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German Pages 120 Year 2001
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit
Herausgegeben von Hermann Lichtenberger in Zusammenarbeit mit Christian Habicht, Otto Kaiser (†), Werner Georg Kümmel (†), Otto Plöger (†) und Josef Schreiner (†)
Band III · Lieferung 7 Gütersloher Verlagshaus
Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Band III
Unterweisung in lehrhafter Form Michael Wolter 5. Esra-Buch 6. Esra-Buch
2001 Gütersloher Verlagshaus
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Michael Wolter 5. Esra-Buch 6. Esra-Buch
Inhalt EINLEITUNG ZU BEIDEN BüCHERN
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Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Textüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3· Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r.
5· EsRA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einleitung . 1. Inhalt . . 2. Sprache 3· Herkunft 4· Intention Übersetzung
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775 78I 78 I 78 I 784 786
79° 794
6. EsRA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Verhältnis zum 4· Esra-Buch und das 2. Inhalt und Intention . . . . . . . . . . . 3· Sprache und Herkunft . . . . . . . . . . Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
767 767 768
..................... Problem der Autorfiktion . ..................... ..................... .....................
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82I 82I 82I 823 828
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838
Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
869
Einleitung zu beiden Büchern::1.
Allgemeines
Als 5· bzw. 6. Esra-Buch werden heute jene Texte bezeichnet, die in den Druckausgaben der Vulgata als die beiden ersten bzw. letzten Kapitel des 4· Esra-Buches aufgeführt sind: 4.Esr I-2 gilt als 5· Esra-Buch und 4.Esr I5-I6 als 6. Esra-Buch. Dass diese vier Kapitel nicht zum ursprünglichen Bestand des 4· Esra-Buches gehören, sondern als Nachträge anzusehen sind, hat m. W. erstmals Christian Jakob van der Vlis im Jahre r839 aufgewiesen.' In Bezug auf das 5· Esra-Buch begründete er sein Urteil damit, dass Israel in 4.Esr 1-2 als von Gott verworfen und durch die Christenheit ersetzt gelte, während es in Kap.3-14 nach wie vor als erwähltes Gottesvolk angesehen werde; 4.Esr 15-16 passe nicht zum Vorausgehenden, weil hier den Unterdrückern des Gottesvolkes Unheil angedroht werde, obwohl am Ende von Kap. 14 das Buch ganz offensichtlich bereits beendet sei. 2 Als zusätzliches Argument führt er die zahlreichen Gräzismen3 an. Darüber hinaus hält er auch alle vier Kapitel für das Werk ein und desselben christlichen Verfassers. Die heute gebräuchliche Zählung der Schriften basiert auf der Zählung der Esra-
'' Als ich im Frühsommer 2000 mit der Bearbeitung des 5· und des 6. Esra-Buches begann, hat mir Hartmut Stegemann, der sie ursprünglich übernommen hatte, in überaus großzügiger Weise das von ihm gemeinsam mit Ingrid Ruhrmann und Alexander Maurer erarbeitete Material zur Verfügung gestellt. Es bestand vor allem aus einer kommentierten Übersetzung der beiden Bücher mit Hinweisen auf Parallelstellen, einer Erschließung eines großen Teils der Sekundärliteratur und einem Konkordanzvergleich des 6. Esra-Buches mit dem 4· Esra-Buch. Diese Vorarbeiten sind für mich von großem Nutzen gewesen, und aus diesem Grunde möchte mich an dieser Stelle für diese ausgesprochen wertvolle Hilfe herzlich bedanken. Hartmut Stegemann hat das fertige Manuskript dann noch einer kritischen Durchsicht unterzogen und etliche Korrekturen und Verbesserungen veranlasst. Für ihren kollegialen und hilfreichen Rat bin ich darüber hinaus auch Theodore A. Bergren (Riebmond, VA), Albert Gerhards (Bonn) und Albertus F.J. Klijn (Groningen) dankbar. Und schließlich danke ich auch meinen Mitarbeitern Dorothee Haas, Arndt Kindermann, Brigitte Schmitz, Sven Waske und vor allem Jochen Flebbe für ihre immer freundliche und zuverlässige Hilfe. Disputatio I 5- I 9· »Turn argurnenturn horum capitum non cohaeret cum iis quae post haec sequuntur vel ante ea praecedunt, nam C. I. et li. auctor pluribus descripsit, populum Israeliticum jam a Deo esse reprobatum, aliasque gentes, Christianae religionis asseclas puta, in eorum locum esse substitutas, sed in seqq. Cap. Israelitae etiamnunc occurrunt tanquam electus a Deo populus; et Cap. XV et XVI oppressoribus populi Dei omnia mala annunciantur, cum tarnen ad finem capitis XIV diludice appareat, librum jam esse finitum>Fortasse etiam auctor horum capitum Christianus linguam Graecam melius calluit quam Judaeus ille capitum III-XIV auctor« (ebd.). 1.
2.
Literatur in der Vulgata. 4 Sie findet sich erstmals bei G. Volkmar im Jahre 18635, doch dauerte es noch einige Jahrzehnte, bis sie sich im wissenschaftlichen Sprachgebrauch allgemein durchsetzte: A. Bilgenfeld stellte 1869 die vier Kapitel, die er als zwei Teile einer einzigen Schrift ansah, unter die Überschrift >>Esrae prophetae liber Il« 6 , während sie sich bei O.F. Fritzsche (1871), der sie ebenfalls für literarisch zusammengehörig hielt, als »Liber Esdrae quintus>Although there is no incipit, ehe enlarged initialletter (V) of ehe first word marks a break in ehe texc. This Ieecer is !arger chan that wich which paragraphs normally begin, but not as !arge as the Ietcers chat signal the beginnings of 4 Ezra, 6 Ezra, and Esther.« 30. Vgl. hierzu o. bei und mit Anm. 26. 3 I. Gegenüber M, mit dem N eng verwandt ist, weise diese vierbändige Handschrift noch die Besonderheit auf, dass die Esra-Schriften voneinander getrennt werden: Das erste Buch steht im zweiten Band, während sich das zweite Buch (also 4., 6. und 5· Esr) im dritten Band findet (zwischen r.h.Makk und den Psalmen). 32. Der Text dieser Epitome ist abgedruckt bei Bergren, Fifth Ezra 4I3 f. 33· Dies spiegelt sich auch darin, dass sich für 4.Esr und 6.Esr weithin die gleichen textkritischen Beobachtungen machen lassen. 34· Der älteste Beleg für die literarische Verknüpfung von 5.Esr mit 4.Esr sind die Inventiones Nominum, die handschriftlich erstmals im 8. Jahrhundert belegt sind (vgl. M. R. James, Inventiones Nominum, JThS 4 [I 903] 218-244; Bergren, Fifth Ezra 76 ff): Sie bezeichnen Esra als filius Chusi und teilen auch mit, dass Gott zu ihm »aus einem Busch wie zu Mose gesprochen hat« (G 49;A 45). Die erste Angabe beruhtauf 5.Esr 1,4 (span. Rez.), die zweite auf 4.Esr I4,2 ff.
