, wie es neben der Anrede ραββουνί und dem Namen Βαρτιμαΐός, einer Kombination von Ί 3 mit dem griechischen Τίμαιος71, auch durch die der Erzählung von vornherein inhärente Loka67 Gegen Schnackenburg, Joh-Ev II 311. 68 Gnilka, M k - E v II 108. Denkbar ist auch, daß 10,46a redaktionell (vgl. 8,22a), 10,46b hingegen traditionell ist, vgl. Kertelge, Wunder Jesu 180; Roloff, Kerygma 121. Gegen mk Einfügung von 'Ιεριχώ (von Lührmann, Mk-Ev 184, erwogen) spricht, daß Mk kaum ohne Traditionsbindung einen Ein- und Auszug aus Jericho (10,46) erfunden haben wird. Abwegig Schmithals, Mk-Ev II 472: Eine Grundschrift des Mk-Ev habe an dieser Stelle eine von Mk ausgelassene, in Jericho spielende Mahltradition (Lk 7,36-50) enthalten. 69 Robbins, Blind Bartimaeus 227f.; Gnilka, Mk-Ev II 109; Lührmann, M k - E v 184. Gegen Steinhauser, Bartimaeus Narrative 589ff., dessen Klassifizierung von Mk 10,46-52 als Berufungsgeschichte sich maßgeblich auf 10,52c als integrativen Erzählbestandteil stützt. 70 Vgl. die Rekonstruktion von Roloff, Kerygma 123; ähnlich Hahn, H o heitstitel 262; Burger Davidssohn 43f.; Kertelge, Wunder Jesu 180f. Dagegen Gnilka, Mk-Ev II 109; Achtemeier, Miracles and Discipleship 121. 71 Griechische Namen waren in Palästina zu ntl Zeit keine Seltenheit, vgl. Hengel, Judentum und Hellenismus 114-120.

Sabbatheilungskonflikte

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lisierung in Jericho nahelegt wird. Damit erscheint ein historischer Kern wahrscheinlich, zumal die Namenserwähnung und die vormk Lokalisierung auf geschichtlicher Erinnerung beruhen können 7 2 . Da das Schwerpunktinteresse der Erzählung auf der Person des Bartimäus liegt, verlautet in Mk 10,46-52 im Gegensatz zu Mk 8,22-26/Joh 9,1-7 nichts über Heilpraktiken.

2.3. Sabbatheilungskonflikte 2.3.1. Heilung einer verdorrten Hand am Sabbat (Mk 3,1-6) Eine eigenständige Gruppe unter den Wunderheilungsberichten der Jesusüberlieferung machen die in Streitgesprächsituationen eingebundenen Sabbatheilungserzählungen aus, die quellenmäßig recht breit bezeugt sind (Mk 3,l-6parr; Lk 13,10-17; 14,1-6; Joh 5,1-47; 7,15-24; 9,1-41). In dem mutmaßlich ältesten Sabbatheilungsbericht Mk 3.1-5 1 wird wie in Mk 2,1-12 die Heilung durch eine Zwischenszene mit Streitgesprächcharakter unterbrochen. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch hier ein stilechter, später dann apophthegmatisch zum Sabbatkonflikt ausgestalteter Heilungsbericht am Anfang der Traditionsbildung stand 2 . Als für Apophthegmata typische Elemente können in Mk 3,1-5 die streitbare Gesinnung der Gegner (3,2), das in die Mitte Stellen des als "Streitobjekt" fungierenden Hilfsbedürftigen (3,3; vgl. 9,36) und Jesu Legitimation seines Verhaltens durch ein Logion (3,4) gelten. Daß Mk 3,4 als Frage gefaßt ist, spricht nicht gegen eigenständige Tradierfähigkeit 3 , da es sich um eine 72 Roloff, Kerygma 123f.; Gnilka, Mk-Ev II 111; Kirchschläger, Bartimäus 1119f.; überzogen Pesch, Mk-Ev II 174. 1 Bei Mk 3,1a handelt es sich um eine auf 1,21 rekurrierende mk Exposition, und der Tötungsbeschluß 3,6 ist (einschließlich der ihn vorbereitenden Notiz ί ν α κατηγορήσωσιν αϋτοΰ 3,2b) als redaktioneller Vorverweis auf die Passion zu beurteilen (vgl. Kuhn, Sammlungen 88; Sauer, Überlegungen 185-189; gegen Roloff, Kerygma 63f.; Pesch, Mk-Ev I 188). 2 Thissen, Befreiung 217-219; Sauer, Überlegungen 196-200. - Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288, rechnet damit, daß sich die gesamte Heilungsszene um das Jesuslogion Mk 3,4 als primären Kern herumgruppiert habe. Gegen ein solches - für die Mehrzahl der syn Apophthegmata wahrscheinliches - Wachstum spricht hier der Sachverhalt, daß die in Mk 3,lb.5 eruierbare Wundererzählung eigenständig tradierfähig ist, also wohl nicht als ideale Szene zu Mk 3,4 formuliert wurde. 3 Bultmann, Syn Tradition 9, wertet die Frage Mk 3,4 als kontextbezogen und rechnet mit einem organischen Apophthegma (ebenso Kertelge, Wunder Jesu 82; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 128; Pesch, Mk-Ev I 189; Lührmann, Mk-Ev 66). Dies zöge zwangsläufig eine Historizität der gesamten Szene 3,1-5(6) nach sich, sofern Mk 3,4 echt ist.

240

Krankenheilungen Jesu

rhetorische, Einverständnis voraussetzende Frage handelt und das gleichermaßen in Frageform gekleidete Jesuslogion Mk 2,19a ebenfalls zunächst isoliert umlief. Zudem sind literarkritische Indizien für ein Zuwachsen der apophthegmatischen Elemente Mk 3,2-4 gegeben 4 , während umgekehrt bei Ausklammerung dieser Streitgesprächszene eine zwar knappe, aber in sich überlieferungsfähige (vgl. Mk 1,29-31) Wundererzählung mit typischen Stilmerkmalen verbleibt. Im einzelnen sind dies a) Auftreten des Hilfsbedürftigen (3,1b), b) pneumatische Erregung des Wundertäters (μετ' όργης 3,5), c) Heilungswort εκτεινον την χείρα und d) Konstatierung der Heilung (3,5c). Dabei ist die Möglichkeit einzukalkulieren, daß bei der redaktionellen Anfügung des Tötungsbeschlusses 3,6 eine Akklamation verdrängt wurde 5 . Die durch Einfügung von Mk 3,4 in Gang gesetzte Ausgestaltung des u r sprünglichen Wunderheilungsberichtes zum Apophthegma Mk 3,1-5 verdankt sich dem Bedürfnis, die Übertretung einzelner Sabbatvorschriften zu legitimieren. Als Tradenten ist an Heidenchristen zu denken, die sich nicht an die jüdische Sabbatobservanz gebunden fühlten und zur Verteidigung ihrer Position christologische Autorität (3,4) beanspruchten 6 . Das Thema Sabbatheilung kann dabei als nicht aktueller Konfliktfall paradigmatisch die grundsätzliche Freiheit vom jüdischen Gesetz demonstrieren. Alternativ kommt in Betracht, daß konkret Krankenheilungen zur Diskussion stehen, die von heidenchristlichen oder gesetzesfreien judenchristlichen Wundercharismatikern am Sabbat vollzogen wurden und bei gesetzestreuen Judenchristen Kritik hervorriefen 7 . Die Mk 3,1-5 zugrundeliegende Wundererzählung weist eine Reihe motivgeschichtlicher wie terminologischer Übereinstimmungen mit 1(3) Kön 1 3 , 4 - 6 8 auf. Wörtlich entsprechen sich και έξέτεινεν in 3 Kön 13,4 und Mk 3,5c, der Sache nach besteht in der Krankheitsschilderung (3 Kön 13,4 έξηράνθη ή χειρ αύτου; Mk 3,1b έξηραμμένην εχων την χείρα) und in der Heilungskonstatierung als Wiederherstellung (3 Kön 13,6 και έπέστρεψεν τήν χ ε φ α του βασιλέως πρός αυτόν, και έγένετο καθώς τό πρότερου; Mk 3,5 και έξετεινεν και άπεκατεστάθη ή χειρ αϋτοΰ) Ubereinstimmung. Auch wenn die atl Parallele, bei der es sich um ein Strafwunder handelt,

4 Sauer, Überlegungen 199f., mit Verweis auf doppeltes και λέγει τω άνθρώπφ 3,3.5 (vgl. die Wiederaufnahme von λέγει τίρ παραλυτικφ Mk 2,5.10). 5 So von Dibelius, Formgeschichte 42, vermutet. Vgl. auch Kertelge, Wunder Jesu 85, der von Mk 3,6 als einem "negativen Chorschluß" spricht. 6 Folglich handelt es sich bei den impliziten Gegnern nicht um "orthodoxe Juden" (Schenke, Wundergeschichten 169; Gnilka, Mk-Ev I 129; vgl. auch Klinghardt, Gesetz 230), sondern um am Sabbat festhaltende, auf Christusautorität hin ansprechbare Judenchristen (Kuhn, Sammlungen 89ff.) 7 Vgl. zur judenchristlichen Sabbatobservanz Kol 2,16; Hippolyt, Refutatio IX 16,3 (Elkesai); Euseb, Hist Eccl III 27,5 (Ebioniten). Eine verrenkte Hand durfte am Sabbat nicht einmal in Wasser geschwenkt, sondern nur gewöhnlich gewaschen werden (Schab XXII,6). 8 Vgl. auch Test Sim 2,11-14: Simeon, mit einer halb verdorrten Hand (ή χειρ ... ήμίξηρος fjv) gestraft, tut Buße, betet zu Gott und wird geheilt.

Sabbatheilungskonflikte

241

nicht erst die Formulierung von Mk 3,1-5 veranlaßt haben wird, ist ihr Einfluß auf Mk 3,lb.5 unverkennbar9. Die Berührungen mit dem griechischen Text sind dabei nicht derart weitreichend, als daß man zwangsläufig LXX-Benutzung annehmen müßte 10 . Daß der noch nicht von Sabbatthematik geprägte älteste Traditionskern auf die Heilung eines Mannes mit gelähmter Hand durch Jesus zurückgeht, kann man zumindest erwägen11. Auffällig ist im Vergleich mit 1 Kön 13,4-6 und Test Sim 2,11-14, daß die Heilung ohne Gebet, vielmehr allein durch ein Befehlswort Jesu erfolgt. Die Frage nach der Authentizität und dem ursprünglichen Kontextbezug des Logions Mk 3,4 ist gesondert zu klären.

2.3.2. Sabbatheilungsberichte im lk Sondergut (Lk 13,10-17; 14,1-6) a) Heilung der gelähmten Frau Lk 13,10-17 Über den von Mk übernommenen Wunderbericht Lk 6,6-11 hinaus ist im Sondergut des Lk-Ev von zwei weiteren Sabbatheilungen Jesu die Rede (Lk 13,10-17 und 14,1-6). Bei Lk 13,10-17 handelt es sich nicht einfach um eine redaktionelle Analogiebildung zu Mk 3,1-5/Lk 6,6-ll 1 2 , sondern um eine eigenständige Variation des Themas Sabbatheilung, die keine unmittelbare Kenntnis jener Tradition voraussetzt. Obgleich eine ursprüngliche Eigenständigkeit des Lk 14,5par ähnelnden Sabbatlogions 13,15 offenkundig ist 13 , bleibt die Traditionsgeschichte des apophthegmatischen Wunderberichtes umstritten. 9 Lohmeyer, Mk-Ev 70; Pesch, Mk-Ev I 189 mit Anm.5; Sauer, Überlegungen 199f. Gegen Schmithals, Mk-Ev I 194: 1 Kön 13,4-6 sei für das Verständnis von Mk 3,1-6 relativ unwichtig. ίο και εξέτεινεν, einzige wörtliche Ubereinstimmung mit 3 Kön 13,4-6, bezieht sich dort auf die in feindlicher Absicht gegen den Gottesmann ausgestreckte Hand Jerobeams, Mk 3,5 hingegen auf den Heilungsvorgang. 11 Lohse, Jesu Worte 67 (Von allen ntl Sabbatgeschichten könnte "Mc 3, 1-5 am ehesten eine Situation im Wirken des historischen Jesus wiedergeben"); Pesch, Mk-Ev I 194 ("von lebendiger Erinnerung gespeiste Uberlieferung"). Zurückhaltender Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 287: "typisierter Bericht ... , in dem sich eine Mehrzahl von Sabbatheilungen Jesu verdichtet hat". 12 Gegen Schmithals, Lk-Ev 15; Green, Daughter of Abraham 644-649. Eindeutig redaktionell sind lediglich Lk 13,10, eine lk Rekapitulation von Mk 1,23/Lk 4,31, und die summarisch-typisierende Notiz 13,17 (vgl. dort zu π α ς ό δ χ λ ο ς Lk 6,19 diff. Mk 3,10; άντικεϊσθαι begegnet in den E w nur Lk 13,17; 21,15 red.). Die Lukanismen in 13,11-13 (vgl. Jeremias, Sprache 228f.; Sauer, Rückkehr 372f.) erklären sich zwanglos aus lk Redigierung der vorgefundenen Wundertradition. 13 Roloff, Kerygma 68, sieht Lk 13,15 dagegen von 13,16 beeinflußt, das er für den Ausgangspunkt der Uberlieferung hält.

Krankenheilungen Jesu

242

Der unlk Charakter von 13,14-16 könnte nahelegen, dort ein von dem Kern 13,15 her sukzessive erweitertes, selbständiges Streitgespräch zu sehen, dem erst Lk die Wunderheilungsszene 13,11-13 vorgeschaltet habe 1 4 . Demgegenüber würde aber Lk 13,14-16 für sich genommen ohne eine kurze Schilderung des konfliktträchtigen Geschehens recht abrupt beginnen, und zudem setzt 13,16 den Inhalt von 13,11-13 - nicht zuletzt die weibliche Identität der geheilten Person - voraus. Da umgekehrt die Heilung in 13,14ff. recht unvermittelt zu einem Sabbatkonflikt ausgeweitet wird (13,10 geht auf Lk zurück), dürfte in 13,11-16 vorlk ein ehemals eigenständiger Wunderbericht sekundär zum Apophthegma ausgestaltet worden sein 1 5 . In dem Wunderbericht Lk 13,11-13 geht es krankheitsmäßig um Lähmungserscheinungen. Die heilungsbedürftige Frau ist verkrümmt und vermag sich nicht vollständig oder sogar überhaupt n i c h t 1 6 aufzurichten. Diese Lähmung gilt als dämonisch verursacht (πνεύμα έχουσα ασθενείας), ohne daß die Heilung expressis verbis als Dämonenaustreibung geschildert wird. Der Gestus der Handauflegung, der in Verbindung mit den Worten γύναι, άπολέλυσαι της ασθενείας σου eine sofortige Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit bewirkt, dient allerdings auch in 1 Q Gen Ap X X , 2 8 f . der Vertreibung eines Krankheitsgeistes. Diese jüdische Motivparallele läßt eine Dämonenaustreibung Jesu durch Handauflegung als historischen Haftpunkt möglich erscheinen, wobei sich die Ausgestaltung zur Sabbatheilung allerdings sekundär vollzog 1 7 .

b) Heilung eines Wassersüchtigen (Lk 14,1-6) Ein findet

weiterer sich

Lk

Sabbatheilungsbericht 14,1-6.

Die

dortige

mit

apophthegmatischen

Heilung

eines

Zügen

Wassersüchtigen

14 Sauer, Rückkehr 375-379: Lk 13,15 sei zunächst um 13,14, dann um 13,16 erweitert worden; erst Lk habe diesem Streitgespräch einen auf 13,16 beruhenden Rahmen gegeben. 15 Haenchen, Weg Jesu 128. Ebenso Busse, Wunder 293-298; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen 291-293, die aber mit erst lk Formulierung von 13,14-16 rechnen. Für die apophthegmatische Ausgestaltung kommt wie in Mk 3,1-5 entweder grundsätzliche Freiheit vom Gesetz oder speziell die Rechtfertigung von Sabbatheilungen in Betracht. Klinghardt, Gesetz 238f., vermutet dagegen Diskussionen zwischen Gemeinde und Synagoge um die Zulässigkeit christlicher Missionsverkündigung im sabbatlichen Synagogengottesdienst. 16 Vgl. zu diesen beiden Übersetzungsmöglichkeiten von εις τό παντελές Bauer-Aland, Wörterbuch 1230f. 17 Gegen Fitzmyer, Luke II 1011: Die Erzählung reflektiere "one of the real-life situations of Jesus' own ministry: a cure and debate over the Sabbath"; vgl. auch Roloff, Kerygma 68.

Sabbatheilungskonflikte

243

(ύδρωπικός) 18 wurde erst von Lk durch 14,1a, eine redaktionelle Wiederaufnahme von 7 , 3 6 1 9 , innerhalb einer Gastmahlszene im Hause eines Pharisäers angesiedelt. Allein das Logion Lk 14,5 läßt sich aufgrund der Parallele Mt 12,llf. mit Sicherheit als vorlk Tradition bestimmen. Der Mt-Fassung gebührt dabei im Prinzip der Vorzug. Zu τίς εσται εξ ύμων άνθρωπος δς ... Mt 12,11 diff. τίνος ύμων Lk 14,5 ist Mt 7,9/Lk 11,11 zu vergleichen, wo Lk den Q-Wortlaut τίς έστιν έξ υμών άνθρωπος in τίνα δέ έξ ύμων a b ä n d e r t 2 0 . Τίός Lk 14,5 wird sekundär hinzugetreten sein , während das lk βοΰς gegenüber dem mt πρόβατον εν Präferenz verdient 2 2 . Die Divergenz εις βόθυνον ( Μ ί ) / ε ί ς φρέαρ (Lk) ist kaum zu werten und sachlich ohnehin bedeutungslos. Da άνασπαν im NT ausschließlich bei Lk begegnet (neben 14,5 noch Apg 11,10), repräsentiert κρατήσει αυτό και έγερεΤ Mt 12,11 gegenüber ανασπάσει αυτόν Lk 14,5 den Q-Wortlaut. Auch τοΤς σάββασιν bei Mt wird gegenüber dem lk έν ήμερα τοΰ σαββάτου ursprünglicher sein, da Lk pluralisches τα σάββατα 6,7.9 aus seiner Mk-Vorlage (Mk 3,2.4) in den Singular abändert. Das nur Mt 12,12a belegte πόσψ ouv διαφέρει άνθρωπος προβάτου hingegen expliziert nachträglich den Mt 12,llpar ohnehin inhärenten a minori ad maius-Schluß 2 3 . D i e s e s in Q vermutlich isoliert t r a d i e r t e 2 4 , von Mt in s e i n e Version von Mk 3,1-6 integrierte Sabbatlogion diente offenbar als Formulierungsbasis für die Gestaltung der S z e n e Lk 1 4 , l - 6 2 5 , ohne daß für die Wundertopik 14,2.4b eine davon unabhängige, eigenständige Überlieferungsg e s c h i c h t e in Betracht käme. Weitreichende Übereinstimmungen mit Mk 3,1-5 z e i g e n vielmehr, daß e s sich um eine Analogiebildung zu der dortigen Sabbatheilungserzählung handelt. Die versucherische Absicht der Gegner wird in beiden Fällen mit παρατηρούν umschrieben (Lk 14,1b; Mk 3,2), εξεοτιν τψ σαββάτψ θεραπευσαι Lk 14,5 deckt sich weitgehend 18 Vgl. zur Wassersucht und deren Rückführung auf Sünde im antiken Judentum das Material bei Billerbeck II 203f., insbes. Joseph, Ant 111,273; LevR 15,2. Eine wissenschaftlich-medizinische Pathologie der ΰδρωψ aus dem l.Jhdt.n.Chr. bietet Aret IV 1,1-15. 19 Typisch lk ist zudem die Konstruktion και έγένετο εν τω + Inf.Aor. έλθεΐν, vgl. Jeremias, Sprache 25-27; Blaß-Debr.-Rehkopf § 404,1. 20 Vgl. Schulz, Q 161; Gnilka, Mt-Ev I 261. 21 Vgl. Lohse, Jesu Worte 70. 22 Vgl. das hervorgehobene mt Interesse an der Wiedergewinnung des εν πρόβατον in Mt 18,12-14(Q) samt Kontext (18,15-18). 23 Vgl. Luz, M t - E v II 238 mit Anm.10. 24 Vgl. zur Q-Zugehörigkeit von Mt 12,11/Lk 14,5 bes. Kosch, Tora 200-204. Daß es sich bei Lk 14,1-6 in seiner Gesamtheit um einen von Mt übergangenen Q-Stoff handelt (von Schürmann, Spracheigentümlichkeiten 213; Schneider, Lk-Ev II 312, in Erwägung gezogen), kommt kaum in Betracht, vgl. Neirynck, Luke 14,1-6 243-263. 25 Bultmann, Syn Tradition 10; Roloff, Kerygma 66.

244

Krankenheilungen Jesu

mit εξεστιν τω σαββάτω άγαθοποιησαι Lk 6,9 (vgl. Mk 3,4), und hier wie dort werden die Gegner Jesu durch diese Frage zum Schweigen gebracht (Lk 14,4; Mk 3,4). Sprachliche Indizien lassen eine lk Verfasserschaft dieser Analogiebildung zu Mk 3,1-5 als gutbegründete Annahme erscheinen 2 6 , wobei das lk Interesse sich weniger auf eine Erörterung von Sabbatfragen als vielmehr auf eine Betonung der Überlegenheit Jesu richtet 2 7 . Im Blick auf die Wunderheilpraxis Jesu ist Lk 14,1-6 damit nichts Zuverlässiges entnehmbar. Lediglich für das Sabbatlogion Lk 14,5/Mt 12,11 bleibt wiederum die Möglichkeit gegeben, daß es von Anfang an einer Rechtfertigung von Sabbatheilungen Jesu diente.

2.3.3 Die Sabbatheilungskomplexe Joh 5,1-47/7,15-24 und Joh 9,1-41 a) Joh

5,1-47/7,15-24

Im vierten Evangelium ist in zwei längeren Redekompositionen (Joh 5,1-47/7,15-24 und Joh 9,1-41) sekundär von Sabbatheilungen Jesu die Rede. Joh 5,1-47 bildet dabei mit dem versprengten Abschnitt Joh 7,15-24, der vom Evangelisten offenkundig als Fortsetzung von 5,47 konzipiert war 2 8 , sachlich eine Einheit. In Joh 5,9c-16(18); 7,19-23 gilt die Gelähmtenheilung von 5,2-9b völlig unvermittelt im nachhinein als Sabbatheilung. Eine gehäuft unjoh Sprache in 5,9c-16; 7,23 und der Sachverhalt, daß die Gesetzesproblematik von 5,9c-18 in 5,19-47 keine Rolle spielt, spricht für eine bereits vorjoh Ausgestaltung des Wunderheilungsberichtes 5,2-9b zu einem Streitgespräch über Sabbatfragen 29 , wobei 7,19-23 ursprünglich unmittelbar auf 5,9c-16(18) folgte 3 0 . 26 Vgl. Busse, Wunder 306ff.; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen 287-291; Sauer, Rückkehr 3 8 0 - 3 8 4 ; Neirynck, Luke 14,1-6 247ff. Gegen Wiefel, Lk-Ev 267, der mit - Mk 3,1-6 gegenüber eigenständiger - Uberlieferung aus dem lk Sondergut rechnet; ähnlich Fitzmyer, Luke II 1038f. 27 Die Sabbatproblematik hat für Lk nur paradigmatische Bedeutung und ist im Prinzip gegen jedes andere konfliktträchtige Thema austauschbar (Klumbies, Sabbatheilungen 173-175; gegen Klinghardt, G e s e t z 232ff.). 28 Schnackenburg, Joh-Ev II 183f., mit detailliertem Nachweis sprachlicher Indizien für Zugehörigkeit von Joh 7,15-24 zu 5,1-47; vgl. ferner Bultmann, Joh-Ev 177f.; Becker, Joh-Ev I 227f. Dagegen: Schneider, Komposition 114f.; Barrett, Joh-Ev 325f.; Brown, John I 315f. 29 Vgl. Bultmann, Joh-Ev 177f., und Becker, Joh-Ev I 229f. (mit Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit in Joh 5,14, den der Verf. des Joh-Ev in 9,2f. verneint). Für eine einheitliche Komposition des Evangelisten halten 5 , 9 c - 4 7 dagegen Schnackenburg, Joh-Ev II 116; Schnelle, Antidoket. Christologie 112; ähnlich Fortna, Gospel 52f. 30 Joh 5,17 mit der typisch joh Vater-Sohn-Thematik geht mit Sicherheit auf den Evangelisten zurück. Ursprünglich folgte auf 5,16 wohl der Todesbe-

Sabbatheilungskonflikte

245

Joh 5,9cff. steht vordergründig nicht ein Gesetzesbruch Jesu, sondern des Geheilten zur Diskussion, der auf Jesu Befehl (Joh 5,8) hin seine Bahre wegträgt und damit das Arbeitsverbot am Sabbat verletzt (5,10; vgl. Jer 17,21f.; Schab VII,2). Der Todesbeschluß gegen Jesus als eigentlichen Urheber des Sabbatbruches (5,13.16.18) zeigt aber, daß es kaum um nachösterliche Sabbatobservanz geht, sondern die Joh 5,9cff. vorliegende Traditionsbildung durch christologische Kontroversen motiviert ist 3 1 . Zur Widerlegung des von jüdischer Seite vorgebrachten Vorwurfs, Jesus habe Sabbatverletzungen angeordnet und damit gegen das Gesetz verstoßen, dient das Logion Joh 7,22f. mit qal wachomer-Schluß. Ähnlich wie in rabbinischer Tradition, dort allerdings auf Lebensgefahr beschränkt (TSchab 15,16; bJoma 85b), wird aus der am Sabbat gebotenen Beschneidung 3 2 die Legitimität von Sabbatheilungen abgeleitet. Wenn die lediglich ein Körperteil betreffende Beschneidung am Sabbat vollzogen werden darf, gilt dies vollends für die Heilung des ganzen Menschen, und Jesus hat mit seiner Gelähmtenheilung keinesfalls schwererwiegend gegen das Gesetz verstoßen, als dies jüdischerseits regelmäßig mit der Beschneidung am Sabbat geschieht. Der eng auf den Kontext abgestimmte Wortlaut von Joh 7,23b 3 3 spricht gegen die Annahme, daß 7,22f. ein älteres, auf Jesus zurückgehendes Logion darstellt. Allerdings könnte ein ähnlichlautendes, authentisches Sabbatlogion Jesu bei Integration in die Streitgesprächszene Joh 5,9c-16(18)/7,19-23 situationsbezogen umformuliert worden sein 3 4 .

b) Joh 9,1-47 In Joh 9 wurde ein älterer Blindenheilungsbericht mit 9,1.6.7 als Traditionskern etappenweise durch Dialogszenen ausgestaltet (9,8-41; vgl. schluß von 5,18, an den sich die Frage 7,19 anschloß, vgl. Bultmann, Joh-Ev 178; Attridge, Source Elaboration in John 7,1-36 165-168. 31 Vgl. Meeks, Prophet-King 294. Anders H. Weiss, Sabbath in the Fourth Gospel 312ff., der für das vorjoh Streitgespräch ähnliche nachösterliche Kontroversen um die Sabbateinhaltung wie bei den Synoptikern veranschlagt. 32 Die Anordnung der Beschneidung am achten Tage (Lev 12,3) setzte das G e bot der Sabbatruhe außer Kraft, vgl. Schab XIX,1-3; Ned 111,1; Just, Dial 27,5. 33 έμοί χολδτε 7,23 scheint den Vorwurf von 5,10ff. vorauszusetzen, ΰγιής begegnet im Joh-Ev neben 7,23 lediglich in 5,4.6.9.11,14f., in Verbindung mit ποιεΐν im NT nur Joh 5,11.15 und 7,23, vgl. Sauer, Rückkehr 389. 34 Während Joh 5,9cff. der Sabbatbruch im Wegtragen der Bahre besteht, wird in dem Logion Joh 7,22f. eine Heilung Jesu gerechtfertigt (vgl. auch Haenchen, Joh-Ev 284f.). Dies deutet darauf hin, daß das Logion älter als der Kontext ist bzw. ursprünglich unabhängig davon tradiert wurde.

246

Krankenheilungen Jesu

auch 10,19-21) und dabei wiederum nachträglich das Motiv des Sabbatbruchs eingebracht. Konkurrierende Deutungen der Blindenheilung in 9,8-34 einerseits, 9,35-41 andererseits sprechen dagegen, daß 9,8-41 in seiner Gesamtheit vom Verf. des Joh-Ev stammt. Joh 9,8-34 wirkt geschlossen und gliedert sich kompositorisch in vier ineinander verschachtelte Einzelszenen. Die Abschnitte 9,8-12 und 9,18-22 verlaufen von der Zielsetzung her parallel, indem in einer Befragung des Geheilten (9,8-12) und seiner Eltern (9,18-22) dessen Identität mit dem Blindgeborenen und damit die Faktizität des Wunders erwiesen wird. Dies zieht in 9,13-17 und 9,24-34 jeweils die christologische Kontroverse nach sich, ob das zweifellos eingetretene Wunder die göttliche Autorisierung Jesu verbürgt. Von Seiten der Pharisäer als Repräsentanten des Judentums wird dies verneint, da es sich bei der Heilung um eine Versündigung gegen die von Gott angeordnete Sabbatruhe gehandelt habe (9,15f.24f.) 3 5 . Joh 9,35-41 erschließt über 9,8-34 hinausgehend die tiefere Dimension der Wundertat von 9,1-7 als Heilung geistlicher Blindheit. Dem Geheilten mit seinem Glauben werden die "Pharisäer" kontrastierend als solche Personen gegenübergestellt, die trotz physischer Sehkraft mit geistlicher Blindheit geschlagen und dem Gericht verfallen sind. Diese symbolische Deutung der Blindenheilung deckt sich der Sache nach mit der mutmaßlich auf den Evangelisten zurückgehenden Prädizierung Jesu als φως του κόσμου 9,5 und spricht für eine joh Verfasserschaft von 9,35-41. Demgegenüber dürfte es sich bei 9,8-34 im wesentlichen um vorjoh Tradition handeln 3 6 , da der Evangelist mit seinem betonten Interesse an der Heilung geistlicher Blindheit kaum derart massiv das Wiedereintreten der physischen Sehkraft hervorgehoben haben würde, wie dies Joh 9,8-34 der Fall ist. Joh teilt die dortige positive Offenbarungsfunktion der Wundertat als Beweis der Gottessohnschaft Jesu (9,33), unterzieht sie aber spiritualisierend einer vertiefenden Neuinterpretation.

Das apologetische Lehrstück Joh 9,8-34 will Zweifeln an der Faktizität der Wundertaten Jesu und einer daraus ableitbaren Gottessohnschaft entgegentreten. Wie Joh 5,9b-16(18)/7,19-23 zeigt auch Joh 9,8-34, daß sich die joh Gemeinde in einem vor Abfassung des Joh-Ev liegenden 35 Das Kneten von Teig (vgl. εποίηοεν πηλόν Joh 9,6) zählt ebenso zu den am Sabbat untersagten Tätigkeiten (Schab VII,2) wie die Augenbehandlung mit Speichel (jSchab 14,4I14d]parr; vgl. Thomas, Fourth Gospel and Rabbinic Judaism 172f.). Lediglich die Heilung akuter Augenerkrankungen, worunter die Blindheit von Geburt an natürlich nicht fällt, war erlaubt (bAZ 28b). 36 Vgl. Bultmann, Joh-Ev 250; Becker, Joh-Ev I 315f. Ähnlich Haenchen, Joh-Ev 382f.: Der Evangelist habe in Kap. 9 eine "kunstvoll aufgebaute Vorlage" um 9,4f.39-41 erweitert. Entgegen der Zuweisung von Joh 9,8-34 zu einer Semeiaquelle (Bultmann, aaO.; Becker, aaO.) dürfte allerdings eher damit zu rechnen sein, daß es sich um ein apologetisches Lehrstück aus joh Schultradition handelt, das der Evangelist aufgriff und in 9,35-41 mit einer neuen Deutung versah. Für einheitlich joh halten 9,8-34 dagegen Schnackenburg, Joh-Ev II 303; Schnelle, Antidoket. Christologie 134-140.

Sabbatheilungskonflikte

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Stadium in Auseinandersetzung mit einem pharisäisch geprägten Judentum um Fragen der Christologie befand. Jüdischerseits wurde dabei vorgebracht, daß Jesus bei seinen Krankenheilungen sowohl andere zum Sabbatbruch animierte (5,8) als auch persönlich die Sabbatruhe verletzte (9,6) und folglich sein Handeln nicht im Einvernehmen mit Gott erfolgt sein könne. Diese Polemik, die offenbar maßgeblich den Synagogenausschluß der joh Gemeinde mitbedingte (9,22f.34), erklärt sich plausibel als historische Erinnerung an tatsächliche Begleitumstände des Wirkens Jesu, zumal das der Rechtfertigung von Sabbatheilungen dienende Logion Joh 7,22f. zumindest "dem Geist Jesu entspricht" 37 .

2.3.4. Sabbatlogien Jesu zur Rechtfertigung seiner Heilpraxis Aus dem Joh-Ev haben sich erste zuverlässige Hinweise auf Sabbatheilungen Jesu ergeben. Auch die in unserer Analyse von Mk 3,1-5; Lk 13,10-17 und Lk 14,1-6 gewonnene Einsicht, daß dort die Verbindung von Heilung und Sabbat sekundär ist, spricht nicht grundsätzlich gegen die Historizität solcher Sabbatheilungen. Für ehemals situationslos tradierte Sabbatlogien Jesu ist damit zu rechnen, daß sie ursprünglich (Mk 2,27) oder von Anfang an (Mk 3,4; Mt 12,11/Lk 13,15; Lk 14,5; vgl. auch Joh 7,22f.) einer Rechtfertigung und Kommentierung von Heilungen oder Dämonenaustreibungen am Sabbat dienten 38 .

a) Mk 2,27 Mk 2,27 "Der Sabbat wurde um des Menschen willen und nicht der Mensch um des Sabbat willen" existierte höchstwahrscheinlich zunächst getrennt von dem Streitgespräch über das Ährenraufen am Sabbat 39 , so 37 Vgl. Schnackenburg, Joh-Ev II 189; ähnlich Brown, John I 317. 38 Vgl. Schaller, Jesus und der Sabbat 20-27. - Mk 2,28 scheidet hier wohl aus, da es sich aufgrund christologischer Stilisierung (MenschensohnTitel) um Gemeindebildung handeln wird, vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 66; Tödt, Menschensohn 123f.; Lohse, Jesu Worte 66. 39 Mk 2,27f. wurde vermutlich sekundär an 2,23-26 angehängt (Bultmann, Syn Tradition 14; Lohmeyer, M k - E v 63; Roloff, Kerygma 58f.; Pesch, Mk-Ev I 178f.; Gnilka, M k - E v I 120), wobei das Menschensohnwort 2,28 eine nachträgliche christologische Kommentierung von 2,27 bieten dürfte. Auch für den Fall, daß Mk 2,27 die ursprüngliche Erwiderung des gegnerischen Einwandes 2,24 darstellt, ist mit einer früheren Eigenständigkeit von 2,27 zu rechnen, vgl. Hübner, G e s e t z in der syn Tradition 122; Lindemann, Sabbatperikope 101. Vgl. zur Forschungsgeschichte, die literar- und traditionskritischen Fragen von Mk 2,23-28 betreffend, Neirynck, Jesus and the Sabbath 231-268.

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Krankenheilungen Jesu

daß der ursprüngliche historische Bezugspunkt dieses Logions nur hypothetisch erschlossen werden kann. Das Fehlen christologischer Stilisierung und die in έγένετο manifesten, auch für einen authentischen Jesusstoff wie Mk 10,6f. maßgeblichen schöpfungstheologischen Bezüge auf Gen 1-2 deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein echtes Jesuswort hin 4 0 . Ohne die Sabbatordnung grundsätzlich in Frage zu stellen, wird in Mk 2,27 das Wohlergehen des Menschen der Sabbatobservanz sachlich Ubergeordnet und implizit mit der Gen 1,26 - 2,3 entnehmbaren Erschaffung des Menschen vor der Einsetzung des Sabbat argumentiert. Vom Inhalt her läßt sich zwar nicht beweisen, aber doch mit hoher Plausibilität vermuten, daß der ursprüngliche Bezugspunkt von Mk 2,27 in der Rechtfertigung einer Dämonenaustreibung oder Heilung am Sabbat zu sehen ist, die nicht durch eine ausnahmsweise Außerkraftsetzung der Sabbatruhe aufgrund akuter Lebensgefahr abgedeckt wird. Bei welchen Krankheitsfällen am Sabbat eine Heilung erlaubt oder die Anwendung medizinischer Techniken zulässig ist, wird im antiken Judentum breit erörtert. In der Damaskusschrift und im Mischnatraktat Schab wird ausdrücklich untersagt, "Medikamente" (•"'3ΏΡ CD X,10) oder zur Heilung gedachte Schab X,l) Mittel am Sabbat herumzutragen. Richtschnur für die Beurteilung von Sabbatheilungen ist die Frage, inwieweit dem Kranken oder Verletzten Lebensgefahr droht. Dabei wird nach dem Grundsatz verfahren, daß die Rettung eines Menschenlebens dem Sabbatgebot übergeordnet ist und dieses gegebenenfalls außer Kraft setzt (Joma VIII,6; Schab XVIII,3; XXII,6; TSchab 15,16; bJoma 84b; MekhEx 31,13). Gleichzeitig entwickelt sich eine vielfältige Kasuistik darüber, in welchen Fällen eine unmittelbare Gefährdung menschlichen Lebens b e s t e h t 4 1 .

Wie die Parallele "Euch ist der Sabbat übergeben und nicht seid ihr dem Sabbat übergeben" MekhEx 31,13 samt Kontext zeigt, läßt sich Mk 2,27 vom Inhalt her zwanglos im Zusammenhang von Krankenheilungen verstehen. Dabei deuten die schöpfungstheologischen Bezüge in Mk 2,27 auf eine grundsätzlichere Überordnung des menschlichen Wohlergehens gegenüber dem Sabbatgesetz hin, als dies MekhEx 31,13f. mit der Beschränkung auf Lebensgefahr der Fall ist 4 2 . 40 Lohse, Jesu Worte 68; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 121-123; Gnilka, Mk-Ev I 123. 41 Joma VIII,6: Bei Halsschmerzen darf man am Sabbat Medizin einflößen, da jeder Zweifel der Lebensgefahr den Sabbat verdrängt; bJoma 84b: Ist ein Kind versehentlich eingeschlossen und könnte sich zu Tode ängstigen, darf die Tür zertrümmert und damit die Sabbatruhe gebrochen werden. 42 Vgl. Sauer, Rückkehr 392f. Ähnlich Lindemann, Sabbatperikope 88f., der aber nicht ausschließen will, daß Jesus das Wort in einer durch drohende Lebensgefahr gekennzeichneten Situation wie in MekhEx 31,13f. verwendet

Sabbatheilungskonflikte

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b) Mk 3,4 Ähnliche Rückschlüsse auf Sabbatheilungen Jesu legen sich für das Logion Mk 3,4 nahe, das in seiner Konsequenz über das zeitgenössische Sabbatverständnis hinausgeht und als authentisches Jesuswort anzusehen ist 4 3 . Die Alternative, ob am Sabbat Leben zu retten oder zu töten sei, wurde zur Zeit Jesu zweifellos im Sinne des ψυχήν σωσαι beantwortet, da Lebensgefahr die Sabbatobservanz verdrängt (Joma VIII,6). Die Prävalenz des αγαθόν ποιησαι Mk 3,4 gegenüber dem Gebot der Sabbatruhe hingegen sprengt den Rahmen der uns bekannten zeitgenössischen Sabbatgesetzgebung, zumal der zweite Teil der Frage von Mk 3,4 offenkundig eine Verschärfung des ersten Teils darstellt, indem Gutes zu tun mit Lebensrettung, Böses zu tun hingegen mit Lebenszerstörung gleichgesetzt wird 4 4 . Da es Mk 3,4 bei αγαθόν ποιησαι der Sache nach um helfende Zuwendung gegenüber Menschen geht, ist es naheliegend, in dieser auf Einverständnis bei den Hörern setzenden Frage einen Bezug zu Dämonenaustreibungen oder Heilungen am Sabbat zu sehen 4 5 .

c) Mt 12,11/Lk 14,5 und Lk 13,15 Das bei Mt im großen und ganzen in der Q—Fassung bewahrte Logion Mt 12,11/Lk 14,5 setzt es als erlaubt voraus, ein in einen Brunnen gefallenes Tier am Sabbat zu retten. CD XI,13f. wird grundsätzlich untersagt, Vieh am Sabbat aus einem Brunnen oder einer Grube zu retten, und bSchab 128b zufolge darf man lediglich Decken und Polster unterlegen oder das Tier füttern, damit es sich selbständig befreien kann. Demgegenüber gibt Mt 12,1 lf. über einen liberaleren halakhischen Standpunkt Aufschluß, demzufolge auch ein aktives Herausholen des Tieres zulässig ist.

Das in Frageform gefaßte, ohne weiteres für die Verkündigung Jesu reklamierbare 46 Logion impliziert einen qal wachomer-Schluß. Ist die

hat, und zu recht die Inkonsequenz kritisiert, bei einer Interpretation von Mk 2,27 gewöhnlich nicht nach dem ursprünglichen Kontext zu fragen. 43 Lohse, Jesu Worte 68; Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288f. Gegen Thissen, Befreiung 250f. (In Mk 3,4 liege eine christologische Verdichtung vor, die nicht auf Jesus zurückführbar sei); W . Weiß, Lehre in Vollmacht 123. 4 4 Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 288, unter Verweis auf Mt 5,21f. 45 Schweizer, M k - E v 41; vgl. auch Gnilka, M t - E v I 449. 46 Lohse, Jesu Worte 70; Hübner, Gesetz in der syn Tradition 139; D i e t z felbinger, Sabbatheilungen 286; Kosch, Tora 209. Vgl. auch Greeven, "Wer unter euch ... ", der τίς έξ ύμων-Fragen für typisch jesuanisch hält (deutlich

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Krankenheilungen Jesu

Rettung gefährdeten Viehs am Sabbat erlaubt, gilt dies erst recht für heilvolles Handeln an hilfsbedürftigen Menschen. Auch hier ist von der Thematik her ein Zusammenhang mit Heilungen oder Dämonenaustreibungen gut vorstellbar 47 . Das vom Aussagegehalt her recht ähnliche Sabbatwort Lk 13,15 schließlich gilt meist als sekundäre Parallelbildung zu Mt 12,11/Lk 14,5. Als Hauptargument gegen die Authentizität von Lk 13,15 wird dabei angeführt, daß dieses Logion nur geringen Anhalt an der jüdischen Sabbatpraxis zur Zeit Jesu habe 4 8 . Dieses Negativurteil unterschätzt die offenkundige Vielgestaltigkeit der zeitgenössischen Sabbatregelung. Wie es bereits Mt 12,llpar der Fall war, spiegelt sich auch in Lk 13,15 ein liberalerer halakhischer Standpunkt als im rabbinischen Schrifttum. Lk 13,15 setzt es als erlaubt voraus, am Sabbat das Vieh loszubinden und zu tränken. Schab VII,2 gilt dagegen das Lösen von Knoten (λύει Lk 13,15) als eine der am Sabbat verbotenen Tätigkeiten, und bErub 20b.21a wird entgegen dem ποτίζει Lk 13,15 nur ein indirektes Tränken des Viehs am Sabbat erlaubt. Allerdings ist Schab X V , l f . Rabbi Meir zufolge das Lösen eines Knotens mit einer Hand - offenbar ist an eine Schleife gedacht - erlaubt, und aus CD XI,5f. geht hervor, daß man am Sabbat Vieh bis zu 2000 Ellen weit außerhalb der Stadt zum Weiden führen durfte.

Offenkundig reflektiert Lk 13,15 eine zur Zeit Jesu verbreitete liberalere Sabbatpraxis als Schab VII,2 und bErub 20b.21a, und die Möglichkeit einer Echtheit des Logions bleibt gegeben 49 . Unter dieser Voraussetzung bietet Lk 13,15 einen gegenüber Mt 12,llpar eigenständigen, weiteren qal wachomer-Schluß, der aus der unbestrittenen Tränkung von Vieh am Sabbat die Legitimät auch von Heilungen oder Dämonenaustreibungen folgern dürfte. Die Ausweitung von Wunderheilungsberichten zu Streitgesprächen mit Sabbatthematik, die im frühen Christentum auf breiter Basis (Mk 3,1-5; Lk 13,10-17; 14,1-6; Joh 5,l-16(18)/7,19-23; 9,l-7.13ff.) und weitgehend ohne unmittelbare gegenseitige Beeinflussung erfolgte, ist damit jenseits aktueller Gemeindeprobleme um die Sabbatobservanz offenkundig auch von historischer Erinnerung an Jesu Wunderhandeln geprägt 49 . Die serelativiert durch Berger, Materialien 31-33, der auf τίς-Gleichnisse in w e i s heitlicher und popularphilosophischer Tradition hinweist). Kritisch im Blick auf Echtheit: Luz, M t - E v II 237f. mit Anm.8. 47 Vgl. Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 286; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen 314f. 48 Roloff, Kerygma 67; Sauer, Rückkehr 380. Vgl. auch Dibelius, Formgeschichte 94. 49 Vgl. Grundmann, Lk-Ev 280; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen 312ff.; Braun, Jesus 65-67.

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kundär in Wunderberichte integrierten authentischen Logien Mk 3,4; Mt 12,llpar und Lk 13,15 dienten e b e n s o wie Mk 2,27 und vielleicht auch Joh 7,22f. von vornherein einer Rechtfertigung von Heilungen oder Dämonenaustreibungen, die am Sabbat an nicht lebensbedrohlich erkrankten Personen vollzogen wurden. Bei einer Hinterfragung der s a c h lichen Bedeutung solcher Sabbatheilungen Jesu ist über ethische A s p e k t e 5 0 hinausgehend auch die schöpfungstheologisch-eschatologische Dimension mitzubedenken, wie sie insbesondere in έγένετο Mk 2,27 deutlich wird. Von der zentralen Stellung der βασιλεία του θεοίί in Jesu Verkündigung und von den Mt 12,28par g e g e b e n e n B e z ü g e n z w i s c h e n Wundertaten und Gottesherrschaft her legt sich dieser Interpretationshintergrund für die Sabbatheilungen Jesu von vornherein n a h e 5 1 , wobei die z e i t g e n ö s s i s c h e Symbolkraft des Sabbat auf die eschatologische Heilszeit hin von maßgeblicher Bedeutung ist. Im nachexilischen Judentum wurde das Sabbatgebot "geradezu zum wichtigsten Stück des göttlichen G e s e t z e s " 5 2 . Instruktiv sind die mit Todesstrafe bei Nichteinhaltung drohenden Sabbatausführungen des Jubiläenbuchs. Der Sabbat versinnbildlicht die Vollendung der Schöpfung (Jub 2,1; vgl. Gen 2,1-3), so daß seine Begehung einer jeweils neuerlichen Vergegenwärtigung der Schöpfermacht Gottes oder seiner Königsherrschaft (vgl. Jub 50,9) dient 5 3 , und es handelt sich um einen genuin himmlischen Feiertag, der erst sekundär auch auf Erden eingesetzt wurde (Jub 2,30) und gemeinsam mit Gott begangen wird (2,18-31). Von dieser Transparenz des Sabbat auf die schöpfungsmäßigen G e gebenheiten her wird verständlich, daß er im Zusammenhang von Urzeit-Endzeit-Entsprechungen als Symbol für die himmlische Vollendung betrachtet

50 Vgl. etwa Theißen, Wundergeschichten 114 ("Die absolute Verpflichtung zu menschlicher Hilfeleistung setzt sich hier gegen rituelle Gebote durch"); Schmithals, Mk-Ev I 195-198; Trautmann, Zeichenhafte Handlungen 316 (".... daß die Hilfeleistung zur Pflicht auch am Sabbat werden kann, wenn die Möglichkeit der Gesundung eines Menschen besteht"); Sand, M t - E v 258 (zu Mt 12,9-14: "... daß Jesus die Tora nicht nach formal-kasuistischen Aspekten interpretiert, sondern nach 'ethischen' "). 51 Dietzfelbinger, Sabbatheilungen 285.294ff.; Hengel, Jesus und die Tora 166; Schaller, Jesus und der Sabbat 26f. ("dürfte Jesus im Bewußtsein der Nähe der Herrschaft Gottes gemeint haben, jetzt schon gerade am Sabbat heilen zu können, vielleicht sogar heilen zu müssen, um so ... den eigentlichen Sinn des Sabbat aufzuweisen"). 52 Lohse, ThWNT VII 5; vgl. für die nachexilische Zeit Robinson, Sabbath 261ff., für das rabbinische Judentum Goldenberg, Sabbath in Rabbinic Judaism 31-44, sowie die Belege bei Billerbeck I 905 zur exponierten Stellung des Sabbatgebotes gegenüber allen anderen Geboten (bSchab 118b: Beginge Israel zwei Sabbate vorschriftsmäßig, bräche die Erlösung an; ähnlich ExR XXV,12 im Blick auf das Kommen des Messias). 53 Vgl. Liebreich, Jubilees 50.9 169.

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Krankenheilungen Jesu

wurde. Der Sabbat besitzt die Heiligkeit der künftigen Welt (MekhEx 31,13) und gilt als Abbild (GenR XVII,5; XLIV,17) oder als ein Sechzigstel (bBer 57b) der kommenden Heilszeit, die ein gänzlicher Sabbat sein wird (Tamid VII,4; bRH 31a; MidrPs 92,2) und in der wie einst im Paradies Krankheit und Tod keine Rolle spielen (Jub 23,29f.; syr Bar 73,1-3). Diese zeichenhafte Abbildung zukünftigen Heils im S a b b a t 5 4 zeigt sich auch darin, daß er mit üppigem Essen begangen wird (bSchab 117b) und Fasten wegen Unvereinbarkeit mit der Sabbatfreude grundsätzlich untersagt ist (Judith 8,6; Jub 50,12; bBer 31b). Auch die rigoros wirkende Halakha der Schammaiten, derzufolge am Sabbat weder für die Kranken gebetet (TSchab 16,22) noch Leidtragende oder Kranke besucht werden sollten (bSchab 12ab), wurzelt in diesem Verständnis, daß sich der Sabbat als Abbild der eschatologischen Freudenzeit nicht mit Krankheit und Leid verträgt, "a person is to behave on the Sabbath as if the peace and harmony of the Messianic age had already come" 5 5 . Da sich im Sabbat in b e s o n d e r e r W e i s e die Schöpfermacht Gottes und eine z e i c h e n h a f t e Abbildung d e s zukünftigen Heils spiegelt, war dieser Tag "geradezu dafür prädestiniert, daß an ihm die Heilungen des anbrechenden G o t t e s r e i c h e s vollzogen w u r d e n " 5 6 . Jesu Dämonenaustreibungen und Heilungen sind Folgeerscheinungen d e s durch die Entmachtung d e s Satans (Mk 3,27parr; Lk 10,18) grundsätzlich e n t s c h i e d e nen Kampfes gegen das B ö s e . Von daher bot sich der Sabbat als Manifestation von Gottes Schöpfermacht und als Sinnbild der eschatologis c h e n Heilszeit in b e s o n d e r e r W e i s e dazu an, die angebrochene W i e deraufrichtung der Herrschaft Gottes über s e i n e Schöpfung und das damit verbundene W e i c h e n d e s B ö s e n in Form von Krankenheilungen oder Dämonenaustreibungen wirksam werden zu lassen, wobei die ursprünglic h e Schöpfungsordnung über die Sinaitora und deren z e i t g e n ö s s i s c h e Auslegung gestellt wird. Diese schöpfungstheologischen Bezüge der Sabbatheilungen Jesu und der in den syn-joh Sabbatlogien implizierte Rechtfertigungszwang Jesu legen einen tatsächlichen Sabbatbruch nahe und sprechen gegen die beliebte These, Jesus habe nicht gegen die Tora oder die zeitgenössische Halakha verstoßen, da die Heilung durch das Wort nirgendwo eine am Sabbat verbotene Arbeit

54 Vgl. auch Vit Ad 51 (zum Hintergrund der dortigen, für das antike Judentum singulären Deutung der Sabbatruhe auf die Auferstehung und zur F r a ge christlichen Einflusses: Schaller, Gen 1.2. im antiken Judentum 114-116), grundsätzlich zur eschatologischen Symbolkraft des Sabbat Friedman, Anticipation of Redemption 443-452; Bacchiocchi, Sabbatical Typologies 153-176; Griffith, Eschatological Significance 73-78. 55 Bacchiocchi, Sabbatical Typologies 156, vgl. Friedman, Anticipation of Redemption 448. 56 Hengel, Jesus und die Tora 166.

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darstelle 5 7 . Da der Rahmen der ntl Sabbatlogien durchweg sekundär ist, entzieht es sich unserer Kenntnis, mit welchen - möglicherweise auch untersagten - Mitteln Jesus Sabbatheilungen bewirkt hat. Zudem sollen TSchab 7,23 zufolge am Sabbat scheinbar keine Dämonenaustreibungen vorgenommen werden (vgl. auch bSanh 101a). Vielleicht geriet Jesus mit seinen Sabbatheilungen auch nur speziell mit der strengen Halakha der Schammaiten (TSchab 16,22, bSchab 12ab) in Konflikt.

Im Horizont der von Jesus intendierten Wiederherstellung der schöpfungsgemäßen Bestimmung des Sabbat als eines Feiertags, der der Erschaffung des Menschen zeitlich nach- und dem menschlichen Wohlergehen damit sachlich untergeordnet ist und der bereits vor Einbruch des Bösen in die Welt (Gen 3) eingesetzt wurde, wird verständlich, daß die Heilung auch nicht lebensbedrohlich Erkrankter den von UrzeitEndzeit-Entsprechungen geprägten eschatologischen Vorstellungen Jesu gemäß keinen Aufschub duldete. Die Überzeugung, daß der für die Schöpfermacht Gottes und das eschatologische Heil symbolträchtige Sabbat sich nicht mit Krankheit und Leid vereinbaren läßt, zieht hier im Gegensatz zu dem auf ähnlichen Voraussetzungen gründenden Gesetzesverständnis der Schammaiten als Konsequenz nach sich, daß das krankheitsverursachende Böse am Sabbat nicht zu ignorieren und zu verdrängen ist, sondern gerade auch an diesem Tag bekämpft und beseitigt werden muß, indem der kranke Mensch in den der Schöpfungssituation entsprechenden Zustand zurückversetzt wird. Bezüge zu dem von Dtn 5,15 herrührenden, von der Exodustradition beeinflußten Verständnis des Sabbat als Feiertag mit Symbolkraft für die national-politische Befreiung Israels (vgl. auch Jes 61,lf.) sind dagegen bei Jesus nicht erkennbar. Während die Zeloten im Befreiungskampf gegen die römische Besatzung das Sabbatgebot nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch durch offensive kriegerische Auseinandersetzungen übertraten 5 8 , hat Jesus im Horizont von Gen 1-2 die Heilung des Menschen über die Sabbatobservanz gestellt. Von solchen Sabbatheilungen her fällt zudem neues Licht auf den gegen Jesus erhobenen Vorwurf des Beelzebulbündnisses und der Manie, was gegen andere jüdische Wundertäter wie Choni oder Chanina ben Dosa trotz ihrer teilweise umstrittenen Praktiken als Bezichtigung nicht belegt ist. Wer hingegen wie Jesus im Zusammenhang mit Wundertaten 57 Gegen Flusser, Jesus 47f. (außer in Joh 9 liege bei keiner ntl Sabbatheilung verbotene Arbeit vor); Sanders, Jesus and Judaism 266 ("no work was performed"); ders., Jewish Law 19-23; Murphy, World of Jesus 332 ("Speaking healing words is forbidden nowhere in Torah"). 58 Vgl. dazu Hengel, Zeloten 293-296.

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Krankenheilungen Jesu

die Sabbattora oder deren weithin anerkannte Halakha brach, wurde vom Standpunkt konsequenter Gesetzesobservanz aus zwangsläufig der Manie und Zauberei verdächtig, wie das Beispiel des wegen magischer Betätigung am Sabbat für geisteskrank erklärten (TSchab 11,15) und wegen Verführung zum Götzendienst gesteinigten (TSanh 10,11) Ben Stada zeigt.

2.4. Berichte über Fernheilungen an Heiden Mit Mk 7,24-30, Mt 8,5-13par und Lk 17,11-19 enthalten die Evangelien drei Wunderüberlieferungen, in denen von Dämonenaustreibungen oder Heilungen Jesu an heidnischen Personen die Rede ist. Daß es sich dabei um apophthegmatische Kompositionen mit sachlicher Unterordnung des Wunders gegenüber einer Dialogszene handelt und in allen drei Fällen das im NT nur hier belegte Motiv der Fernheilung maßgeblich ist, rechtfertigt eine gesonderte Behandlung dieser Stoffe, die mit einer Analyse von Mk 7,24-30 einsetzen soll.

2.4.1. Heilung der Tochter einer Syrophönizerin (Mk 7,24-30) Die Erzählung von der Heilung der Tochter einer syrophönizischen Frau wurde erst von Mk durch die Rahmenbemerkungen 7,24.31 in der Gegend um Tyros angesiedelt 1 . Darüber hinaus bietet Mk 7,27a mit dem einschränkenden πρώτον eine sekundäre 2 , möglicherweise erst mk Abschwächung von 7,27b. In der vormk Fassung von 7,25-30, einem durch die Dialogszene 7,27f. unterbrochenen Dämonenaustreibungsbericht mit Fernheilungsthematik, läßt sich das Bildwort Mk 7,28 als älteres Traditionsmotiv bestimmen. Das breit bezeugte 3 Füttern von Hunden mit Tischabfällen evozierte die Redewendung von Menschen, die sich wie Hunde sinnbildlich von den Brosamen anderer nähren. 1 Vgl. zum redaktionellen Charakter von Mk 7,24 und zu den Übereinstimmungen mit der mk Rahmennotiz 10,1 Kertelge, Wunder Jesu 151; Koch, Wundererzählungen 89-91; Gnilka, Mk-Ev I 290; Lührmann, Mk-Ev 130. Mk hat offenbar aus der ihm vorgegebenen Herkunftsbezeichnung der Frau als Syrophönizerin (7,26) einen Tyrosaufenthalt Jesu (7,24.31) abgeleitet (gegen Pesch, Mk-Ev I 387, der die Ortsangaben 7,24.31 für traditionell hält). 2 Treffend Jeremias, Jesu Verheißung 25, Anm.94: "Durch das Wort πρώτον, das auf ein eschatologisches ΐίστερου weist, wird bei Mk aus dem Exklusivrecht Israels (Mth 15,24) ein zeitlich begrenztes, vorübergehendes Vorrecht." Vgl. zur Sache Rom 1,16; Apg 13,46. 3 Belege bei Luz, M t - E v II 435, Anm.59, vgl. ergänzend Jos As 10,13; 13,8.

Fernheilungen an Heiden

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Philostr, Vit Apoll 1,19, wird Damis, weil er auch die unbedeutend e r scheinenden Äußerungen des Apollonius sammelt, als Hund verhöhnt, der die Tischabfälle vertilgt ( ... παραπλήσιου που τοις κυσί πράττειν τοις σιτουμέυοις τά έκπίπτουτα της δαι,τός). In der Erwiderung des Damis spiegelt sich wie in Mk 7,28 eine positive Verwertung des an sich eher negativen Bildes: "Wenn es sich um Mahlzeiten der Götter handelt und es Götter sind, die da schmausen, gibt es zweifellos auch Diener, denen viel daran liegt, daß nichts, was an Ambrosia übrigbleibt, verlorengeht." Analog dazu ist Mk 7,28 das Israel gegebene "Brot" ein derart heilvolles Gut, daß selbst der Verzehr der Brosamen lohnt 4 . In der Dialogszene Mk 7,27f. dient das "geflügelte Wort" 7,28 einer Korrektur von Mk 7,27b. Bei 7,27b handelt sich um ein isoliert durchaus überlieferungsfähiges Logion, das vom Bildgehalt her in Mt 7,6a eine entfernte Parallele hat und der Aussageintention nach deckungsgleich mit Mt 10,5b.6; 1 5 , 2 4 5 ist. In Analogie zur dortigen Sendung Jesu oder der Jünger allein zu den verlorenen Schafen Israels wird in Mk 7,27b das in Jesus g e k o m m e n e , hier mit dem Bild d e s Brotes u m s c h r i e b e n e 6 Heil auf die Israeliten als Kinder der atl Verheißungen begrenzt g e s e hen und eine Ausweitung auch auf Heiden kategorisch verneint 7 . Mk 7,27f. zeigt sich damit von Debatten d e s frühen Christentums um die Mission geprägt, die einzelne judenchristliche Kreise unter Berufung auf das J e s u s z u g e s c h r i e b e n e 8 Logion Mk 7,27b allein auf Israel beschränkt w i s s e n wollten. Nicht aufrechterhalten läßt sich der Einwand von H. Kasting, im frühen Christentum sei niemals die grundsätzliche Berechtigung der Heidenmission,

4 Negativ im Sinne von Parasitentum begegnet das Motiv (ohne die Hundemetaphorik) dagegen Ps-Phokylides 156f.: "Iß nicht den Tischabfall vom Gastmahl eines anderen (μη 8' άλλου παρά δαιτός εδοις σκυβάλιομα τραπέζης), sondern iß von deinem eigenen Lohn ohne Luxus." Vgl. ferner bBB 8a. 5 Mt 15,21-28 basiert allein auf Mk 7,24-30, nicht auf einer Sondertradition (Lohmeyer, M t - E v 252) als literarischer Grundlage, vgl. Gnilka, Mt-Ev II 28f.; Luz, M t - E v II 430f. 6 Vgl. zu Brotverzehr im übertragenen Sinne: Prov 9,5 ελθατε φάγετε των έμων (sc. der Sophia) δρτων. 7 Mit τέκνα wird Mk 7,27f. bildhaft die Zugehörigkeit zu Israel als Kindschaft umschrieben (vgl. die Belege ThWNT VIII 352-354.355.360). "Hund" ist in jüdischer Tradition als Schimpfwort für Heiden vielfältig belegt, vgl. äth Hen 89,42ff., wo Hunde (griech Hen κύνες, feindliche Völker) die Schafe (Israel) bedrängen, ferner das rabbinische Material bei Billerbeck I 724f. 8 Für Echtheit plädiert dagegen Jeremias, Jesu Verheißung 24f. Pesch, Mk-Ev I 390 mit Anm.20; Gnilka, Mk-Ev I 294, und Murphy, World of Jesus 319, vermuten in Mk 7,27b zumindest historische Erinnerung daran, daß Jesus sich in seinem Wirken auf das jüdische Volk konzentrierte.

