Jüdische Gemeinden in Baden und Basel: Eine rechtsvergleichende Studie über ihr Recht und ihre rechtliche Stellung [1 ed.] 9783428508488, 9783428108480

In den letzten Jahren haben vor allem kleinere Religionsgemeinschaften für das gesamtgesellschaftliche Gefüge an Bedeutu

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Jüdische Gemeinden in Baden und Basel: Eine rechtsvergleichende Studie über ihr Recht und ihre rechtliche Stellung [1 ed.]
 9783428508488, 9783428108480

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Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 38

Jüdische Gemeinden in Baden und Basel Eine rechtsvergleichende Studie über ihr Recht und ihre rechtliche Stellung

Von

Achim Nolte

Duncker & Humblot · Berlin

ACHIM NOLTE

Jüdische Gemeinden in Baden und Basel

Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Otto Depenheuer · Alexander Hollerbach · Josef Isensee Joseph Listi · Wolfgang Loschelder · Hans Maier · Paul Mikat Stefan Muckel · Wolfgang Rüfner · Christian Starck

Band 38

Jüdische Gemeinden in Baden und Basel Eine rechtsvergleichende Studie über ihr Recht und ihre rechtliche Stellung

Von Achim Nolte

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Basel hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7247 ISBN 3-428-10848-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Deuteronomium 6, 4

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Basel im Sommersemester 2001 als Dissertationsschrift angenommen. Nach Abschluss des Dissertationsverfahrens wurde sie für die Drucklegung aktualisiert. Besonders danken möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Felix Hafner, der die Entstehung dieser Arbeit von Anfang an mit großem Interesse verfolgt und durch lange und intensive Diskussionen wesentlich gefördert hat. Als sein Assistent habe ich in Basel viel gelernt. Insbesondere hat sich mir in vielen Gesprächen eine neue Perspektive auf das Staatskirchen- und Kirchenrecht eröffnet. Weiterhin bin ich Herrn Prof. Dr. Alexander Hollerbach zu tiefem Dank verpflichtet. Seine Seminare und Vorlesungen zum Staatskirchen- und Kirchenrecht haben mir den Zugang zu den Rechtswissenschaften erschlossen. Prof. Dr. Alexander Hollerbach hat diese Arbeit angeregt, ihr Werden und Wachsen nach seiner Emeritierung aufmerksam und mit großem Interesse begleitet und schließlich ermöglicht, dass die Arbeit in der Reihe „Staatskirchenrechtliche Abhandlungen" erscheinen kann. Prof. Dr. Felix Hafner sowie Prof. Dr. Gustavo Biaggini haben mir bisweilen große Freiräume gewährt, so dass ich die Arbeit bereits während meiner Basler Assistentenzeit in weiten Teilen festigstellen konnte. Auch dafür danke ich, weil ich weiß, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Eine Arbeit, die wie diese einen Schwerpunkt in der rechtstatsächlichen Analyse hat, kann nicht ohne die Unterstützung vieler „Beteiligter" aus Gemeinden, Archiven und Behörden entstehen. Einige wenige möchte ich an dieser Stelle stellvertretend für alle übrigen nennen: Herrn Bloch, Herrn Dörr, Herrn Honigmann, Frau Dr. Lichtenthäler, Herrn Popper, Herrn Rosenbaum, Herrn Teschemacher und Herrn Dr. Weinberg. Von ihnen allen habe ich wertvolle Informationen erhalten. Besonders dankbar bin ich für die vielen auch persönlichen Begegnungen mit den Repräsentanten der israelitischen Gemeinden. Wohl am unmittelbarsten hat meine Frau, Johanna Nolte, das allmähliche Werden dieser Arbeit begleitet. Diesen Prozess hat sie interessiert verfolgt und ihm durch Anregungen und eine stets wohltuend kritische Distanz zu immer neuem Schwung verholfen. Sie hat sich der mühsamen und langwierigen Arbeit unterzogen, das gesamte Werk zu lektorieren. Dafür danke ich ihr von Herzen. Die vorliegende Dissertation ist zwar in der Schweiz entstanden, da sie jedoch in Übereinstimmung mit der Promotionsordnung der Juristischen Fakultät Basel in

8

Vorwort

Deutschland erscheint, wurde sie nach den Grundsätzen der (neuen) deutschen Rechtschreibung verfasst. Lediglich Zitate aus schweizer Rechtsquellen wurden in schweizer Schreibweise wiedergegeben. Aus diesem Umstand ergeben sich vereinzelt Abweichungen, insbesondere bei der „ss"- bzw. „ß"-Schreibweise. In der vorliegenden Arbeit wird in Anlehnung an die ausgewerteten Gesetzes-, Statuten- und Satzungstexte ausschließlich die grammatikalisch männliche Form verwendet. Damit wird zwar kein Beitrag zur inklusiven Sprache erbracht, jedoch eine gewisse Einheitlichkeit im Sprachgebrauch zwischen den umfangreich zitierten Normtexten und den Ausführungen gewahrt. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass die entsprechende weibliche Form immer mitgemeint ist, sofern sich nicht anderes ausdrücklich aus dem Kontext ergibt. Freiburg i. Br. / Basel, im Herbst 2001

Achim Nolte

Inhaltsübersicht Erstes Kapitel Einleitung und Geschichte

A. Einleitung

31

B. Historische und rechtliche Entwicklungen

34

I. Die historische und rechtliche Entwicklung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

34

1. Die Israeliten im Raum Baden bis zum Konstitutionsedikt von 1809

34

2. Das IX. Konstitutionsedikt von 1809 und seine Auswirkungen auf das jüdische Leben

44

3. Das weitere Schicksal des IX. Konstitutionsedikts - Der wechselvolle Weg bis zur vollen Gleichberechtigung 1862

46

4. Von der Gleichberechtigung zum Nationalsozialismus (1862-1933)

50

5. Antisemitische Maßnahmen in Baden bis Kriegsbeginn (1933 -1939)

54

6. Die Verfolgung und Ermordung badischer Juden während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945)

59

7. Die Nachkriegszeit von 1945 -1953

60

8. Der Vereinigungsvertrag von 1953

66

9. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nach 1953 bis zur neuen Satzung von 1999

68

II. Historische und rechtliche Entwicklung der israelitischen Religionsgemeinschaften im Kanton Basel-Stadt

69

1. Anfänge jüdischen Lebens in Basel: Die erste jüdische Gemeinde

69

2. Die zweite jüdische Gemeinde in Basel

71

10

Inhaltsübersicht 3. Die „gemeindelose" Zeit von 1397 bis 1800

72

4. Die Anfänge der dritten jüdischen Gemeinde von 1800 bis 1815

73

5. Von der Restauration bis zur Emanzipation

74

6. Der Zionismus in Basel

76

7. Ostjudenmigration 1890-1930 und Gründung der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel 1927

76

8. Die Situation der Juden in Basel in der Zeit von 1933 -1945

78

9. Die Basler Juden nach 1945

79

Zweites Kapitel Staatskirchenrechtliche Grundlagen

A. Staatskirchenrechtliche Grundlagen in Baden (Bundesrepublik Deutschland) unter besonderer Berücksichtigung kleinerer Religionsgemeinschaften I. Vorbemerkung

81 81

II. Rechtliche Grundlagen

82

1. Bundesebene

82

2. Landesebene

93

3. Baden-Württemberg

96

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz im Allgemeinen und im Kanton Basel-Stadt im Speziellen (jeweils im Vergleich zur deutschen Rechtslage) I. Gesetzlicher Rahmen auf Bundesebene II. Das Staat-Kirche-Verhältnis

99 99 101

1. Geschichtliche Unterschiede zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland

101

2. Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation

103

III. Gesetzlicher Rahmen im Kanton Basel-Stadt unter besonderer Berücksichtigung kleiner Religionsgemeinschaften 107 1. Grundsätzliches (§ 18 Kantonsverfassung Basel-Stadt)

107

Inhaltsübersicht 2. Numerus clausus der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften; das Problem der Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus im Kanton Basel-Stadt 107 3. Selbstbestimmungsrecht versus Staatsaufsicht

113

4. Finanzielle Förderung der Religionsgemeinschaften durch den Staat

122

Drittes Kapitel Die israelitischen Religionsgemeinschaften im staatskirchenrechtlichen System

A. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

126

I. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens und die Frage nach der Herkunft des Körperschaftsstatus 126 1. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV

126

2. Umdeutung der Bestätigung vom 20. Juli 1953 in einen Verleihungsakt

130

3. Entstehung des Körperschaftsstatus durch „Anerkennung"

133

II. Die Gemeinden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

134

1. Bedeutung von § 3 Abs. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 ....

134

2. Anerkennungen" durch das Kultusministerium

135

3. Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Kirchensteuergesetzes im Jahr 1979

136

4. Herkunft des Körperschaftsstatus durch „Anerkennung" im weiteren Sinne 136 III. Die privatrechtlich organisierten israelitischen Gemeinden in Baden

B. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften im staatskirchenrechtlichen System des Kantons Basel-Stadt I. Die rechtliche Stellung der Israelitischen Gemeinde Basel

138

140 140

II. Die rechtliche Stellung der Israelitischen Religionsgesellschaft im Kanton Basel-Stadt 144

Inhaltsübersicht

12

Viertes Kapitel Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften A. Baden I. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 1. Das rechtliche Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens)

145 145 145

2. Die Rechtsstellung der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 146 3. Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

150

4. Austritt

152

5. Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

153

6. Organe der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

154

7. Schiedsgerichtsbarkeit

159

8. Landesrabbinat

159

9. Finanzen

159

10. Satzungsänderung

160

11. Auflösungsbestimmungen

162

12. In-Kraft-Treten

162

II. Die einzelnen israelitischen Gemeinden in Baden

163

1. Verhältnisbestimmungen der Gemeinden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 163 2. Einzugsbereich /Mitgliedschaft

165

3. Wahl der Gemeindevertreter in den Oberrat

171

4. Gemeindeaufgaben/Gemeindezweck

172

5. Organe

173

6. Wahlen

186

7. Innergemeindlicher Rechtsschutz / Schiedsgerichtsbarkeit

189

8. Finanzen

190

9. Satzungsänderung

193

10. Auflösungsbestimmungen

196

11. In-Kraft-Treten / Genehmigung der Satzung durch das Kultusministerium ... 197

Inhaltsübersicht III. Innerreligionsgemeinschaftliche Gerichtsbarkeit - Das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland 199 1. Kompetenz zur Einrichtung innerreligionsgemeinschaftlicher Gerichtsbarkeit

199

2. Rechtsgrundlagen des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland 199 3. Zuständigkeit des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland für Baden 199 4. Besetzung des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland/Geschäftsverteilung 201 5. Verfahren vor dem Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland 202

B. Kanton Basel-Stadt I. Die Israelitische Gemeinde Basel

205 205

1. Zugehörigkeit

205

2. Wahlen und Abstimmungen

213

3. Die Organe

221

4. Finanzwesen

233

5. Gemeinde-Institutionen

237

7. Beamte und Angestellte

247

8. Innergemeindlicher Rechtsschutz

253

II. Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel

258

1. Zugehörigkeit

258

2. Wahlen

273

3. Die Organe

274

4. Finanzwesen und Vermögen

280

5. Gemeinde-Institutionen

280

6. Statutenänderungen / Auflösung des Vereins

282

III. Das Verhältnis der Israelitischen Gemeinde Basel zur Israelitischen Religionsgesellschaft Basel 283

14

Inhaltsübersicht Fünftes Kapitel Religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit und staatliche Gerichtsbarkeit

A. Bundesrepublik Deutschland I. Die Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem

285 285

1. Grundlage und Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem 285 2. Die öffentlich-rechtliche Satzung als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit - ein Widerspruch? 287 3. Die Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO auf die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit - der erste Schritt zur echten Kooperation 289 II. Keine Inhaltskontrolle oder Aufhebung der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte 289 III. Vollstreckbarkeit beziehungsweise Durchsetzung der Entscheidungen des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland 291 1. Die Vollstreckung im Wandel der Meinungen

291

2. Durchsetzung der Schiedsgerichtsentscheidung durch Klage vor ordentlichen Gerichten - Entscheidungen des OLG Naumburg und des BGH 299 3. Nebeneinander der Vollstreckung und Durchsetzung?

300

4. Ergebnis: Durchbruch für den staatlichen Rechtsschutz im religionsgemeinschaftlichen Bereich 301

B. Schweiz (Basel-Stadt) im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland I. Die Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem

302 302

1. Grundlage und Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem 302 2. Die öffentlich-rechtlichen Statuten als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit - ein Widerspruch? 303 II. Überprüfbarkeit der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte

304

Inhaltsübersicht

15

Sechstes Kapitel Die „Res Mixtae" A. Baden

307

I. Religionsunterricht

307

II. Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg III. Friedhofswesen

307 309

1. Pflege der verwaisten Friedhöfe

309

2. Neue jüdische Friedhöfe

311

Β. Kanton Basel-Stadt

311

I. Religionsunterricht

311

II. Friedhofswesen - Zwang zur Urnenbestattung: Verstoß gegen die Kantonsverfassung 312

Siebtes Kapitel Resümee und Ausblick

315

Anhang

319

Literaturverzeichnis

395

Rechtsquellen

407

Benutzte Rechtsquellen Deutschland (Baden)

407

Benutzte Rechtsquellen Schweiz (Basel-Stadt)

412

Sachwortverzeichnis

415

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung und Geschichte

A. Einleitung

31

B. Historische und rechtliche Entwicklungen

34

I. Die historische und rechtliche Entwicklung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

34

1. Die Israeliten im Raum Baden bis zum Konstitutionsedikt von 1809

34

2. Das IX. Konstitutionsedikt von 1809 und seine Auswirkungen auf das jüdische Leben

44

3. Das weitere Schicksal des IX. Konstitutionsedikts - Der Wechsel volle Weg bis zur vollen Gleichberechtigung 1862

46

4. Von der Gleichberechtigung zum Nationalsozialismus (1862-1933)

50

5. Antisemitische Maßnahmen in Baden bis Kriegsbeginn (1933 -1939)

54

6. Die Verfolgung und Ermordung badischer Juden während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945)

59

7. Die Nachkriegszeit von 1945 -1953

60

a) Französische Besatzungszone in Südbaden

60

b) Amerikanische Besatzungszone in Nordbaden

65

8. Der Vereinigungsvertrag von 1953

66

9. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nach 1953 bis zur neuen Satzung von 1999

68

II. Historische und rechtliche Entwicklung der israelitischen Religionsgemeinschaften im Kanton Basel-Stadt

69

1. Anfänge jüdischen Lebens in Basel: Die erste jüdische Gemeinde 2 Nolte

69

18

Inhaltsverzeichnis 2. Die zweite jüdische Gemeinde in Basel

71

3. Die „gemeindelose" Zeit von 1397 bis 1800

72

4. Die Anfänge der dritten jüdischen Gemeinde von 1800 bis 1815

73

5. Von der Restauration bis zur Emanzipation

74

6. Der Zionismus in Basel

76

7. Ostjudenmigration 1890-1930 und Gründung der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel 1927

76

8. Die Situation der Juden in Basel in der Zeit von 1933 -1945

78

9. Die Basler Juden nach 1945

79

Zweites Kapitel Staatskirchenrechtliche Grundlagen A. Staatskirchenrechtliche Grundlagen in Baden (Bundesrepublik Deutschland) unter besonderer Berücksichtigung kleinerer Religionsgemeinschaften I. Vorbemerkung

81 81

II. Rechtliche Grundlagen

82

1. Bundesebene

82

a) Gesetzlicher Rahmen

82

b) Das Staat-Kirche-Verhältnis im Wandel der Meinungen: von der Korrelaten- über die Koordinations- hin zur Kooperationstheorie

84

aa) Die Lehre von der Gleichordnung oder Koordination (Zuordnung) ..

84

bb) Die Abwendung von der „Koordinationstheorie"

86

cc) Die Koordinationslehre vor dem sich wandelnden Neutralitätsverständnis

87

dd) Von der Koordination zur Kooperation

90

2. Landesebene

93

3. Baden-Württemberg

96

a) Gesetzlicher Rahmen

96

b) Verträge in Baden-Württemberg

98

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz im Allgemeinen und im Kanton Basel-Stadt im Speziellen (jeweils im Vergleich zur deutschen Rechtslage) I. Gesetzlicher Rahmen auf Bundesebene

99 99

Inhaltsverzeichnis II. Das Staat-Kirche-Verhältnis

19 101

1. Geschichtliche Unterschiede zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland

101

2. Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation

103

III. Gesetzlicher Rahmen im Kanton Basel-Stadt unter besonderer Berücksichtigung kleiner Religionsgemeinschaften 107 1. Grundsätzliches (§ 18 Kantonsverfassung Basel-Stadt)

107

2. Numerus clausus der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften; das Problem der Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus im Kanton Basel-Stadt 107 a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den „numerus clausus"

108

b) Privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften als Grundrechtsträger?

108

c) Anspruch auf Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus aus Art. 8 Abs. 1 und 2 der Bundesverfassung von 1999? 3. Selbstbestimmungsrecht versus Staatsaufsicht

109 113

a) Umfang des Selbstbestimmungsrechts in konstitutioneller Hinsicht

113

b) Widerspruch zwischen Kantonsverfassung Basel-Stadt und Kirchengesetz

116

c) Selbstbestimmungsrecht und Oberaufsicht in finanzieller Hinsicht

117

d) Rechtsvergleich mit dem deutschen Staatskirchenrecht

120

4. Finanzielle Förderung der Religionsgemeinschaften durch den Staat

122

a) Kultussubventionsverbot (§ 19 b Abs. 1 Kantons Verfassung Basel-Stadt)

122

b) Finanzielle Förderung der Religionsgemeinschaften in Deutschland

124

Drittes Kapitel Die israelitischen Religionsgemeinschaften im staatskirchenrechtlichen System A. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden I. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens und die Frage nach der Herkunft des Körperschaftsstatus 1. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV 2*

126

126 126

20

Inhaltsverzeichnis 2. Umdeutung der Bestätigung vom 20. Juli 1953 in einen Verleihungsakt

130

3. Entstehung des Körperschaftsstatus durch „Anerkennung"

133

II. Die Gemeinden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

134

1. Bedeutung von § 3 Abs. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999

134

2. „Anerkennungen" durch das Kultusministerium

135

3. Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Kirchensteuergesetzes im Jahr 1979

136

4. Herkunft des Körperschaftsstatus durch „Anerkennung" im weiteren Sinne 136 III. Die privatrechtlich organisierten israelitischen Gemeinden in Baden B. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften im staatskirchenrechtlichen System des Kantons Basel-Stadt I. Die rechtliche Stellung der Israelitischen Gemeinde Basel

138

140 140

II. Die rechtliche Stellung der Israelitischen Religionsgesellschaft im Kanton Basel-Stadt 144

Viertes Kapitel Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften A. Baden

145

I. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 1. Das rechtliche Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens)

145 145

2. Die Rechtsstellung der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 146 a) Die Gemeinden als Untergliederungen

146

b) Erhebung der „Kirchensteuern" durch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 146 c) Verpflichtungen der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 147 d) Gründung und Aufnahme neuer Gemeinden in die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 148 3. Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

150

4. Austritt

152

Inhaltsverzeichnis 5. Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

153

6. Organe der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

154

a) Oberrat

154

aa) Zusammensetzung, Amtszeit und Wahl

154

bb) Einberufung des Oberrates/Beschlussfähigkeit des Oberrates

156

cc) Die Aufgaben des Oberrats

156

b) Vorstand

157

aa) Wahl und Zusammensetzung

157

bb) Aufgaben des Vorstandes und Beschlussfassung

158

7. Schiedsgerichtsbarkeit

159

8. Landesrabbinat

159

9. Finanzen

159

a) Finanzierung durch Einnahmen aus Kultussteuer und Staatszuschüssen .. 159 b) Vermögen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens

160

10. Satzungsänderung

160

11. Auflösungsbestimmungen

162

12. In-Kraft-Treten

162

II. Die einzelnen israelitischen Gemeinden in Baden

163

1. Verhältnisbestimmungen der Gemeinden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 163 2. Einzugsbereich / Mitgliedschaft

165

a) Begründung der Mitgliedschaft

165

b) Beendigung der Mitgliedschaft

168

3. Wahl der Gemeinde Vertreter in den Oberrat

171

4. Gemeindeaufgaben / Gemeindezweck

172

5. Organe

173

a) Gemeindeversammlung

174

aa) Definition

174

bb) Einberufung

174

cc) Aufgaben und Befugnisse

175

dd) Beschlussfähigkeit/Leitung der Versammlung

177

ee) Protokoll

178

22

Inhaltsverzeichnis ff) Außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung b) Vorstand aa) Zusammensetzung/Amtszeit/Wahl/wirtschaftliche

179 180

Stellung

der

Vorstandsmitglieder

180

bb) Aufgaben/Befugnisse

182

cc) Ehrenvorsitzender

183

c) Beirat beziehungsweise Gemeindevertretung

183

aa) Zusammensetzung /Amtszeit /Wahl

183

bb) Aufgaben/ Abgrenzung zu den Aufgaben des Vorstandes

185

6. Wahlen

186

7. Innergemeindlicher Rechtsschutz/Schiedsgerichtsbarkeit

189

8. Finanzen

190

a) Gemeindeabgaben

190

b) Finanzplanung/Rechnungsjahr

192

c) Rechnungsprüfung

192

9. Satzungsänderung 10. Auflösungsbestimmungen

193 196

a) Auflösungsvoraussetzungen

196

b) Verteilung des Vermögens

196

11. In-Kraft-Treten / Genehmigung der Satzung durch das Kultusministerium ... 197 III. Innerreligionsgemeinschaftliche Gerichtsbarkeit - Das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland

199

1. Kompetenz zur Einrichtung innerreligionsgemeinschaftlicher Gerichtsbarkeit

199

2. Rechtsgrundlagen des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland 199 3. Zuständigkeit des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland für Baden 199 4. Besetzung des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland / Geschäftsverteilung 201

Inhaltsverzeichnis 5. Verfahren vor dem Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland 202 a) Verfahrensordnung

202

b) Verfahrensverlauf

202

c) Kosten

204

B. Kanton Basel-Stadt I. Die Israelitische Gemeinde Basel 1. Zugehörigkeit a) Begründung der Mitgliedschaft aa) Allgemein

205 205 205 205 205

bb) Begründung der Mitgliedschaft bisheriger Mitglieder in der Israelitischen Gemeinde mit Körperschaftsstatus 205 cc) Begründung der Mitgliedschaft der Ehefrauen und Minderjährigen in der Israelitischen Gemeinde mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus 206 dd) Doppelmitgliedschaft bei den Mitgliedern der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel 209 ee) Begründung der Gemeindemitgliedschaft auswärtiger Juden b) Beendigung der Mitgliedschaft

210 211

aa) Tod

211

bb) Austritt

211

cc) Erklärung der Nichtzugehörigkeit

211

dd) Ausschluss aus der Gemeinde, Suspendierung in Mitgliedschaftsrechten 212 2. Wahlen und Abstimmungen

213

a) Allgemeines

213

b) Wahlberechtigung, Inkompatibilitätsvorschriften

214

c) Überblick über die durch Wahl zu besetzenden Ämter

218

d) Amtszeit

218

e) Wahlprozedere

219

f) Neubesetzung bei Rücktritt

220

24

Inhaltsverzeichnis 3. Die Organe a) Gemeindeversammlung aa) Ordentliche Gemeindeversammlung

221 221 221

(1) Ladung/Leitung/Beschlussfähigkeit

221

(2) Befugnisse

222

bb) Außerordentliche Gemeindeversammlung b) Gemeindevorstand

223 225

aa) Zusammensetzung/Wahl/Amtsdauer/Arbeitsweise

225

bb) Befugnisse und Verpflichtungen des Gemeindevorstandes

226

c) Gemeindekommissionen

228

aa) Vom Vorstand gewählte ständige Kommissionen und deren Befugnisse 228 bb) Von der Gemeinde gewählte Kommissionen

230

(1) Budget-und Rechnungsprüfungskommission

230

(2) Steuerkommission

231

d) Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund 4. Finanzwesen

232 233

a) Gemeindesteuern

233

b) Gebühren für die Benützung von Gemeindeinstitutionen

235

aa) Synagoge

235

bb) Rituelles Bad

235

cc) Friedhof

235

c) Mietzinsen und andere Kapitalerträgnisse

236

d) Spenden, Legate und Schenkungen

236

e) Aufnahmegebühren

237

5. Gemeinde-Institutionen a) Synagoge

237 237

aa) Entstehung der heutigen Synagoge in der Leimenstrasse

237

bb) Nutzungsrechte

238

b) Rabbinat

240

aa) Wahl des Rabbiners

240

(1) Urnenwahl

240

(2) Berufung durch die Gemeindeversammlung

241

bb) Aufgaben

242

Inhaltsverzeichnis c) Gemeindeeigene Bildungseinrichtungen

242

aa) Religionsschule

242

bb) Kindergarten

243

cc) Leo-Adler-Primarschule als Jüdische Privatschule

243

dd) Lehrhaus „Schomre Tora"

244

ee) Bibliothek

244

d) Soziale Institutionen

244

aa) Israelitische Fürsorge und Sozialhilfe

244

bb) Alterswohnungen

245

cc) Israelitische Leihkasse

245

dd) Brautausstattungsfond

245

e) Rituelle Institutionen

245

aa) Koscher-Verpflegung

245

bb) Rituelles Bad

246

7. Beamte und Angestellte a) Wahl

247 247

b) Mitgliedschaft des Rabbiners sowie der Beamten und Angestellten in der Israelitischen Gemeinde Basel 247 c) Besoldung beziehungsweise Entgelt und Anstellungsdauer 8. Innergemeindlicher Rechtsschutz a) Schiedsgericht

253 253 253

aa) Zusammensetzung und Wahl

253

bb) Zuständigkeit und Verfahren

254

b) Einsprachen bei Wahlen

256

aa) Einsprachen gegen Wahlen oder Kooptationen durch den Vorstand .. 256 bb) Einsprachen gegen alle übrigen Wahlen und Abstimmungen

256

c) Berufung wegen Suspendierung in Rechten

256

d) Einsprachen gegen Entscheidungen der Steuerkommission

257

aa) Einsprachen gegen Steuerrechnungen

257

bb) Einsprachen gegen Friedhofstaxen

258

26

Inhaltsverzeichnis II. Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel 1. Zugehörigkeit a) Begründung der Mitgliedschaft

258 258 258

aa) Allgemein

258

bb) Aktive / passive Mitgliedschaft / Mitgliedschaft von Frauen

261

b) Beendigung der Mitgliedschaft

264

aa) Tod

264

bb) Austritt

264

cc) Ausschluss aus der Gemeinde

269

2. Wahlen

273

a) Allgemeines

273

b) Wahlberechtigung/Inkompatibilitätsvorschriften

273

c) Überblick über die durch Wahl zu besetzenden Ämter

273

d) Amtszeit

274

3. Die Organe

274

a) Gemeindeversammlung aa) Ordentliche Gemeindeversammlung

274 274

(1) Ladung/Anträge zur Tagesordnung

274

(2) Leitung/Beschlussfähigkeit/Protokollführung

275

bb) Außerordentliche Mitgliederversammlung b) Vorstand der Gemeinde

276 277

aa) Zusammensetzung/Wahl/Amtszeit/Arbeitsweise

277

bb) Befugnisse und Verpflichtungen des Vorstandes

279

c) Gemeindekommissionen

279

4. Finanzwesen und Vermögen

280

5. Gemeinde-Institutionen

280

a) Synagoge

280

aa) Entstehung der heutigen Synagoge in der Ahornstrasse

280

bb) Nutzungsrechte

281

b) Rabbinat

281

c) Jüdische Primär- und Mittelschule / Religionsschule

282

d) Rituelle Institution (Mikwoh)

282

Inhaltsverzeichnis 6. Statutenänderungen / Auflösung des Vereins

282

a) Statutenänderungen

282

b) Auflösung des Vereins

283

III. Das Verhältnis der Israelitischen Gemeinde Basel zur Israelitischen Religionsgesellschaft Basel 283

Fünftes Kapitel Religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit und staatliche Gerichtsbarkeit A. Bundesrepublik Deutschland I. Die Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem

285 285

1. Grundlage und Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem 285 2. Die öffentlich-rechtliche Satzung als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit - ein Widerspruch? 287 3. Die Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO auf die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit - der erste Schritt zur echten Kooperation 289 II. Keine Inhaltskontrolle oder Aufhebung der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte 289 III. Vollstreckbarkeit beziehungsweise Durchsetzung der Entscheidungen des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland 291 1. Die Vollstreckung im Wandel der Meinungen a) Unmittelbare Vollstreckung des Schiedsgerichtsspruchs gemäß § 169 Abs. 1 VwGO mittels Amtshilfe

291 291

b) Vollstreckung gemäß § 169 VwGO analog (Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand) - Argumentation des VG Hannover 294 c) Argumentation des OVG Lüneburg

296

d) Vollstreckung nach Vollstreckbarerklärung gemäß § 173 VwGO i.V.m. §§ 1066, 1060 ZPO - ein Verstoß gegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV? 298 2. Durchsetzung der Schiedsgerichtsentscheidung durch Klage vor ordentlichen Gerichten - Entscheidungen des OLG Naumburg und des BGH 299

28

Inhaltsverzeichnis 3. Nebeneinander der Vollstreckung und Durchsetzung?

300

4. Ergebnis: Durchbruch für den staatlichen Rechtsschutz im religionsgemeinschaftlichen Bereich 301

B. Schweiz (Basel-Stadt) im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland I. Die Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem

302 302

1. Grundlage und Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem 302 2. Die öffentlich-rechtlichen Statuten als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit - ein Widerspruch? 303 II. Überprüfbarkeit der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte

304

Sechstes Kapitel Die „Res Mixtae"

A. Baden

307

I. Religionsunterricht

307

II. Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg III. Friedhofswesen

307 309

1. Pflege der verwaisten Friedhöfe

309

2. Neue jüdische Friedhöfe

311

B. Kanton Basel-Stadt

311

I. Religionsunterricht

311

II. Friedhofswesen - Zwang zur Urnenbestattung: Verstoß gegen die Kantonsverfassung 312

Siebtes Kapitel Resümee und Ausblick

315

Inhaltsverzeichnis

29

Anhang Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 - Auszug - .. 319 Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 - Auszug -

322

Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz) 324 Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens) vom 6. Juni 1999 326 Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens) vom 7. Januar 1958 331 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen (K.d.ö.R)

334

Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe

338

Wahlordnung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe

341

Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim

345

Satzung des Zentralrates der Juden in Deutschland - Auszug -

350

Vertrag zur Vereinigung der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens aus dem Jahre 1953 351 Bestätigung des Kultusministeriums über die Vereinigung aus dem Jahre 1953

354

Brief des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg vom 19. Januar 1993 A Z I I / 4 - 7 1 6 2 . 1 1 / 2 0 - A u s z u g 355 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft; in Kraft getreten am 1. Januar 2000 - Auszug 357 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (Stand am 31. März 1998) - Auszug 359 Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 2. Dezember 1889 - Auszug -

361

Gesetz betreffend die Staatsoberaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Kirchen und die Israelitische Gemeinde sowie über die Verwendung von Staats- und Gemeindemitteln zu Kirchenzwecken (Kirchengesetz) vom 8. November 1973 - Auszug 363 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel

365

Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel

390

Literaturverzeichnis

395

Rechtsquellen

407

Benutzte Rechtsquellen Deutschland (Baden)

407

Benutzte Rechtsquellen Schweiz (Basel-Stadt)

412

SachWortverzeichnis

415

Erstes Kapitel

Einleitung und Geschichte

A. Einleitung Nachdem es in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bemerkenswerte Fortschritte bei der Gleichberechtigung der Israeliten auf dem Gebiet des deutschen Reiches gegeben hatte, erschienen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine Reihe von Veröffentlichungen über das Recht und die rechtliche Stellung israelitischer Gemeinden1 in den deutschen Ländern. Auch für das Großherzogtum Baden, das in mancherlei Hinsicht eine Vorreiterrolle bei der Gleichstellung der Juden übernommen hatte, wurde im Jahr 1913 eine Freiburger Dissertation von Siegfried Wolff veröffentlicht, die sowohl die religionsrechtliche Stellung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, als auch das innergemeindliche Recht darstellt 2. Die beispiellose Ermordung von Millionen europäischer Juden, die fast totale Vernichtung jüdischer Kultur, die Zerschlagung der israelitischen Gemeinden und die Achtung jüdischen Gedankengutes durch die deutsche Regierung und die sie tragende deutsche Bevölkerung in den Jahren des sogenannten „Dritten Reiches" setzten den Bemühungen um eine echte Gleichbehandlung der Juden ein jähes Ende. Bereits zum 1. Januar 1938 wurde durch das „Reichsgesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen" 3 die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens zerschlagen, die gut hundertdreißig Jahre zuvor als erste israelitische Religionsgemeinschaft auf dem Gebiet der deutschen Länder durch Großherzog

1 Berliner, Die Staatskirchenrechtliche Stellung der Israelitischen Religionsgemeinden und sonstigen israelitischen Regionalverbände Süddeutschlands; Engelbert, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft in Kurhessen; Graf, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft im Königreich Sachsen; Heimberger, Die staatskirchenrechtliche Stellung der Israeliten in Bayern; Katz, Die rechtliche Stellung der Israeliten nach dem Staatskirchenrecht des Großherzogtums Hessen; Löb, Die Rechtsverhältnisse der Juden im ehemaligen Königreiche und der jetzigen Provinz Hannover; Schwab, Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg; Wahlhaus, Die Rechtsstellung der israelitischen Kultusgemeinden im rechtsrheinischen Bayern. 2

Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden. 3 RGBl. Teil I 1938, S. 338.

32

1. Kap.: Einleitung und Geschichte

Carl Friedrich eine „kirchliche" Verfassung erhalten hatte und damit „einen eigenen konstitutionsmäßig aufgenommenen Religionstheil" des Landes dargestellt hatte. Das gleiche Land Baden, in dem 1862 mit der Verkündung des „Gesetzes über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten" 4, fast zehn Jahre früher als in anderen deutschen Ländern 5, die volle Emanzipation der „badischen Staatsbürger mosaischen Bekenntnisses" erreicht worden war, meldete sich nur knapp achtzig Jahre später im August 1940 „judenfrei". Nach dem deutschen Zusammenbruch im Mai 1945 fanden sich die wenigen überlebenden und aus den Konzentrationslagern befreiten Juden zunächst nur zu dem Zweck zusammen, die Auswanderung aus dem Land der Täter zu organisieren. Erst nach und nach entstand auch der Wunsch nach einer neuen auch dauerhaften religiösen Heimat. Neue Gemeinden wurden gegründet und gemeindliches Leben konnte sich erneut entfalten. Als in den achtziger Jahren wegen der gemeindlichen Altersstruktur der Bestand der Gemeinden bisweilen ungewiss wurde, setzte nach der Wende im Jahre 1989 eine starke Zuwanderungsbewegung jüdischer Aussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken ein 6 . Die Gemeinden wuchsen schlagartig, damit kamen aber auch neue Herausforderungen auf die Gemeinden zu. Neben der Integration von Menschen, die zwar in ihrer alten Heimat immer als Juden galten, nun aber erst mit jüdischer Tradition vertraut gemacht werden mussten, stellte sich immer brennender die Frage, ob die verschiedenen religiösen Prägungen nach wie vor in der „Einheitsgemeinde" zusammenzuhalten wären. In Baden kam es zu bisweilen heftig umstrittenen Gemeindeneugründungen. Die Auseinandersetzungen ergaben sich neben den, in dieser Arbeit unberücksichtigt gebliebenen, internen Differenzen vor allem aus der besonderen Rechtsnatur der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, die sich, anders als die Landesverbände in anderen deutschen Bundesländern, nicht nur als Interessenvertretung der Einzelgemeinden, sondern als eine einheitliche Religionsgemeinschaft versteht. Die vorliegende Arbeit nimmt sich unter anderem dieses besonderen rechtlichen Selbstverständnisses der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ausführlich an. Weitere Schwerpunkte bilden die Untersuchung der vom Oberrat im August 1999 nach langen Beratungen verabschiedeten neuen Satzung für die Israelitische 4 Vgl. Gesetz die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten betreffend, in: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt, Sechzigster Jahrgang, Nr. XLVIIL, S. 450 ff.; dazu auch: Stempf, Das Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten im Großherzogtum Baden. 5 In den anderen Ländern wurde die Emanzipation erst durch die Reichsverfassung von 1871 verwirklicht; vgl. auch Riirup, Emanzipation und Antisemitismus, S. 87 ff.; Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 45 f. 6 Allein in den Jahren zwischen 1989 und 1995 verdoppelte sich die Mitgliederzahl der israelitischen Gemeinden in Deutschland auf circa 60.000 Mitglieder; Statistik aus: idea Spektrum 11/1996, S. 17.

Α. Einleitung

33

Religionsgemeinschaft Badens und eine grundlegende Auseinandersetzung mit Fragen religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit. Aufgrund der größer werdenden Gemeinden gewinnt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung, so dass eine gründliche Aufarbeitung des Rechts und der rechtlichen Stellung der israelitischen Gemeinden seit 1945 angezeigt ist. Für diese Untersuchung wurden die Satzungen aller bestehenden Gemeinden in Baden, egal ob privatrechtlich oder öffentlichrechtlich organisiert, ausgewertet. Bereits in den sechziger Jahren, bis in die achtziger Jahre hinein, wurden in einigen westdeutschen Bundesländern Verträge mit israelitischen Landesverbänden beziehungsweise großen Einzelgemeinden geschlossen. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden in den östlichen Bundesländern zunächst mit den großen christlichen Kirchen Konkordate und Kirchenverträge abgeschlossen. In diesem Zusammenhang kam auch der Wunsch auf, für die Beziehungen mit den israelitischen Gemeinden vertragliche Grundlagen zu erarbeiten. Zeitgleich wurden dadurch auch in weiteren westlichen Bundesländern Überlegungen angestoßen, das staatliche Verhältnis zu den israelitischen Gemeinden vertraglich zu regeln. In BadenWürttemberg scheiterte ein entsprechendes Vorhaben bislang daran, dass sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs nicht auf eine gemeinsame Verhandlungsposition einigen konnten, das Land jedoch nicht mit jeder einzelnen Gemeinschaft einen eigenen Vertrag zu schließen bereit ist. Ob ein solcher Vertrag überhaupt rechtlich erforderlich ist, soll in der Arbeit untersucht werden. Sollte in diese Frage in den nächsten Jahre Bewegung kommen, will die vorliegende systematische Untersuchung des Rechts und der rechtlichen Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden einen Beitrag zu den Verhandlungen leisten. Etwas später als in den deutschen Ländern wurden die historischen und rechtlichen Entwicklungen der israelitischen Religionsgemeinschaften in der Schweiz wissenschaftlich aufgearbeitet 7. Die Israelitische Gemeinde in Basel gilt als die älteste verfasste jüdische Gemeinde der Schweiz8. Darüber hinaus war diese Gemeinde die erste in der Schweiz, der der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus verliehen wurde. Neben der geographischen Nähe verbindet dies die Basler Israelitische Gemeinde mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Die Geschichte der Israelitischen Gemeinde Basel war im zwanzigsten Jahrhundert aufgrund der stabilen politischen Situation in der Schweiz vergleichsweise wenig wechselvoll. Herausra7 1929 erschien die Arbeit von Wyler, Die staatsrechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in der Schweiz. 8 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 16; Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 37.

3 Nolte

34

1. Kap.: Einleitung und Geschichte

gendes Ereignis war die Abspaltung der Israelitischen Religionsgesellschaft im Jahre 1927 von der Israelitischen Gemeinde. Eine gewaltige Herausforderung für die Basler Israeliten stellte die beträchtliche Anzahl der aus Deutschland vor dem Nationalsozialismus flüchtenden Juden dar, die aufgenommen, betreut und versorgt werden mussten. Da das staatskirchenrechtliche System des Kantons Basel-Stadt dem der Bundesrepublik Deutschland ähnlich ist, bietet sich neben einer Beschreibung des innergemeindlichen Rechts der einzelnen Gemeinden auch ein Vergleich hinsichtlich der Stellung der israelitischen Gemeinden im jeweiligen staatlichen System an. Zur Zeit arbeitet im Kanton Basel-Stadt ein Verfassungsrat an Entwürfen für eine Totalrevision der Kantonsverfassung. Da im staatskirchenrechtlichen System des Kantons Widersprüche festzustellen sind, die in dieser Arbeit angesprochen und ausführlich untersucht werden sollen, entbehrt die vorliegende Untersuchung auch für die baselstädtische Situation nicht der Aktualität.

B. Historische und rechtliche Entwicklungen I. Die historische und rechtliche Entwicklung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 1. Die Israeliten im Raum Baden bis zum Konstitutionsedikt von 1809 Vor 1806 herrschten im Raum Baden eine Reihe weltlicher und geistlicher Fürsten. Erst mit der Gründung des Großherzogtums im Jahr 1806 entstand ein einheitliches Staatsgebiet, das im Wesentlichen bis 1945 bestand. Für die Zeit vor 1806 lässt sich nur schwer eine einheitliche Geschichte der in diesem Gebiet ansässigen Juden ausmachen9. Der Aufenthalt von Juden im badischen Gebiet ist durch erste urkundliche Erwähnung vom Anfang des dreizehnten Jahrhunderts belegt 10 . Als älteste Gemeinden gelten Grünsfeld (1218) 11 , Wertheim (1222) 12 , Überlingen (1226), Freiburg 9

Rosenthal, Heimatgeschichte der badischen Juden, S. 1 ff. Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 1. 11 1218 schloss der Jude Süßkind einen Kaufvertrag mit dem Prokuratoren des St.-Egidiusund Dietrichhospitals in Würzburg, bei dem der Jude Liebermann von Grünsfeld als Zeuge unterzeichnete. Quelle: Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 117. 12 Im März 1222 verpfändete Billung der Jüngere von Pleichfeld dem Juden Joseph von Wertheim drei Morgen Rebgelände am Kühberg zu Unterdürrbach. Hundsnurscher/addey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 294. 10

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

35

(etwa 1230) 1 3 , Lauda und Tauberbischofsheim (1235) 1 4 , Konstanz (1241) 1 5 , Ortenberg (1243), Pforzheim (1267) 1 6 und Mosbach (1298) 1 7 . Sowohl das hohe als auch das späte Mittelalter war für die Juden eine Zeit der Verfolgung und des Leides. Dies wird bereits durch die Umstände deutlich, die überhaupt zur erstmaligen urkundlichen Erwähnung geführt haben. So berichten die Memorbücher (Gedenkbücher) mancher jüdischer Gemeinden von Grausamkeiten und Ausschreitungen gegenüber den Juden aufgrund von Ritualmordlegenden 1 8 , religiöser Verblendung 1 9 , aus Aberglauben oder aus Habgier. I m Zusammenhang mit der großen Pest von 1348/49 kam es zu den bis dahin schlimmsten Verfolgungen der Juden. Man warf ihnen vor, die Brunnen vergiftet zu haben. In nahezu vierzig Orten wurden die jüdischen Gemeinden vernichtet und 13 Die älteste Urkunde, die auf eine Anwesenheit von Juden in Freiburg i. Br. schließen lässt, datiert auf den 13. August 1230. Der Umstand, dass sich Kaiser Friedrich II. zu dieser Zeit in Italien aufhielt, mag Egino I. von Urach-Freiburg verleitet haben, von den kaiserlichen Schutzjuden für seine eigenen Zwecke Steuern und Zölle zu verlangen. Die Juden waren Kammerknechte des Kaisers und weigerten sich diese Gelder abzuführen, woraufhin sie vom Grafen kurzerhand eingekerkert wurden. Obwohl diese Eigenmächtigkeit einen Eingriff in die kaiserlichen Rechte bedeutete, verzieh der Reichsverweser Heinrich dem Grafen im Jahre 1230. Es lässt sich nicht sicher belegen, ob sich die Maßnahme des Grafen gegen die in Freiburg wohnenden oder gegen durchreisende Händler richtete. Nachweisbar sind in Freiburg lebende Juden erst seit 1281. Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 87. 14

Zusammen mit Juden aus Lauda sollen Juden aus Tauberbischofsheim 1235 einen Christen ermordet haben. Acht Opfer der durch diese Blutbeschuldigung ausgelösten Verfolgung sind urkundlich erwähnt. Hundsnurscher, F./Taddey, G., Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 269. 15 Konstanz gehörte zu den fünfundzwanzig Orten, deren Judengemeinden in der Reichssteuerliste von 1241 erfasst sind, so dass die mittelalterliche jüdische Gemeinde noch erheblich älter sein dürfte. Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 162. 16 Das Nürnberger Memorbuch berichtet, dass 1267 in Pforzheim die Leiche eines siebenjährigen Mädchens im Wasser aufgefunden wurde. Die Juden wurden des Ritualmordes beschuldigt, gerädert oder erhängt. Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 231. 17 1298 wurde einem Juden in einer fränkischen Ortschaft vorgeworfen, er habe eine geweihte Hostie geschändet, woraufhin die ersten jüdischen Siedler von Mosbach 1298 bei der Verfolgung durch die Horden des Ritters Rindfleisch getötet wurden. Hundsnurscher/Taddey; Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 203. 18 Obwohl Kaiser Friedrich II. die Unhaltbarkeit von Ritualmorden durch Sachverständige hatte feststellen lassen und Papst Innozenz IV. bereits 1247 in einer Bulle gegen diesen Aberglauben angegangen war, gab die Ritualmordlegende immer wieder Anlass zu Ausschreitungen gegen Juden. So etwa in Pforzheim (1267; siehe oben), in Uberlingen (1431), in Endingen (1462) und in Waldkirch (1504). Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 20. 19 Aufgrund der angeblichen Hostienschändung in einer fränkischen Stadt (siehe oben), sah sich der verarmte Ritter Rindfleisch veranlasst, über die Juden in Mosbach, Weinheim, und anderen Orten jener Gegend herzufallen. Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 1. 3*

36

1. Kap.: Einleitung und Geschichte

die Besitztümer der ermordeten und vertriebenen Opfer eingezogen. Viele der überlebenden Juden wanderten nach Osten, in slawische Länder aus. 1236 machte Kaiser Friedrich II. schließlich alle Juden zu Kammerknechten. Sie standen somit unter dem besonderen Schutz des Reiches, hatten dafür aber auch bestimmte Abgaben zu entrichten. Allerdings lag dieses sogenannte „Judenregal", also das Recht auf Schutzgewährung, nie ausschließlich beim Kaiser. Es konnte verpfändet werden und mit der Zeit auch in das Eigentum des Pfandinhabers übergehen. So überließ Kaiser Albrecht I. 1303 dem Grafen von Wertheim die Einnahmen der Juden seiner Grafschaft auf acht Jahre. Ungeachtet dessen mussten die Juden weiterhin Steuern für das Reich aufbringen. Hinzu kamen Reichsabgaben zum Konstanzer Konzil, zu den Hussitenkriegen und eine Reihe von Abgaben auf Landes- und Ortsebene. Karl IV. hatte, nachdem viele Juden nach den Schrecken der Pestjahre wieder in ihre Heimat zurückgekehrt waren, dem Kurfürsten 1356 in der Goldenen Bulle das Judenregal zugesprochen. Kurze Zeit später wurde den weiteren Reichsfürsten und Städten das Judenschutzrecht erteilt, im Jahre 1373 dem Grafen von Wertheim durch Karl IV. und 1382 dem Markgrafen Bernhard von Baden durch Wenzel20. In den Orten Buchen, Walldürn, Külsheim, Tauberbischofsheim und Lauda 21 des Erzbistums Mainz, die erst später badisch wurden, bestanden in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ebenfalls jüdische Gemeinden. Die Mainzer Erzbischöfe standen den Juden tolerant gegenüber, jedenfalls sind keine Ausschreitungen gegen Juden überliefert 22. So konnten die jüdischen Gemeinden wachsen. In der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts waren in zehn Orten im späteren badischen Teil von Kurmainz Synagogen errichtet worden. Man erwog 1783/ 84 jüdische Grundschulen zu eröffnen. Dieser Plan scheiterte aber schließlich an den Kosten und an den Entfernungen, die von den wenigen jüdischen Kinder zurückzulegen gewesen wären. In dem später badischen Gebiet des Bistums Würzburg gab es in acht Ortschaften jüdische Gemeinden. Der Bischof von Würzburg besaß seit 1373 das Judenregal. Die „Judenschaft" wurde von einem „Judenmeister" organisiert, der auch die Rechtsprechung wahrnahm. Allerdings verwies der Bischof 1453, angeregt durch die Predigten des Franziskanermönches Capistrano, sämtliche Juden des Landes. Wiederzulassung und Ausweisung wechselten sich in den folgenden Jahrhunderten ständig ab. Wenn überhaupt, konnten sich Juden nur auf dem Lande niederlassen. Der Oberrabbiner in Heidingsfeld war das Haupt der jüdischen Organisation des Hochstiftes, dem wechselnd sieben oder acht vom Bischof ernannte „Bezirksvorgänger" unterstanden, die die Judenschaftsgelder verwalteten. Von den Juden wurden regelmäßig für Schutzaufnahmen immense Summen verlangt, hinzu kamen bei 20 21 22

Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 21. Zur ersten urkundlichen Erwähnung von Tauberbischofsheim und Lauda siehe oben. Sojedenfalls: Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 23.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

37

jedem Regierungswechsel Antrittszahlungen an den neuen Regenten und Interimszahlungen an das Domkapitel. Dabei mussten die Juden im Würzburgischen beim Tode eines Bischofs immer wieder aufs Neue mit einer Ausweisung rechnen 23. 1391 wies Kurfürst Rupprecht II. sämtliche Juden aus der Kurpfalz aus und vereinnahmte deren Hab und Gut. Die Heidelberger Besitzungen wurden der Universität vermacht. Obwohl diese Vertreibung „ewig" gelten sollte, wurden in den folgenden Jahrhunderten immer wieder Juden in den Schutz aufgenommen. Insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg, der die Pfalz stark in Mitleidenschaft gezogen hatte, gewährte Kurfürst Karl Ludwig Juden, die sich in Mannheim niederlassen wollten, günstige Ansiedlungsbedingungen. Dies hatte ein schnelles Anwachsen der jüdischen Gemeinde in Mannheim zur Folge. Schon bald wurde eine Synagoge gebaut, ein Friedhof angelegt und ein Rabbiner eingestellt. Immer wieder zeigte sich, wie sehr die Duldung der Juden vom momentanen wirtschaftlichen Zustand einer Region abhing. So wurde die Aufnahme von Juden in der Pfalz nach den Verwüstungen durch die französischen Truppen 1689 nochmals liberaler gehandhabt. Während im Jahre 1550 rund 150 jüdische Familien in der Pfalz lebten (davon circa 30 im späteren badischen Gebiet), waren es 1733 ohne Mannheim - bereits 375 Familien, darunter 147 in den später badischen Orf

24

ten . Auch in den ehemals vorderösterreichischen Landesteilen Breisgau und Neuenbürg bestanden während des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts bereits zahlreiche jüdische Gemeinden. Nachdem die Juden aus den größeren Städten wie Freiburg i. Br. 25 , Offenburg, Überlingen oder Konstanz mehrfach vertrieben worden waren, wurde deren Ansiedlung in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts endgültig verboten. Eine Haltung, die die Städte bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beibehielten. Die aus Freiburg i. Br. ausgewiesenen Juden ließen sich im Umland nieder und durften nach dem Freiburger Stadtrecht von 1520 die Stadt nur in Begleitung des Stadtknechtes betreten. Nachdem auch Vorderösterreich alle Juden am 1. Juni 1574 aus seinen Gebieten ausgewiesen hatte, konnten die Juden nur in Breisach wohnen bleiben. Vorübergehend fanden die Vertriebenen auch im Hochstift Basel Zuflucht, bis sie 1580 auch dort ausgewiesen wurden. Nach den Verfolgungen in den Pestjahren 1248/49 gab es in der Markgrafschaft Baden nur noch wenige Juden. Im Jahre 1401 verlieh Kaiser Rupprecht I. dem Markgrafen Bernhard von Baden das Judenregal. Dennoch kam es auch hier im Zusammenhang mit Ritualmordbeschuldigungen zu Verfolgungen. 1462 ließ Markgraf Karl I. Juden aus verschiedenen Orten gefangen nehmen, foltern und hinrichten. Nur aufgrund einer Intervention von Kaiser Friedrich III. wurden die Uber23

Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 5. Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 24. 25 Die Vertreibung der Juden aus Freiburg i. Br. im Jahre 1424 bedeutete das Ende der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde, die mit Unterbrechung seit 1281 bestanden hatte. Blod, Die Entstehung der israelitischen Gemeinde Freiburg, S. 11. 24

38

1. Kap.: Einleitung und Geschichte

lebenden freigelassen. Erst 1524 wurden unter Markgraf Philipp I. wieder Juden in die Markgrafschaft Baden aufgenommen. Die Schutzbriefe, die zwischen 1524 und 1532 ausgestellt wurden, trafen zum ersten Mal Regelungen zur wirtschaftlichen Stellung der Juden26. Dabei wurde die wichtige Frage der Geldleihe nicht einheitlich geregelt. Teilweise wurde den Juden gestattet, Geld gegen Zins zu verleihen, teilweise wurde es ihnen aber auch verboten. Während in den Reichsstädten (etwa Konstanz, Esslingen) einheitliche Regelungen bestanden, wurde in der Markgrafschaft jeder Fall für sich behandelt und entschieden. Dies hatte zur Folge, dass sich die Lebensverhältnisse der Juden in der Markgrafschaft schnell auseinanderentwickelten. Zur selben Zeit und am selben Ort konnte ein Jude mit großen Vergünstigungen ausgestattet sein, während einem anderen kaum das Nötigste zum Leben gewährt wurde. Zwar wurde auch in den Reichsstädten die einheitliche Regelung gelegentlich zugunsten oder zuungunsten eines Juden durchbrochen, doch geschah dies in den Territorien aber derart häufig, so dass eine einheitliche Linie in der Behandlung der Juden kaum auszumachen ist 2 7 . Die Teilung der badischen Markgrafschaft im Jahre 1535 in die beiden Herrschaftsgebiete „Baden-Baden" und „Baden-Durlach" führte auch zu einer unterschiedlichen Judenpolitik in den Teilmarkgrafschaften 28. Nach anfänglich toleranter Haltung 29 vertrieb Markgraf Philipp II. von BadenBaden 30 1584 alle Juden mit Ausnahme der beiden reichsten Familien aus seinem Land und übernahm alle Schulden seiner Untertanen bei den Ausgewiesenen31. Kurz vor seinem Tod ging er sogar so weit, allen Christen jeglichen Handel mit Juden zu verbieten 32. Schon bald aber sah sich sein Nachfolger Eduard Fortuna26 Overdick, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, S. 97, mit genauer Dokumentation der Schutzbrieffundstellen im General-Landes-Archiv Karlsruhe. 27

Overdick, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, S. 97 f., die die Ungleichbehandlung mit den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Strukturen in den Territorien und den Reichsstädten erklärt: Während in den Territorien allein der Herrscher endgültig über eine Frage hätte befinden können, hätte in den Reichsstädten jeweils eine Einigung des Rates erzielt werden müssen. Daher wäre es dem einzelnen Juden in der Reichsstadt schwerer gefallen, eine Sonderregelung für sich zu erlangen. Bei Hofe hingegen hätte ein Fürsprecher eine Ausnahme leichter erwirken können. 28

Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 7. In einem Schreiben von 1582 wird den Juden der Geldhandel erlaubt und in den Schutzbriefen von 1584 die Bedingungen für die Geldgeschäfte präzisiert. Vgl. auch Overdick, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, S. 105, mit genauer Dokumentation der Schutzbrieffundstellen. 30 Regentschaft von 1571-1588. 29

31 Zur Geschichte der Juden in der Markgrafschaft Baden-Baden bis zur Vereinigung 1771 vgl. auch die umfangreiche Quellensammlung von: Zehnter, Zur Geschichte der Juden in der Markgrafschaft Baden-Baden, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Neue Folge Band XI. (1896), S. 337 ff.; 638 ff., 643 ff.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

39

tus 33 aus Geldmangel (Philipp II. hatte große Schulden hinterlassen 34) zu einer erneuten Aufnahme von Juden „gezwungen"35. Dies belegen verschiedene Schutzbriefe, die von wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Juden berichten 36. 1698 wurde die Zahl der schutzberechtigten Juden in der Markgrafschaft BadenBaden auf 42 Familien festgesetzt. Die 1714 in Kraft getretene , Judenordnung" regelte ihre Rechtsverhältnisse37. In der Teilmarkgrafschaft Baden-Durlach hingegen fanden die Juden zunächst freundlichere Bedingungen vor 38 . Markgraf Ernst von Baden-Durlach 39 regelte 1537 das Geleitwesen für die Judenschaft seines Landes. In sogenannten Geleitbriefen wurde den Juden auf unbestimmte Zeit der Handel und Wandel in der Markgrafschaft erlaubt, jedoch jede wucherische Tätigkeit untersagt 40. 1543 nahm der Markgraf zahlreiche aus Vorderösterreich vertriebene Juden in den Schutz auf. Seine Landstände forderten von ihm vergeblich die Ausweisung der Israeliten. Erst sein Enkel Georg Friedrich 41 schwenkte auf den Kurs der Landstände ein und verpflichtete sogar seine Nachfolger testamentarisch, nie mehr Juden in der Markgrafschaft wohnen zu lassen. Nur eine Durchreise gegen Geleitgeld sollte noch gestattet bleiben. Auch in den beiden Markgrafschaften siedelten sich im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wieder Juden an, deren Rechtsverhältnisse schließlich erstmals 1712 durch eine später immer wieder abgeänderte Judenordnung geregelt wurden. Seit 1721 hatte die Judenschaft als außerordentliche Auflage eine bestimmte Summe zur Pflasterung der Straßen von Rastatt, das sogenannte Pflastergeld, aufzubringen. Diese Verpflichtung blieb bis in die zwanziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts bestehen. An der Spitze der Judenschaft standen zwei gewählte Judenschultheißen, die die Steuerverteilung vornahmen und alle drei Jahre das Vermögen neu einschätzten. Für jüdische Rechts- und Zeremonialfragen war der Rabbiner in Durlach, zeitwei-

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Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 7. Regentschaft von 1588-1594. 34 v. Weech, Badische Geschichte, S. 156. 35 Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 7. 3 6 Overdick, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, S. 109. 33

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Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, Begleitbuch, S. 11. Zur Geschichte der Juden in der Markgrafschaft Baden-Durlach bis zur Vereinigung 1771 vgl. auch die umfangreiche Quellensammlung von: Zehnter, Zur Geschichte der Juden in der Markgrafschaft Baden-Durlach, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins, Neue Folge Band XII. (1897), S. 385 ff., 636 ff.; Neue Folge Band XV (1900), S. 29 ff., 547 ff. 3 9 Regentschaft von 1533-1552. 38

40 Overdick, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Juden in Südwestdeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, S. 97, mit genauer Dokumentation der Fundstellen. 41 Regentschaft von 1604-1622.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

lig auch der Rabbiner von Hagenau im Eisass, zuständig. 1725 wurde eines der beiden Judenschuldtheißenämter aufgegeben; dafür erhielt jeder der betroffenen vier Amtsbezirke - Ettlingen, Rastatt, Bühl, Mahlberg - einen sogenannten Anwalt. Das andere Judenschuldheißenamt wurde nach zahlreichen Beschwerden 1750 nicht mehr neu besetzt, ohne definitiv abgeschafft zu werden. Nach dem Friedensschluss von 1648, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, wurden die Juden, die sich in den Wirren den Krieges ohne Schutzbriefe in BadenDurlach niedergelassen hatten, erneut ausgewiesen. Zwar durften sie weiterhin gegen Geleitgeld das Land durchqueren, Schutzaufnahmen fanden allerdings erst wieder unter Friedrich V I . 4 2 statt, der das Testament seines Großvaters Georg Friedrich nicht mehr beachtete. In der unteren Markgrafschaft um Durlach und Pforzheim wohnten 1709 24 jüdische Familien. Sie erhielten 1713 eine neue Organisation, die der in Baden-Baden ähnelte. Der für sie zuständige Rabbiner hatte seinen Sitz zunächst in Durlach, später in Karlsruhe. Im Oberland um Emmendingen ließen sich erst 1716 Juden nieder, die zum großen Teil als Flüchtlinge aus der Schweiz gekommen waren. Für sie war in Rechtsfragen der Rabbiner in Breisach zuständig, der später nach Sulzburg übersiedelte. Nachdem die neue Residenz Karlsruhe 1722 gegründet worden war, nahm die Zahl der Juden stark zu. Als Carl Friedrich 1738 sein Regierungsamt antrat 43, wohnten bereits über 160 jüdische Familien in seinem Land. 1771 waren es dann über 1000 Juden, die sich in Baden-Durlach niedergelassen hatten. Dieser Zuzug von Juden führte 1745 zum Erlass einer sehr strengen Judenordnung, die äußerst genaue Regelungen für den Handelsverkehr traf 44 . 1752 erließ Markgraf Carl Friedrich eine eigene Judenordnung für die Stadt Karlsruhe, die unter Miteinbeziehung der jüdischen Gemeindevorsteher beraten worden war 45 . Nachdem die beiden Teilmarkgrafschaften 1771 nach dem Aussterben der Linie Baden-Baden wiedervereinigt worden waren, wurden unter den 169.076 Einwohnern 2186 Juden gezählt46. Allmählich wurden auch Stimmen von Nichtjuden laut, die eine Verbesserung der Situation der Juden forderten. So empfahl etwa Goethes Schwager, der Amtmann Schlosser in Emmendingen, die Errichtung von Fabriken durch Juden und die Schulpflicht für jüdische Kinder. In seinem Amt wurde die erste „teutsche Judenschule" eingerichtet 47. Carl Friedrich sah sich durch die 1781 42 Regentschaft von 1659-1677. 43 Regentschaft von 1738-1811, als Großherzog seit 1806. 44 Hundsnurscher/Taddey; Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 7 f. 45 Zu den Regelungen der Judenordnung für Karlsruhe, insbesondere hinsichtlich der „Judengerichtsbarkeit" vgl. auch: Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 1 ff. 46 Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 13. 47 Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 14 f.; Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 8.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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vom preußischen Kriegsrat Dohm verfasste Schrift „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden" und durch das Toleranzedikt von Kaiser Joseph I I 4 8 veranlasst, selbst „Rundfragen" zu stellen, wie man das Leben der Juden verbessern könne 49 . Die Ergebnisse dieser Befragungen, Vorschläge und Meinungen, wurden 1801 in einem „Bericht über die bürgerliche Verbesserung der Juden in den Fürstlichen Badischen Landen" zusammengefasst 50. Die darin enthaltenen fortschrittlichen Ansichten und die Tatsachte, dass bereits 1783 die Leibeigenschaft aufgehoben worden war, verbesserten die rechtliche Stellung der Juden erheblich 51. Sie konnten nunmehr frei von einem Landbezirk in einen anderen übersiedeln und wurden nicht länger als „Schutzsubjekte" betrachtet. Der Bericht über die Verbesserungsmöglichkeiten atmete nicht mehr länger den Geist einer Ausgrenzungs- und Absonderungspolitik gegenüber den Juden, sondern sah in ihnen zu tolerierende Untertanen, denen mehrere bürgerliche Rechte eingeräumt werden sollten. Gleich nach der Jahrhundertwende wurden eine Reihe von Verordnungen erlassen, die diese neue Geisteshaltung wiederspiegelten und die Juden als Mitmenschen achteten. So sah die Verordnung vom 22. Juli 1800 vor, dass jüdische und christliche Untertanen im Konkurs gleich zu behandeln seien. Die Verordnung vom 6. Februar 1801 hob das durch das Edikt von 1752 ausgesprochene Verbot des „Geldborgens von ausländischen Juden" auf und erlaubte das „Vieheinstellen", damit die „diesländischen Juden die nemliche Handelsfreiheit in anderen Ländern" finden. Die im Regierungsblatt 1803 52 verkündete Verordnung vom 24. Mai 1802 verfügte unter § XXXVII, dass Eidesleistung von Juden nur in denselben Fällen wie von Christen gefordert werde und dass die allgemein geltenden Bestimmungen über Ablegung der Eide (mit Ausnahme derjenigen über Form, Art und Ort der Eidesleistung) auch auf die Eide der Juden Anwendung finden sollten. Die Verordnung vom 20. Januar 180453 befreite die Juden vom Leibzoll (Judengeleit, Passiergeld) und ließ nur das sogenannte Handelsgeleit bestehen. Ebenso wurden durch dieselbe Verfügung die Brautzollgelder abgeschafft, die bis dahin jüdischen Brautleuten beim Passieren abverlangt wurden 54 . Mit der Angliederung großer Teile der Pfalz, der Hochstifte Konstanz, Straßburg, Speyer, Würzburg und Mainz, Vorderösterreichs und anderer Gebiete wuchs Baden erheblich 55. Das Bestreben, die alten und die 48