Th. A. Bergren nimmt an, dass 4.Esr und 6.Esr spätestens um 400 zusammengewachsen waren, während er für das Hinzukommen von 5.Esr ungefähr das 1ahr 4 5o vermutet.3 s- Da die Verknüpfung des 5. Esra-Buches mit 4· und 6.Esr in den beiden Rezensionen nicht unabhängig voneinander, sondern vor der Teilung der Textüberlieferung erfolgt sein dürfte, stellt sich die Frage, an welche Stelle es ursprünglich gesetzt wurde: an den Anfang (wie in der französischen Rezension) oder ans Ende (wie in der spanischen Rezension)? Da die Buchüberschrift in SA (I,I-J) gegenüber der Kurzfassung von CMNEVLK (I,4) mit Sicherheit sekundär ist3 6 , spricht alles dafür, dass die Entscheidung zugunsten der spanischen Rezension ausfallen muss und das 5· Esra-Buch zunächst ans Ende der kleinen Sammlung, d. h. hinter das 6. Esra-Buch gestellt wurde. Daraus folgt dann natürlich als nächste Frage, ob sich Gründe dafür benennen lassen, dass die französische Rezension es an den Anfang verschob.J? 2.3. Die Frage nach dem Textwert der beiden Rezensionen und ihrem Verhältnis zueinander muss für beide Schriften unterschiedlich beantwortet werden. Die Stuttgarter Vulgata legt durchgängig den Text der französischen Rezension zugrunde und informiert über abweichende Lesarten der spanischen Rezension im Apparat3 8 • Ganz ähnlich hatten auch R. L. Bensly/M. Rh. 1ames in ihrer Edition des 4· EsraBuches Kapp. I- 2 und I 5- I 6 zunächst ausschließlich nach der französischen Rezension gegeben, obwohl sie bei den ersten beiden Kapiteln den spanischen Text für älter hielten; in einem Appendix haben sie dann jedoch den Text von C mit den Varianten von M im Apparat abgedruckt39. Auch die Übersetzungen von P. Rießler, W. 0. E. Oesterley, 1. M. M yers, M. Knibb, B. M. Metzger und P. Geoltrain orientieren sich mehr oder weniger ausschließlich an den beiden Handschriften der französischen Rezension.4° Dies gilt ebenso für die verschiedenen Auflagen der Übersetzungen von H. Weinel und H . Duensing(/A. de Santos Otero), die jedoch immer mal wieder auf die spanische Rezension umschalten. Die Vulgata-Konkordanz4 1 erschließt ebenso nur den Text der französischen Rezension wie der Index von W. Lechner-Schmidt4 2 •
3 5· 36. 37· 38.
Vgl. Bergren, Influence I 17. Vgl. dazu die Anm. zu 5.Esr I,I-4. Vgl. dazu u. S. 793· Berücksichtigt wurden hierbei aber nur die Handschriften C, MundE. 39· Bensly, Fourth Book 83-92. 40. Von den hier Genannten widmet Oesterley dem Text der spanischen Rezension in seinem Kommentar größere Aufmerksamkeit und erkennt ihren Lesarten auch oft ein höheres Alter zu. Myers informiert über abweichende Lesarten aus C und M (d. h. den durch die Edition von Bensly/James bekannten Handschriften) in den Fußnoten zu seiner Übersetzung. Geoltrain teilt zwar mit, dass der Text der spanischen Rezension im allgemeinen für älter gehalten wird (5e Livre 638), doch liefert er dann nur eine Übersetzung vonSundweist lediglich in den Fußnoten auf substantielle Varianten der spanischen Rezension hin. 41. Novae Concordantiae Bibliorum Sacrorum luxta Vulgatam Versionern critice editam quas digessit B. Fischer OSB, 5 Bde., Stuttgart-Bad Cannstatt 1977. 42. Lechner-Schmidt, Wortindex.