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Krankenheilungen Jesu

sondern lediglich die Frage der Gesetzesverpflichtung umstritten gewesen 9 . Diese Behauptung basiert auf der unzutreffenden Beurteilung von Mt 10,5b.6 und 15,24 als redaktioneller Formulierungen und auf einer Unterbewertung von Mt 10,23. In Mt 10,5b.6; 15,24 fehlen sprachliche Indizien für eine mt Verfasserschaft. Zudem ist ein Widerspruch zu der universalistischen Missionskonzeption von Mt 28,19f. gegeben, die eine redaktionelle Formulierung von 10,5b.6; 15,24 völlig unplausibel erscheinen läßt. Mt hat beide Logien als Traditions gut übernommen und die Spannungen zu 28,19f. dadurch bewältigt, daß er die Gültigkeit der Sendung allein an Israel historisierend auf die Jesuszeit beschränkt wissen will 1 0 . Vormt wird hinter den kaum auf Jesus zurückführbaren Logien Mt 10,5b.6 und 15,24 eine judenchristlich-partikularistische, die Heidenmission ablehnende Strömung des frühen Christentums erkennbar 1 1 , die offenkundig auch für die Formulierung von Mk 7,27b verantwortlich zeichnet. Für diese Ausklammerung der Heiden dürften in erster Linie pragmatische Gesichtspunkte ausschlaggebend gewesen sein. Dem v e r mutlich zu Q oder Q M t gehörigen Amen-Wort Mt 10,23b ist entnehmbar, daß in Teilbereichen des Judenchristentums aufgrund unmittelbarer Parusieerwartung einer Bekehrung der "Städte Israels" gegenüber der Heidenmission Vorrang eingeräumt wurde 1 2 . Die hinter dem Apophthegma 7 , 2 5 - 3 0 stehenden Befürworter der Heidenmission s c h w ä c h e n unter Rückgriff auf die traditionelle Metapher der sich in positivem Sinne von Tischabfällen nährenden Hunde (vgl. Philostr, Vit Apoll 1,19) die Aussageintention von Mk 7,27b in Richtung auf eine Zulassung der Heidenmission bei gleichzeitiger Wahrung der heilsgeschichtlichen Prärogative Israels a b 1 3 . Zur Illustration d i e s e s Sachverhalts wird der Wunderbericht Mk 7,25.26.29.30 angeführt, der wohl niemals eigenständig existierte, sondern mit der heidenchristlichen Identität der hilfsbedürftigen Person eng auf die Aussage von Mk 7,28

9 Kasting, Anfänge 109-114 (vgl. Roloff, Kerygma 161, Anm.201; Wegner, Hauptmann 425). Für Mk 7,24-30 erfolgt nicht einmal eine traditionsgeschichtliche Analyse (vgl. Kasting, aaO. 115) - daß der Stoff in seiner Endgestalt die Heidenmission befürwortet, versteht sich von selbst. 10 Vgl. Strecker, Weg der Gerechtigkeit 108f.194-196; Schürmann, Vorgeschichte 138 mit Anm.5; ähnlich Luz, Mt-Ev II 88-93.434f., der allerdings Mt 15,24 für redaktionelle Neuformulierung von 10,5b.6 hält (430). 11 Strecker, Weg der Gerechtigkeit 109; Hahn, Mission 43-48; Luz, M t Ev II 89f.; ähnlich Gnilka, Mt-Ev I 363. 12 Vgl. zur Herkunft von Mt 10,23b aus Q oder Q M t Luz, M t - E v II 114. 13 Gegen Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 204f. ("Warum sollte eine urchristliche Gruppe eine von ihr abgelehnte Meinung Jesus zuschreiben, wenn sie diese Meinung bei anderen Christen bekämpfen will?"), war Mk 7, 27b von den impliziten Gegnern als Jesuslogion vorgegeben. Dadurch, daß Jesus in 7,25-30 zu der Dämonenaustreibung argumentativ "überredet" wird, e r folgt nunmehr ebenfalls die Beanspruchung von christologischer Autorität: Mk 7,27b war nicht Jesu "letztes Wort" in der Angelegenheit der Heidenmission.

Fernheilungen an Heiden

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zugeschnitten i s t 1 4 . Ob die apophthegmatische Wundererzählung z u nächst s p e z i e l l die Mission in Syrophönizien 1 5 oder von Anfang an grundsätzlich die Heidenmission (vgl. den diesbezüglich paradigmatis c h e n Charakter der Zusatzbezeichnung Έλληυίς Mk 7,26) rechtfertigen wollte, läßt sich e b e n s o w e n i g mit Sicherheit e n t s c h e i d e n wie die Frage nach d e m historischen Entstehungsort von Mk 7 , 2 5 - 3 0 1 6 .

2.4.2. Heilung d e s Sohnes eines Zenturio (Mt 8,5-13par) oder königlichen Beamten (Joh 4 , 4 6 - 5 4 ) Eine der Form und dem Inhalt nach mit Mk 7 , 2 4 - 3 0 verwandte Wundertradition b e g e g n e t Mt 8 , 5 - 1 3 / L k 7,1-10 und Joh 4 , 4 6 - 5 4 in einer literarisch davon unabhängigen Parallele 1 7 . Während sich Mt 8,llf. als ein vormt n o c h nicht in die Erzählung integrierter (vgl. Lk 13,28f.) Einschub erweist, entspricht Mt 8,5-10.13 im w e s e n t l i c h e n dem Q-Wortlaut. Daß das mt παΤς (im Sinne von Kind) dem δοΰλος von Lk 7,1-10 vorzuziehen ist, zeigt neben dem "Lapsus" π α ι ς in Lk 7,7 auch Joh 4,46-54 (υίός). Unklar bleibt für den ältesten Traditionskern die Art der Krankheit. Lk und Joh, der speziell von Fieber spricht (4,52), schildern sie übereinstimmend als

14 Gegen Kertelge, Wunder Jesu 152f., der Mk 7,25.26.29.30 als ursprünglich eigenständigen Wunderbericht betrachtet, wurde die Heilungsschilderung wohl erst nachträglich aus der Dialogszene Mk 7,27f. entwickelt (Lohmeyer, Mk-Ev 145; Burkiii, Development 175-177). Koch, Wundererzählungen 86f.; Gnilka, Mk-Ev I 290; Lührmann, Mk-Ev 130, gehen von einer einheitlichen Komposition aus; Hahn, Mission 24, sieht in Mk 7,24-30 ähnlich wie Twelftree, Jesus the Exorcist 145-147, sogar "eine historische Begebenheit ziemlich unverändert wiedergegeben". 15 Schille, Wundertradition 26f., beurteilt Mk 7,24-30 als "Gebietslegende" mit dem Ziel, die Mission in Syrien und Phönizien zu legitimieren. 16 Das "Lokalkolorit" (dazu: Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 207-221) könnte für eine Entstehung in Palästina sprechen, vgl. Gnilka, Mk-Ev I 290. Fraglich ist aber, ob der Begriff ΣυροφοίΛΐίκισσα 7,26, der eine Unterscheidung zwischen Syro- und Lybophönizien voraussetzt, in einem palästinischen Überlieferungsmilieu überhaupt denkbar ist (ablehnend: Niederwimmer, Johannes Markus 182; ähnlich Theißen, Lokal- und Sozialkolorit 221-223; Luz, M t - E v II 433, Anm. 29; zustimmend Gnilka, Mk-Ev I 292, Anm.17, unter Verweis auf Just, Dial 78,10). 17 Daß Mt 8,5-13par und Joh 4,46-54 auf eine Grundtradition zurückgehen, steht außer Zweifel, vgl. Schnackenburg, Joh-Ev I 501-506; Brown, John I 192f.; Schnider/Stenger, Johannes und die Synoptiker 54-57; Wegner, Hauptmann 18-21. Literarische Abhängigkeit (Neirynck, John et les synoptiques 93-120: Joh 4,46-53 sei eine "relecture" von Mt 8,5-13par) ist dabei nicht erkennbar.

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lebenbedrohlich (Lk 7,2; Joh 4,47.49), was gegenüber dem mt παραλυτικός als sekundäre Steigerung w i r k t 1 8 . Andererseits begegnet παραλυτικός Mt 4,24 redaktionell, und δεινως βασανιζόμενος Mt 8,6 deutet darauf hin, daß u r sprünglich auch bei Mt von einer akuten Erkrankung die Rede war. Lk 7,1-10 weist erhebliche Textüberschüsse auf, indem Lk 7,3-5.6b Jesus eine zweifache Gesandtschaft entgegentritt und dadurch kein unmittelbarer Kontakt zwischen W u n d e r t ä t e r und stellvertretendem Bittsteller zustandekommt. Auch wenn M t gerade bei Wundererzählungen Kürzungen größeren Ausmaßes zuzutrauen sind 1 9 , dürfte hier bei Lk eine sekundäre Ausgestaltung vorliegen 2 0 . M t 8,13 diff. Lk 7,10 wird unter Verweis auf ähnliche Heilungskonstatierungen in Mt 9,22; 15,28; 17,18 meist für mt gehalten 2 1 . Demgegenüber begegnet aber die Hervorhebung des Genesungszeitpunktes (Mt 8,13) auch Joh 4,52 und bBer 34b als traditioneller Topos von Fernheilungsberichten, und in Lk 7,10 sind sekundäre sprachliche Reminiszenzen an den von Lk übergangenen Mk-Stoff 7,24-30 feststellbar (vgl. Mk 7,30). Joh 4 , 4 6 - 5 4 , der Form nach eine stilechte Wundererzählung, e r ö f f n e t kaum Rückschlüsse auf eine ältere Fassung ohne Dialogszene 2 2 . Vielmehr handelt es sich wohl um eine gegenüber M t 8,5-10.13 weiterentwickelte Version, die mit dem Glaubensmotiv (Joh 4,50.53) noch Rudimente der Q Dialogszene (vgl. Mt 8,10par) aufweist, ansonsten aber primär an der Faktizität der Heilung interessiert ist und dazu die Wunderkonstatierung in 4,51-53 massiv a u s b a u t 2 3 . Das detaillierte "Heilungsfeststellungsverfahren" 4,51-53 läßt in Verbindung mit der Notiz vom Weichen des Fiebers an einen motivgeschichtlichen Einfluß solcher jüdischen Wundertopik denken, wie sie auch in der Chanina ben Dosa zugeschriebenen Fernheilung bBer 34b begegnet.

Kann damit Mt 8,5-10.13 cum grano salis als traditionsgeschichtlich älteste Fassung betrachtet werden, so sind die frappierenden Struktur18 Schulz, Q 236; Gnilka, M t - E v I 299. 19 Vgl. bes. M t 8 , 2 8 - 3 4 / M k 5,1-20; M t 9 , 1 8 - 2 6 / M k 5,21-43, zum Ganzen Held, Mt als Interpret 158ff. 20 Schulz, Q 236-240; Wegner, Hauptmann 102-243; Busse, Wunder 142-150; Gnilka, M t - E v I 299f.; Luz, M t - E v II 12f.; ähnlich Bovon, Lk-Ev I 346; möglicherweise vollzog sich die sekundäre Ausgestaltung zumindest teilweise bereits vorlk in Q L k , vgl. Wegner, Hauptmann 243ff. Für U r sprünglichkeit der längeren Lk-Fassung tritt dagegen Schürmann, Lk-Ev I 395 (ähnlich Theißen, Wundergeschichten 183), ein. 21 Vgl. Schulz, Q 240; Luz, M t - E v II 13. 22 So Lührmann, Redaktion 57; Fortna, Gospel of Signs 45. - Neben dem sekundären Itinerar Joh 4,46a.47a.54 handelt es sich bei 4,48 um einen Einschub des Evangelisten, der 4,49 als Wiederaufnahme von 4,47 notwendig macht (Becker, Joh-Ev I 185f.; Schnelle, Antidoket. Christologie 96-100); mit geringfügig weitergehenden Eingriffen rechnen Bultmann, Joh-Ev 151f.; Schnid e r / S t e n g e r , Johannes und die Synoptiker 64-73; Schnackenburg, Joh-Ev I 500f. 23 Vgl. zum traditionsgeschichtlich gegenüber Mt 8,5-10.13par sekundären Charakter von Joh 4,46-54: Bultmann, Joh-Ev 151; Schweizer, Heilung 408f.; Schnider/Stenger, Johannes und die Synoptiker 72f.; Wegner, Hauptmann 55f.; Haenchen, Joh-Ev 261.

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analogien zu d e m apophthegmatischen Wunderheilungsbericht Mk 7, 2 4 - 3 0 klärungsbedürftig. In beiden Fällen verweigert Jesus einer heidn i s c h e n Person die Bitte um Heilung ihres erkrankten K i n d e s 2 4 , läßt sich dann durch eine argumentativ g e s c h i c k t e und von b e s o n d e r e m Zutrauen in den Wundertäter zeugende Erwiderung umstimmen und vollzieht das Wunder schließlich als Fernheilung. D i e s e s eng verwandte Strukturschema deutet darauf hin, daß Mt 8,5-10.13 eine traditionsgeschichtliche Variante von Mk 7 , 2 4 - 3 0 darstellt 2 5 , die allerdings durch historische Erinnerung an die Heilung e i n e s heidnischen Kindes in Kapernaum mitgeprägt sein k ö n n t e 2 6 . Maßgebliches Interesse bei der Traditionsbildung wird wiederum die Legitimation einer Einbeziehung von Heiden in das mit Jesus g e k o m m e n e Heil g e w e s e n sein, während e i n z e l n e judenchristliche Kreise demgegenüber die Mission auf Israel beschränkt w i s s e n w o l l t e n 2 7 .

2.4.3. Die Heilung der zehn Aussätzigen (Lk 17,11-19) Als l e t z t e m ntl Fernheilungsbericht hat das Augenmerk schließlich der Sonderguttradition von der Heilung der z e h n Aussätzigen zu gelten, die

24 Mt 8,7 ist als zurückweisende Frage, nicht als Aussage (Haenchen, Weg Jesu 97) aufzufassen, vgl. Schulz, Q 242 mit Anm.447; Gnilka, M t - E v I 301; Luz, M t - E v II 12 mit Anm.l. Abwegig ist der Versuch von Catchpole, The Centurion's Faith 527f.539f., die heidnische Identität des Zenturio anzuzweifeln (vgl. dagegen Burchard, Zu Mt 8,5-13 278-280) und für Mt 8,5-13par eine Befürwortung der Heidenmission zu bestreiten. 25 Bultmann, Syn Tradition 39; ähnlich Sand, Mt-Ev 177f. Schulz, Q 241, hält Mk 7 , 2 4 - 3 0 / M t 8,5-13par sogar für eine der Doppelüberlieferungen des Mk-Ev und der Logienquelle. 26 Für einen historischen Kern plädieren Wegner, Hauptmann 426-428; Gnilka, M t - E v I 305, und offenbar auch Schnackenburg, Joh-Ev I 497. 27 Dabei geht es nicht speziell um eine Rechtfertigung der gesetzesfreien Heidenmission (gegen Bovon, Lk-Ev I 352f., der im Glauben des Hauptmanns Beschneidung und Ritualverpflichtungen überholt sieht). Das jüdische Ritualgesetz (Ohal XVIII,7b zufolge ist jedes heidnische Haus rituell unrein; vgl. Jub 22,16; Demai 11,3) wird von dem heidnischen Hauptmann respektiert (Mt 8,8par) und auch von Jesus nicht normativ außer Kraft gesetzt (vgl. dagegen Mk 2,13-17; Lk 19,1-10), sondern durch die Fernheilung gewahrt. Folglich ist es kaum sachgemäß, von Mt 8,5-13 in der Q-Fassung als einer "heidenchristlichen Geschichte" zu sprechen (Haenchen, Weg Jesu 98; vgl. auch Bovon, aaO.). Die Erzählung ist vielmehr "ursprünglich ... vom Standort Israels aus geschrieben, indem sie am israelitischen Vorrang festhielt" (Strecker, Weg der Gerechtigkeit 100) und wurzelt vermutlich in der Auseinandersetzung um die Aufnahme von "gottesfürchtigen" Heiden in judenchristliche Gemeinden (Schürmann, Lk-Ev I 396f.).

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von Lk mittels der redaktionellen Naht 17,II 28 in den Reisebericht integriert wird. Die Lukanismen in 17,12-1929 erklären sich zwanglos durch umfassende Redigierung eines vorgefundenen Traditionsstückes und berechtigen nicht zu der Annahme, die gesamte Erzählung gehe erst auf Lk zurück 30 . Dies gilt auch für den meist als redaktionell eingestuften V.19, der mit dem Glaubensmotiv ein typisches Stilelement solcher apophthegmatischen Wunderheilungserzählungen, wie Lk 17,12-19 sie darstellt, enthält31. Die erste Szene (Lk 17,12-14) schildert die Heilung von zehn Aussätzigen und weist mit λεπροί, επιδείξατε εαυτούς τοις ίερεΰσιν und έκαθαρίσθησαν enge Berührungen mit Mk 1,40-44 auf. Offenkundig ist diese Aussätzigenheilungserzählung als bekannt vorausgesetzt, allerdings in deutlicherer Anlehnung an 2 Kön 5 ausgestaltet, als dies für Mk 1,40-44 zutrifft. Die Heilung vollzieht sich im Gegensatz zu Mk l,41f. nicht an Ort und Stelle, sondern die Aussätzigen werden analog zu Naeman 2 Kön 5,10 fortgeschickt und erst dann von ihrem Leid befreit, womit Lk 17,14 eine Fernheilung impliziert. Noch deutlicher zeigt sich die Orientierung an 2 Kön 5 in der zweiten Szene (Lk 17,15-19), wo einer der Geheilten zum Gotteslob zurückkehrt (vgl. 2 Kön 5,15). Bei ihm handelt es sich um einen Samaritaner, also wie bei Naeman um eine nicht dem Volk Israel zugehörige Person. Die durch Lk 17,15-19 gegebene apophthegmatische Ausgestaltung des Aussätzigenheilungsberichtes 17,12-14 zeigt, daß es auch hier um die autoritative Regelung eines theologischen Problems unter Beanspruchung von Jesustradition geht. Gegenüber der Annahme, es handele sich dabei in scharfer wunderkritischer Akzentuierung um die Unterscheidung von Heilung (17,12-14) und Heil (17,15-18)32, dürfte die eigentliche Pointe des Textes darin bestehen, daß ähnlich wie in Lk 10,30-36 ausgerechnet ein Samaritaner zum Vorbild wahren Glaubens wird. Dies deutet darauf hin, daß Lk 17,12-19 seine Entstehung Konflikten um die Berechtigung

28 Vgl. Conzelmann, Mitte der Zeit 60-66; H.D. Betz, Cleansing 314f.; Jeremias, Sprache 264. - Pesch, Taten 118f., hält dagegen δια μέσον Γαλιλαίας für traditionell. 29 Bruners, Reinigung 133ff.; Jeremias, Sprache 264-266. 30 So Fuller, Wunder Jesu 40.74; Bruners, Reinigung 297-305. Vgl. dagegen Jeremias, Sprache 264-266, zu für Lk atypischem Sprachgebrauch in 17,12-19. 31 Vgl. M t 8,5-13par; Mk 10,46-52; zum Ganzen: Roloff, Kerygma 157f.; H.D. Betz, Cleansing 315f. Für redaktionell halten Lk 17,19 Pesch, Taten 121f.; W i e f e l , Lk-Ev 306. 32 H.D. Betz, Cleansing 323-325: "... sharp critique of the belief in healing miracles as not being identical with the experience of salvation itself". Lk 17,12ff. sei die Parodie einer Wundergeschichte.

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der Samariamission verdankt 3 3 , die in Teilbereichen des Judenchristentums umstritten war. Das sekundär in die Aussendungsrede integrierte Logion Mt 10,5b.6 enthält ein ausdrückliches Verbot an die Jünger, εις πόλιν Σαμαριτωυ hineinzugehen. Dies steht in unüberbrückbarer Spannung zu dem authentischen Gleichnis Lk 10,30-36 und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in einer judenchristlichen Gemeinde formuliert, die sich unter Teilung der traditionellen jüdischen R e s sentiments gegenüber S a m a r i a 3 4 oder aufgrund unmittelbarer Parusiererwartung (vgl. Mt 10,23) gegen eine dortige Mission wandte und ihre Wirksamkeit auf die "verlorenen Schafe I s r a e l s " begrenzt sah.

Eine derartige streng judenchristliche Position, wie sie hinter Mt 10,5b.6 sichtbar wird, dürfte zur Formulierung des apophthegmatischen Wunderberichtes Lk 17,12-19 seitens hellenistischer Judenchristen 3 5 veranlaßt haben. Die Lk 17,12-19 entnehmbare Legitimation der Samariamission als wichtiger Etappe beim Übergang des Evangeliums an die Heiden war jedenfalls für Lk der ausschlaggebende Grund für die Berücksichtigung dieser Erzählung (vgl. Lk 4,27; Apg 1,8; 8,4-25). Allen drei analysierten apophthegmatischen Berichten von Fernheilungen Jesu an Heiden ist als maßgebliches traditionsbildendes Interesse gemeinsam, daß sie unter Verweis auf eine besondere Glaubensbereitschaft der Heiden deren Zugang zu dem in Jesus gekommenen Heil zu legitimieren suchen. Als Frontstellung wird hinter diesen Stoffen ein sich auch Mt 10,5b.6 und 15,24 zu Wort meldendes Judenchristentum erkennbar, das die planmäßige Samaria- oder Heidenmission ablehnte und vermutlich die Einbeziehung der Heiden in das Heil dem endzeitlichen Handeln Gottes vorbehalten sah. Bei der πίστις, die einem solchen Heilspartikularismus gegenüber expressis verbis (Mt 8,10/Lk 7,9; Lk 17,19) oder implizit (Mk 7,24-30; vgl. Mt 15,28) für eine Heilswürdigkeit der Heiden angeführt wird, handelt es sich nicht um Glaubensgerechtigkeit im pln Sinne, da weder das jüdische Ritualgesetz (Mt 8,8par; Lk 33 Vgl. Schille, Anfänge 71: Die Würdigkeit Samarias für das Wort werde programmatisch sichtbar. - Gegen Glöckner, Lob Gottes, der die Abhängigkeit von Mk 1,40-44 und 2 Kön 5 unterschätzt (131-139) und mit einem historischen Kern rechnet (155-158). 34 Vgl. J e r e m i a s , ThWNT VII 89ff.; Kippenberg, Garizim und Synagoge 87ff. 35 Apg 8 , 4 - 2 5 dürfte als historischen Aspekt enthalten, daß die Anfänge der Samariamission auf Teile des Stephanuskreises zurückgehen, vgl. Lüdemann, Frühes Christentum 106. Geschichtliches Wissen um den umstrittenen Charakter der Samariamission setzt offenkundig auch die lk Darstellung von Apg 8,14-17 voraus, derzufolge erst die Jerusalemer Autoritäten Petrus und Johannes die Geisttaufe in Samaria spenden und dadurch die dortige Mission nunmehr durch das Pneuma göttlich legitimiert wird.

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17,14) noch der uneingeschränkte heilsgeschichtliche Vorrang Israels (Mk 7,27f.) in Frage gestellt werden, sondern um ein Zutrauen in die Kraft Jesu als Wundertäter. Da in allen ntl Fernheilungsberichten Heiden oder Samaritaner als Hilfsbedürftige auftreten, ist die Erklärung des Fernheilungsmotivs als thaumaturgisches Steigerungselement 36 allein nicht ausreichend. Dies gilt auch für die Annahme, die Heiden würden aufgrund ihrer Inferiorität keines persönlichen Kontaktes mit Jesus für würdig befunden und hätten sich mit einer Fernheilung als qualitativ schlechterer Art des Wunders zu begnügen 3 7 . Wie die atl-jüdischen Beispiele 2 Kön 5,7.15; bBer 34b zeigen, kommt in Fernheilungen, die außerhalb der biblischen und der rabbinischen Tradition praktisch nicht belegt sind 3 8 , in besonders ausgeprägter Weise das Wunderwirken Gottes zum Ausdruck, so daß es von untergeordneter Bedeutung ist, ob sich der Wundertäter selber in unmittelbarer Nähe des Kranken aufhält oder nicht. Auf die Legitimation der Heidenmission als mutmaßliches Interesse der ntl Stoffe Mk 7,24-30; Mt 8,5-13par und Lk 17,11-19 bezogen, soll das Fernheilungsmotiv offensichtlich gezielt zum Ausdruck bringen, daß Gott persönlich auf Jesu Initiative hin die Heilung an den Heiden vollzogen und damit deren Integration in das Heil ausdrücklich befürwortet hat. Unter historischen Aspekten ist von Bedeutung, daß in Mk 7,24-30; Mt 8,5-13par und Lk 17,11-19 die Heidenmission speziell mit dem Verweis auf Wundertaten Jesu an nicht zum jüdischen Volk gehörigen Personen legitimiert wird. Hier zeigt sich, daß Missionare christologische Wundertradition zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise in Anspruch 36 Bultmann, Syn Tradition 240: "Besonders wunderbar sind Fernheilungen". In diesem Sinne hat sicher der Verf. von Joh 4,46a das Fernheilungsmotiv verstanden, indem er durch diese Rahmennotiz die Fernheilung nicht mehr innerhalb von Kapernaum (Mt 8,5-13par), sondern nunmehr über die Entfernung Kana-Kapernaum hin erfolgen läßt und damit die Größe des Wunders nochmals steigert. 37 Lohmeyer, M k - E v 148; Burkiii, Development 176: Die Fernheilung Mk 7,30 sei Konzession an die 7,24-30 bekämpften Gegner der Heidenmission; Koch, Wundererzählungen 87: Die Fernheilung in Mk 7,24-30 entspreche dem distanziert-ablehnenden Ausgangspunkt des Gesprächs (7,27) und zeige, daß die Begegnung Jesu mit einer Nichtjüdin für den Erzähler eine Ausnahme darstelle. 38 Vgl. neben 2 Kön 5,Iff.; bBer 34b mit Vorbehalt bBQ 50a; aus hellenistischer Tradition kommen allenfalls Philostr, Vit Apoll 111,38 (Bedrohung eines Dämons per Brief), und Julian, Ep 77,447 (Fieberheilung per Brief), als entferntere Parallelen in Betracht. In der Epidaurosinschrift W 21 und Strabo XVII 1,17 handelt es sich nicht um Fernheilung, sondern um stellvertretende Inkubation.

Wiederbelebungen

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nahmen und einem judenchristlichen Heilspartikularismus vielleicht sogar mit historischer Erinnerung an die Heilung heidnischer Personen durch Jesus entgegentraten. Im Horizont der Einbeziehung von Heiden in die eschatologische Heilsverkündigung (Mt 8,llpar) 3 9 ist es vorstellbar, daß Jesus Dämonenaustreibungen oder Heilungen an heidnischen Personen vollzogen hat, um deren Partizipation an der Gottesherrschaft zum Ausdruck zu bringen.

2.5. Wiederbelebungen verstorbener Personen 2.5.1. Erweckung der Jairustochter (Mk 5,22-24.35-43) Ein Sonderfall von Heilungswundern liegt dann vor, wenn die erkrankte Person bis zum Eintreffen des Wundertäters bereits verstorben ist oder zu sein scheint, wie dies in den Evangelien Mk 5,22-24.35-43; Lk 7,11-17 und Joh 11,1-44 der Fall ist. Der redaktionell mit Mk 5,25-34 verschachtelte Totenerweckungsbericht 5,22-24.35-43 zeichnet sich dabei ähnlich wie Mk 7,31-37 und 8,22-26 durch eine detaillierte Schilderung der Wunderpraktiken aus. Nach Entfernung des Publikums (5,40; vgl. 7,33; 8,23) ergreift Jesus das verstorbene Mädchen an der Hand, spricht das Heilwort ταλιθα κουμ und belegt die Eltern nach der Wiederbelebung mit einem Geheimhaltungsgebot (5,43; vgl. 7,36a)1. Bei dem Ergreifen der Hand handelt es sich nicht einfach um ein Aufrichten der wiederbelebten Person (Apg 9,41), sondern um einen Heilritus, da das Wunder erst im nachhinein erfolgt (Mk 5,42) 2 . Ταλιθα κουμ, das höchstwahrscheinlich erst von Mk mit τό κοράσιον, οοί λέγω, εγείρε übersetzt wurde 3 , stellt in dem griechisch formulierten Wunderbericht wie εφφαθα Mk 7,34 eine ρησις βαρβαρική 4 des Wundertäters dar. Vermutlich handelt es sich bei ταλιθα κουμ um eine traditionelle jüdische Heilformel. Die Anweisungen gegen Blutfluß in bSchab 110b, denenzufolge sich die Anwendung pharmakologi-

39 Zum Ganzen: Jeremias, Jesu Verheißung 40-44.47ff. 1 Dieses oft für redaktionell gehaltene (vgl. Koch, Wundererzählungen 66f.; Schenke, Wundererzählungen 204f.), der Absonderung des Publikums korrespondierende Geheimhaltungsgebot 5,43a dürfte vormk sein. 2 κρατεΐν της χειρός (vgl. Mk 1,31) dient Mk 9,26f. ähnlich wie in 5,41 zur Wiederbelebung des wie tot am Boden liegenden Besessenen. 3 Gegen Pesch, Mk-Ev I 309. Vgl. neben Mk 7,34 (εφφαθα, δ έστιν διανοίχθητι) auch Mk 15,22.34, wo bei der Übersetzung von Golgatha und von ελωι ελωι λεμα σαβαχθανι wie in Mk 5,41 die Einleitungsformel ο έστιν μεθερμηνευόμενον vorangestellt ist. 4 Als topische "ρησις βαρβαρική erlaubt ταλιθα κουμ keinen zwingenden Rückschluß auf eine aramäische Fassung des Totenerweckungsberichtes (gegen Lohmeyer, Mk-Ev 104.107; Pesch, Mk-Ev I 309).

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Krankenheilungen Jesu

scher Mittel unter Rezitation des Spruches ~|ΌΤΟ D i p ("Steh auf von deinem Blutfluß") zu vollziehen hat, beweisen, daß im antiken Judentum Heilformeln mit D l p / κ ο υ μ verbreitet waren. Die Mk 5,41 in Form von Berührung und Aussprechen eines wunderwirksamen fremdsprachigen Wortes vorliegende Totenerweckungspraktik hat Philostr, Vit Apoll IV,45, eine Entsprechung, wo Apollonius das tote Mädchen berührt, "irgendetwas Geheimnisvolles" spricht und es so zum Leben erweckt. Ähnliche Techniken spiegeln sich Ovid, Fasti VI,753f., wo von Asklepios eine in die Zeit vor seiner Apotheose fallende Totenerweckung durch dreimaliges Berühren der Brust des verstorbenen Hippolytus und durch dreimaliges Aussprechen von Heilworten geschildert wird (pectora ter tetigit, ter verba salubria dixit: depositum terra sustullit ille caput). Im Gegensatz zu diesen Parallelen teilt Mk 5,41 aber den Wortlaut der Totenerweckungsformel mit.

Exkurs: Die Totenerweckung Apg 9,36-43 Kaum als Zufall erklärbar ist die Tatsache, daß in dem Totenerweckungsbericht Apg 9,36-43 das Wunderwort Ταβιθά, άνάστηθι fast exakt ταλιθα κουμ (= άνάστηθι, εγείρε) entspricht. Bei Apg 9,36-43, der Erweckung der Tabitha durch Petrus, handelt es sich nicht einfach um eine Parallelbildung zu Mk 5,22-24.35-43/Lk 8,40-42.49-56, sondern um einen demgegenüber eigenständigen Wunderbericht, der sich stark an den Totenerweckungen der Elia-Elisa-Tradition orientiert und teilweise wörtliche Anleihen aus 4 Kön 4,18-41LXX enthält5. In beiden Fällen wird der Wundertäter zur Totenerweckung herbeigeholt, entfernt das Publikum (4 Kön 4,33; Apg 9,40) und betet (προσηύξατο 4 Kön 4,33/Apg 9,40). Weitere signifikante Übereinstimmungen sind mit και έπέστρεψεν 4 Kön 4,35/καί έπιστρέψας Apg 9,40 und der Wunderkonstatierung ηνοιξεν τους οφθαλμούς αΰτου/αΰτης 4 Kön 4,35/Apg 9,40 gegeben. Für die Parallelität von Ταβιθά, άνάστηθι Apg 9,40 und ταλιθα κουμ Mk 5,41 bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten an. Eine aus 4 Kön 4,18-41 entwickelte Legende von einer Totenerweckung Petri kann bereits die Formel ταλιθα κουμ enthalten haben und aus diesem Grunde nachträglich mit einer in Joppe ansässigen Christin namens Ταβιθά6 in Verbindung gebracht geworden sein. Alternativ kommt in Betracht, daß 5 Weniger wahrscheinlich ist für Apg 9,36-43 eine redaktionelle Imitation von Lk 8,40-42.49-56 (als Möglichkeit bei Lüdemann, Frühes Christentum 128). Während die Tabithaerzählung unter maßgeblichem Einfluß der EliaElisa-Tradition steht (vgl. die Synopse bei Weiser, Apg I 238), weist die lk Bearbeitung der Jairusgeschichte keine Anklänge an die atl Totenerweckungserzählungen auf. 6 Zur Historizität von Tabitha: Lüdemann, Frühes Christentum 129; Pesch, Apg I 325.

Wiederbelebungen

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Apg 9 , 3 6 - 4 3 von vornherein von einer Wundertat Petri an Tabitha handelte und sekundär ταλιθα κουμ als frei umlaufende oder aus Mk 5,41 bekannte Heilformel an sich z o g 7 , wobei ταλιθα in Ταβιθά abgewandelt wurde. *

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N e b e n missionspropagandistischen Interessen der Jairuserzählung, die sich Mk 5,43 mit der εκστασις μεγάλη der Zuschauer und der Altersangabe ήν γαρ έτων δώδεκα als Steigerungsmotiv 8 zeigen, läßt die weitreic h e n d e Spiegelung von Wiederbelebungspraktiken (Entfernung d e s Publikums, Handergreifung als Heilritus, fremdsprachige Heilformel ταλιθα κουμ, Geheimhaltungsgebot) auch einen B e z u g zu Wundertaten christlicher Charismatiker denkbar e r s c h e i n e n . In früheren Teilen unserer Untersuchung war davon die Rede, daß der Scheintod in der Antike ein verbreitetes und von Medizinern vielerörtertes Phänomen darstellte (Hippocr, Mul 11,123.126.151; Plin, Hist Nat 7,175; Gal VIII,414ff.). Empedokles (Herakleides, Fragm 77ff.; vgl. Emped, Fragm 101), Asklepiades (Cels, Med 116,13-16; Plin, Hist Nat 7,124; 26,13; Apul, Florida 19,92-96) und wahrscheinlich auch Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 24) haben totgeglaubte Personen mit medizinischen Mitteln wiederbelebt. Daß Scheintode sogar bei der Beerdigung wieder zu sich kamen, ist offenbar nicht selten vorgekommen (Cels, Med 116,13; Plin, Hist Nat 7,173.176). PGM XIII,277ff. zeigt, daß auch mit magischen Mitteln der Versuch der tatsächlichen Wiederbelebung oder der Totenbefragung (Nekromantie) unternommen wurde. Speziell für das Christentum berichtet Iren, Haer II 31,2; 32,4, von Totenerweckungen auf Gebet und Fasten hin. Von daher besteht eine hohe W a h r scheinlichkeit, daß christliche Wundercharismatiker neben Dämonenaustreibungen oder Heilungen auch Wiederbelebungen scheintoter Personen bewirkten und sich dabei solcher Praktiken bedienten, wie sie Mk 5,40f. beschrieben werden, zumal καθεύδει als Hinweis auf Scheintod interpretierbar ist. Daß griechischsprachige Christen hebräische Wunderworte verwendeten, wurde bereits im Zusammenhang mit Mk 7,34 deutlich. Zahlreiche christliche Wiederbelebungsformeln mit άνιστάναι/surgere (= D i p ) begegnen in den apopkryphen Apostelakten (Act Joh 22; 24; 47; 52; 80; 83; Act Petr 27), wobei iuvenis, surge et ambula (Act Petr 27, vgl. Lk 7,14); άνάστηθι έ\ι τφ 7 Vgl. Roloff, Apg 160; Der ursprünglich in der Lokaltradition von Joppe verankerte Name einer dort tatsächlich von Petrus geheilten Frau (Tabitha) habe die Erinnerung an die fast gleichklingende Totenerweckungsformel Jesu (Mk 5,41) provoziert. 8 Die Altersangabe erhöht die Dramatik des Todesfalles (mit zwölf Jahren ist das Mädchen kurz vor Erreichen der Heiratsfähigkeit verstorben, vgl. die Belege bei Billerbeck II 10), stellt also kein atopisches, historisch zuverlässiges Detail dar (gegen Pesch, Mk-Ev I 312).

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ονόματι Ίησοΰ Χριστοΰ (Act Joh 22) und Δρουσιανή, άνάστηθι (Act Joh 80) die unmittelbarsten Parallelen zu ταλιθα κουμ Mk 5,41 sind.

Vom Überlieferungsmilieu her gehört die Jairuserzählung aufgrund ihrer Lokalisierung im Hause eines Synagogenvorstehers in das griechischsprachige Judenchristentum 9 . Historische Reminiszenzen an eine Wundertat Jesu sind fraglich 10 , zumal sich unter traditionsgeschichtlichen wie medizinhistorischen Aspekten grundsätzliche Bedenken gegen Wiederbelebungen durch Jesus erheben (s.u.).

2.5.2. Der Jüngling von Nain (Lk 7,11-17) Die Erzählung von der Erweckung des Jüngling zu Nain (Lk 7,11-17) wird von Lk zur Illustration des νεκροί εγείρονται 7,22 in die Q-Stoffolge Lk 7,1-10.18-35 eingeschoben. Sie stammt aus Sonderüberlieferung und enthält zahlreiche Lukanismen11, die auf eine umfassende redaktionelle Überarbeitung des zugrundeliegenden Traditionsstückes hindeuten. Von der Topik her weist Lk 7,11-17 enge Bezüge zu Philostr, Vit Apoll IV,45, auf. Übereinstimmungen bestehen dahingehend, daß der Wundertäter in beiden Fällen dem von einer großen Volksmenge begleiteten Trauerzug begegnet 12 , ohne Hilfsbegehren aus eigenen Stücken die Initiative ergreift und das Wunder wirkt, indem er die tote Person oder deren Sarg berührt (ηψατο της σοροΰ Lk 7,14/προσαψάμενος αύτης Vit Apoll IV,45) und sie anredet. Zudem dient hier wie dort die wiedergewonnene Sprachfähigkeit zum Erweis des erfolgten Wunders (ηρξατο λαλεΤν Lk 7,15/φωνήν τε ή παις άφηκεν Vit Apoll IV,45; vgl. 3 Kön 17,22)13. Ver9 Vgl. Schenke, Wundererzählungen 211. Kuhn, Sammlungen 198f., will dagegen ein heidenchristliches Uberlieferungsmilieu nicht völlig ausschließen. 10 Einen phantasievollen Rückfall in den Rationalismus des frühen 19.Jhdt. bietet W i l c o x , ΤΑΛΙΘΑ KOTM(I) 476: Jesus habe das wegen niedrigen Blutzuckerspiegels im Koma befindliche Mädchen durch Nahrungszufuhr (Mk 5,43) wieder zu sich gebracht. Pesch, Mk-Ev I 312, will über die Altersangabe Mk 5,43 hinaus auch die Berufs- und Namensbezeichnung des Vaters als nichttopische, auf eine Heilungstat Jesu hinweisende Daten verstanden wissen. Die Annahme, es handele sich bei der Jairusgeschichte ursprünglich um eine Wunderheilungserzählung (Pesch, aaO.; Rochais, Les recits 110f.; Suhl, Wunder Jesu 505; Kertelge, Wunder Jesu 113; Fischbach, Totenerweckungen 178-181), bleibt rein hypothetisch. 11 Harbarth, Gott 17-79; Busse, Wunder 165-170; Jeremias, Sprache 156-160. 12 Dies ist allerdings auch bei Asklepiades (Plin, Hist Nat 7,124; 26,15; Apul, Florida 19,92f) und dem Adler Par Jer 7,15f. der Fall. 13 In anderen Totenerweckungstraditionen wird das Wunder dagegen durch Niesen und Augenaufschlagen (2 Kön 4,35), Heben des Kopfes (Ovid, Fasti

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mutlich wurde eine ältere hellenistische Wundererzählung in dem einen Fall auf Jesus, in dem anderen Fall auf Apollonius übertragen 14 . Uber diese Berührungen mit Vit Apoll IV,45 hinaus ist allerdings die Endgestalt von Lk 7,11-17 ohne eine direkte Beeinflussung von 3 Kön 17,10.17-24LXX nicht erklärbar. Wie dort handelt es sich bei dem toten Kind um den Sohn einer Witwe 15 , und das Wunder zieht eine göttliche Legitimation des Wundertäters als Gottesmann (3 Kön 17,24) oder "großer Prophet" (Lk 7,16) nach sich. Zudem lehnt sich die Exposition Lk 7,llf. mit έπορεύθη εις πόλιν καλουμένην Ναίν und ώς δε ηγγισεν τί| πύλη της πόλεως offenkundig an 3 Kön 17,10 και έπορεύθη εις Σάρεπτα εις τον πυλώνα της πόλεως an, und και εδωκεν αυτόν τη μητρί αύτου 3 Kön 17,23 findet sich wörtlich in Lk 7,15 wieder. Während dieser Schriftbezug in Lk 7,15 redaktionell ist (vgl. εδωκεν αυτόν τφ πατρί αύτοΰ Lk 9,42 diff. Mk 9,27/Mt 17,18), dürften die weiteren aufgezeigten Berührungen mit 3 Kön 17,10.17-24 und auch die Proklamation Jesu als großer Prophet bereits vorlk zustandegekommen sein 1 6 . Plausibelste Erklärung für die Entstehung von Lk 7,11-17 ist die Annahme, daß im hellenistischen Judenchristentum ein Totenerweckungsbericht, der Vit Apoll IV,45 in Grundzügen entspricht und auf Jesus übertragen wurde, sekundär in den traditionsgeschichtlichen Sog von 3 Kön 17,10.17-24 geriet. Lk hat dann diese Bezüge zu der atl Eliatradition durch das Zitat von 3 Kön 17,23 in 7,15 noch ausgebaut 17 . Ein historisch VI,754), Umhergehen (Mk 5,42; Joh 11,44; PGM XIII, 280f.) oder Essensverzehr (Mk 5,43) der auferweckten Person demonstriert. 14 Bultmann, Syn Tradition 230.248f.; Theißen, Wundergeschichten 273; Jeremias, Theologie I 92; Roloff, Neues Testament 81; Bovon, Lk-Ev I 359 mit Anm. 24. Vgl. zur Parallelität von Lk 7,11-17 und Vit Apoll IV,45 auch Petzke, Historizität 371ff. Eine Abhängigkeit Philostrats vom Christentum (in jüngerer Zeit wieder von Fitzmyer, Luke I 657; Koskenniemi, Apollonios in der ntl Exegese 193-198.203-206, erwogen) kommt angesichts der Unterschiede kaum in Betracht (vgl. bereits Weinreich, Heilungswunder 171 mit Anm.2). i s Lk verschärft dies durch redaktionelles μονογενής wie in Lk 8,42 und 9,38 (diff. Mk 5,21ff.; 9,14-29par). 16 Auch wenn Lk 18,43 diff. Mk 10,46 (vgl. auch Lk 9,43) eine redaktionelle Akklamation begegnet und die Legitimation Jesu als Prophet Lk 7,16 ein Leitmotiv der lk Wunderchristologie darstellt (vgl. Lk 4,16-30; Lk 24,19, zum Ganzen: Nebe, Prophetische Züge 64ff.), spricht in Lk 7,16 die Formulierung προφήτης μέγας ήγερθη gegen lk Verfasserschaft (vgl. redaktionelles προφήτης άνέσττι in Lk 9,8.19 gegen Mk 6,16 ήγερθη; 8,28). 17 Gegen Brodie, Luke's Use of the OT 249-259, der Lk 7,11-17 unter völliger Vernachlässigung von Vit Apoll IV,45 als uneingeschränkt redaktionelle Imitation von 3 Kön 17,10.17-24 betrachtet. Auch Schmithals, Lk-Ev 92, hält Lk für den "ersten Erzähler der vorliegenden Geschichte".

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verifizierbares Ereignis ist hinter Lk 7,11-17 nicht zu erkennen 18 . Vielmehr verdankt die Erzählung ihre Entstehung wohl dem Interesse, unter Rückgriff auf hellenistische Tradition und auf 1 Kön 17 Jesus als einen Elia gleichwertigen Totenerwecker und großen Propheten darzustellen 19 . Mit νεανίσκε, σοί λέγω, έγέρθητι Lk 7,14 ist zudem ein ταλιθα κουμ (Mk 5,41) entsprechendes Heilungswort eingeflossen, wie es offenbar von christlichen Wundercharismatikern benutzt wurde oder sogar aus Lk 7,11-17 "erlernt" werden konnte 2 0 . Während in der Parallele Vit Apoll IV,45 die ebenfalls maßgeblich durch das wunderwirkende Wort bestimmte Totenerweckungspraktik aus der Erzählperspektive geschildert wird (τι άφανως έπειπών), legt Lk 7,14 besonderen Wert darauf, die Wunderformel in ihrem genauen Wortlaut wieder- und damit weiterzugeben.

2.5.3. Die Lazarusgeschichte (Joh 11,1-44) Bei der Lazarusgeschichte Joh 11,1-44 handelt es sich um einen mehrschichtigen Textkomplex, dessen Endgestalt sich der Unterbrechung oder Ausgestaltung einer Totenerweckungserzählung durch mehrere Dialogszenen verdankt. Herrscht über die Komplexität von Joh 11,1-44 Einigkeit, so zeigt doch bereits eine Vielzahl literarkritischer Modelle mit teilweise erheblich divergierenden Ergebnissen 21 , daß die Rekonstruktion des Joh 11 zugrundeliegenden Wunderberichtes mit sicheren Ergebnissen kaum noch zu leisten ist. Literarkritische Indizien für Brüche im Text führen in Verbindung mit formgeschichtlichen Erwägungen über den regulären Aufbau einer Totenerweckungserzählung zu der Einsicht, daß der älteste Traditionskern 2 2 in einem 18 Gegen Schürmann, Lk-Ev I 404f.; Wiefel, Lk-Ev 1 4 5 , enthält die Erzählung keinerlei "palästinisches Lokalkolorit", das nicht aus der Beeinflussung durch 3 Kön 17,10.17-24 ableitbar wäre. Eine Entstehung in Palästina ist damit nicht zwingend beweisbar, zumal Nain (möglicherweise sogar durch das in unmittelbarer Nähe gelegene Sunem, den Schauplatz der Totenerweckung 2 Kön 4 , 1 8 - 3 7 , bedingt; zur Lokalisierung von Nain: Bovon, Lk-Ev I 360f.) kaum auf eine Lokaltradition hindeutet. 19 Vgl. Rochais, Les recits 31. Allzu spekulativ ist dessen Vermutung von Damaskus oder Antiochia als Entstehungsort der Perikope. 20 Act Petr 27 begegnet eine offenkundig aus Lk 7,14 abgeleitete Totenerweckungsformel: vocem accipiens Christi domini mei, dico tibi: iuvenis, surge et ambula. 21 Vgl. den Forschungsüberblick bei Wagner, Auferstehung 4 2 - 8 7 . 22 Die im "Secret Gospel of Mark" überkommene Version der Lazarusgeschichte stellt kaum die Urfassung von Joh 11 dar (M. Smith, Secret Gospel

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stilechten Totenerweckungsbericht bestand, der sich in Grundzügen Joh 11,1.3.17.38.39.41.43.44 wiederfindet und als ungefähren Wortlaut (1) ήν δέ τις ά σθενών, Λάζαρος από Βηθανίας (3) απέστειλαν ουν αί άδελφαί πρός αύτόν λέγουσαι - κύριε, ϊδε 'όν φιλεΤς ασθενεί. (17) ελθών ουν ό Ίησοϋς ευρεν αύτόν τέσσαρας ηδη ημέρας έχοντα έν τω μνημείφ. (38) Ίησοΰς οδν ερχεται εις τό μνημεΐον ήν δέ σπήλαιον και λίθος έπέκειτο έ π ' αύτψ (39) λέγει ό Ίησοΰς· αρατε τον λίθον. (41) ηραν ουν τον λίθον. ό δε Ίησοΰς (43) φωνή μεγάλη έ κ ρ α ύ γ α σ ε ν Λάζαρε, δεΰρο έξω. (44) έξηλθεν ό τεθνηκώς δεδεμένος τοϋς πόδας και τάς χείρας κειρίας και ή δψις αύτοΰ σουδαρίω περιεδέδετο. λέγει αϋτοΤς ό Ίησοΰς· λύσατε αύτόν και αφετε αύτόν ύπάγειν u m f a ß t e 2 3 . D i e s e r Wunderbericht w e i s t von der Grundstruktur her Übereinstimmungen mit der Jairusgeschichte Mk 5,22ff. a u f 2 4 , da Jesus wiederum zu einer kranken, bis zu s e i n e m Eintreffen bereits verstorbenen, Joh 11 allerdings s c h o n im Verwesungszustand befindlichen Person gerufen wird und sich das Wunder jeweils durch ein Befehlswort Jesu (Mk 5,41/Joh 11,43) vollzieht. Weitergehende Wunderpraktiken, etwa ein Mk 5,40 vergleichbares Handergreifen oder die Rezitation e i n e s wunderwirksamen Wortes (vgl. Mk 5,41), w e r d e n in Joh 11 nicht e r w ä h n t 2 5 . Umstritten ist das Problem e i n e s historischen Haftpunktes der Lazarusgeschichte, wobei der Frage nach traditionsgeschichtlichen Berührungen mit der lk Beispielerzählung vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19-31) ein hoher Stellenwert zukommt. Nicht völlig von der Hand zu w e i s e n ist die Vermutung, daß e s sich bei dem T o t e n e r w e k kungsbericht in Joh 11 um eine erzählerische Ausgestaltung von Lk 16,30 ά λ λ ' εάν τις άπό νεκρών πορευθη πρός αυτούς μετανοήσουσιν ohne jeden Anhalt am Wirken Jesu handelt. "Wird hier die Rückkehr des Lazarus gefordert, so wird sie dort als Tatsache erzählt." 2 6 Da eine traditionsof Mark 146-194; Crossan, Four Other Gospels 111-121; ders., Historical Jesus 328-332), sondern setzt offenkundig Kenntnis der kanonischen Evangelien voraus (Merkel, Urmarkus? 130-140; ders., in: Schneemelcher, Ntl Apokryphen I 89-92; Gundry, Mark 603-621). 23 Vgl. zu dieser Analyse Wilkens, Erweckung 23-28 (der zusätzlich 11,33 zum Traditionskern rechnet); Becker, Joh-Ev II 344f.; Kremer, Lazarus 88f. Völlig abwegig dagegen Lindars, Rebuking the Spirit 98-100: ένεβριμήσατο τω πνεύματι und das Wiederbelebungsmotiv deuteten auf einen Mk 9,14-29 entsprechenden Dämonenaustreibungsbericht als Traditionsgrundlage hin. 24 Vgl. Kremer, Lazarus 43-45. 25 Das an 1 Kön 17,21; 2 Kön 4,33 erinnernde Gebet zu Gott in 11,41b.42 geht erst auf den Evangelisten zurück, vgl. Schnackenburg, Joh-Ev II 425f.; Schnelle, Antidoket. Christologie 148. 26 Ernst, Lk-Ev 477. Vgl. bereits Holtzmann, Joh-Ev 158: "Hinsichtlich des Lazarus aber leiten schon alte Spuren auf die Parabel Lc 16,19-31. Der Arme, welcher begraben wird und nach der Ansicht des Reichen wieder auf die Erde zurückkehren soll, ... wird hier zum Helden einer Auferstehungssce-

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Krankenheilungen Jesu

geschichtliche Beeinflussung von Joh 11 durch Lk 16,19-31 aber nicht mit letzter Sicherheit nachweisbar ist 2 7 , bleibt die Möglichkeit gegeben, daß der Name Lazarus nicht von dort her Eingang in Joh 11 fand, sondern in Verbindung mit der Herkunftsbezeichnung άπό Βηθανίας auf eine historische Person hindeutet, der durch Jesus vielleicht in Form einer später zur Totenerweckung gesteigerten Krankenheilung Hilfe zuteilwurde 28 . Letztlich erweist sich der unmittelbare historische Wert von Mk 5,25ff.; Lk 7,11-17 und Joh 11,1-44 als gering. Gegen Totenerweckungen Jesu spricht bereits der Sachverhalt, daß von ihnen im Gegensatz zu Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen in der authentischen Wortüberlieferung (vgl. Mt 12,28par; Lk 10,9; 13,32) keine Rede ist. Ohnehin sind unter medizinhistorischen Gesichtspunkten Wiederbelebungen scheinbar toter Personen für das palästinische Judentum der Zeitenwende eher unwahrscheinlich29. Für die "Totenerwecker" Empedokles und Asklepiades sind wissenschaftliche Reflexionen über die menschliche Respiration und den Scheintod bezeugt, und beide verfügten ähnlich wie Alexander von Abonuteichos über fundierte ärztliche Fertigkeiten, die sie zu Wiederbelebungen befähigten. Im palästinischen Judentum des lJhdt.n.Chr. hingegen war derartige medizinische Theoriebildung und darauf bezogene ärztliche Praxis kaum gegeben, und ebensowenig liegen hier Anhaltspunkte für magische Formulare zur Wiederbelebung Scheintoder vor. Hauptmotiv für die durch nachösterliche Wunderpraxis mitgeprägte Formulierung von Totenerweckungsberichten, die bereits in Mt 11,Spar als bekannt vorausgesetzt werden, war es offenkundig, Jesus griechisch-römischen θείοι άνδρες (Empedokles, Asklepiades, vgl. Apollonius von Tyana und Alexander von Abonuteichos) oder Gottheiten (Asklepios), die zu ihren Lebzeiten tatsächlich oder angeblich Wiederbelebungen vollbracht haben, in nichts nachstehen zu lassen. Zudem ist zumindest in Lk 7,11-17 auch das Interesse erkennbar, Jesus mit Totenerweckungen als einen Elia und Elisa (vgl. 1 Kön 17,17-24; 2 Kön 4,18-37; ne." Überzogen Busse, Lazarusperikope 289-306, der mit weitreichender literarischer Abhängigkeit vom Lk-Ev rechnet. 27 Vgl. Schnackenburg, Joh-Ev II 429f.; Brown, John I 428f.; Becker, Joh-Ev II 346; Kremer, Lazarus 102-105; Wagner, Auferstehung 361-367. 28 Kremer, Lazarus 105-108. Schnackenburg, Joh-Ev II 433 ("daß ein außergewöhnliches Geschehen in Bethanien nahe Jerusalem in lokaler Tradition jerusalemer Kreise festgehalten wurde") scheint die Lazarusgeschichte sogar für einen im Kern authentischen Augenzeugenbericht zu halten. 29 Völlig legendarisch ist die Totenerweckungstradition Par Jer 7,12-20, wo zudem der Adler uneingeschränkt als Repräsentant Gottes, des alleinigen Herrschers über Leben und Tod (Dtn 32,39; 1 Sam 2,6), fungiert.

Umgang mit wilden Tieren

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MekhEx 17,9) übertreffenden Wundertäter darzustellen 30 . Da die Erweckung von Toten in jüdischer Tradition einen Bestandteil des endzeitlichen Handelns Gottes darstellt 31 , konnten die Erzähltraditionen von Totenerweckungen Jesu in Analogie zu den Heilungswunderberichten schöpfungstheologisch reflektiert und in ihrer präsentischen Heilsbedeutung vertieft werden (Mt ll,5par).

3. Naturwunder 3.1. Umgang mit wilden Tieren (Mk 1,13) Unter dem Sammelbegriff Naturwunder subsumiert man all diejenigen Wundererzählungen der Evangelien, in denen über Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen und Totenerweckungen hinausgehend ein unmittelbarer Eingriff in das Naturgeschehen vorliegt. In der mk Versuchungsgeschichte ist davon die Rede, daß Jesus in der Wüste mit (wilden) Tieren Kontakt hatte und ihm Engel dienten. In einem hellenisierten Überlieferungsmilieu mußte dies fast zwangsläufig dahingehend aufgefaßt werden, daß es sich bei Jesus um einen Magier oder Schamanen handelte, der Dienstengel als Paredroi befehligt 1 und wie Pythagoras oder Apollonius mit den Tieren kommuniziert 2 . Dies dürfte allerdings kaum der ursprüngliche Sinn der geschichtlich ohnehin fragwürdigen Tradition Mk 1,13 sein. Mk l,12f. wirkt völlig unhistorisch. Die Versuchung des Gerechten ist ein gängiges Motiv (Sir 2,1), die 40-tägige Erprobung in der Wüste ruft den 40-jährigen Wüstenaufenthalt Israels (Ex 16,35; Dtn 1,3) wach, die Gemein30 Ein maßgeblicher Einfluß des Theologumenon von der Auferweckung Jesu ist dagegen in den ältesten Fassungen der syn-joh Totenerweckungsberichte (anders Joh 11,1-44 in der Endgestalt) nicht erkennbar (gegen Weiser, Apg I 242). 31 Jes 26,19; Dan 12,2; 4 Q 521 Fragm 1, II 12, vgl. zum Ganzen: Volz, Eschatologie 229-256. 1 Vgl. M. Smith, Jesus the Magician 104f., der dies allerdings historisch für bare Münze nimmt. 2 Pythagoras hat wie Orpheus mit den wilden Tieren kommuniziert (Iambl, Vit Pyth XIV,63) und sie "durch Worte und Taten bezähmt" (Iambl, Vit Pyth XXIV,108; vgl. die Wundergeschichten Aristot, Fragm 191; Ael, Var Hist IV,17; Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth XIII,60-62). Auch Apollonius soll die Tiersprache beherrscht haben (Philostr, Vit Apoll 1,20; IV,3; V,42) und blieb von wilden Tieren unbehelligt (VI,24), wobei sich deutlich zeigt, daß dieses schamanistische Motiv eng mit der Lehre von der Reinkarnation der menschlichen Seele in Tieren zusammenhängt (V,42). Vgl. auch Buchheit, Tierfriede in der Antike 143-167.

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Naturwunder Jesu

schaft mit den Tieren (vgl. Jes 11,6-9; syr Bar 73; Sib 111,787-795) und das Bedientwerden von den Engeln knüpfen an traditionelle jüdische Endzeitvorstellungen a n 3 . Eine direkte Parallele ist Test Napht 8,4 "Wenn ihr das Gute tut, werden euch Menschen und Engel segnen, .... und der Teufel wird von euch fliehen, und die Tiere werden euch fürchten, und der Herr wird euch lieben, und die Engel werden sich eurer annehmen." Jesus führt Mk l,12f. zufolge das paradiesische Zeitalter wieder herbei, indem er wie einst Adam in Frieden mit den Tieren lebt (Gen 2,19f.) und von den Engeln bedient wird (bSanh 59b; ARN A 1). Mk l,12f. verbürgt damit keinen Schamanismus Jesu, zumal dieser weder die Reinkarnation menschlicher Seelen in Tieren gelehrt noch als Folge davon Vegetarianismus propagiert hat.

3.2. Die Sturmstillung (Mk 4,35-41) Die Sturmstillungserzählung Mk 4 , 3 5 - 4 1 4 , in der e s um das ebenfalls schamanistische Motiv einer unmittelbaren Beeinflussung der Naturgewalten geht, w e i s t starke Anklänge an die atl Jonageschichte (vgl. auch Ps 107,23-32; T e s t Napht 6,1-10) auf. Koti γίνεται λαΤλαψ μεγάλη Mk 4,37 erinnert an και έγέυετο κλύδων μέγας Jona 1,4. Wie Jona (1,5), so schläft auch Jesus während des Sturmes (Mk 4,38). Mk 4,38c oü μέλει σοι δτι άπολλύμεθα schließlich läßt και μή άπολύμεθα Jona 1,6 anklingen. In Mk 4,39 kommt für έπετίμησευ τω άυεμω Einfluß von Ps 105,9LXX (Bedrohung [έπετίμησεν] des Roten Meeres durch Gott; vgl. auch Gottes έπιτίμησις der Himmelssäulen Hiob 26,11) in Betracht 5 . Im Gegensatz zur Jonageschichte vollzieht sich die Sturmstillung Mk 4,39 implizit als Dämonenbannung, denn έπετίμησεν τω άνέμω ruft die fast gleichlautende, an den Krankheitsdämon gerichtete Wendung in Mk 1,25 und Mk 9,25 w a c h . Mk 4,39 s e t z t damit die auch für das antike Judentum belegte Vorstellung voraus, daß der Wind von Engeln oder Dämonen gesteuert w i r d 6 , die in gleicher W e i s e beeinflußt werden können, wie e s

3 Vgl. Gräßer, KAI ΗΝ ΜΕΤΑ ΤΩΝ ΘΗΡΙΩΝ 144-154. - P s - M t - E v XIX (ed. Tischendorf) gilt Jesu Harmonie mit den wilden Tieren ausdrücklich als Erfüllung von Jes ll,6f. 4 Bei Mk 4,35f. handelt es sich um sekundäre, vermutlich redaktionelle szenische Einleitung (Kertelge, Wunder Jesu 91; Koch, Wundererzählungen 94f.). Zudem stellt der vom typisch mk Motiv des Jüngerunverständnisses geprägte Jüngertadel 4,40 einen redaktionellen Einschub dar (Schenke, Wundererzählungen 33-44; Koch, Wundererzählungen 97). s Vgl. Glöckner, Lob Gottes 72, der allerdings die Bedeutung der Psalmen für Mk 4,35-41 deutlich überschätzt und die griechischen Parallelen völlig übergeht (63ff.). 6 Vgl. Jub 2,2 (Engel des Geistes des Windes); äth Hen 69,22 (Geister der Winde).

Sturmstillung

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bei krankheitsverursachenden Geistern der Fall ist. Auch das Meer gilt hier als eine personale dämonische Macht 7 , die mit d e m S c h w e i g e b e f e h l σιώπα bedacht und durch πεφίμωσο einem Bindezwang unterworfen wird 8 . Jesus begegnet als Magier, der durch Schelte, Verstummungsbefehl und Katadesmos die hinter den Naturelementen s t e h e n d e n Geister bändigt. Zwangsbeeinflussung von Wind und Wasser zählte zum festen Betätigungsfeld antiker Magier, Schamanen und mantischen Philosophen 9 . Herodot, Hist VII,191 bringen Magier einen der persischen Flotte gefährlichen Sturm durch an den Wind gerichtete Zaubersprüche und durch Tieropfer zum Verstummen. Auch Pythagoras verfügte angeblich über die Fähigkeit, Winde und Wellen zu beschwichtigen (Iambl, Vit Pyth XXVIII,135; vgl. auch PGM XXIX), Empedokles trug den Beinamen "Windabweiser" (Clem Alex, Strom VI30,1; Iambl, Vit Pyth XXVIII, 136). Die Magier in Hippocr, Morb Sacr, nahmen über Krankenheilungen hinaus für sich in Anspruch, Sturm wie gutes W e t t e r hervorbringen und das Meer unbefahrbar machen zu können (1,29). Auch von Sophokles wird berichtet, daß er mit Zaubersprüchen gegen die Winde vorging (Philostr, Vit Apoll VIII 7,8). Magier aus Kleonai sollen die hinter den Wolken wirksamen Dämonen mit Gesängen und Opfern beschwichtigt haben (Clem Alex, Strom VI31,lf.) 1 0 . Solche schamanistische Zwangsbeeinflussung des Meeres begegnet vereinzelt auch in magischen Traditionen des Judentums (HDM Β § 619; bBB 73a), während in den Sturmstillungstraditionen Ps 107,23-32; Jona 1; Test Napht 6,1-10; bBM 59b; jBer 9,1 (13b) die Beschwichtigung der Naturelemente als alleiniges Werk Gottes auf ein an ihn gerichtetes Bittgebet hin geschieht. Die Mk 4,35-41 prägende, für die jüdische Magie nur vereinzelt (HDM Β § 619; bBB 73a) belegte Vorstellung, daß die hinter Wasser und Wind wirksamen feindlichen Dämonen von einem Wundercharismatiker durch Bedrohung und Bindezwang beschwichtigt w e r d e n können, ist 7 Vgl. äth Hen 60,16 ("und der Geist des Meeres ist männlich und stark"); 69,22 (Geister der Wasser). Eine Parallele zu der Mk 4,39 implizierten Vorstellung, daß feindlich gesonnene Dämonen Wind und Meer beherrschen, bietet der jüdische Schadenszauber SHR 1,70-73: "Ich beschwöre euch, Engel des Zorns und der Vernichtung, ... kein Fahrtwind soll zu ihm (sc. dem Schiff des NN) gelangen, bringt es hinaus aufs Meer und schleudert es auf dessen Mitte hin und her, daß von ihm weder Mann noch Fracht gerettet wird." 8 φιμοΰν ist in der antiken Magie als Synonym von καταδεΤν terminus technicus für das Binden von mißliebigen Menschen, vgl. Rohde, Psyche II 424; Pfister, RAC II (1954) 174; Kollmann, Jesu Schweigegebote 268-270. 9 Vgl. dazu auch Kratz, Rettungswunder 95-106. 10 PGM 111,226-228 ("Ich beschwöre dich beim Siegel des Gottes, ... vor dem das Meer schweigen muß, wenn es ihn hört") deutet freilich kaum auf Sturmbeschwörung hin (gegen Theißen, Wundergeschichten 73; Pesch, Mk-Ev I 272). Hier wird vielmehr die Schöpfermacht der Gottheit über die Naturgewalten zur Zwangsbeeinflussung bestimmter Mächte dienstbar gemacht (vgl. u.a. PGM IV,3062ff.; V,137ff.).