„Gesetz über die bürgerliche Rechtsstellung der Juden" von 1781. Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 18; Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 8. Zu Einzelheiten über die rechtliche Stellung der Juden in den Stammlanden um 1800 vgl.: Holzmann, Über das rechtliche Verhältnis der Juden im Badischen, in: Magazin 1802; I. S. 72 ff.; II. S. 34 ff. 49

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Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 8. Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 27. 52 Kurbadisches Regierungsblatt 1803 Nr. I-IV, in: Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, Erster Band 1803-1825, S. 1 -12. 53 Kurbadisches Regierungsblatt 1804 Nr. IV, in: Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, Erster Band 1803-1825, S. 67. 54 Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 78 f.; Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden, S. 5. 51

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

neuen Landesteile, die nach der Proklamation vom 13. August 1806 5 6 das Großherzogtum Baden bildeten, zu einem einheitlich gegliederten Staatsgebiet zu verschmelzen, wirkte sich auch für die Israeliten positiv aus. Während die Juden zuvor insbesondere in den badischen Stammlanden weder zu der Klasse der Bürger noch zu der Klasse der Hintersassen (Schutzbürger) 57 zählten, wurde ihnen durch die Konstitutionsedikte die Möglichkeit eingeräumt, vollberechtigte Staatsbürger zu werden. Das I. Konstitutionsedikt vom 14. M a i 1807 5 8 stellte in seinem ersten Paragraphen den Grundsatz auf: »Jeder Mensch, wes Glauben er sei, kann Staatsbürgerrechte genießen, so lange er keine Grundsätze bekennt oder übt, welche der Unterwürfigkeit unter den Regenten, der Verträglichkeit mit anderen Staatsbürgern, der öffentlichen Erziehung oder den guten Sitten Abbruch tut." § V I I I 5 9 desselben Edikts stellte klar, dass auch Angehörige anderer als der christlichen Kirchen „von exekutiven Dienststellen der Staates nicht ausgeschlossen sind". 55

Hundsnurscher/Taddey; Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 9. Regierungsblatt des Großherzogtums Baden Nr. XVIII, in: Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, Erster Band 1803-1825, S. 223 f.; vgl. auch E. Walz, Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden, S. 4. 57 Bis zur Gemeindeordnung von 1831 wurde in Baden zwischen sogenannte Ortsbürgern (Gemeindeleuten) und Schutzbürgern (Hintersassen) unterschieden. Während die Ortsbürger am Gemeinderecht mit allen Vorteilen und Lasten teilnahmen, hatten die Schutzbürger nur bestimmte Rechte und Pflichten. Die Schutzbürger waren zwar Einwohner, jedoch keine eigentlichen Mitglieder der Gemeinde. Zu ihnen zählte jeder, der sich in der Gemeinde aufhielt. Diese Unterscheidung findet sich, selbstverständlich in abgeschwächter Form, auch noch heute in der Baden-Württembergischen Gemeindeordnung in § 10 Abs. 1 (Rechtstellung des Einwohners) und § 12 (Bürgerrecht für volljährige Deutsche nach sechs Monaten Wohnsitz in der Gemeinde). Zwar wurden den Juden auch in den badischen Stammlanden Schutzbriefe ausgestellt (vgl. Ausführungen zur Geschichte der Juden in Baden-Baden und Baden-Durlach), allerdings enthielten diese den ausdrücklichen Vorbehalt der vierteljährigen Kündigung, so dass die Juden nicht nur keine beständigen Untertanen waren, sondern dass auch ihre Duldung sehr eingeschränkt und unvollkommen war; vgl. auch Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden, S. 4. 58 Sammlung der badischen Konstitutions-Edikte (1.-7.: 1807-1809), Karlsruhe 1807 ff. 59 Die Ordnungsbezeichung der Konstitutionsedikte wird unterschiedlich wiedergegeben: Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden, spricht durchweg von „Artikeln", während Lewin, Geschichte der badischen Juden, die Ordnungsbezeichnung „Paragraphen" wählt. Die Urtexte der Konstitutionsedikte schweigen hinsichtlich der Benennung der Abschnitte und überschreiben sie lediglich mit römischen Zahlen. Rückschlüsse auf die damalige Bezeichungspraxis könnten aufgrund von Verweisen gezogen werden, die innerhalb der „Großherzoglich Badischen Regierungsblätter" selbst vorgenommen werden: Mehrheitlich wird nicht auf „Artikel", sondern auf „Paragraphen" Bezug genommen: Vgl. zum Beispiel die „Verordnung betreffend die religiöse Erziehung der von Eltern verschiedener Religion erzeugten Kinder" (Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, Erster Band 1803-1825, S. 680), die auf „§ 6" der „Kirchen//Constitution von 1807" Bezug nimmt. Im „Alphabetischen Register über alle 56

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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In § X X I I wurden die Rabbiner bei der Verkündigung, der Einsegnung der Ehe, bei der Annahme der Personen zur Beschneidung oder zur Ablegung eines Glaubensbekenntnisses, bei dem Ubertritt von einer Kirche zur anderen und bei Bestattungen den Pfarrern gleichgestellt und überdies als Staatsbeamte bezeichnet. § XIX des VI. Konstitutionsedikts vom 4. Juni 1808, welches die Grundverfassung der verschiedenen Stände des Großherzogtums betraf, machte aus den „Einwohnern der jüdischen Nation" in der Stellung „leibeigener oder erbpflichtiger Leute" „erbfreie Staatsbürger", welche nur noch hinsichtlich der gemeindebürgerlichen Rechte beschränkt waren. Damit benötigten die Israeliten zur Niederlassung an einem noch nicht von Juden bewohnten Orten nach wie vor die Genehmigung durch den Gemeinderat und die Erlaubnis des Regenten. Auch in den Orten, in denen bereits Juden ansässig waren „sollen sie im Allgemeinen noch nicht als Gemeindebürger, sondern nur gleich anderen, zum Ortsbürgerrecht nicht geeigneten Christen, als Schutzbürger anerkannt werden". Allerdings blieb es dem Großherzog vorbehalten, »jeden, welcher wegen der Bürgerrechts-Erfordernisse überhaupt und insbesondere wegen einer mit den Christen gleichförmigen Nahrungsart sich ausweiset, gleich jetzt schon allda mit dem Bürgerrecht zu begnadigen"60. Damit bestand im Regelfall nur für den Geburtsort auch ein Niederlassungsrecht 61. Abgesehen davon, dass man von den Juden erwartete, sich durch Angleichung an die christlichen Lebensweisen das Bürgerrecht zu erwerben, ist festzuhalten, dass die Israeliten durch die bisher angesprochenen Konstitutionsedikte immerhin den christlichen Schutzbürgern gleichgestellt wurden und dieselben Rechte und Pflichten wie diese verliehen bekamen. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaft, in der alle dem jüdischen Glauben angehörenden Einwohner Badens zusammengefasst waren, wurde von § V I I des I. Konstitutionsedikts dahingehend definiert, dass die „jüdische Kirche" „konstitutionsmäßig geduldet" sei. Über die rechtliche Stellung der Gesetze und Landes Verordnungen in den Großherzoglich Badischen Regierungsblättern" (Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, Erster Band 1803-1825, Anhang) werden auf S. XXXIV des Registers ausdrücklich die Überschriften der „ Paragraphen dieses Edikts" aufgeführt. Die Praxis als Ordnungsbezeichnung der Edikte „Paragraphen" zu verwenden, wird aber selbst in den Urtexten nicht konsequent durchgehalten. In ein und demselben Regierungsblatt Nr. IX vom 4. März 1809 (Vollständige Sammlung der Großherzoglich Badischen Regierungsblätter, Erster Band 1803-1825, S. 603 und 606) ist einerseits in der Präambel zu lesen: „Nachdem Unser sechstes Constitutions / / Edict die Verhältnisse der verschiedenen Stände in Unserem Großherzogtum bestimmt hat, so sind nunmehr noch jene Vorschriften zu geben, welche zu richtiger Anwendung einiger Artikel desselben erforderlich werden." Anderseits wird unter X X V I I auf die „besonderen, im VI. Constitutions //Edict § 10 enthaltenen Vorrechte der Gemeindebürger" Bezug genommen. Da aber vorwiegend von „Paragraphen " gesprochen wird, soll diese Ordnungsbezeichnung auch hier Verwendung finden. 60 Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden, S. 6 f. m. w. N. 61 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 29.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

evangelischen und katholischen Kirche wurde hingegen ausgesagt, sie seien „konstitutionsmäßig aufgenommen".

2. Das IX. Konstitutionsedikt von 1809 und seine Auswirkungen auf das jüdische Leben Die bisher erwähnten Verordnungen über die Rechtsverhältnisse der Juden stellten lediglich Rahmengesetze dar, die in Anwendung und Vollzug nicht unumstritten blieben. Das DC. Konstitutionsedikt vom 13. Januar 1809 62 (sogenanntes „Judenedikt") brachte die genauen Ausführungsbestimmungen. Zwar stellte auch dieses Edikt nicht die völlige Gleichberechtigung gegenüber den Christen her, es verbesserte jedoch die Stellung des einzelnen jüdischen Bürgers erheblich 63. In der Einleitung des IX. Konstitutionsediktes wurde festgehalten, dass die „Rechtsgleichheit (von Christen und Juden) nur alsdann in ihre volle Wirkung treten (kann), wenn sie (gemeint sind die Juden), in politischer und sittlicher Bildung ihnen (den Christen) gleichzukommen bemüht sind". Das IX. Konstitutionsedikt stellte den Juden eine weitreichende Gleichberechtigung in Aussicht, knüpfte aber, ebenso wie schon das VI. Konstitutionsedikt in Bezug auf die Erlangung der Bürgerrechte, die Erwartung ernsthafter Anpassungsbemühungen daran. Immerhin erhielt die Judenschaft durch das von Großherzog Carl Friedrich erlassene IX. Konstitutionsedikt eine „kirchliche Verfassung": Während im I. Konstitutionsedikt noch von einer „Duldung" der Israelitischen Religionsgemeinschaft die Rede war, stellte das IX. Konstitutionsedikt in § I klar, dass die „Judenschaft des Großherzogtums einen eigenen konstitutionsmäßig aufgenommenen 64 Religionstheil" des Landes darstellte, „der gleich den übrigen unter seinem eigenen angemessen Kirchenregiment" stand. In der Folge wurde Baden entsprechend der politischen Verwaltungseinteilung in drei Provinzsynagogen eingeteilt, denen je ein Landesrabbiner und zwei Landälteste vorstanden. Die einzelnen Ortssynagogen, die jeweils von einem Ortsrabbiner und einem Ortsältesten geleitet wurden, unterstanden den Provinzsynagogen. Weil sich viele Landgemeinden keine eigenen Rabbiner leisten konnten, entsprachen die Ortssynagogen weitgehend den späteren Bezirkssynagogen. Ebenfalls in der Folge des IX. Konstitutionsediktes wurde als geistliche Oberbehörde der »jüdische Oberrat" mit Sitz in der Regierungsstadt Karlsruhe eingesetzt. Dem Oberrat gehörten neun Personen an: ein Obervorsteher (Rabbiner oder gebildeter Laie), zwei der drei Landrabbiner (wobei der Ortsrabbiner von Karlsruhe als der Landrabbiner der mittelrheinischen Provinz immer Einsitz hatte), zwei angestellte, welt62 Im Wortlaut abgedruckt bei: Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 91 ff. (vgl. auch dortigen Materialanhang). 63 Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 10. 64 Hervorhebung durch den Verfasser.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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lieh gebildete Oberräte, drei zugeordnete Oberräte (jeweils ein Provinzältester aus jeder Provinz) und ein Oberratsschreiber 65. Sie alle wurden vom Regenten ernannt. Der Oberrat kam einmal jährlich zu einer Plenarsitzung zusammen. Ansonsten handelte er durch einen fünfköpfigen Ausschuss66. Unter Aufsicht der Regierung konnte der Oberrat die Einteilung der Synodensprengel vornehmen und die kirchlichen Abgaben festsetzen. Ihm oblag die „Kirchenzucht" und die Ausarbeitung von Studienplänen für die Religionslehrer sowie deren Beurteilung. Zu den Aufgaben des Oberrates gehörte auch die Beratung der Regierung in jüdischen Angelegenheiten67. Zum ersten Obervorsteher wurde am 15. Mai 1809 der Oberhoffaktor Elkan Reutlinger ernannt, der dieses Amt bis 1814 ausübte. Bereits wenige Tage nach der Ernennung des Obervorstehers wurden die ersten fünf Mitglieder des „Badischen Oberrates der Staatsbürger Mosaischen Bekenntnisses" in der Karlsruher Synagoge feierlich eingeführt 68. Nachdem den Juden bislang nur abgelegene und für andere Zwecke unbrauchbare Grundstücke für die Bestattung ihrer Toten zugewiesen worden waren, stattete das neue Konstitutionsedikt jeden Synagogensprengel mit dem Recht aus, eigene Friedhöfe einzurichten 69. Dieses Recht beendete den bislang unwürdigen Umstand, dass die Juden ihre Toten oft über große Entfernungen und über Landesgrenzen hinweg zu den wenigen bestehenden Friedhöfen bringen mussten, wobei es vorkam, dass sie für ihre Toten auch noch Zoll zu entrichten hatten70. Das IX. Konstitutionsedikt verbesserte zudem die Bildungsvoraussetzungen und -chancen für jüdische Kinder. Solange noch keine jüdischen Volksschulen bestanden, wurde der Besuch einer christlichen Schule obligatorisch. Ganz ausdrücklich wurden in § X des Ediktes bei einem solchen Schulbesuch den „Ortsvorgesezten" und Schullehrern die Verantwortung dafür übertragen, dass den jüdischen Kindern weder durch die christlichen Schüler noch von den Lehrern eine „geringschäzende oder gar beleidigende Behandlung widerfahre". Gleichzeitig sollte aber auch darauf geachtet werden, dass den „Judenkindern gleiche Reinlichkeit, Ordnung und Anständigkeit wie den Christenkindern" angewöhnt werde. § XIII regelte die Befreiung der jüdischen Kinder vom christlichen Religionsunterricht und verpflichtete die jüdischen Behörden dafür Sorge zu tragen, dass die jüdischen Kinder „einen hinlänglichen und zweckmäßigen Unterricht in ihrer Religion erhalten". § X V I I des IX. Konstitutionsediktes sicherte nach jahrhundertelanger Beeinträchtigung die Gewährleistung der Berufswahlfreiheit zu. Die „PolizenObrigkeit" wurde ausdrücklich dazu ermächtigt, gegen Zünfte und Meister vorzugehen, die sich „unterstehen würden, [ . . . ] Hindernisse in den Weg zu legen". 65 66 67 68 69

Vgl. § XXXIV des IX. Konstitutionsedikts vom 13. Januar 1809. Vgl. § XXXV des IX. Konstitutionsedikts vom 13. Januar 1809. Vgl. § X L des IX. Konstitutionsedikts vom 13. Januar 1809. Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 11. Vgl. § III des IX. Konstitutionsedikts vom 13. Januar 1809.

™ Hundsnurscher/Taddey,

Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 31.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

3. Das weitere Schicksal des IX. Konstitutionsedikts Der wechselvolle Weg bis zur vollen Gleichberechtigung 1862 Schon bald nach In-Kraft-Treten des Edikts wurden Stimmen laut, die die zugestandenen Rechte als zu weitreichend empfanden. Die Mittelrheinische Provinzregierung widersetzte sich offen dem Edikt. Einerseits argumentierte man, die Juden würden durch ihre kostspielige neue „kirchliche Verfassung" noch mehr verarmen, andererseits sah man sie auf Kosten der Christen reich werden. Die Juden würden einen „Staat im Staate" bilden, alle Nahrungszweige an sich ziehen und die Christen am Ende zu Tagelöhnern herabwürdigen. Schließlich beschloss die Ministerialkonferenz Ende Februar 1810, das Edikt war also gerade erst ein Jahr in Kraft, bereits eine allgemeine Modifikation, die die Rechte der Juden aufs Neue geschmälert hätte, wäre dieser Beschluss nicht an der festen Haltung des Innenministeriums gescheitert. Dieses plädierte für „Zeit und Geduld" als die „beiden Elemente des gesetzlichen Gedeihens". Das Ministerium hatte erkannt, dass „Gegenstände von diesem Gehalte, wo es sich um die Wirksamkeit auf die innere moralische Beschaffenheit, auf Meinungen und Vorurteile der Menschen aller Konfessionen handelt, [ . . . ] nur allmählich von den Gesetzen modifiziert werden" könnten71. Dennoch wurden 1812 die Rechte des neuen Oberrates beschnitten, indem ihm durch Verordnung ein christlicher Ministerialkommissär vorgesetzt wurde. Dieser leitete die Sitzungen des Oberrates und hatte alle Beschlüsse mitzuunterzeichnen 72 . Da die neuen Rechte, insbesondere die Gleichstellungsvorschriften hinsichtlich der Bildung, aber bestehen blieben, gelang vielen Juden der Wechsel in bürgerliche Berufe 73. Die vom Wiener Kongress ausgehende restaurative Grundstimmung und eine Missernte in den Jahren 1816 und 1817 mit sich anschließender Hungersnot und Teuerungen führten zunächst in den ländlichen Gebieten zu gefährlichen Unruhen, die sich insbesondere wieder gegen Juden richteten und bald auch auf viele deutsche Städte, darunter auch Karlsruhe und Heidelberg, übergriffen. Aus dieser sogenannten „Hep! Hep .'-Bewegung" wurden Drohungen laut, alle Juden töten zu wollen. Die badische Regierung zögerte nicht, den Juden den nötigen Schutz zukommen zu lassen und schlug die Aufstände zum Teil mit Waffengewalt nieder. Eine strenge Untersuchung ergab, dass die Anführer der Unruhen in erster Linie Handwerker, Gesellen, Lehrlinge, Arbeitslose und verschuldete Bauern waren, die im schnellen gesellschaftlichen Aufstieg der Juden eine Bedrohung sahen74.

71

Rürup, Emanzipation und Antisemitismus, S. 60. Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 34. 73 Zu genauen statistischen Zahlen über die ergriffenen Berufe vgl. auch Rürup, Emanzipation und Antisemitismus, S. 61. 74 Rürup, Emanzipation und Antisemitismus, S. 64. 72

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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In der Beratung der neuen Landesverfassung vom 22. August 181875 dachte man gleichwohl an eine Aufhebung des „Judenedikts". Schließlich scheute man zwar doch vor einer Aufhebung zurück, die Verfassung brachte aber in vielerlei Hinsicht einen Rückschritt gegenüber dem IX. Konstitutionsedikt von 1809. „Alle Staatsbürger von den drei Christlichen Konfessionen haben zu allen Zivil- und Militärstellen und Kirchenämtern gleiche Ansprüche." (§ IX der landständigen Verfassung 76)

Damit wurden die Juden zwar nicht ausdrücklich von Staatsämtern ausgeschlossen, mit gleichen Zugangsrechten waren aber nur Angehörige der christlichen Konfessionen ausgestattet, was letztlich doch einen Ausschluss der Juden bedeutete. Einen weiteren Rückschritt in der Gleichberechtigung der Juden bedeutete § X X X V I I der Verfassungsurkunde, der nur Christen das passive Wahlrecht für die zweite Kammer des Landtages zugestand. Dieser restriktive Trend setzte sich auch bei den Beratungen eines neuen Gemeindeverfassungsgesetzes fort, wobei nun auch in zunehmendem Maße die judenfeindliche Haltung der Abgeordneten beider Kammern deutlich zu Tage trat. Die Regierung legte 1820 dem Landtag einen Entwurf einer Gemeindeordnung zur Beratung vor, die in § X I I bestimmte, dass Nichtchristen „in keiner Gemeinde aufgenommen werden, wo sie nicht bereits durch die Geburt Anspruch darauf haben". Die §§ XXIV, X X V I I und LIV schlossen Nichtchristen von der Wahl zum Vogt oder Bürgermeister, zum Gemeinderat und zum Mitglied des Gemeindeausschusses aus 77 . Allerdings beschloss der Landtag von 1828 die Aufhebung jeglicher Sonderbesteuerungen. Die Gemeinden erhielten von nun an von den Juden die gleichen Abgaben wie von christlichen Gemeindegliedern. Es sollte aber noch bis 1845 dauern, bis dieses Gesetz überall zur Geltung kam. Die „äußeren" rechtlichen Neuerungen hinsichtlich der Stellung der Juden in Baden, führten auch innergemeindlich zu Veränderungen. Insbesondere vor dem Hintergrund der modernen Bildung und der wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche entstand der Kampf zwischen der im Uberlieferten wurzelnden Orthodoxie und des in der Persönlichkeit und der historischen Entwicklung begründeten Liberalismus. Dieser Kampf tobte in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts in den erbittertsten Formen 78. Schon im Jahre 1819 taten sich zehn jüdische Familien in Karlsruhe zu einem „Tempelverein" zusammen. Der von ihnen reformierte Gottesdienst wurde überwiegend in deutscher Sprache gefeiert 79. Außerdem 75 Zur Enstehungsgeschichte der Badischen Verfassung vgl. auch: Hug , Geschichte Badens, S. 210 f. 76 Zitiert nach: Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden, S. 14. 77 78 79

Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 197. Rosenthal, Heimatgeschichte der badischen Juden, S. 333 ff. Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 201.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

befürworteten sie Gemeindegesang in der Synagoge und eine deutsche Predigt. Auch in Mannheim und Heidelberg fanden sich liberale jüdische Gemeinden zu80

sammen . Im Laufe der Zeit hatte sich der Verwaltungsapparat des Oberrates für die 1827 circa 17.000 in Baden lebenden Juden als zu schwerfällig erwiesen. Deshalb wurden 1827 die zwischen Bezirkssynagogen und dem Oberrat eingeschobenen Provinzialsynagogen aufgelöst, nachdem schon 1824 die Referate des Oberrates neu verteilt worden waren 81 . Nach dem Tod von Oberrats Vorsteher Ettlinger wurde das Amt nicht mehr neu besetzt. 1827 wurde der Oberratsausschuss schließlich abgeschafft und dafür eine Dreiteilung der Arbeitsgebiete beschlossen. Von nun an tagte einmal wöchentlich eine Administrationskonferenz, in der alle Angelegenheiten behandelt wurden, die zuvor dem Gesamtoberrat und dem Ausschuss zugewiesen worden waren. Ausgenommen blieben allerdings die Fragen von Religionsunterricht, der Aufnahme von Rabbinatskandidaten und Lehrern und des Disziplinarrechts der „Kirchendiener". Diese Bereiche blieben der zweimal jährlich tagenden Religionskonferenz vorbehalten, zu der außer den Laien insgesamt drei Rabbiner berufen wurden. Sie war die höchste Instanz in Angelegenheiten der Religion und des Kultus. Daneben kam monatlich die Schulkonferenz zusammen, die je aus einem Mitglied der beiden Kirchensektionen des Innenministeriums, aus allen Oberratsmitgliedern, zwei Rabbinern und einem Karlsruher Ortsältesten bestand82. Nachdem in den Jahren von 1825 bis 1831 die Rechte der Juden im Vergleich zum IX. Konstitutionsedikt von 1809 weitestgehend beschnitten worden waren, fühlten sich die Juden in der Folge der französischen Juli-Revolution von 1830 ermutigt, ihren Forderungen nach völliger Gleichberechtigung wieder verstärkt Gehör zu verschaffen. So überreichten im Jahre 1831 prominente jüdische Bürger dem Großherzog eine Petition mit den Wünschen der badischen Juden. Da im Landtag erneut eine Gemeindeordnung und ein Bürgerrechtsgesetz beraten wurden, welche die rechtliche Stellung der Juden im Lande wiederum einschränken sollten, reichten der Oberrat, mehrere israelitische Gemeinden und einzelne jüdische Persönlichkeiten Petitionen ein 83 . In den Beratungen des Landtages fanden sich nur wenige Befürworter einer Gleichstellung der Juden84. Bei den Verhandlungen in der Zweiten Kammer stimmten sogar liberale Abgeordnete wie von Rotteck und Duttlinger, die bei den Landtagen 1820 und 1822 noch für die Emanzipation eingetreten waren, gegen die Gleichstellung der Juden. Dagegen nahm die Erste Kammer 1831 einen Antrag auf bedingungslose Gleichstellung an 85 . 80

Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 38. 81 Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 221 ff. 82 83

Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 14. Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden,

S. 18. 84 85

Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 15. Lewin, Geschichte der badischen Juden, S. 243.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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Dem Oberrat wurde jedoch angetragen, dass eine Gleichberechtigung nur möglich wäre, wenn auf einer einzuberufenden Synode das jüdische Zeremonialgesetz geändert würde. Der Oberrat konnte sich aber auf eine breite Zustimmung der Juden in Baden stützen, als er es ablehnte, die Gleichberechtigung mittels Aufgabe jüdischer Eigenart zu erkaufen 86. Diese klare und authentische Haltung schien bei den Abgeordneten Eindruck zu hinterlassen: Immer mehr Abgeordnete stimmten in den Beratungen der folgenden Landtage für die Gleichberechtigung, wenngleich auch noch keine Mehrheit erreicht werden konnte. 1833 kam es zu einer bedeutenden gemeindeinternen Umstrukturierung. Bisher wurde die Gemeinde vom Rabbiner zusammen mit einem auf Lebenszeit ernannten Ortsältesten geleitet. An deren Stelle traten nun, abhängig von der Größe der Gemeinden, drei bis sieben auf sechs Jahre gewählte Männer, die in freier Abstimmung zu Synagogenräten im Ehrenamt gewählt wurden. Um die Kontinuität und Leistungsfähigkeit zu gewährleisten, verzichtete man auf Gesamterneuerungswahlen und bestimmte alle drei Jahre nur die Hälfte der Synagogenräte neu. Die Kompetenzen des Rabbiners wurden auf die religiösen Angelegenheiten beschränkt, wohingegen der Synagogenrat in erster Line die finanzielle Situation, das Armenwesen, Stiftungen und die Ausführung der Anordnungen des Oberrates zu überwachen hatte 87 . Am 14. Februar 1848 schließlich brachte der Abgeordnete Brentano in der Zweiten Kammer einen Antrag auf „ungesäumte Einweisung der Israeliten in den Vollgenuss aller bürgerlichen Rechte" ein 88 . Der Ausbruch der Revolution brachte insbesondere in ländlichen Gebieten auch Ausschreitungen gegen Juden mit sich, die in zahlreichen Orten mit Waffengewalt niedergeworfen wurden. In Mannheim wurde ein Aufruf zum Schutz der Juden veröffentlicht 89. Schließlich konnte am 13. Mai 1848 in der Zweiten Kammer eine Verfassungsänderung beschlossen werden, die den Juden staatsbürgerliche Gleichberechtigung zuerkannte 90. Allerdings blieben ihre gemeindebürgerlichen Rechte unberührt 91, was zu der paradoxen Situation führte, dass die Juden zwar von nun an gleichberechtigte Staatsbürger, in ihren Heimatgemeinden aber noch Schutzbürger waren. Dieses Paradoxon löste sich erst am 4. Oktober 1862 mit der Verkündung des „Gesetz(es) über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten" 92 auf. Seit 1862 hatte sich kein badischer Land86

Rürup, Emanzipation und Antisemitismus, S. 71 f.; Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 15. 87 Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 16. 88 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 44. 89 Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 16. 90 Vgl. Gesetz über die Aufhebung der Beschränkung staatsbürgerlicher Rechte aus Rücksichten der Confession, in: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt, Siebenundvierzigster Jahrgang, Nr. VII., S. 75. 91 Glockner, Badisches Verfassungsrecht, S. 5. 4 Nolte

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

tag mehr mit bürgerrechtlichen Angelegenheiten der Juden zu befassen. Damit hatten die Juden in Baden fast zehn Jahre früher die volle Gleichberechtigung erlangt als ihre Glaubensgenossen in den meisten anderen deutschen Ländern, in denen die Emanzipation erst durch die Reichsverfassung von 1871 ganz verwirklicht wurde 93 . 4. Von der Gleichberechtigung zum Nationalsozialismus (1862-1933) Eine Folge der Gleichberechtigung war die nun verstärkte Ernennung jüdischer Kreisgerichtsräte und Staatsanwälte94. Mit Prof. Rosin (1888) beziehungsweise Prof. Jellinek (1890) wurden an den Universitäten Freiburg und Heidelberg erstmals in Baden die ordentlichen Lehrstühle für Staats- und Verwaltungsrecht mit Juden besetzt95. Rosin 96 , der in Freiburg auch aktives Mitglied der israelitischen Gemeinde war, wurde schon nach kurzer Zeit eine angesehene Persönlichkeit der Fakultät. In den Jahren 1890/91, 1894/95, 1904/05 und 1917/18 fungierte er als Dekan. Im Jahre 1897/98 wurde er Prorektor der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und war damit der erste Jude in diesem Amt an einer deutschen Hochschule. Schon bald nach seiner Beförderung zum Ordinarius ernannte der Großherzog Rosin zum Mitglied des neunköpfigen Oberrates der Israeliten in Baden 97 , dem er bis 1909 angehörte 98. Im Auftrag des deutsch-israelitischen Gemeindebundes legte Rosin 1906 einen Entwurf eines Verfassungsgesetzes für die israelitische Religionsgemeinschaft in Preußen vor. Der Entwurf, der in Anlehnung an die badischen Verhältnisse die Schaffung eines bis ins Einzelne durchgeführten Instanzenzuges für Verwaltungs- und Rechtsfragen vorsah, fand schließlich keine Zustimmung. Zu sehr fühlten sich die Einzelgemeinden in ihrer traditionellen Selbständigkeit beschränkt 99. Georg Jellinek 100 , dessen Werke die verfassungsgeschichtliche Entwicklung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg entscheidend geprägt haben, musste in 92 Vgl. Gesetz die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten betreffend, in: Großherzoglich Badisches Regierungsblatt, Sechzigster Jahrgang, Nr. XLVIIL, S. 450 ff.; dazu auch: Stempf, Das Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten im Großherzogtum Baden. 93 Vgl. auch Rürup, Emanzipation und Antisemitismus, S. 87 ff.; Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 45 f. 94 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 47. 95 Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 20. 96 Lebensdaten: 1855-1927. 97 Allgemein zu Aufbau und Befugnissen des Oberrates nach dem IX. Konstitutionsedikt vom 13. Januar 1809 vgl. oben unter: Erstes Kapitel, Β., I., 2. 98 Ausführlich zum Lebenslauf und religiösen Engagement Rosins vgl.: Hollerbach in: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, S. 371 ff. 99 Wolff, in: Jüdisches Lexikon, Band I V / 1 , S. 1504 mit genauem Nachweis. 100 Lebensdaten: 1851-1911.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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Wien als Extraordinarius mit gleichen Verpflichtungen wie die Ordinarien, aber ohne Rechte in Fakultät und Senat erleben, wie sich 1889 die klerikal-antisemitische Partei gegen seine Berufung auf ein Ordinariat einsetzte. Obwohl Jellinek bereits mit Veröffentlichungen eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, wollte man sich in Deutschland nicht über die „Wiener Verhältnisse" hinwegsetzen und nahm zunächst Abstand von einer Berufung an die Berliner oder Leipziger Fakultät. Bemerkenswerterweise erhielt Jellinek in dieser Situation von der Basler Fakultät einen Ruf, wo er ordentlicher Professor für Staatsrecht wurde. Die Schweizer Rechts- und Gesellschaftsverhältnisse prägten sein Denken stark, obgleich er bereits zwei Semester später Ordinarius für Staatsrecht, Völkerrecht und Politik in Heidelberg wurde. Anders als Rosin, der sich Zeit seines Lebens seinem jüdischen Glauben verpflichtet fühlte, ging Jellinek den Weg der Emanzipation über die Anpassung (Assimilation) 101 . Auch im Schulwesen ergaben sich Änderungen. Das Elementarschulgesetz von 1868 eröffnete die Möglichkeit, Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln. 1876 wurden sämtliche Bekenntnisschulen abgeschafft. An ihre Stelle traten Simultanschulen, an denen nur noch der Religionsunterricht getrennt stattfand. Allerdings wurden die jüdischen Volksschullehrer nur zum Teil in den Staatsdienst übernommen. Für die jüdischen Kinder hatten die Simultanschulen den Nachteil, dass sie die Schabbatruhe nicht halten und den Hauptgottesdienst am Samstag Vormittag nicht besuchen konnten 102 . 1877 schloss der Oberrat mit dem Oberschulrat im Hinblick auf die jüdischen Schüler eine Vereinbarung über die Befreiung von der Schulpflicht an jüdischen Feiertagen. Auch wurde vereinbart, dass jüdische Schüler an Schabbaten nicht gegen ihren Willen zum Schreiben, Zeichnen oder Handarbeiten gezwungen werden durften 103 . Der Oberrat ordnete 1863 regelmäßige Prüfungen im Fach Religion an den Volksschulen und auch an den besonderen Religionsschulen an, die von den Rabbinern abzunehmen waren. Im Februar 1881 erließ er Lehrpläne für den israelitischen Religionsunterricht an den Volksschulen und an den besonderen israelitischen Religionsschulen104. Um dem Wirken des Oberrates eine bessere Resonanz zu verschaffen, wurde seit 1884 das „Verordnungsblatt des Großherzoglich Badischen Oberrates der Israeliten" herausgegeben. In diesem offiziellen Publikationsorgan wurden in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Verordnungen publiziert, die zum Teil einschneidende Veränderungen in Organisation und Verwaltung der Gemeinden zur Folge hatten. So war das am 18. Juni 1892 von der badischen Regierung erlassene Gesetz über die Besteuerung für allgemeine kirchliche Bedürfnisse für die badischen Juden von 101

Vgl. im Einzelnen auch Sattler, in: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, S. 355 ff. Zur Schulsituation jüdischer Kinder in Freiburg vgl.: Blod, Die Entstehung der israelitischen Gemeinde Freiburg, S. 53 f. 103 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 50. 104 Wolff, Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des Großherzogtums Baden, S. 40. 102

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

großer Bedeutung. Der Staat gewährte nun allen Religionsgemeinschaften Hilfe beim Steuereinzug, wenn ein entsprechender Steuerbeschluss von einer frei gewählten Vertretung der Mitglieder vorlag. Diese Gelegenheit nutzte der Oberrat, um nicht nur eine bloße Steuerversammlung zu berufen, sondern mit der Israelitischen Landessynode ein repräsentatives Organ der badischen Israeliten ins Leben zu rufen. Die Synode erhielt ihre vom Großherzog genehmigte Synodalordnung am 27. Februar 1894 105 . Die Synode bestand aus fünf geistlichen und zwanzig (seit 1902 einundzwanzig) weltlichen Abgeordneten. Die Abgeordneten wurden in geheimer Wahl bestimmt. Die Landessynode trat alle drei Jahre zusammen. In der Zeit zwischen zwei Sessionen führte ein vierköpfiger Synodalausschuss die Geschäfte. Die Landessynode hatte zum einen über die Steuern zu befinden, zum anderen wirkte sie als „konstitutioneller", die Gesetzgebungsgewalt des Oberrates beschränkender Faktor 106 . Im Jahre 1897 fand in Basel der erste Zionistenkongress statt, der als programmatisches Ziel die „Schaffung einer Heimstätte für das jüdische Volk in Palestina" verkündete. Die badischen Juden standen dem Zionismus allerdings zunächst ablehnend gegenüber. Erst nachdem der von den Nationalsozialisten geförderte Antisemitismus zunahm, fanden die Bestrebungen des Zionismus mehr Beachtung. Erste antisemitische Anzeichen einer neuen antijüdischen Bewegung machten sich bereits in den ersten Jahren des ersten Weltkrieges bemerkbar, in den 4758 badische Juden zum Wehrdienst einberufen worden waren. Unter den Einberufenen befanden sich 488 Freiwillige, ein Beleg dafür, dass die badischen Juden sich ihrem „Vaterland Deutschland" verbunden fühlten und eben keine „fremdländischen Schmarotzer" oder „vaterlandslosen Gesellen" waren, wie sie der Nationalsozialismus nur wenige Jahre später diffamieren sollte 107 . 589 badische Juden starben an der Front. Nach der Niederlage Deutschlands wurde die Monarchie im Reich und in den Bundesstaaten abgeschafft. Der Revolutionsregierung in Karlsruhe gehörten auch die Juden Ludwig Marum als Minister der Justiz und der Reichstagesabgeordnete Dr. Ludwig Haas als Minister für Inneres an 1 0 8 . Die neue badische demokratische, durch Volksabstimmung am 13. April 1919 bestätigte Verfassung vom 21. März 1919 stellte alle staatlich anerkannten kirchlichen und religiösen Gemeinschaften rechtlich gleich.

105

Hundsnurscher/Taddey; 106 Vgl. im Einzelnen: Wolff, Großherzogtums Baden, S. 94 ff. 107

Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 20. Das Recht der israelitischen Religionsgemeinschaft des

Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 21. los Zur Revolution in Baden 1918 vgl. im Einzelnen: Stiefel, Baden 1648-1952, Band 1, S. 318 ff.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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§ 18 Abs. 3 der Badischen Verfassung vom 21. März 1919 lautete: „Alle staatlich anerkannten kirchlichen und religiösen Gemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben das Recht der Selbstbesteuerung nach den Landesgesetzen. Sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten frei und selbständig im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze. Insbesondere werden die Kirchenämter durch die Kirchen selbst verliehen.(... ) " 1 0 9

Mit der Abdankung des Großherzogs war auch das evangelische Summepiskopat, das Landesherrliche Kirchenregiment (das Bündnis zwischen Thron und Altar) endgültig beseitigt worden 110 . Nunmehr standen alle Kirchen und Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus dem Staat gleich nah oder fern. Selbst wenn die Badische Verfassung nicht so ausdrücklich wie die nur fünf Monate später in Kraft getretene Weimarer Reichs Verfassung vom 11. August 1919 aussprach 111, dass keine Staatskirche bestehe, so wurde den badischen Juden die Gleichberechtigung hinsichtlich der „Nähe zum Staat" bereits fünf Monate früher als den israelitischen Glaubensgemeinschaften im übrigen Reichsgebiet zuteil. Durch diese grundsätzliche Aufgabe des Landesherrlichen Kirchenregiments wurde auch das Amt des 1812 bestellten christlichen Ministerialkommissiärs hinfällig, der die Sitzungen des Oberrates geleitet und alle Beschlüsse mitzuunterzeichnen hatte 112 . Damit war es auch möglich geworden, die Landessynagoge demokratisch umzugestalten. Die Voraussetzungen wurden auf der achten Landessynode vom 31. Mai bis 2. Juni 1920 geschaffen, die ein letztes Mal vom Ministerialkommissär eröffnet wurde. Es wurde die Wahl einer außerordentlichen Synode vorgesehen, die der Landessynagoge eine neue Verfassung geben sollte. Diese neue Verfassung trat am 14. Mai 1923 in Kraft 1 1 3 . Nach der neuen Verfassung gehörten der Synode neunundzwanzig Abgeordnete aus siebzehn Wahlbezirken sowie drei Vertreter der Rabbiner und zwei Vertreter der Religionslehrer und Kantoren an, deren Interessen bis dahin von den Rabbinern mitwahrgenommen worden waren. Zweifellos bedeutete dies im Willensbildungsprozess der badischen Israeliten eine Aufwertung der Religionslehrer und Kantoren 114 . Der Synodalausschuss wurde auf acht Mitglieder erweitert und der Oberrat bestand aus acht Mitgliedern (später neun), die von der Synode auf die Dauer von sechs Jahren mit Stimmenmehrheit gewählt wurden. Die Religionskonferenz, bei deren Wahl die religiösen Richtungen zu berücksichtigen waren, setzte sich aus den weltlichen Mitgliedern des Oberrates und drei Rabbinern des Landes zusammen. Die Synodalverfassung wurde durch die im Mai 1930 verkündete Gemeindeverfassung ergänzt 115. 109

Badisches Gesetzes- und Verordnungsblatt, Jahrgang 1919, S. 282. no Böhringen Die Badische Verfassung vom 21. März 1919, S. 222. m Art. 137 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung. ι 1 2 Vgl. oben und Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 34. h 3 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 54. 114

So auch Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 22. h 5 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 54.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

5. Antisemitische Maßnahmen in Baden bis Kriegsbeginn (1933-1939) Vor dem Regierungsantritt Hitlers am 30. Januar 1933 waren außer Friedhofsschändungen kaum judenfeindliche Kundgebungen in Baden vorgekommen. Wenn sie stattfanden, wurden sie von den Zeitungen einhellig verurteilt 116 . Die NSDAPFraktion des badischen Landtages stellte seit 1929 alljährlich den Antrag, das Schächten von Tieren zu verbieten, der jedoch bis 1933 regelmäßig abgelehnt wurde. Auch der Antrag, der 1930 gegen die „Veijudung" der Justiz gestellt wurde, wurde vom Landtag abgelehnt117. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler änderte sich die Lage schlagartig. Bereits am 10. und 13. März 1933 versuchte die SA in Karlsruhe die Bevölkerung am Betreten jüdischer Geschäfte zu hindern. Auch in Mannheim mussten jüdische Läden zwangsweise schließen. Nachdem im März 1933 zwei Juden von SA-Angehörigen grundlos zu Tode geprügelt worden waren und die internationale Presse über die Vorgänge in Deutschland berichtet hatte, kam es vereinzelt sogar zu einem Boykott deutscher Waren. Die nationalsozialistische Führung reagierte auf die „Greulhetze des internationalen Judentums" Anfang April mit einem großangelegten Boykott jüdischer Geschäfte. Auch in Baden gab es fast keine Gemeinde, in der sich nicht SA-Leute vor den jüdischen Geschäften postierten 1 1 8 . Aus Angst vor einem Eingreifen der Polizei waren sie jedoch noch angewiesen worden, sich jeder Gewaltanwendung gegen Juden zu enthalten. Die Bevölkerung unterstützte diese Sanktionen anfangs nicht, so dass der Boden für grundlegende antisemitische Maßnahmen erst durch eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen bereitet werden musste 119 . Auch die judenfeindliche Gesetzgebung wurde erst durch die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933 120 und durch das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (sogenanntes Ermächtigungsgesetz) vom 24. März 1933 121 ermöglicht. Während § 1 der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" „Beschränkungen (wesentlicher Grundrechte) auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen" zuließ, wurde das sogenannte „Ermächtigungsgesetz" zur Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat 122 . 116

Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 23. Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 15. 118 Hundsnurscher/Taddey; Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 24. In Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, Begleitbuch, S. 53 wird davon gesprochen, dass sich am sogenannten Judenboykott vom 1. April alle badischen Gemeinden beteiligten, in denen Juden wohnten. 117

119

Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 16. 120 RGBl. Teil 1 1933, 83. 121 RGBl. Teil 1 1933, S. 141. 122 Vgl. zur Gesamtproblematik die ausführliche Darstellung von: Biesemann, Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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Die Tatsache, dass das Ermächtigungsgesetz zweimal auf den Tag genau am Jahrestag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler verlängert wurde, zeigt, wie sehr der Reichstag Spielball der nationalsozialistischen Reichsregierung geworden war. Am 10. Mai 1943, als die zweite Verlängerung des „Ermächtigungsgesetzes" endete, war es schließlich nicht mehr der Reichstag, der seine Gesetzgebungskompetenz an die Reichsregierung delegierte, sondern Hitler selbst, der sich das Recht herausnahm, das Recht zur Regierungsgesetzgebung auf unbestimmte Zeit zu verlängern 123 . Selbst wenn man bis zum 10. Mai 1943 ein „legales" juristisches Vorgehen hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz annehmen würde, ist festzustellen, dass dieser „legale" Weg an diesem Tage verlassen wurde. Spätestens seit dem 10. Mai 1943 sind alle von der Reichsregierung, beziehungsweise von Hitler selbst erlassenen Rechtsnormen infolge mangelnder Gesetzgebungskompetenz schon formell rechtswidrig. Die erste weitreichende Maßnahme gegen die Juden war das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 124 , mit dem Beamte, „die nichtarischer Abstammung" 125 waren und solche, „die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten" 126 in den Ruhestand versetzt beziehungsweise aus dem Dienst entlassen wurden. Die juristische Grundlage für die Entlassung der jüdischen Lehrkräfte an den badischen Universitäten bildete eine ursprünglich mündlich vorgebrachte Proklamation des Reichsstatthalters Robert Wagner in Karlsruhe vom 5. April 1933, „dass alle im badischen Staatsdienst und Staatsbetrieben tätigen Angehörigen der jüdischen Rasse (ohne Rücksicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit) bis auf weiteres im Dienst zu beurlauben sind". Bereits einen Tag später wurde mit einem entsprechenden Erlass den Universitäten die sofortige Beurlaubung von Juden verfügt 127 . Eine im Februar 1937 im Karlsruher Ministerium erstellte Liste 1 2 8 führt für die Universität Freiburg insgesamt 50 Lehrende (inklusive Assistenten) und zwei Hochschulbeamte auf, deren Entlassung bereits vollzogen worden war. Weitere fünf Fälle standen noch zu einer endgültigen Entscheidung an. In ganz Baden waren bis zum Januar 123 Verlängerung der Ermächtigung durch den Reichstag durch „Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich" vom 30. Januar 1937, RGBl. Teil I 1937, S. 105 sowie durch „Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich" vom 30. Januar 1939, RGBl. Teil I 1939, S. 95 sowie durch „Erlass des Führers über die Regierungsgesetzgebung" vom 10. Mai 1943, RGBl. Teil I 1943, 295. Vgl. hierzu auch: Morsey, Das „Ermächtigungsgesetz" vom 24. März 1933, insbesondere S. 126 ff. sowie: Schneider, Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. im RGBl. Teil 1 1933, S. 175 ff. 125

§ 3 Abs. 1 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933. 126 § 4 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933. 1 27 Martin, Entlassung der jüdischen Lehrkräfte an der Freiburger Universität, S. 12 m. w. N. 1 28 Martin, Entlassung der jüdischen Lehrkräfte an der Freiburger Universität, S. 14 f., der die Liste komplett im Anhang seines Beitrages veröffentlicht.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

1936 insgesamt 238 Beamte aus rassischen Gründen aus Lehrberufen entlassen worden 129 Das „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft" vom 7. April 1933 130 bestimmte in § 1, dass Rechtsanwälten nichtarischer Abstammung die Zulassung entzogen werden konnte. Die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen" vom 22. April 1933 131 verfügte in Art. 3 Abs. 1, dass nur arische Arzte als Kassenärzte zugelassen werden konnten. Das „Gesetz über das Schlachten von Tieren" vom 21. April 1933 132 verbot in § 1 Abs. 1 das Schächten. § 4 Abs. 1 des „Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" vom 25. April 1933 133 bestimmte, dass die Zahl der Reichsdeutschen, die „nichtarischer Abstammung sind, unter der Gesamtheit der Besucher jeder Schule und jeder Fakultät den Anteil der Nichtarier an der reichsdeutschen Bevölkerung nicht" übersteigen durfte. Seit 1935 mussten die israelitischen Gemeinden eigene jüdische Schulen errichten 134 . Am ersten Jahrestag der Ernennung Hitlers wurden durch das „Gesetz über den Neuaufbau des Reichs" vom 30. Januar 1934 135 die Volksvertretungen der Länder aufgehoben und die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt. Die Hoheitsrechte der Länder gingen auf das Reich über. Gemäß Art. 4 des „Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs" war die Reichsregierung sogar befugt, neues Verfassungsrecht zu setzen. Damit lag die Gesetzgebungskompetenz vollständig bei der Reichsregierung, die diese Kompetenz in den folgenden Jahren insbesondere gegen die Juden einzusetzen wusste. Wurden bislang „nichtarische" Beamte nicht in den Ruhestand versetzt und wurde bislang Anwälten und Ärzten „nichtarischer Abstammung" die Zulassung nicht entzogen, wenn sie selbst im Weltkrieg für das Deutsche Reich gekämpft hatten oder ihre Väter oder Söhne im Krieg gefallen waren 136 , so wurden auch diese „Ausnahmen" nach und nach eingeschränkt und schließlich ganz aufgehoben 137. 129 Hug, Geschichte Badens, S. 354. 130 RGBl. Teil 1 1933, S. 188 f. 131 RGBl. Teil 1 1933, S. 222 f. 132 RGBl. Teil 1 1933, S. 203. 133 RGBl. Teil 1 1933, S. 225. 134 Hug, Geschichte Badens, S. 354. 135 RGBl. Teil 1 1934, S. 75. 136 § 3 Abs. 2 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums; § 1 Abs. 2 Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft; Art. I I Abs. 1 Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen vom 22. April 1933. 137 Vgl. beispielhaft: § 4 Abs. 2 Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz, RGBl. Teil I 1935, S. 1333 f. (Beamte betreifend); § 15 Nr. 2 Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen vom 17. Mai 1934, RGBl. Teil I 1934, S. 399 ff. (401); § 3 und 4 Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Juli 1938, RGBl. Teil I 1938, S. 969 f. (Ärzte betreffend); Fünfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27. September 1938, RGBl. Teil I 1938, S. 1403 ff. (Rechtsanwälte betreffend); „Achte Verordnung zum

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Einen weiteren Höhepunkt erreichte die antisemitische Gesetzgebung mit den so genannten „Nürnberger Rassegesetzen". Im Einzelnen handelte es sich dabei um das „Reichsbürgergesetz" 138 und das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" 1 3 9 , beide vom 15. September 1935. Die Justiz war keineswegs zurückhaltend, was die Anwendung der sogenannten „Rassegesetze" und der zahlreichen vor allem auf dem „Reichsbürgergesetz" beruhenden Verordnungen anging. Bereits im März 1934 erlaubte das Oberlandesgericht Karlsruhe, zum ersten Mal in Deutschland, die Scheidung einer „arisch-jüdischen Mischehe" aus rassischen Gründen 140 . Auch die rechtswissenschaftliche Literatur begrüßte das Einbrechen „völkischen Gedankengutes" in die Gesetzgebung oder referierte es jedenfalls völlig unkritisch mit wohl wollendem Unterton 141 . Den unteren Verwaltungsbehörden (Bezirksämter oder Polizeidirektionen) oblag die lückenlose Überwachung der Juden. Es mussten sogenannte , Judenkarteien" angelegt werden, in denen unter anderem genau registriert wurde, wie viele „Nichtarier" sich in den Gemeinden aufhielten, wer von woher zuzog oder wohin jemand abwanderte, wie die Familienverhältnisse und die politische Einstellung der jeweiligen Personen aussahen, als was sie tätig waren, wie hoch die Geburtenund Sterbeziffer war und welche Betriebe „jüdisch" waren. Immer wieder wurden Juden von Gestapo oder Polizei in sogenannte „Schutzhaft" genommen. Diese war ohne richterliche Anordnung unbefristet möglich und diente unter dem Vorwand, Schutz vor dem „ Z o r n des Volkes" gewähren zu wollen, dazu, unliebsame Personen durch brutale Verhöre und andere Strapazen zu demütigen 142 . In Nordbaden wurReichsbürgergesetz" vom 17. Januar 1939, RGBl. Teil I 1939, S. 47 (Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker betreffend). 138 RGBl. Teil 1 1935, S. 1146. 139 RGBl. Teil 1 1935, S. 1146 f. 140 Hug , Geschichte Badens, S. 354. 141 Vgl. nur Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 168: „Die Staatsangehörigkeit wird in der Mehrzahl der Staaten entweder gemäß dem ius sanguinis (Blutsrecht) oder gemäß dem ius soli (Bodenrecht) geregelt; ( . . . ) Das Blutsrecht hätte, konsequent durchgefühlt, bewirken müssen, dass Volkszugehörigkeit und Staatsangehörigkeit gleichbedeutend geblieben wären. Tatsächlich aber haben sich beide immer stärker auseinander entwickelt. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass sich von altersher Einsprengungen fremder Volksteile im deutschen Raum befinden, darunter zahlreiche Juden, die im Verlauf der Judenemanzipation zu Beginn des 19. Jahrhunders volle staatsbürgerliche Rechte erhalten haben. ( . . . ) Zwar hatte man in früheren Zeiten versucht, (den) Unterschied (zwischen Zugehörigkeit zum Volk und der Zugehörigkeit zum Staat) zu verwischen; wer die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, sollte auch als Angehöriger des deutschen Volkes gelten. Die nationalsozialistische Bewegung hat diesen Unterschied jedoch wieder bewußt gemacht und die entgegengesetzte Forderung erhoben, dass die vollen staatsbürgerlichen Rechte nur dem Volksgenossen zuzuerkennen sind."; weiterhin S. 181 ff., 369,412 f., 451. 142 Die Ausschaltung jeglichen rechtstaatlichen Verfahrens erreichte mit der „Dreizehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom 1. Juli 1943, RGBl. Teil I 1943, S. 372 ihren Höhepunkt. § 1 der Verordnung bestimmte, dass „strafbare Handlungen von Juden durch die

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

den jüdische „Schutzhäftlinge" meist in das Konzentrationslager Kislau eingeliefert. Dort starben eine Reihe von ihnen, unter ihnen auch der ehemalige badische Justizminister Dr. Marum 143 . Das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30. April 1939 144 entzog den Juden den Mieterschutz und eröffnete damit die Möglichkeit Juden „umzuquartieren" und in jüdischen Häusern „zusammenzulegen". Als am 7. November 1938 der Gesandtschaftsrat vom Rath in der deutschen Botschaft in Paris durch den polnischen Juden Herschel Grynszpan ermordet wurde, gab dieser Vorfall den Nationalsozialisten den Vorwand, „spontane" Kundgebungen gegen Juden anzuordnen. In der „Reichspogromnacht" vom 9. November 1938 wurden in Baden sechs Synagogen gesprengt, dreiundzwanzig verbrannt, einundsechzig so stark beschädigt, dass über die Hälfte von ihnen abgerissen werden mussten. Jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden demoliert und unzählige Juden misshandelt und zu entehrenden Handlungen gezwungen145. Durch das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen" vom 28. März 1938 146 , das am 1. Januar 1938 rückwirkend in Kraft getreten war, hatten die jüdischen Kultusvereinigungen mit Ablauf des 31. März 1938 die Stellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts verloren. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes erlangten die jüdischen Kultusvereinigungen die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister 147. Durch die „Zehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vom 4. Juli 1939 148 wurden die noch in Deutschland lebenden Juden in einer „Reichsvereinigung" zusammengeschlossen (§ 1 Abs. 1 der Verordnung). Der „ReichsVereinigung", die gemäß § 1 Abs. 2 der Zehnten Verordnung in der Rechtsform eines rechtsfähigen Vereins bestand, wurden die noch in Baden bestehenden jüdischen Gemeinden angegliedert 149. Damit ging die im Jahr 1809 durch das IX. Konstitutionsedikt von Großherzog Carl Friedrich zu Baden errichtete Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nunmehr auch als privatrechtlicher Verein unter.

Polizei geahndet" werden. § 2 derselben Verordnung verfügte, dass „nach dem Tode eines Juden ( . . . ) sein Vermögen dem Reich" verfällt. 143 Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 22 f. 144 RGBl. Teil 1 1939, S. 864 f. 145 Hug, Geschichte Badens, S. 355; Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 26. 146 RGBl. Teil 1 1938, S. 338. 1 47 So auch das Badische Ministerium des Kultus und Unterricht in einem Schreiben Nr. A 17 91 an die Badische Landesregierung in Freiburg i. Br. vom 21. Mai 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 148 RGBl. Teil 1 1939, S. 1097 ff. 149 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 68.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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6. Die Verfolgung und Ermordung badischer Juden während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) Den letzten Höhepunkt der Judenverfolgung in Baden stellte die sorgfältig geplante und durchgeführte „Abschiebeaktion" vom 22. Oktober 1940 dar, in der rund 6500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in den damals noch unbesetzten Teil Frankreichs (Vichy-Frankreich) deportiert wurden 150 . Die circa 5600 betroffenen badischen Juden erfuhren erst unmittelbar vor der Festnahme von ihrer Ausweisung. Ihnen war nur eine kurze Frist eingeräumt worden, um das Nötigste zusammenzupacken. Die Verhaftungen durch Gestapo und Gendarmeriebeamte verliefen nach amtlichen Berichten „reibungslos" und „wurden von der Bevölkerung kaum wahrgenommen". Die Gauleiter von Baden und der Saarpfalz, Robert Wagner und Josef Bürckel, erreichten so das Ziel, ihren Bereich als ersten in Deutschland „judenfrei" melden zu können 151 . Als die Transporte an der Grenze zu Vichy-Frankreich den völlig unvorbereiteten französischen Behörden überlassen wurden, leiteten diese die Menschen schließlich in das Lager Gurs weiter, das in den Vorpyrenäen ursprünglich zur Unterbringung von Flüchtlingen des Spanischen Bürgerkrieges errichtet worden war, von denen sich noch circa 700 im Lager befanden, als der Deportationszug dort eintraf. Das hohe Durchschnittsalter der dorthin verschleppten badischen Juden und die völlig unzureichende hygienische Situation sowie die gänzlich ungenügende Versorgung mit Lebensmitteln, ließen die Situation im Lager schnell zu einer humanitären Katastrophe werden. Bis März 1941, also innerhalb von nur vier Monaten, starben 1050 Menschen im Lager von Gurs. Erst nachdem sich verschiedene Hilfsorganisationen in Gurs engagiert hatten, besserte sich die Lage langsam 152 . Bereits 1941/42 lieferte die Regierung Pétain internierte Juden an Deutschland aus, wo nunmehr nach der sogenannten Wannseekonferenz die „Endlösung der Judenfrage" betrieben wurde. Nach der Besetzung Südfrankreichs durch deutsche Truppen im August 1942 führte die Gestapo weitere Deportationen nach Auschwitz oder Maidanek durch 153 . Nachgewiesen ist das Schicksal von 4464 badischen Juden, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs verschleppt wurden. Von ihnen starben 1168 in Frankreich vor der Befreiung durch alliierte Truppen im August/September 1944. 491 jüdischen Bürgern gelang es, von Frankreich aus auszuwandern beziehungsweise ihr Leben durch die Flucht in die Schweiz, nach Spanien oder in andere Länder zu retten. 777 überlebten in Frankreich durch die Hilfe von Bürgern und der Résistance. 150 Hug, Geschichte Badens, S. 356. 151

Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 37. 152 Hundsnurscher/Taddey, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, S. 27; Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 38 f. 153 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 66.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

2028 badische Juden wurden von Frankreich aus nach Auschwitz und Lublin-Maidanek verschleppt. Von ihnen starben 2015, nur 13 von ihnen überlebten die Todeslager. Nach der „Aktion Gurs" lebten noch etwa 820 Juden in Baden. Sie hielten sich zum Zeitpunkt der Deportation entweder außerhalb Badens auf, arbeiten in wichtigen Rüstungsbetrieben oder es handelte sich um Transportunfähige oder um Partner aus von den Nationalsozialisten so bezeichneten „Mischehen". Die Mehrzahl der verbliebenen Juden wurde in den Jahren 1942 bis 1944 zusammen mit Juden aus Württemberg oder Hessen direkt nach Ausschwitz, Maidanek oder andere Lager im Osten verschleppt und kam dort um 1 5 4 . Die nach der „Aktion Gurs" noch in den größeren Städten bestehenden Restgemeinden wurden von der „Bezirksstelle Baden-Pfalz in Liquidation der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" geleitet. Gemäß § 2 der Zehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 4. Juli 1939 155 hatte die „Reichsvereinigung" und damit auch die „Bezirksstelle BadenPfalz" den Zweck, die Auswanderung der Juden zu fördern. Perfiderweise wurden ihre Mitarbeiter seit 1941 an der Durchführung der Deportationen beteiligt. Sie hatten, um Vertrauen zu schaffen, die Opfer zu benachrichtigen und darüber zu wachen, dass die willkürlichen antisemitischen Bestimmungen, insbesondere die Vorschriften über die Vermögenssicherstellung, eingehalten wurden 156 . Im Jahr der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler lebten in Baden 20.617 Juden. Das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erlebten in Baden nur noch circa 300 Juden. Etwa 62% der 1933 in Baden ansässigen Juden konnten das Land verlassen, ungefähr ein Viertel der badischen Juden starb eines gewaltsamen Todes durch deutsche Verfolgungsmaßnahmen 157.