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Für das 6. Esra-Buch ist diese Bevorzugung des Textes der französischen Rezension durch die Monographie von Th.A. Bergren erneut bestätigt worden. 43 Mit Hilfe detaillierter Vergleiche der unterschiedlichen Lesarten konnte er zeigen, dass beiden Rezensionen ein gemeinsamer lateinischer Archetyp zugrundelag44 und dass bei Abweichungen zwischen den Rezensionen in der Mehrzahl der Fälle die Lesarten der spanischen Rezension auf eine Bearbeitung der französischen zurückgeführt werden können, die im Bereich der innerversioneilen Textgeschichte erfolgt ist und sich um grammatische, stilistische und theologische Glättungen bemüht hat. Der Text der französischen Rezension von 6.Esr kann darum in der Regel und mit ganz geringen Ausnahmen als der ältere gelten. Anders steht es mit dem 5· Esra-Buch: Bereits M. R. James hatte zu belegen versucht, dass die spanische Rezension die ursprüngliche Gestalt des Textes dieser Schrift gerrauer wiedergibt als die französische. 45 In den Übersetzungen und Kommentaren des 2o.Jahrhunderts hat diese Sicht jedoch kaum Spuren hinterlassen. Th. A. Bergren konnte in seiner Monographie nun zeigen, dass sich dort, wo die beiden Rezensionen voneinander abweichen, der französische Text häufig als innerversioneHe Verbesserung des spanischen erklären lässt und dass darum der spanischen Rezension eine >>relative Überlegenheit. Er sprach sich für eine ursprünglich griechische Abfassung aus und verwies zur Begründung auf zahlreiche lexikalische Gräzismen. Sein Urteil wird jedoch dadurch relativiert, dass die Mehrzahl der von ihm angeführten Belege aus Kap. I 5- I 6 stammt und dass er diese beiden Kapitel zusammen mit Kap. I -2 für Bestandteile ein und derselben Schrift hiele4. Es ist also im wesentlichen der Befund zum 6. Esra-Buch, dessen ursprünglich griechische Abfassung in der Tat außer Frage stehe s, der bei Hilgenfeld für die Frage nach der Originalsprache von 5.Esr in Anschlag gebracht wird. Auch wenn sich in der Folgezeit dann die Erkenntnis durchsetzte, dass die vier Kapitel zwei verschiedene Autoren haben ' 6 , wurde Hilgenfelds Urteil in der Regel einfach nur fortgeschrieben'7, obwohl es nur auf einer sehr schmalen Textbasis basiere 8 . Mitunter wurde in Analogie zum 4· Esra-Buch'9 auch postuliert, dass die griechische Fassung (oder zumindest Teile von ihr) des 5· Esra-Buches ihrerseits als Übersetzung einer hebräischen oder aramäischen Urfassung anzusehen sei. 20 Nur wenige Autoren haben Hilgenfeld wi-
I 2. Zur Identifizierung der entsprechenden Gattungselemente s. u. Anm. 55. I 3· Hilgenfeld, Messias XLVII f. I4. s.o. s. 768. 15. S. dazu u. S. 828 f. I6. s. 0. s. 77df. I7. Vgl. z. B. Weine!, NTApo' 305; NTApo• 390; Beer, RE 3 XVI,249; Violet, RGG• 11,373; Plöger, RGGJ Il,699; Duensing, NTApo4 Il,488; Schneemelcher, RAC VI,6o4; Duensing/de Santos-Otero, NTApo5 II,58I; Klijn, LThKJ III,889; Lehnardt, RGG4 II,I588; s. aber auch Bloch, Ezra-Apocalypse 28I; Myers, I and II Esdras I 53; Knibb, 2 Esdras 78; Stanton, 5 Ezra 67. I8. Hilgenfeld nennt nur ein einziges Lehnwort (zelabunt in 2,28 für griech. ~I']A.oilmv); ansonsten erklärt er lediglich sieben weitere Wörter zu Übersetzungsgräzismen: irritaverunt für t'jKUQWLiterarische Fälschung< in der jüdischhellenistischen Literatur, in: Pseudepigrapha. I. Pseudopythagorica- Lettres de Platon- Litteraeure pseudepigraphique juive, Vanda:vres/Genf 1972, 229-308, S.285; vgl. auch Wolter, Pseudonymität (s.o. Anm. 62) 664. 64. Vgl. dazu Kraft, »Ezra>relecture chretienne d'un ecrit juif,,7o. Wir können 5.Esr darum als eine Art Gegenschrift zu 4.Esr verstehen, die unter Rückgriff auf denselben fiktiven Autor und möglicherweise vielleicht ebenfalls in Reaktion auf eine jüdische Katastrophe- nämlich das Scheitern des Bar-Kochba-Aufstandes im Jahr I 3 5 (vgl. 2,6)7'- das Ende jeder Hoffung für Israel und den Übergang der Erwählung auf die Christenheit artikuliert. -Darüber hinaus könnte diese Annahme vielleicht aber auch verständlich machen, warum die französische Rezension das 5· Esra-Buch vom Ende an den Anfang der Sammlung verschoben hat:7 2 Es wird dadurch gewissermaßen zur hermeneutischen Rezeptionsanweisung für die Lektüre des 4· EsraBuches und soll dazu verhelfen, auch diese Schrift als ein >christliches< Buch lesen zu können.73
70. Geoltrain, Remarques 30; vgl. auch Longenecker, Developments 1 I 8 (» 5 Ezra is most likely a Christian expansion of 4 Ezra, a Christian introduction to the Jewish apocalypse which clarifies, amplifies and redefines the theology of 4 Ezra, thereby acting as a prism through which 4 Ezra is to be read and providing an interpretative key whereby its contents are made relevant to a new and different audience« ). Diese Beschreibung ist jedoch zu schwach, weil sie die Gegensätzlichkeit der Lösungen der beiden Schriften überspielt. 