274

Naturwunder Jesu

genuin hellenistisch und markiert den entscheidenden Unterschied zu den atl, zwischentestamentarischen und meisten rabbinischen Sturmstillungstraditionen. Umgekehrt deuten die engen Bezüge zu Jona 1 auf ein judenchristliches Milieu hin. Vermutlich handelt es sich bei Mk 4,35-41 um eine im griechischsprechenden Judenchristentum unter Einfluß paganer magischer Tradition vollzogene Ausgestaltung der Jonaerzählung. Maßgebliches Ziel wird es dabei gewesen sein, den Wundertäter Jesus, was den Einfluß auf Naturgewalten angeht, in nichts hinter griechischen Magiern, Schamanen und mantischen Philosophen zurückstehen zu lassen 11 .

3.3. Die wunderbare Brotvermehrung (Mk 6,30-44par, 8,1-10) Die Erzählung von der wunderbaren Brotvermehrung 12 liegt in zwei syn Fassungen (Mk 6,30-44parr; 8,l-10par) und einer demgegenüber sekundären joh Version (Joh 6,1-15) vor. Die aus Mk 6,30-44 und 8,1-10 rekonstruierbare älteste Tradition berichtete davon, daß Jesus am See Genezareth eine Volksmenge von 4000 Personen mit sieben Broten und wenigen Fischen sättigte und sieben Körbe mit Speiseresten übrigblieben. Historischer Haftpunkt der Erzählung ist wahrscheinlich eine Mahlgemeinschaft Jesu und seiner Anhänger bei Brot und Fisch am See Genezareth, wobei die Heilsbezüge dieses Ereignisses im nachhinein durch das atl-jüdische Traditionsmotiv von unermeßlichen Speisemengen als Charakteristikum für die Freuden der Endzeit (äth Hen 10,18f.; syr Bar 29,5f.; Sib 111,744-750) zum Ausdruck gebracht werden. Bei dieser Ausgestaltung zur Wundergeschichte erfolgten starke Anleihen aus der Elisa-Erzählung 2 Kön 2,42-44, die Struktur und Handlungsablauf der ntl Speisevermehrungserzählung entscheidend prägt. Jesus erscheint nunmehr als ein Elisa bei weitem überbietender Wundertäter, der mit weitaus geringeren Speisemengen eine ungleich größere Anzahl von Personen zu sättigen vermag, und wird dadurch sekundär zum vollmächtigen Wunderpropheten.

11 Vgl. zu den missionspropagandistischen Aspekten der Erzählung Schenke, Wundererzählungen 70ff.; Pesch, Mk-Ev I 276. Ob zudem Konkurrenz zum Asklepios- und Sarapiskult vorliegt (Schenke, aaO. 73), bleibt fraglich. Beide Gottheiten werden offenbar erst im 2.Jhdt.n.Chr. als Retter auch aus Seenot gepriesen (Ael Arist, Or 42,1.10; 45,29.33; vgl. zu Sarapis auch Deißmann, Licht vom Osten 145-150). 12 Vgl. ausführlicher Kollmann, Ursprung und Gestalten 197-205.

Seewandel

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3.4. Der S e e w a n d e l Jesu (Mk 6,45-52par) In Analogie zu Mk 4,35-41 handelt e s sich bei der Erzählung vom Seewandel Jesu (Mk 6 , 4 5 - 5 2 / J o h 6,16-21) 1 3 um eine sekundäre Bildung ohne historischen Anhalt, die das Ziel verfolgt, Jesu Überlegenheit im Vergleich mit hellenistischen θείοι άνδρες zu e r w e i s e n 1 4 . Dio Chrys 111,30 formuliert programmatisch, daß derjenige, welcher das Meer zu Fuß überschreitet (πεζευεσθαι την θάλατταν), den Göttern an Dynamis in nichts nachsteht (μηδέ των θεων αυτών ηττονα εχων δύναμιν), und verweist auf das Beispiel des Xerxes, der sein Fußvolk über das Wasser führte (111,31). Ähnliche Vorstellungen scheinen hinter dem Ansinnen von Antiochus IV. in 2 Makk 5,21 zu stehen. Auch Euphemus (Pind, Pyth IV,61), dem hyperboreeischen Magier (Luc, Philops 13) und den "Korkfüßlern" (Luc, Ver Hist 11,4) wird die Befähigung zu Wasserwandel zugeschrieben. Vereinzelt scheinen von antiken Magiern tatsächlich Versuche in diese Richtung unternommen oder in schamanistischer Ekstase vorgeführt worden zu sein. In dem auf Gewinn eines Dienstgeistes zielenden Formular PGM I,42ff. ist davon die Rede, daß dieser Paredros Flüsse und Meere auf der Stelle gefrieren lasse, so daß der Magier aufrecht darauf laufen kann (δπως ένδιατρέχΐ|ς οταδίως 1,121; vgl. auch PGM XXXIV,7ff.). Zwei jüdische magische Formulare zu Wasserwandel finden sich im "Schwert des Mose" (HDM A 111,125; HDM Β § 609).

3.5. Die Verfluchung d e s Feigenbaums (Mk 11,12-14.20.21) Mk 11,12-14.20.21 stellt die einzige Strafwundererzählung der ntl Jesusüberlieferung dar. R. P e s c h rechnet hier mit einer authentischen, von Mk unverändert aus seiner Passionsgeschichte übernommenen Tradition, die Schadenszauber Jesu verbürge 1 5 . Jesus habe ohne tiefere

13 Joh 6,16-21 bietet dabei eine partiell ältere Fassung, die zwar um die wunderbare Landung 6,21 bereichert ist, aber weder das wohl mk Motiv des Jüngerunverstandes (Mk 6,52) enthält, noch von einer durch Seenot der Jünger motivierten Sturmstillung (Mk 6,48.51) zu berichten weiß, vgl. Bultmann, Joh-Ev 155; Schnackenburg, Joh-Ev II 37f. 14 A.Y. Collins, Rulers 211-225, vermutet plausibel eine Verschmelzung atl und hellenistischer Tradition. Jesus werde als Messias die im AT Gott vorbehaltene Befähigung zu Wasserwandel zugeschrieben und dies unter Anknüpfung an hellenistische Traditionen vom auf dem Wasser wandelnden göttlichen Menschen einem griechisch-römischen Publikum einsehbar gemacht. Vgl. zu den atl Traditionsbezügen der Seewandelerzählung Heil, Jesus Walking on the Sea 37-56, der allerdings die hellenistischen Parallelen völlig übergeht. 15 Pesch, Mk-Ev II 193-197. Hirsch, Frühgeschichte I 125, vermutet einen Zornesausbruch Jesu. Vgl. zur Auslegungsgeschichte auch Giesen, Feigenbaum 96-101. - Breit entfaltet ist das Bild von Jesus als Schadensmagier im 2.Jhdt.n.Chr. im Kindheitsevangelium des Thomas (3-5.14).

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Naturwunder Jesu

zeichenhaft-symbolische Bedeutung ein magisches Fluchwort gegen einen Feigenbaum gesprochen, der dann tatsächlich am nächsten Tag verdorrte. Demgegenüber zeigt eine literarkritische Analyse, daß erst Mk die Erzählung mit der Tempelreinigungsszene verschachtelt (vgl. Mk 5,25-43) und in den Passionsbericht integriert hat 16 , womit sich die Datierung des Ereignisses auf den Tag nach dem Einzug in Jerusalem und seine Lokalisierung in Bethanien als redaktionell erweisen. Für das Verständnis des vormk Traditionskerns 17 ist die symbolträchtige Bedeutung von συκη, ρίζα und ξηραίυειυ entscheidend. Der Feigenbaum (συκη) symbolisiert im AT ähnlich wie der Weinstock das Volk Israel (Joel l,6f.). Jer 24,1-10 werden Exilanten und Daheimgebliebene mit zwei Körben voller Feigen verglichen, Hos 9,10 gelten die Väter als Frühfrucht am Feigenbaum. Mk 11,20 elSov την συκην έξηραμμένην έκ ριζωυ wurzelt uneingeschränkt in atl-prophetischer Gerichtstopik. Das gerichtete Israel gleicht einem Feigenbaum ohne Früchte (Jer 8,13; Micha 7,1), und auch ξηραίνειν steht für das Gericht. Ephraim ist ein geschlagener Baum, dessen Wurzeln vertrocknet sind (τάς ριζά ς αύτοΰ έξηράνθη) und keine Frucht mehr bringen (Hos 9,16). Das Gericht an den Amoritern, einst groß wie Zedern und stark wie Eichen, vollzieht sich durch Austrocknen der Früchte und Wurzeln (εξήρα τόυ καρπόν αϋτοΰ έπάνωθεν και τάς "ριζάς αϋτοΰ ύποκάτωθεν Amos 2,9).

Die Strafwundererzählung Mk 11,13.14.20.21 ist von ihrem Bildgehalt her von vornherein auf das endzeitliche Gericht an Israel gemünzt. Die durch Jesu Verfluchung hervorgerufene Vertrocknung des Feigenbaums an seinen Wurzeln symbolisiert das Ende der Heilsgeschichte Israels. Im Hintergrund steht somit jene christliche Position, die Pls in Rom ll,16ff. entschieden bekämpft, indem er auf die nach wie vor lebendige, die Christen als aufgepfropfte Zweige tragende Wurzel Israel verweist. Die Nähe zu dieser hinter Rom ll,16ff. erkennbaren Haltung und zu anderen nachösterlichen Stoffen wie Mt 8,12par, wo das Ende der Heilsgeschichte Israels propagiert wird, sprechen für eine sekundäre Formulierung von Mk 11,13.14.20.21. Dafür, daß Jesus nach Art "schwarzer Magie" Schadenszauber, und sei er auch nur gegen die Natur gerichtet, praktiziert hätte, liefert diese Erzählung keinen Beweis. 16 Auch die "besserwisserische" Bemerkung "denn es war keine Zeit für Früchte" Mk 11,13 ist redaktionell. Vgl. zur literarkritischen Analyse Münderlein, Verfluchung des Feigenbaums 89-91; Gnilka, Mk-Ev II 122f. 17 Ältere Traditionsstufen sind nicht erkennbar. Zu spitzfindig Münderlein, Verfluchung des Feigenbaums 90: Da Mk 11,14 von Unfruchtbarkeit, 11,20 hingegen von Verdorrung die Rede ist, handele es sich bei l l , 2 0 f . um eine nachträgliche Anfügung. Ähnlich Bartsch, "Verfluchung" des Feigenbaums 257, der Mk 11,13.14a im Sinne eines als Fluch mißverstandenen apokalyptischen Jesuswortes als älteste Uberlieferung ansieht.

Stater im Fischmaul

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3.6. Der Stater im Fischmaul (Mt 17,24-27) In der Tempelsteuerkontroverse Mt 17,24-27, einer aus der Zeit vor der Tempelzerstörung herrührenden mt Sondergutüberlieferung, ist die Wunderthematik von dem Stater im Fischmaul (17,27) erst sekundär eingeflossen. Ältester Überlieferungskern sind die tempelkritischen Logien Mt 17,25b.26, in denen die grundsätzliche Freiheit von der Tempelsteuer propagiert wird. Hier spiegelt sich wahrscheinlich die Gesetzeshaltung einer vormt judenchristlichen Gruppierung, die sich bereits vom Tempelkult gelöst hat und diesen nicht mehr mitfinanziert 18 . In ihrer um Mt 17,24.25a.27 bereicherten Endgestalt signalisiert die Perikope demgegenüber Kompromißbereitschaft, indem eine Relativierung der 17,25b.26 gegebenen konsequenten Absage an die Tempelsteuer erfolgt und diese wider besseres Wissen um die grundsätzliche Freiheit von ihr dennoch entrichtet werden soll. Als normbegründend fungiert dabei ein Wunder, denn auf Geheiß Jesu hin findet Petrus den benötigten Steuerbetrag von einem Stater im Maul eines Fisches. Zur Abschwächung der älteren Kultkritik von Mt 17,25b.26 und zur Legitimation der eigenen Position 19 wird hier von moderateren Judenchristen die antike Wanderlegende vom Geld- oder Schmuckstück im Inneren eines Fisches 2 0 in die Tempelsteuertradition integriert und mit Jesus in Verbindung gebracht. Für eine Erhellung der Wunderpraxis Jesu trägt Mk 17,27 als sekundär in die Jesustradition eingedrungene antike Wanderlegende nichts aus.

3.7. Der wunderbare Fischfang (Lk 5,1-11/Joh 21,1-14) Von einem durch Jesus in Gang gesetzten Fischfangwunder berichten in Grundzügen übereinstimmend sowohl Lk 5,1-11 als auch Joh 21,1-14. Lk 5,1-11 basiert auf der redaktionellen Verknüpfung mindestens dreier unterschiedlicher Traditionsvorlagen. Bei Lk 5,1-3 handelt es sich um eine lk 18 Gnilka, M t - E v II 118. Alternativ könnte die tempelkritische Haltung von Mt 17,25b.26 mit ihrer sachlichen Nähe zu Mk ll,15-17par von Jesus s e l ber herrühren (Luz, M t - E v II 533f.). Vollenweider, Freiheit 173f., hält dagegen das "Jein" zur Tempelsteuer in Mt 17,24-27 für ursprünglich. 19 Vgl. dazu im antiken Judentum A.I. Baumgarten, Miracles and Halakah 2 4 6 - 2 5 3 , sowie die Eliezer ben Hyrkanus zugeschriebene Wundertradition bBM 59b. Dort wird allerdings eine vorher feststehende Gesetzeshaltung im nachhinein durch Wunder beglaubigt, während Mt 17,24-27 erst im Wunder selber die richtungsweisende Normierung der Halakha offenbar wird. 20 Herodot, Hist 111,42; Strabo XIV 1,16; bSchab 119a, vgl. zum Ganzen R. Meyer, Ring des Polykrates 665ff.

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Naturwunder Jesu

Ausgestaltung der Seepredigtszene Mk 4,lf. (vgl. Mk 3,7-9) 2 1 . Lediglich Lk 5,2 könnte, sofern nicht eine Abwandlung von Mk 1,19 vorliegt, ein Rudiment der Lk 5,4 einsetzenden, aus lk Sonderüberlieferung stammenden Fischfangerzählung sein. Diese findet Lk 5,9 in der Admiration mit Furchtmotiv (vgl. Mk 1,27; 4,41; Lk 7,16) ihren stilgemäßen Abschluß, während die Anfügung von Lk 5,10f. mit der Nachfolgethematik uneingeschränkt durch Mk 1,16-20 motiviert ist und die Fischfangerzählung folglich vorlk weder das Menschenfischerwort noch eine anderweitige Verheißung an Petrus beinhaltete. Daß Jesus sich während des Wunders im Boot auf dem See befindet, kommt erst durch die redaktionelle Vorschaltung von Mk 4,lf. in Lk 5,1-3 zustande. In dem ebenfalls mehrschichtigen Komplex Joh 21,1-14 2 2 wurde eine von Lk literarisch unabhängige Traditionsvariante der Fischfangerzählung, die neben 21,2-8 auch 21,11 als Wunderkonstatierung umfaßte, durch redaktionelle Nahtstellen (21,1.9a.10.14) mit einer Ostermahlszene (21,9b.l2.13) v e r schmolzen 2 3 . Mit der Nichterkennungsthematik von 21,4 als integrativem Bestandteil 2 4 handelte es sich bei der Fischfangerzählung bereits vorjoh um eine Ostergeschichte. Auch die Rekognitionsszene Joh 21,7 wird mit der Einschränkung, daß der Lieblingsjünger hier wie in Joh 20,1-10 Petrus als Ersterkennenden verdrängt h a t 2 5 , zum ältesten Erzählbestand gehört haben.

Das Wunder beschränkt sich auf das außerordentliche Vorauswissen Jesu um einen erfolgreichen Fischfang der Jünger bei Tage. Nur entfernte Berührungen sind mit Porph, Vit Pyth 25/Iambl, Vit Pyth VIII,36 gegeben, wo Pythagoras die exakte Anzahl der gefangenen Fische vor-

21 Vgl. zur Analyse von Lk 5,1-3 Pesch, Fischfang 53-57; Bovon, Lk-Ev I 231f. 22 Die Mehrschichtigkeit erhellt aus Unstimmigkeiten im Handlungsablauf. Joh 21,5f. zufolge soll der Fischfang zur Nahrungsbeschaffung dienen, entsprechend bringt Petrus 21,11 die Fische herbei, während 21,9 im Gegensatz dazu schon ein Mahl bereitsteht. Zudem haftet an der Fischfangtradition ίχθύες, während in der Speisungsszene von όψάριον die Rede ist. 23 Joh 21,1.14 sind redaktionelle Rahmenstücke, 21,9a verklammert die Fischfang- mit der Speisungstradition, und 21,10 dient der Glättung des W i derspruches zwischen 21,5 und 21,9. Vgl. auch Pesch, Fischfang 86-107; Roloff, Kerygma 258-260; Schnackenburg, Joh-Ev III 410-413; Becker, Joh-Ev II 626ff., die mit freilich differierender Umfangsbestimmung eine durch redaktionelle Rahmenpartien miteinander verbundene Fischfang- und Speisungsüberlieferung rekonstruieren. 24 Gegen Roloff, Kerygma 258-260, der Joh 21,1.3c.4.9.12.13 für die Mahlszene beansprucht, sind keine literarkritischen Indizien für eine Herauslösung des eng mit 21,5 verbundenen Verses 21,4 aus der Fischfanggeschichte gegeben. Gleichermaßen abzulehnen ist die Zuweisung von 21,4a an die Fischfang- und von 21,4b an die Speisungstradition (so Pesch, Fischfang 93-95), da 21,4 eine homogene Einheit darstellt. 25 Die Gestalt des Lieblingsjüngers ist interpoliert, da er 21,7 unvermittelt auftritt, ohne in der Jüngerliste 21,2 Erwähnung gefunden zu haben (Becker, Joh-Ev II 637).

Weinwunder zu Kana

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aussagt und zudem bewirkt, daß während seiner Anwesenheit keiner der zur Zählung dem Wasser entnommenen Fische verendet. Auch von magischen Praktiken, wie sie HDM A 111,54 und HDM Β § 608 zur Gewährleistung eines erfolgreichen Fischfanges überliefert sind, ist in Lk 5,1-11/Joh 21,2-8.11 keine Rede. Da die Joh 21,1-14 ohnehin nicht gegebene Bindung des Fischfangwunders an das Menschenfischerwort in Lk 5,1-11 erst redaktionell zustandekam, dürfte die Erzählung kaum aus dem Logion Mk 1,17/Lk 5,11 heraus entwickelt worden sein 2 6 . Wesentlich plausibler erscheint die Annahme, daß es sich bei der Fischfangerzählung um eine erst bei Lk in das Erdenleben Jesu zurückdatierte Ostergeschichte handelt 27 , die entweder eine erzählerische Ausgestaltung des Erscheinungskerygmas 1 Kor 15,5; Lk 24,34 bietet oder tatsächlich auf eine Christusvision des Jüngerkreises um Petrus am See Genezareth zurückgeht und ihrerseits die historische Grundlage von 1 Kor 15,5; Lk 24,34 darstellt. Für Joh 21,2-8.11 ist aufgrund von 21,4.7 der Status einer Ostergeschichte mit Wiedererkennungsthematik vorjoh gesichert, und für Lk 5,4-9 ist das im Fischfangkontext befremdliche, aus der Perspektive der Verleugnungsszene Mk 14,66-72parr dagegen zwanglos verständliche Sündenbekenntnis des Petrus wichtigstes Indiz in diese Richtung. Daß Jesus zu seinen Lebzeiten am See Genezareth kraft außergewöhnlichen Vorauswissens ein Fischfangwunder in Gang gesetzt hat, ist Lk 5,1-11/Joh 21,1-14 somit nicht entnehmbar.

3.8. Das Weinwunder zu Kana (Joh 2,1-12) Mit der Kanaerzählung bietet das Joh-Ev eine weitere Naturwundertradition, die ursprünglich wohl mit der "Weinregel" Joh 2,10 als stilgemäßer Konstatierung des Verwandlungswunders endete 2 8 . Seit W. Bousset sieht man hier ohne Anhalt am Wirken Jesu das Eindringen hellenistischer Wundertradition in die Evangelienüberlieferung gegeben, beruft sich dabei auf mehrere Dionysoslegenden, in denen von der Bereit26 Gegen Schürmann, Lk-Ev I 273: Lk 5,1-11 sei eine aufgrund von Erinnerungen ausgebaute Uberlieferungsvariante von Mk 1,16-20; Bovon, Lk-Ev I 234: Es handele sich um einen Midrasch zu Mk 1,16-20 oder um eine W e i terentwicklung. Ähnlich bereits Bultmann, Syn Tradition 26f.232. 27 Graß, Ostergeschehen 75ff.; Fitzmyer, Luke I 561f. 28 Bultmann, Joh-Ev 79.85; Schnackenburg, Joh-Ev I 338.358; For^na, Gospel of Signs 3 4 - 3 8 ; Becker, Joh-Ev I 101.110; Schnelle, Antidoket. Ch'ristologie 91. Innerhalb von Joh 2,1-10 dürften die Zeitangabe 2,1 und die Parenthese 2,9 auf den Evangelisten zurückgehen.

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Naturwunder Jesu

Stellung großer Weinmengen berichtet wird, und wertet die Kanaerzählung als V e r s u c h d e s hellenistischen Christentums, Dionysos durch Jesus zu ü b e r b i e t e n 2 9 . Wichtigste Parallele aus dem Dionysoskult ist Theopompos FGH II 115, 277; Paus VI 26, lf.: Im Heiligtum zu Elis brachten die Priester am Vorabend des jährlichen Dionysosfestes drei leere Kessel in einen dafür vorgesehenen Raum, versiegelten dessen Tür und präsentierten - vermutlich durch Manipulation - die Gefäße am nächsten Tag mit Wein gefüllt. Vielfach ist im Zusammenhang mit Dionysos die Vorstellung belegt, daß zu bestimmten Zeiten Wein aus Quellen sprudelt (Plin, Hist Nat 2,231; Diod Sic 11166,2; Luc, Ver Hist 1,7; Philostr, Imag 1,14). Da unsicher bleibt, ob die für das Kanawunder charakteristische Verwandlung von Wasser in Wein im Zusammenhang mit Dionysos eine Rolle s p i e l t 3 0 , kann allerdings mit mindestens gleicher Berechtigung das atl-jüdische Traditionsmotiv vom Wein als Sinnbild für die e s c h a t o logischen Freuden als ideengeschichtlicher Hintergrund für Joh 2,1-10 beansprucht w e r d e n 3 1 . Vermutlich ist die bezüglich d e s Traditionshintergrundes von Joh 2,1-10 aufgestellte Alternative z w i s c h e n Dionysoskult einerseits, atl-jüdischer Weinmetaphorik andererseits in dieser Ausschließlichkeit ohnehin falsch, da bereits in vorchristlicher Zeit Dionysosvorstellungen das palästinische Judentum beeinflußten und von daher das für den Dionysoskult maßgebliche Weinmotiv mit traditionellen jüdischen Vorstellungen von Gott als Trank- oder Weinspender vers c h m o l z e n w e r d e n konnte. Unter den Seleukiden wurde der Dionysoskult in Jerusalem 167v.Chr. zwangsweise eingeführt (2 Makk 6,7), in ntl Zeit war er in Palästina nachweislich in Tyros, Sidon und Scythapolis etabliert 3 2 . Dabei kam es offenkundig zu einer Integration von Dionysoselementen in den jüdischen Gottesglauben. Plut, Mor 671C-672B, bietet eine Parallelisierung von Jahwe- und

29 Bousset, Kyrios Christos 62.270-274; Bultmann, Joh-Ev 83; Becker, Joh-Ev I 110f.; Broer, Ableitung 120-122. Modifiziert Linnemann, Hochzeit zu Kana 414-418: Es handele sich um einen bewußten christlichen Gegenentwurf zu den Dionysoslegenden. 30 Plin, Hist Nat 2,231; Luc, Ver Hist 1,7; Philostr, Imag 1,14, setzen nicht zwingend die vorübergehende Verwandlung sonst aus der Quelle fließenden Wassers in Wein voraus (so Broer, Ableitung 115ff.; Berger/Colpe, Textbuch 151f.). 31 Jeremias, Jesus als Weltvollender 28f.; Noetzel, Christus und Dionysos 39-58; Schnackenburg, Joh-Ev I 341; Brown, John I 105. Vgl. als Belege Gen 49,llf.; äth Hen 10,19; syr Bar 29,5; Sib III 620-622.744f. und die Papiastradition Iren, Haer V33,3. Rabbinisches Material bei Noetzel, aaO. 43-46. 32 M. Smith, Wine God in Palestine 815ff.; Hengel, Wine Miracle 108ff.

Zeichenforderung

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Dionysoskult bis hin zur Identifikation beider Gottheiten 3 3 . Speziell das mit Dionysos verbundene Weinmotiv konnte mit der Vorstellung von Gott als G e währer wunderbaren Trankes (Ex 17,1-7; Num 20,7ff.) sowie mit dem Traditionsmotiv der von Gott gegebenen Weinfiille als Sinnbild der endzeitlichen Freuden verknüpft werden, ohne als Fremdkörper empfunden zu w e r d e n 3 4 .

Folglich liegt der Skopus von Joh 2,1-10 nicht zwangsläufig in einer bewußten Überbietung des Weingottes Dionysos durch Jesus. Die Implikate "Hochzeit" und "Überfluß besten Weines" dürften hier eher als mit Jesu Gegenwart verbundene Charakteristika der Heilszeit zu begreifen sein, indem unter Rückgriff auf das atl-jüdische, vermutlich von Dionysosbezügen mitgespeiste Motiv vom unermeßlichen Wein als Symbol der heilszeitlichen Freuden das Auftreten Jesu als Phase gegenwärtiger Heilserfüllung gekennzeichnet wird. Dabei könnte als geschichtlicher Haftpunkt die Teilnahme Jesu, der in den Augen seiner Gegner als οίνοπότης galt (Mt ll,19par), an einer Hochzeitsfeier zu Kana zugrundeliegen. Ein Weinwunder Jesu läßt sich dagegen aus Joh 2,1-10 historisch nicht ableiten. Letztlich bestätigen die Einzelanalysen den von der syn Logienüberlieferung vermittelten Eindruck, daß Jesu Wunderwirksamkeit auf Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen beschränkt blieb und er keine Naturwunder vollbrachte. Bei der Mehrzahl der Naturwundererzählungen sind unterschiedlichste geschichtliche Haftpunkte gegeben, die im nachhinein wunderhaft ausgestaltet wurden, in einigen Fällen liegen uneingeschränkt sekundäre Bildungen vor. Im Kontrast zu Pythagoras, Empedokles oder Apollonius wird Jesus nur ansatzweise mit Zügen des die Natur beherrschenden oder mit ihr vertrauten Magiers und Schamanen ausgestattet (Mk 1,13; 4,35-41; 6,45-52), Erzählungen über die Vorhersage oder Abwehr von Naturkatastrophen fehlen völlig.

4. Die Verweigerung demonstrativer Machterweise 4.1. Jesu Ablehnung der Zeichenforderung (Mk 8,llf.parr) Nicht nur die enge Verquickung von Wunder und Wort, sondern auch die Nähe von Lk 10,18 zu prophetischen Berufungsvisionen könnten zu der Annahme verleiten, daß Jesus als Wunderprophet auftrat, indem er 33 Vgl. Stern, Greek and Latin Authors I 559-562, ferner Tac, Hist V5,5, und dazu Heubner/Fauth, Komm V 87-90. 34 Hengel, Wine Miracle 1 If., unter Verweis auf die vom Dionysoskult geprägte Ausgestaltung der Exodustradition in MekhEx 18,9 (dem Wüstenfelsen entströmt Wein).

282

Verweigerung von Machterweisen

eine bestimmte Art prophetischer Verkündigung durch demonstrative Machterweise zu beglaubigen suchte. Demgegenüber wird in der Doppelüberlieferung Mk 8,llf.parr das Ansinnen einer prophetischen Zeichengewährung abgewiesen. Während dies Mk 8,llf. ohne Einschränkung der Fall ist, wird in Q positiv das "Jonazeichen" in Aussicht gestellt. Bei Mt begegnet die Zeichenforderungsperikope in 16,1-4 unter Einfluß der Mk-Akoluthie, wobei allerdings neben Mk 8 , l l f . 1 auch die Mt 12,38-42 wiedergegebene Q-Fassung mit dem Mk 8 , l l f . fehlenden Motiv des Jonazeichens mitverarbeitet wurde (Mt 16,4). Lk hingegen bietet den Stoff allein gemäß der Q-Stoffolge (Lk 11,29-32). Er läßt aber in dem redaktionellen Vorverweis 11,16 (πειράζοντες, ζητεΐν παρ' αΰτοΰ) und in 11,29 (λέγειν, ή γενεά αυτή, σημεΤον ζητεί) Formulierungen aus Mk 8,1 If. einfließen, die in der weitgehend auf Q basierenden Parallele Mt 12,38-42 nicht belegt sind. Weder die ΦαρισαΤοι Mk 8,11 noch die davon beeinflußten γραμματείς και ΦαρισαΤοι Mt 12,38, sondern unbestimmte Personen (Lk 11,16) dürften die ursprünglichen Erheber der Zeichenforderung gewesen sein, da in Jesu Antwort Mk 8,12parr von der γενεά αΐίτη die Rede ist 2 . Erst auf Mk geht άπό τοΰ ούρανοΰ 8,11 zurück, das sowohl in Q (Mt 12,38) als auch in Jesu Antwort Mk 8,12 fehlt 3 . Die Zeichenverweigerung Mk 8,12b hat gegenüber der Q-Fassung Mt 12,39/Lk 11,29 als Amen-Wort und mit ablehnendem εί als DK entsprechender Einleitung einer Beteuerungsformel ein höheres Alter bewahrt4. Entscheidender Unterschied zwischen vormk und Q-Fassung der Zeichenforderung ist die Ablehnung jeglichen Zeichens in Mk 8 , l l f . , während nach Q das "Zeichen des Jona" in Aussicht gestellt (Mt 12,39/Lk 11,29) und mit Deutesprüchen versehen wird (Mt 1 2 , 4 0 - 4 2 / L k 11,30-32), die bei Lk in älterer Form vorliegen 5 . Die bereits in Q mit Mt 12,40/Lk 11,30 verbundenen Gerichtssprüche Mt 12,41f./Lk ll,31f. stellen dabei höchstwahrscheinlich einen Zuwachs dar 6 . Auch bei Lk 11,30 (Q) handelt es sich kaum um einen 1 Mk 8,13 zählt nicht mehr zur Tradition, sondern ist redaktionelle Uberleitung, vgl. Koch, Wundererzählungen 156 mit Anm. 4; Gnilka, Mk-Ev I 305; Lührmann, M k - E v 136f. 2 Gegen Vögtle, Jonaszeichen 111, Anm.42. Vgl. zum sekundären Charakter von ΦαρισαΤοι in Mk 8,11 Kertelge, Wunder Jesu 23f.; Schulz, Q 254, Anm.537; Lührmann, Mk-Ev 136; zur mt Parallelisierung von γραμματείς και ΦαρισαΤοι in Mt 12,38 neben 5,20 insbesondere Mt 23,2-34. 3 Linton, Sign from Heaven 117; Kertelge, Wunder Jesu 24; Lührmann, M k - E v 136. Die pneumatische Erregung Jesu Mk 8,12a ist ebenfalls mk. 4 Vgl. Edwards, Sign of Jonah 75; Vögtle, Jonaszeichen 110; Pesch, MkEv I 409. Hasler, Amen 31, hält dagegen άμήν Mk 8,12 für redaktionell. 5 Erst Mt hat mittels des Schriftzitats Jon 2,1 expressis verbis das G e schick des Jona auf Jesu Tod und Auferstehung hin gedeutet und zu diesem Zwecke wohl auch die bei Lk exakter bewahrte Reihenfolge der Logien Lk 12,31f.par vertauscht, vgl. Bultmann, Syn Tradition 118; Vögtle, Jonaszeichen 116-127; Schulz, Q 252; Gnilka, M t - E v I 464. 6 Bultmann, Syn Tradition 118; Klostermann, M t - E v 112; Jeremias, ThWNT III 412; Lührmann, Redaktion 37ff.; Schulz, Q 253.

Zeichenforderung

283

originären Bestandteil der Zeichenforderungstradition, sondern um eine sekundäre Parusie- oder Gerichtsankündigung 7 . Das Jonazeichen in Q war also ursprünglich nicht erläutert. Es aus diesem Grunde im Sinne eines unverständlichen Rätselspruches Jesu als authentisch zu betrachten 8 , widerspricht der fundamentalen Einsicht der ntl Gleichnisforschung, daß Jesus nicht έν μυοτηρίοις sprach, sondern sich allgemeinverständlicher Verkündigungsinhalte bediente. Ohnehin ruft das Jonazeichen die Rettung aus dem Walfisch wach 9 , womit die zukünftige (δοθήσεται) Gewährung des Jonazeichens Mt 12,39/Lk 11,29 von vornherein einen Verweis auf Jesu Errettung aus dem Tode durch Auferstehung oder Parusie darstellt. Folglich ist die plausibelste Erklärung für die differierende Zurückweisung der Zeichenforderung in Mk 8,12 und Q, daß das σημεΤον Ίωυα in Mt 12,39/Lk 11,29 erst im Zusammenhang mit der Anfügung des Logions Mt 12,40/Lk 11,30 eingebracht wurde und Mk 8,12 mit der kategorischen Ablehnung einer Zeichengewährung die älteste, historisch glaubwürdige Reaktion Jesu auf die Zeichenforderung darstellt 1 0 .

Für das Zeichenbegehren Mk 8,llparr stellt der atl Begriff ΓΠΧ (LXX σημεΐον), der Wundertaten miteinschließt, ohne sich darin zu erschöpfen, und seine enge Verbindung mit der göttlichen Beglaubigung prophetischen Anspruchs den nächstliegenden Anknüpfungspunkt dar. Eine DTK, die den Propheten als eine in göttlicher Autorität handelnde Person beglaubigt, kann in Form eines Wunders geschehen, muß dies aber nicht zwangsläufig tun. Entscheidend ist nicht Art oder Größe der ΓΠΝ, sondern eine möglichst weitgehende Ubereinstimmung zwischen Prophezeiung und tatsächlichem Geschehen, indem es sich um eine auf ihr Eintreffen hin überprüfbare Zeichenansage mit Legitimationsfunktion handelt 1 1 . Anschauliche Beispiele aus dem AT sind etwa die mosaischen ΠίΓΠΚ in Ex 10,Iff., das 7 Klostermann, M t - E v 112; Tödt, Menschensohn 48f.; Vögtle, Jonaszeichen 127-134; Gnilka, Mt-Ev I 468. 8 Gnilka, M t - E v I 468: "Die Rätselhaftigkeit dieser Antwort (sc. Mt 12,39par) spricht sehr dafür, daß sowohl sie als auch die vorangehende Zeichenforderung in das Leben Jesu zurückreichen." Ähnlich Kümmel, Verheißung und Erfüllung 61f.; Seidelin, Jonaszeichen 129f.; Vögtle, Jonaszeichen 133. 9 Vgl. Jeremias, ThWNT III 412: ("das dem Jonas widerfahrene Wunder"); Seidelin, Jonaszeichen 122-130. Gegen G. Schmitt, Zeichen des Jona 123-129: σημεΐον Ίωνα rekurriere als gen.subj. auf die als Zeichen (τέρας) geltende Ankündigung der Zerstörung Jerusalems durch Jona Vit Proph 10,10 (Rez. B). 10 Lohmeyer, Mk-Ev 156, Anm.4; Lührmann, Redaktion 37.42; Edwards, Sign of Jonah 83-87; Linton, Sign from Heaven 119; Pesch, Mk-Ev I 409; Schenk, Einfluß 153f.; Merklein, Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 126; Sand, M t - E v 266; Sato, Q 282. Gegen Kümmel, Verheißung und Erfüllung 61f.; Vögtle, Jonaszeichen 134; Schulz, Q 254; Perrin, Jesus 219f.; Gnilka, Mk-Ev I 305; Schmithals, Mk-Ev I 367; Luz, M t - E v II 274f„ die das Jonazeichen für ursprünglich halten. 11 Vgl. Linton, Sign from Heaven 123-129; Helfmeyer, ThWAT I 199-203; Stolz, Zeichen und Wunder 126-129; Bittner, Jesu Zeichen 24-27.

284

Verweigerung von Machterweisen

Sterben beider Eli-Söhne an demselben Tage 1 Sam 2,34, die Saul von Samuel gewährten drei Zeichen 1 Sam 10,1-16 und die ebenfalls als ΓΠΚ gekennzeichnete Immanuelverheißung Jes 7,14-16. Darüber hinaus ist auch Dtn 13,1-5 entnehmbar, daß "Zeichen oder Wunder" gewöhnlich der Legitimation prophetischer Rede dienen. Besondere Ausprägung hat der traditionelle, bis in die rabbinische Zeit bedeutsame 12 Zusammenhang zwischen dem Anspruch prophetischer Sendung und dessen Erweis durch angekündigte σημεία für das von Josephus geschilderte Auftreten jüdischer Zeichenpropheten im l.Jhdt.n.Chr. erfahren 1 3 . Das Ansinnen von Mk 8,11 ist somit im Horizont einer in jüdischer Tradition fest verwurzelten Verbindung zwischen Zeichengewährung und Legitimierung prophetischen Anspruchs zu sehen 1 4 . Mk 8,11 setzt offenkundig bei den an Jesus herantretenden Personen ein prophetisches Verständnis seines Wirkens voraus. Es wird eine Zeichenforderung mit der Absicht erhoben, Klarheit hinsichtlich der göttlichen Autorisierung Jesu als eines Propheten oder als des Endzeitpropheten zu gewinnen. Bei diesem σημείου ist am ehesten an eine Wundertat gedacht 1 5 , die sich den traditionellen Konnotationen einer ΓϊίΚ entsprechend von den sonstigen Wundern Jesu qualitativ dadurch unterscheidet, daß sie vorher angekündigt wird und somit auf ihr Eintreffen hin überprüfbar ist. Jesu Dämonenaustreibungen und Heilungen galten offenbar bei seinen Zeitgenossen nicht als hinreichende Legitimationserweise. Dabei ergeben sich Berührungspunkte zu der Beelzebulkontroverse, die in Q der Zeichenforderung vorangeht und in der gleichermaßen die göttliche Urheberschaft des Wirkens Jesu problematisiert wird (Mt ll,24par). Möglicherweise haben solche Satansbündnisbezichtigungen, wie sie in der Beelzebulkontroverse bezeugt sind, sogar das Zeichenbegehren evoziert, in12 j Sanh 11,8(6) (30c): "(Wie verhält es sich bei) einem Propheten, der (erst) anfängt zu prophezeien? Wenn er ein Zeichen und ein Wunder gibt, hört man auf ihn; aber wenn nicht, hört man nicht auf ihn." Vgl. ferner bSanh 89b; 98ab, zum Ganzen: Schlatter, Wunder in der Synagoge 67f.; Billerbeck I 640f.726f.; Rengstorf, ThWNT VII 225f.; Bittner, Jesu Zeichen 35-37. 13 Bell 11,259.261-263; VI,285; VII,438; Ant XVIII,85-87; XX,97-99.167-172. Vgl. auch die Zeichengewährung (σημείου) des Pythagoras Iambi, Vit Pyth XXVIII,142 (Auftreten der weißen Bärin). 14 Hahn, Hoheitstitel 390: "Das Beglaubigungswunder hat von jeher seinen Platz im Zusammenhang mit dem Anspruch der Propheten." Vgl. auch Schlatter, Wunder in der Synagoge 54. Geringe Bedeutung kam offenbar im Judentum der Zeitenwende der von Klostermann, Mt-Ev 111; Lohmeyer, Mk-Ev 156, für Mk 8,llf.parr als Hintergrund beanspruchten Vorstellung zu, der Messias müsse sich durch Zeichen und Wunder ausweisen (vgl. allenfalls Just, Dial 110,1, zum Ganzen Wilckens, Weisheit 34f. mit Anm.l; Billerbeck I 641; Volz, Eschatologie 209). 15 σημεΐον für die Wunder Jesu: Apg 2,22 und stereotyp im Joh-Ev.

Versuchungsgeschichte

285

dem eine auf ihr Eintreffen hin überprüfbare Wundertat Jesu eindeutigen Aufschluß darüber geben sollte, ob Jesus im Einvernehmen mit Gott handelt. Alternativ könnte Jesu Verständnis der Gottesherrschaft, das mit seinen präsentischen Bezügen die Dimensionen zeitgenössischer jüdischer Eschatologie sprengte, den Ruf nach einem Beglaubigungszeichen nach sich gezogen haben 1 6 . Ob in der Zeichenforderung Mk 8,11 speziell politisch-prophetische Ansprüche an Jesus als Führer im eschatologischen Befreiungskampf gegen Rom eine zentrale Rolle spielen 17 , bleibt dagegen fraglich. Das in diesem Zusammenhang als maßgeblicher Hintergrund für Mk 8,11 reklamierte Phänomen politischer Prophetie mit Ankündigung von σημεία fällt nach Josephus und der Apg erst in die Jahrzehnte nach Jesu Auftreten. Geht es bei der Gewährung von Zeichen traditionellerweise um die Verifizierung prophetischer Rede, so zeigt Jesu bedingungslose Ablehnung jedes Zeichenbegehrens, daß er sich gegen ein Mißverständnis seiner Person als Wunderprophet wendet und demonstrative Schauwunder verweigert. Die ΠΊΠίΧ der Propheten sind symbolisch höchst bedeutsame, aber grundsätzlich austauschbare, nicht auf Notsituationen bezogene Machterweise mit legitimatorischer Funktion. Indirekt ist Jesu Weigerung Mk 8,12, ein derartiges Zeichen zu vollbringen, entnehmbar, daß er seine Wunder nicht als demonstrative Beglaubigungszeichen im Dienste von Verkündigung oder Lehre verstanden wissen will18, sondern ihnen demgegenüber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchsetzung der Gottesherrschaft eigenständige Bedeutung zukommt.

4.2. Die Versuchung Jesu (Mt 4,1-11/Lk 4,1-13) Weist die syn Zeichenforderungstradition somit ein Verständnis der Wunder Jesu als demonstrativer Machterweise zurück, so deckt sich dies der Sache nach mit der Aussageintention der Q-Versuchungsgeschichte. Diese begegnet Mt 4,1-11 nicht allein in der Abfolge der Versuchungen, sondern mit Einschränkungen auch dem Wortlaut nach in ursprünglicherer Form, als dies Lk 4,1-13 der Fall ist 19 . Zwei der 16 Vgl. Linton, Sign from Heaven 128; Vögtle, Jonaszeichen 111. 17 Bittner, Jesu Zeichen 284: Jesus werde mit der Zeichenforderung g e fragt, ob er sich als der eschatologische Prophet und damit als Führer im politisch-eschatologischen Freiheitskampf verstehe, und verneine dies, da seine Sendung die des (davidischen) Messias sei (vgl. ebda. 52); ähnlich Hahn, Hoheitstitel 391 mit Anm.3. 18 Vgl. Delling, Botschaft und Wunder 391; Merklein, Jesu Botschaft 71. 19 Vgl. Schulz, Q 177-181; Mahnke, Versuchungsgeschichte 170-182; Gnilka, M t - E v I 83f.; Luz, M t - E v I 159f. Nicht in Q stand das aus Mk 1,13

286

Verweigerung von Machterweisen

drei Versuchungen von Mt 4,1-llpar bestehen in der Forderung von Beglaubigungswundern zum Erweis der Gottessohnschaft Jesu, nämlich der Verwandlung von Steinen in Brot (Mt 4,3par) und dem Sturz Jesu von der Tempelzinne (Mt 4,6par). Die Q-Versuchungsgeschichte reflektiert kein geschichtliches Ereignis 20 , sondern stellt eine Ausgestaltung der den Versuchungsinhalt offenlassenden Traditionsvariante Mk l,12f. dar 21 , wobei die wörtlichen LXX-Bezüge in Mt 4,1-llpar auf eine von vornherein griechische Fassung hindeuten 22 . Das Mk l,12f. inhärente Bild von Jesus als Magier oder Schamanen wird einer Korrektur unterzogen, indem die dahingehend auffaßbaren Motive des freundschaftlichen Umgangs mit Tieren und der Inanspruchnahme von Dienstengeln wegfallen und eine ablehnende Haltung gegenüber der Auffassung eingenommen wird, daß magische Speisegewährung und schamanistische Flugwunder als demonstrative Machttaten Jesu Gottessohnschaft legitimieren. Vermutlich liegt dabei Kritik an einer Überbetonung christologischer Theios Aner-Vorstellungen vor, wie sie sich in der vormk Wunderüberlieferung mit ihrer Gottessohnchristologie (Mk 5,7; vgl. 1,24; 3,11) finden. Die in Machttaten manifeste Gottessohnschaft Jesu schließt keine magisch-schamanistischen Schauwunder mit ein, wobei dies im Horizont der dritten Versuchung speziell auch für Machterweise zur Legitimation politisch-messianischer Ansprüche gilt 23 . Sowohl die im Kern glaubwürdige Zeichenforderungstradition Mk 8,llf.parr als auch die als sachgemäßer urchristlicher Reflex 2 4 auf das

stammende Motiv der Dienstengel Mt 4,11. Gegen Fuchs, Versuchung 143f., der Mt 4 , 1 - l l p a r Deutero-Mk zurechnet, ist an einer Q-Zugehörigkeit der Perikope nicht zu zweifeln, vgl. Tuckett, Temptation Narrative 479ff. 20 Gegen Dupont, Versuchungen 104-123; Neugebauer, Jesu Versuchung 9-18.99-120. 21 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 272-275; Schürmann, Lk-Ev I 219; Schmithals, M k - E v I 90. Für eine Ursprünglichkeit der Q-Fassung gegenüber Mk l,12f. tritt Schulz, Q 182, ein. Keinen direkten literarischen oder traditionsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Mk l,12f. und Mt 4 , 1 - l l p a r sehen Davies/Allision, Matthew I 350. 22 Vgl. Stendahl, School of St. Matthew 150; Schulz, Q 185; Zeller, Versuchungen 62. 23 Hoffmann, Versuchungsgeschichte 218f.; ähnlich Bultmann, Syn Tradition 273; Lohmeyer, M t - E v 58; Bornkamm, Enderwartung 33f.; Pokorny, Temptation 124f. Vgl. zu den magisch-schamanistischen Implikationen oder Theios Aner-Bezügen der Versuchungen Eitrem, Versuchung Christi 5-23; Schulz, Q 182.186f. 24 Bovon, Lk-Ev I 202: Die Diskussion Jesu mit Pharisäern über göttliche Zeichen könne die historische Verwurzelung der Versuchungen Jesu darstellen. Vgl. auch Schürmann, Lk-Ev I 220: Aufgrund sachlicher Berührungen von

Μ arkus - Evangelium

287

dortige Wunderverständnis zu beurteilende Q-Versuchungsgeschichte deuten darauf hin, daß Jesus eine Gewährung demonstrativer Legitimationserweise oder Schauwunder abgelehnt hat und sich folglich nicht als Wunderprophet verstand. Das dafür maßgebliche Charakteristikum, bestimmte Verkündigungsinhalte durch vorher festgelegte Zeichen als gottgewirkt auszuweisen, ist bei Jesus nicht gegeben. Ähnlich wie Chanina ben Dosa (bBer 34b; bBQ 50a) wehrt er sich dagegen, in die Schablone des Wunderpropheten hineingepreßt zu werden 2 5 .

5. Jesus als Wundertäter in der Evangelienredaktion Das in verschiedenen Schattierungen etablierte Bild von Jesus als Wundertäter wird entscheidend von der redaktionellen Bearbeitung der christologischen Wunderüberlieferung durch die Evangelisten mitgeprägt, die in ihren unterschiedlichen Akzentuierungen deutlich von dem vorliterarischen und historischen Befund zu trennen ist. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die allerdings nur mit Einschränkungen aufrechtzuerhaltende Beobachtung von J.Z. Smith, daß Evangelien in Analogie zu antiken Viten als "reverse aretalogies" mit doppelter Zielsetzung den Gottessohn einerseits nach außen vor dem Verdacht der Magie schützen wollen, andererseits nach innen einer mißverständlichen Reduktion seiner Bedeutung auf die thaumaturgische Befähigung vorzubeugen suchen, "the demonstration of divinity through miracles is relativized by the motif of misunderstanding"1.

5.1. Jesus als Theios Aner im Mk-Ev Als Mk mit seiner biographischen Darstellung des Lebens Jesu die literarische Gattung "Evangelium" schuf, stand er vor der nicht zu unterschätzenden Aufgabe, als erster überhaupt eine Zusammenschau der christologischen Wundertradition mit den vielfältigen anderen Jesusüberlieferungen zu bieten und dabei eine schlüssige Verhältnisbestimmung Lk 4,l-13par mit Lk 10,18 und Mk 3,27parr "wäre es unkritisch, jeglichen geschichtlichen Haftpunkt zu leugnen." 25 Auch für Ben Stada ist bSanh 67a im Blick auf seine Steinigung ausdrücklich vermerkt, daß es sich bei ihm nicht um einen Propheten handelte. l J.Z. Smith, Good News is No News 193.204f. Vgl. auch M. Smith, Jesus the Magician 86: W i e die Vita sei das Evangelium "in part an apologetic work, written not only to glorify its hero, but also to defend him against the charge of practicing magic."

Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

288

zwischen J e s u Wunderwirken einerseits, J e s u L e h r e und Verkündigung andererseits zu treffen. Vormk war lediglich in den ausgestalteten direkte

Wunderberichten

Beziehung

zwischen

Mk

Wunder

2,1-12;

3,1-5

und Wort

apophthegmatisch

und

7,24-30

gegeben,

wobei

eine die

Wundertat J e s u jeweils eine autoritative Lehrentscheidung über Fragen der Sündenvergebungsvollmacht, der Sabbatobservanz oder der Zuwendung zu Heiden normiert und von daher der L e h r e untergeordnet

ist.

Ansonsten wurden Traditionen von Jesus als Wundertäter und von J e s u s als L e h r e r in der Mk überkommenen Überlieferung, seien es

Einzelpe-

rikopen oder seien es umfassendere Stoffsammlungen, ohne w e c h s e l s e i tigen B e z u g und ohne Reflexion des inneren Zusammenhangs

zwischen

Tat und W o r t im Wirken J e s u unverbunden nebeneinander tradiert. Sieht man von der Passionsgeschichte ab, so wurden Stoffsammlungen vormk nicht unter biographisch-chronologischen, sondern unter thematischen Gesichtspunkten erstellt. Neben einer Streitgesprächsammlung in Mk 2,1-3,5, einer Gleichnissammlung in Mk 4,1-32 und einer Schulgesprächsammlung in Mk 10 stand Mk dabei wahrscheinlich auch ein Wunderzyklus zur Verfügung. Die redaktionell verschachtelten Wundererzählungen Mk 5,21-43 waren wohl vormk ad vocem δώδεκα (5,25.42) aneinandergefügt, und für Mk 6,34-52 legt sich durch die parallele Stoffanordnung Joh 6,1-21 ein vormk Überlieferungszusammenhang von Speisungswunder und Seewandel nahe. Da die Wundergeschichten in Mk 4,35-6,52 zudem mehrheitlich bereits vormk am See Genezareth lokalisiert waren und vom Überlieferungsmilieu wie der Christologie her weitreichende Ubereinstimmungen aufweisen, läßt sich hier mit hoher Plausibilität ein vormk Wunderzyklus vermuten 2 , ohne daß er allerdings zwingend beweisbar wäre. W a s Mk mit J e s u s als Wundertäter verband und wie er sich das Zusammenspiel von Wundern, Verkündigung oder L e h r e und

Leidensweg

im Auftreten J e s u dachte, ist der Stoffanordnung im Mk-Ev, mk Eingriffen in seine Wunderüberlieferung und den überwiegend

redaktionellen

Summarien Mk 1 , 3 2 - 3 9 ; 3 , 7 - 1 2 und 6 , 5 3 - 5 6 entnehmbar. Daß Wunderta-

2 Kuhn, Sammlungen 191-213. Reines Konstrukt ist der Versuch von Achtemeier, Isolation of Pre-Markan Miracle Catenae 265-291; ders., Function of the Pre-Marcan Miracle Catenae 198-221, zwei parallelel laufende vormk Wunderzyklen, die als Eucharistieliturgie gedient haben sollen, zu rekonstruieren, zumal hier sogar Mk 6 , 3 4 - 4 4 und 6,45-51 unterschiedlichen Katenen zugeordnet werden (dieser Rekonstruktion folgend: K e e , Aretalogies 13f.; Mack, Myth of Innocence 216-219). Noch willkürlicher ist die von M. Smith, Aretalogy Used by Mark 1-25, behauptete vormk Aretalogie, die mit Jesu Taufe eingesetzt und mit der Epileptikerperikope Mk 9,14-29 geendet haben soll. Kritisch gegenüber vormk Wunderzyklen: van Cangh, Collections 76-85; Koch, Wundererzählungen 30-39.

Markus-Evangelium

289

ten für Mk einen konstitutiven Bestandteil des Wirkens Jesu ausmachen, zeigt sich bereits daran, daß er eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Wundergeschichten in sein Evangelium aufnimmt und in 1,23-45 die öffentliche Wirksamkeit Jesu nach der ersten Jüngerberufung sogleich mit mehreren Wundertaten beginnen läßt. Maßgeblicher Stellenwert kommt für Mk den Dämonenaustreibungs- und Krankenheilungsberichten zu, nur sie werden von allen Wundererzählungen in den Summarien generalisierend als für Jesu Wirken typische Ereignisse ausgeweitet. Mk zeigt sich dabei insbesondere an den traditionellen Dämonenbekenntnissen zu Jesus als Gottessohn (5,7; vgl. 1,24) positiv interessiert, indem er sie in grundsätzlicher Zustimmung 3,11 redaktionell verstärkt. Auch wenn dies durch die redaktionellen Schweigebefehle an Dämonen (1,24.34; 3,12) und das Rückzugsmotiv (1,35; 3,7) eine gebrochene, erst vom Kreuz her vollgültige Offenbarung darstellt (15,39), betrachtet Mk in kritischer Übereinstimmung mit seiner Tradition Jesus aufgrund seiner Wunder als Theios Aner 3 . In den Summarien 3,7-12 und 6,53-56 wird selbst das unserer Analyse von Mk 5,25-34 zufolge aus hellenistischer Theios Aner-Tradition stammende Motiv, daß die Berührung des Gewandes Jesu auf magische Weise Anteil an seiner Dynamis sichert, nochmals betont hervorgehoben. Mit deutlicher Distanz begegnet Mk den Naturwundererzählungen, die ihm zwar ebenfalls wegen der Epiphanie Jesu als göttlicher Mensch wichtig sind (4,35-41; 6,45-52), aber in den Summarien nicht vertieft werden. Die Naturwunder rufen Unverständnis hervor (4,40; 6,52; 8,17-21), dem in der Speisungswundertradition 6,30-44 und 8,1-10 dominanten Bild von Jesus als Elia wie Elisa übertreffendem Wunderpropheten kommt in der mk Christologie keine erkennbare Bedeutung zu. Für Mk ist Jesus mit seinen Machttaten kein eschatologischer Wunderprophet, sondern Theios Aner, dessen vom Kreuz her in voller Bedeutung erschließbare Gottessohnschaft in Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen zumindest gebrochen offenbar wird. Inwieweit Mk bei der Aufnahme von Wundergeschichten eine gezielte Auswahl aus einem breiteren Traditionsstrom treffen konnte, entzieht sich unserer Kenntnis. Im Gegensatz zu Mt und Lk nimmt er an Erzählungen mit schamanenhafter Porträtierung (Mk l,12f.) oder massiven

3 H.D. Betz, Jesus als göttlicher Mensch 4 2 4 - 4 2 7 ; Koch, Wundererzählungen 188-193. Schon aufgrund der redaktionellen Wundersummarien abwegig ist die These von Weeden, Häresie 238-258; ders., Traditions in Conflict 162ff., Mk habe die Theios Aner-Christologie nur deshalb aufgenommen, um sie als Häresie und "theological cancer" entschieden bekämpfen zu können (ähnlich Schenke, Wundererzählungen 396-416). Nicht einmal der fremde Dämonenaustreiber im Namen Jesu (Mk 9 , 3 8 - 4 0 ) gilt als Häretiker.

290

Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

Wunderpraktiken Jesu (Mk 7,31-37; 8,22-26) keinen Anstoß. Auch die Berücksichtigung der nicht völlig in sein Konzept passenden Naturwundergeschichten spricht dafür, daß Mk die ihm überkommene Wundertradition in repräsentativer Breite bewahrt hat, und macht eine weitgreifende Zensur oder eine "Unterdrückung von Beweismaterial" eher unwahrscheinlich 4 . Die in den vormk Stoffsammlungen und Einzelperikopen so gut wie nicht in den Blick kommende Frage, in welcher Beziehung die Wunder Jesu zu seiner Lehre und Verkündigung stehen, hat Mk dahingehend beantwortet, daß die Wundertaten bei Jesus einer Beglaubigung der Vollmacht des Wortes dienten. Die Verkündigung des Evangeliums in Gestalt der nahen Gottesherrschaft steht Mk l,14f. dem Beginn des Wunderwirkens Jesu programmatisch voran, während umgekehrt der für Jesu Machttaten zentrale Wunderzyklus Mk 4,35 - 5,43 den Streitgesprächen von Mk 2-3 und den Gleichnissen von Mk 4,1-34 kompositorisch nach- und damit sachlich untergeordnet ist. Zudem zeigt die für die mk Christologie paradigmatische 5 , den Auftakt des Wunderwirkens Jesu markierende Erzählung Mk 1,23-28, daß dem Evangelisten an einer Reduktion der eigenständigen Bedeutung von Jesu Wundern zugunsten einer Fundierung und Aufwertung von Jesu Lehre oder Verkündigung gelegen ist. Mk stellt dem Wunderbericht 1,23-28 das Motiv des in besonderer Vollmacht stehenden (διδάσκων ώς εξουσίαν εχων), die Schriftgelehrten übertreffenden Lehrers Jesus voran. In Verbindung mit der ebenfalls redaktionellen Formulierung διδαχή καινή κατ' εξουσίαν (1,27) wird die erste Dämonenaustreibung Jesu inklusionsartig von Lehraussagen gerahmt, folglich das Wunder vom Wort umschlossen und dies programmatisch als für Jesu gesamtes Wirken typisch dargestellt 6 . Die Inanspruchnahme der Wundertat zum Erweis der Vollmacht des Wortes findet sich neben Mk 1,22.27 auch in der redaktionellen Plazierung des M o tivs vom lehrenden Jesus vor die Heilung des Gelähmten Mk 2,1-12 (2,2b και 4 Gegen M. Smith, Jesus the Magician 92f. Sofern Mk apologetisch dem Verdacht der Magie oder Goetie vorbeugen wollte, hat er dies jedenfalls im Vergleich mit Mt oder Philostrat (s.u.) mehr als ungeschickt angestellt, s Wellhausen, Evangelium Marci 12. 6 Ganz ähnlich stellt sich die mk Bearbeitung der "Tempelreinigung Jesu" Mk 11,15-19 dar, wo Mk den mutmaßlich 11,15.16.17c umfassenden Überlieferungskern (vgl. die Gemeinsamkeiten mit Joh 2,14-17) redaktionell um das Motiv des lehrenden Jesus (ll,17ab) und das von dieser διδαχή hervorgerufene Staunen (11,18) erweitert und damit gleichermaßen die Tat dem Wort unterordnet. Als Auftakt des Jerusalemer Wirkens Jesu kommt dabei Mk 11,15-19 eine ähnlich exponierte Stellung zu, wie dies bei Mk 1,23-28 als überhaupt erster öffentlicher Tat Jesu der Fall ist.

Markus - Evangelium

291

έλάλει αύτοΐς του λόγον) und vor die Speisung der 5000 (Mk 6,34c και ηρξατο διδάσκειν αυτούς π ο λ λ ά ) 7 . In Mk 1,39, dem Abschluß des wohl in seiner Gesamtheit auf den Evangelisten zurückgehenden Abschnitts 1,32-39® , resultiert aus der Abfolge ήλθεν κηρύσσων εις τάς συναγωγάς αύτων ... και τά δαιμόνια έκβάλλων ebenfalls eine Vorordnung des Wortes gegenüber der dieses beglaubigenden Tat. Das gleiche Bild zeigt sich in der redaktionellen 9 Notiz Mk 6,2, wo zunächst Jesu Weisheit und erst an zweiter Stelle dann seine Machttaten Erwähnung finden. Wenn der mk Jesus in Wundergeschichten vereinzelt als Lehrer angesprochen wird (Mk 4,38; 5,35; 9,17), könnte auch dies ein erst von Mk stammendes Motiv s e i n 1 0 .

Bei seiner Integration der Wunder in die Darstellung des Lebens Jesu und der dabei erwachsenen Notwendigkeit, die Wundergeschichten mit der übrigen Jesusüberlieferung in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, ordnet Mk die Taten Jesu als Beweise für die Vollmacht des Wortes in den szenischen Rahmen der Lehre wie Verkündigung Jesu ein und reduziert damit die eigenständige Hinweisfunktion der Wunder für die Bedeutung Jesu. Historisch betrachtet, hat Mk das richtige Gespür dafür, daß Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen im Zentrum des Wunderwirkens Jesu standen. Nur sie werden in den Summarien generalisierend verstärkt und begründen mit Einschränkung die Gottessohnschaft Jesu, während Naturwunder in den Summarien fehlen und Unverständnis hervorrufen. Die mk Verhältnisbestimmung von Wundertat und Wort entspricht dagegen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der von Q bewahrte Sachverhalt, daß die Entmachtung des Satans (Mk 3,27; Lk 10,18) und daraus resultierende Dämonenaustreibungen die Prämisse wie den Bezugspunkt der Verkündigung von der Gottesherrschaft darstellen (Lk ll,20par; vgl. 10,9par; Mt ll,5par), wird in der mk Konzeption von den Wundern als nachgeordneten Beweisen für die Vollmacht von Jesu Lehre im Prinzip auf den Kopf gestellt.

7 Dies gilt auch für Mk 3,1-6, sofern dieser Stoff nicht Bestandteil der vormk Streitgesprächsammlung Mk 2,Iff. war, sondern erst von Mk angeschlossen (Kuhn, Sammlungen 88) und in der "Synagoge" als klassischem Ort der Lehre lokalisiert wurde. 8 Vgl. Kertelge, Wunder Jesu 31-33. Egger, Frohbotschaft 64-79, rechnet dagegen in 1,32-34 mit einem vormk Sammelbericht als Traditionsgrundlage. 9 Gräßer, Jesus in Nazareth 17-21; ähnlich Koch, Wundererzählungen 152; Lührmann, Mk-Ev 106. Vormk Herkunft von Mk 6,2 setzen dagegen Pesch, Mk-Ev I 315; Gnilka, Mk-Ev I 228, voraus. 10 Vgl. Schenk, Epileptiker-Perikope 84.