7. Die Nachkriegszeit von 1945-1953 a) Französische Besatzungszone in Südbaden Im französisch besetzten Gebiet von Baden 158 lebten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nur noch 87 jüdische Bürger, darunter 33 männliche Juden 159 . Nur noch ein kleiner Teil dieser Juden waren ehemalige Badener. Die Mehrzahl war 154

Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 40. 155 RGBl. Teil 1 1939, 1097 ff. 156 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 68. 157 Pflugfelder, Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden in Baden während des „Dritten Reichs", S. 42. 158 Zur allgemeinen Situation in Südbaden unter französischer Besatzung vgl.: Hug, Geschichte Badens, S. 367 ff. 159 Schreiben des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts Nr. A 17 91 an die Badische Landesregierung in Freiburg i. Br. vom 21. Mai 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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aus den Konzentrationslagern befreit worden und versuchte in den Städten Fuß zu fassen 160. Wie sehr die übrige deutsche Bevölkerung die jüdischen Mitbürger aus dem Bewusstsein verdrängt hatte, zeigt der bezeichnende und in jeder Hinsicht unschöne Fauxpas, den der Abgeordnete Vielhauer zu Beginn der zweiten Sitzung der beratenden Landes Versammlung am 3. Dezember 1946 im Freiburger Kaufhaussaal eingestehen musste: Er habe bei der Eröffnungssitzung am 22. November 1946 versehentlich vergessen, den Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde zu begrüßen. Er würde dies dem Oberrat der Israeliten schreiben und die Angelegenheit somit persönlich erledigen 161 . Vor dem Hintergrund nur sehr weniger in der französischen Besatzungszone lebender Juden erschien dem Badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts eine Wiedererrichtung der Israelitischen Religionsgemeinschaft undurchführbar 162. Der rechtliche Status des vom Abgeordneten Vielhauer angesprochenen Oberrates sowie derjenige, der sich bald wieder zusammenfindenden Freiburger Gemeinde, war in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch des sogenannten „Dritten Reiches" weithin unklar 163 . Das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen" vom 28. März 1938 164 , das die Auflösung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens zur Folge hatte, wurde, anders als etwa das „Reichsbürgergesetz" 165, das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der Deutschen Ehre" 1 6 6 oder die „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden" 167 , nicht ausdrücklich durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 168 aufgehoben. Dennoch handelte es sich um ein nationalsozialistisches Ausnahmegesetz, dessen weitere Anwendung auf Grund des Artikels II des Kontrollratsgesetzes Nr. 1 verboten war. Als nun schon sehr bald nach dem Ende des Nationalsozialistischen Regimes die maßgeblichen Vertreter der überlebenden Israeliten anregten, die in Baden wohnhafte oder sich dauernd aufhaltende jüdische Bevölkerung organisatorisch in einer einzigen Religionsgemeinde unter dem Namen „Israelitische Landesgemeinde für Baden in Freiburg" zusammenzufassen, wurde dieser Wunsch vom Badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts aufgegriffen 169. Es vertrat die 160 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, Begleitbuch, S. 67. 161

Amtsblatt der Landesverwaltung Baden 1946, S. 144. 162 Schreiben des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts Nr. A 17 91 an die Badische Landesregierung in Freiburg i. Br. vom 21. Mai 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 163 Vgl. hierzu auch: Mannicken, Einige Probleme der Gesetzgebung über die jüdischen Kultusgemeinden in den Bundesländern, in: DVB1. 1966, S. 15 ff. m. w. N., der die badische Situation allerdings unberücksichtigt lässt. 164 RGBl. Teil 1 1938 S. 338. 165 RGBl. Teil 1 1935 S. 1146. 166 RGBl. Teil 1 1935 S. 1146 f. 167 RGBl. Teil 1 1938 S. 414. 168 Sammlung der vom Alliierten Kontrollrat erlassenen Gesetze, Κ Gesetz Nr. 1.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

Rechtsauffassung, dass zur Errichtung der Israelitischen Landesgemeinde auf Grund des Artikel 1 des Ortskirchensteuergesetzes vom 30. Juni 1922 170 eine Staatsgenehmigung erforderlich sei, deren Erteilung nach § 2 Ziff. 1 der Verordnung über den Vollzug des Ortskirchensteuergesetzes vom 17. Mai 1923 171 der Landesregierung vorbehalten sei. Deshalb stellte das Ministerium des Kultus und Unterrichts am 21. Mai 1948, gezeichnet durch den Staatssekretär für Erziehung und Kultus Leo Wohleb, den Antrag, „die Landesregierung wolle beschließen, auf Grund des Artikel 1 des Ortskirchensteuergesetzes zur Errichtung der „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg" die Staatsgenehmigung zu erteilen." 172

Gegen diese Rechtsauffassung machte die Badische Staatskanzlei Bedenken geltend, da keineswegs feststehe, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft noch als Körperschaft des öffentlichen Rechts bestehe173. Dies sei jedoch die Voraussetzung für die Genehmigung der „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg". In Artikel 1 Ortskirchensteuergesetz vom 30. Juni 1922 werde nämlich als Grundvoraussetzung für eine Genehmigung eines Ortsverbandes einer Religionsgesellschaft genannt, dass die betreffende Religionsgesellschaft selbst Körperschaft des öffentlichen Rechts sei. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens sei durch Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28. März 1938 als Körperschaft öffentlichen Rechts untergegangen. Zwar sei dieses Gesetz als nationalsozialistisches außer Kraft getreten, die überwiegende Rechtsmeinung gehe aber dahin, so die Aktennotiz der Badischen Staatskanzlei, dass Rechtswirkungen, die durch die nationalsozialistische Gesetzgebung entstanden seien, nicht mit der Wirkung außer Kraft treten würden, dass der frühere Rechtszustand kraft Gesetzes ohne weiteres wieder eintrete. Das Recht der Landesregierung, Religionsgemeinschaften Körperschaftsrecht zu verleihen, ergebe sich 169 Entsprechendes ist dem Schreiben des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts Nr. A 17 91 an die Badische Landesregierung in Freiburg i. Br. vom 21. Mai 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469 zu entnehmen. Der Vertrag über die Vereinigung der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden und der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden vom 1. April 1953 deutet dagegen an, dass die Gründung einer besonderen Landesorganisation für Südbaden auf Anordnung der französischen Militärregierung erfolgt sei. Einen solchen Hinweis enthalten die im Staatsarchiv Freiburg vorhandenen Akten jedoch nicht. Dort ist immer nur von „maßgeblichen Vertretern der Israeliten" die Rede. Aus den Akten ergibt sich vielmehr der Eindruck, die südbadischen Juden hätten von sich aus die Gründung der „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg" angestrebt und vorangetrieben. 170 Badisches Gesetzes- und Verordnungsblatt, Jahrgang 1922, S. 501. 171 Badisches Gesetzes- und Verordnungsblatt, Jahrgang 1923, S. 108. 172 Schreiben des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts Nr. A 17 91 an die Badische Landesregierung in Freiburg i. Br. vom 21. Mai 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/ 1 Lfd. Nr. 469. 173 Aktennotiz der Badischen Staatskanzlei vom 13. Juli 1948 Nr. 4434, S. 1; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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zum einen aus Art. 34 Abs. 2 der Badischen Verfassung, zum anderen schon aus den Konstitutionsedikten. Damit die Rechtsgültigkeit der von der Landesregierung zu erteilenden staatlichen Genehmigung für die „Israelitische Landesgemeinde für Baden in Freiburg" nicht in Frage gestellt werde, empfehle es sich daher, in der Entschließung des Staatsministeriums auch die Frage der Körperschaftsrechte der Israelitischen Religionsgemeinschaft einwandfrei klarzustellen. Weil die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens bei verschiedenen Anlässen die Auffassung geäußert habe, dass sie nach wie vor im Besitze der Körperschaftsrechte sei, formulierte die Badische Staatskanzlei einen neuen Antrag: „Die Landesregierung wolle beschließen, dass unter Anerkennung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Grund des Artikels 1 des Ortskirchensteuergesetzes i. V. mit § 2 Ziff. 1 der Vollzugs Verordnung des Ortskirchensteuergesetzes der „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg" die Staatsgenehmigung erteilt wird." 1 7 4

Die Anerkennung des früheren Rechtszustandes, nämlich des Besitzes der Körperschaftsrechte, sei, so die Badische Staatskanzlei, rechtlich in jeder Beziehung unbedenklich, weil in einer Anerkennung zweifelsohne auch eine Neuverleihung für den Fall liege, dass diese Rechte nicht mehr vorliegen sollten. Im Sommer 1948 bat die Badische Staatskanzlei auch die Ministerien der Justiz, des Innern und der Finanzen um Stellungnahmen in dieser Frage 175 . Das Ministerium des Kultus und Unterrichts erklärte sich Anfang September 1948 mit dem neuformulierten Vorschlag der Badischen Staatskanzlei im Wesentlichen einverstanden 176. Das Ministerium des Innern trat der Rechtsauffassung der Badischen Staatskanzlei bei, schlug aber vor, deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass die Körperschaftsrechte neu verliehen würden 177 . Das Finanzministerium hatte inhaltlich ebenfalls keine Bedenken und machte lediglich redaktionelle Änderungsvorschläge 178. Nachdem das Justizministerium nochmals erinnert werden musste 179 , legte es Anfang Oktober 1948 ein umfangreiches Rechtsgutachten vor, in dem es zu bedenken gab, dass mit dem von der Badischen Staatskanzlei vorgeschlagenen Antrag gerade nicht dem Wunsch der maßgeblichen Vertreter 174 Aktennotiz der Badischen Staatskanzlei vom 13. Juli 1948 Nr. 4434, S. 2; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 175 Badische Staatskanzlei, Anschreiben vom 19. August 1948, Nr. 7409; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 176 Badisches Ministerium des Kultus und Unterrichts; Schreiben vom 3. September 1948; Nr. A 5436 an die Badische Staatskanzlei; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 177 Badisches Ministerium des Innern; Schreiben vom 2. September 1948; Nr. 12 703 an die Badische Staatskanzlei; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 178 Badisches Ministerium der Finanzen; Schreiben vom 15. September 1948; Nr. 129452 / 4 / 6 an die Badische Staatskanzlei; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 179 Badische Staatskanzlei, Aktennotiz Nr. 8776; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

der Israeliten nach organisatorischer Zusammenführung in einer einzigen 180 Religionsgemeinschaft berücksichtigt werde 181 . Denn in der Entschließung würde zunächst die „Israelitische Religionsgemeinschaft Badens" als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt und daneben 182 die Genehmigung zur Errichtung der „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg" erteilt. Nach dem Wortlaut der Entschließung bestünden also, so das Justizministerium, zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts, während nach der von den Vertretern der Israeliten gegebenen Anregung die in Baden sesshafte jüdische Bevölkerung in einer einzigen Religionsgemeinschaft zusammengefasst werden sollte. Das Justizministerium lehnte daher eine Erteilung einer auf Art. 1 des Ortskirchensteuergesetzes gestützten Genehmigung zur Errichtung der „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg" ab. Zunächst sei wieder eine mit Körperschaftsrechten ausgestattete Religionsgemeinschaft ins Leben zu rufen, der sich dann gegebenenfalls örtliche Verbände im Sinne von Art. 1 des Ortskirchensteuergesetzes anschließen könnten. Was die „Israelitische Landesgemeinde für Baden in Freiburg" angehe, so sei davon auszugehen, dass sie diese mit Körperschaftsrechten ausgestattete Religionsgemeinschaft bilden würde, und dass sie als einzige Religionsgemeinschaft der jüdischen Bevölkerung zugleich Rechtsnachfolgerin aller früher in Baden vorhandenen jüdischen Religionsgemeinschaften, also auch der Ortsverbände, sein solle. Das Justizministerium formulierte den Entschließungsantrag: „Der Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg i. Br. werden gemäß Art. 34 Abs. 2 der badischen Verfassung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen." 183

Die Badische Staatskanzlei trat dem Gutachten des Justizministeriums „vollinhaltlich" bei. Ausgehend von dem Problem, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft nach dem Ende der „Feindseligkeiten" jedoch von einem Fortbestand des Körperschaftsstatus ausgegangen sei und zwischenzeitlich Rechtshandlungen vorgenommen hätte, schlug die Staatskanzlei vor, die Körperschaftsrechte zwar neu, aber rückwirkend zu verleihen 184 . Das Ministerium des Kultus und Unterrichts schloss sich ebenfalls der Rechtsauffassung und dem Antragsentwurf des Justizministeriums an. Der Vorschlag der Staatskanzlei, die Körperschaftsrechte rückwirkend zu verleihen, wurde vom Ministerium des Innern 185 unterstützt, vom Kultusministerium jedoch verworfen, da 180

Hervorhebung durch den Verfasser. Badisches Ministerium der Justiz; Schreiben vom 6. Oktober 1948, S. 1; Nr. 606 an die Badische Staatskanzlei; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/ 1 Lfd. Nr. 469. 182 Hervorhebung durch den Verfasser. 183 Badisches Ministerium der Justiz; Schreiben vom 6. Oktober 1948, S. 2; Nr. 606 an die Badische Staatskanzlei; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/ 1 Lfd. Nr. 469. 184 Badische Staatskanzlei; Schreiben vom 25. Oktober 1948 an das Badische Ministerium des Kultus und Unterrichts; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 181

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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die zu schaffende „Israelitische Landesgemeinde für Baden in Freiburg" ausdrücklich als Nachfolge-Organisation für die frühere Israelitische Religionsgemeinschaft Badens (Landes-Synagoge) anerkannt w e r d e 1 8 6 . Auch das Justizministerium lehnte eine rückwirkende Verleihung der Körperschaftsrechte ab, da entsprechende Rechte erst mit der Verleihung entstünden. Erst i m Zeitpunkt der Verleihung werde die Körperschaft zur juristischen Person, daran könnte auch eine rückwirkende Verleihung nichts ändern 1 8 7 . Letztendlich setzte sich der Antragsentwurf des Justizministerium durch. A m 16. Dezember 1948 fasste die Badische Landesregierung folgenden Beschluss: „Der Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg i. Br. werden gemäß Art. 34 Abs. 2 der Badischen Verfassung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen." 188 Vor dem Hintergrund des umfangreichen Schriftwechsels zwischen der Badischen Staatskanzlei und den Ministerien ist für den französisch besetzten Teil Badens eindeutig, dass es sich bei dieser Verleihung von Körperschaftsrechten um eine „Neuverleihung" ohne Rückwirkung handelte 1 8 9 .

b) Amerikanische Besatzungszone in Nordbaden I m amerikanisch besetzten Gebiet Badens 1 9 0 fanden sich zuerst in Karlsruhe Israeliten zu einer Gemeinde zusammen. Dem Protokoll der Versammlung, die be185

Schreiben des Badischen Ministeriums des Innern Nr. 16940 an die Badische Staatskanzlei vom 15. November 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 186 Schreiben des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts Nr. A 8299 an die Badische Landesregierung in Freiburg i. Br. vom 14. Dezember 1948; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 187 Badisches Ministerium der Justiz; Schreiben vom 18. November 1948; Nr. 606 an die Badische Staatskanzlei; Staatsarchiv Freiburg Bestand C 10/1 Lfd. Nr. 469. 188 Badisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 6/1949 S. 51; Bekanntmachung über den Neuaufbau der Israelitischen Religionsgemeinschaft vom 19. Januar 1949. 189 Zu einer anderen Wertung der behördenintemen Diskussion kommt das Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg in einem Schreiben vom 19. Januar 1993 AZ I I / 4-7162.11/20 (vgl. die auszugsweise Wiedergabe des Schreibens im Anhang dieser Arbeit). Darin wird die Ansicht vertreten, die Frage, ob die Israelitische Religionsgemeinschaft den verlorenen Körperschaftsstatus durch das Gesetz Nr. 1 der Militärregierung Deutschlands automatisch wiedererlangt beziehungsweise nie verloren habe oder eine Neuverleihung erforderlich gewesen sei, sei seinerzeit offen gelassen worden. Dabei wird übersehen, dass sich, wie oben dargestellt, letztlich der Antrag des Justizministeriums durchsetzte. Das Justizministerium hatte in Anlehnung an die Badische Staatskanzlei immer deutlich die Ansicht vertreten, dass das Gesetz Nr. 1 der Militärregierung lediglich die weitere Anwendung des „Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen" vom 28. März 1938 verbiete, nicht jedoch den früheren Rechtszustand wiederherstelle. 190 Zur allgemeinen Situation im amerikanisch besetzten Nordbaden vgl.: Hug, Geschichte Badens, S. 378 ff.

5 Nolte

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

reits am 7. Dezember 1945 im Nebenraum der „Gaststätte zum Weißen Berg" stattfand 191 , ist zu entnehmen, dass es sich bei dem Zusammenkommen ausdrücklich um eine „Gründungsversammlung" gehandelt hat. Wörtlich heißt es in dem Dokument: „Die Gründung der Jüdischen Kultusgemeinde wurde nach einer kurzen Begründung des Vorsitzenden Herrn Ransenberg einstimmig beschlossen."

Weiterhin wurden die Herren gewählt, die den Antrag auf Gründung der Jüdischen Kultusgemeinde bei der Militärregierung zu stellen hätten. Daraus lässt sich zweifelsfrei schließen, dass die versammelten Israeliten ausdrücklich eine „Neugründung" anstrebten. Sie stellten nicht etwa den Antrag, das „Wiederaufleben der Körperschaftsrechte" lediglich festzustellen. Leider sind für das amerikanisch besetzte Gebiet Badens keine Akten überliefert, die darüber Auskunft geben könnten, ob es auch im nördlichen Teil Badens eine verwaltungsinterne Diskussion über den Rechtsstatus der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden oder der Jüdischen Gemeinden gegeben hat 1 9 2 . 8. Der Vereinigungsvertrag von 1953 Im Jahre 1953 vereinigten sich in der Folge der Bildung des Südweststaates die Israelitische Landesgemeinde Südbaden und die Israelitische Religionsgemeinschaft in Nordbaden durch Vertrag zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 193 . Vorsitzender des vereinigten Oberrates der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens wurde Otto Nachmann, der zuvor Vorsitzender des Oberrates der Israeliten Nordbadens war. Der interne Sprachgebrauch der neuen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens war hinsichtlich der Vereinigungssubjekte uneinheitlich. Der Oberrat der Israeliten Badens übersandte dem Württembergisch-Badischen Kultusministerium in Stuttgart am 13. März 1953 den Vereinigungsvertrag und teilte im Anschreiben mit, dass die Oberräte von Süd- und Nordbaden „fusioniert" hätten und sich die bisher getrennten Religionsgemeinschaften zum Oberrat der Israeliten Badens zusammengeschlossen hätten 194 . Aus dem beigefügten Vertrag geht jedoch hervor, 191 Das Protokoll ist dokumentiert in: Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, Begleitbuch, S. 68. 192 Weder im Generallandesarchiv Karlsruhe noch im Hauptstaatsarchiv Stuttgart sind Akten überliefert. Auch das Ministerium für Kultus und Sport verfügt über keine Unterlagen mehr, die Auskunft darüber geben könnten, auf welche Rechtsgrundlage die Rechtspersönlichkeit und der Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaft in Nordbaden zurückgeführt wurde. So das Ministerium für Kultus und Sport in einem Schreiben vom 19. Januar 1993, Aktenzeichen: II / 4 - 7162.11 /20 (vgl. die auszugsweise Wiedergabe des Schreibens im Anhang dieser Arbeit). 193

Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, S. 67. Das Anschreiben wurde von der Kultusverwaltung am 16. März 1953 unter dem Aktenzeichen D 131.5 Ba; R 256 abgelegt. 194

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

67

dass sich die Israelitische Landesgemeinde Südbaden mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vereinigt hatten 195 . § 1 des Vertrages vom 12. März 1953 lautet: „Die Israelitische Landesgemeinde Südbaden vereinigt sich mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden zu der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, deren Bezirk das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums Baden bzw. der jetzigen Regierungspräsidien Nordbaden und Südbaden bildet."

Dieser interne ungenaue Sprachgebrauch führte wohl auch dazu, dass die Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vom 7. Januar 1958 in einer gedruckt herausgegebenen Fassung missverständlich als „Satzung des Oberrates der Israeliten Badens" überschrieben wurde 196 . Wahrscheinlich war es auch Folge dieser Sprachverwirrung, dass beim Grundbuchamt Freiburg der Oberrat der Israeliten als Immobilieneigentümer eingetragen werden konnte 197 , obwohl dieser gemäß Art. 8 Abs. 1 der Satzung von 1958 nur Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist und damit keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt 198 . Aufgrund der etwas ungenauen Terminologie des neuen Oberrates fiel wohl auch die Bestätigung der Vereinigung durch das Kultusministeriums vom 20. Juli 1953 rechtlich unscharf aus. Obwohl sich aus dem beigelegten Vereinigungsvertrag unmissverständlich ergab, dass nicht die Oberräte „fusioniert" hatten, sondern sich die beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften von Nord- und Südbanden zu einer Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vereinigt hatten 199 , bestätigte das Kultusministerium, „ . . . , dass der Zusammenschluss der beiden Oberräte von Nord- und Südbaden zum Oberrat der Israeliten Badens nach Art. 137 Abs. 5 WV. (Art. 140 BGG) die Rechtsfolge hat, dass der damit geschaffene Gesamtverband der Israeliten Badens eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist." 2 0 0

Die sich stellende Frage nach Herkunft des Körperschaftsstatus der heutigen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens wird im Zusammenhang mit der 195 Der Vertrag ist im vollen Wortlaut im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. Ausschnitte des Vertrages sind dokumentiert in: Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, Begleitbuch, S. 67. 196 Richtig überschrieben wurde die Satzung bei der Veröffentlichung im Mitteilungsblatt des Oberrates Jahrgang 13, Nr. 5, Mai 1961, S. 11 f. 197 Grundbuch von Freiburg i. Br. Blatt 4154. Mittlerweile wurde die Berichtigung des Grundbuches beantragt. 198 So auch das Kultusministerium in einem Schreiben vom 2. August 1995; AZ I I / 4 7162.1-00/71. 199 Vgl. § 1 des Vereinigungsvertrages vom 12. 03. 1953 (siehe Anhang). 200 Bestätigung des Kultusministeriums vom 20. Juli 1953; AZ R 756; im vollen Wortlaut ist die Bestätigung im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. 5*

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

Rechtsform der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens im dritten Kapitel ausführlich erörtert 201 .

9. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nach 1953 bis zur neuen Satzung von 1999 In § 2 Abs. 3 des Vertrages zwischen der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden und der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden vom 12. März 1953 2 0 2 heißt es: „Die bisherige Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft für Nordbaden gilt vom Zusammenschluss an für die neugeschaffene Israelitische Religionsgemeinschaft Badens. Soweit durch den Zusammenschluß Änderungen notwendig werden, sind diese von den Organen gemäß der Satzung zu beschließen."

Damit steht fest, dass die vom Kultusministerium im Mai 1964 geäußerte Ansicht, die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens sei auf Grund des Landesherrlichen Edikts vom 13. Januar 1809 i.V.m. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 V S. 1 WRV Körperschaft des öffentlichen Rechts 203 , nicht einmal dem eigenen Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens entspricht. Ganz ausdrücklich wurde im Vertrag der Wille bekundet, eine neue Israelitische Religionsgemeinschaft Badens zu schaffen. Diesem Selbstverständnis folgend, hatte das Kultusministerium mit seiner oben bereits angesprochenen Bestätigung vom 20. Juli 1953 die zutreffende Ansicht vertreten, dass es sich bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens um eine neue Religionsgemeinschaft unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtspersönlichkeit handele. Folgerichtig wurde die neue Israelitische Religionsgemeinschaft Badens von 1953 nicht als Körperschaftsverband im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV angesehen204. Gemäß § 2 Abs. 3 des Vertrages wurde die Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft für Nordbaden in den nächsten Jahren zur Satzung für die neugeschaffene Israelitische Religionsgemeinschaft Badens. Knapp fünf Jahre später gab sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens eine neue Satzung. Die am 7. Januar 1958 in Kraft getretene Satzung 205 bestätigt in Art. 2 a) das bereits im Vertrag vom 12. März 1953 ausgedrückte Selbstverständnis, eine neue Religionsgemeinschaft zu sein: 201 Vgl. unten: Drittes Kapitel, Α., I. 202 Der gesamte Wortlaut des Vertrages ist im Anhang wiedergegeben. 203 Schreiben des Kultusministeriums von Baden-Württemberg an das AG Heidelberg, Zeichen Ki 7011/1 vom 14. Mai 1964. Generallandesarchiv Karlsruhe 466 Zugang 199544/12 Jahr 1950-1969 Heft 1. 204 Ministerium für Kultus und Sport in einem Schreiben vom 19. Januar 1993, Aktenzeichen: I I / 4 — 7162.11 / 20 (vgl. die auszugsweise Wiedergabe des Schreibens im Anhang). 205 Der volle Wortlaut der Satzung von 1958 ist im Anhang wiedergegeben.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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„Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens ist die Rechtsnachfolgerin a) der früheren 206 Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens; ( . . . )".

Die praktische Bedeutung der Satzung von 1958, die nur das Allernötigste an rechtlichen Grundlagen regelte, blieb lange gering. Die Persönlichkeit des langjährigen Vorsitzenden des Oberrates Werner Nachmann, der die Amtsgeschäfte nach dem Tode seines Vaters Otto Nachmann im Jahre 1961 übernommen hatte 207 , erübrigte eine Auseinandersetzung mit der geltenden Satzung. Erst nach dem Tode von Werner Nachmann im Jahre 1988 gewann die Satzung an Bedeutung. Aufgrund ihrer wenig konkreten Regelungsinhalte musste sie jedoch in einigen Streitfragen ihren Beitrag zum innergemeindlichen Rechtsfrieden schuldig bleiben. Infolgedessen wurden langfristige Überlegungen für eine neue und konkreter gefasste Satzung angestellt. Die neue Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens wurde vom Oberrat am 6. Juni 1999 beschlossen und durch das baden-württembergische Kultusministerium am 26. August 1999 genehmigt 2 0 8 .

II. Historische und rechtliche Entwicklung der israelitischen Religionsgemeinschaften 209 im Kanton Basel-Stadt 1. Anfange jüdischen Lebens in Basel: Die erste jüdische Gemeinde Wann sich in Basel erstmals Juden niedergelassen haben, lässt sich nicht mit letzter historisch belegbarer Sicherheit feststellen. Zwar existiert ein ins neunte Jahrhundert zurückreichendes Capitular des Bischofs Hatto, das die Feier des ganzen Sonntags, vom Morgen bis zum Abend, gebietet, „ne judaismo capiantur", („damit man nicht in das Judentum verfalle"). Diese Urkunde lässt aber noch keinen gesicherten Rückschluss zu, dass in Basel im neunten Jahrhundert tatsächlich Juden ansässig waren 210 . Ganz ähnlich wie in Baden fällt die erste urkundliche Erwähnung eines Basler Judens ins dreizehnte Jahrhundert. Bischof Lütold verfügte 1213, die Kirche solle sechs Mark aufwenden, um bei dem Juden „Villicus" einen

206 Hervorhebung durch den Verfasser. 207 Oberrat der Israeliten Badens, Juden in Baden, Begleitbuch, S. 67. 208 Der gesamte Wortlaut der Satzung von 1999 ist im Anhang wiedergegeben. Eine ausführliche Darstellung der neuen Satzung sowie der Neuerungen gegenüber der Satzung von 1958 findet sich unter: Viertes Kapitel, Α., I. 209 Ein Überblick über die historische und rechtliche Entwicklung der israelitischen Religionsgemeinschaften in der Schweiz findet sich in: Wyler, Die staatsrechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in der Schweiz, S. 5 ff. 210 Ginsburger, Die Juden in Basel, in: Basier Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Vin. Band, 2. Heft, S. 315 f.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

verpfändeten Bischofsring und ein seidenes Messgewand auszulösen211. Sicher ist, dass zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde bestanden hat, da zwei Grabsteine von Jüdinnen aus dieser Zeit gefunden wurden 212 . Ebenfalls ist durch eine Urkunde Bischof Heinrichs II. von Basel belegt, dass sich die Basler Juden bereits maßgeblich an der Finanzierung der ersten festen Brücke über den Rhein beteiligt hatten. Heinrich II. verpfändete, um den erhobenen Zins bezahlen zu können, den Juden den Kirchenschatz 213 und überließ im Jahr 1223 den Domherren mit der Bedingung den Durchgangszoll der Stadt, dass sie den Juden den ausstehenden Zins zu bezahlen hätten 214 . Die Mitglieder dieser ersten jüdischen Gemeinde in Basel, die auch die älteste auf dem Gebiet der heutigen Schweiz ist 2 1 5 , kamen vom Oberrhein (Rheinfelden, Neuenburg, Laufenburg und Schaffhausen), aus dem Eisass (Rufach, Ensisheim und Straßburg), aus Zürich und Biel, aus der Maingegend, aus Köln und Frankreich und nicht zuletzt aus dem Herzogtum Baden (Staufen) 216. Anfangs standen die Juden unter dem Schutz des Königs. 1242 wurde eine Reichssteuer in Höhe von vierzig Mark festgesetzt. Im Jahre 1278 verpfändete Rudolph von Habsburg die Juden der Straßburger und Basler Diözesen dem Bischof Heinrich von Basel, bis dieser 3000 Mark Silber von ihnen erhoben hätte. Auch als sich 1324 Karl IV. von Frankreich um die deutsche Königskrone bewarb, ging er noch davon aus, über die Basler Juden verfügen zu können. Dabei hatten sich die Juden bereits 1290 dem Rat verpflichtet, einen jährlichen Arealzins von fünfunddreißig Schilling zu zahlen, wobei diese Summe gemäß der Häuserzahl angepasst werden sollte 217 . Aus einer Kaufurkunde aus dem Jahr 1311 geht hervor, dass jüdisches Recht auch in einem Prozess zwischen Juden und Christen zur Anwendung gebracht werden konnte 218 . Die Synagoge der ersten jüdischen Gemeinde, die im Urbar von St. Leonhard von 1290 und in den Verträgen mit St. Leonhard von 1293 und 1329 erwähnt wird, lag im Zentrum der Stadt am damaligen Rindermarkt, der heutigen unteren und mittleren Gerbergasse 219. Die meisten Juden dürften damals in der Nähe der Sy211

Solothurner Urkundenbuch I 162, Nr. 280; vgl. auch Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 57, die darauf verweist, dass bislang nicht geklärt werden konnte, ob der Name „Villicus" auf die Herkunft des Juden aus einem Dorf hinweist oder ob der Name mit „Meir" zu übersetzen ist. 212 Es handelt sich um die Grabsteine von Frau Hanna, der Tochter des Mose, von 1222, und von Frau Sara, Tochter des Rabbi Israel, von 1226. 2 *3 Staatsarchiv der Stadt Basel 174, Nr. 103 AR 424. 214 Jüdisches Museum der Schweiz, Basel: Urkunde von 1223. 215 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 16. 216 Germania Judaica, Band II., 1. Halbband, S. 52 m. w. N.; Ginsburger, Die Juden in Basel, in: Basier Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, VIII. Band, 2. Heft, S. 407. 217 Germania Judaica, Band II., 1. Halbband, S. 52. 218 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 25. 219 Nachweise bei: Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 57 Anmerkung 13.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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nagoge gewohnt haben 220 . Die früheste Erwähnung eines jüdischen Friedhofes stammt aus dem Jahr 1264 und gibt das Gebiet des heutigen Vesalianums auf dem hinteren Petersplatz an 2 2 1 . Das Ende der ersten jüdischen Gemeinde fällt in die Zeit der Pestepidemien der Jahre 1348 bis 1350. In den Juden hatte man die Ursache für die Pest ausgemacht und so kam es überall zu sogenannten , Judenbränden". Im Januar 1349 222 wurden, bereits ein halbes Jahr bevor in Basel die Pest schließlich ausbrach, alle Juden, die nicht aus der Stadt hatten flüchten können, in einem eigens gefertigten Holzhaus auf einer Rheininsel eingeschlossen und verbrannt 223 . Ebenso wie in Baden 224 , wurden die Juden, die den Pogrom vom Januar 1349 überlebt hatten, im April und Mai 1349 wegen angeblicher Brunnenvergiftung angeklagt und verhört 225 . Alle Schulden bei Juden wurden für nichtig erklärt und den Schuldnern die Schuldscheine und Pfänder zurückgegeben 226. Die Vertreter Basels schworen, 200 Jahre lang keine Juden mehr aufnehmen zu wollen 227 .

2. Die zweite jüdische Gemeinde in Basel Im Jahr 1356, nur wenige Jahre nach der Pest, zerstörte ein starkes Erdbeben große Teile der Stadt Basel. Da für den Wiederaufbau der Stadt erhebliche finanzielle Mittel nötig wurden, war der gerade ausgesprochene Schwur schon wieder vergessen und jüdische Geldgeber waren wieder willkommen. Im Jahr 1362, nur dreizehn Jahre nach dem „Judenbrand"-Pogrom, wurde erneut eine jüdische Familie in Basel aufgenommen 228. Weitere Familien folgten, zumeist aus dem Eisass 229 , so dass die zweite Gemeinde 1370 etwa 150 Mitglieder zählte (bei 8000 Einwohnern). Die neue Synagoge befand sich an der Ecke Grünpfahlgässlein / Gerbergasse. Aus einem Aufnahmebrief von 1386 geht hervor, dass ein Christ einen Juden 220 Ausführlich zur Lage der jüdischen Häuser in Basel: Th. Nordmann, Juden Wohnungen im mittelalterlichen Basel, in: Basier Jahrbuch 1929, S. 172 ff. 221 Staatsarchiv der Stadt Basel BUB I, f. 318-319, Nr. 435. 222 Über das genaue Datum des Pogroms finden sich unterschiedliche Angaben. Während etwa Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 16 und Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 12 vom 16. Januar 1349 ausgehen, werden in Germania Judaica, Band II., 1. Halbband, S. 53 unter Berufung auf weitere Quellen der 9. und 16. (oder der 16. und 23.) Januar 1349 genannt. 223 Zu den näheren Umständen des Ratsbeschlusses, die offizielle Verfolgung der Juden einzuleiten, vgl. Germania Judaica, Band II., 1. Halbband, S. 53. 224 Siehe oben unter: Erstes Kapitel, Β., I., 1. 225 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 16 und S. 57 unter Anmerkung 7 m. w. N. 226 Germania Judaica, Band II., 1. Halbband, S. 53. 227 Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 12. 228 Ginsburger, Die Juden in Basel, in: Basier Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, VIII. Band, 2. Heft, S. 347. 229 Germania Judaica, Band III., 1. Halbband, S. 82.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

sowohl vor dem Schultheißengericht wie auch vor dem Gericht in der Synagoge anklagen konnte. Obwohl die Juden de jure ausdrücklich von Verhandlungen vor geistlichen Gerichten befreit waren, kamen solche Verfahren in der Praxis immer wieder vor. Die Stadtgerichtsbarkeit behandelte sowohl Klagen von Juden gegen Christen (in der Regel gegen säumige Schuldner) als auch Klagen von Christen gegen Juden. Hinsichtlich des Strafmaßes sollten Juden und Christen gleich behandelt werden. Für innerjüdische Konflikte war das jüdische Gericht - das Beth Din sachlich zuständig. Das „Beth Din" urteilte sowohl in religiösen wie auch in zivilund strafrechtlichen Angelegenheiten, sofern nicht die Hohe Gerichtsbarkeit für den Fall zuständig war, wie etwa bei Mord 2 3 0 . Über kurze Zeit verfügte die Gemeinde ab 1394 auch über einen Friedhof am Hirschgässlein 231. Zuvor mussten die Juden ihre Toten auf auswärtigen Friedhöfen begraben 232. Die Umstände, unter denen sich auch die zweite Gemeinde gegen Ende des vierzehntes Jahrhunderts aufzulösen begann, sind zum Teil noch ungeklärt. Als im Eisass in den Jahren nach 1390 unter dem Eindruck von Seuchen und Unruhen eine judenfeindliche Atmosphäre entstanden war, dürften sich die Juden an die Pogrome von 1349 erinnert haben. In Basel, wo die Frage der politischen Schirmherrschaft - Stadtregiment oder Osterreich - nicht endgültig entschieden war, zogen es die meisten Juden im Jahr 1397 vor, Basel zu verlassen und sich im österreichischen Hoheitsgebiet niederzulassen. Anstrengungen des Rates, die Juden in der Stadt zu halten, schlugen fehl, so dass sich die zweite Gemeinde kurz vor Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts auflöste 233 .

3. Die „gemeindelose" Zeit von 1397 bis 1800 In den folgenden Jahrhunderten bestand in Basel selbst keine jüdische Gemeinde. Hingegen wurde im nahegelegenen Allschwil im Jahr 1567 eine Gemeinde gegründet, die bis 1694 bestand234. Auch sonst existierten Gemeinden in räumlicher Nähe zu Basel, unter der Schutzherrschaft von Habsburg-Österreich, vom Basler Bischof, vom Markgrafen von Baden 235 und von anderen kleineren Grundherren. Ihre Existenz lässt sich aus den vielen belegten Zollabgaben schließen, die reisende Juden zu entrichten hatten 236 .

230 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 25 sowie Germania Judaica, Band III., 1. Halbband, 84. 231 Staatsarchiv der Stadt Basel BUB V, f. 213, Nr. 204. 232

Ginsburger, Die Juden in Basel, in: Basier Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, VIII. Band, 2. Heft, S. 356. 233 Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 15. 234 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 27. 235 Siehe auch oben unter: Erstes Kapitel, B., I., 1. 236 Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 15.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

73

4. Die Anfange der dritten jüdischen Gemeinde von 1800 bis 1815 Gut 400 Jahre lang hatte in Basel keine jüdische Gemeinde existiert, als zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts die dritte, heute noch bestehende jüdische Gemeinde gegründet wurde. Die ersten Juden, die zwischen 1800 und 1814 nach Basel kamen, stammten ausschließlich aus Frankreich 237 . Es waren in erster Linie Händler, die zunächst nach Basel kamen, um hier auf dem Markt ihre Waren anzubieten; später ließen sie sich dann in Basel nieder. Über die französische Revolutionsverfassung von 1791, die auf Druck Napoleons auch als Vorbild der helvetischen Verfassung von 1798 diente, fand das naturrechtlich begründete Postulat der Gleichheit aller Menschen auch Eingang ins schweizerische Verfassungsrecht. Die gesetzlichen Neuerungen der Helvetik ermöglichten es den französischen und deutschen Juden, sich in Basel und später auch in der übrigen Schweiz niederzulassen 238 . Die Schweiz war von jeher ein Land mit ausgeprägter föderalistischer Tradition. Deshalb stieß die zentralistische helvetische Verfassung von Beginn an auf großen Widerstand, so dass Napoleon der Schweiz bereits fünf Jahre später eine revidierte Verfassung überreichte. Diese sogenannte Mediations-Akte garantierte allen Schweizer Bürgern, nicht aber den Angehörigen anderer Staaten, die politische Freiheit und die Niederlassungs- sowie Gewerbefreiheit. Erst der im selben Jahr (1803) erneuerte Defensiv- und Allianz vertrag mit Frankreich brachte den Bürgern Frankreichs, und damit den eingewanderten Juden, die Niederlassungsund Gewerbefreiheit 239. Als Gründungsdatum der dritten jüdischen Gemeinde in Basel wird das Jahr 1805 angesehen, in dem die Gemeinde einen Vorsänger und einen Schächter einstellte 240 . Das Recht, eine Synagoge zu errichten, wurde den Juden allerdings noch nicht zugestanden. Für die gottesdienstlichen Zusammenkünfte diente ein Betsaal, der sich im Haus „zum Venedig" am Schlüsselberg Nr. 3 befand 241 . Nach dem Sieg der alliierten Mächte über Napoleon, begann in der Schweiz, wie überall sonst in Europa, das Zeitalter der Restauration. Der Bundestag von 1815 wandte sich von den Grundsätzen der Aufklärung ab und war bemüht, die vorrevolutionären Zustände wieder herzustellen. Die Politik gegenüber den Juden blieb von nun an den Kantonen überlassen 242.

237

Kury, „Man akzeptierte uns nicht, man tolerierte uns!", Ostjudenmigration nach Basel,

S. 27. 238

Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 30 f. Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 31. 240 Staatsarchiv der Stadt Basel: Protokolle des Stadtgerichts des mehreren Basel, A 234, f. 207 (8., 22., 29. Juli 1817. 241 Nordemann, Zur Geschichte der Juden in Basel, in: Jubiläumsschrift der Israelitischen Gemeinde Basel, 1805-1955, S. 64. 242 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 31. 239

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

5. Von der Restauration bis zur Emanzipation Mit der Restauration kam in der ganzen Schweiz ein für die Juden ungünstiges Klima auf. Der Basler Stadtrat etwa forderte am 23. Dezember 1815 vom Großen Rat, die Juden auszuweisen. Soweit wollte der Große Rat jedoch nicht gehen, verfügte aber, dass die Niederlassung in Zukunft nur noch für einen befristeten Zeitraum zu bewilligen sei. Außerdem sollten keine neuen Aufenthaltserlaubnisse für Juden ausgestellt werden. Es schwebte dem Rat vor, die Juden dazu zu bewegen, in ihre elsässische Heimat zurückzukehren. Nachdem 1815 noch fünfunddreißig jüdische Familien in Basel wohnten, waren es 1837 noch dreizehn und 1847 nur noch elf Familien 243 . Weil die Zentralbehörde im föderalistischen Bündnis in den folgenden drei Jahrzehnten keinen Einfluss mehr auf die Kantone ausüben konnte, gelang es auch Frankreich im Rahmen der Verhandlungen zur Erneuerung des Allianzvertrages nicht mehr, die Schweiz zu einer Gleichstellung aller französischen Bürger, seien sie Christen oder Juden, zu bewegen 244 . Da keine neuen Aufenthaltsgenehmigungen mehr ausgestellt wurden, mussten von nun an die Söhne von aufenthaltsberechtigten Juden die Stadt Basel verlassen, sobald sie volljährig waren und ein Gewerbe betreiben wollten. Gegen diese Praxis reichten am 14. August 1839 drei Gemeindeglieder beim Kleinen Rat eine Petition mit der Bitte ein, dem Großen Rat möge ein Vorschlag für eine Änderung des 2. Artikels des Niederlassungsgesetzes vom 7. Februar 1821 vorgelegt werden 245 . Nach längeren Verhandlungen ordnete der Kleine Rat am 28. April 1841 an, dass jeweils einem Sohn eine Aufenthaltsbewilligung für sechs Jahre erteilt werden sollte 246 . Erst im Rahmen der Verfassungsrevision von 1847 und der Neuregelung des Niederlassungsgesetzes vom 7. Februar 1849 wurde die Beschränkung des Aufenthaltsrechts nur eines Sohnes korrigiert. In Artikel 7 des neuen Gesetzes wurde festgelegt, dass sämtliche Söhne aus jüdischen Familien, die in Basel geboren und aufgewachsen waren, die Niederlassungsbewilligung erhalten sollten. Da auch die Aufenthaltsgenehmigungen der in Basel lebenden Juden um jeweils sechs Jahre verlängert werden sollten, war auch der Fortbestand der jüdischen Gemeinde Basel nicht länger gefährdet 247. Am 30. Juni 1864 unterzeichnete die Schweiz mit Frankreich einen neuen Niederlassungsvertrag, nach dem alle Franzosen ohne Unterschied die Berechtigung erhielten, sich in der Schweiz niederzulassen und hier ihren Beruf auszuüben. Demzufolge erfreuten sich nun auch die französischen Juden eines Rechts, das 243 A. Nordmann, Geschichte der Juden in Basel, in: Altertumskunde, XIII. Band, S. 120 und 124. 244 A. Nordmann, Geschichte der Juden in Basel, in: Altertumskunde, XIII. Band, S. 110-112. 245 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 32. 246 A. Nordmann, Geschichte der Juden in Basel, in: Altertumskunde, XIII. Band, S. 124 f. 247 A. Nordmann, Geschichte der Juden in Basel, in: Altertumskunde, XIII. Band, S. 127.

Basier Zeitschrift für Geschichte und Basler Zeitschrift für Geschichte und

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Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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durch die Verfassung von 1848 nur denjenigen Schweizern zugestanden wurde, die einer der christlichen Konfessionen angehörten. Folge des Vertrages mit Frankreich war also, dass nunmehr die französischen Juden gegenüber den Schweizer Juden besser gestellt waren. Diese Konsequenz aus dem Vertrag war insbesondere deshalb nicht unproblematisch, da die Revisionskommission noch 1848 ganz ausdrücklich die Niederlassungsfreiheit an das christliche Bekenntnis gekoppelt hatte, um zu verhindern, dass sich Juden in Kantonen niederlassen, die nicht gewillt waren, sie aufzunehmen. Damals hatte vor allem der Kanton Basel-Stadt den Einschränkungsbeschluss gegenüber den schweizerischen Juden unterstützt, allerdings aus der Sorge heraus, dass dann vor allem französische Juden nach Basel kommen würden 248 . Nachdem nun der neue Niederlassungsvertrag mit Frankreich unterzeichnet worden war, erschien dieses heikle Thema wieder auf der politischen Tagesordnung. Die Bundesversammlung forderte im September 1864 den Bundesrat auf, „sobald als möglich der Bundesversammlung einen Bericht und Vorschläge zu unterbreiten mit dem Ziel, die in den Art. 41 und 48 der Bundesverfassung von 1848 festgesetzten Garantien unabhängig zu machen vom religiösen Bekenntnis" der Bürger 249 . Der Bundesrat entsprach dieser Aufforderung jedoch nicht gleich, sondern versuchte über eine Untersuchung in den Kantonen herauszufinden, ob die Kantone unter Umständen auch freiwillig bereit seien, die Ausschließungspolitik gegenüber den Juden aufzugeben und hoffte auf diese Weise, um eine Verfassungsrevision herumzukommen. Auf die Umfrage antworteten elf Kantone, dass die Juden bereits wie ihre christlichen Mitbürger Niederlassungsfreiheit genössen oder dass die kantonalen Behörden gewillt seien, ihnen dieses Recht zu gewähren. Wie oben schon angedeutet, hatte es auch in Basel-Stadt eine Lockerung der ursprünglichen Praxis der Niederlassungsbewilligung gegenüber ausländischen Juden gegeben, so dass sich alle in Basel geborenen Söhne auch dort niederlassen konnten. Entgegen der Absicht des Bundesrates, eine Verfassungsrevision zu vermeiden, sprachen sich dann doch die meisten Kantone dafür aus, die Frage endgültig durch die Streichung des Zusatzes „einer der christlichen Konfessionen" in Art. 41 und 48 der Verfassung zu regeln. Auch beide Kammern befürworteten eine Revision und empfahlen sie dem Volk zur Annahme. Mit der Zustimmung zu dem vorgelegten Änderungsvorschlag gewährten Volk und Stände mit der Abstimmung am 14. Januar 1866 den schweizerischen Juden die gleichen Rechte, wie man sie kurz zuvor den französischen Juden zugestanden hatte 250 . Die Glaubensfreiheit wurde hingegen erst mit der neuen Bundesverfassung von 1874 garantiert 251.

248 249

Rappard, Bundesverfassung, S. 309. Zitat bei Rappard, Bundesverfassung, S. 309.

250 A. Nordmann, Geschichte der Juden in Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, ΧΠΙ. Band, S. 154; Rappard, Bundesverfassung, S. 312. 251 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 34.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

6. Der Zionismus in Basel Am 29. August 1897 eröffnete Theodor Herzl den ersten Zionistenkongress in Basel. Der Wahl Basels zum Tagungsort ging zunächst die Überlegung voraus, den Kongress in München stattfinden zu lassen. Jedoch lehnten sowohl die orthodoxen wie auch die Reform-Rabbiner Deutschlands und auch die jüdische Gemeinde in München selbst die zionistische Idee und damit einen Kongress in München ab. Herzl selbst favorisierte Zürich als Tagungsort. Weshalb schließlich Basel Veranstaltungsort für insgesamt zehn Zionisten-Kongresse wurde, ist bis heute nicht genau geklärt. Sehr wahrscheinlich gaben die verkehrsgünstige Lage der Stadt sowie das in Basel, im Gegensatz zu Zürich, vorhandene koschere Restaurant den Ausschlag 252 . Von der jüdischen Gemeinde Basel nahmen offiziell der Kantor Drujan sowie ein Gemeindeglied, Herr Weil, teil. Der damalige Rabbiner Dr. Arthur Cohn war nur unter den Zuschauern des Kongresses. Allerdings entwickelte er sich im Verlauf des Kongresses zu einem engagierten Anhänger des Zionismus 253 . Der erste Kongress verabschiedete das sogenannte „Basler Programm", das als Ziel des Zionismus „die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina" formulierte 254 . Auch der 22. und letzte Kongress vor der Gründung des Staates Israel fand im Jahre 1946 in Basel statt. Man trauerte um die Opfer des Nationalsozialismus und suchte nach Wegen, um England dazu zu bewegen, Überlebende des Holocaust in Palästina aufzunehmen. Außerdem sollte England ersucht werden, von Maßnahmen gegen Mitglieder der Siedlungsleitung (Waad Leumi) und der Jewish Agency abzulassen255.

7. Ostjudenmigration 1890-1930 und Gründung der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel 1927 In der Folge der Ermordung des Zaren Alexander II. am 1. März 1881 kam es in Osteuropa, wo enorme soziale Spannungen herrschten, zu Pogromen, die eine jüdische Emigrationsbewegung auslösten256. In der Zeit zwischen 1880 und 1930 verließen rund drei Millionen Juden Osteuropas ihre Heimat. Einige tausend gelangten in die Schweiz. Wie viele Ostjuden nach Basel kamen, ist nicht bekannt. Das Israelitische Wochenblatt berichtete 1904, dass ein Fünftel der Basler Juden aus 252

Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 33; vgl. auch ausführlicher: Heumann, Israel entstand in Basel, S. 48 ff. 253 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 53. 254 Im Wortlaut ist das „Basler Programm" wiedergegeben bei: Heumann, Israel entstand in Basel, S. 65. 255 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 55; Heumann, Israel entstand in Basel, S. 188 ff. 256 Kury, „Man akzeptierte uns nicht, man tolerierte uns!", Ostjudenmigration nach Basel, S. 16.

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

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Osteuropa stamme. Eine weitere Gruppe soll 1905 wegen der Pogrome in Kischinew nach Basel gekommen sein 257 . Mit dem Wachstum der jüdischen Bevölkerung nahmen auch die Unterschiede in den religiösen Anschauungen zu. Die in Basel bestehende Israelitische Gemeinde verstand sich zwar immer als Einheitsgemeinde, war also immer bestrebt die verschiedenen religiösen Prägungen in einer Gemeinde zu vereinen. Dennoch blieben einige „Ostjuden" unter sich. Daneben gab es Juden, die sich vom Glauben abgewendet hatten und sich nicht der Israelitischen Gemeinde anschlossen. Ebenso wie in Baden, forderten immer mehr liberal geprägte Juden Veränderungen in der Liturgie und im Ritual, nicht zuletzt, um sich der neuen Zeit, aber auch der nichtjüdischen Umgebung anzupassen258. In Abgrenzung zu diesen liberalen Strömungen bestanden die orthodoxen Juden auf strenger Befolgung der Tradition, wie sie sich aus den biblischen und rabbinischen Vorschriften sowie aus der Überlieferung herausgebildet hatten. Zu einer führenden Persönlichkeit der Orthodoxie gehörte der Rabbiner Samson Raphael Hirsch, der insbesondere mit seinem Buch „ Versuche über Jissroels Pflichten in der Zerstreuung" (Horeb 1837) für Aufsehen sorgte. Im Jahr 1851 übernahm er in Frankfurt a.M. die geistliche Führung der im Kampf mit der reformfreundlichen jüdischen Gemeinde entstandenen orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft. Im Juli 1876 wurde auf sein Engagement hin vom preußischen Landtag das „Gesetz betreffend den Austritt aus den jüdischen Synagogengemeinden"259 beschlossen, das orthodoxen Juden den legalen Austritt aus reformfreundlichen Ortsgemeinden ermöglichte. Rabbiner Samson Raphael Hirsch gründete 1885 die Freie Vereinigung für die Interessen des orthodoxen Judentums, mit der der Grundstein für die organisatorische Erfassung und Aktivierung der europäisch-jüdischen Orthodoxie gelegt war 2 6 0 . Zunächst gelang es dem Basler Rabbiner Arthur Cohn, in der sich allmählich auch in Basel zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen dem Reformjudentum und der Orthodoxie zu vermitteln. Dennoch gründeten einige von Rabbiner Hirsch inspirierte orthodoxe Juden im Jahre 1924 den Verein „Schomre Schabbos", der jedoch noch nicht die endgültige Loslösung von der Israelitischen Gemeinde Basel bedeutete. Erst nachdem ein Jahr später Rabbiner Arthur Cohn von Rabbiner Dr. Arthur Weil abgelöst wurde, fühlten sich die Mitglieder des „Schomre Schabbos Vereins" in ihrem Vorhaben bestärkt, die Eigenständigkeit ihres Vereines zu festigen. In der Generalversammlung des Vereins vom 18. November 1927 wurde die Umbenennung in „Israelitische Religionsgesellschaft" beschlossen. Die Eintra-

257 Kury, „Man akzeptierte uns nicht, man tolerierte uns!", Ostjudenmigration nach Basel, S. 27 f. 2 58 Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 34. 259

„Gesetz betreffend den Austritt aus den jüdischen Synagogengemeinden" vom 28. Juli 1876; Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1876, S. 353 ff. 260 Breuer, M., Samson Raphael Hirsch und seine Neunzehn Briefe, in: Uziel, Neunzehn Briefe über Judentum, S. 1 f.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

gung in das Handelsregister des Kantons Basel-Stadt erfolgte am 27. Dezember 1927 261 . Mit der Bezeichnung „Israelitische Religionsgesellschaft" sollte bewusst an die deutsche, vom Frankfurter Rabbiner Hirsch geprägte Orthodoxiebewegung angeknüpft werden 262 . Zwar hielten sich die Austritte aus der Israelitischen Gemeinde Basel und Übertritte in die Israelitische Religionsgesellschaft Basel in Grenzen, dafür schloss sich ein Teil der eingewanderten „Ostjuden" der neuen orthodoxen Gemeinde an 2 6 3 . Die junge Israelitische Religionsgesellschaft Basel legte bereits im März 1929 in der Ahornstrasse den Grundstein für eine eigene Synagoge mit knapp 120 Männer- und 125 Frauenplätzen 264. In den folgenden Jahren wuchs das Bedürfnis, die Selbständigkeit gegenüber der Israelitischen Gemeinde Basel zu dokumentieren. So wählte sich die Israelitische Religionsgesellschaft Rabbiner Dr. Pinchas Kohn auf ihrer Generalversammlung vom 12. April 1931 formell zum ersten Rabbiner der Gemeinde 265 .

8. Die Situation der Juden in Basel in der Zeit von 1933-1945 Die enorme Zahl jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland stellte die Basler israelitischen Gemeinden vor extreme Herausforderungen. Der Schweizerische Bundesrat hatte nämlich das „Schweizerische Judentum" dazu verpflichtet, für die Versorgung der jüdischen Flüchtlinge weitestgehend selbst aufzukommen 266. Da die Grenze erst im September 1942 durch den „Deutschen Reichsarbeitsdienst" mit einem Stacheldrahthag abgeriegelt wurde 267 , war der Flüchtlingsstrom noch in den ersten Kriegsjahren gewaltig. Nach der Grenzschließung durch die Deutschen, aber auch nachdem der Schweizerische Bundesrat zwischen Ende 1942 und Mitte 1944 die Einreise für deutsche Juden verboten hatte, waren viele Basler Juden an Netzwerken beteiligt, die Bedrohten bei der immer schwieriger werdenden Flucht behilflich waren und sich um ihr weiteres Schicksal kümmerten. Auch die Basler Behörden betrieben im Vergleich zu anderen Kantonen und den eidgenössischen Behörden in Bern eine humanere Asylpolitik. Dies zeigt deutlich die Anzahl der tolerierten Flüchtlinge. Teilweise haben die Basler Behörden sogar Flüchtlinge vorübergehend geduldet, die ihnen von anderen Kantonen zur Ausschaffung (Ausweisung) überstellt worden waren. Allerdings wird in der Literatur auch die Frage gestellt, ob die Basler Regierung ihren Handlungsspielraum vollständig ausgeschöpft hat 2 6 8 . 261

Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 14. So das Vorstandsmitglied der IRG Basel, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 263 Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 35. 264 Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 15 f. 265 Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 20. 266 Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 36. 267 Seiler, „Fast täglich kamen Flüchtlinge", S. 109. 262

Β. Historische und rechtliche Entwicklungen

79

9. Die Basler Juden nach 1945 Nachdem in Deutschland alle israelitischen Gemeinden systematisch ausgerottet worden waren, gehört die Israelitische Gemeinde Basel zu den wenigen Gemeinden in Europa, die auf eine ungebrochene Geschichte und Tradition von fast zwei Jahrhunderten zurückblicken kann. Nach wie vor ist die Israelitische Gemeinde Basel eine Einheitsgemeinde. Nachfolger von Rabbiner Arthur Weiss wurde 1956 Rabbiner Leo Adler, der bis zu seinem Tod 1978 in der Basler Gemeinde wirkte. Seit 1980 bekleidet Israel Meir Levinger das Amt des Rabbiners. Bereits Anfang der sechziger Jahre wurden im Zusammenhang mit den Beratungen über eine Wiedervereinigung der beiden Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft im Verfassungsrat Überlegungen zu einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Israelitischen Gemeinde Basel angestellt. Schon damals wurde eine rechtliche Gleichstellung mit den Landeskirchen angestrebt, da dies das „Gebot der Gerechtigkeit" gebiete 269 . Mit der Privilegierung gegenüber den Freikirchen sollte „Solidarität" bekundet werden 270 . Die Kommission für Kirchenfragen war „einhelliger Meinung", dass die Israelitische Gemeinde Basel den Körperschaftsstatus verliehen bekommen sollte und formulierte in ihrem Bericht an den Verfassungsrat entsprechend den Antrag Nr. 28 mit folgendem Wortlaut: „Die Israelitische Gemeinde Basel ist eine selbständige Körperschaft mit öffentlich-rechtlicher Persönlichkeit und besitzt die gleichen Rechte und Pflichten wie eine Landeskirche." 271

Im Verfassungsentwurf eines dann wiedervereinigten Kantons Basel für die erste Lesung wurde dann in Art. 62 Abs. 1 und 2 durch den Verfassungsrat formuliert: „Die evangelisch-reformierten Kirchen, die römisch-katholischen Kirchen und die christkatholischen Kirchen der bisherigen Halbkantone sind Landeskirchen mit öffentlich-rechtlicher Selbständigkeit und eigener Rechtspersönlichkeit. Die Israelitische Gemeinde Basel besitzt die gleiche Rechtsstellung wie eine Landeskirche." 2 7 2

An dieser Fomulierung änderte sich auch im weiteren Verlauf der Verfassungsberatungen nichts mehr, so dass derselbe Wortlaut auch in die Gesamtvorlage nach der zweiten Lesung und nach Bereinigung durch die Redaktionskommission nunmehr als Art. 70 Abs. 1 und 2 einging 273 . 268

Zur Basier Asylpolitik vgl. v.a.: Wacker, Humaner als Bern, S. 206 f. Bericht der Kommission für Kirchenfragen an den Verfassungsrat; den Mitgliedern des Verfassungsrates zugestellt am 21. August 1963, Verfassungsrat Nr. 17, S. 39. 270 Furchs, Wiedervereinigung beider Basel und Kirchenfrage, in: Die Wiedervereinigung der Kantone Basel-Stadt und Basel-Land, S. 45 ff. (61). 269

271 Bericht der Kommission für Kirchenfragen an den Verfassungsrat; den Mitgliedern des Verfassungsrates zugestellt am 21. August 1963, Verfassungsrat Nr. 17, S. 39. 272 Verfassungsentwurf für den Kanton Basel, Erste Lesung; den Mitgliedern des Verfassungsrates zugestellt am 24. Juli 1964, Verfassungsrat Nr. 31, S. 27.

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1. Kap.: Einleitung und Geschichte

Nachdem die Wiedervereinigung der beiden Kantone beim basellandschaftlichen Volk keine Mehrheit gefunden hatten, wurde die Israelitische Gemeinde Basel, zusammen mit der Römisch-katholischen K i r c h e 2 7 4 , als erste israelitische Gemeinde in der Schweiz durch Revision der Kantonsverfassung Basel-Stadt i m Jahre 1 9 7 2 2 7 5 öffentlich-rechtlich anerkannt 2 7 6 . Die neue rechtliche Stellung der Israelitischen Gemeinde Basel erforderte eine Revision der Statuten. Die neu gefassten Statuten traten am 1. Januar 1975 in Kraft 277.

273

Gesamtvorlage des Verfassungsentwurfes nach 2. Lesung und nach Bereinigung durch die Redaktionskommission; den Mitgliedern des Verfassungsrates zugestellt am 6. Juni 1968, Verfassungsrat Nr. 63, S. 28. 274 Zur Anerkennung der Römisch-katholischen Kirche von Basel-Stadt vgl.: F. Hafner, Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 253 Fn. 140. 275 Angenommen in der Volksabstimmung vom 3. Dezember 1972. 276 Fuchs, Die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften nach dem neueren schweizerischen Staatskirchenrecht, S. 105; Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 55; zu den Einzelheiten der Revision des § 19 Kantonsverfassung und zum Verlauf des Verfassungsänderungsverfahrens siehe unten unter: Drittes Kapitel, Β., I., 1. 277 Der volle Wortlaut der Statuten von 1975 ist im Anhang wiedergegeben. Eine ausführliche Darstellung der Statuten findet sich unter: Viertes Kapitel, Β., I.