5.Esr will nicht als Leseanweisung für 4.Esr fungieren, sondern diese Schrift korrigieren. - Die lntertextualität zwischen den beiden Esra-Schriften wurde im übrigen schon früh als solche wahrgenommen; vgl. Volkmar, Handbuch Il,295 f: »Den Christen trieb die Esra-Prophetie dazu, denselben Esra es nachträglich noch selbst aussprechen zu lassen, dass das ungehorsame Israel verworfen und an seine Stelle ein neues Volk von wirklich in Jesu Getreuen aus den Heiden berufen seiUntaten>>Exodus-review< form« [5 Ezra I IO u. ö.]), die eine deutlich erkennbare jüdische Vorgeschichte hat; ihre ältesten Ausformulierungen dürften in den Sündenbekenntnissen von Ps 78,I 3 ff; ro6,7ff; Neh 9, I I ff greifbar sein. In Ps 105 und im Dajjenu der Passa-Haggada findet sich nur die Aufzählung der Heilstaten Gottes; hier fehlt also für 5.Esr I, 5-2 3 und die anderen Texte charakteristische Aufzählung der Sünden Israels. Rezipiert wird diese Tradition auch in Texten aus der zeitlichen Nachbarschaft des 5· Esra-Buches (Justin, Dia!. 131-I33; Melito v. Sardes, Peri Pascha 8I-90; später dann u.a. ActPil 9,2 [NTApo6 11,405]; Asterius Homilet., Horn. 28 über Ps I6[q],5ff; s. dazu jetzt: Asterius, Psalmenhomilien. Einleitung, Übersetzung, Anmerkungen v. W. Kinzig, Stuttgart 2001). Traditionsgeschichtliche Seitenstücke finden sich in TgJ II zu Dtn 1,1 und in NumR 16,24 zu Num 14,1 I; bemerkenswert ist dabei vor allem, dass in dem letztgenannten Text z. T. dieselben alttestamentlichen Texte zitiert werden, auf die auch in 5.Esr angespielt wird: Außer Num I4,1 r selbst (vgl. V.3 5 [s. auch ebd. Anm. e]) sind dies Prov 1,2 5 (vgl. 2,1), Ps 106,7 (vgl. I,I4) und Jes 5,4 (vgl. 1,21). Auch im Koran hat diese Tradition Spuren hinterlassen (Sure 2,49ff [den Hinweis auf diesen Text verdanke ich Michael Brocke, Duisburg]). Sie findet ihre Nachgeschichte dann in den Troparien und lmproperien der Karfreitagsliturgien; vgl. dazu mit älterer Literatur vor allem Brocke, a. a. 0.; Bergren, 5 Ezra (mit dem Hinweis auf weitere Texte); außerdem: H. auf der Maur, Die Osterhomilien des Asterios Sophistes (TThS 19), Trier I967, 134ff; W. Schütz, »Was habe ich dir getan, mein Volk?«, JLH 13 (1968) 1-38; M. Poorthuis, The Improperia and Judaism, QuLi 72 (I991) I-24; A. Gerhards, Art. lmproperia, RAC I7 (I996) I198-I212, Sp.1199ff (ebd.auch ältere Literatur).- Die einzelnen Aufzählungen der »Wohltaten« Gottes und der >>Untaten>Und die Priester zählen die Erweise der Gerechtigkeit Gottes durch seine Machttaten auf und verkünden alle Gnadenerweise der Barmherzigkeit an
folgendermaßen: 5 Geh, verkündige meinem Volk• ihre Untaten und ihren Kindern die Ungerechtigkeiten, die sie begangen haben gegen mich. Ihre Kinder aber sollen es ihren Kindeskindern erzählen, 6 denn die Sünden ihrer Väter haben unter den Söhnen zugenommen•. Darum haben sie mich vergessen und fremden Göttern geopfert.b 7 Habe ich sie nicht herausgeführt aus dem Land Ägypten und aus dem Sklavenhaus•? Warum haben sie mich erzürnt und meine Ratschläge verworfenb? 8 Das spricht der Herr: Schüttele das Haar deines Hauptes• und schleudere herausalldieses Unheil über sie, denn sie haben meinem Gesetz nicht gehorcht - ein zügelloses Volkb!
taten und ihren Kindern die Gesetzlosigkeiten, die sie gegen mich begangen haben, damit sie (es) ihren Kindeskindern erzählen, 6 weil die Sünden ihrer Eltern unter ihnen zugenommen haben•. Denn sie haben mich vergessen und fremden Göttern geopfert.b 7 Habe ich sie nicht herausgeführt aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhausa? Sie aber haben mich erzürnt und meine Ratschläge verworfenb.
8 Du aber schüttele das Haar deines Hauptes aus• und wirf alles Unheil über sie, denn sie haben meinem Gesetz nicht gehorcht, sondern (sie sind) ein zügellosesVolkb. 9 Wie
Israel. Und die Leviten zählen die Vergehen der Israeliten auf und all ihre schuldhaften Freveltaten und ihre Sünde(n) unter der Herrschaft Belials«; daran schließen sich dann Sündenbekenntnis und Segensbitte an. Demgegenüber haben Texte wie 3.Makk 2, I- 12; 6, I - I 5, die verschiedentlich ebenfalls in diesem Zusammenhang genannt werden, einen ganz anderen Charakter: Sie sind zwar ebenfalls Sündenbekenntnisse, doch benennen sie Israels gegenwärtige Verfehlungen und lassen aus der Erinnerung an Gottes einstige Heilstaten die Bitte um ein heilvolles Eingreifen in der Gegenwart erwachsen. In den christlichen Texten ist diese Tradition zu einem Bestandteil der antijüdischen Apologetik geworden; dementsprechend fehlt hier durchweg die positive Perspektive am Ende, die die sprachlichen Realisierungen der Tradition in den jüdischen Texten kennzeichnet. 5 a) Vgl. 2.Sam 7,5; 24,I2;}es 6,9; 38,5; 58,I;}er 2,2; 34,2; 35,I3; Ez 3,4; Am 7,I5 . 6 a) Zum Topos der sich von Generation zu Generation steigernden Sünde vgl. r.Kön I4,9· I I; }er 7,26; I6,!2.. b) Zum Zusammenhang von •Gott vergessen< und •fremden Göttern opfern< vgl. Dtn 4,23; 6,I2-I4; 8,I9; J2.,I7f; Ri 3,7; Ps 44,2I; Io6,2of;}er I8,15. 7 a) Vgl. Ex I J,J.I4; 20,2; Dtn s,6; 6,12; 7,8; 8,I4; IJ,po;Jos 24,I7; Ri 6,8;Jer J4,IJ; Mi 6,4; AntBibl I I,6. b) Vgl. Ps ro7,I I; Ez 8,I7; I6,26; 2o,8.I 3; s. auch 5.Esr 2,r. 8 a) Excute (SA; concute CVLK; concite [M]NE) comam capitis tui.- Vgl. Esr 9,3; Neh I J,25;}es 2.2,12; }er 7,29; Mi I,I6; es handelt sich hier um die Aufforderung zu einer prophetischen Zeichenhandlung als Vorwegnahme des Trauerritus (vgl. dazu G. Fohrer, Die symbolischen Handlungen der Propheten [AThANT 54], Zürich/Stuttgart 2 I 968). Denkbar ist aber auch eine Interpretation nach }er p,J8Vulg.: >> ... sie brüllen gemeinsam wie Löwen, excutient comas wie Junglöwen> Völkerscharen von arabischen Drachen« (V.29) auf das palmyrenische Reich unter OdaenathusH und macht als Begründung geltend, dass dieser >>selbst ein Araber (war) und Araber ... die Hauptmacht seines Reiches (bildeten)«35, Darüber hinaus leitet er den Namen der in V.3o erwähnten Carmonii im Anschluss an F. Lücke von der südpersischen Provinz Karmanien3 6 ab und identifiziert sie mit der Dynastie der Sassaniden. Zu ihr gehörte auch Sapur I. (243-273), unter dessen Führung ein persisches Heer im Jahr 260 in die östlichen Provinzen des römischen Reiches eingedrungen war. Diese beiden Dekadierungen ermöglichen es ihm dann, die in I 5,28-33 beschriebenen Auseinandersetzungen mit dem persisch-palmyrenischen Krieg der Jahre 260-267 zu identifizieren. Obwohl wir über das 3· Jahrhundert nur sehr fragmentarisch informiert sind, können wir die relevanten Ereignisse zumindest in einigen groben Grundzügen rekonstruieren37: 30. Vgl. auch Bergren, Sixth Ezra I8. 