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Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

5.2. Unterdrückung wunderhaft-magischer Züge im mt Jesusbild Daß auch bei Mt den Wundern Jesu hervorgehobene Bedeutung zukommt, zeigt sich an zusätzlichen redaktionellen Hinweisen auf Krankenheilungen Jesu (Mt 14,14; 21,14), der Steigerung mk Wunderberichte durch Verdoppelung der Anzahl der Geheilten (Mt 8,28-34; 9,27-31; 20,29-34) und der Ausgestaltung einzelner Wundertraditionen durch Erfüllungszitate (Mt 8,16f.; 12,15-21). Mt unterzieht dabei aber das von Mk her überkommene Bild von Jesus als Wundertäter einer grundlegenden Revision und Neuinterpretation. An den für die mk Christologie konstitutiven Dämonenbekenntnissen zu Jesus als Gottessohn (Mk 1,24; 3,11; 5,7) zeigt Mt nur geringes Interesse (Mt 8,29), während umgekehrt durch eine Bereicherung der Wunderüberlieferung um Davidssohn- und Gottesknechtbezüge die Vorstellung von Jesus als Wundermessias in den Vordergrund tritt. Die vormt nur für die Bartimäusgeschichte Mk 10,46-52 maßgebliche Konzeption, daß Jesus sich mit Wundertaten als Davidssohn erweist, wird von Mt konsequent ausgebaut (Mt 9,27; 11,23; 15,22; 21,15), wobei der Davidssohntitel messianische Konnotationen hat (Ps Sal 17) 1 1 . Auf der gleichen Linie liegt die an das Wunderverständnis in Q (Mt ll,5par) anknüpfende mt Ausgestaltung von Mk 1,29-31 und 3,7-12 durch Erfüllungszitate aus Dt-Jesaja (Mt 8,16f.; 12,15-21), wobei Jesus unter Rückgriff auf Jes 42,1-4; 53,4 als im AT verheißener messianischer Retter der Kranken und Besessenen erscheint.

Ein weiterer entscheidender Aspekt der umfassenden Revision des Bildes von Jesus als hellenistischem Theios Aner, wie Mt es im Mk-Ev vorfand, ist die fast vollständige Eliminierung solcher Wundertechniken aus der Jesusüberlieferung, die Parallelen in den Zauberpapyri haben oder magisch verstanden werden konnten 12 . Von den mk Dämonenaustreibungsberichten wird Mk 1,23-28 von vornherein ausgelassen, der mt Bearbeitung der Gerasenererzählung (Mt 8,28-34) fielen das Ausfahrwort Mk 5,8 und die Dämonenbefragung Mk 5,9 zum Opfer. In Mt 17,14-21 gibt Mt in Übereinstimmung mit Lk einer Traditionsvariante von Mk 9,14-27 den Vorzug, in der die έπιτάσσω-Formel, das Ausfahrwort mit Rückkehrverbot und die Handergreifung zur Wiederbelebung des ohnmächtigen Besessenen fehlen.

11 Vgl. Burger, Jesus als Davidssohn 72-91; Luz, M t - E v II 59-61. Vermutlich liegen traditionsgeschichtliche Bezüge zur jüdischen Betrachtung des Davidssohnes Salomo als Experte für Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen (Joseph, Ant VIII, 45-49; Sap 7,20) vor, vgl. Berger, Königl. Messiastraditionen 3-15; Duling, Solomon 249-252. 12 Vgl. dazu Hull, Hellenistic Magic 128-141; Böcher, Matthäus und die Magie 14-24; Trunk, Messianischer Heiler 201-212.

Matthäus - Evangelium

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Von den durch magisch-pharmakologische Techniken Jesu bestimmten Krankenheilungsberichten Mk 7,31-37 und 8,22-26 wird der eine durch das Summarium Mt 15,29-31 ersetzt, der andere völlig übergangen. In der mt Version des Totenerweckungsberichtes Mk 5,21-24.35-43 sind die Absonderung des Publikums und ταλιθα κουμ als ρησις βαρβαρική (Mt 9,18-26) w e g gefallen, und die Sturmstillung vollzieht sich Mt 8,23-27 ohne den Bindezwang σιώπα, πεφίμωσο Mk 4,39.

Der mt Jesus bedient sich bei seinen Wundertaten weder festgeprägter Dämonenaustreibungsformeln, wie sie aus den Zauberpapyri bekannt sind, noch volkstümlicher pharmakologischer Praktiken, fremdsprachiger Zauberworte oder naturbezwingender Katadesmoi. Mt macht dabei vieles von dem wieder rückgängig, was der Jesustradition unter Einfluß der Vorgehensweise frühchristlicher Wundercharismatiker in der vormk Traditionsgeschichte an Wunderpraktiken zugewachsen ist. Wesentlich konsequenter als Mk hat Mt die Wunder Jesu zu Begleiterscheinungen der Lehre und Verkündigung degradiert, wie sich insbesondere an der kompositorischen Stoffanordnung des Mt-Ev zeigt. Bevor der mt Jesus mit der bei Mk (1,40-45) in die Anfangsphase des öffentlichen Wirkens fallenden Aussätzigenheilung Mt 8,1-4 das erste Wunder vollbringt, wird zunächst in der Bergpredigt der "Messias des Wortes" vorgestellt 13 . Die redaktionelle Bearbeitung der Wunderberichte in der nachfolgenden, für das mt Wunderverständnis maßgeblichen Komposition Mt 8,1 - 9,34 ist von einer Reduktion typischer Wundererzählungselemente und parallel dazu von einer Ausgestaltung der Dialogszenen geleitet 14 . Als Resultat ergibt sich ein deutliches Zurücktreten des Wunders bei gleichzeitiger Hervorhebung des gesprochenen Wortes, zumal Mt in 9,27-31.32-34 den Wunderzyklus mit zwei von ihm als Parallelbildungen zu Mk 10,46-52 bzw. Mt 12,22-24par formulierten apophthegmatischen Heilungsberichten beschließt und Mt 9,35 als redaktionelles Resümee von Bergpredigt und Wunderzyklus in Übereinstimmung mit 4,23 Jesu Heilungstätigkeit der Lehre und Verkündigung unterordnet 15 . Mit ihrer redaktionell zustandegekommenen Transparenz 13 Schniewind, M t - E v 37. Vor der Bergpredigt ist Mt 4,23 lediglich summarisch von Wundertaten Jesu die Rede, wobei die Abfolge von Wort und Tat aus Mk 1,39 nicht nur beibehalten wird, sondern über κηρύσσειν hinaus auch von Jesu 8ώάσκειν die Rede ist. 14 Held, Mt als Interpret 158ff. Vgl. auch Strecker, W e g der G e r e c h tigkeit 176; Kingsbury, Miracle Chapters 568ff. i s Albrecht, Zeugnis 58-61; Gnilka, M t - E v I 351; Sand, M t - E v 206. Vgl. ferner Mt 11,4 α άκούετε και βλέπετε diff. Lk 7,22 α είδετε και ήκούσατε, sowie M t 13,14 wo das Schriftzitat aus Jes 6,9, das Mk 4,12 gegen L X X in der Abfolge βλέπειν - άκουειν begegnet, korrekt nach dem LXX-Wortlaut

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Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

auf aktuelle Gemeindegegebenheiten hin wollen die von Mt 8-9 weniger Auskunft über das Wesen Jesu tion der Kirche erteilen, womit ihre christologische sten ekklesiologischer Gesichtspunkte zurücktritt 16 Jesu als Wundertäter spürbar reduziert wird.

Wundergeschichten als über die SituaBedeutung zugunund die Funktion

5.3. Jesus als Wunderprophet bei Lk Lk übernimmt die mk Wunderkonzeption von Jesus als Theios Aner grundsätzlich (Lk 4,34.41, 8,28), setzt aber eigenständige Akzente. Die in der vormk Überlieferung nur vereinzelt greifbare (Mk 1,40-44; 6,32-44; 8,1-10) und weder von Mk noch von Mt redaktionell aufgegriffene, hingegen für die Sondergutstoffe Lk 7,11-17 und 17,11-19 charakteristische Vorstellung von Jesus als einem Elia und Elisa bei weitem überlegenen Wunderpropheten gewinnt im Lk-Ev hervorgehobene Bedeutung. Der lk Jesus ist ein προφήτης άυήρ δυνατός εν Εργω και λόγψ (Lk 24,19; vgl. 7,16) 17 . Da bei einem Wunderpropheten Machttaten ein entscheidendes Mittel zur Beglaubigung der Botschaft darstellen, mißt Lk noch über Mk hinausgehend und in deutlichem Gegensatz zu Mt den Wundern Jesu hohe Bedeutung zu und kann positiv von ihnen als σημεία sprechen (Apg 2,22). Bereits in der "Antrittspredigt" Jesu in Nazareth Lk 4,16-30, die dem Evangelisten als "Urbild und Schlüssel" 18 des gesamten Auftretens Jesu gilt, wird Jesus gleichermaßen als Verkündiger wie als Wundertäter mit prophetischen Zügen dargestellt. Entgegen der Mk-Vorlage stellt Lk dem Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu nicht programmatisch die Verkündigung von der nahegekommenen Gottesherrschaft (Mk 1,15) voran, sondern bietet eine auf der Basis von Mk 6,l-6a redaktionell formulierte 19 Redekomposition, derzufolge Jesu Sendung nicht zuletzt den "Geschlagenen" (wohl Besessene) und den Blinden gilt. Ab Lk 4,23 bestimmt die mit der dortigen Vorordnung des Hörens gegenüber dem Sehen wiedergegeben wird. 16 Burger, Jesu Taten 272-287; Luz, Wundergeschichten 149-165; ders., Mt-Ev II 65-68. Vgl. auch Künzel, Gemeindeverständnis 143-149, und Moiser, Structure of Matthew 8-9, der im mt Wunderzyklus einzelne Themen der Bergpredigt illustriert sieht. 17 Vgl. Busse, Wunder des Propheten Jesus 381ff.; Nebe, Prophetische Züge 64ff. 18 Wiefel, Lk-Ev 104. 19 Vgl. neben der detaillierten Analyse von Busse, Nazareth-Manifest 13ff., bes. Conzelmann, Mitte der Zeit 25-32. Gegen Schürmann, Lk-Ev I 241-244; Bovon, Lk-Ev I 207f., die mit Sondertradition rechnen.

Luka s - Evange lium

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Wunderthematik vollends die Szenerie, indem Jesus als ein Elia und Elisa vergleichbarer Wunderprophet gezeichnet wird, der in seiner Heimat nichts gilt. Von den aus dem atl Elia-Elisa-Zyklus argumentativ herangezogenen Wundertaten sind dabei das Brotvermehrungswunder Elias und die Aussätzigenheilung Elisas auf Jesu Wirken hin transparent (Lk 5,12-16; 9,12-17; 17,11-19). Kompositorisch ist darüber hinaus von Bedeutung, daß der lk Jesus in 4,16-41 entgegen der Mk-Akoluthie bereits vor der Jüngerberufung 5,1-11 (vgl. Mk 1,16-20) zahlreiche Wunder gewirkt hat. Nachfolge beruht hier wesentlich auf den Machttaten Jesu 2 0 . Umgekehrt geht freilich in der "kleinen Einschaltung" Lk 6,20-8,3 die Feldrede den Wunderstoffen von Lk 7,1-23 voran. Lk balanciert das Verhältnis von Wunder und Wort im Auftreten Jesu aus. Einerseits ordnet er dabei mehrfach redaktionell die Wunder dem Wort (Lk 24,19; Apg 1,1) oder das Sehen dem Hören (Apg 2,33; 4,20; 22,14) betont vor 21 und richtet vereinzelt im Jesuskerygma der Actareden den Focus auf die Taten Jesu, ohne die Verkündigung und Lehre überhaupt zu erwähnen 22 ; andererseits kann er ohne Hinweis auf die Wunder auch allein die Verkündigung als das Entscheidende am Auftreten Jesu betrachten (Lk 4,43) 2 3 . Von daher erscheint es übertrieben, von einer den Wundern gegenüber zweitrangigen Bedeutung der

20 Conzelmann, Mitte der Zeit 178: "Ist bei Mc die Berufung der Zwölf Beginn, Voraussetzung des Auftretens, bedarf Jesus keiner Beglaubigung, da sein Wort mächtig ist, so erzählt Lukas die Berufungen an Stellen, wo der Wunderbeweis bereits vorausgegangen ist." Zudem bewirkt die Auslassung von Mk 2,13, daß die Nachfolge des Levi Lk 5,27-32 nicht durch die Lehre, sondern durch die Gelähmtenheilung Lk 5,17-26 motiviert ist (Achtemeier, Lucan Perspective 555). Vgl. auch die wohl redaktionelle Notiz Lk 8,1-3, daß Maria Magdalena und andere Frauen Jesus aufgrund von Heilungen nachfolgten. 21 Vgl. auch Lk 4,36, wo Lk die von Mk 1,27 vorgegebene Unterordnung der Tat unter das Wort beseitigt, indem er κατ' έξουσίαν nicht auf die διδαχή Jesu, sondern nunmehr auf das Ausfahrwort an den Dämon bezieht und damit Wunder und Wort parallelisiert (Achtemeier, Lucan Perspective 549f.). 22 Apg 2,22 Ίησοΰυ τό·υ Ναζωραΐον, ανδρα άποδεδειγμενον άπό τοΰ θεοΰ εις ΰμας δυνάμεσι και τέρασι και σημείοις ... ; Apg 10,38 δς (sc. Jesus) διηλθεν ευεργετών και ΐώμενος πάντας τους καταδυναστευομένους υπό τοΰ διαβόλου. Vgl. zum redaktionellen Charakter dieser Wendungen Wilckens, Missionsreden 108.123f. 23 Vgl. auch Lk 4,44, wo der in der Mk-Vorlage (Mk 1,39) enthaltene Verweis auf Dämonenaustreibungen fehlt und allein die Verkündigungstätigkeit Jesu erwähnt wird. Anders Lk 9,11 diff. Mk 6,34, wobei es sich allerdings möglicherweise um ein deuteromk bedingtes minor agreement mit Mt 14,14 handelt. Vgl. grundsätzlich zur lk Bewertung der Dämonenaustreibungen Jesu Kirchschläger, Jesu exorzist. Wirken, passim.

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Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

Botschaft im Lk-Ev zu reden 2 4 . Lk wertet die Wundertaten im Kontrast zu Mk und Mt zu einer dem Wort grundsätzlich gleichwertigen Größe auf, wobei allerdings bei einem Wunderpropheten Machttaten letztendlich die Wahrheit der Botschaft legitimieren (vgl. 1 Kön 17,24). Im Hinblick auf die Korrektur magischer Züge im überkommenen Jesusbild ist bei Lk keine derart konsequente Linie erkennbar, wie sie sich bei Mt zeigt. Einerseits übergeht auch Lk die massiv von Wundertechniken geprägten Erzählstoffe Mk 7,31-37; 8,22-26 2 5 , streicht in Mk 4,39 den Katadesmos ebenso wie in Mk 5,41 das fremdsprachige Zauberwort ταλιθα κουμ und gibt anstelle von Mk l,12f.; 9,14-27 weniger wunderhaften Traditionsvarianten den Vorzug. Andererseits wird durch Einfügung von έπετίμησευ τψ πυρετω Lk 4,39 die Fieberheilung Mk 1,29-31 expressis verbis zur Dämonenvertreibung ausgestaltet und damit das magische Element gesteigert 26 .

5.4. Jesu Wunder als interpretationsbedürftige Offenbarungszeichen im Joh-Ev Im Joh-Ev besteht die auffälligste Veränderung des Bildes Jesu als Wundertäter darin, daß die für die älteste Tradition zentralen Dämonenaustreibungen Jesu, die bereits bei Mt deutlich in den Hintergrund traten, nunmehr völlig fehlen. Da sich über die dem Verf. des Joh-Ev zur Verfügung stehenden Wundertraditionen nichts genaues sagen läßt, kann man nur darüber spekulieren, ob hier durch gezielte Stoffunterdrückung eine bewußte Korrektur des überkommenen Jesusbildes vorliegt. Gut vorstellbar ist, daß aufgrund des von jüdischer Seite erhobenen Vorwurfes der ekstatischen Manie Jesu (Joh 7,20; 8,48-52; 10,20) Dämonenaustreibungsberichte völlig aus der Jesusüberlieferung eliminiert wurden. Möglicherweise steht sogar solche jüdische Verunglimpfung Jesu als Goet im Hintergrund, wie sie bei Celsus und im Talmud begegnet. Grundsätzlich kommt den Wundern Jesu als σημεία oder εργα eine wichtige christologische Zeugnisfunktion zu, indem sie der Offenbarung der Doxa (Joh 2,11; 11,4.40) und dem Erweis der göttlichen Sendung Je24 Gegen Fuller, Wunder 97: Die Wunder stellten für Lk den neben der Passion wichtigsten Teil seiner "Jesusbiographie" dar. Von der Tendenz her ähnlich: Conzelmann, Mitte der Zeit 31.178f. 25 Die "lk Lücke" verdankt sich bewußter Auslassung von Mk 6,45-8,26, da in Lk 11,16.29 Teile von Mk 8 , l l f . verarbeitet sind. 26 Überzogen und größtenteils auf Befunden der Apg basierend ist die These von Hull, Hellenistic Magic 87-115, bei Lk sei die gesamte Tradition von magischen Vorstellungen durchdrungen.

Johannes - Evangelium

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su (5,36; 10,25) dienen 2 7 . Solcher auf dem Schauen von σημεϊα gründende Glaube ist nicht grundsätzlich verfehlt 2 8 , jedoch durch den sachlich übergeordneten Glauben aufgrund der Wortannahme ergänzungsbedürftig. In Joh 3,1-13 wird eine Uberbewertung der - als Beglaubigungszeichen des διδάσκαλος Jesus verstandenen (3,2) - σημεία durch die Notwendigkeit einer Neugeburt aus dem Geiste relativiert. Auch die wunderkritische Aussage εάν μή σημεία και τέρατα ϊδητε, οϋ μή πιστευσητε Joh 4,48 dürfte sich joh Redaktion v e r d a n k e n 2 9 , und Joh 6,26ff. vertieft das σημείου (6,14) des Brotwunders mittels der - 6,59 expressis verbis als "Lehre" geltenden - Brotrede. In Joh 20,24-29, einer joh Ausgestaltung der Epiphanietradition 20,19-23 (par Lk 2 4 , 3 6 - 4 3 ) 3 0 , wird der Glaube der μή ίδόντες (20,29) dem Schauen von Zeichen übergeordnet.

Weitergehend wird die Bedeutung der Wundertaten Jesu dadurch eingeschränkt, daß sie Anlaß für streitgesprächartige Auseinandersetzungen oder für Offenbarungsreden Jesu bieten und damit dem Wort untergeordnet werden. Den σημεία von Joh 5-11 ist eine Ausgestaltung ehemals stilgemäßer Wundergeschichten zu Redekompositionen gemeinsam, die überwiegend bereits vorjoh einsetzte. Die grundlegende Bedeutung der Wundertaten bleibt unangetastet, doch bedarf es der Offenbarungsrede, um den tieferen Sinn unmißverständlich zu explizieren. Insbesondere für Joh 6,1-25; 9,1-7 und die Totenerweckung von Joh 11 bleiben bei isolierter Betrachtung die für den Evangelisten zentralen Aspekte verborgen. Erst das Wort erschließt hier interpretativ die eigentliche Bedeutung der Wundertat als Gewährung wahren Lebensbrotes (Joh 6), Heilung von geistlicher Blindheit (Joh 9) und Auferweckung zu ewigem Leben (Joh 11). Die Wunderberichte Joh 2,1-11 und 4,46-54 besitzen dagegen eigenständige Offenbarungsfunktion, ohne nachträglicher vertiefender Interpretation durch das Wort unterzogen zu werden. Dieser Sonderstatus von Joh 2,1-11 und 4,46-54 deutet in Verbindung mit der im Widerspruch zu Joh 2,23; 4,45 stehenden Zählung in 2,11; 4,54 darauf hin, daß diese Erzählungen Bestandteil einer vorjoh Wundergeschichtensamm-

27 Vgl. Schnackenburg, Joh-Ev I 347-354; Schnelle, Antidoket. Christologie 182ff. 28 Selbst wenn man sämtliche den Taten Jesu uneingeschränkt positiv gegenüberstehenden σημεία-Belege im Joh-Ev einer joh Zeichenquelle zuschreibt (Becker, Wunder und Christologie 444), zeigt bereits die joh Übernahme dieser Befunde, daß der Evangelist dem Glauben aufgrund von Wundern nicht prinzipiell ablehnend gegenübersteht. 29 Bultmann, Joh-Ev 152f.; Becker, Joh-Ev I 186. 30 Dauer, Tomasperikope 56-76; Schnelle, Antidoket. Christologie 156-161.

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Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten

lung waren, die Semeia Jesu mit Zählung enthielt 3 1 . Die übrigen Wundergeschichten, die keine Zählung aufweisen, sind dem Evangelisten hingegen nicht aus einer reinen Wundergeschichtensammlung, sondern bereits in Verbindung mit Redekompositionen überkommen. Hier läßt sich lediglich erwägen, ob auch sie in einem früheren Stadium der Traditionsbildung der Joh 2,1-11, 4,46-54 fragmentarisch erhaltenen Semeiaquelle zugehörten, bevor sie vorjoh zum Ausgangspunkt lehrhafter Abhandlungen gemacht wurden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß im Joh-Ev Wundergeschichten quantitativ deutlich zurücktreten und Jesus dort die Mehrzahl seiner Wundertaten durch Offenbarungsreden in ihrem Sinn erschließt, was zu einer Dominanz der Lehre gegenüber den Zeichen führt. Dämonenaustreibungen mit ihren magischen Implikationen sind, sei es bewußt oder quellenbedingt, völlig aus der Jesusbiographie eliminiert.

5.5. Analogien zur Evangelienredaktion der christologischen Wundertradition a) Die rabbinische Revision der Choni- und Chanina ben Dosa-Stoffe Mehrere Gesichtspunkte, die für die Bearbeitung der christologischen Wunderüberlieferung durch die Evangelisten typisch sind, lassen sich auch für die rabbinische Traditions- und Redaktionsgeschichte der Choni- und Chanina ben Dosa-Stoffe nachweisen. Im einzelnen handelt es sich dabei um eine Relativierung des Wunders durch Aufwertung der Lehre, um eine Legitimation von Wundertaten durch Erfüllungszitate aus der Schrift und um eine Angleichung des Wundertäters an den von Elia repräsentierten Typus des atl Wunderpropheten. Choni, von dem überhaupt keine Lehrtradition überliefert ist, wird in bTaan 23a zum wichtigsten Gesetzeslehrer seiner Generation. In vergleichbarer Weise erscheint Chanina ben Dosa, der zwar Weisheitsworte von sich gegeben, aber keine Halakha gelehrt hat, in TBer 3,20 als Rabbi mit Schülerkreis und erforscht in bBer 34b vor seinem Heilungswunder gemeinsam mit Jochanan ben Zakkai die Tora. Hier ergeben sich Entsprechungen zu der bei Mk vorgezeichneten und bei Mt wie Joh in 31 Vgl. Heekerens, Zeichenquelle 131f., der aber der Zeichenquelle Joh 21,1-14 als drittes Wunder zurechnet. Berger, Hellenistische Gattungen 1231; Schnelle, Antidoket. Christologie 105-108, sehen dagegen die Zählung Joh 2,11; 4,54 ohne Widerspruch zu 2,23; 4,45 allein auf die Wunder in Kana gemünzt. Vgl. zur Forschungsgeschichte und zu Einwänden gegen die Semeiaquelle Heekerens, aaO. 17-43; Schnelle, aaO. 168-182; Bittner, Jesu Zeichen 2-14.

Analogien aus der Umwelt

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besonderem Maße wirksamen Tendenz, der Lehre Jesu gegenüber seinen Wundertaten Übergewicht zu verschaffen, wobei von Jesus allerdings von Anfang an auch vielfältige Weisheits- und Gesetzestraditionen überliefert wurden. Auch die mt Legitimation der Wunder Jesu durch Erfüllungszitate (Mt 8,16f.; 12,15-21) hat in der rabbinischen Tradition Parallelen und vielleicht sogar ein Vorbild. Taan 111,8 heißt es zur Fundierung der im Regenwunder manifesten Gottesbeziehung Chonis "Und über dich sagt die Schrift 'Es freue sich dein Vater und deine Mutter, und es frohlocke deine Gebärerin (Prov 23,25)"', in bTaan 23a wird die umstrittene magische Technik des Kreisziehens im nachhinein durch ein in der Mischna noch fehlendes Schriftzitat aus Hab 2,1 als Nachahmung der Vorgehensweise Habakuks gerechtfertigt. Im Falle von Chanina ben Dosas Schlangenwunder ist über TBer 3,20 als ältere Tradition hinausgehend in jBer 5,1 (9a) davon die Rede, daß es sich um Erfüllung von Ps 145,19 handele. Speziell für die lk Konzeption von Jesus als Wunderpropheten ergeben sich dahingehend Entsprechungen, daß Chanina ben Dosa, der wie Jesus prophetische Bezüge seiner Wunder zurückwies (bBer 34b, bBQ 50a), in bBer 61b als eschatologisches Pendant Ahabs (1 Kön 16,29ff.) und damit implizit als Elia redivivus begegnet. In Analogie zu der Evangelienredaktion zeigen diese rabbinischen Befunde, daß sich die Reputation eines umstrittenen jüdischen Wundertäters steigern läßt, indem man ihm sekundär Halakha zuschreibt oder mit ihm verbundene Lehrüberlieferung betont in den Vordergrund rückt, seine Wundertaten als Erfüllung von Schriftverheißungen ausgibt und ihn an die über jeden Zweifel erhabene Person des Elia angleicht. Grundsätzlich ist allerdings der Rahmen, in dem dies geschieht, anders als im NT. Mit Choni und Chanina ben Dosa werden aus vielfältigen Gründen für wichtig gehaltene Gestalten, die zu Lebzeiten wie Jesus wegen ihrer Wunderwirksamkeit in Spannung zum Pharisäertum standen, nunmehr in ihrer Brisanz entschärft und als religiöse Leitbilder in das rechtgläubige Rabbinentum integriert, ohne daß dies eine biographische Darstellung ihres Lebens mit sich brächte. Direktere Parallelen zur kritischen Relativierung von Wundertraditionen im Rahmen einer umfassenden Lebensbeschreibung bieten neben Philos Mosevita auch die Apolloniusbiographie Philostrats und die Pythagorasvita von Iamblichus, die trotz ihrer vergleichsweise späten Entstehung nicht literarisch von den ntl Evangelien beeinflußt zu sein scheinen 3 2 .

32 Grundsätzlich stellt die antike Biographie bei aller Originalität der Evangeliengattung die unmittelbarste zeitgenössische Parallele zu ihr dar,

300 b) Philos

Jesus als Wundertäter bei den Evangelisten Mosevita

E n t s c h e i d e n d e s Anliegen von Philos Mosevita ist e s , M o s e als "König, G e s e t z g e b e r , Hohenpriester und Propheten" (Vit Mos 11,3; 11,292) zu präsentieren. In kritischer Distanz zu älteren Darstellungen will Philo darlegen, wie M o s e "in Wirklichkeit" war (1,2), und beansprucht, über b e s s e r e s W i s s e n als s e i n e Vorgänger zu verfügen (1,4). Eine maßgeblic h e Frontstellung dürfte dabei die zur Zeit Philos bei Heiden wie bei hellenistischen • λ ΐ. sein

Juden

festetablierte

Betrachtung

Moses

als

Magier

Bei Strabo (XVI 2,39) und in der Plin, Hist Nat 30,1-18, verarbeiteten G e schichte der Magie gilt Mose ebenso als Magier wie in den griechischen Zauberpapyri (PGM XIII) und dem um lOOv.Chr. vermutlich in Alexandria verfaßten und von daher Philo kaum unbekannten Werk des Artapanus "Uber die Juden". Artapanus (FGH III C 726, Fragm 3) zeichnete Mose nicht nur als Erfinder der Wissenschaften und der Philosophie, sondern auch als Lehrer einer schamanistischen Gestalt wie Orpheus (Fragm 3,4), porträtierte ihn als Theios Aner, der von den Ägyptern göttlicher Ehre (ίσοθεοΰ τιμής) für würdig erachtet und als Hermes-Thot angesehen wurde (Fragm 3,6), und stattete ihn über das AT hinausgehend massiv mit magischen Zügen und neuen Wundertaten aus (Fragm 3,20-37) 3 4 . Die Kehrseite des magischen Mosebildes zeigt sich darin, daß Lysimachus (200v.Chr.?) und Apollonius Molon (l.Jhdt.v.Chr.) in ihren polemischen Äußerungen gegen die Juden Mose als Goeten und Betrüger abstempelten (Joseph, Ap 11,145). Philo hält trotz e i n e s alles beherrschenden I n t e r e s s e s an der g e s e t z g e b e r i s c h e n Funktion M o s e s an ihm als Wundertäter fest. Die den Ruhm d e s M o s e bei Heiden begründenden Exoduswunder finden B e rücksichtigung, während unbequeme Traditionen wie die Tötung e i n e s Ägypters Ex 2,12 fehlen. Allerdings wird die aus biblischer Überlieferung vorgegebene Funktion d e s M o s e als Wundertäter nicht wie bei Artapanus ausgebaut und gesteigert, sondern reduziert und rationalisiert 3 5 , wobei die thaumaturgischen Qualitäten grundsätzlich als F o l g e e r s c h e i -

vgl. zum Stand der Diskussion Berger, Hellenistische Gattungen 1231-1264; Strecker, Literaturgeschichte 122-148. 33 Vgl. Hadas/Smith, Heroes and Gods 130f. 34 Vgl. Walter, JSHRZ 1,2 122f.; Tiede, Charismatic Figure 146-177; Blackburn, Theios Aner 61-64. Holladay, Theios Aner 199-232, spielt diesen seiner Grundthese zuwiderlaufenden Aspekt im Mosebild des Artapanus herunter. 35 Beim Schilfmeerwunder vollzieht sich die zum Ertrinken der Ägypter führende Rückkehr der Fluten nicht auf Moses Handaus Streckung hin (Ex 14,27), sondern wird allein durch den Wind bewirkt (Vit Mos 1,179). Für den wasserspendenden Felsen bietet Philo natürliche Erklärungen (1,211).

Analogien aus der Umwelt

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nung prophetischer Begabung betrachtet werden. Die zentrale Stelle für diese Wunderhermeneutik Philos ist Vit Mos 1,156. In seiner Funktion als Prophet ist Mose Freund Gottes (φίλος θεου, vgl. θειος προφήτης 11,188) und partizipiert aufgrund dessen an Gottes Vollmacht über die Natur ("Daher gehorchte ihm denn wie einem Herrn jedes der Elemente, indem es seine Eigenschaft veränderte und sich seinen Anordnungen unterwarf" [1,156]), womit die thaumaturgische Befähigung "eine eigenartig schöne philosophische Erklärung" findet 3 6 . Die Wunder Moses haben kein Eigengewicht, sondern sind Ausfluß seines sachlich vorgeordneten und in der Partnerschaft mit Gott begründeten Prophetenamtes, das seinerseits maßgeblich durch Gesetzesetablierung und -anwendung gekennzeichnet ist (11,187-287).

c) Philostrats Korrektur der magischen Apolloniusüberlieferung Ausgangspunkt und direkte Frontstellung von Philostrats Werk über Apollonius von Tyana ist die Apolloniusvita des Moiragenes (Philostr, Vit Apoll 1,3) 3 7 , die bis dahin offenkundig das Standardwerk über den Tyanenser darstellte. Moiragenes stand als mutmaßlich erster Apolloniusbiograph vor einer ähnlich schwierigen Aufgabe wie Mk als Begründer der Evangeliengattung, indem er die disparaten Einzeltraditionen über Apollonius als Wundertäter und über Apollonius als philosophischen Weisheitslehrer zu einer Zusammenschau zu bringen und zu einer in sich stimmigen Lebensbeschreibung zu verbinden hatte. Moiragenes bewältigte das Problem in seinen απομνημονεύματα des Apollonius dahingehend, daß er diesen unter gleichwertiger Berücksichtigung von Wundern und Lehre als μάγος και φιλόσοφος porträtierte (Orig, Cels VI,41), wobei die Reihenfolge nahelegt, daß der Akzent auf der magischen Betätigung lag, wie es für den historischen Apollonius den Tatsachen entsprochen haben dürfte (vgl. Apoll, Ep 16.17.52). Daß Moiragenes Apollonius nicht nur als Philosophen, sondern auch als Magier zeichnete, dürfte das entscheidende Motiv für Philostrats er36 Bieler, ΘΕΙΟΣ ANHP II 35, vgl. Georgi, Gegner 153f.; Tiede, Charismatic Figure 126f.; Blackburn, Theios Aner 68f. - Holladay, Theios Aner 129, der Vit Mos 1,156 "not even a hint of thaumaturgic activity on the part of Moses" sieht, sucht offenkundig eine Verbindung zwischen Wundertätigkeit und göttlichem W e s e n des Mose für Philo um jeden Preis auszuschließen. 37 Vgl. dazu Bowie, Apollonius of Tyana 1673-1679; Raynor, Moeragenes and Philostratus 222-226. Reitzenstein, Hellenist. Wundererzählungen 53; Norden, Agnostos Theos 35f., Anm.l, betrachten dieses aus dem 2.Jhdt.n.Chr. stammende Werk als enge Parallele zur ntl Evangeliengattung.

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folgreiches Unterfangen dargestellt haben, das Werk seines Vorgängers durch eine Neufassung definitiv zu verdrängen. Die Biographie des Moiragenes soll wegen ihrer Unkenntnis über entscheidende Punkte im Leben des Apollonius (πολλά δε των περί του ανδρα άγνοήσαντι) nach Möglichkeit völlig ignoriert werden (Philostr, Vit Apoll 1,3), wobei solche αγνοία für Philostrat in erster Linie im Mißverstehen des Apollonius als eines Magiers besteht (1,2). Vielleicht war Philostrat auch bereits eine Beanspruchung des Apollonius durch die Magier der Zauberpapyri (PGM XIa) bekannt. Von dieser grundsätzlichen Zielsetzung her ist von vornherein klar, daß Philostrat an einer kritischen Stellung gegenüber der Wundertradition gelegen ist. Dabei befindet er sich zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite war das vorphilostrateische Apolloniusbild maßgeblich von wunderhaften oder magischen Zügen geprägt, die entscheidend zur Popularität und Reputation des Apollonius beitrugen und von daher unverzichtbar erschienen. Auf der anderen Seite galt es, den daraus resultierenden Vorwurf zurückzuweisen, es habe sich bei Apollonius um einen γόης gehandelt (Dio Cassius LXXVII 18,4; vgl. Luc, Alex 5). Die Lösung dieses Dilemmas 38 sieht für Philostrat so aus, daß er der Philosophie oder Weisheitslehre des Apollonius Übergewicht verschafft und sich bei der kritischen Integration der nach wie vor konstitutiven Wundertradition von dem hermeneutischen Prinzip leiten läßt, daß die Wunder des Apollonius nicht μάγω τέχνη, sondern κατά σοφίαυ geschahen (1,2). Die Wundertätigkeit wird in der Vit Apoll nicht nur summarisch ausgeweitet (IV,11) und in ihrer Faktizität bekräftigt (VI,27), sondern trägt auch entscheidend zur Apolloniusnachfolge bei (IV,20.25; vgl. Lk 5,1-11). Zudem sind die Wunder für Philostrat zum Erweis der Göttlichkeit des Apollonius maßgeblich, wie die Selbstbefreiung aus den Fesseln (VII,38) plastisch veranschaulicht: "Damals zuerst, bemerkt Damis, habe er die wahre Natur dieses Mannes erkannt und daß sie, über alles Menschliche erhaben, wirklich göttlich gewesen sei" 3 9 . Während sich aber der historische Apollonius offenkundig positiv als μάγος verstand (Apoll, Ep 16f.) und bei Moiragenes auch als solcher begegnete, macht sich Philostrat die in der Apolloniuskritik von Euphrates (Orig, Cels VI,41), Lukian und Dio Cassius implizierte Gleichsetzung von Magie mit Goetie zu eigen 38 Vgl. Raynor, Moeragenes and Philostratus 225f.; Anderson, Philostratus 138ff.; Koskenniemi, Der philostrateische Apollonios 58-69. 39 Den vorherigen Wundern kommt von daher nur gebrochene Offenbarungsqualität zu, womit sich entfernte Parallelen zur mk Wunderkonzeption ergeben (vgl. auch J.Z. Smith, Good News is No News 195), wo allerdings die vollgültige Offenbarung vom Kreuz her erfolgt ( M k 15,39).

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und spricht Apollonius zur Ehrenrettung jegliche magische Betätigung ab, um ihn erst gar nicht in die Schußlinie des Goetieverdachts geraten zu lassen. Selbst dort, wo in der Tradition noch Spuren von Magie, wie die Dämonenbedrohung mit Epipompe IV,25 oder das Flüstern geheimnisvoller Worte IV,45, durchschimmern, wird betont das außergewöhnliche Vorauswissen hervorgehoben 40 , das bei Philostrat grundsätzlich für alle Wundertaten des Apollonius verantwortlich zeichnet und als Folgeerscheinung von Weisheit streng gegenüber Mantik und Goetie abgegrenzt wird (IV,44; VIII,7,9). Die astronomisch-mantische Apolloniusschrift περί μαντείας άοτέρων, die von Moiragenes benutzt wurde und dort wohl zur Reputation des Apollonius als Magier beitrug, gilt Philostrat als Resultat des gemeinsamen Philosophierens (ξυμφιλοσοφεΐν) mit Iarchas (111,41). Zudem wird in dem Summarium IV,11 wie in der Komposition IV,19f. den Wundern gezielt Lehre vorgeschaltet und durch fiktive Apolloniusreden und -briefe 4 1 der Lehrstoff in erheblichem Umfang erweitert, womit die Wunder quantitativ zwangsläufig in den Hintergrund treten. Letztlich ist durch gezielte Korrektur der Apolloniusüberlieferung aus dem vorphilostrateischen μάγος και φιλόσοφος nunmehr ein reiner Philosoph oder Sophist geworden, dessen Wunder ohne jede Magie ausnahmslos Ausfluß seiner Weisheit sind.

d) Das Pythagorasbild bei Iamblichus Die von Iamblichus verfaßte Schrift über die pythagoreische Lebensweise stellt faktisch über weite Strecken eine Pythagorasvita dar. Von der Zielsetzung her geht es Iamblichus offenkundig darum, frühere Pythagorasviten - allen voran die von ihm als Quellenschriften benutzten Pythagorasbiographien des Apollonius von Tyana 42 und des Nikomachus von Gerasa - zu überbieten und zu verdrängen 43 , wie es grundsätzlich

40 Ergänzend wird IV,45 von Philostrat die Möglichkeit ärztlich-wissenschaftlicher Reanimation als ernsthafte Alternative zu wunderhafter Wiederbelebung in den Raum gestellt. 41 Vgl. Petzke, Apollonius und das NT 94-110; Apoll, Ep ed. Panella 23-26. 42 Dieses Werk aus dem l.Jhdt.n.Chr., das Pythagoras maßgeblich als Wundertäter und Magier präsentiert haben dürfte, ist eine der ernstzunehmendsten Parallelen zur ntl Evangeliengattung. Auf Mk hat die Pythagorasvita des Apollonius allerdings kaum Einfluß genommen, da sie mit Geburtsgeschichten einsetzte (Porph, Vit Pyth 2). 43 Von der ebenfalls maßgeblich auf Apollonius und Nikomachus basierenden, unter redaktionellen Gesichtspunkten aber ungleich konservativeren Pythagorasvita des Porphyrius ist Iamblichus nicht abhängig, vgl. zum Ganzen

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auch der Intention von Mt und Lk im Hinblick auf das Mk-Ev entspricht. Im Kampf gegen "lügenhafte Schriften" (Iambl, Vit Pyth 1,2) werden der wunderbaren Geburt des Pythagoras gegenüber kritische Traditionen korrigiert (11,7). Unterschwellig ist das Motiv leitend, Pythagoras, der bereits bei Heraklit (Diels 22 B, Fragm 81) als "Anführer der Schwindler" gilt, als Gottmenschen vom Verdacht der Goetie freizusprechen (vgl. XXXII,216) und vielleicht auch seiner Vereinnahmung durch Magier (PGM VII,795) entgegenzuwirken. Die Wunder werden dabei ähnlich ambivalent wie in den Evangelien, bei Philo (Vit Mos) und bei Philostrat (Vit Apoll) betrachtet, indem sie einerseits als unentbehrlich gelten, andererseits dahingehend als Gefahr empfunden werden, daß sie eine Reduktion des Theios Aner auf seine thaumaturgische Befähigung nach sich ziehen könnten. Grundsätzlich kommt den Wundern bei Iamblichus eine unverzichtbare positive Funktion zu, indem sie die Göttlichkeit des Pythagoras erweisen (XXVIII,140), Zeugnischarakter für seine Frömmigkeit haben (τεκμήρια της εύοεβείας, XXVIII,137) und der Glaubenserweckung (προς πίστιν) dienen (XXVIII,143; vgl. Joh 20,30f.!). Der maßgebliche Stellenwert von Wundern wird dadurch unterstrichen, daß Iamblichus im Vergleich mit Porphyrius die Wunderstoffe in beträchtlichem Umfang vermehrt, indem er seinem Werk um den Preis von Dubletten offenkundig alle ihm zugänglichen wunderhaften Pythagoraslegenden einverleibt, während etwa in der Pythagorasdarstellung des Diog Laert die Wunder bis auf eine Randbemerkung (VIII,11) keine besondere Rolle spielen. Der von Porphyrius als erratischer Block übernommene Wunderzyklus aus Nikomachus (Porph, Vit Pyth 23-28) wird bei Iamblichus in neuer Stoffanordnung komplett wiedergegeben (Iambl, Vit Pyth VIII,36; XIII,60-62; X X V I I I , 134-136) und zudem um zwei mantische Wunder bereichert (XXVIII,136), die direkt oder durch Vermittlung aus Androns Katalog wunderbarer Unheilsvoraussagen des Pythagoras ( F G H II 115,70) stammen. In XXVIII,140-143 bringt Iamblichus über Nikomachus/Porphyrius hinausgehend einen möglicherweise der Pythagorasvita von Apollonius entnommenen weiteren Wundergeschichtenkatalog 4 4 , der sich mit Porph, Vit Pyth 23-28/Iambl, Vit Pyth VIII,36; XIII,60-62; XXVIII,134-136 teilweise überschneidet und wie dieser Zyklus letztlich auf der Sammlung von Pythagoraswundern bei Aristoteles (vgl.

Rohde, Quellen des Jamblichus 567ff.23ff.; Levy, Sources 102-117; Burkert, Weisheit und Wissenschaft 88-93. 44 Gegen Rohde, Quellen des Jamblichus 44f., gehen die Wundergeschichten XXVIII,140-143 nicht als von Porphyrius ausgelassene Stoffe auf Nikomachus zurück. Iamblichus unterbricht die Wunderdarstellung kaum zufällig genau an der Stelle (XXVIII,136), wo sie bei Porphyrius endet; folglich stellt XXVIII,140-143 einen Neuansatz aus anderer Quelle dar.

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Fragm 191) beruht. Die dadurch bereits als Dublette präsente (XXVIII, 135.140) Wundergeschichte vom goldenen Schenkel als Erweis der Göttlichkeit des Pythagoras hat für Iamblichus offenbar derart hohe Bedeutung, daß er sie aus Sondertradition sogar noch ein drittes Mal bietet (XIX,90-93).

Kritisch relativiert wird die Wundertradition durch eine betonte Hervorhebung der Befähigung des Pythagoras auf dem Gebiet der Weisheitslehre und Wissenschaft 4 5 . Offenkundig soll damit die Reputation des Wundertäters gesteigert werden, indem er vom Verdacht gereinigt wird, nicht mehr als ein Thaumaturge oder ein Goet zu sein. Bevor Pythagoras Iambi, Vit Pyth VIII,36, das erste Wunder vollbringt, wird er als vollmächtiger Redner präsentiert (VI,30f.; VII,33). Zudem sind die Wunder kompositorisch in den Dienst der Lehre gestellt, wie es sich an der redaktionellen Zerteilung und Neuanordnung des Wunderzyklus Porph, Vit Pyth 23-28 (Nikomachus), gut beobachten läßt. Iamblichus entnimmt der bei Nikomachus vorgefundenen Sammlung die Fischwundererzählung Porph, Vit Pyth 25, um "dies Mirakel als das bedeutungsreiche Debüt des Pythagoras in Italien darzustellen" 46 , und schaltet dabei gezielt Lehre vor. Zum Auftakt der Italienereignisse schart Pythagoras Hörer um sich und versetzt sie in Erstaunen (VIII,35), bevor er dann das Wunder bewirkt (VIII,36). In vergleichbarer Weise werden die Tierwundergeschichten Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth XIII,60-62 als nunmehr isolierter Dreierzyklus in den Dienst der Lehre gestellt. Der redaktionellen, weil bei Porphyrius fehlenden und daher kaum von Nikomachus herrührenden Exposition zufolge dienen diese Wunder dem Erweis, daß Pythagoras durch seine διδασκαλία allen, die Geist besitzen, bei weitem überlegen ist (XIII ,60). Zudem wird in Summarien vereinzelt das Wort der Tat vorgeordnet (ώυ τε έλάλει η επραττεν 11,10; εν τε τοις λόγοις και ταΐς πράξεσι VII,35), wie es bei Mk und Mt in bezug auf Jesus stereotyp der Fall ist. Auch das Motiv, daß der Charismatiker bei Lehre

45 Nicht überzeugend und von unzureichender Kenntnisnahme der Quellenlage in Iambl, Vit Pyth, getrübt sind die Ausführungen von J.Z. Smith, Good News is No News 200-203, zur Wunderkritik. Die Vermehrung des Wunderstoffes durch Iamblichus wird nicht erfaßt, die von Smith zu Unrecht wunderkritisch beanspruchte Wendung και ταΰτα μεν εστω τεκμήρια της εύσεβείας αϋτοΰ XXVIII,136 tendenziös mit "But these are sufficient as an indication of his piety" übersetzt, und X I X , 9 0 - 9 4 schließlich ist weder erkennbar wunderkritisch noch "attributed by scholars to Nichomachus, who was a critic of 'mere' miracle-stories". Als Quelle werden hier vielmehr die Pythagorasvita des Apollonius (Rohde, Quellen des Jamblichus 34) oder die Abaris-Schrift von Herakleides Pontikus (Burkert, Weisheit und Wissenschaft 92, Anm.32; 127, Anm.183) in Erwägung gezogen. 46 Rohde, Quellen des Jamblichus 26.

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oder Forschung als seinen eigentlich bevorzugten Tätigkeiten mit der Notwendigkeit der Wunderwirksamkeit konfrontiert wird, kehrt bei Iamblichus wieder. So wie Jesus seine Lehrtätigkeit durch Dämonenaustreibungen, Heilungen oder Speisevermehrungen unterbrechen muß (Mk l,21ff.; 2,Iff.; 6,2.34ff.), Chanina ben Dosa durch Heilungsbegehren vom Torastudium abgehalten wird (bBer 34b) und Apollonius sich mitten in seiner Belehrung über sachgerechten Opferdienst zur Therapie des besessenen Jünglings genötigt sieht (Vit Apoll IV,20), ist Pythagoras gerade in astronomische Forschungen vertieft, als sich die Notwendigkeit zur Heilung des wahnsinnigen Jünglings durch Musiktherapie ergibt (XXV, 112). Pythagoras, der historisch schwerpunktmäßig als Magier oder Schamane wirkte, erscheint nunmehr in erster Linie als Philosoph und Wissenschaftler, der zudem auch noch Wunder zu vollbringen vermag. Übereinstimmend teilen die Evangelien mit der rabbinischen Choniund Chaninarezeption und mit antiken Theios Aner-Viten die grundsätzliche Überzeugung, daß Wundertaten zum Erweis übernatürlicher Herkunft konstitutive Bedeutung haben, einseitig betrachtet oder verabsolutiert aber kein adäquates Erfassen der betreffenden Personen in ihrer vollen oder eigentlichen Bedeutung gewährleisten. Als Konsequenz wird mit unterschiedlicher Akzentuierung die Lehre gegenüber der Wundertätigkeit ausgeweitet oder in den Vordergrund gestellt. Expressis verbis (Philostr) oder implizit (Philo, Mt, Lk, Joh, Iambl) erfolgt eine Tilgung magischer Züge, um den Wundertäter vor Mißverständnis zu schützen und ihn aus der Schußlinie des Goetieverdachts zu nehmen. Nicht zuletzt wegen ihrer starken Gewichtung von Magie und Wunder als anstößig oder unzulänglich empfundene "Biographien" (Mosedarstellung des Artapanus, Mk-Ev, Pythagorasvita des Apollonius, Apolloniusvita des Moiragenes) werden unter Beanspruchung besseren Wissens mit dem Ziel korrigiert, sie nach Möglichkeit völlig zu verdrängen. Die Wirkungsgeschichte des Wundertäters Jesus ist damit über weite Strecken mit derjenigen von Magiern oder Charismatikern wie Moses, Pythagoras, Choni, Chanina ben Dosa oder Apollonius identisch.

6. Ergebnisse 1. Das Wunderwirken Jesu beschränkte sich höchstwahrscheinlich auf Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen, an deren Faktizität nicht zu zweifeln ist. Die Beelzebulperikope, in der die Vertreibung eines Stummheit verursachenden Krankheitsgeistes den Vorwurf des Satansbündnisses evoziert, setzt Dämonenaustreibungen Jesu als unbestrittene

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Tatsache voraus. Jesus selber erwähnt oder kommentiert sie Mt 12,28/Lk 11,20 und Lk 13,32. Bei den Besessenenheilungserzählungen der syn Tradition, die in ihren Bezügen zu zeitgenössischer jüdischer Magie und in ihrem geschichtlichen Wert meist unterschätzt werden, sind zumindest für Mk 1,23-27 und 9,14-27parr ein palästinisches Überlieferungsmilieu und historische Haftpunkte wahrscheinlich. Wenn Jesus der Logienüberlieferung zufolge darüber hinaus auch Heilungen vollbrachte (Lk 13,32; Mt ll,5par), wird als Krankheitsursache ebenfalls das schädigende Wirken von Dämonen vorausgesetzt sein. Einzelne Wunderheilungsberichte der E w beruhen dabei vermutlich auf tatsächlichen Begebenheiten. Für Mk 1,29-31 und 10,46-52 legen die Namensnennung und die bereits vormk an diesen Erzählungen haftenden Ortsangaben geschichtliche Erinnerung nahe (ähnlich Mt 8,5-13par). In Mk 7,31-37 und 8,22-26 spiegeln sich pharmakologische Praktiken, die im l.Jhdt. n.Chr. in Palästina gebräuchlich gewesen sein dürften und damit für Jesus theoretisch in Betracht kommen, während in anderen Fällen entweder atl (Mk 1,40-45) oder hellenistische Wundertradition (Mk 2,1-12; 5,25-34) erst im nachhinein mit ihm in Verbindung gebracht wird. Ursprünglich eigenständige Logien wie Mk 2,27; 3,4; Mt 12,llpar oder Lk 13,15, die das menschliche Wohlergehen über die Sabbatobservanz stellen, deuten zudem auf anstoßerregende Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen am Sabbat hin, die von Jesus verbatim gerechtfertigt werden. Zudem hat Jesus wie andere Wundercharismatiker der Antike seine Befähigung auf dem Gebiet der Dämonenvertreibung und Heilung an Schüler weitergegeben, indem er eine unbestimmte Zahl von Anhängern in seine diesbezügliche Wirksamkeit miteinbezog (Mk 6,6b-13parr). Das Theologumenon von Jesus als Totenerwecker ist zwar recht früh aufgekommen (Mt ll,5par). Es fehlt aber in der authentischen Logientradition (Lk 10,9; ll,20par; 13,32) und wird von daher ungeschichtlich sein. Zudem sind für Jesus im Gegensatz zu solchen Gestalten wie Empedokles, Asklepiades von Prusa oder Alexander von Abonuteichos, die tatsächlich Wiederbelebungen bewirkt zu haben scheinen, weder physiologische Reflexionen über die menschliche Respiration mit darauf bezogenen ärztlichen Fertigkeiten bezeugt, noch eine Beanspruchung der schamanistischen Befähigung zur Rückholung der Seele aus dem Totenreich wahrscheinlich. Ohne historischen Anhalt sind schließlich auch die überwiegend unter Einfluß der atl Elia-Elisa-Überlieferung oder hellenistischer Schamanentradition mit Jesus in Verbindung gebrachten Naturwunder. Von ihnen ist nicht einmal in der sekundär formulierten (Mt ll,5par), geschweige denn in der authentischen Wortüberlieferung (Lk 10,9par, ll,20par; 13,32) die Rede (vgl. dagegen Emped, Fragm 101).

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2. Für ein sachgemäßes Erfassen der Bedeutung von Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen Jesu ist die in der Verbindung damit religionsgeschichtlich singuläre Heilsvergegenwärtigung entscheidend. Jesus teilt grundsätzlich die jüdische Dämonologie seiner Zeit, wie sie sich in der Henochliteratur, dem Jubiläenbuch, den Testamenten der zwölf Patriarchen oder den genuinen Qumranschriften findet. Krankheit, Schmerz und Tod, die als Folge des Sündenfalls in die Welt kamen (Gen 3,16-19; Vit Ad 34), werden auf das schädigende Wirken eines Dämonenheeres mit dem Teufel an der Spitze zurückgeführt. Das eschatologische Gericht Gottes an diesem Dämonenoberhaupt und der dadurch bedingte Machtverlust der bösen Geister über die Menschen führen den Gen 1-2 gegebenen Zustand der uneingeschränkten Herrschaft Gottes über seine Schöpfung als satansfreie Heilszeit wieder herbei. Einzig erkennbares, allerdings entscheidendes Proprium der Dämonologie Jesu ist die Überzeugung, daß Gott die Macht des Satans bereits gebrochen hat und die allgemein für die Zukunft erwartete Wiederaufrichtung der unumschränkten Herrschaft über seine Schöpfung schon im Gange ist. Während Jesus zunächst die Täuferbotschaft vom unmittelbar bevorstehenden Gericht Gottes uneingeschränkt teilte, markiert die auf den Satanssturz rekurrierende Vision Lk 10,18 vermutlich den Auftakt des eigenständigen, von Johannes dem Täufer losgelösten Wirkens Jesu und stellt den maßgeblichen Interpretationshorizont für seine Wundertaten dar. Weil der Satan im Himmel mit der Konsequenz von Gott gerichtet ist, daß sich die ihm untergebenen, nunmehr herrenlosen bösen Geister unter Kontrolle bringen lassen (vgl. Test Lev 18,12; Test Sim 6,6), kann auf Erden in Form von Dämonenaustreibungen in seinen Herrschaftsbereich eingedrungen und sukzessive das nach seiner Entmachtung noch wirksame Böse ausgeschaltet werden (Mk 3,27), wozu Jesus auch "Jünger" herangezogen und gezielt instruiert hat. Dies zieht in einem dynamischen Prozeß die fortschreitende Wiederaufrichtung der schöpfungsmäßigen Gegebenheiten nach sich, indem der kranke oder besessene Mensch vom Bösen befreit und in seiner ursprünglichen Bestimmung wiederhergestellt wird. Als Folge ergibt sich aus dem Weichen der Dämonen der interpretative Rückschluß auf die Gegenwart der Gottesherrschaft (Lk ll,20par; vgl. 10,9par). Was selbst den Propheten und Königen Israels an Heilserfüllung versagt blieb, hat sich im Wirken Jesu für die Augen- und Ohrenzeugen realisiert (Mt 13,16f.par). Der Satanssturz gibt dabei den grundsätzlichen Interpretationshorizont, die Wunderwirksamkeit als weitere Prämisse den unmittelbaren Bezugspunkt von Jesu Basileia-Verkündigung ab. Die syn Wachstums- oder Kontrastgleichnisse dienten wahrscheinlich in hohem Maße einer Kommentierung

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des eng mit Dämonenaustfeibungen zusammenhängenden Prozesses der erst in den Anfängen begriffenen, aber unaufhaltsamen Restitution der Gottesherrschaft. Die Wunder stellen keinen entbehrlichen Nebenaspekt, sondern eine der konstitutiven Voraussetzungen von Jesu Verkündigung und Lehre dar. Die vorstellungsmäßig von Urzeit-Endzeit-Entsprechungen geprägte Heilsvergegenwärtigung im Zusammenhang mit Wundertaten hat im Auftreten der jüdischen Zeichenpropheten des l.Jhdt.n.Chr. eine gewichtige Analogie. Diese erhofften sich allerdings von der Heilszeit keine Restitution des Schöpfungszustandes von Gen 1-2, sondern eine Wiederholung der Exodusereignisse mit Befreiung des fremdbeherrschten Israel, und kündigten hierauf bezogene, unmittelbar bevorstehende Beglaubigungswunder an, die sie in Gang zu setzen versuchten. Eine wichtige Begleiterscheinung dieses eschatologischen Denkmusters Jesu sind Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen am Sabbat. Zur Restitution der schöpfungsmäßigen Bestimmung des Sabbat als eines Feiertags, der von Gott zum Wohlergehen des Menschen vor dem Einbruch des Bösen in die Welt eingesetzt wurde und daher im zeitgenössischen Judentum ein Sinnbild für die eschatologische Heilszeit darstellt, hat Jesus am Sabbat nicht lebensbedrohlich erkrankte Personen geheilt und damit die SchöpfungsOrdnung über die Sinaitora gestellt (Mk 2,27; vgl. 10,2-9). Dieser bewußte Bruch der Sabbattora oder ihrer zeitgenössischen Halakha dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, daß Jesus als Wundertäter bereits zu Lebzeiten äußerst umstritten war und ähnlich wie der wegen Götzendienst und Sabbatverletzung gesteinigte Magier Ben Stada des Teufelsbündnisses (Mk 3,22parr) wie der Manie (Mk 3,21; Joh 7,20) bezichtigt wurde. 3. Die Frage nach den von Jesus angewandten Wunder- oder Heilpraktiken läßt sich aufgrund der ungünstigen Quellenlage nicht mit Sicherheit beantworten. Für die Dämonenaustreibungen ist in der ältesten Überlieferung historisch plausibel von der auch 1 Q Gen Ap XX,28f. erwähnten Bedrohung (επιτψδυ/'Ίϊα) des Krankheitsgeistes als maßgeblichem Machtmittel Jesu die Rede. Möglicherweise vollzog sich dies wie bei anderen jüdischen Wundertätern durch Rezitation von "ΓΠΓΡ bedrohe dich, Satan" (Sach 3,2). Diese dämonenbannende Formel bietet jedenfalls einen Schnittpunkt zwischen göttlicher Urheberschaft von Jesu Dämonenaustreibungen einerseits (Lk ll,20par) und Jesu Bedrohung von Krankheitsgeistern durch έπιτιμαν/Ίϋ! andererseits (Mk 1,25; 9,25). Zudem würde ihre Inanspruchnahme durch Jesus zwanglos erklären, warum seine gottgewirkten Dämonenaustreibungen im antiken Judentum keine singuläre Erscheinung darstellten (Mt 12,27par).