Zweites Kapitel

Staatskirchenrechtliche Grundlagen A. Staatskirchenrechtliche Grundlagen in Baden (Bundesrepublik Deutschland) unter besonderer Berücksichtigung kleinerer Religionsgemeinschaften I. Vorbemerkung Anders als in der Schweiz, kann man für die Bundesrepublik Deutschland von einem einheitlichen staatskirchenrechtlichen 1 System sprechen. Das bedeutet, dass in allen Bundesländern i m Wesentlichen die gleichen rechtlichen Grundlagen für die Beziehungen zwischen dem Staat und den in ihm bestehenden Kirchen und Religionsgemeinschaften 2 gelten. Der folgende kurze Überblick über das staatskirchenrechtliche System der Bundesrepublik Deutschland ist insofern ebenfalls ein

1 An dieser Stelle kann nicht auf die Diskussion eingegangen werden, ob für das Recht, durch welches die rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften geregelt wird, besser der Begriff des „Staatskirchenrechts" oder des „Religionsrechts" zu wählen sei. Hollerbach, Staatskirchenrecht oder Religionsrecht?, in: Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, S. 869 ff. beleuchtet einführend und doch umfassend, dass sich hinter der bloßen Frage nach der Begrifflichkeit weit mehr verbirgt als das Bedürfnis, schon durch den Sprachgebrauch als Befürworter oder Kritiker des bestehenden „Staatskirchenrechts" erkannt zu werden. In der vorliegenden Arbeit werden beide Bezeichnungen gleichbedeutend verwendet. Der Sprachgebrauch des „Staatskirchenrechts" hat den großen Vorzug, die in dieser Arbeit gestreifte geschichtliche Herkunft dieser Rechtsmaterie bewusst zu machen (vgl. auch Hollerbach, Staatskirchenrecht oder Religionsrecht?, S. 886). Die Bezeichnung „Religionsrecht" wird keineswegs in Abgrenzung zum „Staatskirchenrecht" gebraucht, sondern immer dann verwendet, wenn es um israelitische Gemeinden und deren Rechtsbeziehungen zum Staat geht. Selbst wenn es nur einer Klarstellung bedurft hätte, dass der Begriff „Kirche" weit zu fassen wäre, und alle Religionsgemeinschaften erfasst sein sollten, wurde hier davon abgesehen, im Zusammenhang mit israelitischen Gemeinden von „Kirche" zu sprechen. 2

Obgleich das Grundgesetz an keiner Stelle von „Kirchen" und „Religionsgemeinschaften" spricht (in Art. 137 I WRV wird lediglich davon gesprochen, dass keine „Staatskirche" bestehe, ansonsten ist nur von „Religionsgesellschaften" die Rede), wird im Folgenden der Vereinfachung wegen von Kirchen gesprochen, wenn die als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannten christlichen Kirchen gemeint sind. Der Terminus der „Religionsgemeinschaft" ist dagegen weiter und umfasst sowohl die christlichen Kirchen, als auch nichtchristliche Vereinigungen von Gläubigen. 6 Nolte

82

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

Überblick über das staatskirchenrechtliche System des Bundeslandes Baden-Württemberg. Das Land Baden-Württemberg ging 1952 aus den drei Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern hervor, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch Absprachen der Siegermächte geschaffen worden waren 3. Das ehemalige Großherzogtum Baden und das ehemalige Königreich Württemberg, denen das heutige Bundesland seinen Namen verdankt, existierten noch in der Weimarer Republik als Freistaaten fort 4 .

II. Rechtliche Grundlagen 1. Bundesebene a) Gesetzlicher Rahmen Die Einheitlichkeit des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems ergibt sich daraus, dass die entscheidenden Grundlagen und Einzelheiten des Verhältnisses zwischen dem deutschem Staat und den Religionsgemeinschaften im Grundgesetz5 verankert sind6. Besonders hervorzuheben sind Art. 4 (Garantie der Religionsfreiheit) und Art. 140 GG, der die Art. 136-139 sowie Art. 141 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 1919 in das Grundgesetz übernimmt (inkorporiert). Daneben gehören auch die Diskriminierungsverbote (Art. 3 Abs. 3 GG), die Neutralitätsverbürgungen (Art. 33 Abs. 3 GG), die Regelungen zum Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (Art. 7 Abs. 2 und 3; Art. 141 GG) und im Zusammenhang mit der Fortgeltungsfrage des Reichskonkordates auch Art. 123 Abs. 2 GG zur verfassungsrechtlichen Grundlage des deutschen Staatskirchenrechts7. Der die Religionsfreiheit garantierende Art. 4 GG umfasst zunächst den Schutz dieser Freiheit bezogen auf den Einzelnen gegenüber dem Staat. Geschützt ist neben dem Bekenntnis zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung und der Ausübung dieser Religion (etwa in Kultushandlungen) im privaten, häuslichen Bereich und in der Öffentlichkeit auch der Wechsel der Religion oder Weltanschauung. Zur Religionsfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 und 3 GG gehört auch die religiöse Vereinigungsfreiheit 8. Die so genannte „negative 3 Zu den konkreten Entstehungsumständen vgl.: Möller, in: Hollerbach, 30 Jahre Verfassung von Baden-Württemberg, S. 15. 4 Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, S. 30. 5 Im Anhang dieser Arbeit befindet sich ein Auszug aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit allen staatskirchenrechtlich relevanten Artikeln. 6 Renk, Zum Stand des Bekenntnisverfassungsrechts in der Bundesrepublik, in: BayVBl. 1999, S. 76 weist auf Diskrepanzen zwischen den grundgesetzlichen Leitentscheidungen und den tatsächlichen Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern hin. 7

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 49.

A. Staatskirchenrechtliche Grundlagen in Baden

83

Glaubens- und Gewissensfreiheit" garantiert jedem9 auch die Freiheit von der Religion, von der Weltanschauung. Wer sich demnach bewusst oder auch nur aus Nichtinteresse keiner Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft anschließt, ist ebenfalls darin durch Art. 4 GG umfassend geschützt10. Das Bundesverfassungsgericht11 hat bereits sehr früh deutlich gemacht, dass nicht nur der Einzelne Träger dieser Freiheitsrechte sein kann, sondern dass sich auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften auf dieses Grundrecht berufen können. Zur Verteidigung des Grundrechts auf ungestörte Religionsausübung gegenüber dem Staat können deshalb auch die Religionsgemeinschaften ihrerseits eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Sowohl die Religionsgemeinschaft als auch ihre Untergliederungen und auch juristische Personen, deren Zweck auf die Erfüllung karitativer Aufgaben in Verwirklichung einer Grundforderung des religiösen Bekenntnisses gerichtet ist, sind vor dem Bundesverfassungsgericht beschwerdebefugt 12. Mit Hilfe dieser für das staatskirchenrechtliche System der Bundesrepublik sehr wichtigen Beschwerdebefugnis kann neben den oben genannten Grundrechten auch das zentrale Recht auf religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmung13 durchgesetzt werden. Neben der erörterten Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und der Trennung von Staat und Kirche (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) ist die Anerkennung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts gewissermaßen die dritte Säule der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes14.

8 Stellvertretend für die Kommentarliteratur: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar, Art. 4 Rdnr. 9. Weiterführende Aufsatzliteratur: Scheuner, Religionsfreiheit, in: DÖV 1967, S. 585 ff.; Listel, Glaubens-Bekenntnis- und Kirchenfreiheit, in: HdbStKirchR I, S. 439 ff.; mit ausführlichen historischen Ausführungen: v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: HdbStR, Bd. 6, § 136 sowie Jeand'Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 69 ff. 9 Also ganz ausdrücklich nicht nur jedem Deutschen! 10

Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 4 Rdnr. 8. h BVerfGE 19, 132; 42, 323. 12 BVerfGE 32, 98 ff.

13 Weithin wird von „kirchlichem Selbstbestimmungsrecht" gesprochen, was aber angesichts des Wortlautes von Art. 137 Abs. 3 WRV zu kurz greift. Dort ist nämlich davon die Rede, dass jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnet und verwaltet. Deshalb wird im Folgenden der Terminus des „religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechtes" benutzt. 14 v. Capenhausen, Staatskirchenrecht, S. 105 m. w. N.; in Auseinandersetzung mit aktueller Kritik an der herrschenden Staatskirchenordnung: ders., Zum Stand des Staatskirchenrechts in Deutschland, in: BayVBl. 1999, S. 65 ff., insbesondere S. 67. 6*

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84

Staatskirchenrechtliche Grundlagen

b) Das Staat-Kirche-Verhältnis im Wandel der Meinungen: von der Korrelaten- über die Koordinations- hin zur Kooperationstheorie Obwohl das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht über Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRVohne Veränderung des Wortlautes aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz übernommen wurde und obwohl zu Zeiten der Weimarer Republik die staatliche Kirchenaufsicht aus dem Kaiserreich noch fortgesetzt wurde, ist spätestens seit 1945 unbestritten, dass es unter dem Grundgesetz keine Staatsaufsicht über die Religionsgemeinschaften mehr gibt. Schon gegen Ende der Weimarer Republik äußerten sich vermehrt Stimmen in der Literatur, die sich angesichts des Art. 137 Abs. 3 WRV gegen die Fortsetzung der Kirchenaufsicht aussprachen15. Damals wurde noch mehrheitlich die sogenannte Korrelatentheorie vertreten, die wegen der öffentlich-rechtlichen Stellung der Kirchen als Korrelat die Fortsetzung der Staatsaufsicht für erforderlich hielt 16 . Nachdem die Artikel der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 über das Staat-Kirche-Verhältnis in das Bonner Grundgesetz inkorporiert worden waren, stellte Rudolf Smend (im Sinne des sich abzeichnenden Trends) fest, dass es nicht dasselbe sei, wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagten17. Schließlich bestätigte das Bundesverfassungsgericht zuerst im Jahre 1965, dass die Eigenständigkeit der Kirchen auch nicht durch ihren Charakter als Körperschaften öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. 137 Abs. 5 WRV) in Frage gestellt sei 18 .

aa) Die Lehre von der Gleichordnung oder Koordination (Zuordnung) Mit In-Kraft-Treten des Grundgesetzes wurde, wie dargestellt, unbestritten davon ausgegangen, dass es keinerlei Art der Kirchenaufsicht mehr gebe. Damit stellte sich die Frage nach dem Wesen des Staat-Kirche-Verhältnisses neu. In der Lehre 19 wurde in den fünfziger Jahren sehr bald und lange unangefochten die Leh!5 So Smend, Staat und Kirche, in: ZevKR, Bd. 1, S. 4 m. w. N. 16

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 41 f., m. w. N. dafür, wann und von wem die Korrelatentheorie zuerst vertreten wurde sowie S. 115 Fn. 42. 17 Smend, Staat und Kirche, in: ZevKR, Bd. 1, S. 4; vgl. auch: Winter, Staatskirchenrecht, S. 10. is BVerfGE 18, 385 (386 f.); 30,415 (428). 19 Vgl. insbesondere die ausführliche Arbeit von: Albrecht, Koordination von Staat und Kirche in der Demokratie; Beulke, Bonner Grundgesetz und die Parität der Kirchen, S. 131 spricht von „Gleichordnung"; Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 14 m. w. N.; Hesse, Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1945, S. 33; ders., Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 62, 72; Marré, Koordination, in: DVB1. 1966, S. 10 f. Peters, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, S. 181, 187 sieht bereits hinsichtlich der „Theorie der Gleichordnung" „neuere Tendenzen" (S. 184), die nicht mehr so sehr darauf abzielten, zwischen den staatlichen und kirchlichen

A. Staatskirchenrechtliche Grundlagen in Baden

85

re von der „Gleichordnung" oder „Zuordnung" („Koordination") vertreten 20 . Auch die Rechtsprechung 21 schloss sich mit Ausnahme des Bundesverfassungsgerichtes ohne weiteres dieser Ansicht an. Da ein ausschließlich staatsbezogenes Denken als überwunden angesehen 22 wurde, lehnte man in Bezug auf das Verhältnis von Staat zur K i r c h e 2 3 ein System der Uber- und Unterordnung (Subordination) oder der Einordnung der Kirche i n die vom Staat aufgestellte Rechtsordnung kategorisch ab. In der Situation eines noch durch die Schrecken des nationalsozialistischen Terrors geschwächten Staates 2 4 wurde argumentiert, Staat und Kirchen stellten zwei selbständige Gemeinwesen dar, die in voneinander unabhängigen Bereichen agierten. Die Kirchen seien mit eigener, ursprünglicher Hoheitsgewalt ausgestattet, die vom Staat lediglich anerkannt, aber nicht verliehen werde 2 5 . Dies habe zur Konsequenz, dass der Staat nicht mehr einseitig, gegen den Willen der Kirchen Recht setzen könne, das sie in Ausübung ihrer kirchlichen Gewalt beschränke 26 . Recht, das für beide Seiten verBereichen abzugrenzen, sondern versuchten, der Kirche einen Einfluss auf die Verwirklichung einer von christlichem Geist getragenen und durchwehten Gesellschaftsordnung zu sichern, um auch im Staats- und politischen Leben die Geltung christlicher Grundsätze durchzusetzen. Dies freilich ohne äußerlich die weltanschauliche Neutralität des Staates anzutasten; Pirson, Der Kirchen vertrag als Gestaltungsform, S. 185. 20 Vgl. auch: Jeand'Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 50 ff. 21 BGH Urt. v. 16. 3. 1961, BGHZ 34, 372 ff. (373), und Urt. v. 19. 9. 1966, JZ 67, 406 ff. (406 f.); VG Berlin, Urt. v. 13. 9. 1957, ZevKR 7 (1959/60), 80 ff. (81 f.); LG Dortmund, Beschl. v. 19. 10. 1961, MDR 62, 408 f. (409); VG Hannover, Urt. v. 17. 1. 1963, NJW 63, 2338 f. (2338). 22 Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 145; W. Weber, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, in: VVDStRL Heft 11 (1954), S. 173 sieht die beiden Kirchen in einem politischen Gemeinwesen stehen, in dem nicht mehr eine Kraft, nämlich der „Staat", den Bereich der öffentlichen Ordnung beherrsche, sondern in dem diese öffentliche Ordnung vielmehr aufgegliedert sei und mehrere oder viele Herren habe. 23 Damals wurde weitgehend ausschließlich über das Verhältnis zwischen Staat und den beiden großen Volkskirchen diskutiert. Die Bedeutung kleinerer Religionsgemeinschaften wurde erst später erkannt und gewürdigt. 24 Peters, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, S. 186; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 147, der bereits danach fragt, ob man sich evtl. gerade in einer Übergangsphase befinde. 2 5 W Weber, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, in: VVDStRL Heft 11 (1954), S. 174 bemüht zur Verdeutlichung sogar den historischen Vergleich mit dem „Ständestaat". Die beiden Kirchen verstünden sich, wie der Stand des Ständestaates, als öffentliche Institutionen aus eigenem, nicht verliehenem, abgezweigtem oder konzediertem Recht. Sie nähmen unbestrittenermaßen einen Teil der öffentlichen Ordnung für ihre selbständige Sachwalterschaft in Anspruch und entfalteten hier sozusagen einen öffentlichen Status, der dem aller anderen „Stände" überlegen sei. Ihr theologisch verstandener Öffentlichkeitsanspruch und ihre von der kirchlichen Aufgabe her legitimierte Freiheit flössen mit ihrer öffentlich-rechtlichen Privilegierung als eines unabhängigen und selbständigen Gliedes der politischen Gesamtordnung zu einer untrennbaren Einheit zusammen. 26 Hesse, Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen, ZevKR 11. Bd. (1964/65), S. 340 f.

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

bindlich sein solle, könne nunmehr nur noch im Wege eines Vertrages geschaffen werden 27. Auch gebe es keine Möglichkeit, die vertragliche Ordnung zwischen Staat und Kirche auf Teilbereiche des Verhältnisses zu beschränken28.

bb) Die Abwendung von der „Koordinationstheorie" Etwa ab dem Jahr 1957 wurde die Lehre von der „Koordination" von verschiedenen Seiten immer heftiger kritisiert. Ausgangpunkt der kritischen Reflexion über die bis dahin immer wieder 29 als herrschende Lehre bezeichnete Ansicht einer Gleichordnung von Staat und Kirche war das bekannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 1957 über die Modalitäten einer Fortgeltung des 1933 zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich geschlossenen Reichskonkordates30. Der Zweite Senat ging zwar von einer grundsätzlichen Fortgeltung des Reichskonkordates als völkerrechtlichem Vertrag aus, stellte aber fest, dass der westdeutsche Verfassungsgeber dennoch befugt gewesen sei, eine innerstaatliche Kompetenzordnung zu schaffen, die es den Ländern erlaubte, ihr Schulwesen abweichend von den Konkordatsbestimmungen zu gestalten31. Das höchste deutsche Gericht hatte damit die staatliche Souveränität (in der Verfassungsgebung) auch in kirchlichen Angelegenheiten klar anerkannt. Dies aber traf die „Koordinationstheorie" im Kern, da diese bisher immer davon ausgegangen war, dass der Staat nicht mehr einseitig Recht setzen könne, wenn die Kirchen in ihren Angelegenheiten betroffen würden. Die Tatsache, dass diesem Aspekt des „Reichskonkordatsurteils" im Schrifttum zunächst wenig Bemerkung geschenkt wurde und Lehre und Rechtssprechung32 das „verbale Ritual der ,h.L."' 3 3 ganz unverdrossen weiterzelebrierten, erklärte Helmut Quaritsch 34 zum einen mit dem wissenschaftlichen Ansehen der Architekten der „Koordinationslehre", zum anderen sei es zugleich Ergebnis und Zeichen des seit Jahrzehnten an allzu heftigen Pendelausschlägen leidenden Verhältnisses des Deutschen zu seinem Staat.

27

Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 62. K. Müller, Der Loccumer evangelische Kirchenvertrag, DÖV 1955, S. 423. 29 Quaritsch, Neues und Altes über das Verhältnis von Kirchen und Staat, in: Der Staat Nr. 5, S. 454. 30 BVerfGE 6, 309 (310). 28

31 Quaritsch, Neues und Altes Nr. 5, S. 453. 32 Urt. v. 16. März 1961, BGHZ 33 Quaritsch, Neues und Altes Nr. 5, S. 454. 34 Quaritsch, Neues und Altes Nr. 5, S. 454 .

über das Verhältnis von Kirchen und Staat, in: Der Staat 34, 372 (373). über das Verhältnis von Kirchen und Staat, in: Der Staat über das Verhältnis von Kirchen und Staat, in: Der Staat

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Gleichzeitig zum „Reichskonkordatsurteil", das der Lehre von der „Kooperation" diese erste Ungereimtheit bescherte, fragen zumeist jüngere Autoren immer deutlicher nach, ob nicht grundsätzlich die Einheit der Staatsgewalt 35 oder die Souveränität des Gemeinwesens 36 gefährdet sei, wenn man auch den Kirchen Eigenständigkeit auf dem Gebiet der Herrschaftsg&wdXi zuspreche37. Paul Mikat 3 8 hält diesen Einwänden vor, sie ließen eine überzeugende Auseinandersetzung mit dem Charakter der kirchlichen Ordnung als eigenständiger Ordnung vermissen. Als Ursache für die Kritik an der „Koordination" meint er eine „legalistische Auffassung" ausmachen zu können, mit der eine Verengung des Rechtsbegriffs auf das mit äußeren Machtmitteln erzwingbare Recht einherginge. Aus diesem verengten Rechtsbegriff heraus würde dann gefolgert, dass nach Art. 20 Abs. 2 GG das Rechtssetzungsmonopol dem Staat zustehe und auch jede sonstige Rechtsetzung sich vom staatlichen Recht herleiten müsse. Neben den Bedenken hinsichtlich der Einheit der Staatsgewalt oder der Souveränität des Gemeinwesens wurde die Lehre von der partnerschaftlichen Koordination mit ihrer echten Gleichordnung von Staat und Kirche auch vor dem Hintergrund der staatlichen Neutralitätspflicht gegenüber allen Religionsgemeinschaften immer stärker kritisch hinterfragt. Dieser Kritikansatz ergab sich zwangsläufig, da das Neutralitäts- und Paritätsverständnis zeitgleich deutliche Veränderungen durchlebte. Im Folgenden soll dieser grundlegende Verständniswandel hin zur „Neutralität" als Staatsprinzip kurz nachgezeichnet werden, weil es letztlich wohl die Aufwertung der Neutralität war, die auch die bis dahin herrschende Meinung bewog, von der „Koordinationslehre" stillschweigend abzurücken 39.

cc) Die Koordinationslehre vor dem sich wandelnden Neutralitätsverständnis Während in den fünfziger und Anfang der sechziger Jahren der Begriff der Neutralität noch eine die normative Rechtslage mehr begleitende, beschreibende oder allenfalls auch programmatisch-integrierende Funktion 40 hatte, erfuhr die weltanschaulich-religiöse Neutralität im Jahr 1965 durch die staatskirchenrechtlichen 35

Zippelius, Kirche und Staat und die Einheit der Staatsgewalt, in: ZevKR 9, S. 46. 6 Fuß, Kirche und Staat unter dem Grundgesetz, in: DÖV 1961, S. 737.

3

37

Vgl. auch die sehr grundsätzliche und ausführliche Arbeit von Scheffler,

Staat und Kir-

che. 38

Mikat, Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Bundesrepublik, S. 15. Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 15 f. 40 So noch Hesse, in EvStL, 1. Auflage 1966, Art. Kirche und Staat, Sp. 920 f.; Mikat, Kirche und Staat in nachkonziliarer Sicht, in: Staat und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Quaritsch, Weber H., S. 439; Ridder, Kirche. Staat. Rundfunk. Grundsatzfragen ihrer Rechtsbeziehungen in der Bundesrepublik Deutschland; Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 11 ff. m. w. N. 39

88

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 41 eine überraschende Aufwertung: Sie wurde nun zum Rechtsbegriff, aus dem selbständig Forderungen gezogen werden konnten. Der Begriff „Neutralität", dem zunächst nur beschreibende Hilfsfunktion zugesprochen wurde, verselbständigte sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und wurde schließlich im „Lumpensammlerfall" 42 zum Rechtssatzbegriff erhoben 43. Diese Vorgaben des Verfassungsgerichts nahm die Literatur schnell auf. Es wurde von der „normativen Funktion der Neutralität" 44 , vom „Gebot der Neutralität", der „Verpflichtung des Staates zur Neutralität" oder von der „Verfassungsentscheidung zur weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates"45 gesprochen. Konrad Hesse46 schließlich erhebt die weltanschauliche Neutralität in den höchsten verfassungsrechtlichen Rang: Als Grundelement objektiver 47 demokratischer und rechtsstaatlicher Ordnung begründe die Glaubens-, Bekenntnis-, und Kultusfreiheit die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates als Voraussetzung eines freien politischen Prozesses und als Grundlage heutiger Rechtsstaatlichkeit. Damit geht Hesse keinesfalls über die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes hinaus. Wenn das Gericht etwa in seinem Urteil vom 14. Dezember 196548 ausführt, dass das Grundgesetz durch die Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG dem Staat als Heimstatt aller Staatsbürger ohne Ansehen der Person 49 weltanschaulich-religiöse Neutralität auferlege, etabliert es neben dem individuellen Grundrechtsschutz der Person ein davon unabhängiges Staatsprinzip 50. Alexander Hollerbach, der sich hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückhaltend äußert 51, spricht in Bezug auf die 41 BVerfGE 18, 385 (386); BVerfGE 19, 1 ff., 129 ff., 206 (216), 226 ff., 242 ff., 248 ff., 253 ff., 268 ff., 282 ff., 288 ff. 42 BVerfGE 24, 236 (246 f.). 43 Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 12 f.; E. Stein, Zur staatskirchenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Juristenjahrbuch 8. Bd., 1967/68, S. 126. 44 F. Müller, Christliche Gemeinschaftsschule und weltanschauliche Neutralität des Staates, DÖV 1969, S. 443. 45 Umfangreiche Nachweise bei Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 13 (Fn. 43,44,45); vgl. auch Winter, Staatskirchenrecht, S. 59 ff. 46 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 382, 159 ff., 204. 47 Hervorhebung durch Hesse. 48 BVerfGE 19, 206 (216). 49 Hervorhebung durch den Verfasser. so Vgl. hierzu ausführlicher: Nolte, Das Kreuz mit dem Kreuz, in: JÖR 48. Bd., 2000, S. 87 (109 ff.), wo die Konsequenzen der Neutralität als unabhängiges Staatsprinzip am Beispiel des Streites um das Schulkreuz aufgezeigt werden. 5i Hollerbach, Das Staatskirchenrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 92. Bd., 1967, S. 115.

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weltanschauliche, religiöse und konfessionelle Neutralität des Staates von einem „objektiven Konstitutionsprinzip" 52. An anderer Stelle 53 vertritt er die Ansicht, dass die Grundlagen der staatskirchenpolitischen Ordnung den Rechtsstaat des Grundgesetzes so sehr prägten, dass sie zumindest in ihrem Kern den Unantastbarkeiten des Art. 79 Abs. 3 GG zuzurechnen seien, über die auch der Verfassungsgesetzgeber nicht legaliter verfügen könne. Der freiheitliche Rechtsstaat des Grundgesetzes sei ohne Gewährung der Glaubens-, Gewissens-, und Religionsfreiheit ebenso wenig denkbar wie ohne das Verbot des „Establishment" beziehungsweise ohne das Gebot weltanschaulicher und konfessioneller Neutralität und Parität. Wenn Hollerbach Neutralität und Parität im selben Zusammenhang nennt, weist dies darauf hin, dass der sich neutral verhaltende Staat alle Religionsgemeinschaften nach denselben Maßstäben zu behandeln hat. Während sich die „Neutralität" erst unter dem Grundgesetz nach und nach zum Rechtssatz und Staatsprinzip herausgebildet hat, gehört das „Prinzip der Parität" bereits seit der Reformation zu den Grundsätzen des deutschen Verfassungsrechts 54. Im Verband mit der Neutralität verbietet das Prinzip der Parität heute die rechtliche Bevorzugung bestimmter Bekenntnisse oder Religionsgemeinschaften. Positiv gebietet die Parität Gleichrang und Gleichbehandlung verschiedener Bekenntnisse und Bekenntnisgemeinschaften 55. Eine völlig gleiche - im Sinne von identischer - Behandlung aller Religionsgemeinschaften geht jedoch am Neutralitäts- und Paritätsverständnis des Grundgesetzes vorbei. Der deutsche Staat muss sich gerade nicht indifferent und laizistisch unduldsam gegenüber den Religions- und Weltanschauungen verhalten. Er ist nicht gezwungen, weltanschauliche Tatsachen zu ignorieren. Im Gegenteil ist ihm dies durch die grundgesetzliche Ordnung sogar untersagt. Vielmehr ist er dazu aufgerufen, seine Neutralität in der Offenheit gegenüber den in seinen Grenzen vertretenen Religionen und Weltanschauungen zu bewähren und seine Unabhängigkeit zu behaupten. Die Rechtsordnung ist „neutral", wenn sie den Staatsbürgern die Möglichkeit erhält, ihren religiös-weltanschaulichen Uberzeugungen auch im öffentlichen Leben soweit wie möglich Geltung zu verleihen. Infolgedessen wird das religiöse Faktum vom Staat nicht ignoriert 56 . „Neutralität" und „Parität", das haben die Ausführungen gezeigt, bedingen sich gegenseitig. „Neutralität" ohne „Parität" ist keine echte Neutralität, „Parität" ohne „Neutralität" macht keinen Sinn. Die zum Staatsprinzip aufgewertete „Neutralität" ist der „Parität" zur ebenbürtigen Schwester geworden, ohne die sie nicht länger sein kann. 52 Hollerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, VVStRL 26 (1968) S. 62. 53 Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, S. 124. 54 M. Heckel, Die religionsrechtliche Parität, in: HdbStKirchR I, S. 589 ff. 55 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 422. 56 Vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 422.

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Der auf diese Weise herausragend verpflichtete Staat kann also gar nicht anders, als die in seinem Staatsgebiet sich befindenden Religionsgemeinschaften paritätisch zu behandeln. Vor diesem Hintergrund wurde es immer schwieriger, die Lehre von der Koordination weiterhin zu vertreten. Die erhabene Position einer Gleichordnung war nur den Großkirchen zuerkannt worden. Nur sie sollten eigenständige, nicht vom Staat abgeleitete Herrschaftsgewalt besitzen, nicht allerdings die übrigen Religionsgemeinschaften. Ihnen wollte und konnte man nicht echte Gleichheit zum Staat zusprechen. Eine solche Ungleichbehandlung war nicht länger durchzuhalten, und so festigte sich immer weiter die Ansicht, dass die Kirchen, unbeschadet des ihnen durch Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Freiraumes, dem Staat eingegliedert, das heißt „subordiniert" seien. Diese Neuorientierung fand innerhalb kürzester Zeit statt. So hat etwa Hermann Weber die Koordinationslehre noch 1966 als herrschend bezeichnet, um dann nach der Staatsrechtslehrertagung 1967 festzustellen, dass bei den dortigen Verhandlungen zum Thema „Die Kirchen unter dem Grundgesetz" weder von den Referenten Martin Heckel und Hollerbach noch in der Diskussion die Koordination von Staat und Kirche vertreten worden sei 57 . Diese Unterordnung der Kirchen unter staatliche Gewalt bedeutete dabei keine Rückkehr in die Vorstellungswelt einer Kirchenaufsicht. Denn trotz der wörtlichen Rezeption in das Grundgesetz hat sich, wie bereits ausgeführt, der Aussagegehalt der aus der Weimarer Verfassung übernommenen Artikel angesichts ihrer „Einbettung in das gesamte Wertsystem des Grundgesetzes" gewandelt58.

dd) Von der Koordination zur Kooperation In den Nachkriegsjahren wurde, wie oben bereits angedeutet, das Staat-Kirche-Verhältnis vor allem unter dem Eindruck der unter der nationalsozialistischen Diktatur gemachten Erfahrungen diskutiert. Folglich wurde das Verhältnis von Kirche und Staat ausgehend vom durch den Kirchenkampf gestärkten kirchlichen Selbstverständnis bestimmt. Den großen Kirchen wurde eine vom Staat völlig unabhängige und damit auch exklusive Stellung eingeräumt. Sie wurden als dem Staat ebenbürtig angesehen und damit für ihn unantastbar gemacht. Dahinter stand offensichtlich der Wunsch, eine Wiederholung staatlicher Anmaßung gegenüber den Kirchen, wie im sogenannten „Dritten Reich" geschehen, durch „Waffengleichheit" (Kirchen als „souveräne und originäre Hoheitsgewalt") zu verunmöglichen. Obgleich wünschenswert, ging dieses Ansinnen mit Bedeutungszunahme kleinerer Religionsgemeinschaften an der „gesellschaftlichen 57 H. Weber, Weltlich wirksame Rechtsprechung der Kirchengerichte?, in: DVB1. 1970, S. 253; Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 16 m. w. N. 58 Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 16; ähnlich Obermayer, in: Bonner Kommentar (Zweitbearb.), Art. 140 GG Rdnr. 66, 70 f.

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Wirklichkeit" vorbei 59 . Es wurde deutlich, dass eine Verhältnisbestimmung von Staat und Kirche, allein aus der Perspektive des kirchlichen Selbstverständnisses, nicht gelingen konnte. Der Blick fiel auf das Grundgesetz selbst und es setzte sich die Ansicht durch, dass Ausgangspunkt aller staatskirchlichen Überlegungen das staatliche Recht, insbesondere die Verfassung sein müsse60. Nur als höchste Rechtsautorität und Entscheidungseinheit, die selbst bestimmen könne, was einem jeden - auch der Kirche - in der rechtlichen Ordnung gesellschaftlichen Lebens zukomme, könne der Staat seiner Aufgabe, „Hüter der gerechten Ordnung", „Wächter über dem missachteten Gesetz der Gerechtigkeit" 61 zu sein, nachkommen62. Es scheint zunächst, als würde sich diese Ansicht wieder dem überwunden geglaubten ausschließlich staatsbezogenen Denken annähern, nach dem das Verhältnis von Staat und Kirche als ein System der Uber- und Unterordnung (Subordination) verstanden wurde. Der Meinungsumschwung war aber alles andere als eine Rückwärtsbewegung, da gleichzeitig betont wurde, dass die Rede vom „Staat als souveränem Gemeinwesen" keineswegs ein Weiterschleppen , juristisch-positivistischer Vorstellungen vom Staat als Inhaber der Rechtshoheit" bedeute. Denn Souveränität müsse nicht denknotwendig unbegrenzt sein 63 . Während die Vertreter der „Koordinationlehre" sich gegenüber einem durch Subordination geprägten Staat-Kirche-Verständnis durch eine „eindimensionale Logik" abzugrenzen versuchten 64, besann man sich nun auf Humboldtsche Dialektik 6 5 , die auch bei Hölderlin zu finden ist:

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So auch die Einschätzung von: Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 17. 60 Böckenförde, Staat und Kirchen in der Bundesrepublik (Buchbesprechung), NJW 1968, S. 1322, der die dargestellte Entwicklung prägnant zusammenfasst; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 18 ff.; Scheuner, Wandlungen im Staatskirchenrecht, in: Stoodt/Scheuner, Staat und Kirche in der Bundesrepublik, S. 36. 61 62

Haug, Die Schranken der Verfassungsrevision, S. 64. H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts,

S. 19. 63 Fuß, Kirche und Staat unter dem Grundgesetz, in: DÖV 1961, S. 735; Wolf, Ordnung der Kirche, S. 150; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19. 64 Positionierten die Vertreter der Subordination die Kirche „unter" dem Staat, so behaupteten die Verfechter der „Koordinationslehre" ausgehend vom gestärkten kirchlichen Selbstverständnis, die Kirche stehe „neben" dem Staat. 65 H Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19 Fn. 16 bezieht sich mit seinem Verständnis von Staatssouveränität im Wesentlichen auf die Auffassungen von Haug, Die Schranken der Verfassungsrevision, S. 58 f., insbesondere 63 ff., 68 ff., 232 f., die wiederum auf Gedanken v. Humboldts zurückgehen (v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, S. 80, insbesondere 83, zur Dialektik: S. 165 ff.).

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„Du räumst dem Staate denn doch zuviel Gewalt ein. Er darf nicht fordern, was er nicht erzwingen kann. Was aber die Liebe gibt und der Geist, das lässt sich nicht erzwingen. Das lass' er unangetastet, oder man nehme sein Gesetz und schlag' es an den Pranger! Beim Himmel! Der weiß nicht, was er sündigt, der den Staat zur Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte. Die rauhe Hülse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen." 66

Damit sei dem Staat eine Grenze vorgezeichnet, jenseits derer seine Ordnungsmacht endet und eine - freilich enge - Kernzone unantastbarer Freiheitsrechte der einzelnen und der Gruppierungen der Gesellschaft beginne. Außerhalb dieses Bereiches aber sei der Staat Herr der Rechtsordnung. Im so umgrenzten Sinne stehe dem Staat auch die souveräne Verfügung über den Grenzbereich von Staat und Kirche zu 6 7 . Mit diesem dialektischen Verständnis vom Staat-Kirche-Verhältnis ist vor dem Hintergrund des damaligen Souveränitätsverständnisses 68 ein bemerkenswerter Durchbruch gelungen. Zwar wurde nunmehr staatliche Souveränität mit den Attributen „Einzigkeit" und „Einseitigkeit der Staatsgewalt"69 versehen. Gleichzeitig setzte sich aber auch die Erkenntnis durch, dass staatliche „Einzigkeit", also souveräne Staatsgewalt als höchste Gewalt 70 , nur dann verfassungsmäßige Verfassungswirklichkeit werden und bleiben kann, wenn sich der Staat seiner Grenzen selbst bewusst ist und bleibt und sich mit dem ihm (im eigenen Interesse) verschlossen bleibenden Bereich „aussöhnt"71. Der „reife Staat" hat „gelernt", mit den Tantalusqualen der angestrebten vollen Souveränität zu „leben". Arznei gegen die Tantalusqualen ist dabei das Mittel der Kooperation, mit dem der souveräne Staat und die mit religiösem Selbstbestimmungsrecht ausgestatteten Religionsgemeinschaften ihre Beziehungen zueinander regeln. Nach einer wechselvollen und durchaus völlig gegensätzlich verlaufenen Entwicklung hat sich damit in den sechziger Jahren ein Staat-Kirche-Verständnis herausgebildet, das nicht mehr nur auf die beiden christlichen Großkirchen be66 Hölderlin, Hyperion, S. 30 f. 67 H Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19 f., der sich ausdrücklich auch auf Krüger/Quaritsch/Scheuner, u. a. beruft. Zu den weiteren Nachweisen siehe H. Weber, a. a. O., S. 20 Fn 17. 68 Zur staatlichen Letztentscheidung als Ausdruck der inneren Souveränität sowie zur weiteren Entwicklung des Souveränitätsverständnisses vgl. ausführlich: Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, S. 90 ff. 69 Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 847 ff., 879 ff.; Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, in: HStR, Bd. I, § 15 Rdnr. 35 ff.; Dagtoglou, Souveränität, in: EvStL, 3. Auflage 1987, Bd. II, Spalte 3159 ff.

70 Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 851, unter Bezug auf das Souveränitätsverständnis Bodins. 71 Zu diesem dem Staat verschlossen bleibenden Bereich gehören selbstverständlich und zuallererst die Grundrechte, die staatlichem Handeln Grenzen setzen.

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schränkt bleibt. Das Verhältnis zwischen Staat und allen Religionsgemeinschaften ist nunmehr in der Bundesrepublik durch Kooperation gekennzeichnet. Wie stark miteinander kooperiert wird und ob die Kooperation so weit geht, dass miteinander Verträge ausgehandelt werden, wird von der Größe und Bedeutung der jeweiligen Religionsgemeinschaft und den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängen. Grundsätzlich aber ist festzuhalten, dass der Staat nicht nur hinsichtlich „öffentlich-rechtlicher" Religionsgemeinschaften zur Kooperation (bis hin zu Verträgen) berufen ist 72 . Denn gerade am Umgang des Staates mit kleineren Religionsgemeinschaften lässt sich ablesen, wie es um seine Souveränität bestellt ist 7 3 .

2. Landesebene Die eigentliche Fortentwicklung des Staatskirchenrechts seit 1945 geschah in den Bundesländern, zum einen durch die Länderverfassungen selbst, zum anderen durch Staatsverträge, die die Länder mit Religionsgemeinschaften abschlossen. Obgleich sich in den verschiedenen Landesverfassungen zum Teil recht deutliche Akzentverschiebungen 74 erkennen lassen, war aber der oben 75 erläuterte grundgesetzliche Rahmen immer Garant für ein einheitliches Staatskirchenrechtssystem in der Bundesrepublik Deutschland. Die Weiterentwicklung in den Ländern erfolgte sowohl landesverfassungsrechtlich als auch vertragsstaatskirchenrechtlich immer im Rahmen der grundgesetzlich vorgegebenen Bestimmungen.

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In diesem Sinne auch: Lehmann, Die kleinen Religionsgemeinschaften, S. 103. Anderer Ansicht ist noch J. Heckel, Melanchthon und das heutige deutsche Staatskirchenrecht, S. 85, ders., Kirchengut und Staatsgewalt, S. 108. 73 Die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften entlässt den Staat freilich nicht aus der Pflicht, in Grenzbereichen zwischen staatlicher und religiöser Sphäre im Sinne eines Interessenausgleichs auch Abwägungen vorzunehmen. Als Beispiel dazu sei auf das Schächten von Tieren hingewiesen. Ein auf Kooperation bedachter Staat respektiert allerdings religiöse Speisevorschriften und eröffnet entsprechenden Religionsgemeinschaften die Möglichkeit des Schächtens. Ein Staat, der seine Souveränität missversteht, könnte durch die ihm theoretisch zustehende Möglichkeit verleitet sein, das Schächten von Tieren grundsätzlich zu verbieten. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Schächten mit Ausnahmegenehmigung durch die zuständige Behörde gem. § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG i.d.F.d. Bkm. vom 18. 08. 1986 (BGBl. I S. 1320) möglich. Vgl. zur deutschen Situation m. w. N. auch v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 68 Fn. 37, sowie Winter, Staatskirchenrecht, S. 79. 74

Während etwa in den Verfassungen der Länder Bremen und Hessen deutliche Distanzierungstendenzen des Staates von den Kirchen zu finden sind, sprechen die Verfassungen von Bayern und Rheinland-Pfalz anerkennend über die Kirchen: so zum Beispiel Art. 41 Verfassung für Rheinland-Pfalz: „Die Kirchen sind anerkannte Einrichtungen für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens."; vgl. hierzu auch Süsterhenn/Schäfer, Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 50 ff.; ausführliche Übersicht in: Hesse, Die Entwicklung des Staatskirchenrechts seit 1945, S. 15 ff. 75

Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1.

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Neben den durchaus unterschiedlich akzentuierten Bestimmungen der einzelnen Landesverfassungen zum Staat-Kirche-Verhältnis ergeben sich weitere inhaltliche Unterschiede im Verhältnis der Länder zu den Religionsgemeinschaften aus den konkret abgeschlossenen Verträgen. Dabei stehen die Konkordate und die Kirchenverträge mit den beiden großen christlichen Kirchen zwar im Vordergrund 76 , dennoch haben auch einzelne Bundesländer mit kleineren Religionsgemeinschaften Verträge über die Regelung der sogenannten „res mixtae" abgeschlossen77. Der Freistaat Bayern schloss 1987 mit der Altkatholischen Kirche eine Vereinbarung über den Religionsunterricht 78. Bereits 1970 hatten Niedersachsen und die Freireligiöse Landesgemeinschaft die wichtigsten „res mixtae" vertraglich geregelt 79. 1987 folgte eine Vereinbarung über Staatsleistungen an die Evangelisch-methodistische Kirche in Nordwestdeutschland80. NordrheinWestfalen und die Griechisch-orthodoxe Kirche trafen 1985 eine Vereinbarung über den Religionsunterricht 81. Das Land Niedersachsen, das immer schon eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet des Vertragsstaatskirchenrechts inne hatte 82 , schloss als erstes Bundesland bereits 1960 mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen e.V. einen Vertrag über die Zahlung eines Landeszuschusses83. Die Vereinbarung, die 1971 zwischen dem Senat von Berlin und dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin getroffen wurde, umfasste dagegen bereits eine ganze Reihe von „ge76

Dokumentiert sind diese Verträge bei: Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland; Listi, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland; W. Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart. 77 Hollerbach, Grundlagen des Staatskichenrechts, in: HStR Bd. V I § 138 Rdnr. 58. 78 Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und der Altkatholischen Kirche in Bayern vom 22. Oktober 1986/28.April 1987 über die Pauschalvergütung für die Erteilung des Religionsunterrichts; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band, S. 616 f. 79 Vertrag zwischen dem Lande Niedersachsen und der Freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsens vom 8. Juni 1970; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, S. 193. 80 Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und der Evangelisch-methodistischen Kirche in Nordwestdeutschland vom 26. Januar 1978; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchen Verträge in der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, S. 200. 81 Vereinbarung zwischen der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland und der Unterrichtsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 3. Juli 1985; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, S. 394. 82 Der Niedersächsischen Kirchen vertrag von 1955 (sog. Loccumer Vertrag) wurde in den folgenden Jahren zum Vorbild für eine ganze Reihe weiterer evangelischer Kirchenverträge. Vgl. auch: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 55 f. 83 Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen e.V.; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchen vertrage in der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, S. 191.

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meinsam interessierenden Fragen" 84. Obgleich diese Vereinbarung von ihrem Regelungsumfang her durchaus mit den Konkordaten und Kirchenverträgen vergleichbar war, wurde sie, ebenso wenig wie der niedersächsische Vertrag, als ratifizierungsbedürftiger Staatsvertrag angesehen. Sie wurden als „Regierungsvereinbarungen" den Parlamenten lediglich mitgeteilt. Erst in den achtziger Jahren wurden die dann geschlossenen Verträge mit den israelitischen Religionsgemeinschaften aufgewertet und die Gleichstellung der jüdischen Gemeinschaft mit den großen christlichen Kirchen bewusst betont 85 . Auch in diesem Zusammenhang nahm das Land Niedersachsen durch den Vertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachen vom 28. Juni 1983 86 wieder eine führende Rolle ein. Weitere „Vollverträge" mit Jüdischen Landesverbänden oder Jüdischen Gemeinden wurden 1986 in Hessen87, 1992 in Nordrhein-Westfalen 88 und 1993 in Berlin 89 abgeschlossen. Der ebenfalls 1993 in Hamburg geschlossene Vertrag 90 stimmt zwar im Wesentlichen mit dem hessischen Vertragstext überein, wurde aber nicht als Staatsvertrag ratifiziert. Nach der deutschen Wiedervereinigung kam es auch in den neuen Ländern zu Verhandlungen mit den israelitischen Religionsgemeinschaften. Während in den Ländern Sachsen-Anhalt91, Sachsen92'93 und Mecklenburg-Vorpommern 94 „Voll84 Vereinbarung zwischen dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dem Senat von Berlin zur Regelung gemeinsam interessierender Fragen vom 8. Januar 1971; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band, S. 712 ff. 85 Vgl. auch: Vulpius, Verträge mit der Jüdischen Gemeinschaft in den neuen Ländern, in: NVwZ 1996, S. 761. 86 Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachen vom 28. 6. 1983.; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchen Verträge in der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, S. 184 ff. 87 Vertrag zwischen dem Land Hessen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen vom 11. November 1986.; dokumentiert in: Listi, Die Konkordate und Kirchen Verträge in der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band, S. 860. 88 Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, dem Landesverband der Jüdischen Kultusgemeinden von Westfalen und der Synagogen-Gemeinde Köln vom 1. 12. 1992 (GVB1. NRW 1993, S. 314 ff.). 89 Staatsvertrag über die Beziehungen des Landes Berlin zur Jüdischen Gemeinde zu Berlin vom 8. 2. 1994 (GVB1. Berlin 1994, S. 67 ff.). 90 Vertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg vom 22. 11. 1993; Nachweis bei Vulpius, Verträge mit der Jüdischen Gemeinschaft in den neuen Ländern, in: NVwZ 1996, S. 761 Fn. 31. 91

Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit der Jüdischen Gemeinschaft in Sachsen-Anhalt vom 23. 3. 1994 (GVB1. Sachsen-Anhalt 1994, S. 794). 92 Vertrag des Freistaates Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden vom 7. 6. 1994 (Sächsisches GVB1. 1994, S. 1346). 93 Zum Vertrag in Sachsen-Anhalt vgl. ausführlich: Vulpius, Der Vertrag des Landes Sachsen-Anhalt mit der Jüdischen Gemeinde Sachsen-Anhalt, in KuR 120, S. 25 ff.

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vertrage" abgeschlossen wurden, entschied man sich in Thüringen 95 für einen reinen Finanzierungsvertrag. In Brandenburg wurden nach Auskunft des Kultusministeriums im Jahre 1997 Verhandlungen aufgenommen 96, die jedoch bis heute noch zu keinem Vertrag geführt haben97.

3. Baden-Württemberg a) Gesetzlicher Rahmen Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg enthält in den Art. 4 bis Art. 10 einen eigenen Abschnitt über „Religion und Religionsgemeinschaften" 98. Art. 4 Abs. 1 der baden-württembergischen Landesverfassung bestimmt, dass sich die Kirchen und die „anerkannten" Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Erfüllung ihrer religiösen Aufgaben frei von staatlichen Eingriffen entfalten. Mit dieser Grundsatznorm über das Verhältnis des Staates zu den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wird an Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV angeknüpft. Damit ist das tragende Element des deutschen Staatskirchenrechts, nämlich das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, nicht nur grundgesetzlich, sondern auch landesverfassungsrechtlich abgesichert 99. Etwas missverständlich ist der Verfassungswortlaut, wenn von „anerkannten" Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften die Rede ist. Wie bereits oben 100 angedeutet, kennt das deutsche Staatskirchenrecht kein Anerkennungs- oder Konzessionssystem mehr. Spätestens mit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes war auch dem vermeintlich besonderen Typus der „anerkannten" Religionsgemeinschaft der Boden entzogen101. Dies ergibt nicht zuletzt ein Vergleich mit dem 94 Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juni 1996 (GVB1. MecklenburgVorpommern 1996, S. 557 ff.). 95 Vertrag zwischen dem Freistaat Thüringen und der Jüdischen Landesgemeinde Thüringens vom 1.11. 1993 (GVB1. Thüringen 1993, S. 758; Bekanntmachung über das Inkrafttreten: GVB1. Thüringen, 1994, S. 90). 96 So: Vulpius, Verträge mit der Jüdischen Gemeinschaft in den neuen Ländern, in: NVwZ 1996, S. 761. 97 In den Gesetzes- und Verordnungsblättern des Landes Brandenburg wurde bis Ende 1999 kein Vertrag bekannt gemacht. 98 Die Artikel 4 bis 10 der baden-württembergischen Landesverfassung sind im Wortlaut im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. 99 Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 2. 100 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1., b). 101

Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 22; a.A. Besch, Der Begriff der anerkannten Religionsgemeinschaft, V. Abschnitt, S. 93 ff., der ausführlich auf die historischen Entstehungsumstände des Art. 4 der baden-württembergi-

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Wortlaut des Art. 5 der baden-württembergischen Landesverfassung, der ebenfalls von „anerkannten" Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften spricht, gleichzeitig aber auch für das Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften auf Art. 140 GG verweist. Da Art. 140 GG in den inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung gerade nicht zwischen „anerkannten" und „nicht anerkannten" Religionsgemeinschaften unterscheidet, muss von einem redaktionellen Versehen gesprochen werden. Diese Problematik wurde bei den Verfassungsberatungen nicht klar erkannt. In Art. 4 Abs. 1 der baden-württembergischen Landesverfassung wurde deshalb eine alte Terminologie unbedacht fortgeführt 102 . Dem Adjektiv „anerkannt" kommt unter dem heutigen staatskirchenrechtlichen System keine Bedeutung zu 1 0 3 ; es kann somit getrost überlesen werden 104 . Damit erübrigt sich auch die Frage, welche der kleineren Religionsgemeinschaften vom Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 der baden-württembergischen Landesverfassung als „anerkannte" erfasst sein könnten. Mithin können sich alle Religionsgemeinschaften, egal wie groß, bedeutend oder alt sie sind, im Hinblick auf ihr religiöses Selbstbestimmungsrecht auch auf die baden-württembergische Landesverfassung berufen. In diesem Sinne ist auch Art. 4 Abs. 2 der baden-württembergischen Landesverfassung auszulegen, der die Bedeutung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens anerkennt. Das Land Baden-Württemberg bekennt sich zur der allgemeinen staats- und gesellschaftspolitischen Bedeutung105 aller auf seinem Staatsgebiet bestehenden Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Art. 6 der baden-württembergischen Landesverfassung garantiert allen Religionsgemeinschaften, unabhängig davon, ob sie öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Status haben, sich auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege betätigen zu können 106 . Entgegen dem Wortlaut des Art. 9 der baden-württembergischen Landesverfassung sind nicht nur die Kirchen berechtigt, für die Ausbildung der Geistlichen sehen Landesverfassung eingeht und hinsichtlich der Rechtsstellung „anerkanner" und „nicht anerkannter Religionsgemeinschaften" einen Unterschied meint ausmachen zu können. 102 Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 22. 103 Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 6. 104 So auch: Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 23, der der Ansicht ist, man dürfe Art. 4 Abs. 1 Landesverfassung „so lesen, als wäre „anerkannt" nicht geschrieben". 105 Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 27. 106 Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 6 Rdnr. 4; einschränkend: Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 6 Rdnr. 5, der die Garantie der freien Wohlfahrtspflege nur auf solche Religionsgemeinschaften ausgedehnt wissen will, die nach ihrem Selbstverständnis die Wohlfahrtspflege als ein Element der Religionsausübung verstehen. 7 Nolte

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Konvikte und Seminare zu errichten und zu führen. Die Bestimmung ist eine ergänzende verfassungsrechtliche Gewährleistung zum Selbstbestimmungsrecht, das allen Religionsgemeinschaften nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und auf Grund von Art. 5 der baden-württembergischen Landesverfassung zusteht. Auch kleinere Religionsgemeinschaften können, durch die Landesverfassung zusätzlich geschützt, eigene Einrichtungen für die Ausbildung ihrer Religionsdiener gründen und unterhalten, die nicht zwangsläufig spezifischen Hochschulcharakter aufweisen müssen107. Damit ist auch die Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg vom speziellen Schutzbereich des Art. 9 der baden-württembergischen Landesverfassung umfasst 108 . Während die bislang angesprochenen verfassungsrechtlichen Garantien auch für kleinere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gelten, beziehen sich die Bestimmungen der Art. 7 (Staatsleistungen) und Art. 10 (Besetzung theologischer Lehrstühle) der baden-württembergischen Landesverfassung nur auf die beiden großen christlichen Kirchen. Aus Art. 7 der baden-württembergischen Landesverfassung können kleinere Religionsgemeinschaften keine Ansprüche auf Staatsleistungen ableiten. Ursache und rechtlicher Grund der wiederkehrenden Leistungen des Landes ausschließlich an die evangelische und katholische Kirchen, waren verschiedene Verstaatlichungs- und Säkularisierungsmaßnahmen des württembergischen, in geringerem Maße auch des badischen Staates109. Das Land Baden-Württemberg erbringt jedoch über die verfassungsrechtlich gewährleisteten Staatsleistungen in eigentlichen Sinne hinaus auch an kleinere Religionsgemeinschaften finanzielle Leistun-

b) Verträge in Baden-Württemberg In Baden-Württemberg gewährleistet Art. 8 der Landesverfassung, dass Rechte und Pflichten, die sich aus Verträgen mit der evangelischen und katholischen Kirche ergeben, von der Verfassung selbst unberührt bleiben. Diese Kollisionsnorm stellt im Hinblick auf die fünf zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verfassung abgeschlossenen Kirchenverträge 111 fest, dass im Falle eines Normenkonfliktes 107

Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 9 Rdnr. 12 f. Im Einzelnen zur Hochschule für jüdische Studien vgl. auch unten unter: Sechstes Kapitel, Α., II. 109 Vgl. auch: Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 7 Rdnr. 3 ff. 108

110 Eine Übersicht über die bedachten kleineren Religionsgemeinschaften, unter denen sich auch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens befindet, bei: Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 7 Rdnr. 35. 111 Eine Aufstellung der Verträge bei: Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 8 Rdnr. 3; vgl. ausführlich mit genauen Nachweisen: Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, S. 29-32 und 43-45.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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zwischen dem Vertragsrecht und sonstigen Bestimmungen der Verfassung die Vertragsbestimmungen als lex specialis vorrangig anwendbar sind 112 . Obwohl sich der Wortlaut des Art. 8 der baden-württembergischen Landesverfassung nicht nur auf die bereits geschlossenen Verträge bezieht, muss diese Bestimmung aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte (der Verfassungsgeber hatte insbesondere die problematische Situation des Reichskonkordates vor Augen) mit Blick auf künftige Staatsverträge mit Religionsgemeinschaften einschränkend interpretiert werden 113 . Art. 8 der baden-württembergischen Landesverfassung steht Verträgen mit kleineren Religionsgemeinschaften aber auch nicht im Wege. Bislang hat das Land BadenWürttemberg ganz im Gegensatz zu anderen oben genannten Bundesländern 114 jedoch noch keine Verträge mit kleineren Religionsgemeinschaften abgeschlossen.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz im Allgemeinen und im Kanton Basel-Stadt im Speziellen (jeweils im Vergleich zur deutschen Rechtslage) I. Gesetzlicher Rahmen auf Bundesebene Die staatskirchenrechtliche Situation der Schweiz ist weit weniger einheitlich als diejenige in der Bundesrepublik Deutschland. Die schweizerische Bundesverfassung legt zwar auch einige staatskirchenrechtliche „Standards" fest, wie etwa das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 Bundesverfassung von 1999; resp. Art. 49 Abs. 1 Bundesverfassung von 1874) 115 ' 1 1 6 , die Kultusfreiheit 1 1 7 (Art. 15 Abs. 2 Bundesverfassung von 1999; resp. Art. 50 Abs. 1 Bundes112

Höllerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 8 Rdnr. 8. Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 7 Rdnr. 35. h 4 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 2. 115 Die religionsrechtlich relevanten Artikel der Bundesverfassung von 1874 sowie der neuen Bundesverfassung von 1999 sind im Wortlaut im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. 116 Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 123 ff.; Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 269 ff. 117 Zwar lässt sich weder aus Art. 15 Abs. 2 Bundesverfassung von 1999 noch aus dem Wortlaut des Art. 50 Abs. 1 Bundesverfassung von 1874 entnehmen, dass auch religiöse Korporationen unter einem grundrechtlichen Schutz stehen. In dieser Frage bestand denn auch lange Zeit Unklarheit. Hatte das Bundesgericht die Kultusfreiheit religiöser Korporationen in einem frühen Entscheid (BGE 36 (1910) I 374 Erw. 2 (S. 377)) bejaht, lehnte es eine solche kurz danach pauschal und ohne Begründung ab (BGE 43 (1917) I 151 Erw. 4 (S. 161)). Später ließ das Bundesgericht die Frage offen (BGE 49 (1923) I 356 Erw. 1 (S. 364)). Erst Anfang der siebziger Jahre anerkannte das Gericht in aller Deutlichkeit: „Die Neuapostolische Kirche kann sich als Religionsgemeinschaft auf die in Art. 50 gewährleistete Kultusfreiheit berufen" (BGE 97 (1971) I 221 Erw.3c (S. 227)). Seitdem festigte sich die Rechtssprechung 113

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

Verfassung von 1874), die Parität als religionsrechtliche Gleichheit 118 , das Verbot von Strafen wegen Glaubensansichten (in Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 mitenthalten; resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874;) 119 oder die Neutralitätspflicht und das Toleranzgebot in öffentlichen Schulen (Art. 15 Abs. 1 und Abs. 4 Bundesverfassung von 1999; resp. Art. 27 Abs. 3 Bundesverfassung von 1874) 120 . Dennoch unterscheiden sich die staatskirchenrechtlichen Systeme in den Kantonen untereinander deutlich, was auf die kantonale Kirchenhoheit zurückzuführen ist. Gemäß Art. 72 Abs. 1 der Bundesverfassung von 1999 sind die Kantone für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat zuständig. In der Bundesverfassung von 1874 ergab sich die kantonale Kirchenhoheit aus Art. 3, der die „Souveränität 4'121 der Kantone immer dann garantierte, wenn sie nicht durch die Bundesverfassung selbst beschränkt wurde. Im Hinblick auf die Gestaltung des staatskirchlichen Systems sah die Bundesverfassung von 1874 keine Beschränkung vor. Gemäß Art. 42 i.V.m. Art. 3 der Bundesverfassung von 1999 erfüllt der Bund (nur) die Aufgaben, die ihm die Bundesverfassung zuweist. Damit liegt die generelle Gesetzgebungskompetenz bei den Kantonen 122 , die gemäß Art. 43 selbst bestimmen, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten erfüllen. Da die Bundesverfassung dem Bund im Hinblick auf das Staat-Kirche-Verhältnis keine Kompetenz zuschreibt, bleibt es bei der Zuständigkeit der Kantone. Insofern kommt Art. 72 Abs. 1 der Bundesverfassung von 1999, der ausdrücklich die kantonale Zuständigkeit für die Verhältnisbestimmungen zwischen Kirche und Staat hervorhebt, lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Infolgedessen unterscheiden sich die einzelnen kantonalen Zuordnungsmodelle erheblich voneinander. Sie reichen von institutioneller Einheit bis hin zu weitgehender Trennung von Staat und Kirchen. Allen Varianten, ausdrücklich auch den des Bundesgerichts dahingehend, dass sich ausnahmsweise auch privatrechtlich organisierte juristische Personen auf die Kultusfreiheit des Art. 50 BV berufen können, wenn sie nach ihren Statuten ein religiöses oder kirchliches Ziel verfolgen (BGH 116 (1990) Ia 257 Erw. 5a, 971 120 Erw. 3a; BGE 118 (1992) Ia 46 Erw. 3b (S. 52)). Dagegen ist nach wie vor fraglich, ob sich auch öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften auf das korporative Selbstbestimmungsrecht berufen können, da sie aufgrund der öffentlich-rechtlichen Anerkennung zumindest teilweise selbst als Träger staatlicher Hoheitsgewalt in Erscheiung treten. Das Bundesgericht bejaht jedenfalls dann die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde, wenn sich eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft auf die ihr vom Kanton gewährte Autonomie beruft oder wenn sie sich auf dem Boden des Privatrechts bewegt; vgl. hierzu ausführlich: F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grundund Menschenrechte, S. 69 ff. m. w. N. auch auf die Bundesgerichtsrechtsprechung sowie unten unter: Zweites Kapitel, B., III., 2.,b).; F. Hafner, Staatskirchenrecht im Spannungsfeld, in: Loretan (Hrsg.), Kirche - Staat im Umbruch, S. 43. 118

Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, S. 5. J. P. Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 97. 120 y. R Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 82 ff. 119

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„Souveränität" hier im Sinne von „Autonomie". •22 Bekräftigend steht in Art. 47 Bundesverfassung von 1999: „Der Bund wahrt die Eigenständigkeit der Kantone".

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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beiden deutlichsten Trennungsmodellen in den Kantonen Genf und Neuenburg, ist jedoch gemeinsam, dass sie weder durch Feindschaft noch durch Indifferenz, sondern durch Partnerschaft gekennzeichnet s i n d 1 2 3 .

II. Das Staat-Kirche-Verhältnis 1. Geschichtliche Unterschiede zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland I m Vergleich zur deutschen Diskussion über die Verhältnisbestimmung von Staat und Kirchen ist i m Hinblick auf die Schweizer Staatskirchenrechtslehre bemerkenswert, dass dort die in Deutschland lange vertretene „Koordinationstheorie" kaum Anhänger gefunden h a t 1 2 4 . Wie bereits oben ausführlich dargestellt wurd e 1 2 5 , muss die Entstehung der „Koordinationslehre" in Deutschland klar vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime gesehen werden. Die junge Bundesrepublik Deutschland war, was Fragen staatlicher Souveränität oder staatlicher Macht anging, zunächst noch schwach und berechtigterweise vorsichtig. Da ein ausschließlich staatsbezogenes Denken als überwunden angesehen 126 wurde, lehnte man in Bezug auf das Verhältnis von Staat zur Kirc h e 1 2 7 ein System der Über- und Unterordnung (Subordination) oder der Einordnung der Kirche in die vom Staat aufgestellte Rechtsordnung kategorisch ab. So 123

F. Hafner, Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 231 f.; an dieser Stelle ist die Darstellung bei v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 387, der von „laizistischer Ausgrenzung der Religion" spricht, jedenfalls insofern ungenau, als dass der Eindruck einer aktiven staatlichen Ausgrenzung der Religion aus dem staatlichen Bereich entsteht. Sowohl in Genf als auch in Neuenburg beruht das Trennungssystem keineswegs auf einem von gegenseitiger Feindschaft gekennzeichneten Abbruch der Beziehungen, sondern stellt geschichtlich vielmehr einen Akt religions- und konfessionspolitischer Vernunft dar. In Genf hat sich, was eindeutig für eine partnerschaftliche Trennung spricht, der Staat bereit erklärt, die fakultative Kirchensteuer einzuziehen (jedoch unter Verzicht der Zwangsvollstreckung). Im Einzelnen hierzu: Fatio, Une Eglise nationale séparée de l'Etat depuis 1907, in: Schindler (Hrsg.), Kirche und Staat, S. 138 ff.; Rothenbücher, Die Trennung von Staat und Kirche, S. 387 sowie F. Hafner, Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 242 ff. 124 Diese Einschätzung teilt: Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 203. 125 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1., b), cc). 126 Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 145; W. Weber, Die Gegenwartslage des Staatskirchenrechts, in: VVDStRL Heft 11 (1954), S. 173 sieht die beiden Kirchen in einem politischen Gemeinwesen stehen, in dem nicht mehr eine Kraft, nämlich der „Staat", den Bereich der öffentlichen Ordnung beherrsche, sondern in dem diese öffentliche Ordnung vielmehr aufgegliedert sei und mehrere oder viele Herren habe. 127 Damals wurde weitgehend ausschließlich über das Verhältnis zwischen Staat und den beiden großen Volkskirchen diskutiert. Die Bedeutung kleinerer Religionsgemeinschaften wurde erst später erkannt und gewürdigt.