3 r. Lücke, Versuch I 87. p . Vgl. v. Gutschmid, Apokalypse I-24 = 212-232. 33· Mit deutlichen Worten kritisiert wurde sie aufgrundihres methodischen Ansatzes allein von H. Weine! (Handbuch 336). Selbst Th. A. Bergren, dessenUntersuchungensich durch eine kaum überbietbare Sorgfalt auszeichnen, kommt nach einer detaillierten Überprüfung der Thesen v. Gutschmids zu dem Ergebnis, dass dessen zeitgeschichtliche Interpretation von I 5,28-33 durchaus zutreffen könnte (Sixth Ezra I p). Eine kleine Hintertür lässt er sich freilich offen, indem er die Möglichkeit suggeriert, dass dieser Abschnitt auch eine nachträgliche Ergänzung zum 6. Esra-Buch sein könnte(» how this literary scenario ... came tobe incorporated into 6 Ezra [is], of course, unknown«; ebd.). 34· v. Gutschmid, Apokalypse 2 = 2I 2 f. 35. Ebd. 2 = 2 I 3· - Dass die der Begründung zugrundeliegende Annahme durchaus berechtigt ist, zeigen z. B. die Untersuchungen von F. Altheim/R. Stiehl, Odainat und Palmyra, in: dies., Die Araber in der alten Welt. II. Bis zur Reichstrennung, Berlin I965, 251-273, bes. S.259f mit den Ausführungen über das palmyrenische Heer. Vgl. auch Malalas, Chronogr. XII,392, wo Odaenathus (»Euathus«) als »König der barbarischen Sarazenen, der das arabische Land beherrscht«, bezeichnet wird; vgl. auch die Quellen- und Literaturangaben bei Bergren, Sixth Ezra I 56 Anm. I7.- Palmyra gehörte zur Provinz Syria Phoenicia und hatte 2I I von Caracalla den Status einer Kolonie erhalten. 36. Zu den Einzelheiten vgl. 15,30 Anm. a. 37· Vgl. dazu vor allem W. Ensslin, Zu den Kriegen des Sassaniden Schapur I (SBAW. PH I947/5), München I949; G. Walser/Th. Pekary, Die Krise des römischen Reiches, Berlin I962, 28 ff; L. de Blois, Odaenathus and ehe Roman-Persian War of 252-264, Atlanta 6 (I974) 7-23; E. Kettenhofen, Die römisch-persischen Kriege des 3.jahrhunderts n.Chr. (BTAVO 55), Wiesbaden I982, 97ff; R. N. Frye, The History of Ancient Iran (HAW 3/7), München I984, 296 ff; D. S. Potter, Prophecy and History in the Crisis of the Roman Empire, Oxford I990,
Sapur I. unternahm im Jahr 260 eine neuerliche (vermutlich die dritte) Invasion in die römischen Ostprovinzen. Nachdem er vor dem belagerten Edessa ein römisches Entsatzheer besiegt und Kaiser Valerian gefangen genommen hatte, gelangten seine Truppen bis nach Syrien, Kilikien und Kappadozien3 8 • Römische Truppen bringen den Vorstoß jedoch zum Stehen und zwingen die Perser zum Rückzug. Letzteres spielte sich vermutlich in der 2. Hälfte des Jahres 26I ab. An dieser Stelle kommt dann Odaenathus ins Spiel: Dieser schlug vor Emesa erst den Aufstand des Quietus nieder und ging anschließend seinerseits in die Offensive gegen Sapur I., indem er in persisches Gebiet einfiel und die Städte Carrhae und Nisibis eroberte. Die Belagerung Ktesiphons musste er freilich abbrechen. EinigeJahre später (265/266) unternahm er einen weiteren Feldzug gegen die Perser, musste jedoch wegen der Goteneinfälle nach Kleinasien und wurde hier wahrscheinlich im Jahr 267 in Emesa oder in Kappadozien ermordet39. A. v. Gutschmid sieht nun mit dem in I 5,29 beschriebenen Aufbruch der >>arabischen Drachen« >>das erste Auftreten der Palmyrener im Jahre 261 « bezeichnet40 und bezieht die in I 5,JO angesprochene Verwüstung Assyriens durch die >>Carmonier« auf das mesopotamische Hatra4', woraus sich als Terminus post quem für die Abfassung des 6. Esra-Buches für ihn das Jahr 261/262 ergibt. - Den Terminus ante quem gewinnt er durch die Deutung der Wolkenvision von 15.34-37 auf die Einfälle der Goten nach Thrakien, Makedonien und Achaia (>>das ist die nördliche Gewitterwolke«4 2 ) sowie in die kleinasiatischen Provinzen (>>das ist die östliche Gewitterwolke,,43). Gleichzeitig hätten >>andere germanische Horden Illyricum und Italien (verheert) und ... sogar Rom (bedroht)>Babel-Rom zerstören würden« 4 5 (vgl. immerhin I 5,43 f). Tatsächlich sei es dazu aber nicht gekommen, denn im Jahr 263 hätte unter Gallienus 46 die gotische Bedrohung Roms beendet werden können, und in demselben Jahr hätten >>die gothischen Banden« auch Kleinasien verlassen 47. Weil von dieser Wendung in 6.Esr aber noch nichts zu erkennen 49ff; K. Schippmann, Grundzüge der Geschichte des sasanidischen Reiches, Darmstadt I990, 2I ff; F. Miliar, The Roman Near East 3 I BC- AD 337, Cambridge, MA/London I994, I66ff. 38. Dies berichtet jedenfalls die in I936 entdeckte dreisprachige Inschrift mit dem Bericht über die Kriegszüge Sapurs I. (vgl. Walser/Pekary, Krise 28 ff; M. Rostovtzeff, Res Gestae Divi Saporis and Dura, Berytus 8 (1943) r7-6o; A. Maricq, Res Gestae Divi Saporis, Syria 3 5 (1958) ~.95 - 360; Kettenhofen, Kriege (s. Anm.37) 97ff; Frye, History (s. Anm.37) 37rff.- In der Ubersetzung Frye's lautet die entsprechende Passage: »And Syria, Cilicia and Cappadocia we burned, ruined and pillaged33 Anm. b. 40. v. Gutschmid, Apokalypse I4 = 224. Er meint da,!llit offensichdich aber die im darauffolgenden Jahr beginnende Offensive Odaenaths gegen Sapur I. 41. Ebd. 42. Ebd. r6 = 225. 43· Ebd. 44· Ebd. I6 = 225f. 45· Ebd. I9 = 228. 46. Ihn identifiziert v. Gutschmid im übrigen mit dem in I s, r 6 erwähnten König, gegen den sich die allgemeine Auflehnung richtet (ebd. 5 = 2 I 5). 47· Ebd.