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Als weitere Dämonenaustreibungstechniken werden Jesus Ausfahrbefehle (Mk 1,25; 5,8; 9,25), Namenserfragung (Mk 5,9), Epipompe (Mk 5,13) und Rückkehrverbot (Mk 9,25) zugeschrieben. Auch wenn solche Praktiken mehrheitlich für die palästinische oder jüdische Magie des l.-2.Jhdt.n.Chr. verbürgt sind und nicht vorschnell als hellenistische Gemeindebildung abgetan werden können, haben sie wahrscheinlich unter Einfluß der Vorgehensweise christlicher Wundercharismatiker ihre Prägung erfahren und sind überwiegend sekundär in die Jesusüberlieferung eingedrungen. In wörtlicher Rede gehaltene Ausfahrworte, Dämonenbefragungen und Epipompai haben Parallelen in magischen Formularen (PGM IV,1242ff.3007ff.; V,158), während in Dämonenaustreibungsberichten aus der Umwelt des NT (1 Q Gen Ap XX,12-34; Joseph, Ant VIII,46-48; Luc, Philops 16.31; Philostr, Vit Apoll IV,20.25) immer in der dritten Person aus der Erzählperspektive über die Wunderpraktiken berichtet wird. Ähnlich wie den magischen Papyri geht es den ntl Dämonenaustreibungsberichten offenkundig um bewußte Wiedergabe festgeprägter Ausfahrworte, Befragungsformeln und Epipompai, zumal christliche Wundertäter wahrscheinlich mit έξελθεΤν/exire formulierte Ausfahrworte (Apg 16,18; Act Petr 11; Act Thom 74; 77) verwendeten, Dämonen zum Reden (Theophil, Autolyc 2,8; Act Thom 74) oder zur sichtbaren Ausfahrt (Act Petr 11) zwangen und ihnen die Rückkehr untersagten (Act Andr 5; Act Thom 77). In der jüdischen wie griechisch-römischen Welt breitbezeugte Beschwörungen sind für Jesus nirgendwo belegt, so daß man in Anbetracht dieser Quellenlage für ihn im Zusammenhang mit seinen Dämonenaustreibungen die Bezeichnung Exorzist am besten vermeidet. Von den Krankenheilungstechniken liegt fur Jesus neben der Handauflegung oder Handergreifung auch die pharmakologische Speichelverwendung (Mk 7,33; 8,23; Joh 9,6f.), die für das antike Judentum des l.Jhdt.n.Chr. als Heilpraktik vorauszusetzen sein dürfte, historisch im Bereich des Möglichen, ohne daß dies unbedingt eine Betrachtung Jesu als Arzt nahelegte. Berührungspunkte mit wissenschaftlicher Medizin sind für Jesus nicht gegeben, eine Verabsolutierung ärztlich-helfender Motive seiner Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen verstellt den Blick auf deren vorrangig eschatologisch-heilsgeschichtliche Dimension. Wie es bei den Dämonenaustreibungserzählungen der Fall ist, unterscheiden sich auch einzelne Wunderheilungsberichte der Evangelien von ihren unmittelbaren religionsgeschichtlichen Parallelen der Form nach dadurch, daß ein Interesse an wortgetreuer Wiedergabe von formelhaften Heilungsworten (Mk 2,11/Joh 5,8; Mk 7,34) besteht, was wie-

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derum im Zusammenhang mit der Vorgehensweise nachösterlicher Wundercharismatiker stehen dürfte. Da der Logienüberlieferung nicht an Informationen über Wunderpraktiken gelegen ist und die diesbezüglichen, ohnehin spärlichen Angaben der Erzählüberlieferung in hohem Maße von nachösterlichen Gegebenheiten her geprägt sind, kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, daß Jesus sich bei seinen Wunderheilungen auch solcher zeitgenössischen Techniken wie Gebet oder Beschwörung bedient hat. Historisch verantwortete Forschung muß sich hier allerdings wohl oder übel mit der gegebenen Quellenlage arrangieren, Mutmaßungen über nicht erhaltene esoterische Geheimlehren Jesu oder über zensierte magische Jesus-Traditionen führen in den Bereich der Spekulation. Eine Unterdrückung "magischen Beweismaterials" ist vor Mt kaum nachweisbar. Erzählungen wie Mk 1,13; 4,35-41; 5,1-20 oder 9,14-27 legen nahe, daß die vorliterarische Traditionsgeschichte der Evangelienstoffe eher von der gegenläufigen Tendenz einer Verstärkung magischer oder schamanenhafter Züge Jesu geprägt war. 4. Obwohl sich die Wunder Jesu punktuell mit den Machttaten zeitgenössischer Krankenheiler, Magier und Propheten berühren, läßt er sich weder einer breiteren charismatischen Strömung des antiken Judentums noch einem festgeprägten Typus von jüdischem Wundertäter zuordnen. Wohl am auffälligsten ist in dieser Hinsicht, daß Jesus mit seinen Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen in keiner erkennbaren Beziehung zu der mit David und Salomo verbundenen, von den Essenern und Eleazar repräsentierten magisch-pharmakologischen Heilkunst steht, die so etwas wie die palästinisch-jüdische mainstream magic der Zeitenwende darstellt. Jesus hat aller Wahrscheinlichkeit nach weder alchemistische Wurzel- und Steinbücher ägyptischer Prägung noch Davidpsalmen und Beschwörungsformeln Salomos zu Heilzwecken verwendet oder über magische Kompendien wie das "Buch der Heilmittel" verfügt. Die Konzeption des Wunderpropheten scheidet als Erklärungsmodell für das Auftreten Jesu schon aus dem Grunde aus, daß Jesus sich mit der Verweigerung von Zeichenge Währungen (Mk 8,12) gegen ein prophetisches Verständnis seiner Wunder gewandt hat. Lk 10,18 weist zwar in die Nähe prophetischer Berufungsvisionen, und mit den Zeichenpropheten teilt Jesus in begrenztem Umfang eine Urzeit-Endzeit-Eschatologie mit Heilsvergegenwärtigung durch Wunder. Seine Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen sind jedoch ebensowenig Legitimationserweise im Dienste prophetischer Verkündigung wie Beglaubigungszeichen für die Rechtmäßigkeit und Vollmacht von Lehre oder Halakha, und im Gegensatz zu den an eschatologisierten Exodustraditionen orientierten Natur-

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wundern der im Umfeld des Zelotentums anzusiedelnden Zeichenpropheten bewirkte Jesus Wunderheilungen mit Rückbezug auf die Schöpfungssituation. Das populäre Bild von Jesus als Wunderprophet verdankt sich wesentlich dem Umstand, daß Jesus unter Einfluß der EliaElisa-Tradition sekundär Aussätzigenheilungen (Mk 1,40-45; Lk 17,11-19), Speisevermehrungswunder (Mk 6,30-44parr; 8,1-10) wie Totenerweckungen (Lk 7,11-17) zugeschrieben werden und prophetische Züge Jesu als Wundertäter für die christologische Konzeption des Lk-Ev einen hohen Stellenwert haben (Lk 4,13-30; 24,19). Das von G. Vermes als Verständnishintergrund fur die Wunder Jesu beanspruchte, festgeprägte pattern wunderwirkender Chasidim erweist sich als brüchig, da die herangezogenen Wundertraditionen sich in ihrer Komplexität der Zuordnung zu einer übergeordneten charismatischen Bewegung und deren scharfer Abgrenzung von Magie entziehen. Übereinstimmend reklamierten allerdings Jesus, Choni und Chanina ben Dosa im Zusammenhang mit ihren Wundertaten eine intensive Gottesbeziehung, wegen der sie aus freilich recht unterschiedlichen Gründen mit dem Pharisäertum in Spannung gerieten, und evozierten eine ähnliche Wirkungsgeschichte, indem die in allen drei Fällen historisch im Zentrum des Wirkens stehenden Wundertaten im nachhinein durch Hervorhebung von Lehre relativiert und als Erfüllung von Schriftverheißung legitimiert werden. Speziell mit Chanina ben Dosa teilt Jesus zudem die Zurückweisung prophetischer Implikationen seiner Wunder (bBer 34b; bBQ 50a). Grundsätzlich erscheint es allerdings bereits zweifelhaft, ob der Magier Choni mit seinem schamanistischen Regenwunder und der charismatische Gebetsheiler Chanina ben Dosa gemeinsame Wurzeln in einer übergeordneten chasidischen Bewegung haben. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, liegen hier allerdings kaum die Ursprünge Jesu. Im Gegensatz zu Choni hat er wahrscheinlich weder Naturwunder vollbracht noch solche Praktiken wie den magischen Kreis oder die Beschwörung Gottes angewandt. Sowohl von Choni als auch von Chanina unterscheidet er sich dadurch, daß dem Gebet zu Gott keine erkennbare Bedeutung bei seinen Wundertaten zukommt (vgl. allenfalls Mk 7,34; Joh ll,41f.), während umgekehrt deren eschatologische Bezüge samt darauf bezogener Halakha bei den erst später als Gesetzeslehrern vereinnahmten "Chasidim" ohne Entsprechung bleiben. Ein schwaches Bindeglied zwischen Choni, Jesus, Chanina ben Dosa und Ben Stada besteht darin, daß es sich offenkundig in allen Fällen um Wundercharismatiker oder Magier ohne Prophetenstatus handelt. Auch Johannes der Täufer, der "kein Zeichen tat" (Joh 10,41), kommt kaum als Urheber der Befähigung Jesu auf dem Gebiet der Dämonen-

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austreibung oder Krankenheilung in Betracht, und die aus Mt 2,13-15 entwickelte polemische Tradition einer magischen Schulung Jesu in Ägypten entbehrt einer geschichtlichen Grundlage. Die Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen Jesu resultierten wahrscheinlich nicht aus dessen direkter Verwurzelung in einer der charismatischen Bewegungen jüdischer Magier, Zeichenpropheten oder Chasidim. Sie sind offenkundig eher das Resultat eines individuellen Entwicklungsprozesses, indem Jesus sich nach der Herausbildung einer eigenständigen Eschatologie mit präsentischen Heilsbezügen von dem Täufer löste und vielleicht aufgrund einer Art "schamanistischer Geistervision" (Lk 10,18) ohne thaumaturgische Vorbildung "mit dem Finger Gottes" im Horizont der fortschreitenden Restitution der Gottesherrschaft Wunderheilungen vollbrachte. Grundsätzlich ist aber festzuhalten, daß Wundercharisma und Magie im palästinischen Judentum der Zeitenwende eine größere Rolle als gemeinhin angenommen spielten und von daher Jesus ohne erkennbare direkte Abhängigkeit doch in einer umfassenderen Tradition steht. 5. Von der Dämonologie, dem Erscheinungsbild und der Wirkungsgeschichte her ist Jesus im weiteren Sinne dem religionsgeschichtlichen Typus des Magiers oder Theios Aner zuzuordnen. Die über weite Strekken kontroverse Diskussion um Jesus als Magier oder Theios Aner wird in sachlichere Bahnen gelenkt, wenn man sich vergegenwärtigt, daß eine Betrachtung Jesu als Theios Aner für das hellenisierte Palästina der Zeitenwende nicht automatisch Ungeschichtlichtkeit der ntl Wundererzählungen nach sich zieht und Magie nicht zwangsläufig etwas Negatives anhaften muß, da sie sich nicht aus dem Bereich von Religion und Wissenschaft ausgrenzen läßt. Bei antiken Magiern oder Schamanen handelt es sich grundsätzlich um seriöse religiöse Mittler mit hoher Reputation, die erst vom Standpunkt des von ihnen maßgeblich mitentwickelten, dann aber entmythisierten naturwissenschaftlichen Denkens her und wegen ihrer Nonkonformität mit dem vorherrschenden Religions- und Wissenschaftsverständnis zur Zielscheibe des Spottes oder zum Objekt staatlicher Verfolgung wurden. In Kontrast zu wissenschaftlicher Medizin teilte Jesus mit der Magie das dämonistische Weltbild der Antike, führte Krankheit im wesentlichen auf das schädigende Wirken der dem Satan untergebenen bösen Geister zurück und verfügte über spezielle Kenntnisse und Befähigungen auf dem Gebiet der Dämonenaustreibung. Das Erscheinungsbild Jesu deckt sich in hohem Maße mit dem griechischer Magier oder Schamanen. Jesu Auftreten ist entscheidend durch Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen gekennzeichnet, in den Evangelien sind authentische dämonische Lehren überliefert (Mk 3,27; Mt 12,43-45par), wie Pythago-

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ras, Empedokles oder Apollonius von Tyana hat er Schüler zu Wundertaten instruiert (Mk 6,6b-13). Spätestens seitdem Jesus in der vormk Tradition in erheblichem Umfang mit magischen oder schamanenhaften Zügen ausgestattet wurde, ist seine Wirkungsgeschichte mit der umstrittener antiker Magier über weite Strecken deckungsgleich. Dem Namen Jesu wird innerhalb wie außerhalb des Christentums magische Bedeutung beigemessen, wie Mose (PGM XIII), Pythagoras (PGM VII,795) und Apollonius (PGM XIa,l) taucht er in den Zauberpapyri auf (PGM IV,1232f. 3019f.). Die Verehrer Jesu propagieren ihn aufgrund seiner Wundertaten als Gottessohn (Mk 5,8) und damit als Theios Aner. Seine Gegner bestreiten dies, indem sie ihn der schwarzen Magie (Mk 3,22parr), des Wahnsinns (Mk 3,21; Joh 7,20) und der Goetie (Orig, Cels 1,6.71; 11,32) bezichtigen, wie sie praktisch allen herausragenden Magiern und Schamanen der griechisch-römischen Welt vorgeworfen wird. Zur Erhöhung der Reputation Jesu wird in den Evangelien, insbesondere bei Mt, das Jesusbild einer ähnlichen Revision unterzogen, wie dies bei der Integration von Choni und Chanina ben Dosa in das Rabbinentum und bei der Porträtierung von Mose, Pythagoras oder Apollonius in hellenistischen Biographien der Fall ist, indem bei grundsätzlichem Festhalten an der Bedeutung von Wundertaten eine Aufwertung der Lehre und eine Entschärfung oder Reduktion magisch-thaumaturgischer Züge erfolgt. 6. Trotz dieser Wirkungsgeschichte, die bereits zu Lebzeiten Jesu einsetzt und der eine nicht zu unterschätzende indirekte historische Aussagekraft zukommt, sind allerdings an der These von Jesus als Magier, Schamane oder Theios Aner gewichtige Abstriche vorzunehmen. Auf die Distanz Jesu zur schamanistischen Regenmagie Chonis und zur magischen Heilkunst in der David-Salomo-Tradition wurde bereits hingewiesen. Von Pythagoras, Empedokles, Apollonius von Tyana und Alexander von Abonuteichos, den herausragenden Magiern der griechisch-römischen Welt mit nicht zu unterschätzenden wissenschaftlichen Kenntnissen, unterscheidet sich Jesus maßgeblich dadurch, daß er offenkundig kein Schamane im eigentlichen Sinne war. Jesus hat weder die für schamanistische Krankenheilungen konstitutive Lehre von der Seelenwanderung vertreten noch losgelöst vom Körper ekstatische Jenseitsreisen unternommen, um den Seelen der Verstorbenen Totengeleit zu geben oder den Seelen der Lebenden heilungsfördernde Informationen aus der Präexistenz zu verschaffen. Die Wirksamkeit von Schamanen richtet sich grundsätzlich auf das individuelle Geschick der Seele, während die Wunderheilungen Jesu kollektive Heilsgeschichte implizieren, indem der einzelne in die sich universell Durchbruch verschaffende Gottesherrschaft hineingenommen wird. Ebensowenig reklamierte Jesus

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allem Anschein nach die Fähigkeit, mit den in Tieren oder Pflanzen reinkarnierten Seelen zu kommunizieren und aufgrund des dabei gewonnenen schamanistischen Wissens Naturereignisse vorherzusagen oder Naturkatastrophen durch kathartische Riten abzuwenden. Auch daß für Jesus im Gegensatz zu Empedokles (Fragm 102), Apollonius (Ep 17) und Alexander (Luc, Alex 11) keine personalen Ansprüche auf Göttlichkeit überliefert sind und es sich von daher bei ihm dem Selbstverständnis nach nicht um einen Theios Aner gehandelt hat, dürfte maßgeblich mit dem Fehlen einer Seelenwanderungslehre zusammenhängen. Die griechischen Schamanen wähnten sich mit ihren naturwissenschaftlichen Kenntnissen und ihrem auf ekstatischen Jenseitsreisen gewonnenen freundschaftlichen Verhältnis zu Göttern und Dämonen dem gewöhnlichen Menschsein enthoben, wußten um das künftige Geschick ihrer Seele und beanspruchten von daher eine göttliche Physis, wie es für Jesus offenkundig nicht der Fall war. In noch deutlicherer Distanz steht Jesus zu der im Hellenismus von den griechisch-ägyptischen Zauberpapyri, im antiken Judentum von dem "Buch der Geheimnisse" und dem "Schwert des Mose" repräsentierten komplexen Magie. Mit Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen vollbringt Jesus von vornherein nur einen Bruchteil dessen, was dort an Begünstigungs- und Schadenspraktiken in den Aufgabenbereich oder das Repertoire eines Magiers fällt. Die Berührungen zwischen der syn Wundertradition und einzelnen Dämonenaustreibungsformularen der Zauberpapyri verdanken sich im wesentlichen sekundärer Traditionsbildung. Für Beschwörungsformeln oder ausführliche magische Rituale gibt es in der uns überkommenen Jesusüberlieferung keine Anhaltspunkte. Letztlich teilt Jesus mit Magiern die Dämonologie, die grundsätzliche Art der Krankheitsbekämpfung und weite Teile der Wirkungsgeschichte, ohne daß er einer der uns bekannten breiteren Strömungen der antiken Magie oder des Schamanismus zugeordnet werden könnte. Solche Aspekte, die Magie zu einer problembehafteten Erscheinungsform von Religion machen (Synkretismus, Zwangsbeeinflussung von Gottheiten, Schadens- oder Begünstigungspraktiken ohne ethische Reflexion), sind für die Wunder Jesu mit ihrer ohnehin nicht aus Magie ableitbaren heilsgeschichtlichen Perspektive grundsätzlich bedeutungslos. Als Wundertäter, der den eschatologischen Satanssturz mit einsetzender Wiederaufrichtung der Gottesherrschaft bereits vollzogen sah und sich dem Selbstverständnis nach mit Dämonenaustreibungen wie Krankenheilungen als Werkzeug Gottes bei der dynamischen Restitution des Schöpfungszustandes von Gen 1-2 betrachtete, stellt Jesus trotz vielfältiger Berührungspunkte mit anderen Wundercharismatikern ein singuläres Phänomen der Antike dar.

V. Frühchristliches Wundercharismatikertum in der Nachfolge Jesu Fiir das frühe Christentum läßt sich sowohl in der Mission als auch im Gemeindeleben eine vielfältige Wunderpraxis nachweisen. Wir wenden uns zunächst den Wanderpropheten oder Wanderaposteln zu, die ihr Auftreten entscheidend von den Aussendungsanordnungen Jesu und den dortigen Wunderinstruktionen ableiteten.

1. Wunderwirkende Apostel und Propheten in der Tradition der Aussendungsrede 1.1. Die Sendboten der Logienquelle a) Aussendungsrede und Wehesprüche Lk 10,l-15par Wenn Jesus nicht nur persönlich Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen vollbrachte, sondern auch Jünger in diese Wirksamkeit miteinbezog und dazu anleitete, ergibt sich von vornherein eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Anordnungen der Aussendungsrede nachösterlich als Instruktionen für die Missionstätigkeit christlicher Gemeinden aufgefaßt wurden. Den Überlieferungsträgern der Logienquelle diente die Aussendungstradition als normative Agende, indem die Q-Missionare in Übereinstimmung mit den Anweisungen von Lk 10,l-12par auftraten und handelten 1 . Als Bezeichnung dieser Wandercharismatiker kommt am ehesten εργάται (Lk 10,2.7par) in Betracht, das hier titularen Sinn hat (vgl. 2 Kor 11,13; Phil 3,2) und auf eine Beanspruchung des Unterhaltsrechtes hinweist. Daneben galten die Q-Boten wohl auch als "Apostel und Propheten" (Lk 11,49, vgl. Did 11,3)2, zumal sich der Aposteltitel bereits von άποστέλλειν

1 Vgl. Hoffmann, Studien 294ff.; Sato, Q 311; Schmeller, Brechungen 95-98. 2 Lk 11,49 άποστελω εις αυτούς προφήτας και αποστόλους bietet diff. Mt 23,34 αποστέλλω προς ύμας προφήτας και σοφούς και γραμματείς den Q Wortlaut (Schulz, Q 336f.; Gnilka, Mt-Ev II 298). Lk 11,49-51 ist auf die noch anhaltende missionarische Bemühung der Q-Boten um Israel gemünzt (Hoffmann, Studien 169; vgl. Steck, Israel 223f.; Schmeller, Brechungen 96).

Sendboten der Logienquelle

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Lk 10,1.3par her nahelegt. Speziell auf die Aussendungsanordnung Mt 10,7f. /Lk 10,8 mit ihrer bei Lk authentisch bewahrten Abfolge von Heilungen und Ansage der Gottesherrschaft bezogen, ist der aktualisierenden Rezeption für die Missionspraxis der Q-Gemeinden ein hoher Stellenwert von Wundertaten und darauf bezogener Wortverkündigung entnehmbar. Der Hauptakzent lag nach wie vor auf Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen, als deren Folge die nahegekommene Gottesherrschaft zugesprochen wurde. Die eschatologische Verkündigung der Q-Boten ist Interpretament der von ihnen bewirkten Machttaten. Daß die Missionspraxis der hinter der Logienquelle stehenden frühchristlichen Gemeinden schwerpunktmäßig von Dämonenaustreibungen und Heilungen in der Nachfolge Jesu geprägt ist, geht aber nicht allein aus der normativ für eigenes Handeln empfundenen Aussendungsbevollmächtigung Mt 10,7f./Lk 10,8 hervor, sondern wird auch durch den Wehe-Spruch Mt 11,21/Lk 10,13 bestätigt. Dessen kompositorischen Ort in Q als Fortsetzung der Aussendungsrede hat Lk im Gegensatz zu Mt sachgerecht bewahrt 3 , während dem Wortlaut nach Mt 11,21 Ursprünglichkeit gegenüber Lk 10,13 zukommt 4 . Dieser Weheruf geht kaum auf Jesus zurück, sondern wurzelt als Reflex negativer Missionserfahrungen in der Verkündigung der Q-Propheten 5 . In Form eines prophetischen Drohwortes wird Chorazin und Bethsaida das Gericht angekündigt, da sich beide Orte trotz dort geschehener Machttaten (δυνάμεις), welche sogar Tyros und Sidon (vgl. Jes 23; Ez 26-28) zur Umkehr bewegt hätten, der christlichen Botschaft gegenüber verweigerten. Selbst dort, wo man treffend mit Gemeindebildung von Mt 11,21/Lk 10,13 rechnet, werden allerdings die Machttaten überwiegend als Rückblick "auf die in diesen beiden galiläischen Orten geschehenen Wunder und Heilstaten des irdischen Jesus" 6 aufgefaßt.

3 Vgl. Lührmann, Redaktion 61f.; Hoffmann, Studien 284; Laufen, Doppelüberlieferungen 228f. - Mt piaziert den Stoff 11,20 hinter das Gleichnis von den spielenden Kindern 11,16-19. 4 καθήμενοι Lk 10,13 geht als präzisierende Beschreibung des Bußrituals auf Lk zurück (Hoffmann, Studien 285). - Mt 12,23b.24 mit seinen Wunderaussagen stellt mt Parallelbildung zu Mt 12,21b.22 dar (gegen Manson, Sayings of Jesus 77). s Vgl. Bultmann, Syn Tradition 118; Lührmann, Redaktion 93 mit Anm.4; Schulz, Q 362ff.; Sato, Q 199. Für Authentizität sprechen sich dagegen Kümmel, Verheißung 30f.; Hahn, Mission 27f.; Grundmann, Lk-Ev 211; Nielsen, Heilung 67-71; Gnilka, Mt-Ev I 430, aus. 6 Schulz, Q 364; ähnlich Bultmann, Syn Tradition 118 ("die Worte blicken auf die abgeschlossene Wirksamkeit Jesu zurück"); Lührmann, Redaktion 64. Anders dagegen Schenk, Verwünschung 4 8 5 f .

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Wunderwirkende Apostel und Propheten

Dies entspricht zwar der Sehweise des Mt, wie die redaktionelle Notiz Mt 11,20 τότε ηρξατο όνειδίζειν τάς πόλεις έν άίς έγέυοντο αί πλεΐσται δυνάμεις αΰτοΰ ... zeigt, deckt sich jedoch kaum mit den Gegebenheiten in Q, wo nichts darauf hindeutet, daß es in Mt ll,21par um Wundertaten Jesu in Chorazin und Bethsaida geht. Über eine Wirksamkeit Jesu in Chorazin ist der ntl Evangelientradition nichts entnehmbar, und eine Bezeichnung der Wunder Jesu als δυνάμεις wäre hier für Q singular. Die Q-Stoffolge mit ihrer Anfügung von Lk 10,13-15 an die Aussendungsrede Lk 10,1-12 und deren Wunderbeauftragung impliziert, daß es sich bei den δυνάμεις um Machttaten der Q - M i s s i o nare handelt, die in Anlehnung an die Aussendungsinstruktion Lk 10,9par in Chorazin und Bethsaida gewirkt wurden, um diese Städte erfolglos zur Umkehr zu bewegen. In diesem Sinne hat auch Lk noch die δυνάμεις aufgefaßt, indem er erst 10,17-20 von der Rückkehr der Zweiundsiebzig berichtet, ohne den engen Q-Zusammenhang von Jüngeraussendung mit Wunderinstruktion einerseits, Gerichtsdrohung gegen die sich den Wundertaten verschließenden galiläischen Städte andererseits, zu zerstören.

Diese Interpretation von Mt 11,21/Lk 10,13 wird dadurch gestützt, daß sich die pln Gegner im 2 Kor, wie die Q-Boten Wandermissionare, ebenso wie die Wunderpropheten von Mt 7,22 auf von ihnen bewirkte δυνάμεις stützten (2 Kor 12,12), und auch Pls solche Machttaten zu den Begleiterscheinungen seines Apostolats rechnet (2 Kor 12,12; Rom 15,18f.). Bemerkenswert ist in Mt 11,21/Lk 10,13 die kausale Bindung der Umkehr an Machttaten. Dies deutet auf eine Missionskonzeption mit sachlichem Übergewicht von Wundern gegenüber der Verkündigung hin und erklärt sich am ehesten dadurch, daß sich die Tradenten des Wehespruchs Mt 11,21/Lk 10,13 an der Missionsinstruktion Lk 10,9 mit ihrer Vorordnung der Wundertaten gegenüber der Ankündigung der Gottesherrschaft orientierten. Vermutlich hat der im Kern authentische Q-Makarismus Mt 13,16f./Lk 10,23f. (Seligpreisung der Augen- und Ohrenzeugen) mit seiner Vorordnung des Sehens gegenüber dem Hören hier ebenso seinen nachösterlichen Sitz im Leben wie die "Exorzismusregel" Mt 12,43-45par.

Exkurs: Das Verständnis der Aussendungstradition bei Mk, Mt und Lk Für das redaktionelle Verständnis von Mk 6,6b-13/Lk 10,l-12par ist es von Bedeutung, ob die Evangelisten bei der Bearbeitung der ihnen überkommenen Aussendungsüberlieferung allein von historisierenden oder darüber hinaus auch von aktualisierenden Interessen geleitet sind. Während Historisierungstendenzen durch eine kritische Haltung gegenüber christlichen Wundercharismatikern mitbedingt sein können, sind einer aktualisierenden Rezeption der Aussendungsanordnungen Rück-

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schlüsse auf die Wunderpraxis der von den Evangelisten repräsentierten Gemeinden entnehmbar. Mk hat die Aussendung der Jünger nicht als ein nur der vergangenen Jesuszeit zugehöriges Ereignis ohne Gegenwartsbedeutung aufgefaßt, da insbesondere die Rahmenbemerkungen Mk 6,7.12f. ein deutliches Interesse auf aktuelle Gegebenheiten seiner Zeit hin bekunden 7 . Speziell auf die Wunderthematik von Mk 6,7.13 bezogen, ergibt sich als Konsequenz, daß Mk aus der Missionspraxis seiner Gemeinde Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen unter Verwendung von Öl (vgl. Jak 5,14) geläufig waren, die allerdings in ihrer Bedeutung anders als bei den Q-Boten (Lk 10,9) nunmehr der Wortverkündigung als deren Begleiterscheinungen untergeordnet sind. Speziell die Erwähnung von Öl als Heilmittel deutet darauf hin, daß christliche Wundertäter neben magischen Dämonenaustreibungskenntnissen auch über pharmakologisch-medizinische Fertigkeiten verfugten und sich dabei vermutlich bestimmter Heilmittellehren der Antike bedienten 8 . Daß hingegen für Mt keine derartige Transparenz der Aussendungsanordnungen auf die Gemeindesituation gegeben ist, zeigt sich im Vergleich von Mt 10,1-16 mit Mt 28,19f., der für die mt Kirche maßgeblichen Missionsagende. Bereits die Wiedergabe des die universale Heidenmission ausschließenden Logions Mt 10,5b.6 durch Mt zeigt, daß die allein auf Israel beschränkte Sendung Mt 9,35-10,15 ein für seine Gegenwart nicht mehr normatives Ereignis darstellt (vgl. Mt 28,19f.), sondern einer längst überholten Epoche zugehört 9 . Ebensowenig wird in der Wunderbevollmächtigung Mt 10,8 die historische Situation bewußt 7 Reploh, Markus 56; Hoffmann, Studien 243; Laufen, Doppelüberlieferungen 300f.; Lührmann, M k - E v 112. Gegen Dibelius, Formgeschichte 226f. (Mk liege an der historisierenden Darstellung der Jüngeraussendung, er dichte keine Legenden); Bultmann, Syn Tradition 156: "Als hellenistischer Evangelist empfand er (sc. Mk) wohl, daß diese Instruktion für die Mission der Oikumene nicht mehr paßte, und machte eine Anweisung für die Mission der Zwölf während der Zeit des Wirkens Jesu daraus." 8 Hier ist beispielsweise an die Materia medica von Dioskurides zu denken, die zahlreiche Rezepte mit Öl (ελαιον oder μυρον) als Heilmittel enthält (1 30-63). Speziell bei Epilepsie, wie sie Mk 6,13 miteingeschlossen sein dürfte, spielen in den therapeutischen Maßnahmen des Rufus von Ephesus Ölsalbungen mit ihrer wärmeentfaltenden Wirkung eine wichtige Rolle (Krankenjournale XIV,4ff.; XV,6-11). Tert, Scapul 4,6, zufolge wurde Septimius Severus von dem Christen Proculus mit Öl (per oleum) geheilt. 9 Vgl. Hummel, Auseinandersetzung 138, und Strecker, W e g der G e rechtigkeit 196, der hier die mt Jungerdarstellung von einer historisierenden Differenzierung zwischen der Zeit der Jünger und der Gegenwart des Mt gekennzeichnet sieht.

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auf eine Transparenz zur mt Zeit hin gesprengt 10 . Mt hat die Aussendungsanordnung 10,8 in Orientierung an dem Wunderkatalog Mt 11,5 mit dem Interesse ausgestaltet, das einstige Wirken Jesu und der Jünger zu parallelisieren, ohne daß dieser Angleichung eine Vorbildfunktion für die mt Gemeinde zukäme, in deren Missionspraxis Wundertaten offenkundig keine Rolle mehr spielten (28,19f.). Mt steht grundsätzlich wundercharismatischen Strömungen seiner Zeit äußerst reserviert gegenüber. Maßgeblicher Grund dafür dürfte ein pneumatischer Enthusiasmus einzelner Wundercharismatiker im Umfeld des Mt-Hv gewesen sein, der sich in "Pseudoprophetie" manifestierte (Mt 7,15-23; 24,23-28). Spiegelt der Weheruf Mt 11,21/Lk 10,13 in der Logienquelle in missionarischer Intention begangene δυνάμεις der Q-Boten, so werden diese von Mt durch die redaktionelle Formulierung und Voranstellung von 11,20 als Wunder Jesu ausgegeben. Mt gibt damit zu erkennen, daß Machttaten in der Missionspraxis seiner Gemeinde nicht mehr aktuell sind oder von ihm aus sachlichen Gründen abgelehnt werden. Auf der gleichen Linie liegen die Nichtberücksichtigung von Mk 9,29, einer Jüngerinstruktion zu Dämonenaustreibungen durch Gebet, und die oben (IV.S.2) beobachtete Reduktion nachahmungsfähiger Wunderpraktiken oder sogar das Übergehen ganzer Wundergeschichten aus der Jesustradition, die wie Mk 7,31-37 und 8,22-26 als Anleitung für die Wirksamkeit christlicher Wundertäter verstanden werden können.

Ob Lk die Q-Aussendungstradition ausschließlich retrospektiv-historisierend im Sinne einer Regelung der Jüngerbeauftragung zur Zeit Jesu auffaßte oder auch als Instruktion für gegenwärtiges Gemeindehandeln betrachtete und entsprechend ausgestaltete, dürfte wie bei Mk 6,6b-13 im letztgenannten Sinne zu entscheiden sein. Mit έσθίετε τά παρατιθεμενα ύμιν Lk 10,8 findet sich eine über Q hinausgehende Anordnung, die wahrscheinlich judenchristlichen Missionaren in heidnischem Gebiet einen Genuß nicht verzehnteter oder unreiner Speisen gebietet, um den Missionserfolg nicht zu gefährden11. Diese Zufügung stellt eine Anpassung der nach wie vor als normativ empfundenen Aussendungstradition an aktuelle Missionsbedürfnisse dar 12 . Auch für die von Mk übernom10 Gegen Luz, Jünger 156; ders., Jüngerrede 87.90; Gnilka, Mt-Ev I 357; Schmeller, Brechungen 102. Vgl. ferner Hoffmann, Studien 255f.; Schulz, Q 404; Sand, M t - E v 222, die ebenfalls starke ekklesiologisch-aktualisierende Interessen der mt Aussendungsrede vermuten. 11 Vgl. Laufen, Doppelüberlieferungen 220. - Ähnlich Pis in 1 Kor 9,21: (έγενόμην) τοις άνόμοις ώς άνομος ... , 'ίνα κερδάνω τους άνομους. 12 Vgl. auch Fuller, Wunder Jesu 95f.; Hoffmann, Studien 244; Bovon, Lk-Ev I 455, die ebenfalls eine Transparenz von Lk 10,1-12 auf die Gegenwart hin vermuten. Gegen Schulz, Q 404: Lk verstehe die Q-Aussendungsrede als Regelung der Sendung der 72 zur Zeit Jesu, ohne in ihr eine für sei-

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m e n e , von Lk partiell mit Formulierungen der Q-Tradition Lk 10,1-12 durchsetzte Aussendung der Zwölf Lk 9,1-6 läßt sich eine s o l c h e Transparenz auf die lk Gemeindesituation vermuten 1 3 . Von daher ist bemerkenswert, daß Lk fast überall die Jüngerbevollmächtigung zu Dämonenaustreibungen bei gleichzeitiger Aufwertung der Krankenheilungsvollmacht getilgt hat. Nur in 9,1 hält Lk unter Einfluß von Mk 6,7 an einer εξουσία επί πάντα τά δαιμόνια fest, ergänzt allerdings και νόσους θεραπεύειν. In der auf Mk 6,12f. basierenden Aussendungsnotiz Lk 9,2 finden Dämonenaustreibungen keine Erwähnung mehr; neben der Verkündigung ist nunmehr ausschließlich von Krankenheilungen die Rede. In der Vollzugskonstatierung Lk 9,6 übergeht Lk wiederum gegen Mk 6,13 Dämonenaustreibungen der Jünger. In diese Redaktionstendenz fügt sich die lk Bearbeitung von Mk 3,14b.15, wo Lk in 6,12-16 die mk Jüngerbevollmächtigung zu Dämonenaustreibungen nicht übernimmt, und die lk Auslassung von δαιμόνια έκβάλλετε in der Q-Aussendungstradition Mt 10,8 nahtlos ein. Sofern Dämonenaustreibungen hier nicht stillschweigend unter Heilungen subsumiert werden, kam ihnen in der Missionspraxis der lk Gemeinde keine maßgebliche Bedeutung zu oder Lk steht ihnen ablehnend gegenüber, wobei letzteres in Anbetracht der "exorzismuskritischen" Tendenz des Logions Lk 10,20 die größere W a h r scheinlichkeit für sich hat. *

b) Die Rückkehr

der Ausgesandten

*

*

(Lk

10,17-20)

Unter dem Vorbehalt einer unsicheren Quellenlage deutet auch Lk 10,17-20, w o Lk über Mt hinausgehend von einer Rückkehr der A u s g e sandten (vgl. Mk 6 , 3 0 / L k 9,10) berichtet, auf Dämonenaustreibungen der Q - B o t e n hin. Die Einleitung 10,17a weist zwar mit dem Rückbezug auf die lk Aussendungsnotiz 10,1a und der lk Vorzugswendung ύποστρέφειν μετά χ α ρ α ς 1 4 redaktionelle Elemente auf, basiert aber auf einer in Q enthaltenen, Mk 6,30 entsprechenden Vollzugsnotiz als Traditions-

ne Gegenwart unverändert gültige Anweisung zu sehen und sie für die Kirche seiner Zeit verwendbar zu machen. 13 Vgl. Schürmann, Lk-Ev I 499.505. Ähnlich Bovon, Lk-Ev I 455, der allerdings in Lk 10,1-12 aktualisierende, in Lk 9,1-6 hingegen offenbar eher historisierende Tendenzen wirksam sieht. Daß Lk nicht an einer derartigen Unterscheidung zwischen beiden Sendungen gelegen ist, zeigt der Rekurs Lk 22,35, wo die Zwölf angesprochen werden, in der Wortwahl dagegen auf die Sendung der Zweiundsiebzig zurückgegriffen wird (Hoffmann, Studien 244). 14 Vgl. Lk 24,52 ύπέστρεψαν εις 'Ιερουσαλήμ μετά χαρας μεγάλης; μετά χαρας noch Lk8,13; ΰποστρέφειν 35mal im NT, davon 21mal im Lk-Ev und 11 mal in Apg.

322

Wunderwirkende Apostel und Propheten

grundlage. Weiterhin legt die lk Vorliebe für π λ ή ν - A n s c h l ü s s e 1 5 nahe, daß Lk das Logion 10,20 angefügt oder sogar erst formuliert h a t 1 6 . Da Lk 10,17b-19 keine lk Stileigentümlichkeiten a u f w e i s t 1 7 und zudem im sekundären Mk-Schluß eine traditionsgeschichtliche Variante hat, kann die vorlk Herkunft d i e s e s S t o f f e s als gesichert gelten. Mk 16,17f. έν τφ ονόματι μου δαιμόνια έκβαλοΰσιν ... και έν τ α ΐ ς χερσίν δφεις άροΰσιν ... ού μή αυτούς βλάψη deutet auf einen vorlk Uberlieferungszusammenhang von Lk 10,17b.19 κύριε, και τά δαιμόνια υποτάσσεται ήμΤν έν τω ονόματι σου ... ιδού δέδωκα ΰμΐν την έξουσίαν τοΰ πατεΐν επάνω οφεων 1 8 και σκορπιών ... και ουδέν ύμας οϋ μή άδικήση hin 1 9 . In diese Tradition wurde wohl ebenfalls bereits vorlk das ursprünglich isoliert tradierte Jesuslogion Lk 10,18 eingefügt 2 0 . Auffällige Parallelen zu der Lk 10,18f. nunmehr gegebenen Abfolge von Satansturz und Jüngervollmacht über das Böse bietet die - allerdings futurische - Aussage Test Lev 18,12 και ό Βελιάρ δεθήσεται ΰ π ' αύτοΰ, και δώσει έξουσίαν τοΤς τέκνοις αϋτοΰ τοΰ πατεΤν έπί τά πονηρά πνεύματα (ähnlich Test Sim 6,6). D e m lk Bericht von der Rückkehr der Zweiundsiebzig liegt somit ein älteres Überlieferungsstück zugrunde, das in schulgesprächartiger Form den erfolgreichen Vollzug von Dämonenaustreibungen im Namen Jesu theologisch reflektiert, indem d i e s e auf den Sturz d e s Satans (Lk 10,18) mit Schwächung der ihm untergebenen Geister und auf eine Wunder-

15 Bultmann, Syn Tradition 170. - Πλην (31mal im NT) begegnet 15mal im Lk-Ev und 4mal in Apg (Mk 1/Mt 5). Anders Jeremias, Sprache 139f., der adversatives πλην im Lk-Ev offenbar durchweg der von ihm vermuteten lk Sonderquelle zuschreibt. 16 Neben dem eher unlk ΰποτάσσειν (außer Lk 10,17.20 lediglich noch 2,51 verwendet) begegnet das lk Vorzugswort χαίρειν (Lk 12/Apg 7 / M k 2 / M t 6), und έν τοΤς ούρανοΐς bietet Lk in 18,22 gegen έν ούρανφ Mk 10,21. 17 Gegen Miyoshi, Reisebericht 97, berechtigt τά δαιμόνια 10,17b (δαιμόνιον bei Lk 4,41; 7,33; 9,49; 11,15.19.20 jeweils traditionell) nicht im mindesten zu der Annahme, auch Lk 10,17b sei redaktionell. 18 Die Vollmacht über Schlangen ist typisches Kennzeichen von Wundertätern und Schamanen, vgl. TBer 3,20 (Chanina ben Dosa); Apoll Parad, Hist Mir Vl/Iambl, Vit Pyth XXVIII, 142 (Pythagoras), siehe auch Bokser, Wonder-Working 49 mit Anm.25. 19 Gegen Schmithals, Lk-Ev 124: Mk 16,17f. habe Lk in einer Grundschrift des Mk-Ev vorgelegen und sei Lk 10,19 redaktionell verarbeitet worden. Ebensowenig kommt umgekehrte literarische Abhängigkeit des Passus Mk 16,17f. von Lk 10,17.19 in Betracht. 20 Daß εΐπεν δέ αΰτοΐς (Lk 10,18) im NT ausschließlich bei Lk bezeugt ist (Miyoshi, Reisebericht 99; vgl. Jeremias, Sprache 33), verbürgt noch nicht eine erst lk Einfügung von Lk 10,18. Denn ebensogut kann Lk ein vorgefundenes και εϊπεν αύτοΤς o.ä. in εϊπεν δέ αύτοΐς abgeändert haben, wie es Lk 8,25; 9,20 diff. Mk 4,40; 8,29 nachweisbar ist.

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bevollmächtigung Jesu (10,19; vgl. 10,9par) als tragenden Grund zurückgeführt werden 2 1 . Der vorlk Charakter von 10,17b-19 sowie der Sachverhalt, daß auch die mk Aussendungstradition von einer Rückkehr der Jünger berichtete (Mk 6,30) 21 , legt die Annahme nahe, daß Lk 10,17-19 bereits in Q oder in Q L k an die Aussendungsrede und die Wehesprüche Lk 10,l-16par anschloß 22 und in Verbindung mit einem vorlk Wandercharismatikertum steht. Eine deutliche Akzentverschiebung zeigt sich dagegen in der lk Anfügung des Logions 10,20, das die Bedeutung solcher nachösterlichen Dämonenaustreibungen erheblich relativiert, indem ihnen in wunderkritischer Intention das "Eingetragensein in den himmlischen Büchern" übergeordnet wird 2 3 .

1.2. Die Gegner des Paulus im 2 Kor Ein vom Typus her frappierend ähnliches, durch Machttaten und eine Beanspruchung des apostolischen Unterhaltsrechtes gekennzeichnetes Wandercharismatikertum judenchristlicher Herkunft, wie es hinter den syn Aussendungstraditionen erkennbar wurde, begegnet uns mit den Gegnern des Pls im 2 Kor. Für eine Erhellung ihrer Identität und Lehren stellt der Briefabschnitt 2 Kor 10-13 die maßgebliche Quellengrundlage dar 24 . 2 Kor 11,22 zufolge rühmten sich die pln Gegner als Hebräer, Israeliten und Same Abrahams. Es handelt sich also eindeutig um Judenchristen. Eine vielfach vermutete Herkunft aus Palästina25 läßt sich dabei ebensowenig beweisen wie ausschließen, da sämtliche Bezeichnungen

2 1 M k 6,30 ist nicht uneingeschränkt redaktionell, wie die für Mk atypische Vorordnung der Tat gegenüber dem Wort zeigt. 2 2 Vgl. Sato, Q 55f., der mit einer Herkunft aus Q L k rechnet, allerdings den gesamten V.17 für redaktionell hält. Schmithals, Lk-Ev 124, stuft zumindest Lk 10,18 als Q-Logion ein. 23 Treffend Bultmann, Syn Tradition 170: Lk 10,20 stamme "aus einer Zeit, in der die Uberschätzung des Wunders zu einer Gefahr für die G e meinde wurde." 24 Mit Einschränkung ist darüber hinaus 2 Kor 2,14-7,4 von Bedeutung. Die unterschiedlichen Teilungshypothesen zum 2 Kor bedürfen hier keiner näheren Erörterung. Auch wenn 2 Kor 2,14-7,4 und 2 Kor 10-13 unterschiedlichen Korintherbriefen zugehören werden (vgl. Bornkamm, V o r g e schichte 172ff.; Becker, Paulus 234), bleibt die Frontstellung oder die G e g nerschaft in beiden Briefen dieselbe. 25 Käsemann, Legitimität 479ff.; Lüdemann, Antipaulinismus 141-143. vgl. zur Forschungsgeschichte, die Gegnerfrage betreffend, Ellis, Paul and his Opponents 102ff.; Sumney, Identifying Paul's Opponents 15-73.

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auch für Diasporajuden zutreffen 2 6 . Daß die Gegner für sich den Aposteltitel beanspruchten, geht aus der pln Polemik von 2 Kor 11,13 hervor, es handele sich um Pseudoapostel, die sich in Apostel Christi verwandelt hätten. Zudem dürfte auch die ironische Bezeichnung "Überapostel" (11,5; 12,11) auf die Gegner und nicht auf die Jerusalemer Autoritäten gemünzt s e i n 2 7 . "Pseudoapostel" 11,13 deutet daraufhin, daß die Gegner nicht zu dem für Pls geschlossenen, durch eine Epiphanie des auferstandenen Christus konstituierten Apostelkreis von 1 Kor 15,7 zählten. Sie traten als Apostel auf, wurden aber von Pls nicht als solche anerkannt, da ihnen eine Christusvision als das nach seiner Auffassung entscheidende Merkmal apostolischer Würde fehlte. Der apostolische Anspruch der Gegner leitete sich aller Wahrscheinlichkeit nach von der Q-Aussendungstradition (vgl. αποστέλλω Lk 10,3par) ab, wie dies auch hinter den antipln Tendenzen von 1 Kor 9,1-18 erkennbar wird. In der polemischen Wendung έργάται δόλιοι greift Pls mit εργάτης, das im Corpus Paulinum sonst nur noch Phil 3,2 belegt ist, eine Selbstbezeichnung seiner Gegner auf, die in der Q-Aussendungstradition (Mt 9,37f.; 10,10/Lk 10,2.7) in Verbindung mit dem Unterhaltsrecht der Ausgesandten begegnet. Zudem ruft der wohl ebenfalls von den Gegnern reklamierte Titel "Diener der Gerechtigkeit" (2 Kor 11,15) die Erinnerung daran wach, daß auf Gemeindekosten lebende Wandercharismatiker als δίκαιοι auftraten (Mt 10,41). Beides deckt sich mit den pln Ausführungen von 2 Kor 11,7-11 und 12,11-16, denenzufolge die Gegner das Recht auf Unterhalt als unverzichtbaren Bestandteil apostolischer Autorität betrachteten, offenbar nicht unbeträchtliches Entgelt für ihre Tätigkeit beanspruchten (vgl. 11,20; 12,13) 2 8 und umgekehrt die pln Nichtinanspruchnahme des apostolischen Unterhaltsrechtes als Sünde einstuften (11,7) 2 9 Unverkennbar stehen sich hier zwei völlig gegensätzliche, mit den Schlagworten "Tradition" und "Offenbarung" charakterisierbare Auffassungen von Apostolat gegenüber. Bei den pln Gegnern dominiert ein 26 Vgl. Georgi, Gegner 5 1 - 8 2 ; speziell zu ΈβραΤος auch Gräßer, Hebr I 42-44. 27 Vgl. zur Identität der "Uberapostel" mit den in Korinth eingedrungenen Gegnern Roloff, Apostolat 79 mit Anm.129; Lüdemann, Antipaulinismus 133-135. Gegen Käsemann, Legitimität 4 8 5 - 4 9 3 ; B a r r e t t , Opponents 246.252f., die den Begriff auf die Jerusalemer Urapostel beziehen. 28 Vgl. Georgi, Gegner 2 3 4 - 2 4 1 ; H.D. Betz, Paulus lOOff., speziell zum sozialgeschichtlichen Hintergrund Theißen, Legitimation 2 0 2 - 2 1 4 . 2 2 6 - 2 2 9 . 29 Friedrich, Gegner 188, vermutet unter Verweis auf die für Pls atypische Verwendung von αμαρτία für eine Tatsünde plausibel, daß 11,7 mit αμαρτία ein gegnerisches Schlagwort aufgegriffen wird.

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Traditionsprinzip, das durch einen formalen Bezug auf Jesusüberlieferung (Lk 10,7.9par), verbunden mit einer Betonung jüdischer Abstammung (2 Kor 11,22) und einer Berufung auf Empfehlungsschreiben (3,1) 30 , gekennzeichnet ist. Pls sieht dagegen seinen Apostolat allein durch eine Christusvision mit Sendungsbefehl konstituiert (1 Kor 9,1; 15,6-11; Gal l,12ff.) 31 und kann sich um des von Anfang an zentralen (Gal l,15f.) Verkündigungsauftrags an die Heiden willen über traditionelle Elemente des apostolischen Selbstverständnisses, im konkreten Falle die das Unterhaltsrecht betreffende Aussendungsinstruktion Jesu, hinwegsetzen 32 . Dies war auch schon 1 Kor 9,1-18 der Fall. Ein entscheidender Grund für den beträchtlichen Erfolg der im 2 Kor bekämpften Opponenten dürfte darin bestehen, daß bereits bei Abfassung des 1 Kor antipln Tendenzen in Korinth wirksam waren, die den Apostolat des Pls von einem grundlegend auf einzelnen Missionsinstruktionen der Q-Tradition basierenden Apostelverständnis her in Frage gestellt hatten und an die nunmehr nahtlos angeknüpft werden konnte.

Exkurs: Die Aussendungsanordnungen Jesu bei Pls und seinen Gegnern in Korinth Daß Pls die Aussendungsanordnungen der Q-Tradition zumindest partiell bekannt waren, belegt die Apologie seines Apostolats 1 Kor 9,1-18 im übergreifenden Sachzusammenhang der Götzenopferproblematik von 1 Kor 8-10. Den auf ihrer εξουσία beharrenden (8,9) Starken in Korinth hält Pls in 1 Kor 9,1-18 ein persönliches Beispiel dafür vor Augen, wie

30 Da die Gegner auch in Korinth Empfehlungsbriefe erhielten (έξ ΰμωυ 2 Kor 3,1), handelt es sich nicht um Schreiben der Jerusalemer Autoritäten (Windisch, 2 Kor 103f.), sondern um Referenzen der Ortsgemeinden mit Beispielen für die pneumatischen Machterweise der Wanderapostel (Georgi, Gegner 241ff.). Vermutlich haben sich die Gegner des Pls an die Vorgehensweise anderer von Ort zu Ort ziehender Wundertäter und Krankenheiler der Antike angelehnt. Pythagoras (Diog Laert VIII,3; Porph, Vit Pyth 7) soll ebenso wie der Astrologe und Arzt Eudoxos von Knidos (Diog Laert VIII,87) und Apollonius von Tyana (Philostr, Vit Apoll 11,17.40-41) Empfehlungsbriefe auf Reisen verwendet haben. Mit Apoll, Ep 53, ist ein wohl fiktives Empfehlungsschreiben des Claudius für Apollonius an die Bürgerschaft von Tyana enthalten, in dem die Verdienste des Apollonius während seines Wirkens in Griechenland gepriesen werden. Vgl. zu jüdischen Empfehlungsschreiben jChag 1,8 (76d); jMQ 3,1 (81c). 31 Vgl. Hahn, Mission 82ff.; Dietzfelbinger, Berufung 137ff. 32 Vgl. zu diesem pln Umgang mit Jesustradition die Relativierung des Ehescheidungslogion 1 Kor 7,10 in 7,15f.

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eine grundsätzlich verbürgte εξουσία zugunsten übergeordneter Interessen zurücktreten kann. Pls besitzt wie die übrigen Apostel das Recht auf Unterhalt durch die Gemeinde (9,4-11.13f.)33, nimmt es aber in Korinth (vgl. dagegen 2 Kor ll,7ff.; Phil 4,10ff.) bewußt nicht in Anspruch, weil es ein Hindernis für die Verbreitung des Evangeliums darstellen kann (9,12) und in Spannung zu seinem Selbstverständnis als Apostel steht (9,15-18). Daß Pls über den von 1 Kor 8,1-12 vorgegebenen Argumentationszusammenhang hinausgehend letztlich einer in Korinth aufgekommenen Infragestellung seines Apostolats begegnen will, beweist 1 Kor 9,1-3. "Andere" (άλλοι) haben in Korinth die Unterhaltspflicht der Gemeinde gegenüber geltend gemacht (9,12) und Pls wegen seiner Nichtinanspruchnahme dieses apostolischen Rechtes massiv kritisiert (9,2f.) 34 . Aus der Antithetik von άλλοι und ύμας 1 Kor 9,3 geht hervor, daß sich diese Gegner des Pls, bei denen es sich offenkundig um durchreisende Wandercharismatiker handelte, bei Abfassung des 1 Kor wieder außerhalb der Gemeinde befinden. Das Apostolatsverständnis, mit dem sich Pls konfrontiert sieht und auf das sich die "anderen" von 1 Kor 9,2.12 aller Wahrscheinlichkeit nach stützten, ist 9,4-6 in hinreichender Klarheit entnehmbar. Ein Apostel hat auf Kosten der Gemeinde das Recht, zu essen und zu trinken (9,4), eine christliche Schwester als Ehefrau mitzufuhren (9,5) und nicht zu arbeiten (9,6). Die Formulierung von 9,4 μή ούκ εχομεν έξουσίαν φαγεΤν και πεΐν weist deutliche Anklänge an die Q-Aussendungsanordnung Lk 10,7a εν αύτη δε οικία μένετε έσθίοντες και πίνοντες auf. Daß tatsächlich ein Rekurs auf die Aussendungsrede vorliegt, zeigt 1 Kor 9,14. Dort bezieht sich Pls auf eine Anordnung des Kyrios, derzufolge die Verkündiger des Evangeliums das Recht haben, von dieser Tätigkeit zu leben. Wie bereits der Verf. von 1 Tim 5,18 erkannte 3 5 , handelt es sich um eine sinngemäße Zitation des Q-Logions Lk 10,7b άξιος γαρ ό εργάτης του μισθοΰ (Mt 10,10b της τροφής) αύτοϋ, zumal Pls in 1 Kor 9,17f. von daher das Stichwort μισθός aufzugreifen scheint. Pls skizziert in 1 Kor 9,4-6 ein grundsätzlich auch von ihm beanspruchbares Apostolatsverständnis, das sich konstitutiv auf die Aussen33 Vgl. dazu Pratscher, Verzicht 284ff., zur Funktion von 1 Kor 9,1-18 im argumentativen Duktus von 1 Kor 8-10 Probst, Paulus und der Brief 152-199. 34 Anders Wolff, 1 Kor 25 (Die άλλοι von 9,2 seien nicht mit denen von 9, 12 identisch); Schräge, 1 Kor II 280ff. (Die Apologie ende mit 9,3. Pls wolle dabei die εξουσία als Apostel, nicht den Verzicht auf Unterhalt verteidigen). 35 Vgl. zur Abhängigkeit der Aussage 1 Tim 5,18 von 1 Kor 9,8-14: Roloff, 1 Tim 305f., zur Geschichte des Logions Mt 10,10par im frühen Christentum Harvey, Workman 209-221.

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dungsanordnung Jesu Lk 10,7par stützt und die daraus resultierende Unterhaltspflicht der Gemeinde nunmehr auch auf mitreisende Ehefrauen ausgeweitet hat. Da als maßgebliche Repräsentanten dieses Apostelkonzepts in einer Klimax die "übrigen Apostel", die Brüder Jesu - also auch Jakobus - und Kephas genannt werden 3 6 , wurzelt es im palästinischen Judenchristentum, wie bereits die normative Orientierung an der im Kern authentischen Aussendungsrede Jesu nahelegt. Bei ihrer Berufung auf das 1 Kor 9,4-6 entnehmbare Apostelverständnis der Jerusalemer Autoritäten werden die in Korinth eingedrungenen Wanderapostel von 9,2f.l2 zumindest bei der Kephaspartei auf positive Resonanz gestoßen s e i n 3 7 . Dem daraus resultierenden Antipaulinismus stellt Pls seine eigene Nichtinanspruchnahme des Unterhaltsrechts gegenüber, die er mit Barnabas teilte. Die Q-Aussendungsinstruktion Lk 10,7 war Pls dabei nicht allein dem Inhalt nach, sondern auch als ausdrückliche Anordnung des Kyrios bekannt 3 8 , ohne daß er sie für sich selbst als bindend betrachtet hätte. *

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Die im 2 Kor bekämpften, wiederum von außen in die Gemeinde eingedrungenen (3,1; 11,4) Gegner des Pls stehen zu denjenigen von 1 Kor 9,2f.l2 insofern in sachlicher Kontinuität, als auch sie judenchristlicher Herkunft sind (11,22), in Übereinstimmung mit der Missionsinstruktion Lk 10,7par das apostolische Unterhaltsrecht gegenüber der Gemeinde geltend machen und von diesen Voraussetzungen her den Apostolat des 36 Bei den "übrigen Aposteln" denkt Pls wohl an den geschlossenen Apostelkreis von 1 Kor 15,7 (vgl. Gal 1,17.19). Wenn Petrus bereits von Jesus selber zu Wundertaten instruiert wurde (Lk 10,l-12par) und sich 1 Kor 9,5 zufolge nachösterlich als Missionar an der Aussendungsrede orientierte, ist für die Heilungswunder des Petrus in Apg 3,1-10; 9,32-35.36-42 ein ernstzunehmender historischer Haftpunkt gegeben. 37 Lüdemann, Antipaulinismus 124, vermutet sogar, daß das Auftreten der άλλοι 1 Kor 9,2.12, die möglicherweise den λοιποί απόστολοι zugehörten (113), unmittelbar zur Bildung der Kephaspartei führte. 38 In welchem Umfang Pls die Aussendungstradition kannte, ist nicht auszumachen. Dautzenberg, Unterhaltsrecht 217, sieht 1 Kor 9,7-13 durch das Logion von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern (Lk 10,2par) beeinflußt. Allison, Paul and the Missionary Discourse 370-375, vermutet w e i tergehend, daß Pls eine Q-nahe Fassung der Aussendungsrede in ihrer G e samtheit vorlag. Vgl. auch Neirynck, Paul and the Sayings of Jesus 550-552. Von 2 Kor 12,12 her ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß Pls auch die Wunderinstruktion Lk 10,9/Mt 10,8 der Sache nach bekannt war (siehe gleich).

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Pls massiv untergraben. Als entscheidender neuer Vorwurf gegen Pls kommt nun ein Fehlen von Wundertaten als konstitutiven Apostelzeichen hinzu. Daß für das Apostolatsverständnis der pln Gegner im 2 Kor das Vollbringen von Wundertaten einen zentralen Aspekt darstellte, ist hinter 2 Kor 12,11-13 erkennbar. Dort betont Pls, in nichts hinter den seinen Apostolat bestreitenden "Überaposteln" zurückzustehen, da die σημεία τοΰ αποστόλου als σημεία τε και τέρατα και δυνάμεις während seiner Anwesenheit in Korinth gewirkt und damit der Gemeinde nicht vorenthalten worden seien. 2 Kor 12,12a und 12,12b liegt eine unterschiedliche Bedeutung von σημεΐον zugrunde. Σημεία τοΰ αποστόλου meint allgemein die Kennzeichen des Apostels, während in der Trias σημεία τε και τέρατα και δυνάμεις (vgl. Apg 2,22; 2 Thess 2,9; Hebr 2,4) unter σημεία speziell Wundertaten als solches Charakteristikum apostolischer Würde zu verstehen sind. Von σημεία και τέρατα, die in der Nachfolge Jesu gewirkt werden, ist in Entsprechung zu 2 Kor 12,12b auch Rom 15,19; Apg 2,43; 4,30; 5,12; 6,8; 7,36; 14,3; 15,12 die Rede (vgl. auch Mk 16,17.20). Das dabei gegebene positive σημεΤον-Verständnis hat Parallelen in der joh Wunderüberlieferung (Joh 2,11.23; 6,2 u.ö.), während in der syn Tradition der Begriff σημεΐον negativ besetzt ist (Mk 8,llf.parr.; 13,22). Δυνάμεις im Sinne nachösterlicher Machttaten sind neben 2 Kor 12,12 auch 1 Kor 12,10.28f.; Mt 7,22; ll,20-24parr; Apg 8,13; 19,11; Hebr 2,4 belegt.

Die Apologetik 2 Kor 12,11-13 zeigt, daß in Korinth Pls gegenüber der Vorwurf erhoben wurde, aufgrund unzureichender Machttaten nicht über die geforderten Zeichen eines Apostels zu verfügen. Bei σημεία τοΰ αποστόλου handelt es sich folglich um ein Schlagwort der Gegner 39 , die sich ihrer σημεία τε καϊ τέρατα και δυνάμεις rühmten 40 . Da sich die "Überapostel" mit ihrer Selbstbezeichnung als έργάται (vgl. 11,13) und dem daraus resultierenden Unterhaltsanspruch an die Gemeinde auf Anordnungen der Q-Aussendungstradition stützten, stellt diese auch für die 12,12 entnehmbare Hochschätzung von Wundertaten als Kennzeichen wahrer apostolischer Autorität den nächstliegenden traditionsgeschichtlichen Bezugspunkt dar (Lk 10,9par)41.

39 Vgl. Windisch, 2 Kor 396; Käsemann, Legitimität 477; ähnlich B e r ger, Gegner 373. Gegen Barrett, Opponents 245: Die Phrase stamme von Christen aus Korinth, die sich als Richter über die Apostolizität betrachteten. 40 Vgl. auch H.D. Betz, Christus-Aretalogie 304, der aus der von ihm hinter 2 Kor 12,7-10 vermuteten Christus-Aretalogie folgert, daß Heilungswunder bei den pln Gegnern eine zentrale Rolle spielten. 41 Lüdemann, Antipaulinismus 136f. Vgl. auch Theißen, Legitimation 221f. Wenig überzeugend ist der Versuch von Sumney, Identifying Paul's Opponents 181-186, die Gegner im 2 Kor als singuläres Phänomen des frühen Christentums darzustellen.

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Phil 3,2 βλέπετε τους κακούς έργάτας deutet darauf hin, daß auch die pln Gegner in Philippi als έργάται mit einem auf der Q-Aussendungstradition gründenden apostolischen Anspruch a u f t r a t e n . Folglich besteht trotz offenkundiger Unterschiede im Gesetzesverständnis von der Grundstruktur des Wandercharismatikertums her eine enge Beziehung zu den έργάται δόλιοι des 2 K o r 4 2 . Auch wenn im Phil speziell von Wundertaten nichts verlautet, können sie im Wirken der dortigen pln Gegner doch ebenfalls eine Rolle gespielt haben, ohne daß sie besonderer Erwähnung bedurft hätten. Im 2 Kor kommen Wundertaten als Apostelzeichen nur deshalb zur Sprache, weil sie gegen Pls geltend gemacht werden, was in Philippi offenkundig nicht der Fall war. Wenn Pls 2 Kor 12,12 in apologetischer Zielsetzung betont, während s e i n e s Wirkens in Korinth s e i e n der Gemeinde die von den Gegnern angemahnten σημεία του αποστόλου nicht vorenthalten worden, b e s t e h t kein Grund dazu, ihn hier nicht beim Wort zu n e h m e n 4 3 . Als s o l c h e Wunder d e s Pls kommen unter Mitberücksichtigung von 1 Kor 12,9-11.28-30 hauptsächlich Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen und Glossolalie, vielleicht aber noch weitere, durch das Pneuma gewirkte G e s c h e h n i s s e in B e t r a c h t 4 4 . Die Bedeutung derartiger Wundertaten kann allerdings nur im Horizont der pln theologia crucis sachgerecht erfaßt werden. Während das Passivum Divinum κατειργάσθη 2 Kor 12,12 Gott als eigentlichen Urheber der Wunder herausstellt und eine Abgrenzung der pln A p o s t e l z e i c h e n von den Machttaten selbstherrlicher Thaumaturgen impliziert, zeigt der Vollzug der Wunder "in aller Geduld" (έν πάοτ) υπομονή) e b e n s o wie der gesamte Kontext von 2 Kor 12,11-13, daß für Pls der im Leiden manifeste Nachvollzug der Niedrigkeit Christi den e n t s c h e i d e n d e n Aspekt s e i n e s Wundertaten miteinschließenden Apostelwirkens darstellt und sich für ihn δύναμις in der Schwachheit manife-

42 Vgl. Gnilka, Phil 186 mit Anm.10; 213; Ellis, Paul and his Opponents 108f.; Lüdemann, Antipaulinismus 157f.; Wolff, 2 Kor 7. 43 Pls erwähnt 1 Kor 12,9f.28f. die χαρίσματα ίαμάτων wie die ενεργήματα δυνάμεων (vgl. Gal 3,5) als bei vielen Christen vorhandene Geistesgaben und rechnet σημεία και τέρατα neben 2 Kor 12,12 auch Rom 15,18f. zu den selbstverständlichen Begleiterscheinungen seines Apostelwirkens (ähnlich 1 Thess 1,5), vgl. Jervell, Charismatiker 189ff.; ders., Zeichen des Apostels 68-74; Gatzweiler, Wunderbegriff 397-402; Furnish, 2 Cor 555f.; Wolff, 2 Kor 252f. ; Heckel, Kraft in Schwachheit 216-219. - Gegen Schmithals, Apostelamt 27: Pls habe am ehesten an die Wunderwirkung des Wortes gedacht oder mit der Formel σημεία τε και τέρατα και δυνάμεις sogar überhaupt keine konkrete Vorstellung mehr verbunden; H.D. Betz, Paulus 71ff. 44 Windisch, 2 Kor 397, denkt zusätzlich an Bekehrungen mit besonderen Begleitumständen (vgl. Bultmann, 2 Kor 234) sowie an Strafwunder (1 Kor 5,3ff.).

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stiert (2 Kor 11,23-33; 12,9f.) 45 . Ohnehin handelt es sich bei den Wundern von 2 Kor 12,12 offenkundig um solche Taten, deren Erwähnung Pls von gegnerischer Seite aufgezwungen wird und die nicht speziell mit seinem Apostolat zusammenhängen oder für diesen unabdingbar sind, sondern theoretisch zu den geistgewirkten Charismen eines jeden Christen zählen können (1 Kor 12,29f.). Während die antipln Wandermissionare des 2 Kor über die das Unterhaltsrecht betreffende Anordnung Lk 10,7par hinaus auch die Wunderinstruktion Lk 10,9par als ein die Apostelwürde entscheidend konstituierendes Traditionselement betrachteten, mißt Pls dem Wirken von Machttaten eine für seinen Apostolat lediglich untergeordnete Rolle bei 4 6 . Zwar setzt sich Pls über diesen traditionellen Bestandteil apostolischen Wirkens nicht derart weitgehend hinweg, wie dies in bezug auf das Unterhaltsrecht der Fall ist. Er erwähnt allerdings seine Wundertaten hier lediglich auf gegnerischen Druck hin und hält sie für nebensächlich, da ihn der auferstandene Christus als Apostel zur gesetzesfreien Evangeliumsverkündigung beauftragt hat (1 Kor 1,17; Gal l,15f.).

1.3. Wunderprophetentum im Umfeld des Mt-Ev (Mt 7,15-23) Auch im Umfeld des Mt-Ev wirkten solche in der Tradition der Aussendungsrede stehenden Wandermissionare, wie sie uns mit den Q-Boten und den pln Gegnern im 2 Kor begegneten. Die Endgerichtsszene Mt 7,21-23 belegt die Existenz eines umstrittenen Charismatikertums, das durch Prophetie und Wundertaten gekennzeichnet ist. Diese QTradition steht in engem Zusammenhang mit der 7,15-20 vorangehenden Warnung vor Pseudopropheten. Dabei sind zumindest vormt die im 45 Vgl. Roloff, Kerygma 181f.; Strecker, Legitimität des pln Apostolates 576-S79; Heckel, Kraft in Schwachheit 220-300. 46 Die Gegner stehen im Gegensatz zu Pls in ungebrochener Kontinuität zu den Anordnungen des historischen Jesus und sind so gesehen formal im Recht. Windisch, 2 Kor 26, sieht hier nicht allein "eine mehr oder weniger legitime Abwandlung der ursprünglichen Verkündigung Jesu", sondern b e trachtet es sogar als Tragik, "daß dieser an sich berechtigte Vorstoß von Palästina gegen die paulin. Mission in die Hände bornierter und kleinlicher Männer gelegt war." Allerdings dürfte der pln Apostolat den Erfordernissen der Mission in höherem Maße Rechnung getragen haben als ein rein formales Festhalten an Jesustradition. Gerade die großzügige Inanspruchnahme des Unterhaltsrechtes, bereits 1 Kor 9,5 auf mitreisende Ehefrauen ausgeweitet, stellte ein eher missionshemmendes Element dar (vgl. zur Problematik Did 11,Iff.; Luc, Peregr 13.16) und entspricht kaum der sachlichen Intention dessen, was Jesus einst mit seinen Aussendungsinstruktionen verband.