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

konnten die Vertreter der „Koordinationstheorie", unterstützt durch die damals noch in der deutschen Bevölkerung stark verankerte kirchenfreundliche Haltung, die These von der „Gleichordnung" oder „Zuordnung" von Kirche und Staat formulieren. Da in der Schweiz ganz andere geschichtliche Erfahrungen gemacht worden waren, wurde im Gegensatz zur deutschen Diskussion die Deutung des Staat-Kirche-Verhältnisses als Koordination zweier souveräner Partner ausdrücklich verworfen 128 . Auch von katholischer Seite wurde anerkannt, dass dem Staat prinzipiell die Kompetenz-Kompetenz zukomme und die Kirchenfreiheit damit Gegenstand rechtlicher, genauer: staatskirchenrechtlicher Regelung sei 1 2 9 . In der Bundesrepublik Deutschland kam man in den späten fünfziger Jahren von der „Koordinationslehre" ab und vertrat nun die Lehre von der Kooperation. Ein solcher Ansatz klingt auch in der schweizerischen Lehre an, wenn von „Kirche und Staat in demokratischer Verbindung" 130 , „Partnerschaft" 131 oder „ethischer Gleichordnung der Kirchen mit dem Staat" 132 gesprochen wird. Wie oben bereits ausführlich erläutert 133 , war der Meinungsumschwung in Deutschland von der „Koordination" zur „Kooperation" alles andere als eine Rückwärtsbewegung, da gleichzeitig betont wurde, dass die Rede vom „Staat als souveränem Gemeinwesen" keineswegs ein Weiterschleppen „juristisch-positivistischer Vorstellungen vom Staat als Inhaber der Rechtshoheit" bedeute. Denn Souveränität müsse nicht denknotwendig unbegrenzt sein 134 . Es war davon die Rede, dass sich die Vertreter der „Koordinationlehre" gegenüber einem durch Subordination geprägten Staat-Kirche-Verständnis durch eine „eindimensionale Logik" abzugrenzen versuchten 135, sich die Anhänger der „Kooperationslehre" hingegen auf Humboldtsche Dialektik 136 besannen. 128 Zuletzt: Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 59, der sich ausdrücklich von der frühen deutschen Auffassung distanziert. 129 Cavelti, Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im schweizerischen Staatskirchenrecht, S. 11; Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 203. 130 Fuchs, Aus der Praxis eines Kirchenjuristen in der Zeit ökumenischer Begegnung, S. 296. 131 Fuchs, Aus der Praxis eines Kirchenjuristen in der Zeit ökumenischer Begegnung, S. 113. 132 Cavelti, Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im schweizerischen Staatskirchenrecht, S. 11, der damit einen Gedanken von Sohm, Das Verhältnis von Staat und Kirche, in: ZfKR Bd. 11, S. 168 ff. (171) aufgreift. 1 33 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1., b), dd). 134 Fuß, Kirche und Staat unter dem Grundgesetz, in: DÖV 1961, S. 735; Wolf, Ordnung der Kirche, S. 150; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19. 13 5 Positionierten die Vertreter der Subordination die Kirche „unter" dem Staat, so behaupteten die Verfechter der „Koordinationslehre" ausgehend vom gestärkten kirchlichen Selbstverständnis, die Kirche stehe „neben" dem Staat. 136 H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19 Fn. 16.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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Zwar findet sich in der Staatskirchenlehre der Schweiz kein ausdrücklicher Bezug zu Humboldtscher Dialektik, dennoch sind die neueren Ansichten in einem dialektisch verstandenen Souveränitätsdenken verwurzelt. Wenn etwa Felix Hafner einerseits feststellt, dass der Staat sich nicht von den Kirchen „zum Guten" zwingen lassen dürfe, und andererseits davon spricht, dass das Zusammenwirken von Kirche und Staat im freiheitlich-pluralistischen Gemeinwesen im „rechten Maß" gegenseitiger Selbstbeschränkung geschehen müsse 137 , leuchtet dahinter ein dialektisches Verständnis staatlicher Souveränität auf: Der Staat, der zwar im Besitze der Höchstzuständigkeit ist, bleibt nur solange souverän, wie er sich auch im StaatKirche-Verhältnis selbst beschränkt. Diese Selbstbeschränkung ist kein Widerspruch zur staatlichen Souveränität. Vielmehr garantiert und etabliert sie staatliche Souveränität 138. Obwohl es unter anderem eine schweizerische Dissertation war, die in der deutschen Diskussion den Meinungsumschwung von der „Koordination" zur „Kooperation" im Sinne eines dialektischen SouveränitätsVerständnisses mitbewirkte 139 , stehen in der schweizerischen Staatskirchenlehre bei der Verhältnisbestimmung von Staat und Kirche eher pragmatische Argumente im Vordergrund 140.

2. Unterschiede in der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation Die Unterschiede zwischen schweizerischem und deutschem Staatskirchenrecht sind nicht allein auf die jeweils eigenen geschichtlichen Erfahrungen zurückzuführen. Auch die verfassungsrechtliche Ausgangssituation ist in beiden Ländern unterschiedlich. In Deutschland trug ganz wesentlich der Wortlaut der ins Bonner Grundgesetz inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung dazu bei, dass 137 F Hafner, Die Beteiligung der Kirchen an der politischen Gestaltung des pluralistischen Gemeinwesens, S. 151. 138 Vgl. ausführlich oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1., b), dd). 139 H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19 Fn. 16 bezieht sich mit seinem Verständnis von Staatssouveränität im Wesentlichen ausdrücklich auf die Auffassungen des Schweizers Haug, Schranken der Verfassungsrevision, S. 58 f., insbesondere 63 ff., 68 ff., 232 f., die wiederum auf Gedanken v. Humboldts zurückgehen (v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, S. 80, insbesondere 83, zur Dialektik: S. 165 ff.). 140

Diese Einschätzung teilt auch: Friederich, Kircheri und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 185; obgleich F. Hafner, Die Beteiligung der Kirchen an der politischen Gestaltung des pluralistischen Gemeinwesens, S. 151 vom Standpunkt dialektischen Souveränitätsverständnisses aus argumentiert, begründet er seine Forderung nach wechselseitiger Selbstbeschränkung im Staat-Kirche-Verhältnis damit, dass beide Seiten davon „profitierten": „Profitieren ( . . . ) die Kirchen vom Umstand, dass der Staat sie öffentlichrechtlich anerkennt, wird man von ihnen umgekehrt die Wahrnehmung ihres karitativen und sozialethischen Auftrags erwarten dürfen. Wirken indessen Kirchen bereits in hohem Maße gemeinwohlfördernd, so wird sie der Staat nicht als quantité négligeable betrachten können, sondern hat sie positiv zur Kenntnis zu nehmen."

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

sich zunächst die Vorstellung einer allein zulässigen Koordination von Staat und Kirchen zu bilden begann. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV: „Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde."

Bereits oben 141 wurde erwähnt, dass die herrschende Meinung 142 das aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV folgende „religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht" als „dritte Säule" der deutschen staatskirchenrechtlichen Ordnung ansieht. Es gilt für alle Religionsgemeinschaften unabhängig von ihrer rechtlichen Organisationform. Über den eigentlichen Wortlaut hinaus wird weithin die Meinung vertreten, die Verfassung räume den Religionsgemeinschaften nicht eine Art SelbstVerwaltung ein, sondern sie erkenne deren Selbstbestimmungsrecht, also ihre „gänzliche Freiheit von staatlicher Aufsicht und Bevormundung", an 1 4 3 . Dagegen stellten Art. 49 Abs. 4 und 5 sowie Art. 50 Abs. 2 und 4 der Bundesverfassung von 1874 den Vorrang des säkularen Rechts vor kirchlichen Vorstellungen und Vorschriften heraus 144 : Art. 49 Abs. 4 Bundesverfassung von 1874 „Die Ausübung bürgerlicher oder politischer Rechte darf durch keinerlei Vorschriften oder Bedingungen kirchlicher oder religiöser Natur beschränkt werden."

Art. 49 Abs. 5 Bundesverfassung von 1874 „Die Glaubensansichten entbinden nicht von der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten."

Art. 50 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874 „Den Kantonen sowie dem Bund bleibt vorbehalten, zur Handhabung der Ordnung und des öffentlichen Friedens unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgenossenschaften sowie gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Rechte der Bürger und des Staates die geeigneten Massnahmen zu treffen."

Art. 50 Abs. 4 Bundesverfassung von 1874 „Die Errichtung von Bistümern auf schweizerischem Gebiete unterliegt der Genehmigung des Bundes."

Es fällt auf, dass die religiösen Grundrechte, von denen auf die Konzeption des staatskirchenrechtlichen Systems geschlossen wird, in der Schweiz bereits durch 141 Zweites Kapitel, Α., III., 1. 142

Statt vieler und m. w. N.: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 105 ff. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 106. 144 Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 203 Fn. 123. 143

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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den insoweit unmissverständlichen Wortlaut der Verfassung von 1874 selbst in starkem Maße eingeschränkt wurden. Die Betonung der Vorrangstellung staatlichen Rechts i n der Bundesverfassung von 1874 hat historische Gründe. Die Formulierung der Garantie der Religionsfreiheit in der Bundesverfassung von 1874 ist geprägt von der politischen und konfessionellen Situation, wie sie bei Gründung des Bundesstaates 1848 und bei der Totalrevision der Verfassung 1874 bestand. Die großen konfessionellen Gegensätze vor Augen, wollte man bei den Verfassungsberatungen über die Religionsfreiheit von 1848 in erster Linie zu einer Sicherung des Religionsfriedens gelangen. Dementsprechend rückte bei der Formulierung die Garantie des Individualrechts auf Religionsfreiheit in den Hintergrund 1 4 5 . Zwar betont die Bundesverfassung von 1999 nicht mehr so deutlich die Grenzen der Religionsfreiheit. Einschränkungen der Religionsfreiheit finden ihre Grundlage in Art. 36 der Bundesverfassung von 1999, der für alle Grundrechte gleichermaßen gilt. Dennoch geht auch aus der neuen Bundesverfassung von 1999 hervor, dass der Staat auch weiterhin keinen Zweifel an seiner Höchstzuständigkeit aufkommen lassen will. In Art. 72 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 heißt es: „Bund und Kantone können im Rahmen ihrer Zuständigkeit Massnahmen treffen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften." Art. 72 Abs. 3 der Bundesverfassung von 1999 lautete bis zu seiner Aufhebung durch Volksentscheid vom 10. Juni 2001: „Bistümer dürfen nur mit Genehmigung des Bundes errichtet werden." 146

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Häfelin, U., in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 49 Rdnr. 1. 146 Nachdem bereits seit 1964 zahlreiche parlamentarische Vorstöße gegen den sogenannten „Bistumsartikel" unternommen worden waren, war zunächst beabsichtigt, den „Bistumsartikel" im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung zu streichen. Da die Verfassungsrevision lediglich als Nachführung des geltenden Rechts verstanden wurde, haben sich Bundesrat und Parlament dann doch gegen die sofortige Aufhebung des „Bistumsartikels" ausgesprochen. Ziel blieb jedoch, die in mehrerer Hinsicht nicht unproblematische letzte konfessionelle Ausnahmebestimmung durch eine Teilrevision der neuen Verfassung aufzuheben. Zum einen richtet sie sich nämlich trotz der generell-abstrakten Formulierung ausschließlich gegen den Apostolischen Stuhl, zum anderen schränkt sie auch die Kantone in deren ansonsten generellen Kirchenhoheit ein, womit eine gewisse „Schiefheit im System" eintritt. Schließlich muss der besondere geschichtliche Hintergrund beachtet werden, der zur Aufnahme des „Bistumsartikels" als Sicherungsmaßnahme für den Religionsfrieden geführt hat. Aufgrund der gesellschaftlichen und soziokulturellen Wandlungen wird durch die Errichtung oder Änderung von Bistümern heutzutage sicherlich nicht mehr der öffentliche Frieden gefährdet sein, jedenfalls nicht mehr in einer Weise, die die Beibehaltung des „Bistumsartikels" als Schranke der Kultusfreiheit rechtfertigen würde. Vgl. hierzu auch: Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 50 Rdnr. 5 und 50 ff.; ausführlich auch: Gut, Der Staat und die Errichtung von Bistümern. Insofern war es nur folgerichtig, dass am 10. Juni 2001 eine Volksabstimmung über den Bundesbeschluss vom 15. Dezember 2000 „über die Aufhebung der Genehmigungspflicht

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

Art. 72 ist als weit gefasste polizeiliche Generalklausel formuliert, die jedenfalls in Zeiten religiösen und konfessionellen Friedens einschränkend ausgelegt werden muss. Das heißt, solange der religiöse oder konfessionelle Frieden nicht gefährdet ist, liegen auch nicht die Voraussetzungen dafür vor, dass der Staat von seiner Höchstzuständigkeit gegenüber den Religionsgemeinschaften Gebrauch machen kann. Das deutsche Grundgesetz hat keine so ausdrückliche Klarstellung vorgenommen. Dennoch gilt das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht schrankenlos. Vielmehr besteht das Selbstbestimmungsrecht nur solange, wie sich die Religionsgemeinschaften im Rahmen des „für alle geltenden Gesetzes" bewegen. Auch in Deutschland kann der Staat schlichtend und regulierend eingreifen, wenn der Rechtsfrieden gefährdet ist. Denn ein „für alle geltendes Gesetz", also (auch) ein die kirchliche Selbstbestimmung beschränkendes Gesetz, wird man gerade dann annehmen, wenn ein Gesetz zwingenden Erfordernissen des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche in einem religiös und weltanschaulich neutralen politischen Gemeinwesen entspricht 147 . Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich in den schweizerischen Bundesverfassungen von 1874 und 1999, anders als im deutschen Grundgesetz, kein Hinweis auf eine verfassungsrechtlich verbürgte korporative Religionsfreiheit findet. Die Religionsfreiheit in den betreffenden Artikeln wird in erster Linie den Bürgern gewährleistet. Während in Deutschland kein Bundesland bei der Ausgestaltung der staatlichen Beziehungen zu Religionsgemeinschaften hinter dem „bundeseinheitlich" gewährleisteten religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht zurückbleiben kann, ist es in der Schweiz über Art. 3 und 72 Abs. 1 der Bundesverfassung von 1999 jedem einzelnen der 26 Kantone überlassen, in welchem Ausmaß er den Religionsgemeinschaften auf seinem Territorium Autonomie zugestehen w i l l 1 4 8 . für die Errichtung von Bistümern" stattfand (BB1. 2000, 4038; BB1. 2000, 5581; BB1. 2000, 6108). Die Vorlage Nr. 479 wurde von Volk und Ständen angenommen (BB1. 2001, 4660). Die Aufhebung von Art. 72 Abs. 3 Bundesverfassung von 1999 trat gleich am 10. Juni 2001 in Kraft (AS 2001, 2262). Auf die Anregung, einen „Religionsartikel" als „etwas Positives" im Verhältnis von Staat und Kirche auszuarbeiten und in die Verfassung aufzunehmen, wollte sich der Nationalrat im Gegensatz zum Ständerat jedoch nicht einlassen. (Vgl. Neue Züricher Zeitung Nr. 226 vom 28. September 2000, S. 13) 147 Hollerbach, Grundlagen des Staatskichenrechts, in: HStR Bd. V I § 138 Rdnr. 118; Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, S. 122. So auch das BVerfG 53, 366 (401): Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleiste „in Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirchen sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamen Rechtsgüter". 148 Famos, Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften, S. 163; Fischli-Giesser, Anforderungen des Staates an die Religionsgemeinschaften, in: SKZ 6/

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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I I I . Gesetzlicher Rahmen im Kanton Basel-Stadt unter besonderer Berücksichtigung kleiner Religionsgemeinschaften 1. Grundsätzliches (§ 18 Kantonsverfassung Basel-Stadt) Die Kantonsverfassung Basel-Stadt vom 2. Dezember 1889 enthält einen eigenen Abschnitt über das „Verhältnis des Staates zur Kirche" 149 . § 18 der baselstädtischen Kantonsverfassung wiederholt noch einmal fast wortgleich mit der alten Bundesverfassung von 1874 die Grundrechte der Glaubens- und Kultusfreiheit. Ebenfalls behält sich der Kanton in § 18 Abs. 3 der Kantonsverfassung von BaselStadt ausdrücklich die Befugnis vor, geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Religionsfriedens treffen zu können.

2. Numerus clausus der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften; das Problem der Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus im Kanton Basel-Stadt In § 19 Abs. 1 der baselstädtischen Kantonsverfassung sowie wortwörtlich entsprechend in § 1 Abs. 1 des Kirchengesetzes von Basel-Stadt werden die Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus enumerativ aufgeführt. Dies hat zur Folge, dass im Kanton Basel-Stadt andere Religionsgemeinschaften als die Evangelisch-reformierte, die Römisch-katholische Kirche, die Christkatholische Kirche und die Israelitische Gemeinde Basel den öffentlichrechtlichen Körperschaftsstatus nur durch Verfassungsänderung erlangen können. Eine generelle Möglichkeit, den Körperschaftsstatus auch auf andere Religionsgemeinschaften auszudehnen, wie sie etwa in den Verfassungen der Kantone Bern 1 5 0 , Basel-Landschaft 151 oder der Bundesrepublik Deutschland152 vorgesehen ist, ist der baselstädtischen Verfassung fremd 153 . 1997, S. 89; dies., Trennung von Kirchen und Staat?, in: Loretan (Hrsg.), Kirche - Staat im Umbruch, S. 70; F. Hafner, Staatskirchenrecht im Spannungsfeld, in: Loretan (Hrsg.), Kirche - Staat im Umbruch, S. 43; ders., Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 71; F. Hafner, Kirche und Demokratie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1997, S. 73 f. insb. Fn. 173. 149 III. Abschnitt der Kantonsverfassung Basel-Stadt. Der Wortlaut der entsprechenden Verfassungsbestimmungen ist im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. 150 Art. 126 Abs. 2 Berner Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993. 151 § 136 Abs. 3 Kantonsverfassung Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984. 152 Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV. 1 53 Vgl. auch: Fuchs, Die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften nach dem neueren schweizerischen Staatskirchenrecht, S. 93 f. sowie S. 103 ff. (105); F. Hafner, Die Revision der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche BaselStadt; in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 1, Kirche in der Stadt, S. 117.

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

a) Verfassungsrechtliche

Bedenken gegen den „ numerus clausus "

Solange die Verleihung von Körperschaftsrechten nur durch eine Verfassungsänderung möglich ist, tun sich grundsätzliche Probleme im Spannungsfeld von Demokratie und Grundrechten auf. § 19 Abs. 1 der baselstädtischen Kantonsverfassung etabliert einen „numerus clausus", der nur durch eine demokratische und somit politische Mehrheit um weitere Religionsgemeinschaften ergänzt werden kann. Damit ist die Frage, ob einer Religionsgemeinschaft der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus verliehen werden soll, ausschließlich eine Frage der Politik und der Mehrheitsmeinung. Dies stößt jedoch auf grundrechtliche Bedenken. Sollte nämlich eine den Körperschaftsstatus anstrebende Religionsgemeinschaft bis auf das religiöse Bekenntnis mit einer bereits anerkannten Religionsgemeinschaft identisch sein, und würde ihr die Verleihung von der Mehrheit bei einer angesetzten Verfassungsänderung verwehrt, könnte dies einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 bedeuten. Dazu müsste sich die die öffentlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit anstrebende Religionsgemeinschaft als Grundrechtsträgerin auf das Gleichheitsgrundrecht berufen können. b) Privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften als Grundrechtsträger? Während es in der Bundesrepublik Deutschland in Rechtsprechung 154 und Literatur 155 gängige Meinung ist, dass sich Religionsgemeinschaften unabhängig von ihrem privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Status auf das Selbstbestimmungsrecht und damit auf ihre Grundrechtsträgerschaft berufen können, ist diese Frage in der Schweiz zwischen der Lehre und Rechtsprechung umstritten. Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass ein ungeschriebenes Verfassungsrecht der Glaubensgemeinschaften auf korporative Selbstbestimmung bestehe, das sich aus Art. 9 der EMRK und der Rechtsprechung der Konventionsorgane zu diesem Artikel ergäbe 156. Es wird gefordert, dass die Kantone bei der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Kirchen und Religionsgemeinschaften das Selbstbestimmungsrecht, d. h. das Selbstkonstituierungs-, Selbstorganisations- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen zu beachten hätten 157 . Sowohl in der alten als auch in 154 BVerfGE 42, 312 (332); 46, 73 (86 f.); 53, 366 (401); 57, 220 (242); 70,138, (162). 155 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. S. 105 f., 129 f.; Hesse, Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: HbdStKirchR I, S. 409 ff.; Hollerbach, Grundlagen des Staatskichenrechts, in: HStR Bd. V I § 138 Rdnr. 114; Jurina, Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, passim, insbesondere S. 49 f. 156 Bleckmann, Von der individuellen Religionsfreiheit des Art. 9 EMRK zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, passim; Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 369 ff.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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der neuen schweizerischen Bundesverfassung fehlt jedoch, wie oben bereits angesprochen 158, im Gegensatz zu Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV eine ausdrückliche Garantie der religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmung, aus der die Grundrechtsträgerschaft hergeleitet werden könnte 159 . Deshalb räumt auch die höchstrichterliche Praxis in der Schweiz der kantonalen Kirchenhoheit den Primat vor dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht ein 1 6 0 . Dennoch hat das Bundesgericht schon mehrfach privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften eine Berufung auf die religiösen Grundrechte gestattet161. Zwar lässt sich aus der Judikatur des Bundesgerichts nicht eindeutig herauslesen, ob den privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften ein eigenständiges VerbandsGrundrecht eingeräumt werden kann 162 . Es zeichnet sich jedoch eine bundesgerichtliche Praxis ab, privatrechtlichen Religionsgemeinschaften die Legitimation zur Beschwerdeführung zuzugestehen und auf die Beschwerde zunächst einmal grundsätzlich einzutreten. c) Anspruch auf Verleihung des öffentlich-rechtlichen aus Art. 8 Abs. 1 und 2 der Bundesverfassung

Körperschaftsstatus von 1999?

Wie oben bereits angedeutet, ist der Kantonsverfassung Basel-Stadt eine generell-abstrakte Möglichkeit, den Körperschaftsstatus auch auf andere Religionsgemeinschaften auszudehnen, fremd 163 . Damit besteht nach der Kantons Verfassung Basel-Stadt, anders etwa als nach dem deutschen Grundgesetz, zunächst kein Anspruch auf Verleihung der Körperschaftsrechte 164. Einen solchen Anspruch muss 157 Ausführliche Nachweise bei F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 302 Fn. 52. 158 Siehe oben unter: Zweites Kapitel, Β., II., 2. 159 Vgl. Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, S. 83 f. 160 BGE 551 129; 120 Ia 194 ff.

161 BGE 951354 f.; 971 227; 116 Ia 257; 118 Ia 52 f. 162 p. Hafner, Staat und Kirche im Kanton Luzern, S. 201 f. vertritt die Ansicht, dass das Bundesgericht den privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften kein selbständiges Verbands-Grundrecht einräume; anders die herrschende Lehre: Malinverni, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 56 Rz. 20 ff.; F. Hafner, Kirche und Demokratie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1997, S. 72 f.; ders., Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 234. 163 Vgl. auch: Fuchs, Die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften nach dem neueren schweizerischen Staatskirchenrecht, S. 93 f. sowie S. 103 ff. (105); F. Hafner, Die Revision der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt; in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 1, Kirche in der Stadt, S. 117; einen Überblick über die öffentlich-rechtliche Anerkennung in den übrigen Kantonen gibt: Fischli-Giesser, Die öffentlich-rechtliche Stellung „anderer" Religionsgemeinschaften, in: Loretan (Hrsg.), Kirche - Staat im Umbruch, S. 161. 164 Winzeier, Fischli-Giesser, 1997, S. 91.

Fremde Religionen in der Schweiz, in: ZSR n.F. Bd. 117 (1998), S. 258 f.; Anforderungen des Staates an die Religionsgemeinschaften, in: SKZ 6/

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

die Verfassung auch nicht unbedingt formulieren. Allerdings könnte sich ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Anerkennung aus Art. 8 Abs. 1 und 2 der Bundesverfassung von 1999 ergeben. Wenn nämlich eine den Körperschaftsstatus anstrebende Religionsgemeinschaft bis auf das religiöse Bekenntnis mit einer bereits anerkannten Religionsgemeinschaft identisch ist, würde eine Abstimmung über die Verleihung der öffentlich-rechtlichen Persönlichkeit nichts anderes bedeuten, als darüber zu entscheiden, ob diese Religionsgemeinschaft „würdig" ist, ebenfalls in den Kanon der körperschaftlich organisierten Religionsgemeinschaften aufgenommen zu werden. Es bestünde die Gefahr, dass in „politischer Beliebigkeit" über die „Wertigkeit" einer Religionsgemeinschaft befunden würde. Ein solches Werturteil über Religionsgemeinschaften könnte jedoch eine Verletzung staatlicher Neutralität gegenüber dem religiösen Bekenntnis und damit eine Diskriminierung wegen religiöser Überzeugung darstellen 165. In dieser Frage spiegelt sich nicht zuletzt das zwischen der deutschen und der schweizerischen Verfassungslehre grundsätzlich unterschiedlich gewichtete Verhältnis von Demokratie und Grundrechten wieder. Angesichts der Tradition wird in der Schweiz politisch gelöst, was sich politisch lösen lässt und Gerichtsbarkeit entsprechend begrenzt 166 . Das ausgeprägte direktdemokratische Modell der Schweiz lässt weit öfter als in der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland das Spannungsfeld zwischen Demokratie (Mehrheitswille) und Grundrechten aufscheinen 167. Nach bislang herrschender Rechtsprechung 168 und Lehre 169 haben die Kantone zwar die von der Bundesverfassung gewährleistete Religionsfreiheit und Rechtsgleichheit zu beachten, sie seien jedoch nicht strikt zur religiösen Neutralität verpflichtet. Es sei den Kantonen nicht verwehrt, einzelne Rechtsgemeinschaften in einem gewissen Rahmen zu privilegieren. Nachdem der Gleichheitssatz in Art. 8 der Bundesverfassung von 1999 neu formuliert wurde, könnte sich nunmehr anderes ergeben. Ausdrücklich ist nämlich in der neuen Bundesverfassung von 1999 in Art. 8 Abs. 2 die Diskriminierung wegen religiöser Überzeugung, als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes, aufgenommen worden 170 . 165 Famos, Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften, S. 156; J. P. Müller, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, S. 216. 166 Winzeier, Fremde Religionen in der Schweiz, in: ZSR n.F. Bd. 117 (1998), S. 258.

167 So auch: Famos, Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften, S. 163 mit dem Hinweis auf die politische Diskussion über das Gesetz über Voraussetzungen und Wirkungen der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften, Tagblatt des Großen Rates des Kantons Bern 1988, 860 f. 168 BGE 211674, 676; 102 1 482; 103 Ia 242, 245; 116 Ia 252 ff. 169 Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 49 Rndr. 17; Aubert, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Nr. 2027, S. 910; F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grundund Menschenrechte, S. 74 ff., 297; der s., Kirche und Demokratie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1997, S. 73 f.

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Nachdem auch die neue Bundesverfassung von 1999 die seit jeher kantonale Kirchenhoheit den Kantonen zugesteht171, ergibt sich an dieser Stelle deshalb ein Konkurrenzverhältnis. Fraglich ist, ob die Konkretisierung des Gleichheitssatzes in Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 nunmehr doch die kantonale Kirchenhoheit dahingehend einschränkt, dass die Kantone immer dann den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus verleihen müssen, wenn sich die beantragende Religionsgemeinschaft nur im Bekenntnis von den bereits anerkannten Religionsgemeinschaften unterscheidet. Dazu müsste die Unterlassung der Anerkennung überhaupt eine „Diskriminierung" darstellen, das heißt eine willkürliche Ungleichbehandlung, die durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann. Ein sachlicher Grund für die ohne weiteres anzunehmende Ungleichbehandlung könnte sich aus der „Doppelbedeutung" der öffentlich-rechtlichen Anerkennung selbst ergeben. Einerseits stellt der Kanton den anerkannten Religionsgemeinschaften eine eigens für sie geschaffene Rechtsform des öffentlichen Rechts zur Verfügung. Andererseits werden bestimmte Religionsgemeinschaften gewissermaßen aus dem Gros der ansonsten privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften herausgehoben. Der Staat räumt ihnen damit eine öffentlich anerkannte Stellung im Gemeinwesen ein und bringt damit seine Wertschätzung für ihr Dasein und Wirken zum Ausdruck 172 . Zwar darf der neutrale Staat nicht das Bekenntnis an sich „bewerten", wohl aber die soziale und gesellschaftliche Bedeutung einer Religionsgemeinschaft, die sich nicht zuletzt aus dem Bekenntnis ergibt. Auch wenn eine die Anerkennung begehrende Religionsgemeinschaft bis auf das Bekenntnis mit einer bereits anerkannten Gemeinschaft identisch ist, kann also mittelbar aus dem Bekenntnis ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung abgeleitet werden. Letztlich wird es vom Einzelfall abhängen, ob ein solcher sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung bejaht werden kann. Jedoch kann schon an dieser Stelle festgestellt werden, dass sich auch nach der Neuformulierung des Gleichheitssatzes aus Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 nicht ohne weiteres ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Anerkennung ableiten lässt.

170 Vgl. auch: Friederich, Zur neuen schweizerischen Religionsverfassung, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1999, S. 103; Famos, Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften, S. 163 171 Art. 72 Abs. 2 Bundesverfassung von 1999. 172 Fischli-Giesser, Anforderungen des Staates an die Religionsgemeinschaften, in: SKZ 6/1997, S. 89 sowie generell zum Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen: F. Hafner, Die Beteiligung der Kirchen an der politischen Gestaltung des pluralistischen Gemeinwesens sowie Saladin, Die Beteiligung der Kirchen an politischen Entscheidungsprozessen, in: FS für Eichenberger, S. 461 ff.

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

Selbst wenn die Voraussetzungen der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften gesetzlich geregelt würden, wird es letztlich doch eine politische und damit eine mehrheitlich zu treffende Entscheidung bleiben, ob eine Religionsgemeinschaft öffentlich anerkannt wird 1 7 3 . Letztlich stellt sich diese Frage ungeachtet des in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV gewährten Anspruchs auf Anerkennung auch in der Bundesrepublik Deutschland. Das jedenfalls zeigt die Diskussion um die Anerkennung islamischer Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts 174 . Selbst wenn Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV klare Anspruchsvoraussetzungen nennt 175 , ist es letztlich eine politische Frage, wann die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen: In den deutschen Bundesländern sind es zumeist die Exekutivspitzen, die darüber entscheiden, wieviele Mitglieder und welcher konkrete Verfassungszustand (erst) geeignet sind, die Gewähr der Dauer zu bieten. In den aktuellen Überlegungen zu einer Totalrevision der Kantonsverfassung Basel-Stadt wurde bereits Einigkeit darüber erzielt, dass die „subtilen Abstufungen", die ein numerus clausus unter den Religionsgemeinschaften mit sich bringe, überholt seien. Die Prospektivkommission steht „einer entsprechenden Öffnung der Verfassungsbestimmungen für religiöse Gemeinschaften offen gegenüber" und spricht davon, dass sie bis heute nicht wüsste, wie muslimische Religionsgemeinschaften in einem oder mehreren Jahrzehnten zu bewerten seien und welche Position diese im öffentlichen Bewusstsein einnehmen würden 176 . Sollte auch die neue Kantonsverfassung keine formelle Parität hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Anerkennung weiterer Glaubensgemeinschaften ermöglichen, ist Felix Hafner darin zuzustimmen, dass noch nicht anerkannten Religionsgemeinschaften unter anderem durch finanzielle Unterstützung entgegengekommen werden sollte. Das subventionsrechtlich verlangte öffentliche Interesse an der finanziellen Unterstützung auch von eigentlichen Kultuszwecken kann dabei gerade in der Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften und in der damit verbundenen Sicherung des religiösen Friedens erblickt werden. Einem solchen Vor173 So auch das Votum des Bemer Regierungsrates Siegenthaler in der Diskussion über ein geplantes Gesetz über Voraussetzungen und Wirkungen der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften: „Die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft beinhaltet, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, auch eine gewisse politische Komponente. Das können wir nicht wegdiskutieren." (Tagblatt des Großen Rates des Kantons Bern 1989, 73); Famos, Die öffentlichrechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften, S. 163. 174 Statt vieler: Jeand'Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 227 ff., insbesondere Rdnr. 235 ff., der der Forderung nach „Staatsloyalität" als „ungeschriebene Verleihungsvoraussetzung" zwar rcchtspolitisches Verständnis entgegenbringen kann, jedoch verfassungsdogmatische Probleme sieht; vgl. auch Muckel, Muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: DÖV 1995, S. 311 ff. 175

„Ausreichende Mitgliederzahl" und einen „hinreichenden Verfassungszustand", die die Gewähr der Dauer bieten. 176 Prospektivkommission für die Totalrevision der Verfassung des Kantons Basel-Stadt, 7.12.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

113

gehen steht jedoch das in der Kantonsverfassung noch enthaltene Kultussubventionsverbot (§ 19 b Kantonsverfassung Basel-Stadt) entgegen, mit dem sich insofern kritisch auseinander gesetzt werden muss 1 7 7 .

3. Selbstbestimmungsrecht versus Staatsaufsicht a) Umfang des Selbstbestimmungsrechts

in konstitutioneller

Hinsicht

Wie bereits oben 178 festgestellt, obliegt es den Kantonen, ihr eigenes Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften auszugestalten und damit auch darüber zu bestimmen, wie weit ein eventuelles religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht reichen soll. Die Kantonsverfassung Basel-Stadt enthält in § 19 Abs. 2 eine Bestimmung, die der Selbstbestimmungsgarantie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV dem Wortlaut nach sehr ähnelt. „Die Kirchen und die Israelitische Gemeinde ordnen ihre Verhältnisse selbständig. Erlass und Änderung ihrer Kirchenverfassung bedürfen der Zustimmung durch die Mehrheit der stimmberechtigten Kirchenglieder sowie der Genehmigung durch den Regierungsrat."

§ 19 Abs. 3 Kantonsverfassung Basel-Stadt: „Die Genehmigung des Regierungsrates ist zu erteilen, wenn weder Bundesrecht noch kantonales Recht verletzt wird."

Auch im „Gesetz betreffend die Staatsoberaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Kirchen und die Israelitische Gemeinde sowie über die Verwendung von Staats- und Gemeindemitteln zu Kirchenzwecken (Kirchengesetz)" finden sich in § 2 Aussagen über ein religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht: § 2 Abs. 1 Kirchengesetz: „Die öffentlich-rechtlichen Kirchen ordnen ihre Verhältnisse im Rahmen der Vorschriften des Bundes und des Kantons selbständig."

§ 2 Abs. 2 Kirchengesetz: „Erlass und Änderung ihrer Kirchenverfassungen bedürfen zu ihrer Verbindlichkeit der Zustimmung durch die Mehrheit der stimmenden Kirchenglieder sowie der Genehmigung durch den Regierungsrat. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn weder Bundesrecht noch kantonales Recht verletzt wird."

177 F. Hafner, Die Revision der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche BaselStadt; in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 1, Kirche in der Stadt, S. 120; Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Kultussubventionsverbot vgl. unten unter: Zweites Kapitel, B., III., 4. 178 Zweites Kapitel, Β., I.

8 Nolte

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

§ 2 Abs. 3 Kirchengesetz: „Die Kirchenverfassungen und ihre Änderungen dürfen den Kirchengliedern erst dann zur Abstimmung vorgelegt werden, wenn sie vom Regierungsrat genehmigt worden sind."

Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung und § 2 Abs. 1 des Kirchengesetzes ergibt sich zunächst, dass das dort kodifizierte Selbstbestimmungsrecht nur den Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus zusteht. Da sich aus der Kantonsverfassung von Basel-Stadt nicht ergibt, ob auch den privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften ein religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht zusteht, muss auf Bundesverfassungsrecht zurückgegriffen werden. In der Bundesverfassung selbst findet sich ebenfalls keine ausdrückliche positive Norm über die Freiheit von privatrechlich organisierten Religionsgemeinschaften. Es wäre jedoch vorschnell, schon daraus zu schließen, dass die Bundesverfassung von 1874, und als Fortführung auch die Bundesverfassung von 1999, diesen Religionsgemeinschaften kein korporatives Selbstbestimmungsrecht zugestehen würde. Zwar sind bei der Beratung von 1873/74 eine Reihe von Anträgen gescheitert, die explizit den Schutz der Kirche zum Gegenstand hatten 179 . Das Scheitern dieser Anträge hatte seinen Grund jedoch darin, dass man den insbesondere von römisch-katholischer Seite aus betriebenen Bemühungen um eine Ausweitung von „weltlicher" Kirchenmacht eine Grenze setzen wollte. Das „Prinzip" kirchlicher Freiheit als solches wurde vom historischen Verfassungsgeber aber nicht in Frage gestellt 180 : Der Bundesrat hatte sich schon in seiner Botschaft vom 17. Juni 1870 zum Verfassungsentwurf dagegen ausgesprochen, „der Kirche den Krieg" zu erklären 1 8 1 . Dabei wurde interessanterweise nicht, wie später in der Lehre häufig geschehen182, zwischen einer öffentlich- oder privatrechtlichen Organisationsform unterschieden. Der Bundesrat verstand unter religiöser Freiheit die „Freiheit des einzelnen Bürgers wie der Religionsgenossenschaften" 183. Daher sollte der Staat „für's Erste jeder 184 Religionsgenossenschaft gestatten, sich nach eigenem Ermessen frei zu konstituieren... Er soll weiter jeder Religionsgenossenschaft die freie Ausübung des Gottesdienstes innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft gewährleisten... Damit sind die zwei hauptsächlichen Rechte 185 bezeichnet, welche die Kirche für ihre Formation und ihre innere Unabhängigkeit nöthig hat." 1 8 6

179

Ausführlich hierzu vgl.: Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 364 ff. 180 Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 367. 181 BB1. 1870 I I 689. 182 Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 361. 183 BB1. 1870 Π 692. 184 Hervorhebung durch den Verfasser. 185 Hervorhebung durch den Verfasser.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

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In der Praxis gesteht das Bundesgericht den privaten Religionsgemeinschaften zwar zu, sich auf religiöse Grundrechte zu berufen. Weil dieses bundesgerichtliche Zugeständnis bislang jedoch nur in Einzelfällen ausgesprochen wurde, kann es noch nicht als eindeutige bundesgerichtliche Festlegung auf ein Selbstbestimmungsrecht für privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften gewertet werden. Jedoch ist es ein Hinweis darauf, dass auch das Bundesgericht die Annahme eines Selbstbestimmungsrechts für privatrechtliche Religionsgemeinschaften nicht generell ausschließen würde. Auf alle Fälle wäre es inkonsequent und wohl auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn man (immerhin über den Wortlaut des Art. 23 der Bundesverfassung von 1999 [resp. Art. 56 Bundesverfassung von 1874] hinaus 187 ) für sonstige privatrechtliche Vereine ein Verbandsgrundrecht annähme und es gleichzeitig bei Vereinen mit religiösem Zweck ablehnen würde 188 . Mit der herrschenden Lehre 189 und mit der in die gleiche Richtung weisenden Bundesgerichtsrechtsprechung ist damit auch für den Kanton Basel-Stadt ein religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht privatrechlich organisierter Religionsgemeinschaften zu bejahen. Wie schon die ausführliche Bezeichnung des Kirchengesetzes als Gesetz betreffend die Staatsoberaufsicht erkennen lässt, ist der Umfang des Selbstbestimmungsrechtes auch bei Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus von vornherein eingeschränkt 190. So macht die Kantonsverfassung eine Einschränkung, wenn die Kirchenverfassung erlassen oder geändert werden soll. In diesem Fall bedarf es einer Genehmigung durch den Regierungsrat. Obwohl diese Beschränkung der Selbstbestimmung im Vergleich zur deutschen Rechtslage als noch sehr weitreichend erscheint 191 , ist sie doch nur noch ein „letzter Rest" staatsrechtlicher Vorgaben und hoheitlichen Aufsichtsbedürfnisses. Zwar wurde mit der 1972 realisierten Revision der Kantonsverfassung die Staatskirchenordnung von 1910 grundsätz186 BB1. 1870 I I 691. 187 Vgl. Malinverni, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 56 Rz. 24 f. 188 Hierzu auch: Malinverni, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 56 Rz. 20 ff.; F. Hafner, Kirche und Demokratie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1997, S. 72 f.; ders., Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 234. 189 Ein Teil der Lehre geht darüber hinaus sogar davon aus, dass sich ein ungeschriebenes Verfassungsrecht der Glaubensgemeinschaften auf korporative Selbstbestimmung aus Art. 9 EMRK und der Rechtsprechung der Konventionsorgane zu diesem Artikel ergäbe: Bleckmann, Von der individuellen Religionsfreiheit des Art. 9 EMRK zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, passim; Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 369 f.; siehe auch oben: Zweites Kapitel, B., III., 2., b). 1 90 Vgl. ausführlich zu den geschichtlichen Hintergründen: F. Hafner, „Hinkende Trennung" von Kirche und Staat im Kanton Basel-Stadt, in: Loretan (Hrsg.), Kirche - Staat im Umbruch, S. 214 ff. 191 Vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 39 ff., 115 f., 126. 8*

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

lieh bestätigt, zugleich wurde aber die bereits 1910 gegenüber dem Kirchengesetz von 1874 ausgedehnte kirchliche Autonomie nochmals wesentlich erweitert. Nunmehr sind es nur noch der Erlass und die Änderung der Kirchenverfassung - und im Falle der Erhebung von Kirchensteuern - auch die Steuerordnungen, die der Genehmigung des Regierungsrates bedürfen. Zuvor waren noch sämtliche Erlasse auf Gesetzesstufe genehmigungsbedürftig 192. Eine solche Genehmigung ist zu erteilen, wenn weder Bundesrecht noch kantonales Recht verletzt wird. Durch dieses gebundene Ermessen ist der Einfluss der staatlichen Aufsicht um ein Weiteres beschränkt. Dem politischen Gemeinwesen ist ein inhaltliches „Hineinregieren" in kirchliche Angelegenheiten somit verfassungsrechtlich verunmöglicht. Der Regierungsrat hat lediglich die Möglichkeit, in konstitutiven und grundsätzlichen Fragen eine Abweichung von staatlichem Recht zu verhindern. Während sich die aus Art. 72 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 und aus § 18 Abs. 3 der baselstädtischen Kantonsverfassung gegenüber den privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften ergebende repressive Staatsoberaufsicht darauf beschränkt, einer eventuellen Störung der öffentlichen Ordnung durch die Religionsgemeinschaften begegnen zu können, ist die Staatsoberaufsicht über öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften präventiver Natur. Noch bevor religionsgemeinschaftliches Verfassungsrecht die öffentliche Ordnung stört, soll eine Kollision durch den Genehmigungsvorbehalt vermieden werden. In diesem Zusammenhang ergibt sich jedoch zwischen der Kantonsverfassung Basel-Stadt und dem Kirchengesetz ein Widerspruch.

b) Widerspruch

zwischen Kantonsverfassung und Kirchengesetz

Basel-Stadt

In § 19 Abs. 2 der baselstädtischen Kantonsverfassung ist davon die Rede, dass der Erlass und die Änderung der Kirchenverfassung einer Mitgliedermehrheit und einer Genehmigung durch den Regierungsrat bedürfen. Eine Genehmigung setzt sprachlogisch einen bereits gefassten Beschluss durch die Mitgliedermehrheit voraus. Nach der Kantonsverfassung Basel-Stadt ergibt sich also folgender Verfahrensablauf: Erst innerreligionsgemeinschaftliche Abstimmung und dann regierungsrätliche Genehmigung. Für diese Abfolge spricht auch § 19 Abs. 3 der baselstädtischen Kantonsverfassung. Wenn die Genehmigung zu erteilen ist, wenn weder Bundesrecht noch kantonales Recht verletzt wird, dann muss bereits ein gültiger Mitgliederbeschluss vorliegen, zu dessen In-Kraft-Treten es nur noch der Genehmigung bedarf. Die Genehmigung durch den Regierungsrat ist mithin eine 192 F. Hafner, Die Revision der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche BaselStadt; in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 1, Kirche in der Stadt, S. 116 f.; ders., „Hinkende Trennung" von Kirche und Staat im Kanton Basel-Stadt, in: Loretan (Hrsg.), Kirche - Staat im Umbruch, S. 218.

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aufschiebende Bedingung. Solange sie nicht erteilt ist, kann der Beschluss auch noch nicht in Wirksamkeit erwachsen. Anderes ergibt sich aus § 2 Abs. 3 des Kirchengesetzes, in dem es heißt, dass die Kirchenverfassungen und ihre Änderungen den Kirchengliedern erst unterbreitet werden dürften, wenn sie vom Regierungsrat genehmigt worden seien. Daraus ergibt sich im Gegensatz zum verfassungsrechtlichen Verfahrensablauf, dass bereits vor der Abstimmung über Kirchenverfassung oder Änderung dem Regierungsrat zur Genehmigung vorgelegt werden muss. Das heißt, der Beschluss darf nicht gefasst werden, ehe nicht die Beschluss vorläge beim Regierungsrat geprüft und genehmigt wurde. Ohne eine solche „Vorabgenehmigung" könnte kein wirksamer Beschluss gefasst werden. Die regierungsrätliche Genehmigung stellt nach dem Kirchengesetz eine konstitutiv notwendige Bedingung für das Zustandekommen eines Beschlusses dar. Der Widerspruch zwischen Kantonsverfassung und Kirchengesetz wird offenbar: entweder erst Beschluss, dann Genehmigung oder erst Vorlage, dann Beschluss, eventuell dann nochmals Genehmigung? Eine zweimalige Genehmigung könnte zum Beispiel immer dann erforderlich sein, wenn die Beschlussvorlage nach der Vorlage in der beschlussfassenden Sitzung nochmals geändert wurde. Dann schließt sich die weitere Frage an, ob überhaupt über eine in der beschlussfassenden Versammlung geänderte Beschlussvorlage ohne weiteres beschlossen werden kann oder ob die geänderte Beschlussvorlage nicht noch vor endgültiger Beschlussfassung dem Regierungsrat erneut vorgelegt werden müsste. Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen? Zunächst ist festzustellen, dass allgemeines Verfassungsrecht über einfachem Gesetzesrecht steht. Nach der Kantonsverfassung genügt die Genehmigung nach Beschlussfassung. Damit tritt das zusätzliche und zur Kantonsverfassung im Widerspruch stehende einfachgesetzliche „Vorabgenehmigungserfordernis" zurück. Dieses Ergebnis wird auch durch eine teleologische Auslegung gestützt. Sinn und Zweck von Genehmigung und/oder Vorlage ist nur die Sicherstellung, dass durch den Erlass oder die Änderung der öffentlich-rechtlichen Kirchenverfassung nicht selbst öffentliches Recht verletzt wird. Dieser Zweck ist bereits erreicht, wenn die Wirksamkeit des Beschlusses aufschiebend bedingt ist und mit Ausspruch der Genehmigung der Beschluss ex tunc wirksam wird. Ein weitergehendes staatliches Mitspracherecht, welches sich durch ein Beharren auf wiederholte Vorlagen unterschwellig ergeben könnte, würde darüber hinaus ohnehin gegen das Selbstbestimmungsrecht verstoßen. § 2 Abs. 3 des Kirchengesetzes ist nach verfassungskonformer Auslegung mithin so zu lesen, als stünde er nicht geschrieben. c) Selbstbestimmungsrecht und Oberaufsicht in finanzieller Hinsicht Nur kurz wurde bereits angedeutet, dass gemäß § 4 Abs. 2 des Kirchengesetzes auch kirchliche Steuerordnungen und ihre Änderungen dem Regierungsrat zur Genehmigung unterbreitet werden müssen. Außerdem haben die Religionsgemein-

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

schaften gemäß § 4 Abs. 1 des Kirchengesetzes bei der Ausgestaltung und Bemessung neben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kirchenmitglieder auch den staatlichen Steuerinteressen gebührend Rechnung zu tragen. Die staatliche Genehmigung für Steuerzuschläge, die neben dem Normalsteuersatz erhoben werden können, ist gemäß § 4 Abs. 3 des Kirchengesetzes nur dann zu erteilen, wenn die normalen Steuersätze zur Deckung der mutmaßlichen Ausgaben nicht ausreichen. Außerdem sieht das staatliche Recht vor, dass solche Steuerzuschläge nur für einen beschränkten Zeitraum erhoben werden können. Eine weitere Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts ergibt sich aus § 5 des Kirchengesetzes. Zwar wird den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften eine selbständige Vermögensverwaltung zugebilligt 193 , diese steht jedoch unter der Oberaufsicht des Regierungsrates 194. § 5 Abs. 2 und 3 des Kirchengesetzes konkretisiert den Umfang der Oberaufsicht. Demnach haben die obersten kirchlichen Exekutivbehörden dem Regierungsrat alljährlich Budget, Jahresrechnung und Vermögensstatus nach deren Genehmigung durch die zuständigen Kirchenorgane zur Einsichtnahme vorzulegen 195 . Darüber hinaus kann der Regierungsrat von den kirchlichen Behörden jederzeit Bericht über ihre Vermögensverwaltung verlangen und Einsicht in die einschlägigen Akten fordern 196 . Während es zum Erlass oder zur Änderung der Kirchenverfassung einer ausdrücklichen staatlichen Genehmigung bedarf, beschränkt sich die staatliche Oberaufsicht in finanzieller Hinsicht auf Einsichtsrechte. Damit steht dem Regierungsrat, anders als beim Erlass oder der Änderung der Kirchenverfassung, nicht einmal bei verfassungs- oder gesetzeswidrigem Finanzgebaren, ein Vetorecht zu. Die staatliche Oberaufsicht kann in diesem Zusammenhang lediglich repressiv tätig werden. Für diesen Fall bietet § 6 des Kirchengesetzes die Ermächtigungsgrundlage für repressives Vorgehen des Staates. Danach hat der Regierungsrat, und insofern ist er in seinem Ermessen gebunden, immer dann Maßnahmen kirchlicher Behörden oder Amtsstellen aufzuheben, wenn sie Bundesrecht oder kantonales Recht verletzen oder wenn bei ihrem Erlass wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden sind oder die Zuständigkeitsordnung nicht eingehalten worden ist 1 9 7 . Diese Aufhebung kann von Amts wegen oder auf Beschwerde hin erfolgen, jedoch muss vorab der kirchliche Instanzenzug erschöpft sein 198 . Gegen letztinstanzliche Steuerbescheide der Kirchenbehörden steht dem Betroffenen gemäß § 6 Abs. 2 des Kirchengesetzes der Rekurs an das Verwaltungsgericht offen. 193 § 5 Abs. 1 Satz 1 Kirchengesetz. 194 § 5 Abs. 1 Satz 2 Kirchengesetz; vgl. auch F. Hafner, Die Revision der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt; in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 1, Kirche in der Stadt, S. 121. 195 § 5 Abs. 2 Kirchengesetz. 196 § 5 Abs. 3 Kirchengesetz. 197 § 6 Abs. 1 Satz 1 Kirchengesetz. 198 § 6 Abs. 1 Satz 2 Kirchengesetz.

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An der Ermächtigungsnorm des § 6 des Kirchengesetzes ist bemerkenswert, dass sie nicht nur staatlich repressives Vorgehen deckt, wenn Bundesrecht oder kantonales Recht verletzt werden. Auch wenn beim Erlass kirchlicher Maßnahmen wesentliche Verfahrensvorschriften oder die Zuständigkeitsordnung nicht eingehalten worden sind, hat der Regierungsrat die Maßnahme aufzuheben. Fraglich ist, auf welche „wesentlichen Verfahrensvorschriften" oder welche „Zuständigkeitsordnung" sich § 6 des Kirchengesetzes bezieht. Möglicherweise könnte die Ermächtigungsnorm nämlich nur dann zu staatlichen Maßnahmen ermächtigen, wenn die verletzten Verfahrensvorschriften oder Zuständigkeitsordnungen selbst Teil der Kantonsverfassung oder einfachen kantonalen Rechts, also staatlichen Rechts, sind 199 . Ändert eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft ihre Verfassung und holt sie dazu nicht die Genehmigung des Regierungsrates ein, würde die Staatsoberaufsicht nunmehr repressiv vorgehen können und die Verfassungsänderung bei Verstoß gegen Bundes- oder kantonales Recht aufheben 200. Eine solche restriktive Auslegung von § 6 Abs. 1 Satz 1 des Kirchengesetzes greift jedoch zu kurz. Zwar würde sie die Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts ihrerseits deutlich einschränken. Sie würde aber § 6 Abs. 1 Satz 2 des Kirchengesetzes ins Leere laufen lassen. Wären nämlich mit „wesentlichen Verfahrensvorschriften" oder „Zuständigkeitsordnung" nur solche aus der staatlichen Sphäre gemeint, würde es keinen Sinn machen, staatlicherseits vor der Aufhebung der kirchlichen Maßnahme die Erschöpfung des kirchlichen Instanzenzuges vorzuschreiben. Demnach ermächtigt § 6 Abs. 1 des Kirchengesetzes den Regierungsrat auch in Fällen, in denen innerkirchlich „wesentliche Verfahrensvorschriften" oder eine kircheninterne „Zuständigkeitsordnung" missachtet wurde, die kirchliche Maßnahme aufzuheben. Damit verfügt der Kanton Basel-Stadt über weitreichende Kompetenzen bei der Staatsoberaufsicht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ein solches repressives Vorgehen nur nach Erschöpfung des kirchlichen Instanzenzuges möglich ist. Allein der Umstand, dass der Staat sich zur letzten Entscheidungsinstanz in innerkirchlichen Rechtsfragen aufschwingt oder sich zumindest diese Kompetenz in Form eines förmlichen Gesetzes vorbehält, schränkt das grundsätzlich im Kanton Basel-Stadt gewährleistete Selbstbestimmungsrecht weitgehend ein.

199 Etwa wenn beim Erlass oder der Änderung der Kirchen Verfassung nicht das in § 19 Abs. 2 Kantonsverfassung Basel-Stadt vorgeschriebene (und zum Kirchengesetz in Widerspruch stehende) Verfahren eingehalten wurde. 200 Genau genommen würde es sich bei diesem Akt nicht um eine „Aufhebung" im engeren Sinne handeln, da oben ja erläutert wurde, dass eine solche Änderung ohne die notwendige Bedingung der regierungsrätlichen Genehmigung erst gar nicht wirksam zustande kommen konnte. Die „Aufhebung" hat in diesem Fall eher deklaratorische Funktion. Der Religionsgemeinschaft, die bereits nach der von ihr geänderten und rechtswidrigen Verfassung lebt, wird dieser Umstand durch die „Aufhebung" anschaulich vor Augen geführt.

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

d) Rechtsvergleich mit dem deutschen Staatskirchenrecht Diese „letztinstanzliche" Schiedsrichterfunktion des Staates in Kirchensachen, die staatliche Kirchenhoheit, stellt einen deutlichen Unterschied zwischen dem deutschen und dem baselstädtischen Staatskirchensystem dar 2 0 1 . Wie oben bereits erwähnt 202 , ist, obwohl das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht über Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ohne Veränderung des Wortlautes aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz übernommen wurde und obwohl zu Zeiten der Weimarer Republik die staatliche Kirchenaufsicht aus dem Kaiserreich noch fortgesetzt wurde, spätestens seit 1945 unbestritten, dass es unter dem Grundgesetz keine Staatsaufsicht über die Religionsgemeinschaften mehr gibt. In der Bundesrepublik Deutschland ist es undenkbar, dass ein staatliches Organ allein schon deshalb innerkirchliche Maßnahmen außer Kraft setzen könnte, weil innerkirchliches Recht verletzt wurde. Dabei spielt die Organisationsform der Religionsgemeinschaft keine Rolle, da sich sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Religionsgemeinschaften auf das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungrecht berufen können 203 . Allerdings ist bereits seit vielen Jahren auch in Deutschland zwischen Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob nicht wegen des grundrechtlich gewählten Justizgewährungsanspruches aus Art. 19 Abs. 4 GG eine gerichtliche Überprüfung wenigstens solcher kirchlicher Maßnahmen möglich sein müsste, die aus der kirchlichen Sphäre hinausreichen und das betroffene Kirchenglied als „Weltkind" 204 in seinen Rechten verletzen. Das Problem kam zuerst bei Klagen kirchlich Bediensteter auf, die gegenüber ihrer Kirche vermögensrechtliche Ansprüche geltend zu machen versuchten 205. Das Problem ist aber allgemeiner Natur, da sich staatliche Gerichte grundsätzlich in allen Rechtsbereichen vor die Frage gestellt sehen können, ob und inwieweit sie die Wirksamkeit kirchlicher Rechtsakte aller Art (Rechtsnormen ebenso wie Entscheidungen kirchlicher Verwaltungsbehörden und Gerichte) nachprüfen dürfen. Ungeachtet der staatlichen Justizgewährungspflicht und der seit Jahren anhaltenden Kritik der Literatur, verweigerte die Rechtsprechung den Betroffenen bislang 206 unter Berufung auf das Fehlen kirchengesetzlicher Zuweisung 201

Vgl. ausführlich: Friesenhahn, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, in: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, S. 352 ff. (358). 202 Siehe oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1., b). 203 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 105; ders., Zum Stand des Staatskirchenrechts in Deutschland, in: BayVBl. 1999, S. 67; Jeand'Heur; Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 133. 2 04 Hollerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, VVStRL 26 (1968) S. 72. 205 Vgl. für einen ersten Uberblick: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 363 m. w. N. auch für die Rechtsprechung; grundlegend: Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 16 ff.; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 143 ff.; zur neueren Entwicklung: Nolte, geb. Haastert, Auf dem Weg zu einem gleichwertigen staatlichen Rechtsschutz für Beschäftigte im Kirchendienst?, in: DÖV 1996, S. 363 ff.; Kirchberg, Staatlicher Rechtsschutz in Kirchensachen, in: NVwZ 1999, S. 734 f.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

121

an die staatlichen Gerichte einen effektiven Rechtsschutz. An dieser Stelle soll und kann nicht auf dieses immer noch ungelöste Problem des deutschen Staatskirchenrechts eingegangen werden 207 . Jedoch ist vor dem Hintergrund des baselstädtischen Staatskirchensystems festzustellen, dass sich die deutsche Gerichtsbarkeit deshalb so zurückhaltend gibt, weil das Grundgesetz dem Selbstbestimmungsrecht im Vergleich zur Kantonsverfassung Basel-Stadt einen weit höheren Stellenwert zuschreibt. Allerdings vermag auch das grundgesetzlich gewährte Selbstbestimmungsrecht keine „neue geistliche Immunität" 208 zu begründen. Während der Regierungsrat in Basel-Stadt ohne weiteres in die Finanz- und Vermögensverwaltung der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften Einsicht nehmen kann und ihm sogar gemäß § 5 Abs. 2 des Kirchengesetzes alljährlich Budget, Jahresrechnung und Vermögensstatus vorgelegt werden müssen, wehrt das im Grundgesetz gewährleistete Selbstbestimmungsrecht solch staatliches Ansinnen von vornherein ab. Anders verhält es sich lediglich bei staatlichen Rechnungsprüfungen. Zwar stellt die Prüfung kirchlicher Einrichtungen durch staatliche Rechnungshöfe in jedem Fall eine Beeinträchtigung kirchlicher Vermögensverwaltung und wegen der Neben- und Fernwirkungen auch einen rechtlich relevanten Eingriff in die religionsgemeinschaftliche Organisations- und Planungshoheit dar 2 0 9 , doch ist die staatliche Rechnungsprüfung bei kirchlichen Einrichtungen aber grundsätzlich verfassungsgemäß, da auch der die umfassende Selbstbestimmung achtende Staat nicht gänzlich darauf verzichten kann, die Verwendung der staatlichen Mitteln zu kontrollieren 210 . Hinsichtlich der Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften wird das Selbstbestimmungsrecht in Baden-Württemberg ebenfalls wie im Kanton Basel-Stadt durch einen staatlichen Genehmigungsvorbehalt für die durch die Religionsgemeinschaft zu erlassene Steuerordnung beschränkt 211. Dieser staatliche Mitwirkungsakt begründet jedoch keine Befugnis, gestaltend auf die Finanzwirtschaft der Religionsgemeinschaften einzuwirken. Die staatlichen Organe sollen lediglich die Gelegenheit erhalten, die Steuerordnung der Religionsgemeinschaft an dem Kirchensteuergesetz selbst zu überprüfen, um ihr dann für den staatlichen Bereich Verbindlichkeit zu verleihen. Denn ohne die konstitutive Wirkung der staatlichen Genehmigung kann die religionsgemeinschaftliche Steuerordnung 206 Zuletzt BVerfG, Beschluss v. 25. 2. 1999-2 BvR 548/96; BVerfG, Beschluss v. 15. 3. 1999-2 BvR 2307/94. Zu der abweichenden jüngsten Entscheidung des BGH, NJW 2000, 1555 ff.; vgl. auch unten unter: Fünftes Kapitel, C., I., 4. 207

Vgl. jedoch ausführlicher unten unter: Fünftes Kapitel, C., I., wo diese Problematik im Zusammenhang mit der Vollstreckung der Entscheidungen des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden ebenfalls berührt wird. 208

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 363 m. w. N. Mainusch, Staatliche Rechnungsprüfung gegenüber kirchlichen Einrichtungen, in: NVwZ 1994, S. 736 ff. 210 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 360. 211 § 2 Abs. 1 KiStG. 209

122

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

keine Wirksamkeit in der weltlichen Rechtssphäre entfalten 212 . Bei der Genehmigung handelt es sich, ebenso wie im Kanton Basel-Stadt, um einen ermessensmäßig gebundenen Verwaltungsakt 213. Die staatlichen Organe haben die Genehmigung auszusprechen, wenn die Steuerordnung nicht gegen staatliches Recht, insbesondere gegen das Kirchensteuergesetz, verstößt. Abgesehen von dieser Genehmigungspflicht macht das staatliche Kirchensteuergesetz in § 2 Abs. 2 detaillierte Vorgaben darüber, was in den Steuerordnungen der Religionsgemeinschaften zu regeln ist. So müssen die Steuerordnungen Vorschriften über die Zusammensetzung und die Wahl der Steuervertretungen sowie bereits Grundzüge deren Geschäftsordnungen enthalten 214 . Daneben müssen die Steuerordnungen unter anderem Vorschriften über die Mitwirkung der Steuervertretung bei der Feststellung des Haushaltsplans und bei der Rechnungslegung aufweisen. Auch müssen die Steuerordnungen für die Steuerpflichtigen ein Einsichtnahmerecht in den Haushalt und in die Jahresrechnung enthalten 215 .