sei, sondern Rom immer noch gefährdet gewesen sei48 , markiere eben sie den Terminus ante quem.- Aufs Ganze gesehen müsste die Abfassung des 6. Esra-Buches aufgrundseiner zeitgeschichtlichen Anspielungen ziemlich genau in das Jahr 263 datiert werden. Gegen diese Rekonstruktion spricht vor allem ihr komprehensiver Charakter49 und die Vorstellung vom Umfang des zeitgeschichtlichen Wissens, das sie bei dem Verfasser des 6. Esra-Buches voraussetzt: Es dürfte extrem unwahrscheinlich sein, dass ein einzelner christlicher oder jüdischer Autor, der im 3. Jahrhundert in einer der römischen Provinzen lebte, ohne Hilfsmittel einen so umfassenden Überblick über die Ereignisse seiner Gegenwart gewinnen konnte, dass er wusste, was ungefähr gleichzeitig in Syrien und Mesopotamien, in der Asia, in Italien und in Ägypten passierte. Diese Vorstellung ist viel zu anachronistisch, um plausibel zu sein.5° Hinzu kommt noch, dass v. Gutschmids zeitgeschichtliche Rekonstruktion dem Textbefund in mehrfacher Hinsicht widersprichtP: Dem 6. Esra-Buch geht es darum, eine durch gewalttätige Übergriffe ihrer Umwelt angefochtene Minderheit zu stabilisieren. Dem entspricht, dass die Schilderung des Unheils, das über den Erdkreis kommen soll, von vornherein in den Horizont von Gottes Heilshandeln an seinen Erwählten gerückt wird, denen Befreiung aus ihrer gegenwärtigen Situation angekündigt wird. Daraus können wir möglicherweise den Schluss ziehen, dass es dem Verfasser eher darum geht, eine globale Krise herbeizuschreiben (vgl. 15,5-6), weil gerade sie es ist, von der er die Rettung aus der gegenwärtigen Not erwartet. Es empfiehlt sich darum, die allgemeinen Bezugnahmen auf den Zerfall der sozialen Ordnung, Kriege, Hungersnöte und Epidemien traditionsgeschichtlich zu erklären: Der Verfasser greift hier auf ein überindividuelles kulturelles Wissen zurück, das sich in vielen Texten niedergeschlagen hat, in denen verfolgte Randgruppen und Minderheiten ihre Hoffnung auf Befreiung dadurch artikulieren, dass sie sie als Vernichtung der übrigen Menschheit beschreiben. Einzig 15,28-33 verweist darum wohl auf einen konkreten historischen EreigniszusammenhangP, doch lassen sich auch in Bezug auf diesen Text mehrere Einwände gegen die Interpretation v. Gutschmids vorbringen: Zum einen beginnt die kriegerische Auseinandersetzung in 15,29 mit dem Aufbruch der >>arabischen Drachen«; dieser Vorgang passt nur dann auf den persisch-palmyrenischen Krieg, wenn man ihn auf die Gegenoffensive deutet, die Odaenathus nach der Niederschlagung des Aufstands des Quietus wohl im Einverständnis mit den Römern - wenn nicht gar in deren Auftrag- im Jahr 262 gegen die Perser unternahm 53. Jedenfalls nahmen an ihr nicht nur palmyrenische, sondern auch römische Truppen teil. Wichtig ist 48. Vgl. Ebd. I7 = 226. 49· v. Gutschmid bezieht sogar noch die Situation in Ägypten ein (ebd. I 9 ff = 228 ff), wo seiner Meinung nach das 6. Esra-Buch seinen Entstehungsore hat. 50. Vgl. auch die entsprechende Kritik von Bergren, Sixth Ezra I25 f. 51. Sie basiert mitunter auch auf falschen Textrekonstruktionen und Fehlübersetzungen; vgl. z. B. v. Gutschmids Interpretationen von I p 6 (Apokalypse 5 = 2 I 5). 20 (8 = 2 I 8). 59 (I 8 = 227); r6,53 (21 = 230). 52. Dies dürfte aufgrund der Details, für die sich kein traditionsgeschichtlicher Hintergrund nachweisen lässt (vgl. vor allem r 5,33), wahrscheinlich sein. 53· S.dazuoben.