Wunderpropheten im M t - E v

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Namen Jesu Prophetie betreibenden und Heilungen bewirkenden Charismatiker von 7,22 der S a c h e nach mit s o l c h e n Wanderpropheten identisch, wie sie von Mt in 7,15-20 bekämpft werden. Bei 7,15-20 handelt es sich um eine komplexe mt Komposition. Grundlage ist der Q-Stoff Mt 12,33-35/Lk 6,43-45, ein Gleichnis, das Mt entgegen der ursprünglichen Aussageintention nunmehr speziell einer Warnung vor Pseudoprophetie mit "schlechten Früchten" dienstbar macht, indem er es in 7,19 um das Gerichtslogion der Täuferpredigt Mt 3,10par bereichert und mit der Rahmung 7,15.16a.20 v e r s i e h t 4 7 . Bei den Pseudopropheten handelt es sich eindeutig um Wandercharismatiker, die von außen in die Gemeinde eindringen (έρχονται προς ΰμας 7,15). Auch Mt 7,21-23 ist mehrschichtig. 7,21 hat eine Parallele in Lk 6,46. Das dort weitgehend in der Q-Fassung vorliegende Logion wurde von Mt zu einem Einlaßspruch, den Zugang zur βασιλεία των ουρανών betreffend, umformul i e r t 4 8 . Mt 7,22f. schließlich geht ebenfalls auf Q zurück (par Lk 13,25-27). Eine enge Verzahnung von Mt 7,15-20 und 7,21-23 ist dadurch gegeben, daß 7,16b-18.21 dem Q-Zusammenhang Lk 6,43-46 entspricht und mit ποιεΐν Mt 7,17f.21 und ψευδοπροφηταί/προφητεύειν 7,15.22 Stichwortverbindungen bestehen. Entscheidender Unterschied z w i s c h e n Mt 7,22f. und der Q-Parallele Lk 13,25-27 ist der Sachverhalt, daß sich die im Endgericht V e r w o r f e nen Mt 7,22 auf ihre Prophetie und Wundertaten, Lk 13,26 hingegen auf ihre Mahlgemeinschaft mit Jesus und auf das Hören seiner Lehre berufen. D a n e b e n b e s t e h e n D i f f e r e n z e n im Wortlaut d e s Schriftzitats aus Ps 6,9LXX. In Lk 13,26 handelt es sich bei τότε αρξεσθε λέγειν um eine lk Formulierung unter Einfluß von αρξησθε 13,25, während das mt πολλοί έροΰσίν μοι έν εκείνη τη ήμερα den Q-Wortlaut r e p r ä s e n t i e r t 4 9 . Überhaupt ist die bei Mt vorliegende Gestaltung als Jesusrede im Ich-Stil ursprünglicher, da Lk den Stoff kontextkonform umgestaltet und als direkte Anrede in der 2.Pers.Pl. faßt. Ob die Selbstrechtfertigung der Abgewiesenen in der Mt 7,22 oder der Lk 13,26 vorliegenden Form in Q stand, läßt sich kaum entscheiden. Gegen Lk 13,26 spricht das massive lk Interesse an Mahltopik 5 0 . Umgekehrt ist Mt 7,22 speziell auf Christen gemünzt und setzt nachösterliche Prophetie mit Wunderpraxis voraus, während Lk 13,26 - wie aus dem Kontext hervorgeht Juden angesprochen werden und die Mahlsituation im Erdenleben Jesu ange47 Vgl. zum redaktionellen Charakter von Mt 7,15.16a.20 Gnilka, M t - E v I 272f.; Luz, M t - E v I 401f. 48 In 7,21 erweist sich ό ποιων τό θέλημα τοΰ πατρός μου έν τοις οΰρανοΐς als eindeutig mt (vgl. Mt 12,50 diff. Mk 3,35; ferner Mt 6,10; 18,14). 49 Hoffmann, έργάται 200 mit Anm. 37; Schulz, Q 425. 50 Redaktionelle Parallelisierung von έοθίειν και πίνειν begegnet Lk 5, 30.33; 17,27f; vgl. zum Ganzen Bösen, Jesusmahl 81-84.

332

Wunderwirkende Apostel und Propheten

siedelt ist. Von daher wird gegen Ursprünglichkeit von M t 7,22 meist eingewandt, daß eine sekundäre Umsiedelung des Stoffes aus der M t 7,22 gegebenen Gemeindesituation in die Zeit des irdischen Jesus unwahrscheinlich sei 51 . Selbst wenn dies zutreffen und folglich Lk 13,26 Priorität zukommen sollte, weist Mt 7,22 allerdings keinerlei mt Spezifika auf 5 2 , die eine redaktionelle Umformulierung von Lk 13,26 nahelegten. Mt hat den Stoff offenkundig in Q oder in Q M t bereits vorgefunden. Mt 7,23a ist gegenüber Lk 13,27a im wesentlichen ursprünglich. Die Abweichungen zwischen Mt 7,23b αποχωρείτε άπ' έμοΰ οΐ εργαζόμενοι την άνομίαν und Lk 13,27b άπόστητε άπ' έμοΰ πάντες έργάται αδικίας erklären sich am plausibelsten dadurch, daß Lk im ersten, Mt im zweiten Teil an den ursprünglich frei zitierten Ps 6,9LXX (άπόστητε άπ' έμοΰ, πάντες οί έργαζόμενοι την άνομίαν; vgl. auch 1 Makk 3,6 πάντες οΐ έργάται της ανομίας) angeglichen hat. In Q war also - und dies ist nachdrücklich festzuhalten entgegen dem exakten Wortlaut von Ps 6,9LXX von έργάται άδικίας die Rede 5 3 . Die Mt überkommene Tradition lautete wahrscheinlich πολλοί έροΰσίν μοι έν έκείνη τ ξ ήμερα " κύριε κύριε, ού τω σω ονόματι έπροφητεΰσαμεν, και τω σω ονόματι δαιμόνια έξεβάλομεν, και τω σω ονόματι δυνάμεις πολλάς έποιήσαμεν; και τότε ομολογήσω αΰτοΐς δτι ουδέποτε εγνων ύμας " αποχωρείτε άπ' έμοΰ πάντες έργάται άδικίας. Die im Gegensatz

zu Lk 13,25-27 hier vorliegende

Zuspitzung

auf

christliche Charismatiker war damit bereits vormt gegeben, so daß die Frage nach der Identität der Propheten und Wundertäter von 7,22 für Mt selbst und für die ihm überkommene Tradition getrennt zu beantworten ist. Vormt hat es sich dabei recht eindeutig um solche "pseudoprophetischen" werden.

Dies

Wandercharismatiker geht

insbesondere

aus

gehandelt, der

von

wie Mt

sie in

7,15

erwähnt

εργαζόμενοι

την

άνομίαν abgeänderten, polemischen Bezeichnung έργάται άδικίας hervor. Der Begriff έργάται ruft Assoziationen zu den έργάται δόλιοι von 2 K o r 11,13 und den κακοί έργάται von Phil 3,2 wach, während άδικίας daran denken läßt, daß die pln Gegner im 2 K o r als διάκονοι δικαιοσύνης auftraten (2 K o r 11,15) und Unterhalt beanspruchende Wandercharismatiker im U m f e l d des M t - E v den Titel δίκαιος trugen ( M t 10,41). Für 2 K o r 11,13 und Phil 3,2 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit

davon

auszugehen,

51 Vgl. Hoffmann, έργάται 200; Schulz, Q 425; Gnilka, M t - E v I 273; Luz, M t - E v I 402. Anders freilich Käsemann, Anfänge 84; Strecker, Bergpredigt 172 (Lk nehme sekundär die Intention seines Kontextes auf). 52 Vgl. Strecker, Bergpredigt 172 mit Anm.32; Luz, Mt-Ev I 402. 53 Abwegig ist die Annahme, Lk habe εργαζόμενοι την άνομίαν in έργάται άδικίας abgeändert (Hoffmann, έργάται 202; Schulz, Q 426, Anm.169). 'Αδικία begegnet zwar in den E w ausschließlich bei Lk, doch ausnahmslos traditionell, nämlich neben 13,26 in Sondergutgleichnissen (16,8f.; 18,6). Umgekehrt ist άνομία in den E w ausschließlich bei Mt, und zwar durchweg redaktionell belegt (neben 7,23 noch 13,41; 23,28; 24,12).

Wunderpropheten im M t - E v

333

daß sich die dortigen Gegner des Pls jeweils unter Berufung auf die Aussendungstradition als έργάται bezeichneten und Pls dies ironisch in έργάται δόλιοι bzw. κακοί έργάται wendet. Ein derartiger polemischer Bezug zu den Logien von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern (Mt 9,37par) und von dem Arbeiter, der seines Lohnes wert ist (Mt 10,10bpar), legt sich auch für die έργάται άδικίας nahe 5 4 , zumal sich mit deren Dämonenaustreibungen und δυνάμεις - am ehesten Krankenheilungen 5 5 - im Namen Jesu 5 6 ein weiterer Topos traditionsgeschichtlich in den Aussendungsanordnungen Jesu fixieren läßt (Mt 10,8par) 57 . Die Wanderpropheten von Mt 7,22f. und die pln Gegner im 2 Kor sind Repräsentanten eines eng miteinander verwandten, durch ein Selbstverständnis als "Arbeiter" und "Gerechte" sowie durch eine Hochschätzung von Machttaten gekennzeichneten Typus von Wandercharismatikertum mit traditionsgeschichtlichen Wurzeln in den Q-Aussendungsinstruktionen. Daß auch das Unterhaltsrecht beansprucht wurde, ist zwar Mt 7,22f. expressis verbis nicht entnehmbar, aber im Horizont von Mt 10,10par bereits in dem Titel εργάτης impliziert und angesichts der Gemeinderegel Mt 10,40-42, die Wanderpropheten ein Gastrecht in der mt Gemeinde zuspricht, ohnehin naheliegend. Die vormt Tradition 7,22f. steht solchen Charismatikern äußerst ablehnend gegenüber, indem ihnen in Form eines Gerichtsspruches für den Jüngsten Tag die Verwerfung durch den Kyrios vorhergesagt wird. Für Mt ist umstritten, ob er in 7,22f. die Frontstellung seines Traditionsstoffs teilt und die dortigen Aussagen ebenfalls auf Wandercharis54 Grundsätzlich dürfte Uberall dort im NT, wo εργάτης titular als "Missionsarbeiter" begegnet, ein Bezug zu der Aussendungstradition und dem Unterhaltsrecht impliziert sein (vgl. Haraguchi, Unterhaltsrecht 178-195). Von den elf Belegen für εργάτης als Missionsarbeiter (im wörtlichen Sinne dagegen Mt 20,1.2.8; Apg 19,25; Jak 5,4) lassen sich sieben (Mt 9,37f.; 10,10; Lk 10,2.7; 1 Tim 5,18) eindeutig und drei (Lk 13,27; 2 Kor 11,13; Phil 3,2) mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit der Aussendungstradition zuordnen, wie es auch für den verbleibenden Befund 2 Tim 2,15 naheliegt. 55 Käsemann, Anfänge 84; Schweizer, M t - E v 114; Sand, M t - E v 155. 56 Bei den Dämonenaustreibungen und Machttaten εν τω σω ονόματι Mt 7,22f. dürfte über ein rein instrumentales Handeln in der Kraft Jesu (Bietenhard, ThWNT V 276f.) hinausgehend die Beschwörung von Krankheitsgeistern beim Namen Jesu impliziert sein (Heitmüller, Im Namen Jesu 58). Vgl. zu den unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten auch Davies/Allison, Matthew I 715f. 57 Treffend Hill, False Prophets 340: "They are Christians whose charismatic activity amounts in a sense to a continuation of that of Jesus himself (in proclamation, exorcism and healing) in fulfillment of the apostolic commissioning (Mt 10,7-8) and which is in no way abnormal in the life of the early church."

334

Wunderwirkende Apostel und Propheten

matiker, konkret auf die von außen die mt Gemeinde bedrohenden Pseudopropheten von 7,15, bezieht. Alternativ kann Mt 7,22f. auf der redaktionellen Ebene, isoliert von 7,15-20, als Hinweis auf eine mt Auseinandersetzung mit innergemeindlichem Charismatikertum betrachtet w e r den. Neben der beobachteten engen Verzahnung von 7,15-20 mit 7,21-23 spricht auch Mt 24,llff. für die überwiegend vertretene Auffassung, Mt 7,21-23 sei vom Evangelisten auf die von außen die Gemeinde bedrohenden Pseudopropheten von 7,15 g e m ü n z t 5 8 . 24,llff. ist von ψευδοπροφηται außerhalb der Gemeinde die Rede, die - εργαζόμενοι την άνομίαν 7,23 entsprechend - mit ανομία in Verbindung gebracht werden (24,1 lf.) und deren σημεία και τέρατα (24,24) der Verbindung von Prophetie und Wunderwirksamkeit in 7,22f. entsprechen. Alternativ kommt in Betracht, daß 7,21 mit dem generalisierenden oü π α ς ein Wechsel der Perspektive vorliegt, indem Mt sich nicht mehr einem von außen einzudringen drohenden Pseudoprophetentum (7,15-20), sondern nunmehr innergemeindlichen ekstatischen Äußerungen des Gemeindelebens zuwend e t 5 9 . Trifft dies zu, dann ergibt sich für die mt Gemeinde ein partiell mit den Gegebenheiten in Korinth deckungsgleiches Bild, insofern als einzelne Christen mit der Befähigung zu Prophetie, Dämonenaustreibungen und weiteren Wundertaten, darunter wohl Krankenheilungen, ausgestattet sind (vgl. 1 Kor 12,9f.28-30). Mt hat die ihm in 7,23 bereits überkommene kritische Haltung g e g e n über solcher charismatischen Prophetie mit Wunderpraxis durch Voranstellen d e s Einlaßspruches 7,21 noch deutlich zugespitzt. Vom Primat der Ethik her ordnet Mt das Tun des väterlichen Willens den 7,22 erwähnten prophetisch-ekstatischen Äußerungen d e s christlichen Glaubens sachlich über und erhebt e s zum alleinigen Maßstab für das B e s t e h e n im Endgericht und den Zugang zur G o t t e s h e r r s c h a f t 6 0 . 58 Barth, Gesetzesverständnis 68f.l52; Luz, Mt-Ev I 401ff.; Gnilka, M t Ev I 272-274; Davies/Allison, Matthew I 701f. Meist wird dabei unter Berufung auf εργαζόμενοι την άνομίαν 7,23 mit heidenchristlichen Antinomisten gerechnet (vgl. bes. Barth, aaO.); ανομία ist freilich für Mt jegliches Abweichen vom Tun der besseren Gerechtigkeit, das selbst Pharisäern und Schriftgelehrten vorgeworfen werden kann (23,28), und die Bezüge zur Aussendungstradition deuten darauf hin, daß es sich bei den kritisierten Charismatikern um Judenchristen handelt. 59 Hill, False Prophets 340-348; Strecker, Bergpredigt 167, Anm.l5;171. Ähnlich H.D. Betz, Episode 27f. 60 Welches Ausmaß die Wunderkritik bei Mt annimmt, ist allerdings umstritten. Keine prinzipielle Ablehnung, sondern lediglich Zurückhaltung bzw. Bindung der Wunder an das Tun der besseren Gerechtigkeit sehen Strecker, Bergpredigt 175; Luz, M t - E v I 406; Davies/Allision, Matthew I 716. W e s e n t lich weitergehend Käsemann, Anfänge 84: Mt wolle von solcher enthusiastischen Frömmigkeit, wie sie 7,22 zutage tritt, nichts mehr wissen; vgl. auch

Der fremde Dämonenaustreiber

335

Vermutlich lassen sich von dem Mt 7,15-23 angesprochenen "pseudoprophetischen" Wandercharismatikertum Verbindungslinien zu der im unmittelbaren Wirkungsbereich des Mt-Ev anzusiedelnden Didache ziehen, wo Did ll,3ff. von Pseudoaposteln und -propheten die Rede ist, die das Unterhaltsrecht gegenüber der Gemeinde auszunutzen suchen. Daß sie sich dabei auf die Aussendungsinstruktion Mt 10,10 beriefen, geht indirekt aus Did 13,If. hervor. Dort betont der Didachist, daß das αξιός έστιυ ό εργάτης της τροφής (vgl. Mt 10,10 diff. μισθού Lk 10,7!) αύτου ausschließlich auf solche wahren Propheten und Lehrer dauerhaft anwendbar sei, die sich unter Aufgabe ihrer Wanderexistenz fest in der Gemeinde niederlassen. Ob die Pseudoapostel und -propheten in Anlehnung an Mt 10,8 auch Wundertaten bewirkten, ist Did ll,3ff. nicht entnehmbar, hat aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich 6 1 . Der Erwähnung bedurfte offenbar nur die einer normativen Regelung harrende Frage des Unterhaltsmißbrauchs.

1.4. Der fremde Dämonenaustreiber (Mk 9,38-40) Möglicherweise handelt es sich auch bei dem "fremden Exorzisten" Mk 9,38-40 um den Repräsentanten eines christlichen, wie die Pseudopropheten von Mt 7,15-23 am Rande der "Rechtgläubigkeit" angesiedelten Wandercharismatikertums. Mk 9,38-40 stellt innerhalb der Jüngerbelehrung Mk 9,33-50 eine eigenständige, vormk Tradition 62 dar, deren ursprünglicher Überlieferungskern in Vv 38f. zu sehen ist 6 3 . Der Form nach liegt ein Lehr- oder Schulgespräch vor, indem die vom Jüngerkreis mit Johannes an der Spitze mißbilligten fremden Dämonenaustreibungen durch eine autoritative Weisung Jesu toleriert werden. Der besagte Wundertäter treibt "εν τω όνόματί σου", also wohl unter Beschwörungen beim Namen Jesu (Apg 19,13), Dämonen aus und Hull, Hellenistic Magic 128ff.; Böcher, Mt und die Magie 22-24; Trunk, Messian. Heiler 224-235. - Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die mt Auslassung von Mk 9 , 3 8 - 4 0 , wo Mt 7,22 entsprechende Wundercharismatik im Namen Jesu toleriert wird. 61 Vgl. Niederwimmer, Entwicklungsgeschichte 156: "Als Funktion des Apostels der Did.-Tradition dürfen wir vermuten: eschatologische Verkündigung, Bußruf, Exorzismen." 62 Gegen Schmithals, Mk-Ev II 430f.; Fleddermann, Discipleship Discourse 64-66: Mk 9 , 3 8 - 4 0 sei mk Bildung. 63 Daß Mk 9,40 eine sekundäre Generalisierung darstellt (Bultmann, Syn Tradition 23; Pesch, Mk-Ev II 107; Schnackenburg, Mk 9,33-50 146f.; gegen Wilhelms, Exorzist 166, der 9 , 3 8 - 4 0 für einheitlich hält), zeigt die eigenständige Q-Parallele Mt 12,30/Lk 11,23.

336

Wunder auf Befehl des Auferstandenen

wird von den Jüngern daran gehindert. Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß es sich dabei um eine Begebenheit aus der Zeit Jesu handelt 6 4 . Für eine spätere Entstehung sprechen allerdings die eher nachösterlich vorstellbaren Dämonenaustreibungen im Namen Jesu und das auf Regelung von Gemeindeproblematik hindeutende ούκ ήκολούθει ήμΐν 65 . Dieser Wendung ist zugleich entnehmbar, daß die Wirksamkeit des umstrittenen Wundertäters den Rahmen "angemessener" Jesusnachfolge sprengt. Meist wird hier im Horizont von Apg 19,13-17 mit jüdischen oder heidnischen Versuchen gerechnet, den Namen Jesu zu magischen Zwecken zu gebrauchen 66 . Doch verträgt sich dies schlecht mit der ausgesprochen toleranten Haltung, die im Gegensatz zu den Skevassöhnen dem fremden Dämonenaustreiber von Mk 9,38f. entgegengebracht wird. Aus diesem Grunde ist eher damit zu rechnen, daß innerchristliche Diskussionen um "Häresie" und "Orthodoxie" eine Rolle spielen (vgl. Mt 7,22f.) 67 , und es spricht nichts dagegen, in Mk 9,38f. ebenfalls Spuren eines umstrittenen christlichen Wandercharismatikertums mit Wunderwirksamkeit zu sehen, wie es von der Grundstruktur her auch mit den Q-Boten, den pln Gegnern im 2 Kor und den "Pseudopropheten" von Mt 7,15-23 begegnet.

2. Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen auf Befehl des auferstandenen Christus 2.1. Die Wunderbevollmächtigung Mk 16,15-20 Neben Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen in der Tradition der Aussendungsinstruktionen Jesu ist spätestens für das 2.Jhdt.n.Chr. ein christliches Wundercharismatikertum bezeugt, das seine Legitimität maßgeblich von einer Beauftragung durch den auferstandenen Christus ableitete. Innerhalb des längeren sekundären Markusschlusses findet sich Mk 16,17f. im Zusammenhang mit einer Missionsinstruktion Jesu die Ankündigung zukünftig von den Jüngern gewirkter, als σημεία im positiven Sinne gekennzeichneter Wunder, darunter Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen durch Handauflegung. Dabei handelt es sich um 64 Wilhelm, Exorzist 168-170; Eitrem Notes 4 f . l l f . ; M. Smith, Jesus the Magician 35f.; Pesch, Mk-Ev II 109. 65 Vgl. Bultmann, Syn Tradition 23f.; Lohmeyer, Mk-Ev 195; Gnilka, MkEv II 431; Lührmann, Mk-Ev 166. 66 Gnilka, M k - E v II 60; Lohmeyer, Mk-Ev 194f. 67 Vgl. Shirock, Exorcists 45, als Möglichkeit auch bei Lührmann, MkEv 166.

Der unechte Markusschluß

337

eine normative Missionsinstruktion, die in dem uns unbekannten Überlieferungsmilieu die gleiche Funktion erfüllte wie der Missionsbefehl Mt 28,19f. in der mt Gemeinde. Textkritisch ist Mk 16,9-20 sekundär, da dem Mk-Schluß έφοβοΰντο γάρ 16,8 nicht nur aufgrund seiner Bezeugung durch X und B, sondern auch als lectio brevior et difficilior Präferenz gebührt 1 . Der Versuch von E. Linnemann, unter Vermutung von Blattabbruch in einem Teil der Textüberlieferung eine Zugehörigkeit von Mk 16,15-20 zum ursprünglichen Mk-Text plausibel zu machen, kann als gescheitert gelten 2 , und auch die Annahme von W. Schmithals, Mk 16,15-20 sei von Mk getilgter Abschluß des vormk Passionsberichts gewesen 3 , vermag nicht zu überzeugen. Die in diesem Zusammenhang beanspruchte mt Verarbeitung von Mk 16,18-20 in Mt 28,16-20 läßt sich nicht zwingend erweisen, und zudem bleibt unklar, wie Mt unabhängig vom Mk-Ev Zugriff auf die vormk Passionsüberlieferung gewonnen haben sollte. Folglich ist daran festzuhalten, daß der vormk Passionsbericht wie das Mk-Ev selbst ursprünglich mit έφοβοΰντο γάρ 16,8 Schloß und Mk 16,9-20 mit der uns interessierenden Wunderthematik 16,17f. sekundär aus dem Bedürfnis heraus angefügt wurde, auch das Mk-Ev mit Epiphanien des Auferstandenen enden zu lassen. Spätester terminus ad quem für die Entstehung der Erscheinungstradition Mk 16,9-20 ist deren eindeutige Bezeugung durch Irenaus 4 . Vermutlich spielt aber bereits Just, Apol I 45,5 οί απόστολοι αύτοϋ εξελθόντες πανταχού έκήρυξαν auf Mk 16,20 an. D i e s e s recht späte Datum spricht nicht gegen ein h o h e s Alter einzelner in Mk 16,9-20 verarbeiteter Traditionen. Während e s sich bei Mk 16,9-14 um eine exzerptartige Kompilation unterschiedlicher lk und joh Ostertraditionen handelt 5 , bietet der demgegenüber eigenständige Abschnitt 16,15-20 eine von Mt 28,19f. (vgl. auch Lk 2 4 , 4 7 - 4 9 ) literarisch unabhängige Variante eines M i s s i o n s b e -

1 Farmer, Last Twelve Verses of Mark 107f., rechnet Mk 16,9-20 als redaktionelle Bearbeitung älteren Materials zum ursprünglichen M k - E v , kann aber angesichts der klaren literarischen Beeinflussung von Mk 16,9-14 durch lk und joh Ostertraditionen diese Hypothese nur unter Bestreitung der MkPriorität aufrechterhalten. Zudem widerspricht das positive σημεΐα-Verständnis von Mk 16,17.20 dem mk Zeichenverständnis, wie es 8,llf.; 13,22 zutage tritt. 2 Linnemann, Markusschluß 260ff. Vgl. dagegen Aland, Markusschluß 3-13. 3 Schmithals, Markusschluß 403ff.; ders., Mk-Ev II 720f. 4 Iren, Haer III 10,6 επί τέλει δε τοΰ ευαγγελίου φησίν ό Μάρκος · "ό μεν ουν Κύριος Ίησοΰς μετά τό λαλησαι αΰτοΐς άνελήμφθη εις τόν ούρανόν και έκάθισεν έκ δεξιών τοΰ θεοΰ". 5 Im einzelnen setzt Mk 16,9f. eine Kenntnis von Joh 20,1.11 und Lk 8,2 voraus. Mk 16,12f. rekurriert auf die Emmauslegende Lk 24,13-35. Mk 16,14 schließlich dürfte auf Lk 24,36-43/Joh 20,19-23 anspielen.

338

Wunder auf Befehl des Auferstandenen

fehls d e s Auferstandenen 6 , die mit dem Fehlen einer triadischen Taufformel sogar partiell älter als Mt 28,19f. sein könnte. Das Grundgerüst d e s Wunderkatalogs Mk 16,17f. besteht aus einem auch Lk 10,17b.19 zugrundeliegenden Traditionszusammenhang z w i s c h e n Dämonenaustreibungen im Namen Jesu und einer Vollmacht über Schlangen, hier ergänzt um die Befähigung zu Glossolalie, u n b e s c h a d e t e m Genuß tödlichen Trankes und Krankenheilungen durch Handauflegung 7 . Unter Berücksichtigung der ekklesiologischen Implikationen vergleichbarer kanonis c h e r (Mt 28,19f.; Lk 24,47-49; Joh 20,22f.) wie außerkanonischer 8 Instruktionen oder Bevollmächtigungen durch den Auferstandenen ergibt sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß auch Mk 16,17f. s e i n e Entstehung aktuellen Gemeindeinteressen verdankt und Dämonenaustreibungen im Namen Jesu (Mt 7,22; Mk 9,38; Lk 10,17; Apg 16,18), Glossolalie (1 Kor 12,10.30; 14,1-5) und Krankenheilungen durch Handauflegung (Apg 28,8; vgl. Jak 5,14f.; 1 Kor 12,9.30) aus legitimatorischen Gründen auf eine Anordnung des erhöhten Herrn zurückführen will 9 . In dem Missionsbefehl Mk 16,17 und in der Vollzugskonstatierung Mk 16,20

6 Vgl. Lohmeyer, Mk-Ev 362; Schweizer, Mk-Ev 209; Hahn, Mission 53f. Linnemann, Markusschluß 270ff.; Schmithals, Mk-Ev II 720, vermuten sogar, Mt 28,18-20 sei Redaktion von Mk 16,15-20. Gnilka, Mk-Ev II 353, rechnet dagegen bei Mk 16,15-20 offenbar mit literarischer Abhängigkeit von Lk 24,47 (ähnlich E. Helzle, ThLZ 85 [I960] 470). 7 Gegen Schweizer, Mk-Ev 209, der Mk 16,17f. unter Verweis auf Apg 2,1-11; 3,1-10; 9,31-35; 14,8-10; 16,16-18; 19,13-18; 28,3-9 uneingeschränkt von der Apg abhängig sieht. Weder die Glossolalie noch die Krankenheilungen von Mk 16,17f. setzen zwangsläufig eine Kenntnis der Apg voraus, zumal das Motiv unbeschadeten Genusses von Gifttrank (vgl. Papias bei Euseb, Hist Eccl III 39,9) ohnehin aus anderer Tradition stammt. 8 Vgl. dazu Vielhauer, Urchristliche Literatur 680ff.; Schneemelcher, Ntl Apokryphen I 189ff. 9 Vgl. Iren, Haer II 32,4 (Euseb, Hist Eccl V 7,4), über im Namen Jesu gewirkte Wunder seiner Gegenwart: "Die einen nämlich treiben zuverlässig und wahrhaft Dämonen aus (δαίμονας έλαυνουσιν) ... andere aber heilen die Kranken durch Handauflegung und machen sie gesund." Auch die Glossolalie (Mk 16,17) ist in der Zeit des Irenaus noch lebendig (Iren, Haer V 6,1/Euseb, Hist Eccl V 7,6). Vgl. auch den im Namen Jesu (Jeschu ben Pandera) einen Juden von Schlangenbissen heilenden Jakob aus Kephar Sama/Sekhanja (TChull 2,22/jAZ 2,2 [40d-41a]/jSchab 14,4 [14d-15a]), bei dem es sich ohne weiteres um einen in der Tradition von Mk 16,18/Lk 10,19 stehenden christlichen (bAZ 17a) Wundercharismatiker des 2.Jhdt.n.Chr. gehandelt haben kann (anders Maier, Jesus im Talmud 182-192). Schweizer, Mk-Ev 210, sieht Mk 16,15-20 jedenfalls zu Recht vom immer noch lebendigen Enthusiasmus einer Gemeinde geprägt, in der Wunder und charismatische Begabungen hochgeschätzt wurden (ähnlich Schottroff, Feindliche Welt 247 mit Anm.2; gegen Gnilka, Mk-Ev II 353).

Taten des Petrus und der zwölf Apostel

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werden dabei die Wunder der Wortverkündigung als Beglaubigungszeichen untergeordnet. Die Machttaten sind nicht unmittelbares Instrument zur Glaubenserweckung und Bekehrung (Lk 10,9; Iren, Haer II 32,4; Orig, Cels 1,46), sondern dienen den bereits Glaubenden und Getauften als zusätzliche, der Missionsverkiindigung nachgeordnete Bestätigung. 2.2. Krankenheilungsinstruktionen in den "Taten des Petrus und der zwölf Apostel" Eine Mk 16,15-20 vergleichbare Beauftragung zu Krankenheilungen findet sich in den zu den Nag Hammadi-Funden zählenden, allerdings nicht genuin gnostischen "Taten des Petrus und der zwölf Apostel" (Act Pt 8,11-12,19)10. Dort erscheint der auferstandene Christus dem Petrus und den übrigen Jüngern in Gestalt eines Arztes mit Salbenkästchen, wobei sich ein Gehilfe mit einem weiteren Koffer voller Arzneien in seiner Begleitung befindet. Der anfangs unerkannt bleibende Auferstandene vollbringt vorbildhaft eine Krankenheilung (9,32-34), bevor er sich den Jüngern zu erkennen gibt und ihnen den Arzneikoffer mit den Worten "Heilt alle Kranken dieser Stadt, die (an) meinen Namen glauben!" (10,34) überreicht. Während hier ähnlich wie in Mk 6,12f.; 16,20 pharmakologisch bewirkte Krankenheilungen an bereits zum Christentum bekehrten Personen vorausgesetzt sind, ist in Spannung dazu Act Pt 11,18-24 auch von solchen Heilungen die Rede, die ohne Zuhilfenahme von Medikamenten in der missionspropagandistischen Absicht vollzogen werden, Glauben zu erwecken (vgl. Iren, Haer 1132,4; Orig, Cels 1,46): "Heilt also zuerst die Körper, damit auf Grund dieser aufweisbaren Wunder der Heilung ihres Leibes, (die) ohne Arznei aus diesem Äon (erfolgt), sie euch glauben, daß ihr die Vollmacht habt, auch die Krankheiten der Herzen zu heilen." Hinter dieser Ostertradition wird ein asketisch ausgerichtetes (Act Pt ll,26ff.), vermutlich in Syrien zu lokalisierendes Charismatikertum des 2.Jhdt.n.Chr.11 ersichtlich, das Krankenheilungen im Zuge des missiona10 Koptischer Text und Zählung nach Parrott (ed.), Nag Hammadi Codices V , 2 - 5 and VI 2 0 4 - 2 2 9 . Dt. Übersetzung nach H.M. Schenke, in: Schneemelcher, Ntl Apokryphen II 3 6 8 - 3 8 0 . 11 Die ursprünglich in Griechisch abgefaßten "Taten des Petrus und der 12 Apostel" sind noch im 2.Jhdt.n.Chr. in Syrien entstanden (Schenke, aaO. 370), wobei Act Pt 8,11-12,19 eine von drei älteren, in Act Pt kompilierten apokryphen Einzeltraditionen darstellt (vgl. Krause, Petrusakten 46-51). Terminus a quo ist das frühe 2.Jhdt.n.Chr., da Act Pt 8,11-12,19 nicht nur Kenntnis von Mt 16,16-19, sondern auch von Apg 3 vorauszusetzen scheint, vgl. Tuckett, Nag Hammadi and the Gospel Tradition 107-112.

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Krankenheilungen in den Gemeinden

rischen Wirkens einen entscheidenden Stellenwert beimaß und dabei, wie das Motiv des Arztkoffers zeigt, über weitreichende pharmakologische Kenntnisse verfügte. Aus einem offenkundig erheblichen Legitimationszwang heraus, der sich am ehesten aus Versuchen erklärt, diese asketischen Wandermissionare mit ihren Krankenheilungen in den Bereich der Häresie abzudrängen, wurde die Heilungstätigkeit autoritativ auf eine Weisung des auferstandenen Christus zurückgeführt. Die Notwendigkeit solch einer Sonderoffenbarung ergab sich vermutlich dadurch, daß die syn Aussendungstraditionen für die Missionspraxis dieser Wanderasketen, die in deutlicher Spannung zu Lk 10,7par das Gastrecht in den Häusern der Reichen bewußt ablehnten (Act Pt ll,26ff.), nicht als normative Agenden geeignet erschienen.

3. Krankenheilungen in den christlichen Gemeinden 3.1. Der Charismenkatalog 1 Kor 12 Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen von Anfang an einen zentralen Aspekt im Wirken christlicher Missionare darstellten und maßgeblich zur Verbreitung des Christentums beigetragen haben. Daneben zählte die Heilung Besessener oder Kranker auch zu den selbstverständlichen Erscheinungen des innerchristlichen Gemeindelebens. Das älteste Zeugnis hierfür ist der pln Charismenkatalog 1 Kor 12. Einer Anfrage der Korinther über die Bedeutung der Geistesgaben (1 Kor 12,1) verdanken wir in 12, 4-11.28-30 einen Einblick in die Vielfalt des Gemeindelebens. Auch wenn in Korinth ein besonders ausgeprägter Pneumatismus mit ekstatischen Begleiterscheinungen zu veranschlagen ist, dürften doch die Charismen von 1 Kor 12,4-11 zumindest für Teilbereiche des hellenistischen Juden- wie Heidenchristentums in Grundzügen repräsentativ sein 1 . Für unsere Fragestellung sind die pneumatischen Wundertaten in 1 Kor 12,9f.28-30 von besonderer Bedeutung. 1 Kor 12,9b zufolge besitzen einzelne Christen in Korinth das χάρισμα ίαμάτων2 und verfügen so1 Vgl. neben Gal 3,5; Mt 7,22 auch die aktualisierende Rezeption von 1 Kor 12,7-10 bei Just, Dial 39,2. 2 ΐαμα (im NT nur 1 Kor 12,9.28.30), das in LXX wie in der griechischen Literatur überwiegend in seiner ursprünglichen Bedeutung "Heilmittel" verwendet wird, begegnet hier bei Pls als terminus technicus für Krankenheilungen, wie dies auch SIG 3 1168,1; Paus 1136,1 in bezug auf den Asklepioskult der Fall ist.

Der Charismenkatalog 1 Kor 12

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mit über die Befähigung zu Krankenheilungen. Ergänzend ist in 12,10 von ενεργήματα δυνάμεων die Rede 3 , wobei δυνάμεις recht eindeutig auf Wundertaten gemünzt ist. Da diese ενεργήματα δυνάμεων gezielt von den Krankenheilungen in 12,9 abgehoben werden, ist bei ihnen am ehesten an Dämonenaustreibungen zu denken 4 . Selbst wenn die Zuordnung von χαρίσματα und πνεύμα einerseits, von ενεργήματα und θεός andererseits in 12,4.6 gezielt erfolgt sein sollte 5 , handelt es sich allenfalls um Akzentuierungen in theologischer und pneumatologischer Hinsicht. 1 Kor 12,11 zufolge werden nicht allein die χαρίσματα, sondern auch die ενεργήματα δυνάμεων durch den Geist gewirkt. Eine aus dem Geistbesitz resultierende Wunderwirksamkeit in der G e meinde geht auch aus Gal 3,5 ό ouv έπιχορηγων ύμΐν τό πνεΰμα και ενεργών δυνάμεις (vgl. ενεργήματα δυνάμεων 1 Kor 12,9) εν ύμΐν hervor. Wie in 1 Kor 12,4-11 ist dabei in erster Linie an das geistgewirkte Charisma der Krankenheilungen oder Dämonenaustreibungen zu denken 6 .

Über die in Korinth angewandten Krankenheilungs- und Dämonenaustreibungspraktiken läßt uns Pls im Unklaren. Zu vermuten sind pharmakologische Heilpraktiken aus der hellenistisch-römischen Volksmedizin und Dämonenbeschwörungen im Namen Jesu, beides möglicherweise von Gebeten begleitet. Für Pls ist die Wunderwirksamkeit einzelner Christen eine selbstverständliche Erscheinungsform des Gemeindelebens, da er die Heilungswunder und Machttaten als "ganz bekannte, häufige und unzweifelhafte Tatsachen"7 erwähnt, ohne sie zu kritisieren oder gar grundsätzlich in Frage zu stellen 8 . In 12,28-30 sind die δυνάμεις

3 Auch die Befähigung zu δυνάμεις zählt zu den Charismen (12,31). Folglich ist mit ενεργήματα keine von den χαρίσματα unterschiedene Sondergruppe gemeint, sondern es handelt sich um eine betonte Hervorhebung der in dieser Art von Charismen in besonderer Weise wirksamen Kraft Gottes, vgl. G r e e ven, Geistesgaben 112; Schürmann, Gnadengaben 240. 4 Vgl. J. Weiß, 1 Kor 301; Plummer, 1 Cor 266; Lietzmann, 1 Kor 61; Conzelmann, 1 Kor 255 mit Anm.29, zu δυνάμεις für Dämonenaustreibungen o.a. Mt ll,20f.23par; Mk 6,5; 9,39; Apg 8,13; 19,11. 5 Conzelmann, 1 Kor 253; anders Lietzmann, 1 Kor 62. 6 Schlier, Gal 125f.; ähnlich Mußner, Gal 208.211 mit Anm.33; Nielsen, Heilung 203f. - H.D. Betz, Gal 248 mit Anm.75; Rohde, Gal 135 mit Anm.48, denken allgemein an Manifestationen des Pneuma bei den Galatern, ohne speziell Heilungen und Dämonenaustreibungen zu veranschlagen. 7 J. Weiß, 1 Kor 301; vgl. Schulz, Charismenlehre 455f.; Kee, Miracle in the Early Christian World 170-173. 8 In dem Charismenkatalog Rom 12,6-8 ist allerdings von Wundertaten wie von Glossolalie nicht mehr die Rede. Vermutlich hängt die zunehmende pln Zurückhaltung gegenüber pneumatisch-ekstatischen Äußerungen des G e -

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Krankenheilungen in den Gemeinden

und ίάματα zwar der Trias Apostel-Lehrer-Propheten nachgeordnet, werden aber n o c h vor der gezielt an den Schluß gestellten (vgl. 12,10) Glossolalie genannt 9 , wobei für Pls die Bindung sämtlicher Charismen von 12,4-11 an das übergeordnete Ziel der Oikodome der Gemeinde (14,12.26, vgl. πρός τό συμφέρον 12,7) der e n t s c h e i d e n d e Aspekt ist. Faktisch bietet die Gemeinde von Korinth, indem e i n z e l n e ihrer Mitglieder über das Charisma der Krankenheilung und der Dämonenaustreibung verfügen, nicht allein eine Alternative zur Inanspruchnahme profaner Heilkunst, sondern auch eine ernstzunehmende Konkurrenz zum Inkubationsheilungsbetrieb am Asklepieion von Korinth. Das aus dem 4.Jhdt.v.Chr. stammende Asklepieion Korinths stand mit seinem regen Heilbetrieb bis zur Zerstörung der Stadt 146v.Chr. in Blüte 1 0 . Bald nach der Neugründung Korinths 44v.Chr. wurde das Heiligtum neuerlich in Betrieb genommen und, wenn auch wohl in bescheidenerem Maße als zuvor, höchstwahrscheinlich die Inkubationsheilungspraxis wiederaufgenommen 1 1 . In einer vermutlich aus dem späten l.Jhdt.n.Chr. stammenden Weiheinschrift des Heiligtums wird der Korinther Bürger Gaius Vibius Euelpistus, der möglicherweise medizinisch am Heilbetrieb des Asklepieions mitwirkte, als Arzt und als Priester des Asklepios (ίατρόν ... 'Ασκληπιού ιερέα) geehrt 1 2 .

3.2. Unterweisung zu Dämonenaustreibungen durch Gebet (Mk 9,28f.) Mk 9,28f., ein im Kern bereits vormk Anhang zu der Epileptikerperikope 9 , 1 4 - 2 7 1 3 , deutet auf Dämonenaustreibungen durch Gebet im meindelebens maßgeblich mit den 2 Kor dokumentierten Auseinandersetzungen zusammen, vgl. auch Käsemann, Rom 320; Horn, Angeld des Geistes 284. 9 Schürmann, Lehrer 12S; Wolff, 1 Kor 103, vermuten in 12,28-30 und der Letzterwähnung der Glossolalie in 12,10 sogar die bewußte Korrektur einer Pls aus Korinth vorgegebenen Charismenliste. 10 Vgl. Roebuck, Asklepieion 152ff.; Lang, Cure and Cult 3ff. (mit Abbildungen der Votivglieder); Wiseman, Corinth and Rome I 487f.; Krug, Heilkunst 141-145. 11 Roebuck, Asklepieion 155ff.; Wiseman, Corinth and Rome I 509f.; Murphy-O'Connor, St. Paul's Corinth 162-167. Im 2.Jhdt.n.Chr. findet das Heiligtum bei Paus 114,5 Erwähnung. 12 Text und Kommentar bei Roebuck, Asklepieion 156f. 13 Entgegen der Einschätzung, Mk 9,28f. sei in seiner Gesamtheit redaktionell (Koch, Wundererzählungen 120f.; Schenk, Epileptiker-Perikope 79f.; Schmithals, Heilung des Epileptischen 21 I f f L ü h r m a n n , Mk-Ev 160), dürfte die angehängte Jüngerunterweisung vormk sein und auf Mk lediglich das Motiv der esoterischen Geheimlehre (είσελθόντος αΰτοΰ εις οίκον .... κατ' ιδίαν) zurückgehen, vgl. Kuhn, Sammlungen 189 (unter Verweis auf den analogen Befund in Mk 4,10.13; 7,17f.; 10,10f., wo Mk jeweils eine bereits vorgefundene

Die Jüngerbelehrung Mk 9,28f.

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frühen Christentum hin. Als Jüngerbelehrung rekurriert 9,28f. mit οτι ήμεΤς ουκ ήδυνήθημεν έκβαλεΐυ αυτό auf das Jüngerversagen von 9,18 und reflektiert in Form nachösterlicher Gemeindeunterweisung eine fehlgeschlagene Besessenenheilungspraxis christlicher Wundertäter. Dabei scheint vorausgesetzt zu sein, daß der gescheiterte Heilungsversuch nach Muster der Mk 9,25 von Jesus geschilderten Dämonenaustreibungstechnik unternommen wurde. Einer Bewältigung der Problematik dient die Einsicht τοΰτο τό γένος έυ ούδενί δύναται έξελθεΓν εί μή εν προσευχή. Solche Dämonen wie der Sprachverlust und Taubheit verursachende Krankheitsgeist von Mk 9,17ff. lassen sich nicht einfach durch eine Bedrohung mit Ausfahrwort austreiben, wie dies 9,25 zufolge bei Jesus der Fall war, sondern weichen allein durch das Gebet. Dieser Verweis auf das Gebet wird oftmals dahingehend interpretiert, daß jede Betätigung der Gemeinde auf dem Gebiet der Dämonenaustreibung kritisch relativiert oder sogar völlig unterbunden werden solle 14 . Offenkundig liegt dabei eine aus religionsgeschichtlicher Perspektive nicht nachvollziehbare Unterscheidung zwischen Religion und Magie zugrunde, als ob Gebet und magische Praktiken einander ausschlössen. In der Umwelt des NT zählt hingegen das Gebet an die Gottheit zu den konstitutiven Bestandteilen magischer Dämonenaustreibung. Bei Mk 9,29 handelt es sich um eine Anleitung zu dämonenbannender Gebetsheilung in solchen Fällen von Besessenheit, die der Krankheitsschilderung von 9,17ff. entsprechen 15 . In 1 Q Gen Ap X X , 2 1 - 2 9 vollzieht sich das Weichen des Krankheitsdämons nicht nur durch Handauflegung und Bedrohung, sondern auch durch G e bet. PGM IV,1227-1264.3019-3078; V,96-171 ist das Gebet um Dämonenvertreibung ebenso fester Bestandteil des Exorzismusrituals, wie dies für die christlichen Wunderheilungen in Act Thom 81; Act Joh 41; 57; Act Andr 5 und in PGM 9 gilt. Daß Mk 9,28f. tatsächlich als Anleitung zu dämonenbannenden Gebetspraktiken aufgefaßt wurde, zeigt PsClem, Virg (wohl frühes 3.Jhdt.) 1 6 , wo es I 12,2.5 unter Berufung auf Mk 9,29 heißt: "Auch dies ziemt den G e schwistern in Christo und ist gerecht und ihnen rühmlich, daß sie die b e suchen, die von bösen Geistern gequält werden, und beten und Beschwörungen sekundäre Jüngerbelehrung zur Geheimunterweisung ausgestaltet); Roloff, Kerygma 148; Schenke, Wundergeschichten 331; Gnilka, Mk-Ev II 45f. 14 Koch, Wundererzählungen 123 (der Verweis auf das Gebet impliziere das "Ende" aller eigenen Praxis); ähnlich Schille, Wundertradition 18 (Die Gemeinde werde auf die Grenzen ihrer Vollmacht hingewiesen); Roloff, Kerygma 149; Lührmann, M k - E v 162. 15 Klostermann, Mk-Ev 89 ("Wunderrezept für den praktischen G e brauch der Gemeinde"); Theißen, Wundergeschichten 74f.; Pesch, Mk-Ev II 96f. 16 Vgl. zur Datierung Funk-Diekamp, Patres Apostolici II Vllf.; AltanerStuiber, Patrologie 47.

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Krankenheilungen in den Gemeinden

über ihnen aussprechen (atque orent et adiurationes super eos faciant) ... So mögen sie die Kranken also unter Fasten und Gebet beschwören (itaque ieiunio et oratione exorcicent illos)... ". Auf Dämonenaustreibung abzielende christliche Gebetsbeschwörungen sind für das 2. und 3.Jhdt.n.Chr. auch durch Justin und Origenes verbürgt. Just, Dial 30,3, berichtet - in einem Atemzug mit Dämonenbeschwörungen κατά τοΰ ονόματος "Ιησού Χριοτοΰ - von Gebeten an Gott um Schutz vor Dämonen (άπό γάρ τ GM δαιμονίων ... τον θεόν άεί διά Ίησοΰ Χριοτοΰ συντηρηθηναι παρακαλοΰμεν). Dies deckt sich mit Orig, Cels VII,4 ("Nicht wenige Christen trieben Dämonen ohne jede Zauberei und Magie oder Pharmazie aus, indem sie sich allein des Gebetes und einfacher Beschwörungsformeln bedienten [σύν ούδενί περιέργω και μαγικω rf φαρμακευτικέ·) πράγματι άλλα μόνη εΰχξ και όρκώοεσιν άπλουστέραις])" und Orig, Horn Jos 24,1 (si inimica virtus daemonis ... obsideat alicuius corpus, ... adhibeantur autem multae orationes, multa ieiunia, multae exorcistarum invocationes ... ; ähnlich Orig, Comm Mt XIII,6). Ausführliche christliche Dämonenaustreibungsgebete, wie sie bei Justin, Origenes und PsClem im Hintergrund stehen dürften und maßgebliches Licht auf Mk 9,29 werfen könnten, bieten die apokryphen Apostelakten (Act Thom 81; Act Joh 41; 57; Act Andr 5) und PGM IV,1232-1239. Daß das Gebet Mk 9,29 nicht einfach als Glaubensmanifestation seitens des Besessenen oder der Gemeinde fungiert, sondern exorzistische Bezüge hat, zeigt zudem auch die gutbezeugte v.l. εί μή έν προσευχή και νηστεία. Fasten zählte im frühen Christentum wie überhaupt in der Antike zu den antidämonischen Riten 17 . Mk 9,28f. will als Gemeindeunterweisung Wundertäter dazu anleiten, im Falle dämonischer Besessenheit durch die Rezitation von Gebeten den krankheitsverursachenden Geist zu vertreiben. Der Wortlaut dazu geeigneter Gebete wird nicht mitgeteilt. Es ist allerdings zu vermuten, daß an ähnliche Gebetstraditionen gedacht ist, wie sie im 2.Jhdt.n.Chr. in den apokryphen Apostelakten im Zusammenhang mit christlichen Dämonenaustreibungen begegnen (vgl. V.4.1.2).

3.3. Krankenheilungen durch Presbyter (Jak 5,14-16) Innerhalb der Schlußparänese des Jak-Briefes ergehen in 5,14-16 Anweisungen zum Umgang mit Krankheit in der Gemeinde, denen für das nachpaulinische Zeitalter Rückschlüsse auf eine genauestens geregelte therapeutische Gebetspraxis in einzelnen christlichen Gemeinden entnehmbar sind. 17 Vgl. Apk Elia 23,8-13; PsClem, Virg 112,3.5 (dabei Zitat von Mk 9,29 in der v.l.!); PsClem, Horn θ10,3; Orig, Horn Jos 24,1; Orig, Comm Mt XIII,6. Vgl. ferner die magischen Heilpraktiken Plin, Hist Nat 24,181 (ieiuno ieiunum medicamentum dare); 26,93, zum Ganzen auch Arbesmann, RAC VII (1969) 463f.

Krankenheilung durch Presbyter

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Die Vv 14-16 sind Bestandteil des Abschnittes 5,13-18, der nach der überschriftartigen Einleitungssentenz 5,13 in zwei Teile zerfällt: 5,14-16a handelt speziell vom Gebet im Krankheitsfall 1 8 , 5,16b-18 dagegen allgemein von der Kraft des Gebetes, ist allerdings durch die Wundertopik aus der Elia-Tradition eng mit der Krankenheilungsinstruktion 5,14-16a verklammert. Jak 5,14 zufolge soll man im Krankheitsfall die πρεσβύτεροι της εκκλησίας, die Ältesten der Ortsgemeinde, zu sich rufen lassen. Die B e fähigung zur Krankenheilung, die zur Zeit des 1 Kor ein durch den Pneumabesitz theoretisch für jeden Christen in Betracht kommendes Charisma darstellt (12,9f.28-30), erscheint hier fest institutionalisiert und fällt in den Aufgabenbereich des Presbyterdienstes 1 9 . Daß Jak 5,14 dabei keine Ausnahme darstellt, zeigt neben Pol, Phil 6,1 (οι πρεσβύτεροι ... επισκεπτόμενοι πάντας ασθενείς), die Behauptung des Celsus, er habe in den Händen christlicher Presbyter magische Handbücher zur Dämonenaustreibung g e s e h e n (Orig, Cels VI ,40 εφησεν έωρακέναι παρά TLÖI πρεσβυτέροις της ημετέρας δόξης τυγχάνουσι βιβλία βάρβαρα, δαιμόνων ονόματα έχοντα και τερατείας). Auch der Hadrian-Brief in Script Hist Aug, Saturninus 8, bringt das christliche Presbyteramt mit Astrologie, Mantik und Pharmakologie in Verbindung (nemo Christianorum presbyter non mathematicus, non haruspex, non aliptes). Da der Jakobusbrief theologiegeschichtlich im Wirkungsbereich des Mt-Ev anzusiedeln ist, könnten Probleme mit einem prophetisch-ekstatisch geprägten Wundercharismatikertum, wie sie Mt 7,21-23 zutagetreten, die institutionalisierte Bindung der Krankenheilung an das kirchliche Amt mitbedingt haben. Die Formel έν

18 Gegen Mußner, Jak 225ff., der 5,16-18 als eigenständige Paränese betrachtet und οπως ΐαθητε nicht auf die Krankenheilungen von 5,14f. bezieht, sondern in übertragenem Sinne als "Heilung von Sünden" auffaßt. - Ohne Anhalt am Text sind die Versuche, in 5,15 σώσει und έγερεΐ nicht als logisches Futur auf körperliche Heilung, sondern eschatologisch-futurisch auf die Rettung zum Heil und auf die Auferstehung zu beziehen (Meinertz, Krankensalbung 27-36). Vgl. dagegen zu σώζειν für die Heilung körperlicher Gebrechen Mk 5,23.28.34; 6,56; 10,52, zu έγείρειν für das Aufrichten von Kranken Mk 1,31; 2,9.11f.; Apg 3,7. 19 Ob dabei jüdischer Einfluß vorliegt (vgl. zur vorbildlichen Krankenfürsorge im antiken Judentum Billerbeck IV,1 573-578), bleibt zweifelhaft. Die vielzitierte Sentenz "Wer einen Kranken in seinem Hause hat, der gehe zu einem Gelehrten, daß dieser für ihn um Erbarmen flehe" (bBB 116a) stammt aus dem 4.Jhdt.n.Chr. und setzt eine stellvertretende Fürbitte voraus (vgl. Ber V,5; bBer 34b), ohne daß der Kranke aufgesucht und pharmakologisch behandelt würde. - Wenn 1 Tim 5,5 und Pol, Phil 4,3, der Witwenstand speziell durch Beauftragung zu Gebeten gekennzeichnet ist, könnte dies ebenfalls im Zusammenhang mit Krankenheilungs- oder Dämonenaustreibungsgebeten stehen.

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Krankenheilungen in den Gemeinden

τψ ονόματι του κυρίου, von der ergänzend zum Gebet "in Richtung auf den Kranken" (έπ αύτόν) und zur Ölsalbung (vgl. Mk 6,13) als Heiltechnik die Rede ist, impliziert ein Aussprechen des Namens Jesu und legt nahe, daß e s sich um Dämonenaustreibungen handelt. Vom Text her nächstliegend ist ein Bezug von έν τφ ονόματι τοΰ κυρίου auf άλείψαντες αύτόν έλαίψ. Die Namensanrufung wäre dann ein gegenüber dem Gebet eigenständiger, mit der Ölsalbung verknüpfter A k t 2 0 , und es könnte sich bei der Krankenheilung um eine Dämonenaustreibung handeln, indem der Krankheitsdämon eigens beim Namen Jesu beschworen wird (vgl. Mt 7,22; Mk 9,38; Apg 19,13). Alternativ besteht die Möglichkeit, έν τφ ονόματι τοΰ κυρίου mit προοευξάσθωσαν in dem Sinne zu verbinden, daß die Namensanrufung im Gebet erfolgte 2 1 . Auch in diesem Falle kann über ein reguläres Krankenheilungsgebet (vgl. 1 Clem 59,21-34) hinausgehend wie in Mk 9,29 speziell an ein Gebet zur Dämonenvertreibung gedacht sein (vgl. Act Thom 81; Act Joh 41; 57; PGM IV,1232-1239) 22 . Zudem ist άλείψαντες αύτόν έλαίψ jenseits pharmakologischer Bezüge (vgl. Schab VIII,1; XIV,3f.; Diosc, Mat Med I 30-63) im Sinne einer dämonenbannenden Ölsalbung interpretierbar 2 3 . Die Jak 5,14-16 b e s c h r i e b e n e V o r g e h e n s w e i s e fand bei Krankheiten mit Bettlägerigkeit Anwendung. Der Kranke ist nicht in der Lage, sich selber zu den Presbytern zu b e g e b e n (5,14), und nach erfolgter Heilung wird er aufgerichtet (5,15). D e n Verben άσθενοΰν 5,14 und κάμνειυ 5,15 ist allerdings nicht entnehmbar, daß e s sich speziell um lebensbedrohlich oder unheilbar Erkrankte h a n d e l t 2 4 . Bei der Heilung kommt dem Gebet und d e m dabei wirksamen Glauben die maßgebliche Bedeutung zu, ή ευχή της πίστεως σώσει τόν κάμνοντα (5,15). Als eigentliche Heilungsinstanz fungiert der Kyrios J e s u s 2 5 , der den Kranken aufrichtet und d e m nun20 Ropes, James 307; auch von Heitmüller, Im Namen Jesu 86, offenkundig vorausgesetzt. 21 Dibelius, Jak 300; Mußner, Jak 219. 22 Dibelius, Jak 299f. Dagegen: Wilkinson, Healing 332f.; Seybold/Müller, Krankheit 162. 23 Vgl. Test Sal 18,34: έάν τις βαλεΐ αλας είς ελαιον και επαλείψει τόν άσθενήν λέγων 'χερουβίμ, σεραφίμ, βοηθεΐτε', εΰθϋς άναχωρω (sc. der Dämon); HDM A 111,14.21.41; SHR II,95ff.; V,38-42. Ob die Ölsalbung gleichzeitig mit dem Gebet erfolgte oder diesem vorausging, ist dem Part.Aor. άλείψαντες nicht entnehmbar, vgl. Blaß-Debr.-Rehkopf § 339. 24 Gegen Poschmann, Paenitentia Secunda 54: τόν κάμνοντα Jak 5,15 deute auf einen Schwerkranken hin. - Ό κάμνων bezeichnet allgemein den Kranken im Gegensatz zum Gesunden (Artemidor IV,22), und κάμνειν schließt folglich auch nicht akut lebensbedrohliche, heilbare Krankheiten, beispielsweise Augenleiden, mit ein (Herodot, Hist 11,111; vgl. auch 1,197). 25 Mit κύριος Jak 5,15 ist, wie aus der christologischen Formel έν ονόματι τοΰ κυρίου (die Auslassung von τ. κ. durch den Vaticanus ist sekundär) 5,14 hervorgeht, Jesus und nicht Gott gemeint (gegen Ropes, James 308).

Wiederbelebungen durch Gebet

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mehr die in atl Tradition Gott vorbehaltene (Ex 15,26; Ps 103,3; Sir 38,9) Heilungsfunktion zugesprochen wird. Etwas nachklappend kommt in 5,15b.16 das Thema Sünde zur Sprache. Falls der Kranke Verfehlungen begangen hat, werden sie ihm vergeben werden. Gegenüber der in atl-jüdischer Tradition wurzelnden Rückführung von Krankheit auf Sünde 2 6 liegt eine bemerkenswerte Akzentverschiebung vor, da Jak 5,15 zufolge Krankheit nicht notwendigerweise das Resultat von Fehlverhalten darstellt, sondern durch solches bedingt sein kann. Da Jak 5,16 auf den Krankheitsfall von 5,14f. gemünzt ist, geht dem Gebet der Presbyter gegebenenfalls ein Sündenbekenntnis des Erkrankten voraus. Die Möglichkeit profaner medizinischer Hilfe bei Krankheit kommt Jak 5,14-16 nicht in den Blick. Die Ortsgemeinde verfügt über Presbyter, in deren Funktionsbereich es fällt, durch ein Zusammenspiel von pharmakologischen Praktiken, Gebetsriten und vermutlich Dämonenbeschwörungen beim Namen Jesu eine Wiederherstellung der Gesundheit zu bewirken. Dies ist in der Praxis kaum anders vorstellbar, als daß ausgewählte Amtspersonen eine pharmakologisch-magische Ausbildung erhielten, sich bei der Ausübung ihrer Krankenheilungsaufgaben bestimmter Handbücher bedienten, wie Celsus sie für christliche Presbyter bezeugt, und faktisch eine Art "Ärztestand" innerhalb der christlichen Gemeinden bilden.

3.4. Wiederbelebungen durch Gebet (Iren, Haer II 31,2; 32,4) Irenäus betont in Auseinandersetzung mit Wundertaten der Häretiker, daß bis in seine Zeit hinein Totenerweckungen auf Gebet und Fasten der christlichen Gemeinde hin nichts Ungewöhnliches darstellten. Schon oft sei in solchen Fällen das Pneuma des Verstorbenen zurückgekehrt. "Sie (sc. die Häretiker) haben nicht die Kraft, in gleicher Weise einen Toten zu erwecken, wie der Herr sie erweckt hat und wie es die Apostel getan haben durch ihr Gebet und wie es oftmals in der Gemeinde der Brüder g e schah, wo dann, wenn aus wichtigen Gründen die ganze Kirche einer Gegend 26 Num 12,9-15; 1 Kön 13,4-6; Ps 103,3; Test Ruben 1,7-10; Test Sim 2,12f.; Test Seb 5,2-4; Test Gad 5,9-11; 1 Q Gen Ap XX,12-29; 4 Q Or Nab; bNed 41a; im N T Mk 2,5 und Joh 9,2. Von christologischen Akzentverschiebungen in Jak abgesehen, entspricht Sir 38 das Zusammenspiel von medizinisch-pharmakologischen Praktiken (38,4.8), ärztlichem Gebet (38,9.14) und Abkehr von Verfehlungen (και άπό πάσης αμαρτίας καθάρισον καρδίαυ 38,10) Jak 5,14-16 in Grundzügen. - Vgl. zur Rückführung von Krankheit auf Sünde auch Kudlien, Beichte und Heilung 1-14.

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Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

unter vielen Fasten und Opfern darum gefleht hatte, der Geist des Verstorbenen zurückkehrte und der Mensch den Gebeten der Heiligen geschenkt wurde (και ev τη άδελφότητι π ο λ λ ά κ ι ς δια τό ά ν α γ κ α ΐ ο ν και της κατά τόπον εκκλησίας πάσης αΐτησαμένης μετά νηστείας και λιτανείας π ο λ λ ή ς έπέστρεψεν τό πνεΰμα τοΰ τετελευτηκότος και έχαρίσθη ο άνθρωπος τ α ΐ ς εΰχαΤς των άγίων) ... Wie wir erwähnten, sind selbst Tote bereits erweckt worden, um noch mehrere Jahre unter uns zu weilen (καθώς εφαμεν, και νεκροί ήγέρθησαν και παρέμειναν συν ήμΐν ετεσιν ίκανοΐς Iren, Haer II 31,2; 32,4/Euseb, Hist Eccl V 7,2.4).