4. Finanzielle Förderung der Religionsgemeinschaften durch den Staat a) Kultussubventionsverbot (§ 19 b Abs. 1 Kantonsverfassung Basel-Stadt) § 19 b Abs. 1 der baselstädtischen Kantonsverfassung enthält ein ausdrückliches Verbot, Religionsgemeinschaften für ihre eigentlichen Kultuszwecke aus Staatsoder Gemeindemitteln zu unterstützen. Ausgenommen werden jedoch die Ausgaben für den Dienst von Geistlichen an den öffentlichen Spitälern, Asylen, Gefängnissen, Waisen- und Zwangsfürsorgeanstalten. Außerdem sind von dem Verbot nicht die Beiträge zur Erhaltung geschichtlicher Kunstdenkmäler und zur Anschaffung von Gegenständen erfasst, die nicht ausschließlich Kultuszwecken, sondern auch anderen, öffentlichen oder gemeinnützigen Interessen dienen 216 . Noch in der alten Bundesverfassung von 1874 wurde in Art. 49 Abs. 6 bestimmt: „Niemand ist gehalten, Steuern zu bezahlen, welche speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgemeinschaft, der er nicht angehört, auferlegt werden. Die nähere Ausführung dieses Grundsatzes ist der Bundesgesetzgebung vorbehalten."

212

Vgl. im Einzelnen: Engelhardt, Die Kirchensteuer in der Bundesrepublik Deutschland,

S. 175. 213

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 265. 214 § 2 Abs. 2 Nr. 1 KiStG. 2

15 § 2 Abs. 2 Nr. 2 KiStG. 216 § 19 b Abs. 2 Kantonsverfassung Basel-Stadt.

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

123

Damit war auf Bundesebene nur der Grundsatz aufgestellt worden, dass niemand gezwungen werden darf, direkte Steuern für die spezielle Unterstützung von Kultuszwecken zu zahlen, wenn er der bedachten Religionsgemeinschaft gar nicht angehört. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass dieser Grundsatz immer dann nicht einschlägig ist, wenn allgemeine Steuermittel eines Kantons für spezielle Kultuszwecke zur Verfügung gestellt werden 217 . Zwar werden auch in diesem Falle Kultuszwecke von Steuerzahlern mitbezahlt, die der betreffenden Religionsgemeinschaft nicht angehören, der Wortlaut des Art. 49 Abs. 6 der Bundesverfassung von 1874 spreche aber nur von speziell auferlegten Steuern für eigentliche Kultuszwecke. Die Mitfinanzierung von Kultuszwecken aus allgemeinen Steuermitteln sei gerade keine Unterstützung aus extra für die betreffende Religionsgemeinschaft erhobenen Steuern. Art. 49 Abs. 6 der Bundesverfassung von 1874 lasse jedoch kantonalen Regelungen genügend Raum, die auch eine Subventionierung von speziellen Kultuszwecken aus allgemeinen Steuern verbieten 218 . Ein solches über den Regelungsgehalt des Art. 49 Abs. 6 der Bundesverfassung von 1874 hinausgehendes Verbot stellt nun § 19 b der baselstädtischen Kantonsverfassung dar. Er verbietet dem Kanton Basel-Stadt auch aus allgemeinen Steuergeldern eigentliche Kultuszwecke zu unterstützen. § 19 b Abs. 1 Kantonsverfassung Basel-Stadt: „Mit Ausnahme der Ausgaben für den Dienst von Geistlichen an den öffentlichen Spitälern, Asylen, Gefängnissen, Waisen- und Zwangsfürsorgeanstalten dürfen eigentliche Kultuszwecke aus Staats- und Gemeindemitteln nicht unterstützt werden."

Felix Hafner wirft im Zusammenhang mit dem Kultussubventionsverbot die Frage auf, ob diese Verfassungsbestimmung nach In-Kraft-Treten des baselstädtischen Subventionsgesetzes im Jahre 1984 als besondere Subventionsregelung im Bereich des Religionsrechts noch sachlich begründet sei. In § 5 Abs. 1 lit. a) des Subventionsgesetzes werde nämlich festgehalten, dass nur dann Subventionen zuerkannt werden dürften, wenn dies durch ein öffentliches Interesse nachgewiesen sei. Da eigentliche Kultusausgaben vor dem Hintergrund von § 19 b der baselstädtischen Kantonsverfassung zunächst keine öffentlichen Interessen darstellten, dürften die Religionsgemeinschaften unter subventionsrechtlichen Gesichtspunkten ohnehin nicht mit Staatsmitteln unterstützt werden 219 . Damit weist Felix Hafner auch darauf hin, dass das Kultussubventionsverbot zum Hindernis für die Herstellung materieller Parität unter den in Basel-Stadt existierenden Glaubensgemeinschaften werden könnte: Wenn den (noch) nicht öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften eine formelle Parität schon durch das Fehlen von Regelungen über die Anerkennung verwehrt bleibe, so könne ihnen, 217

Eine Ausnahme macht das Bundesgericht auf Gemeindeebene; BGE 99 Ia 739. 18 BGE 99 Ia 739 ff. 219 E Hafner, Die Revision der Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche BaselStadt; in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, Beiheft 1, Kirche in der Stadt, S. 120. 2

124

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Staatskirchenrechtliche Grundlagen

wäre da nicht das Kultussubventionsverbot, wenigstens in finanzieller Hinsicht entgegengekommen werden. Ein öffentliches Interesse an der Förderung eigentlicher Kultusangelegenheiten könnte dann in der Gleichberechtigung der Religionsgemeinschaften und in dem damit gewahrten religiösen Friedens gesehen werden, wenn eine solche Herleitung des „öffentlichen Interesses" nicht durch den Regelungsgehalt des § 19 b der Kantonsverfassung von Basel-Stadt verunmöglicht würde 2 2 0 . Im Zuge der Totalrevision der Kantonsverfassung Basel-Stadt wird diesen Bedenken Rechnung getragen werden müssen. Das Kultussubventionsverbot wurde 1910 vor allem deshalb in die Kantonsverfassung eingefügt, um die finanzielle Privilegierung der Evangelisch-reformierten und der Christkatholischen Kirchen zu Lasten der Römisch-katholischen Kirche zu beseitigen221. Der Widerspruch zur heutigen Verfassungswirklichkeit wird damit offenbar: Während § 19 b der baselstädtischen Kantonsverfassung seinerzeit gerade zum Zwecke einer materiellen Parität eingefügt wurde, verhindert er diese heute. Die angestrebte Totalrevision der Kantonsverfassung Basel-Stadt muss den gewandelten Umständen Rechnung tragen. Um den damaligen Regelungszweck (Herstellung einer materiellen Parität) wieder herzustellen, würde es genügen, § 19 b der Kantonsverfassung von BaselStadt ersatzlos zu streichen. Damit wäre der Weg frei, auch die noch nicht förmlich anerkannten Religionsgemeinschaften in ihrem eigentlichen Kultus finanziell zu fördern. Wie oben bereits angedeutet, würde auch die Voraussetzung des „öffentlichen Interesses" der Förderung eigentlicher Kultuszwecke nicht entgegenstehen. Denn gerade in der Unterstützung aller in Basel-Stadt existierenden Religionsgemeinschaften würde dem öffentlichen Interesse nach religiösem Frieden in der Stadt Rechnung getragen. Dabei steht nicht zu befürchten, dass der Kanton den Boden weltanschaulicher Neutralität verlassen könnte. Gerade im Gegenteil: Durch die Förderung noch nicht öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften würde die Benachteiligung kompensiert, die sich aus dem Vorteil der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, Kirchensteuern erheben zu können, ergibt. Würde § 19 b der baselstädtischen Kantonsverfassung im Zuge der Totalrevision gestrichen, wäre ein wichtiger Schritt hin zu „echter" staatlicher Neutralität getan.

b) Finanzielle Förderung der Religionsgemeinschaften

in Deutschland

Auch im deutschen Staatskirchenrecht herrscht seit langem die Einsicht vor, dass die finanzielle Förderung der Religionsgemeinschaften eine ausdrückliche Aufgabe des säkularen Staates ist 2 2 2 . Die zentrale Legitimation staatlicher Förde220 Ebenda. 221 Ebenda m. w. N. 222 Vgl. statt vieler: Pirson, Die Förderung der Kirchen als Aufgabe des säkularen Staates, in: EssGespr. Band 28 (1994), S. 83 ff.; einen Überblick über die verschiedenen staatlichen

B. Staatskirchenrechtliche Situation in der Schweiz und im Kanton Basel-Stadt

125

rung der Religionsgemeinschaften ergibt sich aus einem modernen Verständnis der Grundrechtsfunktionen. Je stärker der Staat sich der sozialen Sicherung und kulturellen Förderung der Bürger zuwendet, desto mehr tritt neben das Postulat grundrechtlicher Freiheitssicherung vor dem Staat die komplementäre Forderung nach grundrechtlicher Verbürgung der Teilhabe an staatlichen Leistungen 223 . Zwar entstehen dadurch aus den Grundrechten noch keine einklagbaren Leistungsansprüche. Dieser Zusammenhang begründet jedoch eine grundrechtlich spezifizierte und verankerte, in ihrer Konkretisierung deshalb über das allgemeine Sozialstaatspostulat hinausgehende mindestens objektivrechtliche Verpflichtung des Staates, im Rahmen des Möglichen Grundrechtsvoraussetzungen zu schaffen und zu gewährleisten 224 . Nicht nur vor dem Hintergrund der effektiven Grundrechtsverwirklichung fördert der deutsche Staat die Religionsgemeinschaften unabhängig von ihrem rechtlichen Status. Auch die Erkenntnis, dass der freiheitliche demokratische Verfassungsstaat von geistigen Voraussetzungen lebt, die er selbst weder zu schaffen noch zu garantieren vermag 225 , rechtfertigt die Förderungswürdigkeit von Religionsgemeinschaften innerhalb eines säkularen Staates.

Förderungen sowie über die Legitimität finanzieller Förderung der Kirchen durch den Staat gibt: Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat, in: HdbStKirchR I, S. 867 ff., insbesondere S. 883 ff. m. w. N. 223 BVerfGE 33, 303 (330 ff.); 43, 291 (313 f.); 35, 79 (115 f.); vgl. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 289. 224 Robbers, Förderung der Kirchen durch den Staat, in: HdbStKirchR I, S. 876. 225 Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Säkularisation und Utopie, FS für E. Forsthoff zum 65. Geb., S. 75 ff. (93 f.).

Drittes Kapitel

Die israelitischen Religionsgemeinschaften im staatskirchenrechtlichen System A. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden I. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens und die Frage nach der Herkunft des Körperschaftsstatus Die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG Baden), die 1953 durch den Zusammenschluss der beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften von Nord- und Südbaden entstanden ist, ist immer davon ausgegangen, Körperschaft des öffentlichen Rechts zu sein. Dies ist nicht ganz unproblematisch, da einerseits, wie oben bereits erwähnt 1, für das amerikanisch besetzte Gebiet Badens mangels überlieferter Akten nicht mehr festgestellt werden kann, ob der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden vor der Vereinigung der Körperschaftsstatus verliehen wurde. Andererseits wurde der neuen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nach dem Zusammenschluss von 1953 auch nicht ausdrücklich der Körperschaftsstatus verliehen. Diese Frage könnte dahinstehen, wenn durch die Vereinigung von Israelitischer Landesgemeinde Südbaden und Israelitischer Religionsgemeinschaft in Nordbaden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens im Jahr 1953 - oder eventuell auf andere Weise - eine Religionsgemeinschaft mit Körperschaftsstatus entstanden ist.

1. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV Nach Ansicht des Kultusministeriums ist der Körperschaftsstatus der neu entstandenen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens auf Anwendung und Wirkung von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV zurückzuführen. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV, der über Art. 140 GG in das geltende Grundgesetz inkorporiert wurde, lautet: 1

sen.

Auf die fehlenden Akten wurde bereits oben unter: Erstes Kapitel, Β., I., 7., b) hingewie-

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

127

„Schließen sich mehrere ( . . . ) öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbände zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. 2"

Dabei ist das Kultusministerium zum einen davon ausgegangen, dass beide Israelitischen Religionsgemeinschaften im Jahr der Vereinigung in der Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts existierten. Dies ist heute jedoch im Hinblick auf die Israelitische Religionsgemeinschaft von Nordbaden gerade nicht mehr belegbar. Zum anderen subsumierte das Ministerium die vollständige Verschmelzung der beiden israelitischen Religionsgemeinschaften zu einer ganz neuen dritten Religionsgemeinschaft unter Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV 3 . Damit folgte das Ministerium einer weiten Auslegung des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV. In der Literatur war lange umstritten, ob auch die Verschmelzung zweier Religionsgemeinschaften unter Aufgabe ihrer Rechtspersönlichkeit noch unter den Begriff des „Verbandes" gefasst werden könne. Einige Autoren 4 lehnen eine solch weite Interpretation ab. Zwar gebe die Entstehungsgeschichte der Weimarer Reichsverfassung keinen befriedigenden Aufschluss, wohl aber einen Auslegungshinweis. Der betreffende Satz 3 des Art. 137 Abs. 5 WRV sei erst in der dritten Lesung in den Text aufgenommen worden, nachdem ein gleicher Antrag bei der zweiten Lesung noch abgelehnt worden sei. Im Verfassungsausschuss habe man sich durch die Aufnahme dieser Bestimmung die Förderung eines „föderativen " Zusammenschlusses der evangelischen Landeskirchen versprochen 5. In der Tat folgte im Rahmen des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV bald darauf die Gründung des deutschen evangelischen Kirchenbundes. Entstehungsgeschichtlich wurde der Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV also in den Verfassungstext aufgenommen, um „föderative " Zusammenschlüsse zu ermöglichen, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass noch öffentlich-rechtliche Unter- oder Teileinheiten selbständig unter dem Dach der Föderation weiterexistieren. Weiterhin unterscheide die Verfassung zwischen „Religionsgesellschaften" im Sinne des Art. 137 Abs. 1 - 8 WRV und „Verbänden" im Sinne des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV, die sich aus dem Zusammenschluss bestehender Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts ergäben. Ziehe man vergleichsweise den Sprachgebrauch anderer verfassungsrechtlicher Normen heran, die etwa zwischen „Ge2 Der volle Wortlaut der in das Grundgesetz inkorporierten Artikel der WRV ist im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. 3 Zwar spricht die Bestätigung nur von der Schaffung eines Gesamtverbandes. Das Kultusministerium ging aber immer davon aus, dass mit dem Zusammenschluss der beiden Religionsgemeinschaften unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtspersönlichkeit eine neue Religionsgemeinschaft, nämlich die IRG Badens, entstanden ist. So das Ministerium selbst in einem Scheiben vom 19. Januar 1993; AZ. II/4-7162.11/20 (vgl. die auszugsweise Wiedergabe des Schreibens im Anhang dieser Arbeit). 4 G. A. Walz, Zum Problem einer evangelischen Reichskirche, in: AöR NF 24. Bd., 1934, S. 59 f.; Doose, Die rechtliche Stellung der evangelischen Freikirchen, S. 238 f. 5 G. A. Walz, Zum Problem einer evangelischen Reichskirche, in: AöR NF 24. Bd., 1934, S. 59 f.

128

. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

meinden und Gemeindeverbänden" unterschieden6, so dränge sich eine enge Auslegung des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV auf. Ein Zusammenschluss, der zum völligen Aufgehen der sich vereinigenden Unterkirchen in der neugestifteten unitarischen Gesamtkirche führe, stelle keinen Sonderfall des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV dar: die unitarische Gesamtkirche sei juristisch kein aus Teilkirchen bestehender Verband, sondern eine rechtlich nicht mehr in Unterkirchen gegliederte Einheitskirche 7. Auch noch nach In-Kraft-Treten des Grundgesetzes wurde eine enge Auslegung des (mittlerweile) Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV vertreten. Bildeten voneinander unabhängige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften mit verschiedenem Bekenntnis unter Aufgabe ihrer Selbständigkeit und ihrer bisherigen Bekenntnisse eine neue Religionsgesellschaft, dann büßten sie durch die darin liegende Selbstauflösung auch den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein. Infolgedessen wäre die neugebildete Religionsgesellschaft, in der die ursprünglich bestehenden Religionsgesellschaften völlig aufgegangen sind, nicht ein Zusammenschluss „öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften" gemäß Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV, sondern eine lediglich nach der umfassenderen Bestimmung des Art. 137 Abs. 2 WRV zu beurteilende Fusion. Eine derartige Religionsgesellschaft könnte die öffentlich-rechtlichen Körperschaftsrechte nur unter den Voraussetzungen des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV erlangen8. Andere Autoren 9 treten für eine weite Auslegung von Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV ein. Zwischen Art. 137 Abs. 2 Satz 2 WRV und Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV wird kein Exklusivverhältnis angenommen. Vielmehr wird Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV zur Konkretisierung von Art. 134 Abs. 2 Satz 2 WRV herangezogen. Wenn Art. 137 Abs. 2 Satz 2 WRV bestimme, dass der Zusammenschluss von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebietes keinen Beschränkungen unterliege, so beziehe sich die Garantie „keine Beschränkungen" insbesondere auf die Form des Zusammenschlusses. Die Form sei freigegeben. Der Zusammenschluss könne, müsse aber nicht, die Bildung eines „Verbandes" im Sinne des Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV als einem Gemeinwesen höherer Ordnung bezwecken. Er könne sich ohne weiteres bis zur völligen Verschmelzung (Fusion) der einzelnen Religionsgesellschaften steigern. Denn auch die Verschmelzung sei eine (sogar die engste) Form 6

G. A. Walz, Zum Problem einer evangelischen Reichskirche, in: AöR NF 24. Bd., 1934, S. 59 f., nennt Art. 124 WRV, der zwar nicht über Art. 140 GG ins Grundgesetz inkorporiert ist. Die Argumentation könnte aber unter dem heutigen Grundgesetz auf Art. 28 Abs. 2 GG gestützt werden, der ebenfalls zwischen „Gemeinden und Gemeindeverbänden" unterscheidet. 7 G. A. Walz, Zum Problem einer evangelischen Reichskirche, in: AöR NF 24. Bd., 1934, S. 60 m. w. N. 8 Doose, Die rechtliche Stellung der evangelischen Freikirchen, S. 238. 9 Anschiitz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 634; Koeniger/Giese, Grundzüge des katholischen Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts, S. 261; Werner, Die Rechtsnatur des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes, S. 33.

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

129

des „Zusammenschlusses"10. Es interessiere das Reich nicht, ob ein Kirchenbund als Kirchenunion oder als Kirchenkonföderation gegründet werde; das gehöre allein zu den eigenen Angelegenheiten der Landeskirchen 11. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Zwar spricht einiges, insbesondere die Auslegung mit Hilfe anderer Verfassungsnormen, für eine saubere sprachliche Trennung von „Religionsgesellschaften" einerseits und „Verbänden von Religionsgesellschaften" andererseits. Dennoch darf in diesem Zusammenhang nicht nur der Sprachsinn herangezogen werden. Vielmehr muss Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV im Gesamtzusammenhang des deutschen staatskirchenrechtlichen Systems des Grundgesetzes ausgelegt werden, das stark vom religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht geprägt ist 1 2 . Wenn nun von der Gegenansicht unter anderem darauf abgestellt wird, dass mit der völligen Verschmelzung auch eine Religionsgesellschaft mit einem neuen Bekenntnis entstehen könnte und in diesem Zusammenhang eine Neuverleihung der Körperschaftsrechte gefordert wird, so steht allem Anschein die Auffassung dahinter, dass dem Staat die Entscheidungsmöglichkeit bewahrt bleiben müsse, ob er auch dieser neuen Religionsgesellschaft die Körperschaftsrechte zugestehen will. Schließlich handelt es sich ja um eine neue Religionsgemeinschaft mit bislang noch nicht dagewesenem Bekenntnis. Diese Auffassung ist jedoch schon deshalb verfehlt, da das deutsche Staatskirchenrechtssystem, anders als das Basler System13, einen Anspruch auf Verleihung der Körperschaftsrechte gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV kennt. Dem Staat kommt es demnach gerade nicht zu, über die Bedeutung des neuen Bekenntnisses zu befinden, um daraufhin die Verleihung vorzunehmen. Sind die Voraussetzungen des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV gegeben, müssen die Körperschaftsrechte verliehen werden. Da dies bei einem völligen Zusammenschluss mehrerer bislang öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften immer der Fall war und sein wird, käme es bloßer Förmelei gleich, wollte man mit der Gegenmeinung annehmen, dass die Körperschaftsrechte erst verloren gingen und sie dann neu verliehen werden müssten. Dieser unnötige Formalismus sollte durch Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV ja gerade vermieden werden. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV ist demnach weit auszulegen. Ein Zusammenschluss im Sinne einer völligen Verschmelzung bisher rechtlich selbständiger Religionsgemeinschaften zu einer einzigen neuen Religionsgemeinschaft hat ebenfalls die Rechtsfolge, dass die neue Religionsgemeinschaft kraft Gesetzes, und nicht etwa Kraft einer erneuten Verleihung, mit Körperschaftsrechten ausgestattet ist. Das Kultusministerium konnte infolgedessen grundsätzlich zurecht davon ausgehen, dass der Körperschaftsstatus der neu entstandenen Israelitischen Religions10 11 12 13

9 Nolte

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 634. Werner, Die Rechtsnatur des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes, S. 33. Ausführlich dazu vgl. unten oben: Zweites Kapitel, Α., II., 1., a). Vgl. dazu ausführlich unten oben: Zweites Kapitel, B., III., 2.

130

. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

gemeinschaft Badens auf Anwendung und Wirkung von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV zurückzuführen sei. Problematisch bleibt jedoch, dass heute im Hinblick auf die Israelitische Religionsgemeinschaft von Nordbaden nicht mehr belegbar ist, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft gehandelt hat 14 . Dies jedoch ist zwingende Voraussetzung für die Rechtsfolge des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV. Zwar spricht sehr viel dafür, dass das Kultusministerium vor Ausstellung der Bestätigung vom 20. Juli 1953 die Rechtsstellung beider Israelitischen Religionsgemeinschaften überprüft hat. Da der Körperschaftsstatus hier wissenschaftlich belegt werden soll, reicht eine solche Unterstellung jedoch nicht aus. Fraglich ist deshalb, ob der Körperschaftsstatus der neuen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nicht noch auf andere Weise zustande gekommen sein könnte.

2. Umdeutung der Bestätigung vom 20. Juli 1953 in einen Verleihungsakt Für den Fall, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft von Nordbaden zum Zeitpunkt der Vereinigung nicht Körperschaft des öffentlichen Recht gewesen ist, könnte der Körperschaftsstatus für die neue Israelitische Religionsgemeinschaft Badens durch Umdeutung der Bestätigung vom 20. Juli 1953 in einen Verleihungsakt entstehen. Dazu müsste die Bestätigung allerdings alle Voraussetzungen erfüllen, die an eine formelle Verleihung geknüpft werden. Grundsätzlich ist die Verleihung der Körperschaftsrechte als rechtsgestaltender Akt auf dreierlei Weise denkbar: durch Gesetz, durch Rechtsverordnung oder durch Verwaltungsakt 15. Während der Verwaltungsakt dem Adressaten amtlich bekannt gegeben werden muss16, müssen Gesetz und Rechtsverordnung in den offiziellen Publikationsblättern veröffentlicht werden. Da das Bestätigungsschreiben nicht veröffentlicht wurde 17 , bleibt nur die Umdeutung der Bestätigung in einen Verwaltungsakt, dessen Bekanntgabe gegenüber der neuen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens unterstellt werden darf. 14 Auf die fehlenden Akten wurde bereits oben unter: Erstes Kapitel, Β., I., 7., b) hingewiesen. 15 Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 129. 16 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 64. 17 Einen Hinweis auf den Zusammenschluss der beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften sucht man sowohl im Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht" 2. Jahrgang, 1953 als auch im „Gesetzblatt für Baden-Württemberg", 1953 vergeblich. Auch im „Wegweiser durch das Landesrecht" findet sich kein Hinweis auf besagte „Bestätigung" im Hinblick auf die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens. Vielmehr ist im „Wegweiser durch das Landesrecht", Stand 1967, S. 247 sogar noch im Jahr 1967 die Fundstelle der

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

131

Fraglich ist jedoch, ob auch in Baden für eine wirksame Verleihung der Körperschaftsrechte die Form des Verwaltungsaktes gewählt werden kann. Welcher Form die „Verleihung" bedarf, ist weder i m Grundgesetz noch in den übernommenen Artikeln der Weimarer Verfassung näher bestimmt. Der Verfassung ist nicht zu entnehmen, ob für eine „Verleihung" ein Gesetz erforderlich ist, ob eine Verordnung genügt oder ob die Körperschaftsrechte durch bloßen Verwaltungsakt verliehen werden können. Erst ein Jahr nach dem „Bestätigungsschreiben" des baden-württembergischen Kultusministeriums verständigten sich die Länder auf „Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über die Verleihung der öffentlichen Körperschaftsrechte an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften" 18 . Auch dort heißt es unter Nr. 3 lediglich: „Die Form der Verleihung regelt sich nach Landesrecht." Nach 1945 wurde in Baden kein Landesgesetz erlassen, das die Form oder die Voraussetzungen der Verleihung regelt 1 9 . Gemäß Art. 88 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Nr. 2 der baden-württembergischen Landesverfassung gilt auch vorkonstitutionelles Recht weiter, wenn es nicht gegen die Landesverfassung verstößt. § 18 Abs. 4 der Badischen Verfassung von 1919 weist die Entscheidung über die „Anerkennung" kirchlicher und religiöser Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts dem „Staatsministerium" z u 2 0 .

Verleihung der Körperschaftsrechte an die „Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg" zu finden. Dies verwundert umso mehr, als etwa die weit weniger bedeutende Namensänderung der „Israelitischen Kultusvereinigung Württemberg und Hohenzollern" im November 1966 in „Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs" im Amtsblatt des Kultusministeriums Baden-Württemberg „Kultus und Unterricht", 16. Jahrgang 1967, S. 534 durchaus bekannt gemacht wurde. Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 132 fordert für eine wirksame Verleihung der Körperschaftsrechte, so sie wie in Baden-Württemberg nicht nur in Form eines Verwaltungsaktes geschehen kann (siehe unten), die Veröffentlichung. Da sie für die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nicht erfolgt ist, geht Held folgerichtig davon aus, dass es sich bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens um keine öffentlichrechtliche Körperschaft handelt (vgl. die Zusammenstellung der kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften bei Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 149 sowie die Ausführungen in Fn. 1). 18 „Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über die Verleihung der öffentlichen Körperschaftsrechte an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften" von 1954, abgedruckt in Lehmann, Die kleinen Religionsgemeinschaften, S. 136 f. 19 Art. 29 Abs. 3 der württemberg-badischen Verfassung formulierte sogar einen ausdrücklichen Auftrag an den Gesetzgeber, die Voraussetzungen für die „Anerkennung" einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu bestimmen. Dieser Auftrag wurde jedoch nicht ausgeführt. Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 21. 20 Vgl. auch Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 5 Rdnr. 13. 9*

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

§ 18 Abs. 3 Badische Verfassung von 1919 2 1 „Alle staatlich anerkannten kirchlichen und religiösen Gemeinschaften sind rechtlich gleichgestellt. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben das Recht der Selbstbesteuerung nach den Landesgesetzen. Sie ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten frei und selbständig im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze." § 18 Abs. 4 Badische Verfassung von 1919 „Kirchliche und religiöse Gemeinschaften, die nach ihrer Verfassung und der Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten und deren Ziele den Staatsgesetzen und der Sittlichkeit nicht zuwider sind, müssen durch das Staatsministerium als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne des vorigen Absatzes anerkannt werden." Gemäß § 8 und § 52 der Badischen Verfassung von 1919 bestand das „Staatsministerium" aus den Ministern und nahm Exekutivfunktionen wahr. Damit entspricht es der „Landesregierung" gemäß Art. 45 Abs. 1 und 2 der baden-württembergischen Landesverfassung. In Ermangelung eines anders lautenden Gesetzes kommt heute der „Landesregierung" gemäß Art. 88 der baden-württembergischen Landesverfassung i.V.m. § 14 Abs. 3 und 4 der Badischen Verfassung von 1919 die Kompetenz zu, auf dem Territorium des ehemaligen Großherzogtums Baden über die Verleihung der Körperschaftsrechte zu befinden. Eine weitergehende Bestimmung über die Form der „Anerkennung" findet sich in der Badischen Verfassung von 1919 nicht. In der Verwaltungspraxis wurden die Religionsgemeinschaften durch Beschluss des „Staatsministeriums" und später durch Beschluss der badenwürttembergischen Landesregierung i m Sinne von § 18 Abs. 4 der Badischen Verfassung „anerkannt" 2 2 . Damit scheidet die Umdeutung der Bestätigung in einen Verleihungsakt in Form eines Verwaltungsaktes aus, da in Baden zum einen diese Form der Verleihung nicht zulässig ist (Rechtsformmangel) 23 , zum anderen das Kultusministerium nicht zuständig war (mangelnde Organkompetenz) 24 . 21 Badisches Gesetzes- und Verordnungsblatt, 1919, S. 282 f. 22 Zur baden-württembergischen Übung, Körperschaftsrechte durch Beschluss der Landesregierung zu verleihen vgl.: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 150; Lehmann, Die kleinen Religionsgemeinschaften, S. 60. Zur generellen Zuständigkeit der Bundesländer vgl. auch: Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 118 f.; Lehmann, Die kleinen Religionsgemeinschaften, S. 55 ff. (insbesondere S. 58 ff., wo die Frage diskutiert wird, ob die Formen für die Verleihung der Körperschaftsrechte, Gesetzgebung oder Verwaltungsmaßnahme, beliebig austauschbar seien.). Ein genauer Nachweis über die zeitliche Abfolge der Verleihung von Körperschaftsrechten an kleinere Religionsgemeinschaften findet sich in: Lehmann, Die kleinen Religionsgemeinschaften, S. 60. 23 § 88 Landesverfassung Baden-Württemberg i.V.m. § 18 Abs. 4 Badische Verfassung von 1919 i.V.m. der bisherigen Verwaltungspraxis. 24 Das Kultusministerium ist gemäß §§ 24, 24a KiStG nur für die Verleihung des Körperschaftsstatus an „Kirchengemeinden", also die Untergliederungen einer bereits als Körperschaft anerkannten Religionsgemeinschaft, zuständig, nicht dagegen für die Verleihung des Körperschaftsstatus an die einheitliche Religionsgemeinschaft selbst.

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

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3. Entstehung des Körperschaftsstatus durch „Anerkennung" Spätestens mit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes ist der Sprachgebrauch der „Anerkennung", der sich auch in Art. 4 Abs. 1 der baden-württembergischen Landesverfassung findet, nicht unproblematisch 25. Im Zusammenhang mit § 18 Abs. 3 und 4 der Badischen Verfassung von 1919 ist jedoch eindeutig, dass „Anerkennung" die „Verleihung öffentlich-rechtlicher Körperschaftsrechte" meint 26 . Nach den bisherigen Ausführungen konnte der Körperschaftsstatus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens weder durch die Wirkung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 3 WRV noch über eine Umdeutung der vom Kultusministerium ausgestellten „Bestätigung" hergeleitet werden. Im Kultusministerium des neu entstandenen Landes Baden-Württemberg geriet die noch Ende der 40er Jahre in Südbaden geführte Diskussion über die aufgrund des nationalsozialistischen Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen 27 notwendig gewordene Neuverleihung der Körperschaftsrechte in Vergessenheit. Anders jedenfalls ist ein Schreiben des Ministeriums vom 14. Mai 1964 nicht zu erklären, in dem dem Amtsgericht Heidelberg mitgeteilt wurde, die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens sei aufgrund des Landesherrlichen Edikts vom 13. Januar 1809 i.V.m. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV Körperschaft des öffentlichen Rechts28. Teilweise wurde als Grundlage des Körperschaftsstatus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens von 1953 auch die Verleihung der Körperschaftsrechte an die Israelitische Landesgemeinde Südbaden zitiert 29 . Selbst wenn die Herkunft des Körperschaftsstatus unterschiedlich angegeben wurde, so ging man doch seitens der Landesregierung allem Anschein immer von einem öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens von 1953 aus.

25

Vgl. dazu Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 21 ff.; ebenso sehr ausführlich auch zu den unterschiedlichen Begriffsbelegungen: Besch, Der Begriff der anerkannten Religionsgemeinschaft, S. 104 ff. 26 Sind einer Religionsgemeinschaft öffentlich-rechtliche Körperschaftsrec/zte verliehen worden, wird im Rahmen dieser Arbeit davon ausgegangen, dass die Religionsgemeinschaft über einen öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatas verfügt. Deshalb wird hier nicht zwischen den Begrifflichkeiten „Verleihung öffentlich-rechtlicher Körperschaftsrechte" und „Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus" unterschieden. 2 ? RGBl. Teil 1 1938 S. 338. 28 Schreiben des Kultusministeriums von Baden-Württemberg an das AG Heidelberg, Zeichen Ki 7011/1 vom 14. Mai 1964. Generallandesarchiv Karlsruhe 466 Zugang 1995-44/ 12 Jahr 1950-1969 Heft 1. 29 So das Ministerium für Kultus und Sport in einem Schreiben vom 19. Januar 1993, Aktenzeichen: I I / 4 — 7162.11 /20 (vgl. die auszugsweise Wiedergabe des Schreibens im Anhang dieser Arbeit).

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

Schon 1968 wurde die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens in einem Verzeichnis öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgemeinschaften im Amtsblatt des Kultusministeriums mitaufgeführt 30. Im Jahr 1974 verordnete das Finanzministerium auf Grund von § 22 des Kirchensteuergesetzes, dass der Arbeitgeber die Kirchenlohnsteuer vom Arbeitslohn auch derjenigen Arbeitnehmer einbehält, die nach dem Eintrag auf der Lohnsteuerkarte der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens angehören und in deren Bereich einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, deren Betriebsstätte sich aber außerhalb des Bereiches der Religionsgemeinschaft befindet 31. Das Innenministerium fügte im Jahr 1985 seiner Verwaltungsvorschrift über die Kirchenaustrittsverfahren 32 ein „Verzeichnis der Kirchen, Religionsgemeinschaften und religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften, die in Baden-Württemberg den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV besitzen", an. In dieser Aufstellung folgt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens gleich nach der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens stellt somit eine Besonderheit dar. Ihr wurde der Körperschaftsstatus nicht auf dem üblichen traditionellen Wege verliehen. Im speziellen Fall der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens entfaltet der, wie oben erwähnt problematische Sprachgebrauch der „Anerkennung" jedoch eine neue Bedeutungsvariante: Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens selbst ging immer zu Recht davon aus, Körperschaft des öffentlichen Rechts zu sein. Auch ohne formellen Verleihungsakt wurde die 1953 neu entstandene Israelitische Religionsgemeinschaft Badens zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft, indem die Landesministerien das Selbstverständnis hinsichtlich der Rechtsform durch regelmäßiges Verwaltungshandeln (Verordnungen ausgehend vom Körperschaftsstatus) „ anerkannten

II. Die Gemeinden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens 1. Bedeutung von § 3 Abs. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 Die neue Satzung der IRG Badens von 1999 bestimmt in § 3 Abs. 2, dass die bestehenden jüdischen Gemeinden in Baden Körperschaften öffentlichen Rechts gemäß § 24 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes seien. Dieser Feststellung könnte zu30 Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 1968, S. 882 f. 31

VO des Finanzministeriums über die Betriebsstättenbesteuerung nach dem Kirchensteuergesetz vom 25. 10. 1974 (GBl. S. 444) 32 Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Kirchenaustritts verfahren vom 8. 2. 1985 Az. I I 1365/155, Gem. Amtsbl. Baden-Württemberg 1985, S. 371.

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

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nächst - und wenn überhaupt - nur deklaratorische Bedeutung zukommen, da sie als Satzungsrecht keinesfalls über dem Regelungsgehalt von § 24 Abs. Satz 1 des Kirchensteuergesetzes steht 3 3 . Dazu müssten die Gemeinden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ihrerseits den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus, zeitlich vor der neuen Satzung der I R G Badens von 1999, entweder durch Anerkennung des Kultusministeriums 34 oder gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 des Kirchensteuergesetzes bereits vor In-Kraft-Treten des Kirchensteuergesetzes erlangt haben.

2. „Anerkennungen" durch das Kultusministerium Für die Gemeinden in Baden-Baden, Konstanz und Pforzheim 3 5 , sowie für die in jüngster Zeit hinzugekommenen Gemeinden in Emmendingen und Lörrach 3 6 , finden sich ausdrückliche „Anerkennungen" durch das Kultusministerium. Hinsichtlich der übrigen Gemeinden sind dem Amtsblatt des Kultusministeriums jedoch keine Bekanntmachungen über die Verleihung der öffentlich-rechtlichen Rechtsfähigkeit zu entnehmen. Somit ist i m Blick auf diese Gemeinden zu prüfen, ob sie bereits vor In-KraftTreten des Kirchensteuergesetzes am 1. Januar 1970 3 7 den Körperschaftsstatus innehatten. 33 Eine als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannte Religionsgemeinschaft kann nicht aus eigener Kraft heraus „Untergliederungen" ebenfalls den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus verleihen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus § 24 Kirchensteuergesetz. Dass nicht nur die in § 24 Abs. 1 KiStG ausdrücklich genannten „Kirchengemeinden", sondern sämtliche „Untergliederungen" den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus nur durch staatlichen „Anerkennungsakt" erlangen, belegt das Gesetz über die Rechtsstellung der Kirchenbezirke der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 2. August 1966. § 1 des Gesetzes bestimmt, dass die Kirchenbezirke der Evangelischen Landeskirche in Baden Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Dieses Gesetz zeigt darüber hinaus auch, dass der Gesetzgeber dem Kultusministerium nur die „Anerkennung" der „untersten" Untergliederungen einer Religionsgemeinschaft zubilligt. 34 Diese „Anerkennung" durch das Kultusministerium darf nicht mit der erstmaligen Verleihung der Körperschaftsrechte an eine (einheitliche) Religionsgemeinschaft durch die Landesregierung verwechselt werden. 35 „Anerkennung" der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz: Bekanntmachung des Ministeriums für Kultus und Sport vom 26. August 1988: Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 1988, S. 755; „Anerkennung" der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden: Bekanntmachung des Ministeriums für Kultus und Sport vom 7. Juli 1992: Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 1992, S. 456; „Anerkennung" der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim: Bekanntmachung des Ministeriums für Kultus und Sport vom 18. April 1994: Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 1994, S. 476. 36 „Anerkennung" der Jüdischen Gemeinde Emmendingen: Bekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Württemberg vom 15. Mai 2000: Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 2000, Nr. 13, S. 180; „Anerkennung" der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach: Bekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Württemberg vom 27. Dezember 2000: Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 2001, Nr. 3, S. 50.

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

3. Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Kirchensteuergesetzes im Jahr 1979 Auch vor In-Kraft-Treten des Kirchensteuergesetzes konnten „Untergliederungen" öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgemeinschaften nur mit staatlicher Genehmigung ebenfalls den Körperschaftsstatus erlangen. Art. 1 des Ortskirchensteuergesetzes vom 30. Juni 1922 lautete: „Örtliche Verbände von Angehörigen der nach § 18 der badischen Verfassung als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgesellschaften, welche zum Zweck der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung mit regelmäßigem pfarrlichem Gottesdienste im Lande Baden bestehen oder mit staatlicher Genehmigung künftig errichtet werden, haben als Kirchengemeinden die Rechte öffentlicher Korporationen (Körperschaften), deren räumlicher Umfang das Kirchspiel ist." 38

Da sich, wie bereits angedeutet, auch für die Zeit vor 1970 keine staatlichen „Anerkennungen" für die übrigen badischen Israelitischen Gemeinden im Amtsblatt des Kultusministerium finden lassen, kann ein eventueller Körperschaftsstatus auch nicht über § 24 Abs. 1 Satz 2 des Kirchensteuergesetzes angenommen werden. 4. Herkunft des Körperschaftsstatus durch „Anerkennung" im weiteren Sinne Ebenso wie bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, stellt sich auch bei den Einzelgemeinden die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus nicht durch eine staatliche „Anerkennung" im weiteren Sinne entstanden sein könnte. Schließlich lässt sich in allen Satzungen der übrigen badischen israelitischen Gemeinden, so sie sich nicht ausdrücklich als eingetragene Vereine organisiert haben, die Aussage finden, dass die Gemeinden über den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus verfügten 39. Die Situation der Einzelgemeinden unterscheidet sich jedoch insofern von derjenigen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, als dass das Land BadenWürttemberg jedenfalls nicht in offiziellen Bekanntmachungen die öffentlichrechtliche Rechtsstellung vorausgesetzt hat. Während das Land schon 1968 die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens in einem Verzeichnis öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgemeinschaften im Amtsblatt des Kultusministeriums führte 40 und auch ansonsten alle zwei Jahre den Kultussteuerbeschluss der IRG 37 § 31 Abs. 1 KiStG. 38 Badisches Gesetzes- und Verordnungsblatt, 1922, S. 501. 39 § 1 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 40 Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 1968, S. 882 f.

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

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Badens genehmigte, finden sich solche Hinweise in Bezug auf die Einzelgemeinden nicht. Lediglich der Bestätigung des Kultusministeriums über den Zusammenschluss der Israelitischen Religionsgemeinschaft Nordbaden und der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden aus dem Jahre 195341 ist zu entnehmen, dass das Kultusministerium schon sehr früh wie selbstverständlich davon ausging, dass auch die Einzelgemeinden, in der Bestätigung werden die Gemeinden Freiburg, Karlsruhe und Mannheim genannt, ebenfalls Körperschaften öffentlichen Rechts seien. Am 26. August 1999 genehmigte das Kultusministerium die neue Satzung der IRG Badens vom 6. Juni 1999. Eine solche ministerielle Genehmigung ist gemäß § 25 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes lediglich für das In-Kraft-Treten auch deijenigen Satzungsbestimmungen erforderlich, die die rechtsgeschäftliche Vertretung betreffen 42. Zwar ist die Problematik der rechtlichen Organisationsform nicht primär eine Frage der rechtsgeschäftlichen Vertretung. Dennoch ist hier ein enger Zusammenhang zu sehen, da der Sinn und Zweck der ministeriellen Genehmigung religionsgemeinschaftlicher Satzungen in der Sicherheit des allgemeinen Rechtsverkehrs zu sehen ist. Zur Eindeutigkeit des rechtsgeschäftlichen Auftretens von Religionsgemeinschaften gehört auch, dass deren rechtliche Organisationsform geklärt ist. Indem nun das Kultusministerium die neue Satzung der IRG Badens mitsamt dem § 3 Abs. 2 im August 1999 genehmigte, anerkannte es auch, dass die übrigen, bislang noch nicht offiziell als öffentlich-rechtlich „anerkannten" Gemeinden, Körperschaften öffentlichen Rechts seien. Der an sich nicht unproblematische Sprachgebrauch der „Anerkennung" 43, entfaltet also auch im Blick auf die Rechtsstellung der Einzelgemeinden eine neue Bedeutungsvariante, wobei § 3 Abs. 2 der neuen Satzung der IRG Badens mehr als nur deklaratiorische Bedeutung zukommt: Den israelitischen Einzelgemeinden in Baden (mit Ausnahme der Gemeinden in Baden-Baden, Konstanz, Pforzheim, Emmendingen und Lörrach) wurde der Körperschaftsstatus nicht direkt gemäß § 24 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes verliehen, sondern mittelbar über die Bestätigung aus dem Jahre 1953 und mit der Genehmigung der neuen Satzung der IRG Badens. Indem das Kultusministerium schon früh der Ansicht war, dass auch die Einzelgemeinden den Körperschaftsstatus innehätten und folgerichtig die neue Satzung der IRG Badens ohne weiteres genehmigte, „anerkannte" es auch das rechtli41 Bestätigung des Kultusministeriums vom 20. Juli 1953; AZ R 756; im vollen Wortlaut ist die Bestätigung im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben. 42 Ausführlicher zum Genehmigungserfordernis religionsgemeinschaftlicher Satzungen: vgl. unten unter: Viertes Kapitel, Α., II., 11. 43 Vgl. dazu bereits oben unter: Drittes Kapitel, Α., I., 3. sowie: Hollerbach, in: Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 4 Rdnr. 21 ff.; ebenso sehr ausführlich auch zu den unterschiedlichen Begriffsbelegungen: Besch, Der Begriff der anerkannten Religionsgemeinschaft, S. 104 ff.

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

che Selbstverständnis der Einzelgemeinden, ebenfalls Körperschaften öffentlichen Rechts zu sein. Die Feststellung in § 3 Abs. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 trifft jedoch, entgegen seinem Wortlaut, nicht auf alle Gemeinden in Baden zu. Solange eine Gemeinde sich selbst als eingetragenen Verein versteht, geht dieses rechtliche Selbstverständnis dem § 3 Abs. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 vor 44 . So besteht in Lörrach neben der jetzt öffentlich-rechtlich anerkannten Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach ebenfalls eine jüdische Gemeinde als eingetragener Verein 45. Auch die Gemeinde in Emmendingen war seit ihrer Gründung im Jahr 1995 zunächst als eingetragener Verein organisiert, bis sie im Dezember 2000 als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt wurde 46 .

I I I . Die privatrechtlich organisierten israelitischen Gemeinden in Baden Rechtlich genießen die privatrechtlich organisierten israelitischen Religionsgemeinschaften dieselben verfassungsunmittelbaren Rechte wie die mit dem Körperschaftsstatus ausgestatteten. Alle Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland verfügen über einen konstitutionellen Grundstatus 47, der ihnen unabhängig von der konkreten rechtlichen Organisationsform gleicherweise die individuelle, korporative, negative und positive Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG), Trennung vom Staat (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV) und religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV), also ein freies Religionswesen im religiös und weltanschaulich neutralen Staat, garantiert 48. Die Jüdische Gemeinde Emmendingen e.V. 49 und die Jüdische Gemeinde Lörrach e.V. haben sich für den staatlichen Rechtskreis als nichtwirtschaftliche Vereine im Sinne des § 21 BGB organisiert. Der Erwerb der 44

Im Einzelnen vgl. unten unter: Viertes Kapitel., Α., I., 2., d). Vereinsregister Lörrach Nr. 1220. Die Gemeinde befindet sich im Insolvenzverfahren. 46 Im Anhang der vorliegenden Arbeit ist die bereits 1995 ausgearbeitete Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen K.d.ö.R. im vollem Wortlaut wiedergegeben, da sie im Vergleich zu anderen Satzungen einige Besonderheiten aufweist. Im Folgenden wird zwischen der Satzung der öffentlich-rechtlich organisierten Gemeinde Emmendingen und der Satzung der vereinsrechtlich organisierten Gemeindevorläuferin mittels des Zusatzes „e.V." („Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.") unterschieden. 45

4

? Hollerbach, Grundlagen des Staatskichenrechts, in: HStR Bd. V I § 138 Rdnr. 126 f., 88 ff., 108 ff. 48 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 126; vgl. auch: Jurina, Die Religionsgemeinschaften mit privatrechtlichem Status, in: HdbStKirchR I, S. 689 ff. 49 Da die Anerkennung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen als Körperschaft des öffentlichen Rechts erst in alleijüngster Vergangenheit erfolgte, wird das Recht der Rechtsvorgängerin, der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V., im Folgenden ebenfalls mitdargestellt.

Α. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden

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Rechtsfähigkeit, den Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 4 WRV nach „allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts" eröffnet, erfolgte durch Eintragung des Vereins gemäß §§ 55 ff. BGB. Bereits an dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass die Vereinsvorschriften des BGB nicht unbesehen und schematisch auf Religionsgemeinschaften angewendet werden dürfen. Dies ist Folge des konstitutionellen Grundstatus, der es über das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht jeder Religionsgemeinschaft ermöglicht, sich nach eigenem Selbstverständnis und eigenen Ordnungsvorstellungen zu organisieren. Der Staat regelt als „Herr der weltlichen Rechtsordnung" lediglich die Sicherheit des Rechtsverkehrs und damit die Rechte anderer, vor allem die der Gläubiger einer Religionsgemeinschaft. Im Übrigen treten die Vorschriften des Vereinsrechts hinter abweichendes Recht der Religionsgemeinschaft zurück. Sie sind also insoweit kein dem Recht der Religionsgemeinschaft vorgehendes „für alle geltendes Recht" im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, das dem Selbstbestimmungsrecht Grenzen ziehen könnte 50 . Überall dort, wo sich Juden außerhalb bestehender Gemeinden, seien sie als öffentlich-rechtliche Körperschaften oder als eingetragene Vereine organisiert, zu Kulthandlungen zusammenfinden, ist dieser Zusammenschluss als nichtrechtsfähiger Verein gemäß § 54 BGB zu qualifizieren, dem in der Praxis jedenfalls eine partielle Rechtsfähigkeit zuerkannt wird 5 1 . Diese neue Religionsgemeinschaft ist damit nicht völlig vom Rechtsverkehr ausgeschlossen. Von der staatskirchenrechtlichen Stellung zu unterscheiden sind Fragen zur Gründung und Aufnahme neuer privatrechtlich organisierter Gemeinden in die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens sowie Überlegungen zur Verhältnisbestimmung der privatrechtlich organisierten Gemeinden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Diese werden im vierten Kapitel eingehend erörtert 52.

50

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 133. Vgl. Badische Zeitung vom 11. Januar 2000, S. 4; Über die Existenz einer selbständigen Israelitischen Gemeinde in Heidelberg neben der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg besteht Unklarheit. Ausgeschlossen ist laut Anfrage beim Registergericht Heidelberg der Bestand einer solchen Gemeinde als eingetragener Verein. Auch im örtlichen Adressbuch ist ein eventuell nicht eingetragener Verein noch nicht in Erscheinung getreten. 51

52 Vgl. zur Gründung und Aufnahme neuer privatrechtlich organisierter Gemeinden in die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens unten unter: Viertes Kapitel, Α., I., 2., d). Zur Verhältnisbestimmung der privatrechtlich organisierten Gemeinden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens siehe unten unter Viertes Kapitel, Α., I., 1.

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

B. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften im staatskirchenrechtlichen System des Kantons Basel-Stadt I. Die rechtliche Stellung der Israelitischen Gemeinde Basel Die rechtliche Stellung der Israelitischen Gemeinde im Kanton Basel-Stadt ergibt sich aus dem 1972 revidierten § 19 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 2. Dezember 1889 sowie aus dem Kirchengesetz des Kantons Basel-Stadt vom 8. November 1973. § 19 Abs. 1 Kantonsverfassung sowie § 1 Abs. 1 Kirchengesetz lauten inhaltsgleich: „Die Evangelisch-reformierte, die Römisch-katholische und die Christkatholische Kirche 53 haben öffentlich-rechtliche Persönlichkeit. Die Israelitische Gemeinde ist ihnen gleichgestellt;..."

Der Sprachgebrauch der „Gleichstellung" in § 19 Abs. 1 der Kantonsverfassung könnte zunächst darauf hindeuten, dass die Israelitische Gemeinde zwar mit gleichen Rechten wie die christlichen Religionsgemeinschaften ausgestattet sein soll, dass eine förmliche Anerkennung als selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft aber nicht erfolgen sollte. Gegen eine solche Auslegung sprechen jedoch die Beratungsunterlagen zur Revision des § 19 der Kantonsverfassung. Dem Bericht zur Änderung von § 19 der Kantonsverfassung ist zu entnehmen, dass schon die im Zusammenhang mit den Überlegungen zu einer Vereinigung der beiden Kantone Basel-Stadt und BaselLandschaft eingesetzte Kommission für Kirchenfragen in ihrem Bericht über das Kirchenwesen im Kanton Basel „die Auffassung" vertrat, „dass (neben der Römisch-katholischen Kirche) auch der Israelitischen Gemeinde Basel die öffentlichrechtliche Persönlichkeit zuerkannt werden sollte 54 ". Der Regierungsrat machte sich diese Ansicht 1972 zu Eigen: „Nachdem die Evangelisch-reformierte und die Christkatholische Kirche in Basel-Stadt schon seit 60 Jahren öffentlich-rechtlich anerkannt sind, entspricht es zudem, dies sei noch einmal betont, einem Gebot der Gerechtigkeit, die öffentlich-rechtliche Anerkennung auch der Römisch-katholischen Kirche und der Israelitischen Gemeinde zu verleihen. Den beiden letztgenannten Religionsgemeinschaften sollte die öffentlich-rechtliche Anerkennung schon deswegen verliehen werden, weil sie mit dem Staat dank ihrer Geschichte verbunden sind und kraft ihrer Ordnung und der Zahl der Mitglieder in einer breiten Öffentlichkeit tatsächlich zu wirken vermögen. 55" 53

Im deutschen Sprachgebrauch: Altkatholiken. Zitiert in Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 4. 54

. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Bae

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Seit Beginn der Überlegungen zu einer Revision von § 19 der Kantonsverfassung und auch während des gesamten Verlaufes des Verfassungsänderungsverfahrens wurde immer von allen beteiligten Seiten über eine Anerkennung der Israelitischen Gemeinde als einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit diskutiert. Schließlich greift auch § 2 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB) vom 1. Januar 1975 § 19 der Kantonsverfassung auf und formuliert unmissverständlich: „Die IGB ist gemäß § 19 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt eine selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit."

Hätte der Regierungsrat § 19 Abs. 1 der Kantonsverfassung je anders auslegen wollen, hätte er die nach der Revision von § 19 der Kantonsverfassung erforderlich gewordene Statutenänderung der IGB mit dem unmissverständlichen § 2 nicht genehmigen dürfen 56. Die Wortwahl der „Gleichstellung" der IGB gegenüber den christlichen Kirchen hat einzig und allein seinen Grund darin, dass es sich bei der Israelitischen Gemeinde Basel nicht um eine „Kirche" handelt. Um diesem Unterschied Rechnung zu tragen, wurde die Israelitische Gemeinde Basel in § 19 Abs. 1 Satz 1 der Kantonverfassung sprachlich nicht in die Reihe der christlichen Kirchen aufgenommen, sondern in Satz 2 unabhängig von ihnen erwähnt 57. Obgleich nach dem Wortlaut von § 19 Abs. 1 der Kantonsverfassung eine andere Auslegung denkbar wäre, stehen dieser Auslegung jedoch erhebliche historische und teleologische Argumente entgegen. Unbestritten ist die Israelitische Gemeinde Basel spätestens seit In-Kraft-Treten der neuen Statuten am 1. Januar 1975 eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit 58. Fraglich ist, ob sie nicht schon mit In-Kraft-Treten der Änderung von § 19 der Kantons Verfassung am 21. Juni 1973 59 eine Körperschaft öffentlichen Rechts geworden war. Dagegen könnten Erwägungen hinsichtlich der speziellen Rechtseigenschaften der öffentlich-rechtlichen Körperschaft sprechen. Im Gegensatz zu öffentlichrechtlichen Anstalten zeichnet sich die öffentlich-rechtliche Personenkörperschaft dadurch aus, dass die Mitglieder im Rahmen des übergeordneten Rechts über den 55

Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 13. 56 Das Genehmigungserfordernis für den Erlass oder die Änderung der Kirchenverfassungen (resp. Statuten) ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Satz 2 Verfassung des Kantons BaselStadt. 57 Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, S. 231; Fuchs, Kirche und Staat, S. 366 f.; ebenso der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 29. April 1999. 58 Ebenso: Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, S. 228 f. und 231. 59 Eidgenössische Gewährleistung am 21. Juni 1973 nach erfolgter Volksabstimmung vom 1./3. Dezember 1972.

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

Status der Organisation bestimmen60. In diesem Sinne beruhe die Gründung und Auflösung der Körperschaft grundsätzlich 61 oder, so eine andere Ansicht, in Ausnahmefällen 62 auf der Initiative der Beteiligten. Ob die Errichtung einer öffentlichrechtlichen Körperschaft nun grundsätzlich oder nur in Ausnahmefällen auf der Initiative der späteren Mitglieder beruht, kann hier dahinstehen, da es sich bei der Konstituierung einer Religionsgemeinschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft aufgrund des in § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung festgehaltenen Selbstbestimmungsrechts um eine Ausnahme handelt. Ohne oder gegen den Willen einer Religionsgemeinschaft kann ihre Rechtsform nicht in einen öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus von Staats wegen umgewandelt werden. Insofern könnte der Körperschaftsstatus erst nach der Bekundung des Einverständnisses in Form des Beschlusses der Gemeindeversammlung am 13. Januar 1975 entstanden sein. Für die Errichtung der Israelitischen Gemeinde Basel als öffentlich-rechtliche Körperschaft erst im Januar 1975, und nicht bereits durch die in Kraft getretene Änderung der Kantonsverfassung im Juni 1973, spricht auch die Nr. 2 der Ubergangsbestimmungen der Statuten von 1975: „Wer zur Zeit des Inkrafttretens dieser Statuten Mitglied der Gemeinde ist, gehört ihr weiterhin an. Gleichzeitig werden seine Ehefrau und seine minderjährigen Kinder Gemeindemitglieder, falls sie nach jüdischem Religionsgesetz als Juden gelten."

Der Wortlaut könnte vermuten lassen, dass ganz bewusst am In-Kraft-Treten der neuen Statuten angeknüpft werden sollte, um den Übergang von der privatrechtlich zur öffentlich-rechtlich organisierten Israelitischen Gemeinde Basel zu markieren. Diese Bestimmung würde sonst keinen Sinn ergeben. Schließlich geht es um die Mitgliedschaft in der neuen öffentlich-rechtlichen Israelitischen Gemeinde. Wenn nun diese Mitgliedschaft erst mit In-Kraft-Treten der neuen Statuten begründet werden soll, könnte vieles dafür sprechen, dass vorher, also zwischen der in Kraft getretenen Verfassungsänderung im Juni 1973 und dem Beschluss der neuen Statuten im Januar 1975, die Israelitische Gemeinde noch nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts, sondern noch als privatrechtlicher Verein im Sinne von Art. 60 des schweizerisches Zivilgesetzbuchs fortbestehen sollte. Genauso gut könnte angenommen werden, dass die Israelitische Gemeinde Basel in der Zeit von Juni 1973 bis Januar 1975 in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts bestand, da Anstalten im Gegensatz zu Körperschaften bei der Gründung keine Mitwirkungsakte der Mitglieder voraussetzen. Für eine Errichtung der Israelitischen Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft schon durch das In-Kraft-Treten der Verfassungsänderung im Juni 1973 könnte hingegen sprechen, dass die erforderliche Initiative zur Errichtung einer 60 Fleiner, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, S. 452; Lazzarini, Öffentlich-rechtliche Anstalten des Bundes im Vergleich, S. 13 m. w. N. 61 So Fleiner, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, S. 13. 62 So etwa Häfelin /G. Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Rdnr. 1031; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1 AT, S. 496.

. Die rechtliche Stellung der israelitischen Religionsgemeinschaften in Bae

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Körperschaft durch ihre späteren Mitglieder lange vor der Verfassungsänderung im Juni 1973, nämlich bereits im Vorfeld des Anzugs von E. Keller und Konsorten vom 15. April 1971, von den Mitgliedern der Israelitischen Gemeinde ergriffen worden war. Die Verfassungsänderung wäre dann nur noch die Reaktion auf diese Initiative gewesen und die Israelitische Gemeinde Basel bereits am 21. Juni 1973 zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft geworden. Im Anzug E. Keller, der in der Sitzung des Großen Rates am 15. April 1971 dem Regierungsrat überwiesen wurde, heißt es: „ . . . Seit Jahrzehnten ist es der Wunsch der Römisch-katholischen Gemeinde, ebenfalls die öffentlich-rechtliche Anerkennung zu erhalten. Die gleichen Bestrebungen sind in der Israelitischen Gemeinde vorhanden "63

Es hat also im Vorfeld eine gemeindliche Initiative gegeben, die auf die staatliche Verleihung des Körperschaftsstatus gerichtet war. Fraglich ist, ob aber eine bloße Initiative, etwa von Seiten einiger Gemeindeglieder oder des Vorstandes, ausreichen kann. Bei einer so einschneidenden Änderung der gemeindlichen Situation wie der Uberführung in die Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts, ist ein Gemeindeversammlungsbeschluss erforderlich. Diese Auffassung vertrat auch der Vorstand der Israelitischen Gemeinde Basel, als er, von der baselstädtischen Regierung mit Schreiben vom 23. Dezember 1971 aufgefordert worden war, sich bis zum 25. Januar 1972 zum regierungsrätlichen Vorentwurf zu einer Partialrevision der Kantonsverfassung zu äußern, der die Entstehung der Israelitischen Gemeinde Basel als öffentlich-rechtliche Körperschaft vorsah: Er erklärte seine Zustimmung nur unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Beschlusses der eigenen Gemeindeversammlung, da die vorgeschlagene Änderung von § 19 der Kantonsverfassung eine Änderung der eigenen Statuten erforderlich mache64. Nachdem die Gemeindeversammlung den neuen Statuten am 13. Januar 1975 zugestimmt hatte und damit analog auch die Verfassungsänderung guthieß, entfiel der vom Vorstand erklärte Vorbehalt, so dass die Zustimmung der ganzen Gemeinde zu einer Änderung von § 19 der Kantonsverfassung rückwirkend zustande kam. Damit liegt eine gesamtgemeindliche Initiative für die Verleihung des Körperschaftsstatus bereits zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verfassungsänderung vor. Infolgedessen kann die Errichtung der Israelitischen Gemeinde Basel als Körperschaft des öffentlichen Rechts bereits am 21. Juni 1973 angenommen werden 65. 63 Zitiert in: Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 3. 64 Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 12. 65

Auch der Vorstand der Israelitischen Gemeinde Basel geht davon aus, dass die Israelitische Gemeinde bereits durch die in Kraft getretene Änderung von § 19 Kantonsverfassung zur Körperschaft des öffentlichen Rechts geworden ist. Vgl. Bericht und Antrag des Vorstandes (der Israelitischen Gemeinde Basel) betreffend Revision der Statuten, S. 1.