aber, dass es sich dabei schon um den zweiten Akt der Auseinandersetzung handelte, die zwei Jahre zuvor durch die Invasion Sapurs I. begonnen hatte. Die in I 5,29 f beschriebene Akolouthie der Ereignisse passt also nicht ganz zum tatsächlichen Ablauf des Geschehens. Auch in Sib XIII, I 58 ff, wo wahrscheinlich im Bild des wilden Stiers, der als dunkles Kriechtier viel Unheil anrichtet, von Sapur I. die Rede ist54, gelten die kriegerischen Auseinandersetzungen als von diesem in Gang gesetzt. Zum anderen gibt auch v. Gutschmid selbst zu, dass seine Interpretation nicht zu der Mitteilung passt, derzufolge die Carmonii »einen Teil des Landes der Assyrer ... verwüsten>Land der Assyrer« aber auch Syrien gemeint sein (die Erwähnung von Syrien neben Babylon-Rom, der Asia und Ägypten in I6,I macht diese Annahme möglich)5 8, und in diesem Fall geriete natürlich v. Gutschmids Konstruktion vollends ins Wanken.- Nicht ohne Probleme ist schließlich noch sein Umgang mit der Bezeichnung >>Karmanier« (die ohnehin nur durch eine Konjektur gewonnen werden kann): Dass sie auf die Dynastie der Sassaniden verweist, wie v. Gutschmid meint59, ist ausgeschlossen. Die Frage ist darum allein, ob sie das Heer der Perser in seiner Gesamtheit als metonymisches Pars pro toto oder als mythisches Symbol kennzeichnen soll, doch gibt es dafür in den spätantiken Quellen keine Parallele. Gleichwohl ist ihre Verwendung als mythisches Symbol für kriegerische Mächte durchaus nicht ausgeschlossen, denn aufgrund ihres exotischen Images 60 waren die Karmanier dafür sicher nicht ungeeignet.61 Die konnotative Verwendung dieser Bezeichnung hätte dann die Funktion, vor allem die Merkmale der Fremdheit und Wildheit auf die bezeichnete Größe zu übertragen. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass ihr als Denotat auch das von Sapur I. angeführte Heer der Perser entsprechen könnte, doch ist das keineswegs sicher. - Auf einen anderen Ausschnitt der persisch-palmyrenischen Auseinandersetzungen will demgegenüber A.F.J. Klijn die in I5,28-33 berichteten Ereignisse bezogen wis-
54· Vgl. Potter, Prophecy (s. Anm. 37) 329ff. 55 · v. Gutschmid, Apokalypse 14 = 223. 56. S.o.S.83omitAnm.4r. 57· Vgl. H. Treidler, Art. Hatra, KP Il,957; Frye, History (s. Anm. 37) 294. 58. Vgl. auch Th. Nöldeke, A:ITYPIOL ITPIOL LYPOl:, Hermes 5 (1871) 443-468; Klijn, 6 Ezra 98 f. 59· Die Begründungen, die v. Gutschmid für diesen Bezug gibt, sind unhaltbar. Wenn er etwa von Karmanien als dem >>Ursitze ihrer (sc. der Sassaniden] Macht« spricht und diese Landschaft unter Verweis auf Artaxerxes I. als »deren erste Eroberung« bezeichnet (a. a. 0. 1of = 220 mit Anm. 2), so ist das einfach falsch: Zum einen war Artaxerxes I. natürlich kein Sassanide, und zum anderen stammen die Sassaniden nicht aus Karmanien (so auch Rießler, Schrifttum 1287; Knibb, 2 Esdras 289; Geoltrain, 6>the various ingredients of this story>CarmoniersHure Babylon« und ihrer Vernichtung in Apk 14,8; 16,1919,3 hätte der Verfasser des 6. Esra-Buches für seine eigene Darstellung der Zerstörung Babyion-Roms (15,43-45) und die Ausgestaltung der Gerichtsrede gegen die Provinz Asia (r 5,46-63) benutzt. Jedoch sind- abgesehen davon, dass die behaupteten Konvergenzen nur sehr allgemein sind und im einzelnen auch nicht ganz zueinander passen77 - gegen Bergrens Argumentation vor allem methodische Einwände geltend zu machen: Er kann sich das Verhältnis zwischen den beiden Texten 73· Vgl. dazu 16,69 Anm. c. 74· Vgl. van der Vlis, Disputatio 16. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass van der Vlis 5.Esr und 6.Esr für das Werk eines einzigen Verfassers hielt und sein Urteil ausschließlich auf dem aus dem 5· Esra-Buch erhobenen Befund basiert. 75· Vgl. Rießler, Schrifttum !286 mit einer unhaltbaren Begründung: »Es fehlt darin jeder Hinweis auf spezifisch Christliches, vor allem auf Christus; dagegen weist es manche streng jüdische Züge auf, so den Hinweis auf die Abgefallenen und den jerusalemischen Tempel (1,25 [aus unerfindlichen Gründen übersetzt R. hier das von allen Handschriften gebotene sanctificatio mit »Heiligtum«]), auf die Priester (2,36), auf das Verbot des Götzenopferfleisches (2,69) und die Propheten (2,71)>that one book is dependent on the other«79, denn es ist immer auch damit zu rechnen, dass beide Darstellungen auf einer vorliterarischen Tradition beruhen, die als Bestandteil einer sprachlichen Kompetenz anzusehen ist und zum gemeinsamen kulturellen Wissen beider Autoren gehörte. Insofern die einschlägigen Motive auch in zahlreichen anderen Texten belegt sind80, kann darum eine traditionsgeschichtliche Erklärung die Konvergenzen zwischen den beiden Schriften sehr viel ungezwungener verständlich machen, und aus diesem Grunde dürfte sie auch näherliegend sein als die Annahme einer literarischen Abhängigkeit des 6. Esra-Buches von der Johannesoffenbarung. 