Zu grundsätzlichen Zweifeln an dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist kein Anlaß gegeben. Der Scheintod stellte in der Antike ein weitverbreitetes Phänomen dar, Versuche zur Wiederbelebung totgeglaubter Personen sind sowohl für die rationale Medizin als auch in magischer Tradition belegt und haben in zahlreichen Fällen nachweislich Erfolg gehabt 27 . Auch der Presbyter Johannes soll in Ephesus eine Wiederbelebung bewirkt haben (Euseb, Hist Eccl V 18,14). Der Wendung έν τη άδελφότητι Iren, Haer 1131,2, ist entnehmbar, daß es sich bei den scheinbar verstorbenen Personen, an denen die Wiederbelebungen vollzogen werden, um Christen handelt. Es geht also nicht um missionspropagandistische Wundertaten an außerhalb der Gemeinde stehenden Personen, sondern um innergemeindliche Krankenfürsorge. Bewirkt werden die Wiederbelebungen durch eine Kombination von Fasten und Gebet, wie es auch bei christlichen Dämonenaustreibungen üblich war (Mk 9,29 v.l.; PsClem, Virg 112,Iff.; Orig, Horn Jos 24,1), ohne daß Irenäus den Wortlaut der rezitierten Gebete mitteilte. In den apokryphen Apostelakten begegnen freilich zahlreiche Gebete um Totenerweckung (Act Petr 26-27; Act Thom 30; 53; Act Joh 21; 75), die das von Irenäus beschriebene Vorgehen plastisch veranschaulichen. Offenkundig setzt Iren, Haer II 31,2; 32,4, ähnliche Totenerweckungsgebete an Gott oder Jesus voraus, wie sie in die Petrus-, Thomas- und Johannesakten eingeflossen sind und vor dieser literarischen Fixierung vermutlich als liturgische Traditionen in Umlauf waren.

4. Form- und sozialgeschichtliche Aspekte frühchristlichen Wundercharismatikertums 4.1. Christliche Dämonenaustreibungs- und Krankenheilungsformeln Die Erhellung der genaueren Begleitumstände des Wirkens frühchristlicher Wundercharismatiker wird durch die Quellenlage vor Schwie27 Vgl. dazu III.1.3.4, III.1.4.2 und III.1.4.3 in dieser Untersuchung.

Wunderformeln und - g e b e t e

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rigkeiten gestellt. Auf der einen Seite kann angesichts unserer bisherigen Untersuchungsergebnisse historisch kein Zweifel daran bestehen, daß seit den Anfängen des Christentums Wandermissionare das Vollbringen von Machttaten als elementaren Bestandteil ihres Auftretens betrachteten und auch innerhalb der christlichen Gemeinden charismatisch befähigte oder durch das Presbyteramt dazu verpflichtete Christen Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen bewirkten. Auf der anderen Seite sind über die Fakten hinaus, daß diese Wundertaten "im Namen Jesu" geschahen, dem Gebet eine maßgebliche Rolle zukam (Mk 9,29; Jak 5,14-16; Iren, Haer 1131,2) und Öl ein wichtiges Heilmittel darstellte (Mk 6,13; Jak 5,14), keine weitergehenden Details bekannt. In Analogie zu den Gegebenheiten in der jüdischen wie griechisch-römischen Umwelt des NT können wir vermuten, daß christliche Wundertäter Handbücher mit Formeln, Gebeten und pharmakologischen Instruktionen zu Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen verwendeten, die der Geheimhaltung unterlagen und ebenso wie unzählige pagane Zauberpapyri der ersten Jahrhunderte n.Chr. verlorengingen oder gezielt vernichtet wurden 1 . Für das 2.-3.Jhdt.n.Chr. ist die Existenz magischer Kompendien christlicher Prägung durch Celsus (Orig, Cels VI,40) und, sofern Orig, Comm ad Mt 26,63, christliche Dämonenbeschwörer miteinschließt, auch durch Origenes verbürgt. Trotz der ungünstigen Quellenlage ist allerdings die Eruierung christlicher Formeln und Gebete, die im Zusammenhang mit Wunderheilungen rezitiert wurden, nicht völlig aussichtslos. Bereits in früheren Teilen dieser Untersuchung wurde deutlich, daß sich die Wundergeschichten der Evangelien und der Apg der Form nach von den meisten ihrer religionsgeschichtlichen Parallelen durch die Preisgabe festgeprägter Wendungen unterscheiden, wie sie von christlichen Wundertätern benutzt worden sein dürften. In ähnlicher Weise haben sich offenkundig in den apokryphen Apostelgeschichten des 2.-3.Jhdt.n.Chr. ältere Wunderheilungsformeln und -gebete niedergeschlagen, die im Kern bis in das ntl Zeitalter zurückreichen können 2 . Wenn schließlich bei christlichen 1 Die von Preisendanz (PGM 1-24) und Daniel (PGM.S 20-36) edierten christlichen Papyri stammen überwiegend aus dem 4. und 5.Jhdt.n.Chr., wie dies auch für die Mehrzahl der von Kropp, Ausgewählte koptische Zaubertexte, herausgegebenen Zeugnisse christlicher Magie der Fall sein dürfte. Die christlichen Amulette bei V. Stegemann, Koptische Zaubertexte, gehören in das 5.-ll.Jhdt.n.Chr., die christlichen Fluchtexte PGM.S 59-62 in das 5.-6.Jhdt.n.Chr. Dem Charakter nach weist das in der Endgestalt christliche Test Sal (Endredaktion wohl 3.Jhdt.n.Chr.) in die Nähe magischer Kompendien. 2 Eine Übersicht der apokryphen Wundertraditionen, allerdings ohne B e zugnahme auf diesen Aspekt, bieten Achtemeier, Miracle Workers in the

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Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

Schriftstellern wie Justin, Irenäus, Tertullian oder Origenes aus der neu erwachsenen Notwendigkeit der Verteidigung des Christentums oder aus der gezielten Häretikerbekämpfung heraus zahlreiche Details Uber das Vorgehen christlicher Wundertäter verlauten, darf ebenfalls mit hoher Plausibilität vermutet werden, daß solche Praktiken nicht in ihrer Gesamtheit Neuentwicklungen der nachneutestamentlichen Epoche darstellen, sondern in sachlicher Kontinuität zu den Anfängen christlichen Wundercharismatikertums stehen und Licht auf das apostolische Zeitalter werfen.

4.1.1. Wundertaten "im Namen Jesu" Ähnlich wie es im Taufritual der Fall ist 3 , kommt bei den Wunderheilungspraktiken des frühen Christentums dem Namen Jesu eine alles beherrschende Bedeutung zu. Von Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen έν τω ονόματι Jesu, wie sie in der nachneutestamentlichen Literatur breit bezeugt sind 4 , ist im NT in Mt 7,22; Mk 9,38par; 16,17; Lk 10,17; Apg 16,18; Jak 5,14 die Rede, ohne daß die dabei stillschweigend als bekannt vorausgesetzten Modalitäten näher erläutert würden. In aller Regel kann hier von einer Anrufung oder Nennung des Namens Jesu ausgegangen werden, wie es bereits die Vorgehensweise der Skevassöhne Apg 19,13 nahelegt (όνομάζειν επί τους έχοντας τά πνεύματα τά πονηρά τό ονομα του κυρίου Ίησου). Iren, Haer II 32,5, betont, daß die christliche Gemeinde bei ihren Wundertaten weder Engelbeschwörungen noch Zaubersprüche anwende, sondern Gebete an den Schöpfergott richte und "den Namen unseres Herrn Jesu Christi" anrufe (nomen Apocryphal NT 161-177; van Cangh, Miracles apocryphes 2277-2319. Daß die Wundergebete der apokryphen Apostelakten als liturgische Traditionen im Prinzip die tatsächliche Gebetspraxis jener Zeit widerspiegeln, betont zu Recht von der Goltz, Gebet 290ff. 3 In seiner Bedeutung nicht überschätzt werden sollte für das 1. und 2.Jhdt.n.Chr. der "Taufexorzismus" (gegen Böcher, Christus Exorcista 170-180). Wenn in Apg und den apokryphen Apostelakten der Taufe vielfach Wundertaten vorangehen, ist dies auf deren hohe Bedeutung für die missionarische Glaubenserweckung zurückzuführen, ohne den Rückschluß auf systematisch vor dem Taufakt vollzogene Dämonenaustreibungen zu erlauben. Vgl. grundsätzlich zum "Taufexorzismus" Dölger, Exorzismus im altchristl. Taufritual 9ff.; Thraede, RAC VII (1969) 76ff. 4 Vgl. Just, Dial 35,8 (των άπό τοΰ ονόματος αυτοΰ και ν ΰ ν γινομένων δυνάμεων); Iren, Haer 1132,5; Act Thorn 41 (έγεΐραι ... 8ιά τοΰ ονόματος ΊησοΟ Χριοτοΰ); Act Joh 22; 83; Orig, Cels 1,25 (ό ημέτερος "Ιηοοΰς, οδ τό δνομα μύριους ηδη έναργως έώραται δαίμονας έξελάσαν ψυχών και σωμάτων); TChull 2,22; jAZ 2,2 (40d), zum Ganzen Heitmüller, Im Namen Jesu 223ff.

Wunderformeln und -gebete

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domini nostri Jesu Christi invocans). Nach Tert, Apol 23,15, beruht die Macht und Gewalt der Christen über die Dämonen maßgeblich auf der Aussprache des Namens Christi (omnis haec nostra in illos dominatio et potestas de nominatione Christi valet), und auch Orig, Cels 111,24, zufolge sprechen die Christen bei ihren Krankenheilungen entweder den Namen Gottes oder den Namen Jesu aus (καλούντες επί τους δεομένους θεραπείας η τον επί πασι θεόν και τό τοΰ Ίησοΰ ονομα, vgl. 1,6 Χριστιανοί οΰδεμι^ μελέτη έπψδων χρώμενοι τυγχάνουσιν άλλα τφ ονόματι του Ίησοΰ). In vielen Fällen vollzogen sich solche Wundertaten "im Namen Jesu" durch eine Beschwörung von Krankheitsgeistern mit Exorzismusformeln wie ορκίζω ύμας Ίησοΰν (Apg 19,13) oder εξορκίζω σε κατά τοΰ ονόματος Ίησοΰ Χριστοΰ (Just, Dial 30,3; 85,2; Apol II 6,6). Daneben können Machttaten im Namen Jesu eine Rezitation von Ίησοΰς (Χριστός) (Apg 9,34; Act Thom 77) oder von εν τφ ονόματι Ίησοΰ als festgeprägter Wendungen in Dämonenaustreibungs- oder Heilungsformeln (Apg 16,18; Act Joh 22; 83) implizieren. Die Mehrzahl der nachfolgend im Überblick zusammengestellten Formeln und Gebete, die von christlichen Wundertätern zu Dämonenaustreibungs- und Heilzwecken verwendet worden sein dürften, enthalten in irgendeiner Weise den Namen Jesu. Methodisch hat sich eine Identifizierung und Rekonstruktion mutmaßlicher Wunderheilungsformeln und - g e b e t e des frühen Christentums an denjenigen Kriterien zu orientieren, die sich grundsätzlich bei der Eruierung vorliterarischer Formen bewährt haben 5 . Entscheidende Gesichtspunkte zur Bestimmung von Traditionsgut sind a) an Dämonen gerichtetes έξορκίζειν, κελεύειν, π α ρ α γ γ έ λ λ ε ι ν o.ä. als Hinweis auf das Einsetzen einer Formel, b) sich vom Kontext abhebende wörtliche Rede oder ein den Zusammenhang sprengender Inhalt als Indiz für die Rezitation von Traditionsgut, c) ein formelhafter oder liturgischer Charakter einzelner im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungsoder Krankenheilungsberichten rezitierter Wendungen oder Gebete, d) die Wiederkehr gleicher oder ähnlicher formelhafter Wendungen in unterschiedlichen Schriften, zwischen denen keine literarische Abhängigkeit besteht, und e) als nahezu zwingendes Merkmal das Vorkommen gleichlautender oder ähnlicher Wunderformeln in magischen Papyri paganer oder christlicher Prägung. Sämtliche in Formeln auftauchende Namen von Wundertätern oder heilungsbedürftigen Personen sind austauschbar und werden daher durch NN ersetzt.

4.1.2. Beschwörungsformeln und Gebete zur Dämonenaustreibung In den Dämonenaustreibungsberichten des NT, der Apg und der apokryphen Apostelakten haben sich mit έξελθεΐν/exire gebildete Ausfahrworte an Dämonen und mit (έξ)ορκίζω eingeleitete Dämonenbeschwös Vielhauer, Urchristliche Literatur 12f.

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rungsformeln christlicher Wundertäter, wie sie auch Justin verbürgt, niedergeschlagen. Im einzelnen handelt e s sich um folgende Formeln mit Parallelen in den magischen Papyri: -

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Fahre aus ihm aus (εξελθε 6 έξ αΰτοΰ, Mk 1,25)! Fahre aus, unreiner Geist, aus dem Menschen (εξελθε τό πνεΰμα τό ακάθαρτου έκ τοΰ ανθρώπου, Mk 5,8)! Stummer und tauber Geist, ich befehle dir, fahre aus ihm aus und fahre nicht mehr in ihn ein (τό αλαλον και κωφόν πνεΰμα, έγώ επιτάσσω σοι, εξελθε έξ αΰτοΰ και μηκέτι είσέλθης εις αυτόν, Mk 9,25)! Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, aus ihr auszufahren (παραγγέλλω σοι έν ονόματι Ίησοΰ Χρίστου έξελθεΐν άπ' αϋτης, Apg 16,18)! Ich beschwöre euch bei Jesus (ορκίζω ύμας τόν Ίησοΰν 7 , Apg 19,13). Ich beschwöre dich beim Namen Jesu Christi, des von Pontius Pilatus Gekreuzigten (εξορκίζω σε κατά τοΰ ονόματος Ίησοΰ Χριστοΰ τοΰ σταυρωθέντος έπί Ποντίου Πιλάτου, Just, Dial 30,3; 76,6; 85,2; Apol II 6,6). Fahre aus diesem Manne aus, ohne ihm irgendetwas zuzufügen (Ep Ap 5)! Und du nun, was für ein Dämon auch immer du seist (quicumque es daimon, vgl. PGM IV,1239f. δαΤμον δστις ποτ' ουν εϊ), im Namen unseres Herrn Jesu Christi fahre aus dem Jüngling aus, ohne ihm zu schaden; zeige dich allen Umstehenden (in nomine domini nostri Iesu Christi exi a iuvene, nihil nocens eum; ostende te omnibus adstantibus, Act Petr 11)! Es sagt euch NN, der Apostel und Schüler Jesu Christi: Fahrt hierher heraus (ελθετε ώδε εξω, Act Thom 73)! Es sagt euch aber NN, der Apostel Christi, des Jesus ...: Vor allem hier stehenden Volk, fahrt aus und sagt mir, welchen Geschlechtes ihr seid (εξελθόντες εΐπατέ μοι ποίου γένους εστε, Act Thom 74)! Im Namen Jesu, verlaßt sie und tretet zur Seite (εις τό ονομα τοΰ Ίησοΰ άπόστητε άπ' αύτων8 και έκ πλευράς στητέ, Act Thom 75)! Jesus befiehlt dir und deinem Sohn durch mich, daß du nicht mehr in eine Menschenwohnung eingehst, sondern fahrt aus und geht weg und wohnt gänzlich außerhalb der Wohnung der Menschen (κελεύει σοι Ίησοΰς9 και τω σω παιδί δι' έμοΰ ινα μηκέτι είσέλθης εις κατοίκησιν άνθρωπου · ά λ λ ' εξέλθετε και άπέλθετε και οικήσατε εξω παντελώς της οϊκήσεως των άνθρώπων, Act Thom 77)! Nicht nur aus dieser Stadt zu fliehen, befehle ich dir, sondern wo auch immer die Fußspur eines meiner Brüder auftaucht, verbiete ich dir, jene Landstriche zu betreten (οϋ μόνον σε της πόλεως ταύτης κελεύω φυγαδευθηναι 10 , ά λ λ ' εϊ καί που ίχνος άδελφικόν μου υπάρχει, εΐργω σε των χώρων εκείνων μη έπιβηναι, Act Andr 5)!

6 Vgl. zu den έξελθεΐν/exire-Formeln PGM IV,1242ff. (εξελθε, δαίμον); IV,3013 (εξελθε άπό τοΰ δεινός); V,158 (εξελθε καί άκολούθησον). 7 Vgl. PGM IV,3019f. ορκίζω σε κατά τοΰ θεοΰ των 'Εβραίων Ίησοΰ. 8 Vgl. PGM IV, 1242f. δαίμων ... άπόστηθι άπό τοΰ δείνα und Kotansky/ Naveh/Shaked, Amulet Z.36f. einschl. Komm. 9 Vgl. die Exorzismusformel PGM 10,41ff. "Ich beschwöre euch ... zurückzuweichen ..., weil Jesus, der Herr [es befiehlt] (οτι κύριος Ίησοΰς [κελεύει]). 10 Vgl. die Fieberamulette PGM 5b "Flieh (φεΰγε), verhaßter Geist, Christus verfolgt dich!" und PGM.S 23 (φυγε καί σοί, ριγοπυρέτιν).

Wunderformeln und -gebete

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Daneben k o m m e n an Dämonenaustreibungsgebeten, wie sie n e b e n Mk 9,29, Iren, Haer 1132,5, und PsClem, Virg 112,Iff., vermutlich auch Jak 5,14-16 als christliche Wunderpraktik vorausgesetzt sind, folgende an Gott oder an Jesus gerichteten liturgischen Traditionen in Betracht: -

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"Mein Herr und mein Gott ... ich bitte Dich, mögen diese Seelen geheilt aufstehen und werden, wie sie waren, bevor sie von den Dämonen geschlagen wurden (κυριέ μου και θεέ μου, ... δέομαι αου, ίαθεϊσαι αί ψυχαί 1 1 άναστήτωσαυ και γενέσ&ωσαν οίαι ήσαν προ τοΰ πληγήναι υπό των δαιμόνων, Act Thom 81)". "Gott, der Du über allen sogenannten Göttern bist ... auf dessen Name hin jeder Götze flüchtet sowie jeder Dämon, jede Macht und jedes unreine Wesen - auch jetzt erweise ... an diesem Orte dein Erbarmen, indem auf Deinen Namen hin der hiesige Dämon entflieht (φεύγοντος ονόματι τω σ(3 τοΰ ένθάδε δαίμονος, Act Joh 41)". "Der Du stets die Niedrigen tröstest und als Beistand gerufen wirst, der Du niemals als Beistand gerufen zu werden brauchst, weil Du nämlich selbst, bevor wir beginnen, zugegen bist, die unreinen Geister sollen aus NN vertrieben werden (άπελασθήτωσαν τα ακάθαρτα πνεύματα άπό NN, Act Joh 57)". "Gott, der Du den Magiern nicht willfährig bist, der Du Dich den Nichtsnutzen nicht darbietest, der Du allen Fremden fernstehst, der Du das Deine immer den Eigenen gewährst, gewähre auch jetzt, daß meine eilige Bitte in Gegenwart von diesen allen an NN sich erfülle, und vertreibe den Dämon (φυγαδεύων τον δαίμονα, Act Andr 5) 1 2 ". "Sei gegrüßt, Gott Abrahams, sei gegrüßt, Gott Isaaks, sei gegrüßt, Gott Jakobs, Jesus Christus, heiliger Geist, Sohn des Vaters, der unter den Sieben, und der in den Sieben ist. Bring Iao Sabaoth, möge eure Kraft fort sein von NN, bis ihr vertreibt diesen unreinen Dämon, den Satan, der auf ihm ist, PGM IV, 1232-1239) 13 ".

4.1.3. Krankenheilungsworte und - g e b e t e Nicht nur bei Dämonenaustreibungen, sondern auch bei Krankenheilungen fanden formelhafte, an die erkrankte Person gerichtete Wendungen Gebrauch: Steh auf, nimm deine Bahre und gehe umher (εγείρε κράβαττόν σου και περιπατεί, Mk 2,9/Joh 5,8)!

και Έίρον τόν

11 Vgl. PGM.S 30,4f. "Jesus Christus, heile (εϊασε) ... Seele (ψυχήν) und Körper ..."; PGM V,139f. κύριε ... σωσον ψυχήν (sc. des Besessenen). 12 Vgl. das Gebet des Magiers PGM 13a "[Christus] ... unterwirf mir jeglichen Geist Verderben schaffender, unreiner Dämonen ...", zur "eiligen Bitte" die Beschleunigungsformeln in magischen Papyri (z.B. PGM IV,1245). 13 Vgl. auch das Gebet des Silvanus PGM 9 "daß du (seil. Gott) von mir, deinem Knecht, vertreibst (διώξης) den Dämon der Behexung ...".

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Form- und sozialgeschichtliche Aspekte Tu dich auf (έφφαθα, Mk 7,34)! Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, steh auf und geh umher (έν τω ονόματι Ίησοΰ Χρίστου τοΰ Ναζωραίου Εγειρε και περιπατεί, Apg 3,6)! NN, es heilt dich Jesus Christus 1 4 ; steh auf (ϊαταί σε Ίησοΰς Χριστός, άνάστηθι, Apg 9,34)! Stell dich aufrecht auf deine Füße (άνάστηθι επί τους πόδας σου όρθός, Apg 14,10)! Jesus ... sagt dir durch mich: Öffne deine Augen und sieh und gehe allein (Iesus ... tibi per me dicit: Aperi oculos et vide et sola ambula, Act Petr 20)! Erhebe dich von deinem Platze, ohne daß jemand dir hilft außer Jesus allein, und wandle gesund vor diesen allen (Act Petr kopt. [PBerlin 8502, 130 /Schneemelcher II 256])! Steh gesund auf (έγερθήτω υγιής, PsClem, Horn ιβ 23,6)!

Ein u m f a s s e n d e s Krankenheilungsgebet ist in Act Thom 156 (vgl. auch 1 Clem 59,4) eingeflossen. An Gott oder an Jesus gerichtete Bitten um Heilung finden sich auch vielfältig auf christlichen A m u l e t t e n 1 5 .

4.1.4. Formeln und G e b e t e zu Wiederbelebungen Im NT und d e n apokryphen Apostelakten begegnen zahlreiche W i e d e r belebungsformeln, die zur Reanimation scheintoter Personen und in "häretischen" Strömungen d e s Christentums auch zur Nekromantie (fiktive Erweckung e i n e s Toten z w e c k s Befragung oder Inanspruchnahme als Paredros) benutzt worden sein können: -

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Mädchen, steh auf (ταλιθα κουμ, Mk 5,41; vgl. die Heilformeln mit D i p bSchab 110b)! Jüngling, ich sage dir: Steh auf (νεανίσκε, σοι λέγω, έγέρθητι, Lk 7,14)! NN, steh auf (άνάστηθι, Apg 9,40/Act Joh 80)! Herr, erwecke ihn durch meine Stimme mit deiner Kraft (domine, per meam vocem tua virtute suscita eum, Act Petr 26)! Ich nehme das Wort meines Herrn Christus und sage dir: Jüngling, steh auf und geh umher (vocem accipiens Christi domini mei, dico tibi: iuvenis, surge et ambula, Act Petr 27)! Steh auf im Namen Jesu Christi (άνάστηθι έν τφ ονόματι Ίησοΰ Χρίστου, Act Joh 22)! Steh auf, preise den Namen Gottes, denn er schenkt Toten Tote wieder (άναστάς δόξασον τοΰ θεοΰ τό ονομα, δτι νεκρούς νεκροΐς χαρίζεται, Act Joh 24)! Es sagt dir der Knecht Gottes, NN: Steh auf (λέγει σοι ό τοΰ θεοΰ δοΰλος ΝΝ· άνάστα, Act Joh 47)! Steh nun auf, und gib Gott die Ehre an dem gewordenen Werk (άναστάς οδν δός τοΰ έπιχείρου γεγενημένου έργου δόξαν τφ θεω, Act Joh 52)! 14 Vgl. PGM.S 34 "Jesus Christus heilt (θεραπεύει) ... ". i s PGM 5b; PGM.S 20-22.29-31.36.

Charismatiker als Tradenten von Wundern -

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Steh auf, NN, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn (ανάστα, NN, έν τω ονόματι Ίηαοΰ Χρίστου του κυρίου ήμων, Act Joh 83)!

Für die Mehrzahl dieser Formeln ist damit zu rechnen, daß sie nicht nur s p e z i e l l bei Wiederbelebungen, sondern allgemein bei Krankenheilungen in Gebrauch waren. Formelhafte Wendungen mit άυίσταναι sind auch im Zusammenhang mit Gelähmtenheilungen überliefert (Apg 9,40; 14,10) und konnten grundsätzlich bei jeder mit Bettlägerigkeit verbundenen Krankheit oder zur Reanimation ohnmächtiger Epileptiker (Mk 9,27; Act Thom 77) Anwendung finden. Ergänzend zu diesen Formeln sind folgende Totenerweckungsgebete an Gott oder Jesus Uberliefert, wie sie Iren, Haer II 31,2; 32,4, im Hintergrund s t e h e n dürften: -

"Heiliger Vater Deines Sohnes Jesu Christi, der Du uns Deine Kraft v e r liehen hast, daß wir durch Dich bitten und erlangen und alles, was in dieser Welt ist, verachten, und Dir allein folgen, der Du von wenigen gesehen wirst und von vielen erkannt werden willst: umstrahle, Herr, e r leuchte, erscheine, erwecke den Sohn (suscita filium) der NN, die sich ohne Sohn nicht helfen kann (Act Petr 27)." - "Herr, Richter der Lebendigen und der Toten, welche hier dabeistehen, und der Toten, welche (hier) liegen, und Herr aller und Vater - Vater aber nicht der noch in den Körpern wohnenden Seelen, sondern derer, die sie verlassen haben ... ,- komm in dieser Stunde, in der ich Dich anrufe, und zeige Deine Herrlichkeit an diesem, der hier liegt (Act Thom 30)." "Jesus, der Du uns jederzeit erscheinst ... Wir bitten nun, weil wir wegen unserer Sünden Furcht haben. Wir bitten Dich aber nicht um Reichtum, weder um Gold noch um Silber noch um Vieh noch um ein anderes der von der Erde kommenden und wieder zur Erde zurückkehrenden Dinge, sondern deshalb bitten wir Dich und rufen um Deine Hilfe, daß Du in Deinem heiligen Namen diese, die hier liegt, durch Deine Kraft auferweckst, (Dir) zum Ruhm und zum Glauben der Anwesenden (Act Thom 53)." - "Gott, dessen Name von mir geziemend gepriesen wird; Gott, der Du jegliche schädliche Kraft bezwingst; Gott, dessen Wille in Erfüllung geht, der Du uns allzeit erhörst, auch jetzt komme Deine Gnade zur Vollendung an diesem jungen Manne hier. Und wenn durch ihn irgend eine Heilsfügung vor sich gehen soll, zeige uns diese an, wenn er auferweckt ist (Act Joh 75)."

4.2. Charismatiker als Überlieferungsträger ntl Wundergeschichten Im Verlauf unserer Untersuchung wurde deutlich, daß die Mehrzahl der ntl Wundergeschichten einerseits durch eine Werbung mit der Vollmacht Jesu oder der Apostel g e k e n n z e i c h n e t ist, andererseits sich in ihnen formelhafte Wendungen und Heilpraktiken niedergeschlagen

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haben, die für christliche Wundertäter des l.-2.Jhdt.n.Chr. zuverlässig oder mit hoher Plausibilität b e z e u g t sind. Die derart ausgestalteten Wundergeschichten konnten über Missionspropaganda hinaus der Motivation, Legitimation oder direkten Anleitung zu Wunderheilungen dienen. Von daher ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß christliche Wundertäter s o l c h e Wundergeschichten, wie sie sich in den Evangelien und der Apg finden, nicht nur zu Z w e c k e n missionarischer Werbung tradierten, sondern ihnen auch Vorbildcharakter für das eigene Auftreten beimaßen. Daß Missionare maßgeblich an der Tradierung von Wundergeschichten beteiligt waren, zeigt bereits die Inanspruchnahme christologischer Wunderüberlieferung zur Rechtfertigung der Samaria- oder Heidenmission (Mk 7 , 2 4 - 3 0 ; Mt 8,5-13par; Lk 7,11-19). Zudem waren Wunderges c h i c h t e n aller Voraussicht nach Bestandteil der Missionsverkündigung. M. Dibelius sah von ihm als Paradigmen klassifizierte Erzählungen wie Mk 1,23-28 oder 2,1-12 als Predigtbeispiele an und vermutete für die stilechten Wundergeschichten (Novellen), daß sie eigenständig an Stelle der Missionspredigt treten konnten. Während die Novellen an sich missionarisch wirkten, gehe es bei den Paradigmen um eine Illustration des Jesuskerygmas durch exemplarische Verweise auf Jesu Wundertaten 1 6 . Für letzteres berief sich Dibelius auf die Missionsreden Apg 2,14-36 und 10,34-43, wo er von einem altertümlichen Predigtschema mit Erwähnung von Machterweisen Jesu (Apg 2,22; 10,38) ausging. Auch wenn bei den Actareden in ungleich höherem Maße mit lk Redaktion zu rechnen ist als Dibelius annahm 1 7 , dürfte sich Lk an ihm bekannten Modalitäten der christlichen Missionspredigt orientieren und seiner Darstellung hoher historischer W e r t zukommen. Für Mk 1,23-28 sind in dem werbenden Dämonenbekenntnis zu Jesus als dem Heiligen Gottes (1,24) Berührungen mit der Verkündigung Jesu als άγιος in der an Juden gerichteten Missionspredigt (Apg 3,14) gegeben, während in Mk 5,1-20 die Proklamation Jesu als "Sohn des höchsten Gottes" (Mk 5,7) mit der an Heiden gerichteten Missionspredigt korrespondiert, die als festen Topos die Abwendung vom Polytheismus und die Hinwendung zu dem Gott der Bibel, dem Vater Jesu, enthielt (1 Thess l,9f.; Hebr 6,1; Apg 14,15) 1 8 .

16 Dibelius, Formgeschichte 22-25.34-100. Unwahrscheinlich ist die sich allein auf die späte Abgarlegende (Ende 3.Jhdt.n.Chr.) stützende These von Theißen, Wundergeschichten 259-261, die ntl Wundergeschichten seien nicht von Wanderaposteln tradiert worden, sondern gehörten als vorangehende Propaganda in das Vorfeld der Mission. W e r sollte in heidnischem Gebiet den Wandermissionaren als werbender Vorbote vorausgereist sein, oder an wen hätte man dort Wundergeschichten als "Werbematerial" schicken können? 17 Vgl. Wilckens, Missionsreden, zu Apg 2,22; 10,38 bes. 106ff. 18 Das Jesuskerygma Apg 3,13-15 knüpft mit dem Kontrast von Jesu Verwerfung durch die Juden und Gottes Heilshandeln an ihm als άγιος an ein traditionelles Predigtschema an (Steck, Israel 267ff.; Wilckens, Missionsreden 200-208). Die uns "auf den Boden polytheistischen Empfindens" (Bousset-

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Auf einen entscheidenden Stellenwert christologischer Wundertraditionen in der christlichen Missionsverkündigung deuten zudem die zahlreichen, maßgeblich an Jes 35,5f. orientierten Wunderkataloge mit Mt ll,5par als Urbild hin. Diese summarienhaften Auflistungen von Machttaten Jesu begegnen in den apokryphen Apostelakten (u.a. Act Pauli 10; Act Petri et Pauli 41) und bei den Kirchenvätern (u.a. Just, Apol 48,1-2; Tert, Apol 21,17) derart stereotyp in apologetisch-missionarischen Zusammenhängen, daß von einem festgeprägten traditionellen Schema auszugehen ist 19 . Für die Sendboten der Logienquelle hat G. Theißen eine Beteiligung an der Überlieferung ntl Wundergeschichten mit der Begründung verneint, daß ihnen zwar Wundertaten aufgetragen würden (Lk 10,9par), in Q aber keine Theios Aner-Christologie erkennbar sei 2 0 . Demgegenüber zeigt der Wunderkatalog Mt ll,5par, der Krankenheilungsund Totenerweckungserzählungen Jesu als Bezugspunkt voraussetzt, daß in dem von Q repräsentierten Teilbereich des Urchristentums über Mt 8,5-13par und 12,22-24par hinaus weitere Wundergeschichten bekannt waren 21 . Als summarienhafte oder kompendienartige Tradition steht Mt ll,5par stellvertretend für einen umfassenderen Wunderzyklus mit entsprechenden Erzählberichten und stellt das älteste Beispiel für jene christlichen, von (dt-)jesajanischen Heilsaussagen her entwickelten Wunderkataloge dar, die zu werbenden Zwecken Verwendung fanden und in der Regel durch eine Kenntnis ausführlicherer Wundergeschichtensammlungen abgedeckt sind. Wer summarienhafte Zusammenstellungen von Wundertaten Jesu in der Mission oder Apologetik verwendete, mußte gewappnet sein, im Bedarfsfall genauere Auskunft erteilen zu können. Für die Wunderkataloge des 2.Jhdt.n.Chr. ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Abhängigkeit von den Evangelien anzunehmen. Ep Ap 5 legt nahe, daß die Wundergeschichten der ntl E w aus

Greßmann, Religion 310f.) versetzende Rede vom höchsten Gott Mk 5,9 impliziert einen Vergleich mit anderen Gottheiten, denen gegenüber er sich als der mächtigste erweist (vgl. 1 Clem 59,3), und erinnert an das traditionelle (Wilckens, Missionsreden 81-91.190-193) Predigtschema der Heidenmission (1 Thess l,9f.; Hebr 6,1; Apg 14,15). 19 Vgl. Frankfurter, Miracle-List Tradition 355-369; Hills, Miracle Lists in Apocryphal Acts 375-390. 20 Theißen, Legitimation 222, Anm.3. 21 Vgl. Vielhauer, Urchristliche Literatur 325f. ("Q kennt und akzeptiert eine reiche ... Tradition von Jesuswundern samt der dazugehörigen θ ε ΐ ο ς - ά ν ή ρ Christologie"). Auch die wunderkritische Q-Versuchungsgeschichte setzt eine Kenntnis von Theios Aner-Christologie voraus (vgl. IV.4.2.). Ohnehin stellt Q keine auf Vollständigkeit bedachte biographische Jesusdarstellung, sondern eine Stoffsammlung unter funktionalen Gesichtspunkten dar.

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missionarisch-werbenden Motiven heraus exzerptartig zu Wunderkompendien zusammengestellt wurden. Für die aus der Zeit vor Entstehung der Evangelien stammende Wunderliste Mt ll,5par steht hingegen wahrscheinlich eine vorliterarische Stoffsammlung von Wundergeschichten im Hintergrund, wie sie sich oben (IV.5) auch für das Mk-Ev und bedingt für das Joh-Ev als plausible Vermutung erwies. In der Umwelt des NT sind solche Sammlungen von Wundergeschichten (Aretalogien) zu Zwecken religiöser Propaganda breit bezeugt 2 2 . Für den Asklepioskult verdient neben den Epidaurosstelen die Kombination vierer Krankenheilungsberichte aus Rom (SIG 3 1173), die der Form nach den ntl Wundergeschichten frappierend nahe kommen, der Erwähnung. Eine Sammlung von Isiswundern ist Diod Sic I 25,2-7 eingeflossen. Für den Sarapiskult bezeugen Artemidor 11,44 und Ael Arist, Or 45,29, die Existenz zahlreicher Bücher mit Aufzeichnungen von Wunderheilungen; die Erzählungen Ael, Nat An XI,31f. 34f., dürften einem solchen Werk entnommen sein. Noch weiterreichende Parallelen haben die für das NT vermuteten vorliterarischen Wunderzyklen in der im Pythagoreertum ausgeprägten Zusammenstellung von Pythagoraswundern zur Propaganda. Andron von Ephesus (4.Jhdt.v.Chr.) ist Gewährsmann für eine Sammlung von Pythagoras- oder Pherekydeswundern aus dem Bereich der Mantik (FGH II 115,70). Ein weiterer thematisch gebundener Komplex von Machttaten des Pythagoras an wilden Tieren ist Porph, Vit Pyth 23-25/Iambl, Vit Pyth XIII,60-62 verarbeitet. Offenkundig bildete er in der Porphyrius und Iamblichus gemeinsamen Quelle (Nikomachus) eine Einheit mit dem auf Aristoteles (Fragm 191) zurückgehenden Wundergeschichtenkatalog (Apoll Parad, Hist Mir VI; Porph, Vit Pyth 27-29; Iambl, Vit Pyth XXVIII,134-143; Diog Laert VIII,11; Ael, Var Hist 11,26; IV,17) 2 3 , der Iambl, Vit Pyth XXVIII,143, zufolge den Pythagoreern dazu diente, Glauben zu erwecken (ταΰτά τε ouv λέγουοι πρός πίστινι) und die übermenschliche Natur des Pythagoras zu erweisen. Speziell der Sachverhalt, daß christliche Missionare Wundergeschichten Jesu tradierten und gleichzeitig selber Machttaten vollbrachten, hat hier seine Entsprechung. Pythagoreer wie Bolos von Mendes, dem Apoll Parad seine Pythagoraswunder verdankt (Hist Mir I), Apollonius von Tyana (Porph, Vit Pyth 2; Iambl, Vit Pyth XXXV,254) und Alexander von Abonuteichos (Luc, Alex 4.40) betätigten sich als Bewahrer von Pythagorasüberlieferung und praktizierten in der Nachfolge des Pythagoras Magie oder vollzogen seine Wunder nach. Auch die Magier von PGM tradierten mit enger Ausrichtung auf ihre Praktiken stilechte Wundergeschichten (PGM IV,2446-2455).

In dem Apophthegma Mt ll,2-6par begegnet der Wunderkatalog ll,5par in apologetisch-werbender Funktion, indem Jesus wegen seiner 22 Vgl. zu den Asklepiosaretalogien Wolter, Inschriftliche Heilungsberichte 139-170, aus atl-jüdischer Tradition den Elia-Elisa-Zyklus und die Sammlung von Chanina ben Dosa-Wundern bTaan 24b/25a, die Vermes, Hanina ben Dosa 57, sogar zur Annahme eines '"gospel' of Hanina" mit Wundergeschichten und Weisheitslogien verleitete. 23 Vgl. Rohde, Quellen des Jamblichus 29-45; Burkert, Weisheit und W i s senschaft 87f.ll7-120.

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als Erfüllung atl Heilsprophetie geltenden Wunder als der von dem Täufer angekündigte Kommende propagiert wird. Von daher legt sich die Vermutung nahe, daß der Wunderkatalog Mt ll,5par seinen "Sitz im Leben" in der missionarischen Werbung hat, wie es grundsätzlich für eine Vielzahl der Mt ll,5par vergleichbaren frühchristlichen "miraclelists" der Fall ist, und Bestandteil der Missionsverkündigung der QBoten war. Für Wandermissionare, die sich bei der Verkündigung auf Überlieferungen von Jesus als Wundertäter stützten und gleichzeitig das Vollbringen von Machttaten als konstitutiven Bestandteil ihres Apostolats betrachteten, war es ein ebenso naheliegender wie folgerichtiger Schritt, dem Wunderhandeln Jesu Vorbildfunktion für das eigene Wirken beizumessen. Mk 9,28f. legt nahe, daß nach dem Vorbild Jesu (Mk 9,14-27) vergebliche Dämonenaustreibungsversuche unternommen wurden. Die Wiederbelebung Act Petr 27 orientiert sich an dem Beispiel Jesu von Lk 7,11-17. PsClem, Recogn 11160,2, läßt Petrus nach einer Mt ll,5par vergleichbaren Auflistung von Wundertaten Jesu verlauten: "et alia his similia quae etiam per me fieri videtis" (vgl. auch Mart Andr 3). Zudem appellierten christliche Magier in Gebeten (Act Thom 47) oder von ihnen abgefaßten Amulettexten (PGM 5b.18; PGM.S 30.31) an die in Wundergeschichten manifeste Heilkraft Jesu, um den Hilfsbedürftigen zu ermutigen und das neuerliche Eingreifen Jesu in v e r gleichbaren Krankheitsfällen herbeizuführen.

Für die pln Gegner im 2 Kor dürfte der Auffassung, ein Apostel müsse sich durch Wundertaten auszeichnen, eine Theios Aner-Christologie korrespondiert haben, die sie ernsthaft als Überlieferungsträger einzelner syn oder joh Wundererzählungen in Betracht kommen läßt 2 4 . Die in Korinth eingedrungenen Wandermissionare betrachteten im Gegensatz zu Pls Machttaten als konstitutiven Aspekt der Apostelwürde und stützten sich mit ihren σημεία τε και τέρατα και δυνάμεις (2 Kor 12,12) auf eine formelhafte Trias, die Apg 2,22 in der Missionspredigt auf Jesu Wundertaten bezogen begegnet. 2 Kor 11,4 25 (εί μεν γαρ ό ερχόμενος άλλον Ίησουν κηρύοσει δν ουκ έκηρύξαμεν) ist entnehmbar, daß neben pneumatologischen speziell auch christologische Aspekte eine unüberbrückbare

24 Georgi, Gegner 210-218.282-292; Fortna, Gospel of Signs 223-225; Kuhn, Sammlungen 211-213; ders., Irdischer Jesus 302-308; Köster/Robinson, Entwicklungslinien 176-178. Vgl. auch H.D. Betz, Christus-Aretalogie 304f.: "Im Verständnis der Gegner des Paulus ist der Apostel Aretaloge, der zum Zwecke missionarischer Propaganda Aretalogien vorträgt." 25 άνεχεσθε ( Ρ 4 6 , Β 03, D 0 6 , 33) ist in 2 Kor 11,4 den v.l. άνείχεσθε bzw. ήνείχεσθε vorzuziehen. Die Aussage 11,4 ist also nicht als Irrealis aufzufassen, wie bereits Lütgert, Freiheitspredigt 63-66, herausstellte.

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Differenz zwischen Pls und seinen Gegner markierten. Zumindest die negative Abgrenzung, welchen Jesus die Gegner nicht verkündigten, liegt im Horizont von 1 Kor 1,23 (vgl. auch 1 Kor 15,12) auf der Hand. Dem für Pls wie für die vorpln christologische Traditionsbildung zentralen Theologumenon vom gekreuzigten Christus kam bei den Gegnern als Verkündigungsinhalt offenbar keine hervorgehobene Bedeutung zu, "at the very minimum, 'another Jesus' is one who is not weak, suffering or humilated." 26 Entgegen der Vermutung, die gegnerische Christologie sei doketistisch geprägt gewesen 27 , erscheint angesichts der Bezüge zwischen dem apostolischen Selbstverständnis der pln Gegner und der Q-Aussendungstradition die Annahme näherliegend, daß sich hinter der Verkündigung eines άλλος Ίησοΰς 11,4 ein einseitiger Rückgriff auf solche Jesustradition verbirgt, in der formal vom irdischen Jesus die Rede ist 2 8 . Dies schließt die Möglichkeit mit ein, daß sich die Gegner einer vorliterarischen Wundergeschichtensammlung bedienten, wie sie sich hinter Mt ll,5par und Mk 4,35-6,52 mit hoher Plausibilität vermuten läßt und Joh 2,1-11; 4,46-54 fragmentarisch erhalten zu sein scheint. Dabei handelt es sich um eine Engführung, wenn lediglich mit der Tradierung christologischer Wunderüberlieferung zu Missionszwecken gerechnet wird, da die pln Gegner dazu geeignete Wunderberichte auch als Motivation und Anleitung für ihre σημεία τε και τέρατα και δυνάμεις (12,12) betrachtet oder sich legitimatorisch auf das Vorbild Jesu berufen haben können. Für eine bei den pln Gegnern bestehende Korrelation zwischen Wunderwirksamkeit und christologischen Theios Aner-Vorstellungen spricht auch der Sachverhalt, daß Pls 2 Kor 13,4 apologetisch seinen durch Niedrigkeit gekennzeichneten Apostolat gezielt an die theologia crucis bindet 2 9 . Dies erlaubt den Analogieschluß, daß unter 26 Murphy-O'Connor, Another Jesus 248. In diese Richtung weist auch das einfache "Ιησούς 11,4. Für Pls ist Ίησοΰς in erster Linie der Gekreuzigte (1 Thess 4,14a; Gal 6,17; 2 Kor 4,10; vgl. Foerster, ThWNT III 289; Friedrich, Gegner 189), die Gegner verkündigen einen ά λ λ ο ς Ίησοΰς. 27 Schmithals, Gnosis 126f. 28 So auch Windisch, 2 Kor 328; Käsemann, Legitimität 495; Friedrich, Gegner 189f.; Georgi, Gegner 286ff.; Murphy-O'Connor, Another Jesus 250. 29 Nach der Gegnerparole 2 Kor 10,10 ist das Auftreten des Pls durch ασθένεια geprägt (vgl. 11,6). Pls sieht gerade darin seine Dynamis als Apostel begründet (12,9f.) und stellt dies 13,4 in einen christologischen Bezugsrahmen, indem er Verbindungslinien von seiner ασθένεια zur Kreuzigung Christi έξ ασθενείας zieht (ähnlich 4,10-12). Vgl. zur pln Prägung des apostolischen Selbstverständnisses durch die Kreuzeschristologie Güttgemanns, Leidender Apostel 94-198; Kleinknecht, Leidender Gerechtfertigter 197ff.; Strecker, Legitimität des pln Apostolates 573-579. Kritisch Kolenkow, Paul and Opponents 351-364: Leiden sei "common standard" des Apostels, den die Gegner mit Pls teilten.

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veränderten Vorzeichen auch die pln Gegner ihr Selbstverständnis als Apostel und ihr Verständnis der Person Jesu eng aufeinander bezogen sahen, indem sie sich mit ihrem durch Hochschätzung von Wundertaten charakterisierten apostolischen Anspruch in erster Linie auf Traditionen von Jesus als vollmächtigen Wundertäter stützten. In ähnlicher Weise kommen die christlichen Wundertäter hinter Mt 7,21-23 als Überlieferungsträger von Wundergeschichten in Betracht. Für diese Annahme spricht, daß bei Mt eine Kritik an Machttaten im Namen Jesu (Mt 7,21.23; Auslassung von Mk 9,38-40; Historisierung der Aussendungstradition) mit einer zielgerichteten Korrektur des Bildes von Jesus als Wundertäter Hand in Hand geht, indem Wundergeschichten mit Instruktionscharakter (Mk 7,31-37; 8,22-26) und nachahmungsfähige Wundertechniken (u.a. Mk 5,8f.; 9,29) aus der Jesusüberlieferung eliminiert werden. Offenbar soll Wundercharismatikern hier ihre christologische Legitimationsbasis entzogen werden. Expressis verbis werden christliche Wundertäter bei Origenes mit der Tradierung und Verwendung von Jesusstoffen in Verbindung gebracht. Orig, Cels 1,6/111,24, zufolge vollziehen sich christliche Dämonenaustreibungen durch eine Anrufung des Namens Jesu zusammen mit einer Verkündigung der Geschichten über ihn (μετά της άπαγγελλίας των περί αυτόν ιστοριών/μετά της περί αΰτοΰ ιστορίας). Uber den genauen Inhalt der rezitierten Jesustradition läßt uns Origenes im Unklaren. Da es sich aber um Erzählstoffe handelt, kommt am ehesten eine die Dämonenaustreibungen begleitende Darbietung von Wundergeschichten in Betracht. Dies deckt sich mit Zeugnissen christlicher Magie, denenzufolge die Anrufung Jesu zum rettenden Eingreifen mit einem geschichtlichen Verweis auf seine Wundertaten zu Erdenzeiten gekoppelt ist. Besonders verbreitet war die Praxis, im Zusammenhang mit Fieberheilungen Mk 1,29-31 zu vergegenwärtigen (PGM 18; PGM.S 31; Kropp Nr.XVI). Auf einem offenbar zum Schutz vor Ertrinken dienenden Amulett wird Mt 14,30-33 in Erinnerung gerufen (PGM 23), zu magischem Fischfang Lk 5,1-11 rezitiert (Kropp N r . X X X ) . Das Amulett zur Erleichterung von Geburt Kropp Nr.XVII enthält eine apokryphe Wundergeschichte (Jesus hilft einer kreisenden Hirschkuh).

Sollte der von Origenes für das 3.Jhdt.n.Chr. bezeugte Brauch, im Zusammenhang mit Dämonenaustreibungen Wundergeschichten Jesu zu rezitieren, in älteren christlichen Praktiken wurzeln, wäre dies ein zusätzlicher Beweis für die Annahme, daß zu Machttaten befähigte Charismatiker sich als Tradenten ntl Wundergeschichten betätigten. Zudem wäre dadurch die Spiegelung nachösterlicher Heilformeln in der syn-joh Jesusüberlieferung plausibel gemacht. Wundercharismatiker re-

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zitierten über Hilfsbedürftigen Erzählungen von Dämonenaustreibungen oder Krankenheilungen Jesu und ließen dabei solche formelhaften Wendungen einfließen, wie sie von ihnen selber benutzt wurden. Auch wenn dies hypothetisch bleibt, lag jedenfalls bei den bereits für die Zeit vor Abfassung der Evangelien bezeugten (Mt 7,22; Mk 9,38) Wundertaten im Namen Jesu von vornherein eine Vergegenwärtigung jener Traditionen nahe, denenzufolge Jesus zu seinen Lebzeiten in vergleichbaren Notsituationen machtvoll gehandelt hatte. Die beiden tragenden Säulen fast aller ntl Wundergeschichten, nämlich Werbung mit der Vollmacht Jesu und Reflexion nachahmungsfähiger Heiltechniken, weisen recht eindeutig in den Bereich christlicher Apostel, für deren Auftreten die missionarische Werbung mit Jesusüberlieferung und das Vollbringen von Wundertaten typisch waren. Die Wundergeschichten waren zwar kaum als detaillierte Heilungsinstruktionen geeignet - diesbezüglich verfügte man über magische oder pharmakologische Kompendien - und haben daher formgeschichtlich nicht die Funktion von Zauberpapyri erfüllt. Christliche Charismatiker konnten sie aber zur grundsätzlichen Legitimation ihres Auftretens oder im direkten Zusammenhang mit Wunderheilungen vergegenwärtigen und in begrenztem Umfang auch nachahmungsfähige Formeln oder Praktiken aus ihnen erlernen.

4.3. Sozialgeschichtliche Implikationen frühchristlicher Heilkunst 4.3.1. Der umsonst heilende Jesus und der geldgierige Asklepios Die vorbildhafte, stark in jüdischer Tradition verwurzelte innergemeindliche Krankenfürsorge und die unentgeltliche Heilung von nicht dem Christentum zugehörigen Personen stellen ein für die Popularität der sich ausbreitenden Kirche nicht zu unterschätzendes Moment dar. Christliche Wundertäter wirkten von Anfang an ohne finanzielle Gegenleistungen. In der Aussendungsinstruktion Mt 10,8 heißt es im Blick auf das Krankenheilungs- und Dämonenaustreibungscharisma der Q-Boten δωρεάν έλάβετε, δωρεάν δότε. Irenäus hebt es als Spezifikum des "rechtgläubigen"1 Christentums hervor, daß nicht allein kostenlos Krankenheilungen vollbracht werden (sine mercede et gratis perficiatur), sondern die Christen zudem noch das Ihrige zum Wohl der Geheilten l Vgl. zu den als häretisch geltenden Strömungen des Christentums, wo Frauen als Wundercharismatikern eine hervorgehobene Rolle zukam (Tert, Praescr Haer 41: ipsae mulieres haereticae ... quae audeant ... exorcismos agere, curationes repromittere), Weinel, Wirkungen des Geistes 120-127.

Soziale Implikationen christlicher Heilungen

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beisteuern, indem sie diesen meist mittellosen Personen zusätzlich materielle Unterstützung zuteilwerden lassen (Haer II 31,3). Daß dabei an außerhalb der Kirche stehende Heilungsbedürftige gedacht ist, geht aus Haer II 32,4 hervor, wo zugleich der Grund für dieses Verhalten genannt wird. Weil die Kirche ihre Charismen von Gott umsonst empfangen hat, setzt sie diese tagtäglich ohne Betrug oder Selbstbereicherung zum Segen der Völker ein 2 . Eindrücklich hat sich dieser den tatsächlichen Gegebenheiten grundsätzlich entsprechende, auch von Tertullian (Apol 37,9) betonte Aspekt unentgeltlicher Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen an Nicht-Christen in den apokryphen Apostelakten in Form des Theologumenons von Jesus als umsonst heilendem Arzt (Act Joh 22; 56; 108; Act Thom 156) niedergeschlagen.

Exkurs: Das Theologumenon von Jesus als Arzt Bei dem im frühen 2. Jhdt.n.Chr. expressis verbis aufgekommenen Theologumenon von Jesus als Arzt 3 rechnet man in der Regel allein mit der Übertragung eines Asklepiosprädikates auf Jesus 4 , ohne daß dies der komplexen Traditionsgeschichte des Motivs gerecht würde. Die Betrachtung Jesu als Arzt wurzelt in zwei unterschiedlichen, später dann miteinander verwachsenen Vorstellungskreisen. Einerseits wird Jesu Hinwendung zu den sündigen Menschen bildhaft mit der Tätigkeit eines Arztes verglichen. Andererseits ist die Anschauung wirksam, daß Jesus bereits zu seiner Erdenzeit als Arzt im eigentlichen Sinne an Besessenen oder Kranken wirkte und dies nach seiner Erhöhung bei nachösterlichen Wunderheilungen auch weiterhin tut. Beide Vorstellungskreise überschneiden sich darin, daß in Anknüpfung an atl Traditionen wie Jes 35,5f. nach christlichem Verständnis die Heilung körperlicher Gebrechen und seelisches Heil eng miteinander verbunden sind und ersteres auf letzteres hin transparent ist 5 . Die angesprochene Metapher von Jesus als Arzt begegnet Mk 2,17a im Munde Jesu. Nicht die Gesunden, sondern die Kranken, bei denen es

2 Iren, Haer II 3 2 , 4 / E u s e b , Hist Eccl V 7,5. Vgl. dazu Speigl, Wunder im vorkonstantinischen Christentum 299-302. 3 Eine Zusammenstellung und kurze Besprechung der christologischen ΐατρός-Befunde des 2.-3.Jhdt.n.Chr. bietet Dumeige, Le Christ me'decin 118-141. 4 Bousset, Kyrios Christos 242 mit Anm.5; Rengstorf, Anfänge ISf. Vgl. auch Fichtner, Christus als Arzt 7ff., der ergänzend von einem Einfluß kynisch-stoischer Arzt-Metaphorik ausgeht ( l l f . ) . s Vgl. dazu Schräge, Heil und Heilung 197-214.

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F o r m - und sozialgeschichtliche Aspekte

s i c h im K o n t e x t von Mk 2,13-17 um Zöllner und Sünder handelt, b e d ü r f e n d e s A r z t e s . In d i e s e m vermutlich e r s t sekundär unter h e l l e n i s t i s c h e m E i n f l u ß 6 z u m J e s u s w o r t avancierten Logion ist die s p ä t e r e V o r stellung von J e s u s als d e m S e e l e n a r z t 7 angelegt. Z u d e m z o g Mk 2,17 ιατρός als c h r i s t o l o g i s c h e n Titel nach s i c h 8 . Keine Anhaltspunkte für Jesus als Arzt dir selbst!" 9 Wie ein Arzt in der Lage selbst zu heilen, wird von Jesus e r w a r t e t , eigenhändig den Boden entzieht, indem gewirkten Wunder wiederholt.

bietet hingegen Lk 4,23 "Arzt, hilf sein muß, sich im Krankheitsfalle daß er der Anfeindung in N a z a r e t h er dort die bereits in Kapernaum

S o t e r i o l o g i s c h vertieft wird die Metaphorik vom ärztlichen W i r k e n J e su b e r e i t s 1 Clem 16,5 und später in Barn 5,2 durch e i n e c h r i s t o l o g i s c h e Interpretation von J e s 5 3 , 5 L X X (τω μώλωπι αΰτου ημεΐς ΐάθημεν). J e s u s hat u n s durch s e i n L e i d e n von d e n S ü n d e n geheilt. Im übertragenen Sinne ist auch der ä l t e s t e c h r i s t o l o g i s c h e ϊατρός-Beleg Ign, Eph 7 , 2 (εις ιατρός έστιν, σαρκικός τε και πνευματικός), gemeint. D i e Mahnung, s i c h vor s c h w e r heilbarer H ä r e s i e in acht z u n e h m e n (7,1), wird durch den V e r w e i s auf d e n εις ιατρός J e s u s Christus fundiert. Ohnehin liebt Ignatius V e r g l e i c h e aus der M e d i z i n 1 0 , und σαρκικός τε και πνευματικός b e z i e h t s i c h nicht auf die Heilung körperlicher und geistlicher G e b r e c h e n 1 1 , s o n d e r n dient e i n e r Explikation der g l e i c h e r m a ß e n s a r k i s c h e n w i e p n e u -

6 Vgl. die griechischen Parallelen bei Jülicher, Gleichnisreden II 176f.; Lohmeyer, M k - E v 56, Anm.2. 7 Act Thom 10 (ό ιατρός των έν νόσψ κατακειμένων ψυχών [das Gebet ist an Jesus, nicht an Gott gerichtet, wie bereits die Joh 20,28 entlehnte Anrede ό κυριός μου και ό θ ε ό ς μου zeigt]); Act Thom 143 (πιστεύσατε τ φ πάντων ίατρφ όρατων τε κ α ι αόρατων σωτηρίαν των ψυχών); Orig, Cels 1,9 (Jesus als ό πολλών ψυχάς θεραπεύσας). Dabei liegt eine Christologisierung einschlägiger, aus Ex 15,26 gespeister Traditionen von Gott als Seelenarzt vor, vgl. Philo, Sacr AC 70 (Gott als μόνος ιατρός ψυχής); Theophil, Autolyc 1,7 (Gott als ό ιατρός τ η ς ψ υ χ ή ς και της καρδίας). 8 Iren, H a e r III 5,2, konstatiert unter Rezitation von M k 2,17 ό κύριος ιατρός ήλθε των κακώς εχόντων. Ähnlich Orig, Cels 11,67, in Anspielung auf Mk 2,17: Der Kyrios sei ώς ιατρός α γ α θ ό ς zu den Sündern gekommen. 9 Vgl. aber die Variante PapOxy I , 6 / E v Thom Log 31, derzufolge Jesus sich selbst als A r z t bezeichnet (ουδέ ιατρός ποιεί θ ε ρ α π ε ί α ς εις τους γινώσκοντας αυτόν). Zusammenstellung der antiken Parallelen zu Lk 4,23 bei Nolland, Parallels 193-209. 10 Vgl. Ign, Eph 20,2; Trail 6,2; Pol 1,3; 2,1. 11 Gegen Bauer-Aland, W ö r t e r b u c h 750, wo fälschlicherweise mit "Arzt des Leibes und der Seele" übersetzt wird. Dies scheitert daran, daß die nachfolgenden Wendungen γεννητός και άγέννητος, εν σαρκί γενόμενος θ ε ό ς der Explikation von σαρκικός τε και πνευματικός dienen.

Soziale Implikationen christlicher Heilungen

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matischen Seinsweise Jesu (vgl. Ign, Sm 3,3; 12,2): "Einer ist Arzt, aus Fleisch zugleich und aus Geist." 12 Eine Betrachtung Jesu als Arzt im eigentlichen Sinne ist in den ntl Heilungswundertraditionen insbesondere dort impliziert, wo Jesus volkstümlich-medizinische Praktiken zugeschrieben werden (Mk 7,31-37; 8,22-26; Joh 9,1-7). Eine plastische Ausprägung hat das im 2.Jhdt.n.Chr. voll entfaltete Motiv in den "Taten des Petrus und der zwölf Apostel" gewonnen, wo der Auferstandene die Jünger in Gestalt eines Arztes mit Medikamentenkoffer zu Krankenheilungen beauftragt (Act Pt 9,32ff.). Dabei wird deutlich, daß das Theologumenon von Jesus als Arzt nicht in erster Linie darauf abzielt, im nachhinein den irdischen Jesus historisierend als Arzt zu betrachten, sondern ungleich stärker von dem aktualisierenden Interesse christlicher Wundercharismatiker geleitet ist, die von ihnen vollbrachten Krankenheilungen auf eine ideelle ärztliche Wirksamkeit des erhöhten Christus zurückzufuhren. Dies findet von anderen apokryphen Apostelakten her Bestätigung, wo die christologische Arzt-Titulatur vielfach im Kontext nachösterlicher Dämonenaustreibungen, Krankenheilungen oder Totenerweckungen begegnet (Act Joh 56; Act Thom 156; Act Phil 41) und Bestandteil solcher formelhaften Wendungen oder Gebete ist (Act Joh 22; 108), wie sie bei den im Namen Jesu gewirkten Wundertaten rezitiert worden sein dürften. Für diese christologischen ίατρός-Befunde im Kontext von Krankenheilungen ist eine maßgebliche Prägung durch Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Asklepioskult in Rechnung zu stellen. Der als Erhöhter im Wirken christlicher Wundercharismatiker präsente Arzt Jesus tritt in Konkurrenz zu Asklepios, der an Heiligtümern in Epiphanien oder durch seine Kultpriester Krankenheilungen bewirkt. Besonders offenkundig ist dies in dem Gebet Act Joh 108, das eine massive Konkurrenz zwischen Christentum und Asklepioskult erkennen läßt, indem e x klusiv für Jesus solche Prädikationen in Anspruch genommen werden, wie sie sonst für Asklepios typisch sind. Bereits das stereotype μόνος deutet in Act Joh 108 auf eine Abgrenzung gegenüber anderen Heilgottheiten, am ehesten Asklepios, hin 1 3 , wobei an die Tradition von Gott als dem μόνος ιατρός (Philo, SacrAC 70) angeknüpft werden konnte. Die christologische Titulatur ιατρός δωρεάν ίώμενος Act Joh 108 wendet sich deutlich gegen das weitverbreitete Bild von Asklepios als geldgierigem Arzt (s.u.), und mit ό μόνος

12 So richtig Fischer, Apost. Väter 147; vgl. ferner Bauer/Paulsen, Ign 33, und Schoedel, Ign 117f., der hier den Kern der christologischen Zwei-Naturen-Lehre sieht. 13 Fichtner, Christus als Arzt 7.

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Form- und sozialgeschichtliche Aspekte

Ευεργέτης, ö μόνος ... φιλάνθρωπος sowie ό μόνος σωτήρ werden Asklepios zentrale Prädikate seiner Verehrer abgesprochen 14 . Justin betrachtet die Traditionen von Asklepios als Totenerwecker und Wunderheiler als unrechtmäßige Aneignung atl Verheißungen. Nachdem die Heiden aus den Prophezeiungen des AT erfahren hätten, daß Jesus jegliche Krankheit heilen und Tote auferwecken werde, sei Asklepios als teuflische Imitation dieser Prophetie hervorgebracht worden (Apol I 54,10, Dial 69,3). Aristides polemisiert gegen die Verehrung von Asklepios als θεός und ιατρός. Da er sich bei seinem Tod durch Blitzschlag nicht helfen konnte, sei er auch nicht fähig, anderen Hilfe zu bringen (Apol 10,5f.). Origenes qualifiziert Asklepios als dämonischen Arzt ab (Cels 111,25), ohne dabei allerdings die Faktizität von Krankenheilungen in Frage zu stellen.

Spätestens an der Schwelle vom 2. zum 3.Jhdt.n.Chr. sind die beiden aus unterschiedlichen Wurzeln entsprungenen Traditionskreise, die Betrachtung Jesu als Arzt im eigentlichen wie im übertragenen Sinne, fest miteinander verwachsen, indem sich das ärztliche Wirken des erhöhten Herrn gleichermaßen auf den Bereich des Körpers wie der Seele erstreckt. Jesus ist der ιατρός σωμάτων και ψυχών (Act Thom 156), ό ιατρός, ό των κρυπτών και φανερών θεραπευτής (Act Phil 41), der den Körper wie auch die Seele von den Leiden heilt (Clem Alex, Strom III 104,4). *

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Die unentgeltlichen Dämonenaustreibungen und Heilungen im frühen Christentum lassen sich erst dann in ihrer vollen Tragweite erfassen, wenn man sich vor Augen hält, in welchem Maße finanzielle Gesichtspunkte im antiken Heilungswesen eine Rolle spielten. Speziell das angesprochene Theologumenon von Jesus als umsonst heilendem Arzt hat seine volle Ausprägung allem Anschein nach in der Auseinandersetzung zwischen Christentum und Asklepioskult gewonnen. Dem Mythos zufolge tötete Zeus den Asklepios durch einen Blitz, weil dieser für Gold (μισθψ χρυσός) einem bereits dem Tode verfallenen Menschen geholfen hatte (Pindar, Pythia 111,55-58). Dies wurde von den christlichen Apologeten dankbar aufgegriffen. Athenagoras und Tertullian werfen Asklepios eine gewinnsüchtige Anwendung seiner Heilkunst vor 1 5 . Clem Alex, 14 Vgl. zu ευεργέτης Orig, Cels 111,3: αυτός (sc. Celsus) ... παρατίθεται Άοκληπιόν εύεργετοΰντα. Als φιλανθρωπότατος begegnet Asklepios bei Ael Arist, Or 39,5, und Ael, Nat An IX,33, als (ό) σωτήρ in Inschriften (SIG 3 1172; Habicht Nr.64ff., vgl. Index zu Asklepios Soter ebda. 196) und stereotyp bei Ael Arist, Or 39ff. (dazu: Dölger, Heiland 259-263). 15 Athenag, Suppl 29, Tert, Nat II 14,12; Apol 14,5. Vgl. ferner Euseb, Praep Ev III 13,19.