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. Kap.: Die israelitischen Religionsgemeinschaften

II. Die rechtliche Stellung der Israelitischen Religionsgesellschaft im Kanton Basel-Stadt Der Name der im Jahre 1927 gegründeten Israelitischen Religionsgesellschaft ist im Zusammenhang mit der Bestimmung der Rechtsform irreführend. Bei der Israelitischen Religionsgesellschaft handelt es sich nicht etwa um eine „Gesellschaft" im rechtlichen Sinne, sondern um einen privatrechtlichen Verein gemäß §§ 66 ff. ZGB. Der Name „Israelitische Religionsgesellschaft" wurde in Anlehnung an die in Deutschland während des neunzehnten Jahrhunderts entstandenen orthodoxen Gemeinden gewählt. § 1 Abs. 2 des Kirchengesetzes bestimmt, dass alle Religionsgemeinschaften, die nicht öffentlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit haben, unter den Grundsätzen des Privatrechts stehen. Die Bestimmungen der Bundes· und der Kantonsverfassung bleiben vorbehalten. Wie bereits oben ausführlich dargelegt 66, ist jedoch mit der herrschenden Lehre 67 und mit der in gleiche Richtung weisenden Bundesgerichtsrechtsprechung 68 ein religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht auch für privatrechlich organisierte Religionsgemeinschaften, und damit auch für die Israelitische Religionsgesellschaft Basel, zu bejahen. Anders als in Deutschland, ist für die Entstehung der juristischen Person „Verein" mit allen Rechten und Pflichten kein Registereintrag erforderlich. Gemäß § 60 ZGB erlangt ein Verein, der sich einer religiösen Aufgabe widmet, in dem Moment die Rechtspersönlichkeit, in dem der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist. Da das schweizerische Vereinsrecht im Gegensatz zum deutschen sehr liberal ausgestaltet ist, verlangt es lediglich Vereinsversammlung und Vereinsvorstand als notwendige Organe; es bietet schon an sich eine brauchbare Rechtsform für Religionsgemeinschaften 69. Innerhalb dieses weiten Rahmens können sich die Religionsgemeinschaften im Sinne ihres Selbstverständnisses und ihrer Ordnungsvorstellungen organisieren. Grundsätzlich bleibt es jedoch gemäß § 1 Abs. 2 des Kirchengesetzes bei einer Bindung der Religionsgemeinschaft an das staatliche Privatrecht. Sollte der ohnehin weite Rahmen des staatlichen Vereinsrechts einer Religionsgemeinschaft als unangemessen erscheinen, kann sie sich auch nach dem weniger auf demokratische Organisationsformen zugeschnittenen Stiftungsrecht organisieren 70. Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel vermag sich jedoch ohne weiteres innerhalb des staatlichen Vereinsrechts zu organisieren. 66 Zweites Kapitel, B., III., 3., a). 67 Vgl. etwa Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874 Art. 49 Rdnr. 118; Riemer, in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, S. 103. 68 BGE 951 354 f.; 971227; 116 Ia 257; 118 Ia 52 f. 69 Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, S. 9. 70 F. Hafner, Kirche und Demokratie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1997, S. 73.

Viertes Kapitel

Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften A. Baden I. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 1. Das rechtliche Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens) Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens ist mehr als nur der Zusammenschluss einzelner Gemeinden. Sie stellt damit keinen Landesverband dar, in dem sich, wie in anderen Bundesländern, verschiedene Gemeinden nur zu einer Interessenvertretung zusammenschließen. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens ist eine einheitliche Religionsgemeinschaft, ähnlich der Evangelischen Landeskirche in Baden. Die neue Satzung von 1999 bezieht sich zwar nicht mehr so deutlich wie die Satzung von 1958 auf die historische Tradition 1, setzt aber in § 3 Abs. 2 der Satzung von 19992 mit der Formulierung, dass bestehende jüdische/israelitische Gemeinden in Baden Untergliederungen der Religionsgemeinschaft seien, ein Anknüpfen an dieses Selbstverständnis voraus. Mit der Bezugnahme auf § 24 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes in § 3 Abs. 2 der Satzung von 1999 wird nochmals unterstrichen, dass sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens als einheitliche Religionsgemeinschaft mit mehreren (im Sprachgebrauch des Kirchensteuergesetzes) „Kirchengemeinden" als Untereinheiten versteht. In Art. 2 a) der Satzung von 1958 wurde ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens um die Rechtsnachfolgerin der „früheren Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden" handle. Anders als in anderen Bundesländern und ohne rechtliche Not, orientierte man sich an der 1809 durch das IX. Konstitutionsedikt von Großherzog Carl Friedrich zu Baden errichteten Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens.

1 Vgl. Art. 2 a) Satzung von 1958 (die Satzung ist im Wortlaut im Anhang der Arbeit wiedergegeben). 2 Die neue Satzung von 1999 ist ebenfalls im Anhang der Arbeit wiedergegeben.

10 Nolte

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Folgerichtig bestimmt § 1 Abs. 1 der Satzung von 1999, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens alle jüdischen / israelitischen Gemeinden im Landesteil Baden und deren Mitglieder umfasst.

2. Die Rechtsstellung der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens a) Die Gemeinden als Untergliederungen

Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens geht gemäß § 3 Abs. 2 ihrer neuen Satzung von 1999 unter Berufung auf § 24 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes davon aus, dass die Einzelgemeinden Untergliederungen der IRG Badens sind. Wie bereits ausgeführt 3, haben die Einzelgemeinden über die Genehmigung der IRG-Satzung im August 1999 auch tatsächlich den Körperschaftsstatus erlangt. Aus dieser Rechtsform ergibt sich jedoch keine unabhängige Stellung gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Konkret wird dies zum einen bei der Erhebung der „Kirchensteuer", die allein durch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens erfolgt 4, zum anderen in den Verpflichtungen der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens5.

b) Erhebung der „Kirchensteuern" durch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens

Das Kirchensteuergesetz Baden-Württembergs kodifiziert in § 1 den Grundsatz, dass sowohl die Religionsgemeinschaften als auch die örtlichen Gemeinden mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus von ihren Angehörigen Steuern zur Deckung ihrer Bedürfnisse erheben können. Gemäß § 1 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes werden diese Steuern von den Religionsgemeinschaften als Landeskirchensteuern und von den örtlichen Gemeinden als Ortskirchensteuern erhoben. Damit sind zunächst einmal auch die örtlichen Israelitischen Gemeinden, so sie als Körperschaften öffentlichen Rechts organisiert sind, grundsätzlich befugt, neben der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Ortskirchensteuern zu erheben. Dem steht auch § 4 Abs. 1 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 nicht entgegen, der lediglich unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 und 2 des Kirchensteuergesetzes feststellt, dass die IRG Badens von ihrem Mitgliedern Kirchensteuer als Landeskirchensteuer erhebt. Sobald jedoch die Verwaltung der Kirchensteuern an die Landesfinanzbehörden übertragen wird, sieht § 17 Abs. 1 i.V.m. § 18 des Kirchensteuergesetzes vor, dass 3 4 5

Vgl. oben unter: Drittes Kapitel, Α., II. § 4 Abs. 1 neue Satzung der IRG Badens von 1999. Vgl. unten unter: Viertes Kapitel, Α., I., 2., c).

Α. Baden

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die Landeskirchensteuer und die Ortskirchensteuer zu einer einheitlichen Kirchensteuer vereinigt und nach einem für das Kalenderjahr einheitlichen Steuersatz erhoben werden. Da die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens bereits in ihrer Steuerordnung vom 17. November 1971 eine einheitliche Erhebung der Kirchensteuer festgelegt 6 und außerdem einen Antrag auf Verwaltung der Kirchensteuer gestellt hat7, ist die grundsätzlich mögliche parallele Erhebung von Kirchensteuern auch durch die Gemeinden unmöglich geworden. Ein solcher Antrag kann nur von der Religionsgemeinschaft, also hier der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, gestellt werden8. Das Recht der Gemeinden Ortskirchensteuer zu erheben, lebt nur dann wieder auf, wenn beim Finanzministerium ein Antrag gestellt wird, der besagt, dass die Religionsgemeinschaft in Zukunft die Kirchensteuer wieder selbst erheben will. Antragsberechtigt für diesen „actus contrarius" ist wiederum lediglich die Religionsgemeinschaft, also die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens. Damit besteht zwischen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens und den einzelnen Gemeinden ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, das erhebliches Konfliktpotential in sich birgt und in der Praxis bereits zu ernsthaften Separationsbemühungen geführt hat.

c) Verpflichtungen der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft

Badens

Die alte Satzung von 1958 enthält keine Bestimmungen über Verpflichtungen der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Die angedeuteten Spannungen im Zusammenhang mit der Erhebung und Verteilung der Kirchensteuer gaben Anlass, in die neue Satzung von 1999 umfangreiche Regelungen über die gemeindlichen pekuniären Verpflichtungen gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens aufzunehmen. Gemäß § 10 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 sind die Gemeinden der IRG verpflichtet, dem Oberrat bis spätestens bis Ende Mai des folgenden Jahres einen Jahresabschluss (Bilanz) vorzulegen, der nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu erstellen ist. Um in den Genuss von Zuschüssen zu kommen, über deren Gewährung allein der Oberrat entscheidet, haben die Gemeinden der IRG Badens zum einen bis spätestens Ende Mai für das laufende Jahr einen Haushaltsplan, zum anderen eine Mitgliederliste vorzulegen. 6

§ 4 Steuerordnung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vom 17. November 1971. Rechtsgrundlage für die Vereinigung der Landes- und Ortskirchensteuer sind §§ 12, 18 KiStG. Der Steuersatz für die einheitliche Kirchensteuer wurde durch Kirchensteuerbeschluss für das Kalenderjahr 1999 auf acht von Hundert der Bemessungsgrundlage festgesetzt, staatlich genehmigt und im Mitteilungsblatt des Oberrates Nr. 17, September 1999, S. 7 veröffentlicht. 7 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die VO über die Verwaltung der Kirchensteuer der Israelitischen Religionsgemeinschaft und Betriebsstättenbesteuerung nach dem Kirchensteuergesetz vom 11. Oktober 1979 (GBl. S. 492) 8 Vgl. den im Anhang dieser Arbeit wiedergegebenen Wortlaut von § 17 Abs. 1 KiStG. 10*

148

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Der Vorstand der IRG hat diese Listen daraufhin zu überprüfen, ob die dort angegebenen Mitglieder auch tatsächlich bei den Meldebehörden als Mitglieder der IRG Badens geführt werden. Damit wird verhindert, dass die Gemeinden für Mitglieder „Kirchensteuer" zugewiesen bekommen, die selbst gar keine „Kirchensteuer" an die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens entrichten. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens verpflichtet in § 11 ihrer neuen Satzung von 1999 die Gemeinden zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeindevermögens. Die Substanz des Vermögens ist ungeschmälert zu erhalten und eine Veräußerung von Gemeindevermögen darf nur nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung erfolgen. Diese allgemein formulierte Verpflichtung sagt im Wesentlichen nichts anderes, als dass eine Veräußerung von Gemeindevermögen nur nach den gemeindeeigenen satzungsrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen hat. Anders als etwa in der staatlichen Gemeindeordnung von Baden-Württemberg vorgesehen9, kommt der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens bei Veräußerungen von Gemeindevermögen keine Rechtsaufsichts- oder Genehmigungskompetenz zu. Neben diesen finanziellen Verpflichtungen der Gemeinden gegenüber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens sind die Gemeinden in § 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 dazu verpflichtet, die Gottesdienste gemäß dem jüdischen Religionsgesetz (Halacha10) durchzuführen.

d) Gründung und Aufnahme neuer Gemeinden in die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens

Das Selbstverständnis der IRG Badens als einheitliche Religionsgemeinschaft führte in den letzten Jahren auch im Zusammenhang mit Neugründungen von Gemeinden zu Konflikten. Mittlerweile behält sich der Oberrat in § 3 Abs. 3 der neuen Satzung der IRG Badens sowohl die Entscheidung über die Gründung an sich, als auch die Beschlussfassung darüber vor, ob diese neu zu gründende Gemeinde in die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens aufgenommen werden solle. Beide Entscheidungen bedürfen einer qualifizierten Zweidrittelmehrheit. Die alte Satzung der IRG Badens von 1958 ging auf das Problem der Gemeindeneugründungen nicht ein. Erst die konkreten Auseinandersetzungen um die gegen den Willen des Oberrates erfolgten Neugründungen in Emmendingen und Lörrach führten zu den ausdrücklichen Regelungen in der neuen Satzung. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens eine Gemeindeneugründung an sich durch § 3 Abs. 3 der neuen Sat9 Vgl. § 92 GemO Baden-Württemberg. 10

„Halacha" bezeichnet als Gattungsbegriff das ganze System der religionsgesetzlichen Bestimmungen, der Gebote und Verbote, die in der schriftlichen und mündlichen Tora enthalten sind. Vgl.: Maier; Schäfer, Lexikon des Judentums, S. 129.

Α. Baden

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zung der IRG Badens von 1999 ohne weiteres unterbinden kann. Zwar ist gegen die für die Gründung konstitutiv wirkende Zustimmung des Oberrates religionsrechtlich nichts einzuwenden. Schließlich ist diese Bestimmung Ausfluss des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, die sich als einheitliche Religionsgemeinschaft versteht, kann zunächst einmal nicht das Recht abgesprochen werden, über Gemeindeneugründungen abschließend zu entscheiden. Dennoch könnten die sich zu einer neuen Gemeinde zusammenfindenden Israeliten durch die Weigerung des Oberrats, einer Gründung zuzustimmen, in ihrem Grundrecht auf kollektive Religionsfreiheit verletzt werden. Das Grundrecht der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit umfasst nach allgemein anerkannter Meinung auch das Recht, sich frei und ohne äußeren Einfluss zur gemeinschaftlichen kollektiven Religionsausübung zusammenfinden zu können11. Zwar ist es nicht der Staat, also der eigentliche Adressat der Freiheitsrechte, der in diesem Fall eine Neugründung verhindert, sondern die Religionsgemeinschaft selbst. Der Staat muss aber dafür Sorge tragen, dass Grundrechte nicht leer laufen. Er muss sicherstellen, dass der Einzelne von seinen Grundrechten auch Gebrauch machen kann 12 . So wie der Staat den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft regelt, um dem Austrittswilligen zu seiner „negativen Religionsfreiheit" zu verhelfen 13, so muss er auch gewährleisten, dass Gläubige sich zu neuen Gemeinden zusammenfinden können, ohne dass dies von einer von der Neugründung tangierten, bereits bestehenden Religionsgemeinschaft verhindert werden könnte. Dies gilt selbst dann, wenn sich besagte Religionsgemeinschaft, hier die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens, als für ihr Gebiet einheitlich versteht. Indem der Staat Religionsgemeinschaften unabhängig davon, ob sie als Körperschaften öffentlichen Rechts oder als privatrechtliche Vereine organisiert sind, einen einheitlichen und gleichen religionsrechtlichen Grundstatus zubilligt 14 , schafft er damit gleichzeitig auch allen Gründungsinitiativen einen organisatorischen Gründungsfreiraum. Es bleibt dem Staat aufgrund von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV verwehrt, die Religionsgemeinschaft zu zwingen, Gemeindeneugründungen zuzulassen. Für eine Art „Kontrahierungszwang" ist kein Raum, da sich „unliebsame" Gemeindegründungen als eingetragene oder nichteingetragene Vereine bei gleichen religionsrechtlichen Freiheitsrechten im staatlichen Recht organisieren können. Diesen Weg beschritt zunächst nur als Ubergangslösung die neu gegründete Gemeinde in Emmendingen15. In Lörrach besteht, nachdem in jüngster Vergangenheit sogar zwei Gemeinden als eingetragene Vereine existierten, bis auf den heutigen Tag neben 11 12

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 126. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 303.

13 Vgl. für Baden-Württemberg: § 26 KiStG sowie: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 165. 14 Hollerbach, Grundlagen des Staatskichenrechts, in: HStR Bd. V I § 138 Rdnr. 88. 15 Zur Gemeindegründung in Emmendingen vgl. im Einzelnen unten unter: Viertes Kapitel, Α., II., 1.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

der vom Oberrat „anerkannten" Israelitischen Kultusgemeinde K.d.ö.R. eine weitere Jüdische Gemeinde als eingetragener Verein 16 . Auch wenn die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens selbst nach In-KraftTreten der neuen Satzung von 1999 die Gründung von privatrechtlich organisierten Gemeinden aus oben genannten Gründen nicht unterbinden kann, so hat sie doch in § 3 Abs. 4 ihrer neuen Satzung Voraussetzungen formuliert, ohne deren Vorliegen eine zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gehörende Gemeinde nicht gegründet werden kann. Gemäß § 3 Abs. 4 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 sind für eine Gemeindegründung mindestens fünfzig Angehörige der Israelitische Religionsgemeinschaft, darunter mindestens fünfzehn erwachsene männliche, nach dem Religionsgesetz (Halacha) jüdische Personen erforderlich 17. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund des bisher Dargelegten einschränkend auszulegen. Demnach ist eine Gemeindegründung ohne Vorliegen der Voraussetzung über die Mitgliederanzahl im staatlichen Recht möglich. Nur wird eine solche Gründungsinitiative nicht ohne weiteres davon ausgehen können, von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als Untergliederung aufgenommen zu werden. Dies führt zu der Frage nach der Mitgliedschaft in der Israelitische Religionsgemeinschaft Badens.

3. Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Da sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens als einheitliche Religionsgemeinschaft ähnlich der bekenntnisunierten Evangelischen Landeskirche in Baden versteht, sind folgerichtig nicht wie bei den Landesverbänden in anderen Bundesländern die einzelnen Gemeinden, sondern die Gläubigen selbst Mitglieder. § 3 Abs. 1 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 bestimmt, fast wortgleich mit Art. 5 der alten Satzung der IRG Badens von 1958: „Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist jede nach dem Religionsgesetz (Halacha) jüdische Person, die im Landesteil Baden ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat."

Da auch die einzelnen Gemeindesatzungen Bestimmungen über die Mitgliedschaft enthalten18, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass jede jüdische Person, 16 Die 1995 gegründete Jüdische Gemeinde Lörrach e.V., befindet sich momentan im Insolvenzverfahren, da der Oberrat trotz einer Einstweiligen Anordnung des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland keine Kultussteuermittel zuweist. Die daneben ebenfalls als eingetragener Verein existierende Israelitische Kultusgemeinde e.V. ist laut Auskunft des Registergerichtes Lörrach am 31. Oktober 1997 erloschen. Die vom Oberrat akzeptierte Israelitische Kultusgemeinde Lörrach bestand, bevor sie am 27. Dezember 2000 als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt wurde, als nichteingetragener Verein. 17

In der tradierten Halacha gilt als Jude, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder rite (nach orthodoxer Norm) zum Judentum übergetreten ist. Vgl. Maier/Schäfer, Lexikon des Judentums, S. 163.

Α. Baden

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die ihren Wohnsitz im Landesteil Baden hat, sowohl Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als auch Mitglied der einzelnen Gemeinde ist. Anders als bei der Evangelischen Landeskirche in Baden, bei der sich die Landeskirchenmitgliedschaft aus der Mitgliedschaft in der Pfarr- oder Kirchengemeinde ergibt 19 , stehen die beiden Mitgliedschaften in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens und in der konkreten Gemeinde unabhängig nebeneinander. Dies ist solange unproblematisch, wie das Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens auch Mitglied in einer zur IRG Badens gehörenden Gemeinde ist. Sobald jedoch eine Gemeinde nicht als Untergliederung von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens anerkannt und aufgenommen wird, fallen die Mitgliedschaften in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens und in der nicht anerkannten Gemeinde auseinander. Hinzu kommt, dass die Mitglieder der nicht akzeptierten Gründungsinitiative außerdem noch Mitglied in einer der bereits bestehenden und als Untergliederungen der IRG Badens existierenden Gemeinden sein dürften. Aufgrund des in § 3 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 und in den Mitgliedschaftsbestimmungen der bereits bestehenden Gemeinden enthaltenen „Parochialprinzips" 20 wären die Mitglieder nicht aufgenommener Gemeinden zu einem förmlichen Austritt aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens und der anerkannten Gemeinde gezwungen, wenn sie neben der Finanzierung der eigenen neu gegründeten Gemeinde die Heranziehung zur „Kirchensteuer" vermeiden wollten, die ihrer eigenen Gemeinde mangels Aufnahme in die IRG Badens nicht zugute kommen dürfte. Ein solcher formeller Austritt würde jedoch der Haltung derjenigen nicht gerecht, die eine neue jüdische Gemeinde zu gründen beabsichtigen. Schließlich ist es ja gerade ein gesteigertes Verbundenheitsgefühl mit der eigenen Religion, das Menschen dazu bewegt, neue äußere Formen zu suchen, um die von ihnen geglaubte Religiosität auch leben zu können. Zwar scheint es momentan, nachdem sich die Beziehungen zu den Gemeinden Emmendingen und Lörrach normalisiert haben, nicht erforderlich, über Wege aus diesem Dilemma nachzudenken. Es tritt jedoch ein grundsätzliches Spannungsfeld zwischen dem Bestreben nach religiöser Einheit und religiöser Authentizität zutage, das jederzeit neue Probleme aufkeimen lassen kann. Nur am Rande sei etwa auf Separationsansätze in Heidelberg hingewiesen21. Ein Ausweg könnte etwa in Anlehnung an die baselstädtische Situation gefunden werden, wo die Israelitische Gemeinde Basel und die Israelitische Religionsgesellschaft Basel wechselseitig Doppelmitglied18

Vgl. im Einzelnen unten unter: Viertes Kapitel, Α., II., 2. § 5 Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden. 20 Die Bezeichnung stammt aus dem Mitgliedschaftsrecht der beiden großen christlichen Kirchen. Danach knüpft die Mitgliedschaft neben der Voraussetzung der Taufe auch an den konkreten Wohnsitz an. 21 Vgl. Badische Zeitung vom 11. Januar 2000, S. 4; Über die Existenz einer selbständigen Israelitischen Gemeinde in Heidelberg neben der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg besteht Unklarheit. Ausgeschlossen ist laut Anfrage beim Registergericht Heidelberg der Bestand einer solchen Gemeinde als eingetragener Verein. Auch im örtlichen Adressbuch ist ein eventuell nicht eingetragener Verein noch nicht in Erscheinung getreten. 19

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

schaften zulassen22. Denkbar wäre aber auch ein so genanntes „votum negativum", mit dem die Mitglieder neuer, von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (noch) nicht anerkannter Gemeinden ihre Nichtmitgliedschaft in der IRG Badens erklären könnten, ohne gleich formell aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft austreten zu müssen23. 4. Austritt In § 4 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 wurden die Art. 6 und 7 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 zusammengefasst: „Die Kirchensteuerpflicht endet - außer durch Wegzug oder Tod - durch Austritt aus der IRG Badens gem. § 26 Kirchensteuergesetz ."

Anders als noch in der alten Satzung von 1958, wird nicht mehr ausdrücklich von einem Austritt aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gesprochen. § 4 Abs. 4 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 nennt lediglich drei Fälle, in denen die Kirchensteuerpflicht endet. Neben Wegzug und Tod ist dies der Fall, wenn ein Austritt gemäß § 26 des Kirchensteuergesetzes erklärt wird. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, ähnlich wie bei den Katholiken 24 , der Wunsch nach Unterscheidung einer Mitgliedschaft mit „bürgerlicher" Wirkung und der generellen Mitgliedschaft zum Judentum nach dem jüdischen Religionsgesetz (Halacha) durchzusetzen scheint. Grundsätzlich ist nach dem jüdischen Religionsgesetz (Halacha) ein Austritt aus dem Judentum nicht möglich. Erklärt jedoch ein Jude, nicht mehr zum Judentum gehören zu wollen, wird er von der Glaubensgemeinde als „Abtrünniger" betrachtet, der auch nicht mehr als Jude angesehen wird. Gegen den eigenen Willen kann ein Mitglied nur unter sehr engen Voraussetzungen aus dem Judentum durch einen „Bann" ausgeschlossen werden 25. Wenn ein Jude lediglich nicht mehr der nach staatlichem Recht verfassten israelitischen Kultusgemeinschaft angehören will, etwa weil ihm diese von der religiö22

Vgl. unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 1., a), dd). Zum „votum negativum" in der Evangelischen Landeskirche in Baden vgl.: § 5 Abs. 2 Grundordnung der Evangelischen Landeskirche in Baden sowie: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 156. 23

24 Zur Diskussion innerhalb der Katholischen Kirche und insbesondere zu den Unterschieden zwischen der deutschen und schweizerischen Situation vgl.: Loretan, „Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit - oder ist der Kirchenaustritt Privatsache?", in: Jenseits der Kirchen, hrsg. v. Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut, S. 114 ff. m. w. N. sowie die Rezension des Buches von F. Hafner /Nolte, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1999, S. 217 (220 ff.). 25 Mit einem solchen „Bann" wurde zuletzt Baruach (Benedictus) de Spinoza aus dem Judentum ausgeschlossen.

Α. Baden

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sen Ausrichtung nicht zusagt, sich jedoch subjektiv nach wie vor als Jude empfindet, bleibt er nach dem jüdischen Religionsgesetz selbst dann noch Jude, wenn er von anderen als „Abtrünniger" bezeichnet wird. Vor diesem theologischen Hintergrund wird deutlich, dass es durchaus einen Austritt aus der rechtlich verfassten Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens geben kann, ohne dass dies auch eine Abwendung vom Judentum an sich bedeuten muss. Die neue Formulierung der Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens von 1999, die durch den Austritt lediglich die Kirchensteuerpflicht entfallen lässt, ist daher missverständlich. Sie legt den Schluss nahe, dass ein ausgetretenes Mitglied immer noch auch der rechtlich verfassten Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens angehöre, es nur lediglich keinen finanziellen Beitrag mehr zu leisten habe. Nach dem jüdischen Religionsgesetz kann sich ein Jude von der IRG Badens abwenden und trotzdem, so er es selbst will, Jude bleiben. Er gehört dann aber entgegen dem Wortlaut von § 4 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 nicht mehr der rechtlich verfassten Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens an.

5. Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist gemäß § 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 die Zusammenfassung und Betreuung aller im Landesteil Baden bestehenden jüdischen / israelitischen Gemeinden und deren Mitglieder in religiöser und sozialer Hinsicht. Im Unterschied zur alten Satzung der IRG Badens von 1958 werden die wesentlichsten Aufgaben der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nunmehr aufgezählt. Neben der Förderung religiöser, sozialer, erzieherischer und kultureller Angelegenheiten obliegt der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens die religiöse, kulturelle und soziale Fürsorge gegenüber den Gemeindemitgliedern. Damit wird aufs Neue das Selbstverständnis einer einheitlichen Religionsgemeinschaft deutlich, die sich, im Gegensatz zu Landesverbänden, auch der Fürsorge an den einzelnen Gemeindegliedern verpflichtet weiß. Schließlich gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens die Betreuung der geschlossenen jüdischen Friedhöfe in Baden 26 Der Aufgabenkatalog ist ausdrücklich nicht abschließend. Mit der Formulierung, Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens sei die „Zusammenfassung und Betreuung aller im Landesteil Baden bestehenden jüdischen / israelitischen Gemeinden in religiöser und sozialer Hinsicht", wird auch der Führungsanspruch der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gegenüber den einzelnen Gemeinden deutlich. Sowohl der Begriff der „Zusammenfassung" als auch der der „Betreuung" lassen weiten Interpretationsspielraum zu. Die Frage, inwieweit die 26

Zu den jüdischen Friedhöfen im Einzelnen siehe unten unter: Sechstes Kapitel, Α., III.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Israelitische Religionsgemeinschaft Badens Belange der einzelnen Gemeinden zum Zwecke einer „Zusammenfassung" oder im Sinne einer „Betreuung" auch gestaltend an sich ziehen kann, ist jedoch nicht neu. In § 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 wurde der Wortlaut des Art. 4 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 fast wortgleich übernommen.

6. Organe der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Die Organe der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens sind nach der neuen Satzung von 1999 der Oberrat, als Delegiertenversammlung, und der Vorstand des Oberrates 27. Die alte Satzung von 1958 ging hingegen nur von einem Organ, nämlich dem Oberrat, aus 28 . Zwar wählte der Oberrat aus seiner Mitte den aus erstem und zweitem Vorsitzenden bestehenden geschäftsführenden Vorstand, der jedoch nicht ausdrücklich als Organ bezeichnet worden war 29 .

a) Oberrat

aa) Zusammensetzung, Amtszeit und Wahl Der Oberrat setzt sich aus den Delegierten (Vertretern) der Gemeinden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens zusammen. Er stellt damit keine „geistliche Oberbehörde" dar, wie sie von Großherzog Carl Friedrich in der Folge des IX. Konstitutionsediktes von 1809 in der Regierungsstadt Karlsruhe eingesetzt worden war 30 . Der heutige Oberrat ist, was an mehreren Stellen der neuen Satzung von 1999 unterstrichen wird 3 1 , eine Delegierten Versammlung der Gemeinde Vertreter. Entgegen der alten Satzung der IRG Badens von 195832, wird der Oberrat nicht mehr für eine bestimmte (vormals fünfjährige) Amtszeit gewählt. Die neue Satzung schweigt sich über die Dauer der Amtszeit aus. Bislang bestimmte Art. 10 der alten Satzung der IRG Badens von 1958, dass für die Wahl der Oberratsmitglieder die in den einzelnen Gemeinden bestehenden Vorschriften für die Wahl des Gemeindevorstandes gelten sollten. § 6 Nr. 3 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 greift diese Bestimmung auf, revidiert sie jedoch dahingehend, dass nunmehr „die Vertreter/Delegierten der Gemeinden in den Oberrat ( . . . ) nach den Regeln der Wahlordnung der jeweiligen Gemeinde in den Oberrat gewählt" werden. Wenn nun daneben die neue Satzung der IRG Badens die Amtszeit der Oberrats27 § 5 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 28 Art. 8 Abs. 1 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 29 Art. 8 Abs. 2 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 30

Zu den geschichtlichen Einzelheiten vgl. oben unter: Erstes Kapitel, Β., I., 2. 1 So etwa in §§ 5, 6 Nr. 2, 7 Nr. 2,7 Nr. 5 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 3 2 Vgl. Art. 9 Abs. 1 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 3

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mitglieder wohl bewusst unbestimmt belässt, ist daraus zu schließen, dass die neue Satzung es den Gemeinden überlassen möchte, einerseits die Wahl der Oberratsmitglieder zu regeln und andererseits auch deren Amtszeit festzusetzen. Bei der Anpassung der Gemeindesatzungen an die neue Satzung der IRG Badens wird dieser Punkt besonders zu berücksichtigen sein 33 . Hinsichtlich der Zahl der Delegierten aus einer Gemeinde macht die neue Satzung in Anlehnung an die alte Satzung der IRG Badens von 1958 34 jedoch Vorgaben. In Anbetracht des starken Zuzugs von Gemeindegliedern aus den ehemaligen Sowjetrepubliken wurde jedoch die Anzahl der gemeldeten Gemeindemitglieder, auf die ein Sitz im Oberrat entfällt, verdreifacht 35. Danach haben Gemeinden mit bis zu 150 kultussteuerrechtlich gemeldeten Mitgliedern Anspruch auf einen Delegierten im Oberrat. Gemeinden ab 151 bis 800 gemeldeten Mitgliedern dürfen zwei Delegierte in den Oberrat entsenden. Gemeinden ab 801 gemeldeten Mitgliedern können die maximal mögliche Anzahl von drei Delegierten in den Oberrat wählen. Die Bestimmung, dass neue Gemeinden für die Dauer von 5 Jahren das Recht haben, einen Delegierten zu entsenden36, ist allem Anschein nach eine Reaktion auf ein Urteil des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Berlin. Nachdem die neu gegründete Gemeinde in Emmendingen zunächst keinen Delegierten in den Oberrat entsenden konnte, entschied das Schiedsgericht am 25. Juni 1996, dass die jüdische Gemeinde Emmendingen ab sofort berechtigt sei, einen Delegierten in den Oberrat zu entsenden. Die Begrenzung auf einen Delegierten gelte für die Dauer von fünf Jahren ab Gemeindegründung37. Wählbar in den Oberrat ist jede nach dem Religionsgesetz (Halacha) jüdische Person, die das 25. Lebensjahr vollendet und seit mindestens drei Jahren ihren Wohnsitz im Landesteil Baden hat. Außerdem muss die Mitgliedschaft in einer der der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens angehörenden Gemeinden und die Zugehörigkeit zum Judentum nachgewiesen werden können38. Abhängig Beschäftigte der IRG Badens sowie deren Familienmitglieder ersten Grades können nicht Mitglieder des Oberrats sein 39 .

33 Die Gemeinden haben gemäß § 6 Abs. 4 neue Satzung der IRG Badens von 1999 vom In-Kraft-Treten der neuen Satzung an neun Monate Zeit, ihre Satzungen anzupassen. 34 Art. 9 Abs. 4 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 3

5 § 6 Nr. 4 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 6 § 6 Nr. 4 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 37 Zum Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Berlin vgl. ausführlich unten unter: Viertes Kapitel, Α., III. 3 » § 6 Nr. 1 und 2 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 39 § 6 Nr. 5 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 3

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bb) Einberufung des Oberrates / Beschlussfähigkeit des Oberrates Der Oberrat wird vom Vorsitzenden im Einvernehmen mit dem Vorstand mindestens viermal jährlich in Abständen von höchstens drei Monaten einberufen. Darüber hinaus ist der Vorsitzende verpflichtet, auf Antrag von mindestens einem Drittel der Delegierten oder auf Antrag einer Mehrheit des Vorstandes eine Oberratssitzung einzuberufen. Er hat dabei eine Einladungsfrist von mindestens drei Wochen zu beachten, wobei die Tagesordnung mindestens zwei Wochen vor dem Termin zuzustellen ist. Der Oberrat ist beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Delegierten zugegen sind. Die Beschlüsse werden, soweit im Einzelfall nicht anders geregelt, mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Sollte das Gremium nicht beschlussfähig sein, wird innerhalb eines Monats zu einer zweiten Sitzung mit der gleichen Tagesordnung eingeladen. Diese zweite Sitzung ist dann in jedem Fall beschlussfähig. Die Sitzungen des Oberrats sind in der Regel nicht öffentlich 40 .

cc) Die Aufgaben des Oberrats Die Bestimmungen über die Aufgaben des Oberrates haben in der neuen Satzung von 1999 eine vollständige Änderung erfahren. Nach der alten Satzung der IRG Badens von 1958 oblag dem Oberrat zum einen die Aufsicht über alle im Lande Baden bestehenden Gemeinden, zum anderen hatte er über Einsprüche und Beschwerden gegenüber den Gemeindeorganen zu entscheiden41. Die neue Satzung von 1999 listet in § 6 die Aufgaben des Oberrates weit ausführlicher, trotzdem aber nicht abschließend auf. Es fällt auf, dass der Oberrat nach der neuen Satzung zwar immer noch als oberstes Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft charakterisiert wird 4 2 . Im Gegensatz zur alten Satzung von 1958 nimmt er aber nicht mehr Aufsichtsfunktionen wahr und fungiert auch nicht mehr als Rechtsmittelinstanz. Aus der Formulierung, der Oberrat sei das oberste Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, ist jedoch zu schließen, dass ihm grundsätzlich die Residualkompetenz zukommt. Konkret besteht seine vornehmlichste Aufgabe darin, einen fünfköpfigen Vorstand, also das zweite Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, zu wählen und ihn nach Ablauf der zweijährigen Amtszeit 43 zu entlasten. Der Oberrat wählt darüber hinaus die Delegierten und Stellvertreter in das Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland und die Delegierten zur Ratstagung des Zentralrats der Juden in Deutschland. 40 § 6 Nr. 5 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 41 Art. 11 alte Satzung der IRG Badens von 1958. « § 6 Nr. 1 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 43 § 7 Nr. 1 neue Satzung der IRG Badens von 1999.

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Der Oberrat bestimmt die Vertretung der badischen Gemeinden in jüdischen Organisationen und Institutionen und wählt Fachkommissionen für besondere Aufgaben sowie die Rechnungsprüfer zur Prüfung der Kassen- und Rechnungsbelege. Dem Oberrat obliegt die Verwaltung des Vermögens und der Stiftungen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Er beschließt den vom Vorstand erstellten Haushaltsplan sowie über die Höhe des Kultussteuersatzes und genehmigt den Jahresabschluss. Zur Prüfung des Jahresabschlusses muss der Oberrat einen Wirtschaftsprüfer bestellen44. In Fällen, in denen eine Gemeinde nicht mehr willens oder fähig ist, die ihr laut Satzung obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, hat der Oberrat einen kommissarischen Verwalter zu bestellen. Dabei kann der Oberrat auf Verlangen der Mitgliederversammlung der Gemeinde beziehungsweise des amtierenden Gemeindevorstandes bis zur nächsten Mitgliederversammlung Personen aus seiner Mitte als kommissarische Verwalter einsetzen. Der Oberrat fasst Beschluss über die Einstellungen und Entlassungen von Kantoren, Religionslehrern und Verwaltungsangestellten. Bei der Einstellung, Vertragsverlängerung, Vertragsänderung oder Kündigung eines Landesrabbiners ist eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten erforderlich 45. Schließlich genehmigt der Oberrat sowohl seine eigene als auch die Geschäftsordnung des Vorstandes. In Abweichung zur alten Satzung der IRG Badens von 1958 müssen Satzungsänderungen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nicht mehr von den stimmberechtigten Mitgliedern genehmigt werden 46. Nach der neuen Satzung von 1999 kann der Oberrat mit einer Zweidrittelmehrheit die Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ändern 47.

b) Vorstand

aa) Wahl und Zusammensetzung Der Oberrat wählt aus seiner Mitte fünf, aus verschiedenen Gemeinden stammende48, ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder: Einen Vorsitzenden und jeweils zwei Stellvertreter und Beisitzer. Der Vorsitzende und die zwei stellvertretenden Vorsitzenden bilden den geschäftsführenden Vorstand 49. Die Amtszeit des Vorstandes beträgt zwei Jahre, wobei Vorstandsneuwahlen jeweils im Dezember in ge-

44

§ 6 Nr. 6 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 5 § 6 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 46 Art. 14 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 4

47 § 6 Nr. 5 und 6.6 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 48 § 7 Nr. 1 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 49 § 7 Nr. 2 neue Satzung der IRG Badens von 1999.

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trennten Wahlgängen50 stattzufinden haben. Bei der Wahl zum Vorstand entscheidet die Stimmenmehrheit. Sollten auf mehrere Kandidaten gleich viele Stimmen entfallen, erfolgt eine Stichwahl. Kommt keine Mehrheit zustande, wird der betreffende Wahlgang vertagt.

bb) Aufgaben des Vorstandes und Beschlussfassung Der Vorstand führt die laufenden Geschäfte des Oberrats und verwirklicht die Beschlüsse des Oberrats. Der Vorsitzende und seine beiden Stellvertreter vertreten jeweils zu zweit die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nach außen. Durch diese Gesamtvollmacht ist gewährleistet, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens auch dann weiterhin im Rechtsverkehr vertreten werden kann, wenn eines der geschäftsführenden Vorstandsmitglieder verhindert sein sollte. Im Gegensatz zum Innenverhältnis, wo eine Vertretung des Vorsitzenden nur im Falle seiner Verhinderung möglich ist 5 1 . kann die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens im Außenverhältnis auch durch die beiden stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden vertreten werden. Der Vorstand stellt die Bediensteten der Religionsgemeinschaft ein und entlässt sie 52 . Handelt es sich bei den Bediensteten um Kantoren, Religionslehrer und Verwaltungsangestellte, hat der Oberrat zuvor einen entsprechenden Beschluss zu fassen53. Während der Vorstand der IRG formeller Vorgesetzter der Bediensteten ist, ist der örtliche Gemeindevorstand für die alltägliche Arbeit weisungsbefugt. Der Vorstand hat dem Oberrat in den ersten drei Monaten eines jeden Jahres eine Bilanz sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen. Außerdem hat er bis Ende Juni des laufenden Jahres einen Haushaltsplan in den Oberrat einzubringen 54. Nach der alten Satzung von 1958 wurde der jährliche Haushaltsplan noch vom Oberrat in den ersten zwei Monaten des Geschäftsjahres aufgestellt und beschlos0

55

sen . § 7 Nr. 6 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 sieht zwar vor, dass der Vorstand seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit fasst. Ob es zu einer wirksamen Beschlussfassung einer Stimmenmehrheit aller fünf Vorstandsvorsitzenden bedarf, ergibt sich hingegen nicht aus der neuen Satzung. Auch die Problematik der Beschlussfähigkeit des Vorstandes ist ungeregelt geblieben.

50 51 52 53 54 55

§ 6 Nr. 1 neue Satzung der IRG Badens von 1999. § 7 Nr. 3 neue Satzung der IRG Badens von 1999. § 7 Nr. 4 neue Satzung der IRG Badens von 1999. § 6 Nr. 6.7 neue Satzung der IRG Badens von 1999. § 7 Nr. 5 neue Satzung der IRG Badens von 1999. Art. 12 alte Satzung der IRG Badens von 1958.

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7. Schiedsgerichtsbarkeit Es wurde bereits erwähnt, dass der Oberrat nach der neuen Satzung, im Unterschied zur alten Satzung von 1958, nicht mehr Aufsichtsfunktionen über die in Baden bestehenden Gemeinden wahrnimmt und dass er auch nicht mehr als Rechtsmittelinstanz fungiert. Aus der neuen Bestimmung des § 6 Nr. 1 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999, wo ausgesagt wird, dass der Oberrat das oberste Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist, können solche weitgehenden Befugnisse wohl nicht hergeleitet werden. Die neue Satzung geht mit keinem Wort auf interne Gerichtsbarkeit ein, obwohl die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens mittels ihrer Mitgliedschaft im Zentralrat der Juden in Deutschland durchaus über ein judikatives Element in Form des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland verfügt 56 .

8. Landesrabbinat In der alten Satzung der IRG Badens von 1958 finden sich keine Regelungen über das Landesrabbinat. In § 8 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 wird festgestellt, dass bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ein Landesrabbiner fungiert. Er wird mit einer Zweidrittelmehrheit vom Oberrat gewählt. Der Landesrabbiner überwacht in den zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gehörenden Gemeinden sämtliche religiöse und den Kultus betreffende Angelegenheiten. Er ist verpflichtet, für seine Tätigkeit einen verbindlichen Arbeits- und Besucherplan aufzustellen und diesen dem Oberrat zur Genehmigung vorzulegen 57.

9. Finanzen a) Finanzierung

durch Einnahmen aus Kultussteuer und Staatszuschüssen

Zur Finanzierung ihrer und der gemeindlichen Aufgaben erhebt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens von ihren Mitgliedern Kultussteuern als Landeskirchensteuer im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 des Kirchensteuergesetzes. Die Kultussteuer ist als Zuschlag zur Einkommens- beziehungsweise Lohnsteuer gemäß §§ 17, 20 des Kirchensteuergesetzes den Landesfinanzbehörden zum Einzug übertragen worden. Wie bereits oben 58 angedeutet, ist damit - und weil die Israelitische 56

Vgl. zum Schiedsgericht im Einzelnen unten unter: Viertes Kapitel, Α., III. 57 § 8 Nr. 4 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 58 Zu den Einzelheiten des Kirchensteuereinzugs durch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 2., b).

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Religionsgemeinschaft Badens bereits früher eine einheitliche Kultussteuer festgelegt hat 59 - den Gemeinden die Möglichkeit genommen worden, selbst Kultussteuern als Ortskirchensteuer zu erheben. Damit von den Mitgliedern die Kultussteuer über die Landesfinanzbehörden eingezogen werden kann, werden die Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens durch § 4 Nr. 3 der neuen Satzung von 1999 verpflichtet, im Rahmen der Anmeldung bei der Meldebehörde auch ihre Religionszugehörigkeit anzugeben. Der Steuersatz für die einheitliche Kirchensteuer wurde durch Kirchensteuerbeschluss des Oberrates für das Kalenderjahr 1999 auf acht von Hundert der Bemessungsgrundlage festgesetzt 60. Gemäß § 10 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 müssen alle Einnahmen aus der Kultussteuer und die Zuschüsse des Staates, etwa für erteilten Religionsunterricht 61, auf einem Geschäftskonto geführt werden. Anders als noch in der Satzung von 1958, beginnt das Geschäfts- und Rechnungsjahr nicht mehr am 1. April 6 2 , sondern entspricht gemäß § 9 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 nunmehr dem Kalenderjahr.

b) Vermögen der Israelitischen

Religionsgemeinschaft

Badens

Das Vermögen der IRG Badens ist gemäß § 11 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 nach den Grundsätzen der Sorgfaltspflicht und nach verantwortbaren wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten. Eine Veräußerung von Vermögenswerten der IRG Badens ist nur mit einer Dreiviertelmehrheit des Oberrats möglich. Jährlich ist vom Vorstand ein Vermögensstatus (Bilanz) sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen, die dem Oberrat vorzulegen ist 63 .

10. Satzungsänderung Eine beachtliche Neuerung hat die Satzung von 1999 hinsichtlich des Verfahrens einer zukünftigen Satzungsänderung mit sich gebracht. Art. 14 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 lautet: 59 Vgl. § 4 Steuerordnung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vom 17. November 1971. Rechtsgrundlage für die Vereinigung der Landes- und Ortskirchensteuer sind §§ 12, 18 KiStG. 60 Bekanntmachung des Kirchensteuerbeschlusses sowie seiner staatlichen Genehmigung in: Mitteilungsblatt des Oberrates Nr. 17, September 1999, S. 7. 61 Zum jüdischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen vgl. im Einzelnen unten unter: Sechstes Kapitel, Α., I. 62 Art. 12 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 63 § 11 Nr. 3 i.V.m. § 7 Nr. 5 neue Satzung der IRG Badens von 1999.

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„Satzungsänderungen können nur mit 2/3 Mehrheit beschlossen werden. Sie bedürfen der Genehmigung durch die stimmberechtigten Mitglieder. Das Abstimmungsverfahren richtet sich sinngemäß nach den Vorschriften der Artikel 9 und 10."

Zunächst könnte fraglich sein, in welchem Gremium eine Zweidrittelmehrheit nach altem Satzungsrecht für eine Satzungsänderung gefunden werden muss. Eine Zweidrittelmehrheit unter den stimmberechtigten Mitgliedern ist allem Anschein nach nicht gemeint, sollen sie doch nur genehmigen, nicht aber beschließen. Da nach Art. 8 Abs. 1 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 der Oberrat das einzige Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist 6 4 , kommt nur er als Gremium in Frage, das eine Satzungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen kann. Ganz ausdrücklich wird nach altem Satzungsrecht für eine wirksame Satzungsänderung im Anschluss daran noch eine Genehmigung durch die stimmberechtigten Mitglieder vorausgesetzt. Infolge des Verständnisses der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als einheitlicher Religionsgemeinschaft 65 sind alle jüdischen Personen Mitglieder. Für eine Satzungsänderung nach der alten Satzung von 1958 reicht demnach eine Mehrheit im Oberrat nicht aus. Mit der neuen Satzung von 1999 wurde die alte Satzung von 1958 einer umfassenden Änderung unterzogen. Da die neue Satzung jedoch lediglich vom Oberrat verabschiedet66 und nicht von den stimmberechtigten Gemeindegliedern im ebenfalls ausdrücklich vorgeschriebenen Verfahren 67 genehmigt wurde, ist die neue Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens formell noch nicht wirksam zustande gekommen. Um dennoch keine Zweifel an der Wirksamkeit der neuen Satzung aufkommen zu lassen, kann die Genehmigung durch die stimmberechtigten Mitglieder, etwa im Zusammenhang mit den nächsten Wahlen zum Oberrat in den Gemeinden, nachgeholt werden. Eine zeitliche Frist, bis wann die Genehmigung erfolgt sein muss, ist in Art. 14 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 nicht enthalten. Sobald die neue Satzung nach der noch zu erfolgenden Genehmigung wirksam in Kraft getreten sein wird, werden für zukünftige Satzungsänderungen die §§ 6 Nr. 5 und 6 Nr. 6.6 der neuen Satzung der IRG Badens gelten. Satzungsänderungen können dann mit einer Zweidrittelmehrheit der Gesamtzahl der Delegierten vom Oberrat verabschiedet werden. 64

Vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 6. 65 Art. 5 alte Satzung der IRG Badens von 1958 und § 3 Nr. 1 neue Satzung der IRG Badens von 1999. Zum Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als einheitlicher Religionsgemeinschaft: Siehe auch oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 3. 66 Die Veröffentlichung der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 im Mitteilungsblatt des Oberrates Nr. 17, September 1999, S. 4 wird mit folgendem Satz eingeleitet: „Nach 2jähriger harter Arbeit und kontroversen Diskussionen in der Satzungskommission und im Oberrat wurde folgende neue Satzung verabschiedet." 67 Art. 14 alte Satzung: Sinngemäßes Abstimmungsverfahren nach Artikel 9 und 10 alte Satzung von 1958, also Abstimmung über die Satzungsänderung in den Gemeinden in derselben Weise, wie über Kandidaten zum Oberrat abgestimmt wird. 11 Nolte

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

11. Auflösungsbestimmungen Zur Auflösung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist nach der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 die Zustimmung einer Mehrheit von vier Fünfteln der Delegierten zum Oberrat erforderlich. Die Verteilung des Vermögens darf nur an jüdische Institutionen erfolgen, die gemeinnützigen Zwecken dienen68. Die alte Satzung der IRG Badens von 1958 setzt für eine Auflösung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens zwar nur eine Zweidrittelmehrheit der Oberratsmitglieder voraus, macht die Wirksamkeit aber ebenso wie die Satzungsänderung von einer Genehmigung der stimmberechtigten Mitglieder abhängig69. Diese basisdemokratische Möglichkeit, als Gemeindemitglied über das weitere Schicksal der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens mitentscheiden zu können, würde mit In-Kraft-Treten der neuen Satzung von 1999 entfallen. 12. In-Kraft-Treten Zuvor war davon die Rede, dass die neue Satzung von 1999 als Satzungsänderung erst dann formell wirksam wird, wenn das Satzungsänderungsverfahren nach Art. 13 der alten Satzung abschließend durchgeführt worden ist. Interessanterweise enthält die neue Satzung von 1999 keine Bestimmungen über das In-Kraft-Treten. Um ein Redaktionsversehen wird es sich dabei kaum handeln, da die alte Satzung der IRG Badens von 1958 mit Art. 15 eine klare Aussage zum In-Kraft-Treten trifft und darüber hinaus sogar eventuell entgegenstehende Bestimmungen berücksichtigt, die gleichzeitig außer Kraft gesetzt wurden. Die neue Satzung ist lediglich mit der abschließenden Angabe: „Karlsruhe, den 6. Juni 1999"

versehen. Dabei wird es sich wohl um das Datum des Oberratsbeschlusses handeln, der die neue Satzung verabschiedete. In Kraft getreten ist die Satzung damit jedoch aus zuvor erörterten Gründen noch nicht. Auch die Genehmigung der Satzung von 1999 durch das Kultusministerium am 26. August 1999 kann die neue Satzung nicht in Kraft setzen, da gemäß § 25 Abs. 2 des Kirchensteuergesetzes das Ministerium lediglich die Bestimmungen der Satzung zur rechtsgeschäftlichen Vertretung überprüft. Die durchaus wichtige Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Satzung in Kraft tritt, fällt unter das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Schon aus diesem Grunde kann die Satzung nicht durch die staatliche Genehmigung in Kraft getreten sein. Abschließend ist festzustellen, dass die neue Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens solange noch nicht formell in Kraft getreten ist, wie nicht die Gemeindemitglieder ihrerseits die neue Satzung gemäß Art. 14 der alten Sat68 § 12 neue Satzung der IRG Badens von 1999. 69 Art. 13 alte Satzung der IRG Badens von 1958.

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zung der IRG Badens von 1958 genehmigt haben. Da die neue Satzung bislang keinen Zeitpunkt nennt, an dem sie in Kraft tritt, ist sie in diesem Punkt auch nicht fehlerhaft.

II. Die einzelnen israelitischen Gemeinden in Baden 1. Verhältnisbestimmungen der Gemeinden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Wie oben gesehen70, handelt es sich bei den einzelnen Gemeinden rechtlich um Untergliederungen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens sind gemäß Art. 5 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 und § 3 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 die natürlichen Personen jüdischen Glaubens. Die Gemeinden selbst werden weder in der alten noch in der neuen Satzung als Mitglieder angesprochen. Die neue Satzung der IRG Badens von 1999 spricht jedoch im Gegensatz zur alten Satzung der IRG Badens von 1958 davon, dass die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens alle jüdischen Gemeinden im Landesteil Baden und deren Mitglieder umfasse. Mit dem rechtlich „neutralen" Begriff des „Umfassens" ist eine weite Umschreibung dafür gefunden worden, dass unter dem Dach der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens sowohl die natürlichen Personen jüdischen Glaubens, als auch die Gemeinden als juristische Personen zusammengefasst sind. Bis auf die Satzungen der Jüdischen Gemeinde Emmendingen71 tragen die Satzungen der übrigen Gemeinden dieser, bereits durch die alte Satzung der IRG Badens von 1958 etablierten rechtlichen Konzipierung Rechnung. In der Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. heißt es in § 1 Nr. 4: „Der Verein ist Mitglied der IRG Badens."

§ 6 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen lautet: „Die Jüdische Gemeinde Emmendingen ist eine Mitgliedsgemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens."

Damit geht sowohl die Vereinssatzung, also auch die Satzung der öffentlichrechtlichen Körperschaft, davon aus, dass die Gemeinde als juristische Person Mitglied in der Körperschaft Israelitische Religionsgemeinschaft Badens werden kann. 70

Siehe oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 2., a). Immer wenn hier und im Folgenden von der „Jüdischen Gemeinde Emmendingen" die Rede ist, ist damit die mittlerweile als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannte Gemeinde gemeint (Anerkennung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Bekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Württemberg vom 15. Mai 2000, Az. Ki -7162.1-08/9, Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 2000, Nr. 13, S. 180). Ist im Folgenden die privatrechtlich organisierte Rechtsvorgängerin gemeint, wird sie als „Jüdische Gemeinde Emmendingen e.V." bezeichnet. 71

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Nach dem bereits mehrfach erläuterten Selbstverständnis lässt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens ihrerseits, gedeckt durch das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und § 25 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes, jedoch keine Mitgliedschaft der Gemeinden als juristische Personen zu, sondern definiert die Gemeinden als Untergliederungen der einheitlichen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Auch die Rechtsform des eingetragenen Vereins, in dem die Gemeinde Emmendingen nach ihrer Gründung zunächst organisiert war, steht der eben erläuterten rechtlichen Konzipierung nicht entgegen. Selbstverständlich können Religionsgemeinschaften, die selbst mit Körperschaftsrechten ausgestattet sind, ihre Unterverbände entweder ebenfalls als Körperschaften oder als eingetragene Vereine organisieren 72. Die vereinsrechtlich organisierte Gemeinde in Lörrach definiert ihr Verhältnis zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens denn auch zutreffend: „Der Verein ist eine jüdische Gemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG)." 73

Ahnliche Formulierungen, nur eben ohne die Bezeichnung der eigenen Gemeinde als „Verein", finden sich in den Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden74, Heidelberg 75, Karlsruhe 76 und Pforzheim 77. Die Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden und Pforzheim wählen, wahrscheinlich in Anlehnung an die Terminologie des Kirchensteuergesetzes von Baden-Württemberg 78, den Sprachgebrauch „ Omgemeinde". In der Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach ist die Formulierung zu finden, dass die Gemeinde „zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden" gehöre 79. Keine Verhältnisbestimmungen zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens finden sich in den Satzungen der Gemeinden in Freiburg, Konstanz und Mannheim. Fraglich ist deshalb, ob das Verhältnis dieser drei Gemeinden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens über § 3 Nr. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 bestimmt werden kann. Oben wurde bereits angesprochen, dass der Staat gewährleisten muss, dass Gläubige sich zu neuen Gemeinden zusammenfinden können, ohne dass dies von einer, von der Neugründung tangierten, bereits bestehenden Religionsgemeinschaft verhindert werden könnte. Dies gilt selbst dann, wenn sich besagte Religionsgemeinschaft, hier die Israelitische Religionsge72

Vgl. auch v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 137 f. § 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 74 § 6 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. 75 § 4 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. 76 § 5 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 77 § 6 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. ™ Vgl. etwa §§ 1 Abs. 2, 10, 12 KiStG. 79 § 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 73

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meinschaft Badens, als für ihr Gebiet einheitlich versteht. Auf § 3 Nr. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 kann also nicht ohne weiteres abgestellt werden. Vielmehr ist der eigene Wille der Gemeinden maßgeblich. Im Fall der angesprochenen Gemeinden in Freiburg und Konstanz geht der Wille, als Untergemeinden im Sinne des § 3 Nr. 2 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gehören zu wollen, aus anderen Satzungsbestimmungen80 deutlich hervor. Nicht ganz so deutlich fällt das „Bekenntnis" der Mannheimer Gemeinde zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens aus. In ihrer Satzung fehlen sogar Bestimmungen über die Wahl oder Entsendung von Gemeindevertretern in den Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Lediglich in § 14 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim ist im Zusammenhang mit dem Verfahren bei Auflösung der Gemeinde ein Hinweis auf die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens zu finden. Demnach soll der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens über die Verwendung des bei der Auflösung noch vorhandenen Vermögens entscheiden. Zwar ist der eigene Wille der Gemeinden maßgeblich, ob eine Zugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens bestehen soll oder nicht. Allein die bloße Tatsache, dass sich diese Zugehörigkeit nicht ausdrücklich aus der Gemeindesatzung ergibt, kann jedoch nicht so interpretiert werden, als wolle die Gemeinde außerhalb der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens bestehen. Weil sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens als einheitliche Religionsgemeinschaft versteht, muss die Satzung einer sich gegenüber der IRG Badens abgrenzenden Gemeinde vielmehr deutlich erkennen lassen, dass besagte Gemeinde ausdrücklich nicht zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gehören will. Solches ist der Mannheimer Satzung nicht zu entnehmen. Die Mannheimer Satzung braucht keine ausdrückliche Erklärung über die Zugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens zu enthalten. Dennoch gehört sie als Untergliederung zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Der Hinweis, dass bei Auflösung der Gemeinde der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens über die Verwendung des bei der Auflösung noch vorhandenen Vermögens zu entscheiden hat, unterstreicht dieses Ergebnis.

2. Einzugsbereich/Mitgliedschaft a) Begründung der Mitgliedschaft

Bis auf die Satzung der Gemeinde in Mannheim gehen alle übrigen Satzungen davon aus, dass bereits durch den ständigen Wohnsitz einer jüdischen Person im so Die Satzungen gehen etwa selbstverständlich davon aus, Gemeindevertreter in den Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens zu entsenden. Vgl. § 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 13 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz.

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Einzugsbereich einer Gemeinde die Mitgliedschaft ausgelöst wird 8 1 . Dieser Grundsatz, der bei den christlichen Kirchen als „Parochialprinzip" bezeichnet wird 8 2 , stellt eines der Rechte dar, die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus ergeben. Folgerichtig ist er deshalb in den Satzungen der als eingetragene Vereine organisierten Gemeinden (Lörrach; Emmendingen) nicht zu finden. Die Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. wird durch Anmeldung beim Verein begründet. Dabei ist eine Anmeldebescheinigung des staatlichen Einwohnermeldeamtes vorzulegen, aus der hervorgeht, dass die Religionszugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens angegeben wurde 83 . Bei der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. ist ein Mitgliedsantrag zu stellen, der vom Vorstand beschieden wird 8 4 . Eine besondere Ausnahme stellt die Satzung der Gemeinde in Mannheim dar. Obwohl die Gemeinde Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, heißt es in § 3 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim: , Jede Person jüdischen Glauben, die in der Stadt Mannheim ihren Wohnsitz hat, kann unter Vorbehalt der gesetzlichen Bestimmungen - den Antrag stellen, als Mitglied der Jüdischen Gemeinde aufgenommen zu werden. Der Antrag ist schriftlich an den 1. Vorsitzenden zu richten. Über die Aufnahme entscheidet der Gesamtvorstand mit einfacher Mehrheit. Sollten Personen jüdischen Glaubens, die außerhalb der Stadt Mannheim wohnen, die Mitgliedschaft in der Gemeinde beantragen, so hängt die Aufnahme als Mitglied von einer mehrheitlichen Entscheidung des Gesamtvorstandes ab."

Demnach wird nur diejenige jüdische Person Mitglied in der Mannheimer Gemeinde, die dort wohnt und darüber hinaus einen Antrag auf Aufnahme gestellt hat. Die Mitgliedschaft wird nicht bereits durch Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft und Wohnsitz im Einzugsbereich der Gemeinde begründet. Vielmehr muss der Vorstand erst mit einfacher Mehrheit einer Mitgliedschaft zustimmen.

81 §§ 4, 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; §§ 4, 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; §§ 4, 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen (mit der Besonderheit, dass die Mitgliedschaft zwar bereits durch den Wohnsitz grundsätzlich begründet wird, die Mitgliedschaft aber konkret erst mit der Anmeldung bei der Jüdischen Gemeinde Emmendingen beginnt. Bei dieser Anmeldung ist eine Anmeldebescheinigung des staatlichen Einwohnermeldeamtes vorzulegen, aus der hervorgeht, dass die Religionszugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens angegeben wurde (§ 4 Abs. 1 und 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen); § 2 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; §§ 3, 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; §§ 4, 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 2,4 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; §§ 4, 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 82 83 84

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 307. § 3 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. § 4 Abs. 1 und 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.