8 ' Anders steht es mit dem zweiten Weg, den Bergren zum Nachweis einer christlichen Provenienz des 6. Esra-Buches aufzeigt: Sein Ausgangspunkt ist diesmal die Lokalisierung unserer Schrift in der Provinz Asia. 82 Unter Berufung auf neuere Untersuchungen zur Situation der Juden in Kleinasien 8 3 weist er zum einen darauf hin, dass das 2. und 3. Jahrhundert den jüdischen Gemeinden in dieser Provinz nicht nur eine ausgesprochen unbedrängte, sondern sogar eine durchaus angesehene Stellung in ihrem sozialen Umfeld beschert hat. Man könne darum durchaus von einer >>peaceful and prosperaus period for Jews« sprechen84, was nun aber in offenkundigem Widerspruch zu der im 6. Esra-Buch vorausgesetzten Situation der aggressiven Marginalisierung bis hin zur pogromartigen blutigen Verfolgung steht, in der sich die Adressaten dieser Schrift befinden. Aus diesem Grunde sei es überaus unwahrscheinlich, dass sie in einem jüdischen Kontext entstanden ist. Zum anderen kann er zeigen, dass die in 6.Esr vorausgesetzten Verfolgungserfahrungen ihre Entsprechung in zahlreichen Schilderungen von Christenverfolgungen jener Zeit finden. Von besonderem Interesse ist, dass in diesem Zusammenhang gerade auch der in 16,69 erwähnte Zwang zum Essen von Götzenopferfleisch als Bestandteil des sog. Opfertests belegt ist, mit dem die Nichtzugehörigkeit zum bzw. die Abkehr vom Christentum unter Beweis gestellt werden musste. Belege dafür 8 5 finden sich z. B. in 78. Vgl. Bergren, Sixth Ezra !05. 79· Ebd. So. Vgl. die Einzelnachweise in den jeweiligen Anmerkungen z.St. 8 I. Dies gilt auch für die gleichlautende Begründung des Schreibbefehls in Apk 2I,5 (yQzunichte machen< (z. B. die Arbeit eines ganzen Jahres durch einen Sturm: Columella, Rust. 2,20,5). Ich habe so übersetzt, als stünde im Text ad impetum faciendum . 20 a) Die »Könige der Erde« als Widersacher Gottes auch Ps 2,2; äthHen 48,8. b) ad me vendum[?] S (Ciem. und Bensly konjizieren ad me verendum); ad movendum AMNEVL(C). c) Die Himmelsrichtungen in den Handschriften: a borea A ab oriente SCMNEL(V)
,,9;
,,9;
,,9
et occidente E a notho A ab euro ACMNL (a) libano ASMNEL Borea und notho sind
(ab) austro SCMNELV ab auro S libia C
a ueutro V liba V
griechische Lehnwörter (von ßogtas; und v6wc;); euro ist ein Fremdwort (von griech. e{;gos;). (a) libano steht hier für den Westen; aller Wahrscheinlichkeit nach liegt ihm das griechische A(\jl zugrunde (vgl. 2.Chr 32,30; 33,I4; Dan 8,5 Theod. [a:n:o /..Lß6s;; die LXX hat stattdessen a:n:o öuawov]); hier dürfte also der ursprüngliche Wortlaut eher in C und V bewahrt sein.- Die Übersetzung orientiert sich an der Reihenfolge von A. Dass in den übrigen Handschriften der Osten an erster Stelle genannt wird, dürfte als Missverständnis zu erklären sein (vgl. auch Myers, I and II Esdras 33 I): Ein Schreiber hat aborea gelesen, diese Buchstabenfolge in ab orea aufgelöst und dafür dann ab oriente geschrieben.
gegeben hat.d 21 aWie sie bis auf den heutigen Tag meinen Erwähltenb tun, so will ich tuna und zurückzahlen in ihren Gewandbauschc. dDies sagt Gott, der Herre: 22 Meine Rechte wird die Sünder nicht verschonena, und nicht wird das Schwertb zum Stillstand kommen über die, die unschuldiges Blut über die Erde vergossen habenc. 23 Und Feuer ist ausgegangen aus seinem Zorn und hat verschlungena die Grundfesten der Erde und die Sünder wie brennendes Stroh.b 24 Wehe denen, die sündigen und meine Gebote nicht halten, spricht der d) Vgl. Jes 6o,Iof; äthHen 62,I ff. 2I -27) Diese Passage wird mit ganz geringfügigen Abweichungen nach dem Wortlaut der französischen Rezension als Wort aus der bibliotheca legis des »seligen Propheten Esra« bei Gildas, De excidio et conquestu Britanniae 6o, I zitiert (Gildas. The Ruin of Britain and other works, ed. and transl. by M. Winterbottom, Landon/Chichester I978, I I 5). 2I a-a)) Sicut . .. faciunt, sie faciam; vgl. die analogen Formulierungen in Dtn I9,I9; Ri q,Io.I I; s. auch u. V. 56. b) Electis meis. - Diese Bezeichnung begegnet auch in Ps 89,4; Sir 24, I 2; Jes 6 5,9. I 5.2 3; Thren r,q; griechApkEsr 7,2; r.Clem 46,3; Justin, Dia!. 8I,2; I 3 5>4; s. auch u. V. 56; I6,75. c) Sinus (griech. x6A.:n:o~); zum Bildfeld vgl. Neh 5,I3; Prov I6,33; Lk 6,38; s. auch u. V.5 5. - Zur metaphorischen Verwendung vgl. Ps 78,12 Vulg.: »Redde unseren Nachbarn siebenfach in sinu eorum ihren Hohn, mit dem sie dich verhöhnt haben«; Jes 6s,6f; Jer J2,I8. d) Hier beginnt das Zitat bei Gildas, Exc. Brit. 6o,1. e) Dominus Deus (griech.: XUQLO~ o8e6~) findet sich weder in 4.Esr noch in 5.Esr, sondern nur in 6.Esr (vgl. noch I6,8.77); Gildas: Dominus meus. 22 a) Non parcet ... super wie Sach I I,6 (griech.: ou ELOOflaL ouxetL E:n:L) vgl. auch Ps 77.5oLXX;Jes 27,IIj Jer I 3·I4j Ez 5,II; 7·4·9; 8,r8; 9,Io;Jon 4,I Ij l.Petr 2,4 f; s. auch V.25· b) Romphea; s.o. V.q Anm. c. c) Vgl. V.8 Anm. c. 23 a) Gildas hat: »Feuer wird ausgehen aus meinem Zorn und wird verschlingen .. .« b) S. auch u. r6,9.- Die Gottesrede wird unterbrochen, und es wird von Gott in der dritten Person sowie von seinem Gerichtshandeln in der Vergangenheitsform gesprochen, was einen gewissen Abschluss markiert. - Zur Gerichtsmetaphorik (Feuer/Zorn/brennendes Stroh) vgl. z. B. Ex I 5.7; Dtn 32,22 (»Ein Feuer ist entbrannt in meinem Zorn; es brennt bis in die unterste Scheol und verschlingt [Vulg. hat wie hier devorare] die Erde und entzündet die Grundfesten [wie hier: fundamenta] der Berge