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Prot 1130,1) gilt Asklepios ebenfalls unter Berufung auf Pindar als geldgieriger Arzt (εχεις και ίατρόν ... έν θεοΐς· ό δέ ιατρός φιλάργυρος Jjv, 'Ασκληπιός δνομα αΰτψ). Von Jesus heißt es dagegen Act Joh 56 ό έμός ιατρός μισθού αργυρίου οΰ λαμβάνει, und Act Joh 108 gilt Jesus im Zusammenhang mit seinen unentgeltlichen Heilungen als ό μόνος ελεήμων και φιλάνθρωπος, womit für Asklepios wegen seiner finanziellen Forderungen das Prädikat "höchster Menschenfreund" (Ael Arist, Or 39,5; Ael, Nat An IX,33) ausgeschlossen wird.

Letztlich entbehrt diese christliche Polemik nicht eines gewissen Wahrheitsgehaltes. Bei Ael, Fragm 100, ist zwar davon die Rede, daß Asklepios mittellose Personen (άποροι) heilte. Für den Asklepioskult fehlen hingegen Belege für unentgeltliche Kuren 16 , und die Inschriften von Epidauros und Pergamon geben Zeugnis davon ab, in welchem Maße die Asklepiospriester um angemessene Entlohnung für die Heilungen bemüht waren. In Epidauros ging der Inkubation ein Voropfer voraus, für das eine Gebühr von drei Obolen zu entrichten war 17 . Die eigentliche Bezahlung schloß sich spätestens binnen Jahresfrist (vgl. W 5.68.69) nach erfolgter Heilung an, wobei die W8 von Asklepios gestellte Frage "Was gibst du mir, wenn ich dich gesund mache (τό μοι δώσεις αϊ τύ κα ύγιη ποιήσω)?" geradezu programmatisch wirkt. Apellas erscheint im Heiltraum ein Asklepiospriester mit den Worten: "Du bist geheilt, nun ist das Honorar zu zahlen" 18 . Konkrete Zahlen für die Behandlungskosten in Epidauros bieten W 68 (100 Drachmen Silber) und W 89 (200 Drachmen Silber). W4 zufolge muß eine gewisse Ambrosia aus Athen ein silbernes Schwein stiften, weil sie unzureichendes Vertrauen in die Heilfähigkeiten von Asklepios gesetzt hatte. Die zahlreichen mit Geldfragen zusammenhängenden Strafwundererzählungen unter den Epidaurosinschriften enthalten bei allen humo16 Vgl. gegen das ohne Quellenanhalt bleibende Bild von Asklepios als gütigem Heilgott der sozial Benachteiligten bei Edelstein/Edelstein, Asclepius II 175ff. (ähnlich Theißen, Wundergeschichten 233-236; vgl. auch Pfeffer, Einrichtungen der sozialen Sicherung 26f. mit Anm.40) die Einwände von Vlastos, Religion and Medicine 288-290; Kudlien, Griech. Arzt 12 ("Auch Heilgötter nehmen Bezahlung - von Armen gegebenenfalls geringe - entgegen. Dies unterscheidet sie nicht von Ärzten ... und macht sie nicht zu speziellen Heilern der 'otherwise neglected poor"'). 17 Sokolowski LSCG.S 22. Für die προθύσεις wurde Bedürftigen aber offenbar eine Beihilfe geleistet, vgl. Peek, Inschriften Nr.336,Iff. 18 S I G 3 1170,20f. (um 160n.Chr.): θεράπευσαι, χρή Si άποδιδόναι τα Γατρα. Recht eindrücklich ist in dieser Hinsicht auch Paus X 38,13: Das erste, was der erblindete Phalysius in Naupactus nach seiner Heilung durch Asklepios zu sehen bekommt, ist die Rechnung über 2000 Goldstater.

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resken Zügen eine eindringliche Warnung davor, Asklepios und damit dem Heiligtum zustehende Entlohnungen für Heilungen nicht zu leisten. Probleme in dieser Hinsicht ergaben sich offenkundig dadurch, daß geheilte Personen den in der ersten Euphorie geleisteten finanziellen Zusagen später nicht nachkamen 19 . W22 wird der Geheilte wieder blind, weil er die Abführung der Dankesgaben verweigerte. W 47 berichtet von einem Strafwunder an dem Fischträger Amphimnestos, der sein Gelübde nicht einhält, den zehnten Teil seines Gewinnes an Asklepios zu spenden. W55 wird der Geheilte erneut mit Blindheit geschlagen, weil er statt des gelobten Goldbildwerkes als Dankesgabe eine aus Holz bestehende, lediglich mit Gold überzogene Fälschung abzuliefern versucht. Die Inschrift W25 (Asklepios befiehlt einer erst auf dem Rückweg von Epidauros geheilten Frau, den Heildank abzuliefern) verfolgt den Zweck, auch solche Personen zur Entlohnung der Priesterschaft anzuhalten, die nach scheinbar erfolgloser Behandlung später doch noch gesunden. Am Asklepieion von Pergamon gingen der Inkubation vielfältige Tieropfer voraus (Habicht Nr.l61,lff.), die dem Dekret SIG 3 1007 gemäß den Priestern als gesetzlicher Opferanteil zufielen und wie in Epidauros eine Entrichtung von drei Obolen mit sich brachten (161,8). Zur Inkubation wurden ohnehin nur solche Personen zugelassen, die durch Benennung von Bürgen eine Begleichung der Heilgebühren innerhalb eines Jahres nach der Genesung gewährleisteten (161,29f. καθιστάτωοαν δε εγγύους των ιατρείων τωι θεωι, 'ά αν αυτούς πράσσηται, απόδωσε ιν εντός ένιαυτοΰ). Als Dankesgaben für die Heilung waren einjährige Tiere darzubringen und ein Betrag von mindestens zwei phokäischen Hekten zu zahlen (161,31-34)20. An dem von Alexander in Abonuteichos etablierten GlykonAsklepios-Heiligtum, dessen mantische Anweisungen auch Krankenheilungsinstruktionen miteinschlossen, kostete jeder Orakelspruch eine Drachme und zwei Obolen (Luc, Alex 23). Dabei räumt selbst Lukian ein, daß dies nicht zur Selbstbereicherung erfolgte, sondern der Abdeckung des kostenintensiven Kultbetriebes diente. Während im Asklepioskult dem finanziellen Aspekt für den Unterhalt der Kultstätten und die Entlohnung des Tempelpersonals maßgebliche Bedeutung zukam, vollzogen sich christliche Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen, sei es an Bedürftigen oder sei es an Wohlhabenden, unentgeltlich. In diesem Punkt wird nicht allein speziell im Kontrast zum Asklepioskult, sondern grundsätzlich ein Proprium christlicher Heilkunst in der Antike deutlich.

19 Vgl. auch die Veruntreuung der für Epidauros bestimmten Gelder in W 7. 20 Vgl. dazu Wörrle, in: Habicht, Inschriften des Asklepieions 184-186.

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4.3.2. Ärztliche Entlohnung in der Antike In den griechischen Poleis gab e s bereits recht früh eine kommunale Krankenfürsorge, indem öffentliche Ärzte (δημόσιοι ιατροί od. δημοοιεύοντες) angestellt wurden, die bedürftige Personen teilweise unentgeltlich b e handelten. Glaubt man Diod Sic, dann hat bereits spätestens im 6.Jhdt.v.Chr. eine öffentliche Krankenfürsorge existiert. Charondas habe die Schulpflicht eingeführt und damit frühere Gesetzgeber übertroffen, die eine kostenlose Krankenpflege beschlossen hatten 2 1 . Xenoph, Cyropaedia I 6,15, konstatiert πόλεις αί χρήζουσαι ΰγιαίνειν ιατρούς αίροΰνται. Für Athen sind seit dem 5.Jhdt. v.Chr. öffentliche Ärzte bezeugt, wobei Aristoph, Ach 1030, betont, daß sie umsonst heilten (δημόσιοι προίκα έθεράπευον). Herodot berichtet, daß der Arzt Demokedes aus Kroton zunächst ein Jahr lang in Aigina für ein Talent im öffentlichen Dienst wirkte (δημοσίη μισθοΰνται), danach die gleiche Zeit in Athen für 100 Minen (Hist 111,131). Bezahlt wurden die öffentlichen Ärzte wohl durch eine Sondersteuer (ΐατρικόν), wie sie SIG 3 437,5 für Delphi bezeugt. Um des persönlichen Vorteils oder einer Erhöhung der Standesreputation willen wurde zumindest vorübergehend freiwillig auf eine Entlohnung verzichtet. Als sich in Athen der Arzt Pheidias dazu bereiterklärt, unentgeltlich als Gemeindearzt zu wirken (δημοσιεύειν δωρεάν), wird ihm auf Volksbeschluß ein Ölkranz zuerkannt und eine Tafel im Asklepieion errichtet (SIG 3 335). Ähnlich wird der nach 188 v.Chr. in Tenos zunächst umsonst wirkende (δωρεάν λειτουργήσειν) Arzt Apollonius Milesius geehrt (SIG 3 620). In hellenistischer Zeit scheint die kommunale Krankenfürsorge s p e ziell in Ägypten einen hohen Stand erreicht zu haben, wo ab dem 3Jhdt.v.Chr. die Besoldung öffentlicher Ärzte durch b e s o n d e r e Abgaben breit b e z e u g t ist. Locus classicus hierfür ist Diod Sic I 82,3: "Bei Feldzügen und Missionen auf das Land werden aber alle ärztlich behandelt, ohne selbst Honorar zu entrichten (θεραπεύονται πάντες ούδενα ιδία δίδοντες). Denn die Ärzte empfangen den Lebensunterhalt aus der Gemeindekasse (οί γαρ ιατροί τάς μεν τροφάς έκ τοΰ κοινοΰ λαμβάνουσι)." Hier ist zweifellos an die entweder in Naturalien oder in Geld zu entrichtende Arztsteuer (ΐατρικόν) gedacht, die durch zahlreiche Papyri verbürgt i s t 2 2 .

21 Diod Sic XII 13,4: και τοσούτον ύπερεβάλετο τους πρότερον νομοθετήσαντας δημοσίφ μισθω τους νοσοΰντας των ϊδιωτων ίιπό ιατρών θεραπευεσθαι. 22 PapHib I 102 (248v.Chr.; Text und Komm, bei Sudhoff, Ärztliches aus griech. Papyrusurkunden 268): "Kyrenaios ... entbietet dem Arzte Eukarpos seinen Gruß! Es ist angeordnet, daß ich Dir 10 Artaben Spelt oder 4 Drachmen als Arztsteuer für das 38. Jahr (sc. des Ptolemaios Philadelphos = 247v.Chr.) zahlen soll ... ." Vgl. ferner PapHamb II 171 (246v.Chr.; Text und Komm, bei Hengstl, Griechische Papyri aus Ägypten 269f.); PapHib I 103

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Die skizzierten Gegebenheiten in griechischen Stadtstaaten und ländlichen Regionen Ägyptens sind allerdings für das Imperium Romanum des ntl Zeitalters kaum repräsentativ. Eine relativ hoch entwickelte Krankenfiirsorge mit Anstellung öffentlicher Ärzte war nicht flächendeckend 2 3 und wird in zahlreichen Gegenden bereits an finanziellen Voraussetzungen gescheitert sein. Zudem scheint die unentgeltliche Behandlung bedürftiger Personen durch öffentliche Ärzte in Griechenland und Ägypten nicht gesetzlich festgeschrieben gewesen zu sein, sondern eher auf einem nicht institutionalisierten und oft zeitlich befristeten, freiwilligen Entgegenkommen des Arztes beruht zu haben 24 . In jedem Falle waren öffentliche Ärzte, die bedürftige Personen umsonst oder gegen ein geringes Fixgehalt aus Steuermitteln behandelten, darauf angewiesen, die Einkommenseinbußen bei wohlhabenderen Patienten wieder wettzumachen. Das Corp Hippocr weist hinsichtlich der Entlohnung ein hohes ärztliches Ethos auf. Um den Kranken nicht unnötig in Aufruhr zu versetzen, soll der Arzt von einem Aushandeln des Honorars vor Behandlungsbeginn Abstand nehmen (Hippocr, Praec IV) und zumindest in Ausnahmefällen Bedürftige und insolvente Fremde umsonst (προίκα) heilen (Hippocr, Praec VI) 25 . In der Praxis dürfte dies meist anders ausgesehen haben. Antike Quellen heben das nicht am Gewinn orientierte Wirken von Ärzten als Besonderheit hervor 26 . In (231 v.Chr.; bei Sudhoff, aaO. 268f.; Hengstl, aaO. 71f.); zum Ganzen: Sudhoff, aaO. 266-272 (mit weiteren Belegen); Kudlien, Griech. Arzt 18ff. 23 Während etwa Strabo IV 1,5 für die Kelten die Anstellung von Ärzten aus öffentlichen Mitteln bezeugt und auch der Lehrer des Alexander von Abonuteichos als öffentlicher Arzt wirkte (Luc, Alex 5), ist für Rom in ntl Zeit die Existenz unentgeltlich heilender, aus Steuermitteln entlohnter Ärzte fraglich, vgl. Bolkestein, Wohltätigkeit 379. 24 Vgl. C o h n - H a f t , Public Physicians 32-45; Kudlien, Griech. Arzt 10-40; Koelbing, Le medecin dans la cite greques 33, die mit überzeugenden Argumenten der idealtypischen These von einem antiken Wohlfahrtsstaat mit sozialisiertem Gesundheitsdienst entgegentreten. - Der Arzt Menekrates Zeus wirkte zwar unentgeltlich (Suda s.v. Μενεκράτης: ούτος δε μισθού μεν οϋδένα έκομίζετο της θεραπείας), verpflichtete aber die geheilten Epileptiker zum Sklavendienst in seinem olympischen Hofstaat. 25 Vgl. zu Hippocr, Praec IV.VI, und den rechtlichen wie ethischen Aspekten der antiken Arztentlohnung Kudlien, Honorarproblem 7ff. 26 SIG 3 943: In Kos wird der Arzt Xenotimos geehrt, weil er allen Kranken Heilung zu bringen gewillt war, ohne einzelne zu bevorzugen. IG V / 1 1145,19-20 wird ein Arzt gepriesen, weil er Arme und Reiche, Sklaven und Freie unterschiedslos behandelte (ähnlich SIG 3 538A). Vgl. ferner die röm. Grabinschrift ILCV 1233,5ff. "Den Erfolg seiner Kunst ergänzte oft eine Spende, und seine gütige Hand fühlte manch ärmlicher Mann. Jedem Kranken, der kam, gewährte er umsonst Hilfe."

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aller Regel war bei ärztlichem Eingreifen Vorauszahlung üblich (Plin, Hist Nat 28,9) 27 , wobei die Behandlung an den finanziellen Möglichkeiten des Kranken scheitern konnte. Ael, Var Hist XII,1, verweigert der Arzt die Heilung eines Mädchens, weil der Vater die im voraus geforderte Summe von drei Stater nicht aufzubringen vermag. Ohne weiteres konnte es auch vorkommen, daß im nachhinein mehr als vorher vereinbart verlangt wurde. Diod Sic XXXII 11,3 berichtet von einem Fall, wo der Arzt nach einem komplizierten operativen Eingriff den doppelten Lohn fordert. Das Begleichen der Arztrechnung führte des öfteren in den finanziellen Ruin. Philo rühmt an den Essenern, daß diese die Behandlungskosten für Kranke aus der Gemeinschaftskasse bestreiten (Omn Prob Lib 87/Euseb,Praep Ev VIII11,13)28. Lk 8,43 zufolge hatte die blutflüssige Frau ihr gesamtes Vermögen erfolglos für die Ärzte aufgewandt. In einem Privatbrief aus den Straßburger Papyri bittet eine in finanzieller Not befindliche Person den Bruder um materielle Unterstützung, da nach schwerer Krankheit ein Zusammenborgen von 20 Drachmen zur Entlohnung des Arztes notwendig gewesen war 2 9 . Quellenmäßig sind wir über das pagane wie christliche Heilungswesen im Rom des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. besonders gut informiert 30 , wo sich der Arztberuf größter Attraktivität erfreute. Bereits Cäsar hatte eine Verleihung des Bürgerrechts an sich in Rom niederlassende Ärzte verfügt (Suet, Caesar 42,1). Nachdem Augustus von Antonius Musa geheilt worden war, räumte er dem Ärztestand dauerhaft das Privileg der Befreiung von Abgaben ein (Plin, Hist Nat 29,6; Dio Cassius LIII 30,3). Da umgekehrt de facto jegliche Zulassungsprüfungen auf fachliche Eignung hin fehlten, ist die antike Medizin in Rom über weite Strecken durch beträchtliche Honorarforderungen bei vergleichsweise unqualifizierten, wenn nicht gar lebensbedrohlichen Behandlungsmethoden gekennzeichnet. Plinius polemisiert heftig gegen das römische Ärztewesen und behauptet, nicht der Anstand, sondern allein die Konkurrenz halte das

27 Vgl. aus jüdischer Tradition bKet 105a (vorherige Honorarentrichtung unabhängig vom Heilungserfolg) und bBQ 85a (ein Arzt, der umsonst heilt, taugt nichts). 28 Unsicher ist, ob im griechisch-römischen Vereinswesen für eine kostenlose Behandlung kranker Mitglieder Vorsorge getroffen wurde, vgl. Pfeffer, Einrichtungen der sozialen Sicherung 60f.l20f. 29 PapStraßb 73,10ff. (3.Jhdt.n.Chr.) ήμΐς γάρ μετά τό σε έξελθεΤν ... νόσου μεγάλη. ... έχονομα εμοί τοΰ ίαχροΰ έκπλέξας προς αυτόν επί δραχμάς κ. Διό παρακαλώ, αδελφε, εάν μελλης χι, πέμψε εις π λ ο ΐ ο ν ... 30 Vgl. zum Ganzen auch Friedländer, Sittengeschichte Roms I 189ff.; Kudlien, Stellung des Arztes in der röm. Gesellschaft 154ff.

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Arzthonorar in Grenzen 3 1 . Einzelne Ärzte waren offenkundig derart inkompetent, daß sie zu einem Berufswechsel gezwungen waren. Martial witzelt über einen Diaulus, der nach seinem Scheitern im Arztberuf nunmehr als Leichenträger das Gleiche wie vorher tue, nämlich die Menschen unter die Erde zu bringen 32 . Daß solche satirische Polemik nicht völlig aus der Luft gegriffen ist 3 3 , legen römische Grabinschriften nahe, wo der in der Antike weitverbreitete Topos vom Ärzteversagen Wirklichkeitsgehalt gewinnt 34 . Im 2.Jhdt.n.Chr. hat sich die skizzierte Entwicklung scheinbar noch zugespitzt. Galen zufolge ziehen die im Vergleich mit den Provinzstädten immensen Verdienstmöglichkeiten für Ä r z t e 3 5 in Scharen "Scharlatane" nach Rom (Gal XIV,620ff.). Angesichts einer nur sechs Monate umfassenden medizinischen Ausbildung gäben selbst Schuster, Zimmerleute, Färber und Schmiede ihr Handwerk auf und wendeten sich der Heilkunst z u 3 6 . Hier ist von vornherein kaum mit einer fundierten Ausbildung in wissenschaftlicher Medizin zu rechnen. Wer sich ohnehin keinen eigentlichen Arzt leisten konnte oder das Vertrauen in die rationale Heilkunst verloren hatte (Plut, Mor 920B), wandte sich an Wundertäter, die freilich ihre überwiegend magischen

31 Plin, Hist Nat 29,21. Vgl. Cels, Med 1114,10, zur ärztlichen Gewinnsucht bei Fiebererkrankungen. 32 Mart, Epigram 1,47: Nuper erat medicus, nunc est vispillo Diaulus: quod vispillo facit, fecerat et medicus (vgl. 1,30; ähnlich V I I I , 7 4 zu einem ehemaligen Augenarzt und späterem Ringkämpfer: oplomachus nunc es, fueras ophtalmicus ante fecisti medicus quod facis oplomachus). Vgl. ferner Iuvenal X,219-221. 33 Selbstverständlich handelt es sich bei dem Vorwurf der ärztlichen Inkompetenz und Raff sucht um einen festen Topos, der grundsätzlich kritisch zu betrachten ist, allerdings im Blick auf die historischen Gegebenheiten in Rom der Sache im Prinzip gerecht wird, vgl. dazu Kudlien, Stellung des Arztes in der röm. Gesellschaft 190-198. 34 ILCV 3480 "Falsche Medizin vermehrte die tödlichen Schmerzen, und durch die menschliche Heilkunst wuchs meine Krankheit"; ILS 9441 "Unschuldige Seele, welche die Ärzte operierten und umbrachten". Auch Plinius berichtet von derartigen Inschriften (Hist Nat 29,11: Hinc ilia infelix monumentis inscriptio, turba se medicorum perisse). 35 Vgl. zum Arzthonorar in Rom beispielsweise Plin, Hist Nat 29,7f., zum Ganzen Friedländer, Sittengeschichte Roms 195. Auch Inschriften geben über die beträchtlichen Vermögen einzelner Ärzte Auskunft, vgl. etwa die Grabinschrift ILS 7812 (Assisi): Der Arzt Publius Decimius, ein Freigelassener, stiftete nahezu 70 000 Sesterze für öffentliche Zwecke und hinterließ bei seinem Tode 500 000 Sesterze. 36 Gal X , 5 , vgl. Gal X I X , 9 : Die meisten Ärzte könnten nicht einmal richtig lesen.

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Praktiken ebensowenig kostenlos darboten. Hippocr, Morb Sacr 1,32, vermutet Mangel an Lebensunterhalt (βίου δεόμενοι πολλά) als Hauptmotiv der Magier, die durch Sühneriten die Epilepsie zu kurieren suchen (ähnlich Plato, Res Publ II, 364B-C; Leg 909B). Der palästinische Exorzist Luc, Philops 16, heilt die Mondsüchtigen nur επί μιοθω μεγάλω 37 . In ägyptischer Magie geschulte Goeten treiben Celsus zufolge auf den Marktplätzen gegen geringes Entgelt (ολίγων άβολων) Dämonen aus und blasen Krankheiten weg (Orig, Cels 1,68). Während solche von Ort zu Ort ziehenden Magier und Schamanen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zwingend auf Entlohnung angewiesen waren, konnten christliche Wandercharismatiker mit Unterstützung der Ortsgemeinden rechnen (Lk 10,7par; Did 11,Iff.; Luc, Peregr 13.16) und bei ihren Dämonenaustreibungen und Heilungen dem δωρεάν έλάβετε, δωρεάν δότε Mt 10,8 entsprechen.

4.3.3. Unentgeltliche christliche Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen Auf dem umrissenen Hintergrund ist den von Justin und Tertullian behaupteten großen Heilungserfolgen der Christen im Imperium Romanum ohne weiteres Glauben zu schenken. Justin zufolge sind in Rom wie auf der ganzen Welt bis in seine Gegenwart hinein zahlreiche Besessene, bei denen pagane Beschwörer, Zauberer oder Arzneimischer bereits versagt hatten (ύπό των άλλων πάντων έπορκιστων και έπαστων και φαρμακευτων μή ίαθέντας), von den Christen durch Exorzismen beim Namen Jesu Christi geheilt worden 3 8 . Tertullian hält den Feinden des Christentums entgegen: "Wer aber würde euch jenen verborgenen und allenthalben euren Geist und eure Gesundheit verwüstenden Feinden entreißen, vom Ansturm der Dämonen spreche ich, die wir aus euch ohne Lohn, ohne Entgelt austreiben (a daemoniorum incursibus dico, quae de vobis sine praemio, sine mercede depellimus)? Ausgereicht hätte allein das für unsere Rache, daß ihr dann als herrenloser Besitz den unreinen Geistern offen stündet" (Apol 37,9). Er nennt dabei konkrete Einzelfälle, denen entnehmbar ist, daß die Christen mit ihren Wunderheilungen 37 Vgl. auch Luc, Philops 14 (16 Minen, davon 4 als Vorschuß, für Liebeszauber des Hyperboreers), und die Pachrates-Hadrian-Erzählung PGM IV,2446-2455. 38 Apol II 6,6; ähnlich Dial 85,2f. Im 3.Jhdt.n.Chr. sind für die Christen in Rom 52 "Lektoren, Exorzisten und Pförtner" bezeugt (Cornelius bei Euseb, Hist Eccl VI 43,11). Offenbar verfügte jede Gemeinde über einen eigenen Exorzisten.

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bis in höchste gesellschaftliche Schichten vorstießen und sich dort Sympathie verschafften 39 . Zugleich zeigen diese Beispiele, daß die Heilkunst der christlichen Wundertäter nicht in den Bereich rationaler Medizin fällt, sondern mit paganer magisch-pharmakologischer Volksmedizin konkurriert 40 . Selbst hochgebildete christliche Schriftsteller wie Justin, Irenaus, Tertullian und Origenes teilen uneingeschränkt die volkstümliche antike, von der wissenschaftlichen Medizin strikt verneinte Auffassung, daß Krankheit im wesentlichen auf dämonischer Besessenheit beruht und folglich in erster Linie durch Exorzismen zu bekämpfen ist, wobei Origenes ausdrücklich den christlichen Dämonenglauben gegenüber rationalen Epilepsiediagnosen verteidigt (Comm Mt XIII,6)41. Neben dem im Gebot der Nächstenliebe implizierten und in Mt 10,8 manifesten diakonischen Auftrag zu unentgeltlicher Zuwendung gegenüber dem Kranken sind für die kostenlosen christlichen Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen besondere missionsbedingte Aspekte in Rechnung zu stellen. Daß Jesus, wie er es bereits zu seinen Lebzeiten getan hatte, nunmehr auch als Erhöhter ohne finanzielle Gegenleistungen Heilungen wirkt (Act Joh 22; 56; 108; Act Thom 104; 156), verbürgt in besonderem Maße seine göttliche Herkunft und hebt ihn gerade von seinem Hauptkonkurrenten Asklepios entscheidend ab. Ein wirklicher Gott ist bedürfnislos und über finanzielle Begierden erhaben 42 .

39 T e r t , Scapul 4,5f. (vgl. 2,9), nennt neben Dämonenaustreibungen an römischen Beamten und deren Angehörigen (Nam et cuiusdam notarius cum a daemone praecipitaretur, liberatus est et quorundam propinquus et puerulus; et quanti honesti viri - de vulgaribus enim non dicimus - aut a daemonibus aut valitudinibus remediati!) eine Krankenheilung des Christen Proculus an Septimius Severus, der infolgedessen den Christen wohlgesonnen ist. 40 Vgl. an christlichen Ärzten neben Lukas (Kol 4,14) noch den Märtyrer Alexander (Euseb, Hist Eccl VI,49). Wenn die Theodotianer in Rom Galen anbeteten (Euseb, Hist Eccl V 28,14: Γαληνός γαρ ίσως ΰκό τίνων και προσκυνείται), dann weniger in seiner Eigenschaft als Arzt, sondern als Philosophen und Logiker, vgl. Walzer, Galen on Jews and Christians 75-86; Lampe, Stadtröm. Christen 292f., grundsätzlich zum Verhältnis des frühen Christentums zur Wissenschaft Grant, Miracle and Natural Law 104ff. Eindeutig befürwortet wird die rationale Medizin von Clem A l e x , der den Arzt als guten Menschen beispielhaft hervorhebt (Strom I 34,1) und seine Fertigkeiten hochschätzt (Strom I 44,1; 171,2). 41 Vgl. aber für Origenes auch die gegenüber dem Dämonenglauben kritischen Bemerkungen in Cels VIII,60f. und seine positiven Äußerungen zum Ärztestand (Schweiger, Medizinisches im Werk des Origenes 15ff., vgl. zum Ganzen Frings, Medizin und Arzt bei den griech. Kirchenvätern 8ff.; Brox, Magie und Aberglaube 161-166; Trunk, Messian. Heiler 411-425). 42 Athenag, Suppl 29 (άνεπιδεές γαρ και κρεΐττον επιθυμίας τό θεΤον). Vgl. ferner Arist, Apol 10,5: Der als Gott angesehene Asklepios sei in Wirk-

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Zudem sind enge Bezüge zwischen Heilung und Heil gegeben, indem die umsonst gewirkten Wundertaten auf eine Bekehrung der geheilten Personen abzielten (vgl. Act Pt 11,18-24). Irenaus zufolge bewirkten speziell Dämonenaustreibungen in zahlreichen Fällen, daß die von den Krankheitsgeistern Befreiten gläubig wurden und der Kirche beitraten (ωστε πολλάκις και πιστεύειν εκείνους αυτούς τους καθαρισθέντας άπό των πονηρών πνευμάτων και είναι έν τη εκκλησία Haer II 32,4/Euseb, Hist Eccl V 7,4). Daß sich bei christlichen Wundertätern mit kostenlosen Heilungen an außerhalb der Kirche stehenden Personen geradezu die Erwartung einer Bekehrung zum Christentum verband, erhellt anschaulich aus den Johannes- und Thomasakten. Der Apostel Johannes weist die ihm für eine Dämonenaustreibung gebotenen zehntausend Goldstücke mit der Begründung zurück, der umsonst heilende Arzt Jesus nehme kein Silber, sondern ernte als Gegenleistung die Seelen der Geheilten (Act Joh 56). Der im Namen Jesu heilende Thomas fordert keinen Lohn, sondern Glauben und Heiligkeit, um Genossen für sein Tun zu gewinnen (Act Thom 104). Von diesem Gesamtbild her wird es den historischen Gegebenheiten vollauf gerecht, wenn Origenes den von der apostolischen Zeit bis in seine Gegenwart hinein in ungebrochener Kontinuität bestehenden, unverzichtbaren Wert christlicher Wundertaten als Mittel der Mission betont. Ohne Machttaten und Wunder (χωρίς δυνάμεων και παραδόξων) hätten die Apostel niemanden dazu bringen können, die Religion ihrer Väter zu verlassen und sich trotz drohender Todesgefahren der christlichen Lehre zuzuwenden, "und auch jetzt noch haben sich Spuren des Heiligen Geistes, der in Gestalt einer Taube gesehen wurde, bei den Christen erhalten. Sie treiben Dämonen aus, vollbringen viele Krankenheilungen und tun dem Willen Gottes gemäß manchen Blick in die Zukunft" (Cels 1,46).

5. Ergebnisse 1. Für das frühe Christentum läßt sich eine breite Bewegung von Wandermissionaren nachweisen, die ihre Legitimität und die Art ihres Auftretens entscheidend von der im Kern authentischen Aussendungstradition Lk 10,l-12par ableiteten. Die wesentlichen Charakteristika sind lichkeit ein auf Erwerb angewiesener (επενδεής γαρ ?jv) Arzt gewesen, der mit der Herstellung von Heilmitteln seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Bereits Plato hatte Sokrates Zweifel daran äußern lassen, ob es sich bei dem aus Gewinnsucht heilenden Asklepios um einen Gottessohn gehandelt haben könne (Res Publ III, 408BC).

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Ergebnisse

neben der Verkündigungstätigkeit ein Bewirken von Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen, verbunden mit einer Beanspruchung des Unterhaltsrechtes gegenüber den Ortsgemeinden. Als Titulaturen oder Selbstbezeichnungen dieser Wandermissionare, die wegen einer Überbetonung pneumatischer Fähigkeiten und wegen einer oft allzu großzügigen Inanspruchnahme des apostolischen Unterhaltsrechts in weiten Teilen des Christentums dem Verdacht der Häresie ausgesetzt waren und zunehmend zurückgedrängt wurden, begegnen expressis verbis oder implizit erschließbar εργάτης (Lk 10,2.7par; Mt 7,23; 2 Kor 11,13; Phil 3,2; Did 13,2), απόστολος (Lk 10,1.3par; 11,49; 2 Kor 11,5.13; 12,11; Did ll,3ff.), προφήτης (Lk 11,49; Mt 7,22; Did ll,3ff.) und δίκαιος (Mt 7,23; 10,41; 2 Kor 11,15). Eine maßgebliche Bedeutung von Wundertaten läßt sich dabei mit relativer Sicherheit für die Q-Boten, die Gegner des Pls im 2 Kor und die Pseudopropheten im Umfeld des Mt-Ev belegen, für die Gegner im Phil und die Wanderapostel oder Wanderpropheten der Didache wegen ihrer Verwurzelung in der Aussendungstradition wenigstens mit gewisser Plausibilität vermuten. Bis in das frühe 2.Jhdt.n.Chr. hinein waren jedenfalls die Aussendungsanordnungen Jesu mit ihren Wunderinstruktionen als normative Agenden für das Auftreten von Charismatikern in Gebrauch. Darüber hinaus vollzogen sich Wundertaten in der Mission auch auf sekundär formulierte Anordnungen des Auferstandenen hin (Mk 16,15-20; Act Pt 8,11-12,19). Der pln Apostolat stellt demgegenüber offenkundig eine Ausnahmeerscheinung im frühen Christentum dar. Die Apostelwürde wird hier nicht von Aussendungsinstruktionen des irdischen Jesus abgeleitet und inhaltlich gefüllt, sondern durch eine Epiphanie des Auferstandenen mit Beauftragung zur gesetzesfreien Verkündigung konstituiert (1 Kor 9,1). Zudem hält Pls die Christusvisionen mit der ihm als letztem zugekommenen Epiphanie für beendet (1 Kor 15,8) und den Apostelkreis für nunmehr geschlossen, während die Didache noch für die Wende vom 1. zum 2.Jhdt.n.Chr. Apostel in der Tradition der Aussendungsrede bezeugt (vgl. Apk 2,2). Von seinem speziellen, offensichtlich analogielosen Apostolatsverständnis her fühlt sich Pls nicht an die auch ihm in Grundzügen bekannten Aussendungsinstruktionen der Jesustradition gebunden. Über das Unterhaltsrecht setzt er sich fast völlig hinweg, Wundertaten stellen für ihn lediglich eine Randerscheinung seines in erster Linie die Verkündigung des gesetzesfreien Evangeliums umfassenden und an der theologia crucis orientierten Apostelwirkens dar. In weiten Teilbereichen des frühen Christentums war es demgegenüber offenkundig die Regel, daß Wanderapostel unter Berufung auf Jesustradition Unterhalt beanspruchten und neben ihrer Verkündigungstätigkeit auch Dämonenaustrei-

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bungen, Krankenheilungen und weiteren Machttaten einen unverzichtbaren, wenn nicht gar den entscheidenden Stellenwert beimaßen. Auch dort, wo ähnlich wie bei Pls die Sendung auf Sonderoffenbarungen des erhöhten Christus zurückgeführt wird, kommt Wundertaten eine hervorgehobene Bedeutung zu (Mk 16,15-20; Act Pt 8,11-12,19). 2. Daneben zählte die Heilung Besessener oder Kranker von vornherein auch zu den selbstverständlichen Erscheinungen des innerchristlichen Gemeindelebens. Zunächst handelte es sich dabei um ein geistgewirktes Charisma, das theoretisch jedem getauften Christen zukommen konnte. Ansatzweise bereits in 1 Kor 12, deutlicher dann bei den Gegnern des 2 Kor und den Wanderpropheten im Umfeld des Mt-Ev (Mt 7,21-23) zeigen sich Probleme mit ekstatisch geprägten, die pneumatischen Gaben in den Vordergrund stellenden Wundercharismatikern. Dies dürfte maßgeblich die Entwicklung mitbedingt haben, daß spätestens ab Beginn des 2.Jhdt.n.Chr. Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen normalerweise in den Aufgabenbereich des Presbyteramtes fallen (Jak 5,14-16, Pol, Phil 6,1; Celsus bei Orig, Cels VI,41; Script Hist Aug, Saturninus 8). Mit ihrer charismatischen oder an das Amt gebundenen Heilkunst verfügten die christlichen Gemeinden für ihre Mitglieder über eine Alternative zur Inanspruchnahme paganer Volksmedizin und zum Besuch der Inkubationsheilstätten griechisch-römischer Gottheiten. 3. Den Gegebenheiten in der Umwelt entsprechend vermutlich von Anfang an, spätestens aber seit dem 2.Jhdt.n.Chr. (Celsus bei Orig, Cels VI ,41) bedienten sich christliche Wundertäter magischer Kompendien, ohne daß diese überkommen wären. Unsere daraus resultierenden Wissenslücken hinsichtlich der näheren Begleitumstände missionarisch gewirkter oder innergemeindlich vollzogener Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen lassen sich in erheblichem Maße von den Wundergeschichten der Evangelien, der Apg und der apokryphen Apostelakten her auffüllen. Die ntl und apokryphen Wundertraditionen waren zwar formgeschichtlich betrachtet nicht die Zauberpapyri der christlichen Wundercharismatiker, geben aber über deren Vorgehens weise Auskunft. In ihnen haben sich vielfach formelhafte Wendungen oder Gebete und pharmakologische Praktiken niedergeschlagen, wie sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu Zwecken der Dämonenaustreibung, Krankenheilung und Wiederbelebung Anwendung fanden. Zudem deutet das Fortleben der magischen Salomo-Tradition im Christentum (Test Sal; PGM 17; PGM.S 24) darauf hin, daß auch jüdische Dämonenaustreibungspraktiken allenfalls leicht verändert adaptiert wurden. Insgesamt wird deutlich, daß es sich bei den christlichen Wundertätern im Prinzip um Magier oder Schamanen handelt, die zu der volkstümlich-magischen Heilkunst der

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Antike in Konkurrenz treten und deren Vorgehens weise sich vielfältig mit den Praktiken in den griechischen Zauberpapyri überschneidet. Krankheit wird fast uneingeschränkt als Resultat dämonischer Besessenheit betrachtet, trotz vereinzelter Hinweise auf pharmakologische Therapien sind für die christliche Heilkunst des 1. und 2.Jhdt.n.Chr. so gut wie keine Bezüge zu der in der hippokratischen Tradition wurzelnden wissenschaftlichen Medizin der Antike auszumachen. Im Mittelpunkt stehen Exorzismen im Namen Jesu und an Gott oder an Jesus gerichtete Gebete um Dämonenvertreibung und Heilung. 4. Sozialgeschichtlich ist bedeutsam, daß sich die christlichen Wunderheilungen im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten der Antike grundsätzlich ohne finanzielle Gegenleistung vollzogen und damit die nach innen wie nach außen gerichtete Krankenfürsorge entscheidend zur Attraktivität des Christentums beitrug. Die Institution des unentgeltlich wirkenden öffentlichen Arztes wird in ihrer Bedeutung für die Antike meist überschätzt, pagane Magier machten die Preisgabe religiösen Wissens und die Anwendung ihrer Praktiken von der Zahlungswilligkeit des Klienten abhängig. Das für den Asklepioskult virulente Problem der Unterhaltung kostenintensiver Inkubationsheilstätten mit Tempelpersonal stellte sich für die christliche Heilkunst von vornherein erst gar nicht. Gegenüber konkurrierenden, ebenfalls von Ort zu Ort ziehenden Wundertätern der Antike verfügten christliche Wandermissionare über den entscheidenden Vorteil, daß sie in den jeweiligen Ortsgemeinden das Unterhalts recht in Anspruch nehmen konnten und daher nicht auf Entgelt für ihre Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen angewiesen waren. Neben der im δωρεάν έλάβετε, δωρεάν δότε von Mt 10,8 manifesten christlichen Philanthropie spielten dabei missionsstrategische Überlegungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mit in seinem Namen unentgeltlich gewirkten Krankenheilungen vermochte sich der Arzt und Soter Jesus Christus entscheidend von seinem Hauptkonkurrenten Asklepios abzusetzen und als wahrer, weil bedürfnisloser Gott zu erweisen, in vielen Fällen verband sich mit kostenlosen Wundertaten die Erwartung eines Übertritts der Geheilten zum christlichen Glauben. Dämonenaustreibungen und Krankenheilungen waren ein entscheidender Grund für die Ausbreitung und Etablierung des Christentums, das gleichermaßen Heil wie Heilung bot und dabei in hohem Maße durch eine (kritische) Adaption der für das Magische offenen Volksreligiosität gekennzeichnet ist. Das Gemeindeleben und die Mission des frühen Christentums sind über Verkündigung, Lehre und Unterweisung hinaus auch von Wunder und Magie als wichtigem Wesensmerkmal der Kirche geprägt gewesen.

VI. Schluß Unsere Untersuchung hat einen Einblick in die aus neuzeitlichaufgeklärter Perspektive recht fremde Welt von Wundercharisma, Magie und Schamanismus in Antike und Christentum gewährt. In der protestantischen Theologie wurde unter dem Eindruck vernunftgeleiteten Denkens der Aufklärung und von der zentralen Stellung des Wortes Gottes her eine Entscheidung gegen Wunder und Magie gefällt, wovon lediglich das für den christlichen Glauben zentrale Auferstehungs- und Erscheinungskerygma weitgehend unberührt blieb. Die in das Erdenleben Jesu fallenden Wunder hingegen gelten weithin als nebensächliche und damit entbehrliche Begleiterscheinungen seiner Lehre und Verkündigung. Magie wird als unangemessene oder dekadente Form der Religionsausübung betrachtet, zumal sich an magische Riten vielfach die Erwartung einer ex opere operato eintretenden, in unüberbrückbarer Spannung zum reformatorischen sola fide stehenden Wirkung knüpft. Diese berechtigten systematisch-theologischen Vorbehalte gegenüber Wunder und Magie lassen sich freilich nicht bereits dadurch legitimieren und untermauern, daß man die neuzeitliche Wunderhermeneutik oder die reformatorische Wort Gottes-Theologie in die historische Betrachtung Jesu und des frühen Christentums zurückprojiziert und dort bereits eine Bewältigung der Problematik im modernen Sinne präfiguriert sieht. Kritik am Wunder und am magischen Element christlichen Glaubens ist in unterschiedlicher Akzentuierung und mit differierenden Lösungen schon im Neuen Testament bei Paulus und den Evangelisten angelegt. Die Wirkungsgeschichte Jesu deckt sich in ihrer Zwiespältigkeit mit der anderer herausragender Wundertäter der Antike - hochangesehener und vielgepriesener Theios Aner auf der einen Seite, Goet oder Marktplatzmagier auf der anderen Seite. Auf diesem Hintergrund tat reflektierte frühchristliche Theologie gut daran, im Horizont des Passions- und Osterkerygmas eine mißverständliche Reduktion Jesu auf seine thaumaturgische Befähigung entschieden zu bekämpfen und einem christologisch einseitig an der Wunderüberlieferung orientierten pneumatischen Enthusiasmus entgegenzutreten. Dies sollte allerdings nicht den Blick auf die geschichtlichen Tatsachen verstellen, daß nicht nur Jesus selber, sondern auch eine Vielzahl frühchristlicher Charismatiker oder Amtsträger Dämonenaustreibungen wie Krankenheilungen entscheiden-

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Schluß

den Stellenwert in ihrem Wirken einräumten und dabei ohne engere Berührungspunkte zu wissenschaftlicher Medizin oder rationalen Krankheitsdiagnosen grundsätzlich dem Bereich der Magie und des Schamanismus zuzuordnen sind. Solche historischen Fakten begründen keinen christlichen Glauben, "damit daß Jesus als Wundermann herausgestellt wird, ist noch niemand in echtem Sinne vor die Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben gezwungen"1. Sie können allerdings in ihrer geschichtlichen Bedeutung nicht ignoriert werden und zudem belebende Wirkung auf die kirchliche Praxis ausüben. Das in der Hinwendung zu ausgegrenzten Besessenen oder Kranken gesetzte, im frühen Christentum in der Tradition der Aussendungsüberlieferung in ungebrochener Kontinuität fortgeführte Beispiel Jesu steckt Leitlinien für das diakonische Handeln der Kirche ab. Von dem Vorurteil befreit, zwangsläufig degenerierte Form von Religion oder Aberglaube zu sein, können Magie und Schamanismus mit ihrem ganzheitlich orientierten Welt- und Menschenbild in Rückbesinnung auf die Heilungswunder bei Jesus und den frühen Christen befruchtend auf die seelsorgerlich-therapeutische Praxis wirken. Theologisch verantwortete Reflexion hat nicht nur die Aufgabe, Volksreligiosität mit Tendenz zum wunderhaften oder magischen Element kritisch auf ihre Legitimität und Angemessenheit hin zu befragen, sondern kann aus der Begegnung mit Formen religiösen Denkens, die im Horizont des vom Rationalismus geprägten neuzeitlichen Wirklichkeitsverständnisses bei oberflächlicher Betrachtung Unverständnis hervorrufen oder als Anachronismus erscheinen, auch Gewinn und neue Impulse beziehen.

1 Käsemann, Problem des historischen Jesus 191.

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Yin. Register (in Auswahl) 1. A u t o r e n Barnett, P.W.

32f.

Goltz, E. v. der 45

Reimarus, H.S. 14.18f.

Betz, H.D.

3622

Grensemann, H. 62

RoloffJ.

29f.43

Betz, 0 .

27

Grimm, W.

27.32

Safrai, S.

41

Bieler, L.

34f.

Hanson, J.S.

33

Sanders, E.P.

32

Blackburn, Β.

28

Harnack, A. v.

33f.42 44

Schille, G.

24f.

Böcher, 0 .

36f. Heitmüller, W.

44

Horsley, R.A.

33

Jeremias, J.

29

Käsemann, E.

Bousset, W.

Schmithals, W. 25f.

279f.

Smith, J.Z.

287.305

Smith, M.

16f.37f. 179-181

16.45

Strauß, D.F.

21-23

Klausner, J.

31f.39

Temkin, 0 .

45

Kümmel, W.G.

184

Theißen, G.

24.356f.

Kuhn, H.W.

43.184

Twelftree, G.

3623

Drewermann, E. 16f.39f.

Lietzmann, H.

44

Venturini, C.H. 19f.33

Eitrem S.

34

Meyer, R.

32

Vermes, G.

41.14013 312

Ferngren, G.B.

45

Middleton, J.

54 Weder, H.

46

Flusser, D.

40f.

Müller, U.B.

32 Weinel, H.

42

Frazer, J.G.

55

Mußner, F.

28f.51 Weiß, J.

183

Fridrichsen, A.

42

Paulus, H.E.G.

20 f. Windisch, H.

34f.

Georgi, D.

42f.

Pesch, R.

30 Zeller, D.

30f.

Glöckner, R.

27

Petzke, G.

2412.36

Bultmann, R.

15f.23f.

Burkert, W .

13.89f.

Crossan, J.D.

38

Deichgräber, K. 62 Dibelius, M.

23.44f. 356

Register

433

2. Namen und Sachen Aelius Aristides 81-83

Buch der Heilmittel 129.150

Epimenides 904.140

Alexander von Abonuteichos 104.109f.368

Chanina ben Dosa 142-144.298f.

Fasten 344.347f.

Choni 112.137-140.298f.

Fieber

Apollonius von Tyana 101-106.301-303 Aretaios 63.67-69.207.224 Arignotus 114f. Asklepiades von Prusa 72.95-98

Cyprian der Magier 113 David 134f. Dioskurides 67f.122.129f. Eleazar

Asklepios 61.73-83.104.107-110. 148.227-229.235-237. 342.362-368 Aussatz 161.164.168.220.223225.259-262 Barjesus Elymas 151 Ben Stada 14630.180f.254

134.147-151.214 Elia 143f.267f.299 Eliezer ben Hyrkanus 153f. Elisa 143.225.260.274 Empedokles 91-95 Empfehlungsbriefe

Blindenheilung 75.78.81.106-109.120124.129f.164.167.234238

32530

Blutfluß 87.162.164.229-231

Engel 123f.13463.155.165167.271f.

Bolos von Mendes 104.117.12113.130.358 Buch der Geheimnisse 149f.l58.165-167

Empiriker 70-72.10865

Epilepsie 22.63-66.69.77.82. 87l8.113f.148f.211214

143.161-164.222f.257f.361 Galen 82f.87.94.129f.149.165.374 Gelähmtenheilung 78.106-109.225-229.239242 Goetie 58.102.145-147.179.300. 302-306 Hippokrates 61-63.79f. Isis 75 Jakob von Kephar Sama 3389 Jochanan ben Zakkai 141-143 Johannes der Täufer 194f.216-221.312f. Kommunale Krankenfürsorge 369-372 Kyraniden 65.120-122.130.149 Magie 54-58 u.ö. Manie 104f.164.206f.

434

Register

Menekrates Zeus 6413.891.37024 Methodiker 72.95.97

Pythagoras 89-91.103.109.2712. 303-306 ρησις βαρβαρική 115.233.263

Moiragenes 103.301-303

Thessalos von Tralles 72.130.181 Tobit 120-124

Sabbatbruch 180f.239-254

Mose 155.16334.167f.300f.

Theios Aner (Forts.) 1399.144.289.357.359

Salomo 134.147-151.160

Totenerweckung s. Wiederbelebung Vespasian 106-109.148.235

Musiktherapie 86f.91.95.105.134137.161

Sarapis 75.106-109.227.229

Naturwunder 92-94.106.137-140.143 153f.l68f.271-281

Schamanismus 57f.89-91.93.100f. 271-273

01 167f.196.319.346

Schwert des Mose 16332.167-169

Peregrinus 11069

Simon Magus 98-101

Petrus 222f.264f.327

Speichel 108.232.234-238

Wundersammlungen 219f.288.297f.304f.357359

Pneumatikerschule 67-69

Theios Aner 34-36.42f.58f. 89-115

Zeichenprophetie 144-147.283-285

Wassersucht 78.242-244 Wiederbelebung 87f.93f.97f.105.110.263271.347f. Wunder 53f. und passim

3. Stellen a) AT Exodus 15,26 20,7 Num 12,9-15 Dtn 13,1-5 18,9-14

119f.l23. 125.169f. 118.139f.

1 Sam 16,14-23

134f.

1 Kön 13,4-6 17,17-24

240f. 267f.

1193.1386

284 118

2 Kön 4,18-41 4,42-44 5,1-19

264 274 260

Psalmen 3 29,3-9 91 107,23-32

161 161 134f.l61 272f.

Jona 1

272-274

Sach 3,2

161.202

435

Register

b) Atl. Apokryphen und Pseudepigraphen 10,1

193

Sap 7,20

14835

Jub 10,12f.

12416.129

Sir 38,1-15

124-127

Par Jer 7,12-20

27029

syr Bar 71,1-3

193

Ass

Mos

Pseudo-Philo LibAnt 60,1-3 134f.

Test Sal 1,9.11

Test 12 Patriarchen Dan 5,10f. 193 Jud 25,3 193 Lev 18,12 191.322 Napht 8,4 272 8,6 190.201112 Sim 2,11-14 2408 Tobit 8,2f.

151

11,11

120f. 121-123

134f.l50

c) Qumran 1 QGenAp XIX,10ff.

131f.

4

132f.

QOrNab

4 0 510.511

136

11 QPsApa

4 0 560

136

llQPsDav XXVII

Comp 135

d) Hellenistisch-jüdische Autoren Artapanus Fragm 3

300

Josephus 128-131.151 Bell 11,136 VII,185 148.162

Josephus (Forts.) Ant VIII,45-49 147-151 XIV,22-25 137-139 XVIII,116-119 218 300 Ap 11,145

Philo LegAll 111,178 Omn Prob Lib 87 SacrAC 70 Vit Mos 1,156

12727 13144.371 1194 301

e ) Rabbinisches Schrifttum u.a. a) Mischna Ber V,5 San X,1 Taan 111,8 b) Tosefta Ber 3,20 Chull 2,22 Taan 2,13 c)jT Ber 9,1 Joma 6,3 MQ 3,1

142f. 160 138f.299

143 3389 140

273 141 154

d) bT BB 73a Ber 34b BM 59b BQ 50a Git 6 8 ab 69ab Joma 39b Meila 17b Pes 112b Schab 66b.67a Sukka 28a Taan 23a 24b

16853.273 142f.257f. 153f. 142f. 148f. 162 141f. 2029 143 161f. 141 138f. 299 144

e) Sonstiges Pesiqta Rabbati 14,14 1219.141 Η DM Β § 608 Β § 609 Β § 619

168.279 168.275 168.273

SHR Prooem 26ff. 150 II, 95ff. 166f. II,181ff. 12315.167 V,38ff. 149

436

Register f) Griechisch-römische Autoren

Aelian NatAn Xl.llff. 75.358 Aelius Aristides Or 39,14f.: 23762 45,29 75.358 Apuleius Apol 26 55 38 11578 Flor 19,92-96 98 Apollodor Bibl 11110,3

73f.

Apollonius Parad. HistMir VI 90.104.358 Apollonius Ep 16f.

von Tyana 103.302

Aretaios VII4,7f.

64

Aristoteles Fragm 191

30.358

Diogenes Laertius VIII,1-50 90f. VIII,51ff. 91-95 Dioskurides MatMed 11,56 6414 SimplMed II 119,2 67f.

(Forts.) VII,38 302 Plinius d.Ältere HistNat 7,20 10656 7,175 93f. 26,15 97 Plinius d. Jüngere Ep VII27,4ff. 115

Empedokles (ed. Wright) Fragm 101 92f.307 Plutarch 132f. 92. Mor 920B 372 Pyrrhus 3,4f. 89l. 10656 Hippokrates MorbSacr Iff. 63-66 Porphyrius Praec IV.VI 370 VitPyth 23-25 91.305 Lukian von Samosata Alex 24 110 Philops llf. lllf.227 13f.t 112f. 16 ' 113f.207.212 17 148 30f. 114f. Trag 171-173 13567 265ff. 127

Pseudo -Plinius Med 11115,7 15143 Script Hist Aug Saturninus 8 345 Sueton Vesp 7,2f.

Tacitus Hist IV81,1-3 106-109. 235f.

Celsus Med Prooem 71f. 116,13-16 97f.

Pausanias VI26,If. X 38,13

Diodorus I 25,2-7 182,3 XII 82,3

Theophrast Philostrat Lapid IV,24 VitApoll 1,19 254f. IV,20 104f.214.302 Thessalos IV,45 105.266-268 I Prooem

Siculus 75.358 369 369

280 36718

106-109

130

130.181

g) Papyri und Inschriften a) PGM IV,1227-64 IV,1232-1239 IV,2157-59 IV,2446-55 IV,3019f. IV,3019-78 IV,3039-41 V,96-171

83f. 353 86f. 358.37337 152 156-160 150f.207 84-86

XIII,242-44 XIII,277-282 XIII,971 XXIIa

87 87f. 1555 87

b) Sonstige Papyri PapHamb II 171 36922 PapHib 1102f. 36922 PapStraßb 73 37129

c) Inschriften IG IV,l 2 121-124 7611 ILCV 1233 37026 3480 37234 ILS 9441 37234 OGIS 264 80 SIG 3 1171f. 758 1173 235f.358

Register

437

h) Neues Testament Mt-Ev 4,1-11 7,15-23 7,21-23 8,5-13 10,1-16 10,5b.6 10,8 10,7f. 11,2-6 11,5 12,11 12,27f. 12,43-45 13,16f. 17,24-27

Mk-Ev l,12f. 1,21-28 1,29-31 2,1-12 2,27 3,1-6 3,4 3,14f. 3,22-26 3,27 4,35-41 5,1-20 5,22-43 5,25-34 6,6b-13 6,30-44 6,45-52 7,24-30 7,31-37 8,1-10 8,1 If. 8,22-26 9,14-29 9,28f. 9,38-40 10,46-52 ll,12ff. 16,15-20 16,17f.

Apg (Forts.)

Lk-Ev 285-287 330-335 361 257-259 316-321 195.255f.261 362.373.378 196f. 216-221 357-359 249f. 141.176.182ff. 199-201.214 221f. 277

271f.286 201-205.290 222f. 225-228 247f. 239-241 249 196 174-182 176f.l89-191 272-274 205-209 263-266 229-231 195-199.319 274 275 254-257 231-234 274 281-285 234-236 209-215 342-344 335f. 238f. 275f. 336-339 322

4,1-13 4,39 5,1-11 7,1-10 7,11-17 7,18-23 10,l-15par 10,9 10,17-20 10,18 10,23f. ll,19f. 11,24-26 13,10-17 13,15 13,25-27 13,31-33 14,1-6 14,5 17,11-19 24,19

285-287 223 277-279 257-259 266-268 216-221 316-321 196f.328. 330 321-323 191-195 221f. 141.176.182186.202 199-201 241f. 250 331f. 187-189 242-244 249f. 259-262 26716.294

14,10 16,18 19,13 19,13-17

354 21448.352 335.350.352 151-153.336

Rom 15,18f. 15,19

32943 328

1 Kor 5,3ff. 9,1-18 12,Iff. 15,7

32944 325-327 340-342 324f.

2 Κοτ 10-13 12,12

323-330. 359-361 318.359

Gal Joh-Ev 2,1-12 4,46-54 5,1-47 5,2-9b 5,8 6,1-15 6,16-21 7,15-24 9,1-7 9,1-47 11,1-44 21,1-14

3,5 279-281 257-259 244f. 228f. 353 274 275 244f. 236-238 245-247 268-270 277-279

341

Phil 3,2

324.329

1 Thess 1,5 l,9f.

32943 356

1 Tim 5,18

326.33354

Apg 2,22 3,6 5,36 9,34 9,36-43 10,38

29522.356 22723.354 145 354 264f. 29522.356

Jak 5,14-16

344-347

Apk 2,2

376

438

Register i) Ntl. Apokiyphen

Act Andr 5

352f.

Act Joh 41 56 57 75 83

353 374f. 353 355 355

Act Petr 11 27

207f.352 354f.359

Act Phil 128

236

Act Pt (Nag Hammadi) 8,llff. 339f.365.375

Act 30 53 75 77 81

Thom

Ep Ap 5

355 355 355 214.352 353

207.352.357f.

j) Apostolische Väter, christliche Apologeten, Kirchenväter Ar is tides Apol 10,5

37442

Athenagoras Suppl 29 36615.37442 Clemens Alexandrinus Prot II 30,1 366f. Strom VI 30 94f. VI 31 273 Didache ll,3ff.

335

Hippolyt GCS 1,343

150

Ign Eph 7,2

364f.

Irenäus Haer 123 IIS 1131,2 1132.4 1132.5

lOOf. 152 265.347f. 265.3389. 347f.375 350f.

Justin Apol 1 26 116,6 Dial 30,3 85,3

98-100 373 344.352 12110.352

Origenes Cels 1,6 1,46 III,24 IV,34

351.361 375 351.361 157f.

Origenes (Forts.) VI,40 233.345 VII,4 344 Comm ad Mt 26,26 15041.23351. 349 Pol Phil 6,1 345 Pseudo-Clemens Virg I 12 343f.353 Tertullian Apol23,15 37,9 Scap 4,5f.

351 373 3198.37439

Theophilus von Antiochia Autolyc2,8 207f.

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend. Eine Auswahl: 169: Andreas Dettwiler Die Gegenwart des Erhöhten Eine exegetische Studie zu den johanneischen Abschiedsreden (Joh 13,31 - 16,33) unter Berücksichtigung ihres RelectureCharakters. 1995. 328 Seiten, geb. ISBN 3-525-53852-9 168: Ferdinand Ahuis Exodus 11,1-13,16 und die Bedeutung der Trägergruppen fürdas Verständnis desPassa 1996. 126 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-53851-0 167: Albrecht Scriba Die Geschichte des Motivkomplexes Theophanie Seine Elemente, Einbindung in Geschehensabläufe und Verwendungsweisen in altisraelitischer, frühjüdischer und frühchristlicher Literatur. 1995. 274 Seiten, 1 Tabelle, Leinen. ISBN 3-525-53850-2 166: Brigitte Seifert Metaphorisches Reden von Gott im Hoseabuch 1996. 285 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53848-0 165: Jan Christian Gertz Die Gerichtsorganisation Israels im deuteronomischen Gesetz 1994. 256 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53847-2 164: Gerhard Saß Leben aus den Verheißungen Traditionsgeschichtliche und biblisch-theologische Untersuchungen zur Rede von Gottes Verheißungen im Frühjudentum und beim Apostel Paulus. 1995. 579 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53846-4

163: Werner Kahl New Testament Miracle Stories in their Religious-Historical Setting Α Religionsgeschichtliche Comparison from a Structural Perspective. 1994. 259 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53845-6 162: Rüdiger Lux Jona. Prophet zwischen "Verweigerung" und "Gehorsam" Eine erzählanalytische Studie. 1994. 240 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53844-8 161: Martin Winter Das Vermächtnis Jesu und die Abschiedsworte der Väter Gattungsgeschichtliche Untersuchung der Vermächtnisrede im Blick auf Joh. 13-17. 1994. 370 Seiten, Leinen ISBN 3-525-53843-X 160: Odil Hannes Steck Das apokryphe Baruchbuch Studien zu Rezeption und Konzentration "kanonischer" Überlieferung. 1993. XI,340 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53842-1 159: Hans Jonas Gnosis und spätantiker Geist Teil 2: Von der Mythologie zur mystischen Philosophie. Erste und zweite Hälfte. Hrsg. von Kurt Rudolph. 1993. XVI, 410 Seiten, Leinen. ISBN 3-525-53841-3 Teil 1: Die mythologische Gnosis Band 33 dieser Reihe. ISBN 3-525-53123-0

V&R

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Glaube und Heilung Bernhard Bron

Gerd Theißen / Annette Merz

Das Wunder

Der historische Jesus

Das theologische Wunderverständnis im Horizont des neuzeitliehen Natur- und Gesehichtsbegriffs. (Göttinger Theologische Arbeiten, 2). 2. Auflage 1979.346 Seiten, kartoniert. ISBN 3-525-87350-6

Ein Lehrbuch. 1996. Ca. 560 Seiten, kartoniert: ISBN 3-525-52143-X Leinen: ISBN 3-525-52149-9

Der Verfasser stellt zunächst die Geschichte des Wunderbegriffs von Augustin bis Schleiermacher dar und sodann das Verständnis des Wunders, wie dieses angesichts des geistigen Umbruchs der Neuzeit in der Theologie des 20. Jahrhunderts durch drei verschiedene Grundkonzeptionen artikuliert worden ist. Ein besonderer Wert dieser Arbeit liegt in der konstruktiven Erschließung der Denkstrukturen, die den verschiedenen theologischen und philosophischen Positionen zugrunde liegen.

Urban Forell

Wunderbegriffe und logische Analyse Logisch-philosophische Analyse von Begriffen und Begriffsbildungen aus der deutschen protestantischen Theologie des 20. Jahrhunderts. (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie, 17). 1967.461 Seiten, kartoniert ISBN 3-525-56219-5

Das Lehrbuch will auf möglichst sachliche und verständliche Weise über die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung zum historischen Jesus informieren. Jesus wird als eine auch heute noch erkennbare, tief im Judentum verwurzelte, profilierte Gestalt dargestellt. Abschließend wird der Weg von seinem Selbstverständnis, in Gottes Handeln eine entscheidende Rolle zu spielen, zur Verehrung seiner Person als Messias und Gottessohn verständlich gemacht. Der Text ist didaktisch aufgearbeitet, u.a. durch viele Übersichten und Tabellen sowie Anstöße zur hermeneutischen Reflexion über die Gegenwartsbedeutung und -problematik der diskutierten historischen Sachverhalte.

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Vandenhoeck Ruprecht