Α. Baden

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Probleme ergeben sich auch aus der Bestimmung, dass für die Aufnahme von jüdischen Personen, die außerhalb der Stadt Mannheim wohnen, eine mehrheitliche Entscheidung des Gesamtvorstandes erforderlich ist. Dabei ist nicht so sehr das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit problematisch, als vielmehr die Tatsache, dass auf diese Weise eine Person in zwei jüdischen Gemeinden Mitglied werden könnte. Anders nämlich als in den Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden 85 , Konstanz86 und Pforzheim 87, schließt die Mannheimer Satzung die gleichzeitige Mitgliedschaft in einer anderen Kultusgemeinde in Baden nicht aus. Bei der Gemeinde in Pforzheim besteht ein etwas anders gelagertes Problem. In § 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 2 der Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim wird bestimmt, dass Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim ist, wer in der Stadt Pforzheim oder im Enzkreis seinen Wohnsitz anmeldet. Diese Bestimmungen bedeuten jedoch eine Kollision mit den Mitgliedschaftsbestimmungen der Karlsruher Satzung. Gemäß § 2 der Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe sind alle jüdischen Personen Mitglieder, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Stadt und Landkreis Karlsruhe sowie im Stadtkreis Pforzheim und Enzkreis haben. Diese Uberschneidung rührt daher, dass es sich bei der Gemeinde in Pforzheim um eine noch relativ junge Gemeinde handelt, der erst 1994 der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus verliehen wurde 88 . In der Vergangenheit sind jedoch erforderliche Änderungen der Karlsruher Satzung an dem Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit aller eingetragenen Gemeindemitglieder 89 gescheitert 90. Solange die Karlsruher Satzung in diesem Punkt nicht geändert wird, sind die Mitglieder der Pforzheimer Gemeinde jedenfalls formell auch Mitglieder der Karlsruher Gemeinde. Von der Mitgliedschaft in der konkreten jüdischen / israelitischen Gemeinde unterscheiden fast alle Gemeindesatzungen die Aufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft. Die Mitgliedschaft jüdischer Personen, deren Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft unzweifelhaft ist, wird wie oben beschrieben in der Regel durch den Wohnsitz vermittelt. Hingegen sieht eine ganze Reihe von Gemeindesatzungen vor, dass die Aufnahme oder Wiederaufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft durch den zuständigen Rabbiner entsprechend den Vorschriften des jüdischen Religionsgesetzes geschieht91. Lediglich die Satzung der 85

§ 4 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. § 4 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 87 § 4 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 88 Bekanntmachung des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg vom 18. Juli 1994; Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 1994, S. 476. 89 § 13 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 90 So das Vorstandsmitglied Herr D. Seidner in einem Schreiben an den Verfasser vom 7.0ktober 1999. 86

91 § 5 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 3 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 5 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 4 Satzung der Israelitischen

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Freiburger Gemeinde nimmt diese Unterscheidung nicht vor. Die relativ junge Gemeinde in Emmendingen beschreitet in diesem Zusammenhang einen besonderen Mittelweg. Da nicht nur die Satzung des eingetragenen Vereins, sondern auch die der öffentlich-rechtlichen Körperschaft die konkrete Mitgliedschaft erst mit der Anmeldung bei der Gemeinde unter Vorlage der Meldebestätigung beginnen lässt, ist ein Zwischenstadium entstanden, in dem eine nicht ganz eindeutige Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft überprüft werden kann. Solche strittigen Fälle entscheidet gemäß § 4 Abs. 3 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen (respektive § 3 Abs. 3 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.) der zuständige Rabbiner nach den jüdischen Religionsgesetzen. Auch in der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach beginnt die Mitgliedschaft erst „mit der Anmeldung bei der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach unter Vorlage der Anmeldebescheinigung der zuständigen staatlichen Behörde (Einwohnermeldeamt), aus der hervorgeht, dass die dort gemeldete Personen IB (Israeliten-Badens) gemeldet sind" 92 .

b) Beendigung der Mitgliedschaft

Mit Ausnahme der Gemeinden in Emmendingen und Lörrach 93 , haben alle übrigen Gemeinden in ihren Satzungen übereinstimmend festgelegt, dass die Zugehörigkeit zur konkreten Kultusgemeinde endet, wenn ein Gemeindeglied stirbt oder seinen Austritt aus seiner bisherigen Gemeinde erklärt 94 . Abgesehen von der Karlsruher Satzung stellen alle übrigen Satzungen körperschaftlich organisierter Gemeinden klar, dass die Mitgliedschaft auch durch Aufgabe des ständigen Wohnsitzes in ihrem Einzugsbereich beendet wird. Zwar bedarf es eines solchen Zusatzes nicht wirklich, da es im Wesen des „Parochialprinzips" liegt, dass die Mitgliedschaft endet, wenn das Gemeindeglied seinen Wohnsitz verlegt, gleichwohl trägt er zur Eindeutigkeit bei. Daneben erlischt die Mitgliedschaft in den Gemeinden Baden-Baden auch durch „Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinde"95, in der Gemeinde Freiburg auch durch „Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinschaft" 96. Kultusgemeinde Lörrach; § 6 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 5 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 92 § 4 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 93 Gemeint ist die körperschaftlich organisierte Israelitische Kultusgemeinde Lörrach. 94 § 7 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 5 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 6 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 7 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 95 96

§ 7 a) Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. § 5 Nr. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg.

Α. Baden

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Es ergibt sich also die Frage, wie „Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinde beziehungsweise Religionsgemeinschaft" auszulegen ist. Zum einen könnte der Austritt aus der rechtlich verfassten Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, zum anderen aber auch die Abkehr vom Judentum im Allgemeinen gemeint sein. Wie bereits oben angedeutet97, ist nach dem jüdischen Religionsgesetz zwar kein Austritt aus dem Judentum möglich, wohl aber eine innere Abkehr. Eine solche Abkehr könnte, so sie nach außen erkennbar wird, in den Gemeinden in Baden-Baden und Freiburg auch das Erlöschen der Mitgliedschaft in der konkreten Ortsgemeinde nach sich ziehen. Bei der Auslegung ist der klare Wortlaut der Emmendinger Satzung einerseits sowie der ebenfalls eindeutigere der Mannheimer Satzung andererseits heranzuziehen. Während die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen bestimmt, dass die Zugehörigkeit zur Emmendinger Gemeinde auch dann erlischt, wenn der amtliche Austritt aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft erklärt wird 9 8 , verlieren Mitglieder der Mannheimer Gemeinde „automatisch mit sofortiger Wirkung ihre Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde", wenn sie aus der „jüdischen Glaubensgemeinschaft" austreten 99. Dabei ist festzustellen, dass der Sprachgebrauch der Gemeindesatzungen aus Baden-Baden und Freiburg der Mannheimer Formulierung näher kommt, als der aus der Emmendinger Satzung. Hätten die Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden, Freiburg, Konstanz und Mannheim mit ihren Formulierungen den Austritt aus der rechtlich verfassten Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gemeint, hätten sie dies ebenso eindeutig formulieren können wie in den Emmendinger Satzungen geschehen. „Austritt aus der jüdischen Religionsgemeinde, Religionsgemeinschaft beziehungsweise Glaubensgemeinschaft" meint somit allem Anschein nach die Abkehr vom Judentum im Allgemeinen, die laut Satzungsbestimmungen auch das Ende der Mitgliedschaft in der konkreten Gemeinde zur Folge hat. Da nach dem Jüdischen Religionsgesetz ein Ausschluss aus dem Judentum nur unter den sehr engen Voraussetzungen eines „Bannes" möglich ist, können diese Satzungsbestimmungen jedenfalls nicht dazu dienen, Mitglieder, bei denen man der Ansicht ist, sie hätten sich vom Judentum abgekehrt, aus der Gemeinde auszuschließen. Sehr wohl hat jedoch in Baden-Baden, Freiburg, Konstanz und Mannheim die selbst getroffene Entscheidung, sich vom Judentum abkehren zu wollen, auch die Konsequenz, nicht mehr der rechtlich verfassten Ortsgemeinde anzugehören. Bleibt die Frage, ob ein Mitglied, etwa um nicht mehr kultussteuerpflichtig zu sein, ausschließlich aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens austreten 97

Siehe oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 4. § 7 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 4 Abs. 3 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 99 § 6 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. Ahnlich auch § 6 c Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz, der vom „Austritt aus der Glaubensgemeinde" spricht. 98

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

kann und seine Mitgliedschaft in der Ortsgemeinde dennoch bestehen bleiben könnte. In der Emmendinger und in der körperschaftlich organisierten Gemeinde in Lörrach ist diesem Ansinnen durch eine eindeutige satzungsrechtliche Bestimmung 100 der Boden entzogen. Auch in den übrigen Gemeinden würde ein solches Begehren am Charakter der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als einheitlicher Religionsgemeinschaft scheitern. Mit Ausnahme der Gemeinde in Mannheim stellen alle Gemeindesatzungen101, wenn nicht ausdrücklich, so doch konkludent 102 , klar, dass sie Gemeinden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens sind. In Verbindung mit § 3 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999, der die bestehenden Gemeinden als Untergliederungen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens bezeichnet, ergibt sich eindeutig, dass ein Austritt allein aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nicht möglich ist. Sobald der Austritt aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens erklärt wird, endet auch die Mitgliedschaft in der konkreten Ortsgemeinde, selbst wenn deren Satzungen für diesen Fall keine ausdrücklichen Regelungen vorsehen. Hingegen ist ein Austritt aus der Ortsgemeinde fast in allen Gemeinden möglich, ohne gleichzeitig auch aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens austreten zu müssen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Satzungen den Austritt aus der Gemeinde als Beendigungstatbestand vorsehen 103. Gemäß § 3 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 ist jede nach dem Religionsgesetz jüdische Person Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, die im Landesteil Baden ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ein Austritt aus einer Ortsgemeinde hat also zunächst sogar gar keinen Einfluss auf den Fortbestand der Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Erst der erklärte Austritt aus der IRG Badens gemäß § 26 des Kirchensteuergesetzes beendet die Kirchensteuerpflicht in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Auch 100 § 7 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 4 Abs. 3 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 7 b Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 101

§ 6 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 1 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 6 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 1 Nr. 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 5 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 6 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 102

§ 13 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. Die weitgehend gleichlautenden Satzungen der körperschaftlich organisierten Gemeinden in Emmendingen und Lörrach sehen einen Austritt aus der Ortsgemeinde gerade nicht als Beendigungsgrund vor. Gemäß § 7 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen bzw. § 7 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach erlischt die Zugehörigkeit in der Ortsgemeinde durch amtlichen Austritt aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Eine ausschließliche Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden ist im Einzugsbereich Emmendingen und Lörrach also nur möglich, wenn eine Meldung als „IB" bei der zuständigen Behörde gemacht, eine Anmeldung bei der Ortsgemeinde aber unterlassen wird. 103

Α. Baden

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wenn in der Regel die aus den Ortsgemeinden Ausgetretenen auch der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nicht mehr angehören wollen, da diese insbesondere die Kultussteuer einzieht, sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine ausschließliche Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens grundsätzlich gegeben. Diese Voraussetzungen können relevant werden, wenn Juden zwar nicht in konkreten Ortsgemeinden Mitglieder sein wollen, wohl aber der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens als „Förderer" angehören möch-

3. Wahl der Gemeindevertreter in den Oberrat Wie bereits oben angesprochen 105, wird der Oberrat entgegen der alten Satzung der IRG Badens von 1958 nicht mehr für eine bestimmte (vormals fünfjährige) Amtszeit gewählt 106 . Die neue Satzung enthält keine Vorgaben mehr über die Dauer der Amtszeit. § 6 Nr. 3 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 sieht vor, dass nunmehr „die Vertreter /Delegierten der Gemeinden in den Oberrat ( . . . ) nach den Regeln der Wahlordnung der jeweiligen Gemeinde in den Oberrat gewählt" werden. Wenn nun daneben die neue Satzung der IRG Badens die Amtszeit der Oberratsmitglieder wohl bewusst unbestimmt belässt, ist daraus zu schließen, dass die neue Satzung es den Gemeinden überlassen möchte, einerseits die Wahl der Oberratsmitglieder zu regeln und andererseits auch deren Amtszeit festzusetzen. Nicht erst mit der neuen Satzung der IRG Badens von 1999 regeln einige Gemeinden die Amtszeit für ihre Oberratsvertreter abweichend von der früheren Fünfjahresvorgabe in Art. 9 Abs. 1 der alten Satzung der IRG Badens von 1958. So sieht etwa die Satzung der Freiburger Gemeinde eine zweijährige 107 und die der Emmendinger eine dreijährige 108Amtszeit für die Oberratsvertreter vor. Abgesehen von der Mannheimer Satzung, die keinerlei Bestimmungen über die Wahl der gemeindlichen Vertreter in den Oberrat enthält, sprechen alle übrigen Satzungen die Wahl der Oberratsvertreter wenigstens kurz an 1 0 9 . Da diese Satzungen jedoch keine Angaben über die Amtszeit der Delegierten machen und zum Teil 104 Für genau diese Konstellation hat etwa die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg ihr Mitgliedschaftsrecht dahingehend geändert, dass nunmehr auch eine Mitgliedschaft in der Landeskirche möglich ist, ohne einer konkreten Ortsgemeinde angehören zu müssen. 105 Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 6., a), aa). 106 Vgl. Art. 9 Abs. 1 alte Satzung der IRG Badens von 1958. 107

§ 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. § 12 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 108

109 § 13 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 11 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

sogar ausdrücklich auf Art. 9 Abs. 1 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 Bezug nehmen, ist davon auszugehen, dass diese Gemeinden ihre Vertreter für fünf Jahre in den Oberrat wählen. Die Delegierten werden nach den gemeindlichen Wahlordnungen von der Mitgliederversammlung gewählt. Anders wird in Mannheim und in der als Verein organisierten Gemeinde in Lörrach verfahren, wo die Oberratsvertreter nicht durch die Mitgliederversammlung gewählt, sondern vom Vorstand aus dessen Mitte bestimmt werden. Während in Mannheim die Vertretung im Oberrat ebenso wie die anderen Aufgaben (Finanzen, Soziales, Friedhof, Personal, Öffentlichkeit etc.) innerhalb des Vorstandes verteilt werden 110 , wählt der Vereinsvorstand in Lörrach intern aus seiner Mitte einen Vertreter zum Oberrat der IRG Badens111.

4. Gemeindeaufgaben / Gemeindezweck Fast alle Satzungen sehen in der religiösen, kulturellen und sozialen Betreuung ihrer Mitglieder den Gemeindezweck112. Nur die Satzung der Mannheimer Gemeinde weicht sprachlich und inhaltlich etwas ab. Gemäß § 2 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim ist der Zweck der Gemeinde die Zusammenfassung und Betreuung der Mitglieder in religiöser und sozialer Hinsicht. Die kulturelle Betreuung der Mitglieder ist demnach nicht explizit Zweck der Mannheimer Gemeinde. Eine ganze Reihe von Satzungen konkretisieren diesen vorab allgemein formulierten Gemeindezweck, indem sie „ insbesondere " die Herbeiführung der üblichen gemeinschaftlichen gottesdienstlichen Handlungen, den Religionsunterricht der schulpflichtigen Kinder, das Bestattungswesen und die Unterhaltung der Friedhöfe sowie die Fürsorge Bedürftiger ausdrücklich nennen 113 . Besonders ausführliche Konkretisierungen finden sich in den Satzungen der Gemeinden in Heidelberg und Karlsruhe 114 . uo Vgl. Mitteilungsblatt des Oberrates, Nr. 16 März 1999, S. 14. 111

§ 9 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. § 3 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 3 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 5 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 6 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 3 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 112

113

§ 3 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 3 Nr. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 5 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 6 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.

Α. Baden

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Einige Satzungen binden die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an das jüdische Religionsgesetz 1 1 5 .

5. Organe I m Wesentlichen lassen sich drei Satzungstypen unterscheiden. Während der erste Typus lediglich die beiden Organe „Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung" und „Vorstand" vorsieht 1 1 6 , existiert beim zweiten Typus als drittes Organ noch ein „Beirat beziehungsweise eine Gemeindevertretung" 1 1 7 . Der dritte Satzungstypus schließlich verbindet die beiden ersten miteinander 1 1 8 . Alle Satzungen stellen klar, dass Ämter in den Gemeindeorganen ehrenamtlich bekleidet werden 1 1 9 .

114 § 6 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe nennt weiterhin die Herstellung und Unterhaltung von Räumen, die dem Zweck und der Würde der gottesdienstlichen Handlungen entsprechen, die Bereitstellung der herkömmlichen religiösen Einrichtungen sowie die Verwaltung des Gemeinde- und StiftungsVermögens; § 5 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg führt darüber hinaus als Gemeindezweck noch die religiöse Erwachsenenbildung und die Förderung und Unterstützung der Jugendarbeit an. 115 § 3 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 3 Nr. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 6 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 116 § 6 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 8 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 8 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 117 § 8 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 6 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 6 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 8 Abs. lb Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 7 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; die Gemeinden in Karlsruhe und Lörrach (e.V.) weisen einen Mischtypus auf: vgl. dazu unten unter: Viertes Kapitel, Α., II., 5., c). 118

§ 7 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 119 § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 8 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 6 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; §§8 Abs. 2, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 7 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 8 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften a) Gemeindeversammlung aa) Definition

Die Gemeindeversammlung wird mal m e h r 1 2 0 , mal weniger 1 2 1 deutlich als Versammlung aller stimmberechtigten Gemeindemitglieder definiert. Stimmberechtigt sind dabei nach allen Satzungen nur die volljährigen Gemeindeglieder 1 2 2 . Einige Satzungen machen die Stimmberechtigung zudem von einer mindestens d r e i 1 2 3 , beziehungsweise sechs 1 2 4 Monate bestehenden Gemeindemitgliedschaft abhängig.

bb) Einberufung Während alle Satzungen darin übereinstimmen, dass die Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung mindestens einmal i m Jahr stattzufinden h a t 1 2 5 , machen einige darüber hinaus auch Vorgaben, bis wann die Versammlung i m Jahresverlauf stattzufinden h a t 1 2 6 .

120 § 9 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 7 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 8 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. la Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 121 § 6 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Nr. 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 8 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 122 § 12 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 6 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Nr. 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 123 § 12 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Nr. 2 Wahlordnung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 124

§ 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 1 25 § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 7 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 8 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 8 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.

Α. Baden

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Nach den Vereinssatzungen der Gemeinden Emmendingen 1 2 7 und Lörrach wird die Mitgliederversammlung durch den Vorsitzenden mittels einfachen Briefes einberufen 1 2 8 . Abgesehen von den Satzungen der Karlsruher und Mannheimer Gemeinden, schreiben alle übrigen Satzungen vor, dass die Einberufung durch den Vorstand zu erfolgen h a t 1 2 9 . Einige Gemeindesatzungen sehen eine z w e i - 1 3 0 beziehungsweise dreiwöchige 1 3 1 Einberufungsfrist vor.

cc) Aufgaben und Befugnisse A m deutlichsten fällt die Aufgabenzuweisung an die Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung in den Satzungen der Gemeinden in Heidelberg und Mannheim aus. Gemäß § 7 Abs. 5 der Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg obliegen der Gemeindeversammlung die Diskussionen und Beschlussfassung über die satzungsgemäßen Aufgaben der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. § 10 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim verleiht der Mitgliederversammlung einerseits einen Anspruch auf A u s k u n f t 1 3 2 über die Geschäftsfüh126 § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg (spätestens bis Beendigung des dritten Monats des bürgerlichen Jahres); § 7 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg (im zweiten Quartal); § 8 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim (innerhalb des ersten Quartals). 127 Mittlerweile ist die Gemeinde in Emmendingen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. (Anerkennung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Bekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Württemberg vom 15. Mai 2000, Az. Ki -7162.1 - 0 8 / 9 , Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 2000, Nr. 13, S. 180). 128 § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. (Sollte der Vorsitzende verhindert sein, bestimmt die Lörracher Satzung, dass die Einberufung auch durch einen vom Vorsitzenden bestellten Stellvertreter einberufen werden kann.). 129 § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 7 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 130

§ 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 11 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 131

§ 7 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 132 Einen solchen Auskunftsanspruch enthält auch § 7 Abs. 9 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg.

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rung und andererseits das Recht, sich mit allen, die Jüdische Gemeinde Mannheim betreffenden Fragen beschäftigen zu können. Eine solche generelle Befugnis- und Aufgabenzuweisung in Form einer Residualkompetenz ist in den übrigen Satzungen nicht enthalten. Fraglich ist, ob die übrigen Satzungen ebenfalls von einer Residualkompetenz der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung ausgehen. Zwingend ist dies nicht unbedingt: In der Israelitischen Gemeinde Basel etwa ist der Vorstand mit der Residualkompetenz ausgestattet133. Bei einer Reihe von Satzungen ergeben sich die Aufgaben der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung aus den für eine ordentliche Mitgliederversammlung vorgeschriebenen Tagesordnungspunkten. Im Wesentlichen sehen diese Satzungen die Aufgabe der Mitgliederversammlung darin, den Vorstand zu wählen und zu kontrollieren sowie über die Gemeindefinanzen zu entscheiden134. Ob daraus eine grundsätzliche Residualkompetenz der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung herzuleiten ist, kann nur unter Hinzuziehung der Aufgabenbeschreibung für den Vorstand entschieden werden. Neben der Vertretung der Gemeinde nach außen obliegt es dem Vorstand, die „Geschäfte der Gemeinde" zu führen 135 . Damit weist keine der badischen Gemeindesatzungen dem Vorstand eine Residualkompetenz zu. Vielmehr erschöpft sich die Kompetenz des Vorstandes in der Geschäftsführung. Folgerichtig ist auch in der Anlage I . 1 3 6 zur Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg davon die Rede, dass der Vorstand die Mitgliederversammlung über bedeutungsvolle Dinge abstimmen lässt 137 . Da die Residualkompetenz erst recht nicht der nur beratenden und den Vorstand unterstützenden Gemeindevertretung (Beirat) zukommt, bleibt als Inhaberin der Residualkompetenz ausschließlich die Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung.

133

Ausführlicher siehe unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., b), bb). § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 i.V.m. §§ 12, 12a Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 134

135 § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; in § 9 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg ist zwar nicht von „Geschäftsführung" die Rede, wohl aber in Anlage I. (Geschäftsordnung und Aufgabenkatalog für den Gemeindevorstand), auf den § 9 ausdrücklich verweist; § 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 13 6 Anlage I. zur Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg beinhaltet die Geschäftsordnung und einen Aufgabenkatalog für den Gemeindevorstand in Freiburg. 137

1) v) Anlage I. zur Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg.

Α. Baden

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dd) Beschlussfähigkeit / Leitung der Versammlung Bezogen auf die Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung, stellen die Satzungen unterschiedliche Anforderungen. Während zwei Satzungen die Anwesenheit von mindestens einem Viertel der stimmberechtigten Mitglieder vorschreiben 1 3 8 , verlangen andere Satzungen die Anwesenheit von einem Drittel 1 3 9 . Wiederum andere Gemeindesatzungen fordern für die Beschlussfähigkeit sogar, dass die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sein muss 140 . Die Satzungen der Freiburger und der privatrechtlich organisierten Lörracher Gemeinde enthalten keine Vorschriften über die Beschlussfähigkeit 141. Die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. stellt lediglich fest, dass die Mitgliederversammlung beschlussfähig ist, wenn die ordnungsgemäße Ladung festgestellt worden ist 1 4 2 . Die Freiburger Satzung macht nur für solche Mitgliederversammlungen Vorgaben zur Beschlussfähigkeit, in denen die Satzung geändert werden soll 1 4 3 . Demnach sind Mitgliederversammlungen in Freiburg, wenn sie nicht über Satzungsänderungen beschließen, unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Mitglieder beschlussfähig. Fünf Satzungen sehen Regelungen für den Fall vor, dass die Mitgliederversammlung beschlussunfähig ist; jede dieser Satzungen geht dabei einen etwas anderen Weg. Die Vereinssatzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. bestimmt, dass innerhalb von vier Wochen eine erneute Mitgliederversammlung mit gleicher Tagesordnung einberufen werden muss 144 . Die Heidelberger Satzung legt fest, dass eine Woche später eine erneute Versammlung stattzufinden hat, die dann ungeachtet der Zahl der Anwesenden beschlussfähig ist 1 4 5 . Die Karlsruher, Lörracher und Mannheimer Satzungen hingegen gehen pragmatisch vor. Alle drei sehen vor, dass die erneute, dann beschlussfähige Mitgliederversammlung noch am gleichen Tag einzuberufen ist. Während sich die erschienenen Mitglieder in Karlsruhe und Lörrach unmittelbar nach der ersten, nicht beschlussfähigen Versammlung zusammenfinden können 146 , muss in Mannheim eine halbe Stunde gewartet werden 147 . 138 § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 139 § 9 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Abs. 7 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 8 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 140 § 8 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 141 Auch die Wahlordnung der Israelitischen Gemeinde Freiburg sieht keine Mindestanwesenheit für die Beschlussfähigkeit vor. 142 § 9 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 143 § 13 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg fordert eine Zweidrittelmehrheit der eingetragenen Mitglieder. 144 § 9 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 145 § 7 Abs. 8 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg.

12 Nolte

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Auch wenn diese Regelung geringstmöglichen Aufwand verursacht, ist sie doch zu hinterfragen. Sinn und Zweck der Mindestanwesenheit für die Beschlussfähigkeit ist, dass über wesentliche, die gesamte Gemeinde betreffende Belange möglichst viele Gemeindeglieder abstimmen. Dieses Ziel ist mit einer sich anschließenden erneuten Mitgliederversammlung nicht zu erreichen: An der zweiten Versammlung werden, selbst wenn sie, wie in Mannheim, erst eine halbe Stunde später beginnen kann, kaum mehr Mitglieder teilnehmen als an der ersten. In den übrigen Gemeinden148, in denen zwar eine Mindestanzahl stimmberechtigter Gemeindeglieder für die Beschlussfähigkeit vorgesehen ist, für den Fall der Beschlussunfähigkeit aber keine Regelung getroffen wurde, ist auf die allgemeinen Bestimmungen über die Einberufung von Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlungen zurückzugreifen. Nachdem eine beschlussunfähige Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung stattgefunden hat, muss also eine neue, je nach Satzungsbestimmung, mit einer zwei- oder dreiwöchigen Einladungsfrist einberufen werden. In vier Satzungen sind Regelungen über die Leitung der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlungen enthalten. In Freiburg leitet der Vorstand nach der Geschäftsordnung und dem Aufgabenkatalog für den Gemeindevorstand die Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung 149. Gemäß § 9 Abs. 4 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. wird die Mitgliederversammlung vom Vorsitzenden oder von einem von der Versammlung gewählten Versammlungsleiter geleitet. In Heidelberg 150 und Karlsruhe 151 wählt sich die Gemeindeversammlung mit einfacher Mehrheit einen Leiter beziehungsweise Vorsitzenden.

ee) Protokoll Nur vier Gemeindesatzungen schreiben vor, dass über die Ergebnisse und Beschlüsse der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung ein Protokoll angefertigt wird 1 5 2 . In den Gemeinden Emmendingen e.V. und Lörrach e.V. sowie in der Mannheimer Gemeinde ist das Protokoll ausdrücklich vom Vorsitzenden be146 § 8 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. lb Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach, wonach in einem solchen Fall zur Beschlussfassung die einfache Mehrheit genügt. 147 § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 148 Gemeinden in Baden-Baden, Emmendingen (K.d.ö.R.), Konstanz, Pforzheim. 149 1) u) Anlage I. zur Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 150 § 7 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. 151 § 8 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 152 § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 7 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 13 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim.

Α. Baden

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ziehungsweise vom Versammlungsleiter und vom Protokollführer zu unterschreiben. Gemäß § 7 der Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg muss das Protokoll vom Vorstand genehmigt werden. Falls keine Einigung zum Protokoll herbeizuführen ist, werden abweichende Ergänzungen mit aufgenommen. Ein solches Protokoll muss innerhalb von einem Monat an die Mitglieder versandt werden 1 5 3 .

ff) Außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung Bei der Einberufung einer außerordentlichen Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung treffen die Satzungen weitgehend uneinheitliche Bestimmungen. Die Satzungen der Gemeinden in Freiburg 154 , Lörrach 155 und Mannheim 156 sehen ausdrücklich die Einberufung einer außerordentlichen Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung durch den (Gesamt-) Vorstand vor. Auch wenn die übrigen Satzungen nicht ausdrücklich bestimmen, dass auch der Vorstand von sich aus eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung einberufen kann, so ergibt sich diese Einberufungsbefugnis schon aus den bereits oben angestellten Überlegungen zur Residualkompetenz157. Wenn nämlich die Residualkompetenz bei der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung liegt, muss es dem Vorstand möglich sein, eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn er erkennt, dass die betreffende Angelegenheit außerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz liegt. In allen Satzungen ist vorgesehen, dass eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung auch dann stattzufinden hat, wenn es eine bestimmte Anzahl von Gemeindegliedern wünscht. Diese zu erreichenden Quoren fallen im Satzungsvergleich unterschiedlich hoch aus. So kann in Freiburg bereits eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung einberufen werden, wenn nur vier Gemeindeglieder einen schriftlichen Antrag stellen 1 5 8 . Die Formulierung, dass eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung stattfinden kann, wenn vier Gemeindeglieder einen Antrag stellen, deutet darauf hin, dass der Vorstand in Freiburg einen solchen Antrag auch ablehnen kann. Zwar ist das zu erreichende Quorum im Vergleich mit den 153

§ 7 Abs. 10 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 155 § 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 156 § 8 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 157 Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., II., 5., a), cc). !58 § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 154

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Gemeinden in anderen Städten sehr gering, dafür können die Mitglieder jedoch nicht gegen den Willen des einberufenden Vorstandes eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung erzwingen. Anders ist die Situation in der als Verein organisierten Gemeinde in Lörrach, wo der Vorstand bereits gezwungen ist, eine außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn dies mindestens ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder verlangt 159 . Ahnlich ist die Regelung in Heidelberg und Mannheim, wo allerdings ein Viertel der Mitglieder die Einberufung einer außerordentlichen Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung vom Vorstand begehren müssen 160 . In den Gemeinden in Baden-Baden, Emmendingen, Karlsruhe, Lörrach und Pforzheim liegt das Quorum bei zwei Fünfteln 161 , in Konstanz sogar bei zwei Dritteln 1 6 2 . Nicht in allen Gemeinden, die noch über das dritte Organ der Gemeindevertretung beziehungsweise des Beirates verfügen, kann dieses Organ ebenfalls die Einberufung einer außerordentlichen Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung erwirken. In Freiburg kann die Gemeindevertretung die außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen 163. In Karlsruhe muss die Gemeindeversammlung zusammentreten, wenn es die Gemeindevertretung beantragt 164.

b) Vorstand

aa) Zusammensetzung / Amtszeit / Wahl / wirtschaftliche Stellung der Vorstandsmitglieder Bei der Zusammensetzung des Vorstands lassen sich grob zwei Modelle unterscheiden. In den Gemeinden mit drittem Organ „Gemeindevertretung" beziehungsweise „Beirat" besteht der Vorstand nur aus zwei 1 6 5 beziehungsweise drei 1 6 6 Vor159

§ 10 Abs. 2 a) Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. § 7 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 8 b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 161 § 9 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 9 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 162 8 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 163 § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 164 § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 165 § 10 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 160

Α. Baden

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standsmitgliedern. Die Gemeinden ohne Beirat haben dafür einen größeren Vorstand von fünf M i t g l i e d e r n 1 6 7 . Die Amtszeit des Vorstandes beträgt j e nach Gemeinde zwei 1 6 8 , d r e i 1 6 9 oder f ü n f 1 7 0 Jahre. In der Regel erfolgt die Wahl der Vorstandsmitglieder in der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung 1 7 1 . Die Mannheimer Satzung stellt insofern eine Ausnahme dar. Gemäß § 10 i.V.m. § 17 der Satzung der Jüdischen Gemeinde M a n n h e i m 1 7 2 wird i m Wahljahr (also alle drei Jahre) von der Mitgliederversammlung ein dreiköpfiger Wahlausschuss gewählt, der dann die eigentlichen Wahlen (darunter auch die Wahl des ersten und zweiten Vorsitzenden sowie der drei zum Vorstand gehörenden Verwaltungsausschussmitglieder 173 ) durchführt. Abgesehen von den Gemeinden in Heidelberg und Mannheim, wo bereits Achtzehnjährigen das passive Wahlrecht zum Vorstand zusteht 1 7 4 , müssen die Vorstandskandidaten in den übrigen Gemeinden mindestens fünfundzwanzig Jahre alt s e i n 1 7 5 . Einige Satzungen schreiben darüber hinaus noch vor, dass die Kandidaten 166

§ 8 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 7 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 167 § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 8 a) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 10 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 168 § 13 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 8 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 169 § 12 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 11 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 170

§ 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. § 13 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 8 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 12 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 171

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§ 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim verweist zwar auf § 16, was allerdings ein Redaktionsversehen darstellt. Die Wahlordnung wird nämlich durch § 17 in die Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim inkorporiert. 173 Vgl. § 8 a) Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 174 § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 11 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 175 § 13 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 12 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 11 Abs. 2 Satzung

1 8 2 4 . Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

der Gemeinde mindestens seit zwei 1 7 6 beziehungsweise drei 1 7 7 Jahren angehören müssen. Einmalig ist eine weitere Voraussetzung, die durch die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen (K.d.ö.R.) gestellt wird: Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 müssen sich die Vorstandsmitglieder in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen befinden. Sie dürfen zur Deckung ihres Lebensunterhaltes insbesondere nicht auf die Inanspruchnahme öffentlicher oder privater Fürsorge angewiesen sein. Auch die Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach fällt heraus, indem sie in § 12 Abs. 1 als weitere Wählbarkeitsvoraussetzung die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift nennt.

bb) Aufgaben / Befugnisse Die Satzungen stimmen alle darin überein, dass der Vorstand einerseits die Geschäfte der Gemeinde führt und andererseits die Gemeinde nach außen vertritt. Unterschiede gibt es lediglich in der genauen Ausgestaltung dieser Aufgaben. Während etwa die Vorstandsmitglieder der Emmendinger und Lörracher körperschaftlich organisierten Gemeinde im Innenverhältnis die Geschäfte gleichberechtigt führen 178 , gestehen andere Satzungen dem stellvertretenden Vorsitzenden nur dann interne Vertretungsmacht zu, wenn der erste Vorsitzende verhindert ist 1 7 9 . Verschieden ist auch die Vertretung nach außen gefasst. Während in Baden-Baden, Karlsruhe, Konstanz und Lörrach (vereinsrechtlich organisierte Gemeinde) entweder der Vorsitzende oder seine Stellvertreter die Gemeinde nach außen vertreten können 180 , sind die beiden stellvertretenden Vorsitzenden in Emmendingen und der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 6 a)b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 176 § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 6 a)b) Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 177 § 12 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 11 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 178 § 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 7 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 179 § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 180 § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.

Α. Baden

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Lörrach (K.d.ö.R) nur dann vertretungsbefugt, wenn der erste Vorsitzende verhindert ist 1 8 1 . Eine gemeinsame Vertretung durch den ersten und zweiten Vorsitzenden fordern die Satzungen der Gemeinden in Heidelberg und Mannheim 182 . In einigen Satzungen ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Aufgaben innerhalb des Vorstandes nach interner Absprache verteilt werden 183 . cc) Ehrenvorsitzender Die Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden184, Konstanz 185 und Pforzheim 1 8 6 kennen die Möglichkeit, dass die Mitglieder der Gemeinde einen Ehrenvorsitzenden wählen können. Im Wortlaut identisch, gestehen alle drei Satzungen dem Ehrenvorsitzenden zu, an den Vorstandsberatungen mit beratender Stimme teilzunehmen.

c) Beirat beziehungsweise Gemeindevertretung

aa) Zusammensetzung/Amtszeit/Wahl Wie bereits angedeutet187, verfügen nur die Gemeinden in Baden-Baden, Freiburg, Emmendingen, Karlsruhe, Konstanz und Lörrach (K.d.ö.R) über das dritte Gemeindeorgan „Beirat beziehungsweise Gemeindevertretung". Hinsichtlich der Zusammensetzung des Beirates/der Gemeindevertretung machen die Gemeindesatzungen unterschiedliche beziehungsweise gar keine Angaben. Während der Beirat/die Gemeindevertretung in Baden-Baden, Emmendingen und Konstanz aus drei Personen besteht 188 , gehören diesem dritten Gemeindeorgan 181

§ 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 7 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 182 § 8 Abs. 5 i.V.m. Abs. 9 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. Ausnahmsweise darf der erste oder der zweite Vorsitzende auch über Beträge bis DM 500,- alleine verfügen. Diese Verfügungen müssen jedoch nachträglich gegenüber dem Vorstand gerechtfertigt werden. § 8 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 183 § 9 i.V.m. Anlage I. der Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 7 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 8 Abs. 6 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 184

§ 15 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. § 16 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 186 § 14 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 185

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Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., II., 5. § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 10 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 188

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

in Karlsruhe fünf Personen an 1 8 9 . Die Freiburger Satzung sowie die Satzung der körperschaftlich organisierten Gemeinde in Lörrach machen der Gemeindeversammlung keine Vorgaben, wie viele Mitglieder in dieses Gremium gewählt werden sollen. Mit der Residualkompetenz ausgestattet, kann also die Freiburger Gemeindeversammlung selbst entscheiden, wie viele Beiräte gewählt werden sollen. Oben wurde bereits angesprochen, dass sich bei den badischen Gemeinden im Wesentlichen drei Satzungstypen erkennen lassen. Ein erster Typus ohne, ein zweiter Typus mit Beirat beziehungsweise Gemeindevertretung und schließlich ein dritter, der die beiden ersten miteinander verbindet. Eine solche Kombination ergibt sich aus der Satzung der Karlsruher Gemeinde sowie aus der der privatrechtlich organisierten Gemeinde in Lörrach. Die Karlsruher Satzung etabliert zwar einerseits eine aus fünf Personen bestehende Gemeindevertretung 190 , andererseits spricht sie aber davon, dass diese Gemeindevertretung zusammen mit dem Vorstand den „Gesamtvorstand" bildet 1 9 1 . Die Satzung der privatrechtlich organisierten Gemeinde in Lörrach kennt hingegen keinen eigenständigen Beirat. Wohl aber sitzen im fünfköpfigen Vorstand neben dem Vorsitzenden und seinen beiden Stellvertretern noch zwei Beiräte 192. Die Amtszeit des Beirates beziehungsweise der Gemeindevertretung beträgt in Baden-Baden, Freiburg, Karlsruhe und Lörrach (Kd.ö.R.) zwei Jahre 193 , in Emmendingen drei 1 9 4 und in Konstanz sogar fünf Jahre 195 . Die Amtsdauer der Beiräte beziehungsweise Gemeindevertreter entspricht damit der der Vorstandsmitglieder. Die Beiräte / Gemeindevertreter werden durch die Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung gewählt 196 . Alle Satzungen setzen für dieses Amt, ebenso wie bei den Vorstands wählen, die Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres voraus 197 . Darüber hinaus verlangt die Freiburger Satzung, dass die Kandidaten 189

§ 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 191 § 12 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 192 § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 193 § 13 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 194 § 12 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 195 § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 196 § 13 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg i.V.m. der Wahlordnung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; §12 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 197 § 13 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 12 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 11 Abs. 1 Satzung 190

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zum Beirat seit mindestens einem Jahr in der Gemeinde gemeldet sind 198 . Die Satzung der körperschaftlich organisierten Gemeinde in Lörrach setzt eine zweijährige Mitgliedschaft, sowie auch für die Beiräte die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift voraus 199 .

bb) Aufgaben / Abgrenzung zu den Aufgaben des Vorstandes Die Aufgabe des Beirates beziehungsweise der Gemeindevertretung besteht darin, den Vorstand in bedeutungsvollen Angelegenheiten zu unterstützen 200. Die Freiburger Satzung schreibt sogar vor, dass die Gemeindevertretung in wichtigen Angelegenheiten vom Vorstand zu konsultieren ist 2 0 1 . Auch sonst gehen die Befugnisse des Freiburger Beirates über reine Hilfeleistung und Unterstützung des Vorstandes hinaus. So bringt der Beirat die zwischen ihm und dem Vorstand kontrovers anstehenden grundlegenden Probleme vor eine eigens dafür einberufene Mitgliederversammlung, die mit einfacher Mehrheit eine Entscheidung herbeiführt 202 . Damit kommt dem Freiburger Beirat eine Korrektivfunktion gegenüber dem Vorstand zu. Weil die Abgrenzung zwischen der „Geschäftsführung" und „wichtigen Entscheidungen" nicht immer leicht vorzunehmen ist, ist es richtig, den Beirat mit einem gewissen „Wächteramt" auszustatten. Sobald sich Vorstand und Gemeindevertretung über grundlegende Probleme nicht einigen können, ist dies in aller Regel bereits ein Hinweis darauf, dass es nicht nur um Fragen der „Geschäftsführung" geht. Ausgestattet mit der Pflicht, in solchen Fällen selbst eine außerordentliche Mitgliederversammlungen einzuberufen 203, sorgt die Gemeindevertretung für mehr Transparenz zwischen Vorstand und Gemeinde. Da der Vorstand nicht über die bei der Mitgliederversammlung liegende Residualkompetenz verfügt, ist es richtig, ein weiteres, vom Vorstand unabhängiges Organ damit zu betrauen, darüber zu wachen, dass der Vorstand sich nicht doch der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 198 § 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 199 § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 200 § 11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 10 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. Die Satzung der körperschaftlich organisierten Gemeinde in Lörrach nennt zwar in § 8 Abs. lb den Beirat als Organ und enthält, wie oben gesehen, auch Regelungen über die Wahl der Beiräte. So wie sie jedoch keine Angaben über die Zahl der Beiräte enthält, fehlt es in der Lörracher Satzung (K.d.ö.R.) auch an einer Aufgabenzuweisung bzw. Aufgabenbeschreibung für den Beirat. 201 § 11 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 202 Anlage II. zur Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg (Aufgabenkatalog für den Gemeindebeirat). 203 § 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg.

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Residualkompetenz anmaßt und über Dinge entscheidet, die wegen ihrer grundlegenden Bedeutung von der Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung beschlossen werden müssten. Es ist zu bedauern, dass die übrigen Satzungen diese Aufgabe dem Beirat beziehungsweise der Gemeindevertretung nicht ausdrücklich zuweisen. Selbst wenn man dem Beirat auf diese Weise eine nicht ganz so starke Position gegenüber dem Vorstand zubilligen möchte, sollte dem Beirat doch wenigstens, wie in Karlsruhe 2 0 4 , die Möglichkeit eingeräumt werden, außerordentliche Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlungen einberufen zu können.

6. Wahlen In allen Gemeinden sind die Mitglieder mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres wahlberechtigt (aktives W a h l r e c h t 2 0 5 ) 2 0 6 . Einige Satzungen verlangen zusätzlich noch, am Wahltag seit mindestens d r e i 2 0 7 beziehungsweise sechs 2 0 8 Monaten in der Gemeinde Mitglied zu sein. Übereinstimmend schließen sämtliche Satzungen diejenigen Mitglieder vom aktiven Stimmrecht aus, denen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt s i n d 2 0 9 .

204

§ 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 205 Vgl. z u m passiven Wahlrecht bei Vorstands- und Beiratswahlen oben unter: Viertes Kapitel, Α., II., 5., b) aa) und Viertes Kapitel, Α., II., 5., c), aa). 206 § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 207 § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg i.V.m. § 7 Abs. 2 Wahlordnung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 11 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 208 Vgl. Wahlordnung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 209

§ 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 11 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; §11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 5a Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.

Α. Baden

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Eine ganze Reihe von Satzungen spricht auch bald zehn Jahre nach der Reform des Betreuungsrechts 210 noch davon, dass bei „Entmündigung" oder „Vormundschaft" ebenfalls kein Wahlrecht bestehe 2 1 1 . Dies verwundert insbesondere bei solch neuen Satzungen wie in Baden-Baden, Emmendingen, Lörrach und Pforzheim, die sämtlich erst nach Änderung des Betreuungsrechts geschrieben wurden. Da das neue Betreuungsrecht keine Entmündigung und bei Volljährigen auch keine Vormundschaft mehr kennt, sollten die angesprochenen Satzungen bei Gelegenheit dieser neuen Rechtssituation angepasst werden. In vielen Satzungen finden sich Hinweise auf die gemeindliche Wahlordnung 2 1 2 , die von der Gemeindeversammlung zu beschließen ist und zum Teil ausdrücklich in die Satzungen inkorporiert i s t 2 1 3 . Gut die Hälfte der badischen Gemeindesatzungen bestimmen ausdrücklich den Wahlort, der immer mit dem Sitz der Gemeinde übereinstimmt 2 1 4 . Sechs Satzungen bestimmen ausdrücklich, dass die Wahlen generell geheim abgehalten werden s o l l e n 2 1 5 oder bei Antrag eines Gemeindegliedes geheim durchzuführen s i n d 2 1 6 .

210 Vgl. Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) vom 12. September 1990; in Kraft getreten am 1. Januar 1992 (BGBl. I 2002). 211 § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 11 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; 1.1a) Wahlordnung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 9 Abs. 5a Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 9 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 11 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 212

Im Anhang ist die Wahlordnung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe exemplarisch im vollen Wortlaut wiedergegeben. 213 § 13 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 12 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 13 Abs. 1 und 4 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 12 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 10 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 10 i.V.m. § 17 und § 12 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 214 § 13 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 7 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 12 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 13 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 12 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 215

§ 13 Abs. 1 Wahlordnung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 8 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 11 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe und 6.1 Wahlordnung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 17 Abs. 7 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 216 § 9 Abs. 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 10 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.

188

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Alle Satzungen treffen hinsichtlich der Angestellten der Gemeinde oder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Inkompatibilitätsvorschriften. Angestellte haben nach der Freiburger 217, Heidelberger 218 und Karlsruher 219 Satzung nur das aktive Wahlrecht. Wollen sie sich in ein Amt wählen lassen, müssten sie zuvor ihr Dienstverhältnis wirksam kündigen. Eine bedingte Kündigung für den Fall einer erfolgreichen Wahl scheitert am Wortlaut dieser Inkompatibilitätsvorschriften. Ähnlich strikt ist auch die Lörracher Satzung, nach der Angestellte der Gemeinde oder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nur dann das passive Wahlrecht erhalten, wenn sie vor ihrer Kandidatur schriftlich die Aufgabe ihres bestehenden Dienstverhältnisses erklären 220 . Obgleich der Wortlaut dieser Vorschrift so klingt, als würde auch in Lörrach das passive Wahlrecht nur dann aufleben, wenn vor der Kandidatur wirksam gekündigt wird, so unterscheidet sich diese Vorschrift von den Vorgaben der Freiburger, Heidelberger und Karlsruher Satzung darin, dass die grundsätzliche Möglichkeit einer Kandidatur durch Gemeindeangestellte nicht von vornherein ausgeschlossen wird. Aufgrund dieses Unterschiedes kann § 9 Abs. 7 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. so ausgelegt werden, dass das passive Wahlrecht bereits dann auflebt, wenn vor der Kandidatur lediglich eine bedingte, also vom Erfolg der Wahl abhängig gemachte Kündigung erklärt wird. Die Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden, Emmendingen, Konstanz, Mannheim, Lörrach (K.d.ö.R.) und Pforzheim gehen dagegen zunächst einmal davon aus, dass auch die Angestellten der Gemeinde oder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens grundsätzlich über das passive Wahlrecht verfügen. In Emmendingen und Lörrach (K.d.ö.R.) müssen sie sich lediglich vor der Wahl bereit erklären, das Dienstverhältnis aufzugeben 221. Eine Kündigung, sei sie bedingt oder unbedingt, ist nicht erforderlich. Die Satzungen der Gemeinden in Baden-Baden , Konstanz , Mannheim und Pforzheim fordern erst im Falle einer Wahl von den Angestellten, dass sie sich darüber erklären, ob sie die Wahl annehmen oder ihre Stellung beibehalten wollen, da beide Funktionen zusammen nicht ausgeübt werden können. 217

§ 6 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. § 10 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. 219 § 11 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 220 § 9 Abs. 7 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 221 § 12 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 222 § 13 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. 223 § 12 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 224 § 11 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 225 § 12 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 218

Α. Baden

18

7. Innergemeindlicher Rechtsschutz/Schiedsgerichtsbarkeit In nur wenigen Satzungen finden sich Regelungen über innergemeindlichen Rechtsschutz. Die als eingetragener Verein organisierte Gemeinde in Lörrach bestimmt in § 6 Abs. 1 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V., dass einem Mitglied vor dessen Ausschluss aus der Gemeinde rechtliches Gehör zu gewähren ist. Gleichzeitig wird deklaratorisch der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen. Auch ohne diese Bestimmung würden sich staatliche Gerichte kaum zuständig für solche Fälle fühlen, da für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vereinsausschlusses in der Regel innerreligionsgemeinschaftliche Vorgänge zu bewerten sein dürften. Für den Fall eines Gemeindeausschlusses sieht die privatrechtliche Lörracher Satzung ein Widerspruchsverfahren vor dem Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vor. Es wurde bereits erwähnt 226 , dass der Oberrat nach der neuen Satzung, im Unterschied zur alten Satzung von 1958, keine Aufsichtsfunktionen über die in Baden bestehenden Gemeinden mehr wahrnimmt und auch nicht mehr als Rechtsmittelinstanz fungiert. Da auch aus der neuen Bestimmung des § 6 Nr. 1 der neuen Satzung der IRG Badens von 1999, die besagt, dass der Oberrat das oberste Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist, solche weitgehenden Befugnisse nicht hergeleitet werden können, wird sich das ausgeschlossene Lörracher Mitglied gleich an das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland wenden müssen. Da die Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. diesen Rechtsweg selbst ausdrücklich vorsieht, bestehen keine Zweifel, dass das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland auch Streitigkeiten innerhalb der privatrechtlich organisierten Lörracher Gemeinde entscheiden kann. Einer weitergehenden Unterwerfung bedarf es wegen § 6 Abs. 1 der Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. nicht mehr. Auch in der Karlsruher Satzung finden sich leise Anklänge innergemeindlichen Rechtsschutzes. Gemäß § 9 Abs. 2 der Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe kann ein Mitglied des Gesamtvorstandes wegen schwerwiegender Beeinträchtigung der Belange, des Ansehens oder der Interessen des Gesamtvorstandes durch einstimmigen Beschluss aller übrigen Vorstandsmitglieder vorläufig, jedoch mit sofortiger Wirkung, ausgeschlossen werden. Zwar spricht die Satzung nicht ausdrücklich von einem Widerspruchsverfahren. Mit der Bestimmung, dass ein endgültiger Ausschluss aus dem Vorstand nur durch die Mitgliederversammlung erfolgen kann, ist in der Karlsruher Satzung jedenfalls ansatzweise so etwas wie innergemeindlicher Rechtsschutz verwirklicht. Als Randerscheinung innergemeindlichen Rechtsschutzes ist die nur in der Mannheimer Satzung vorgesehene Möglichkeit zu nennen, Beschlüsse der Mitgliederversammlung anfechten zu können 227 . Da jedoch weder der Kreis der Anfech226 Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 5., a), cc) und Viertes Kapitel, Α., I., 7. 227

§ 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

tungsberechtigten noch ein Vorgehen für diese Fälle noch die Wirkung einer solchen Anfechtung satzungsrechtlich näher bestimmt sind 228 , kann man wohl nicht ernsthaft von einem Beitrag zum innergemeindlichen Rechtsschutz sprechen. Weitergehende Bestimmungen zum innergemeindlichen Rechtsschutz sind in den Satzungen der badischen Gemeinden nicht enthalten.

8. Finanzen a) Gemeindeabgaben Wie bereits oben 229 ausgeführt, erhebt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens von ihren Mitgliedern Kultussteuern als Landeskirchensteuer im Sinne von § 1 Abs. 1 und 2 des Kirchensteuergesetzes. Da zum einen die Kultussteuer als Zuschlag zur Einkommens- beziehungsweise Lohnsteuer gemäß §§ 17, 20 des Kirchensteuergesetzes den Landesfinanzbehörden zum Einzug übertragen worden ist und zum anderen die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens bereits früher eine einheitliche Kultussteuer festgelegt hat 2 3 0 , ist den Gemeinden die Möglichkeit genommen worden, selbst Kultussteuern als Ortskirchensteuer zu erheben. Dennoch enthalten die Satzungen der Gemeinden in Freiburg 231 , Emmendingen232, Heidelberg 233 , Lörrach (e.V. 234 ; K.d.ö.R. 235 ) und Mannheim 236 Bestimmungen darüber, dass die Gemeindemitglieder zur Mitfinanzierung der gemeindlichen Aufgaben herangezogen werden können. Fraglich ist, ob die Gemeindeglieder dieser Verpflichtung bereits abschließend durch Entrichtung der Kultussteuer an die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nachkommen oder ob diese Bestimmungen den Gemeinden die Möglichkeit eröffnen, zusätzlich zur von der IRG Badens eingezogenen Kultussteuer gemeindeeigene Beiträge, eventuell sogar als Kultussteuer im Sinne des „Kirchgeldes" (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 Kirchensteuergesetz), zu erheben. 228 § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim sieht lediglich vor, dass eine Anfechtung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Monat zulässig ist. 229 Zu den Einzelheiten des Kirchensteuereinzugs durch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 2., b). 230 Vgl. § 4 Steuerordnung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vom 17. November 1971. Rechtsgrundlage für die Vereinigung der Landes- und Ortskirchensteuer sind §§ 12, 18 KiStG. 231

§ 12 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. § 13 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 233 § 2 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg: bezogen auf Mitglieder der amerikanischen Armeegemeinde, die auf Wunsch Mitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg werden können und dann einen finanziellen Beitrag zu leisten haben. 234 § 8 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 235 § 13 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 236 § 7 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 232

Α. Baden

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Dazu sind die in den Satzungen vorgesehenen „Beiträge" beziehungsweise „Umlagen" rechtlich zu qualifizieren. Für die privatrechtlich organisierten Gemeinden ist eindeutig, dass es sich um Mitgliedsbeiträge handelt, die neben der von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens erhobenen Kultussteuer erhoben werden können. Gemäß § 1 des Kirchensteuergesetzes können auch die örtlichen Gemeinden, so sie Körperschaften öffentlichen Rechts sind, Steuern erheben. Fraglich ist, ob die „Beiträge" beziehungsweise „Umlagen" Kultussteuern etwa im Sinne des „Kirchgeldes" darstellen, da sie ausschließlich der örtlichen Gemeinde zugute kommen. Die Gemeinden sind gemäß § 1 des Kirchensteuergesetzes zwar berechtigt Steuern zu erheben, nicht aber verpflichtet. Das heißt, dass Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts selbst entscheiden können, ob sie die finanziellen Mittel zur Deckung ihrer Bedürfnisse als Steuern oder als sonstige Beiträge erheben. Das selbstverständliche Recht aller Gemeinschaften, von ihren Mitgliedern Beiträge zu erheben, steht für Religionsgemeinschaften einmal mehr unter dem Schutz des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV 2 3 7 . Es besteht demnach kein Automatismus in der Weise, dass alle „Beiträge" an Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus gleich Steuern sind. Die religionsgemeinschaftlichen Beiträge werden erst zu echten, staatlichen Steuern mit dem Merkmal, notfalls im Wege des Verwaltungszwangs eingetrieben zu werden, wenn die öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaft genau diesen Vorteil für sich nutzen möchte. Kommt dieser Wille nicht zur Geltung, handelt es sich bei den satzungsrechtlich vorgesehenen „Beiträgen" nicht um Kultussteuern. Ob der Wille tatsächlich vorliegt, Beiträge als Steuern zu erheben, lässt sich daran erkennen, ob die zum Kultussteuereinzug berechtigte Gemeinde die landesrechtlichen Voraussetzungen für den Kultussteuereinzug erfüllt. In Baden üben die öffentlichrechtlichen Gemeinden das Besteuerungsrecht nach Maßgabe des Kirchensteuergesetzes und der selbst zu erlassenden Steuerordnung aus 238 . Da die badischen Gemeinden, anders als die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens, keine Steuerordnungen erlassen haben und die vorgesehenen „Beiträge" beziehungsweise „Umlagen" nicht nach Maßgabe des Kirchensteuergesetzes eingezogen werden sollen, stellen diese keine Kultussteuern im Sinne des „Kirchgeldes" 2 3 9 dar. Die in den Satzungen angesprochenen „Beiträge" beziehungsweise „Umlagen" sind gewöhnliche Beiträge, die neben der von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens erhobenen Kultussteuer fällig werden. Der einzige Unterschied zur Kultussteuer besteht darin, dass diese Beiträge notfalls nicht durch Verwaltungszwang eingetrieben werden können.

237 238 239

KiStG.

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 260. § 1 Abs. 1 KiStG. Auch das „Kirchgeld" stellt eine echte, staatliche Steuer dar: vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

1

b) Finanzplanung /Rechnungsjahr Die Satzungen der öffentlich-rechtlich organisierten Gemeinden bestimmen ausnahmslos, dass der Vorstand der Gemeinde- beziehungsweise der Mitgliederversammlung einmal jährlich einen Finanzbericht und den Haushaltsplan vorlegt 240 . Mit Ausnahme der Satzungen der Gemeinden in Freiburg und Konstanz sehen die übrigen Gemeindesatzungen ausdrücklich einen Haushaltsbeschluss durch die Gemeinde- beziehungsweise Mitgliederversammlung vor. Während die Freiburger Satzung nur davon spricht, dass der Haushaltsplan der Mitgliederversammlung bekannt zu geben ist 2 4 1 , trifft die Konstanzer Satzung keine Bestimmungen darüber, wie der Haushaltsplan beschlossen wird. Die Vereinssatzungen der Gemeinden Emmendingen242 und Lörrach machen für die finanzielle Planung keinerlei Vorgaben. Eine Reihe von Satzungen bestimmen das Kalenderjahr zum Geschäftsjahr 243. c) Rechnungsprüfung Neben den Vereinssatzungen der Gemeinden Emmendingen und Lörrach enthält auch die Satzung der Mannheimer Gemeinde keine Anhaltspunkte für eine Rechnungsprüfung. Die übrigen Satzungen, mit Ausnahme der Satzung der körperschaftlich organisierten Gemeinde in Lörrach 244 , sehen vor, dass die Gemeinde- / Mitgliederversammlung die Kassenprüfer beziehungsweise die Finanzprüfungskommission entweder jedes Jahr 245 oder alle zwei Jahre 246 neu wählt. 240 § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 8 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 8 Abs. 8 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 12 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 7 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 241

§ 10 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. Mittlerweile ist die Gemeinde in Emmendingen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. (Anerkennung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Bekanntmachung des Kultusministeriums Baden-Württemberg vom 15. Mai 2000, Az. Ki -7162.1-08/9, Amtsblatt des Kultusministeriums „Kultus und Unterricht", 2000, Nr. 13, S. 180) 242

243 § 10 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 8 Abs. 8 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 12 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 9 Abs. 11 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V.; § 13 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 244 § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach bestimmt lediglich, dass auf der jährlichen ordentlichen Gemeindeversammlung der Kassenprüfer berichten soll. Über die Wahl desselben trifft die Satzung keine Regelung. 245 § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 10 Abs. 8 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 9 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Em-

Α. Baden

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Die Heidelberger und die Karlsruher Satzungen machen darüber hinaus detailliertere Vorgaben für die Rechnungsprüfung. Gemäß § 11 Abs. 2 der Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg hat der Vorstand nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres einen Jahresabschluss der Finanzen zu erstellen, der von den beiden gewählten Kassenprüfern zu überprüfen ist. Die Prüfung für das vergangene Rechnungsjahr muss sechs Wochen vor der ordentlichen Gemeindeversammlung abgeschlossen sein. Dieser Jahresabschluss ist dann zusammen mit dem Bericht der Kassenprüfer und den Kassenbüchern drei Wochen vor der ordentlichen Gemeindeversammlung während der Bürostunden in den Büroräumen der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg den Mitgliedern zur Einsicht vorzulegen. Darüber hinaus bestimmt die Karlsruher Satzung, dass die Entlastung des Gesamtvorstandes durch die Gemeindeversammlung erst erfolgen kann, wenn die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses durch die gewählten Kassenprüfer festgestellt worden ist. Im Bedarfsfall, so ordnet die Satzung an, haben der Vorstand und die Gemeindevertretung ein Gutachten einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einzuholen und vorzulegen 247 . 9. Satzungsänderung Nur in der vereinsrechtlich organisierten Gemeinde in Lörrach gibt es keine Bestimmungen darüber, wie die Satzung gegebenenfalls zu ändern ist. In den übrigen Gemeinden gelten für Satzungsänderungen durch die Mitgliederversammlung qualifizierte Mehrheiten 248 . Während zwei Satzungen eine Mehrheit von 51% aller Stimmberechtigen vorsehen 249, fordern die übrigen Satzungen Zweidrittelmehrheiten. Unterschiedliche Anforderungen bestehen hinsichtlich der Qualifizierung der Zweidrittelmehrheiten. Mal müssen zwei Drittel aller stimmberechtigten Mitglieder 2 5 0 , mal zwei Drittel von mindestens 50% der stimmberechtigten Mitglieder , mendingen; § 8 Abs. 1 i.V.m. § 12 a Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 8 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 9 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 246

§ 11 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. § 12 a Abs. 4 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. 248 § 14 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 13 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 14 Abs. 1 Satz 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 9 Nr. 4 Satz 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V.; § 12 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 13 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 15 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 14 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 15 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim; § 13 Abs. 1 Satz 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 249 § 14 Abs. 1 Satz 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 13 Abs. 1 Satz 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 250 § 13 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg; § 13 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; § 15 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 15 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 247

13 Nolte

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

mal nur zwei Drittel der anwesenden stimmberechtigen Mitglieder 252 der Satzungsänderung zustimmen. Wird die qualifizierte Beschlussfähigkeit nicht erreicht oder die qualifizierte Mehrheit für eine Satzungsänderung verfehlt, sehen die Satzungen verschiedene Verfahrensweisen vor. In Freiburg wird eine neue Versammlung sofort nach der ersten einberufen, in der dann die Mehrheit der anwesenden Mitglieder für eine Satzungsänderung ausreicht 253. In Emmendingen254, Konstanz 255 und Mannheim 256 besteht immerhin die Möglichkeit, die neue Versammlung direkt im Anschluss an die nicht beschlussfähige Mitgliederversammlung einzuberufen, wobei, anders als in Freiburg, mindestens ein Viertel 257 beziehungsweise ein Drittel 2 5 8 der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sein müssen. In Lörrach (K.d.ö.R.) und Mannheim genügt es, wenn auf der zweiten Versammlung - ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen - zwei Drittel der Anwesenden für eine Satzungsänderung stimmen Auch an dieser Stelle 260 ist zu fragen, ob eine unmittelbar nach der ersten beschlussunfähigen einberufene zweite Versammlung nicht den Sinn und Zweck der Mindestanwesenheit für die Beschlussfähigkeit ad absurdum führt. Schon die bei „normalen" Mitgliederversammlungen geltenden Anforderungen an die Beschlussfähigkeit machen nur dann einen Sinn, wenn durch sie sichergestellt werden soll, dass über wesentliche Belange möglichst viele Gemeindeglieder abstimmen. Wenn dies für „normale" Mitgliederversammlungen gilt, muss dies für solche Mitgliedersammlungen erst recht gelten, in denen die Satzung geändert werden soll. Vor diesem Hintergrund verwundert besonders die Freiburger Regelung. Wie oben bereits erwähnt, sieht die Freiburger Satzung für „normale" Mitgliederversammlungen keine Mindestanwesenheit stimmberechtigter Mitglieder vor. Da dadurch die „normalen" Mitgliederversammlungen unabhängig von den erschiene-

251 § 14 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 12 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg. 252 § 14 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 253 § 13 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 254 § 14 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen sieht vor, dass die neue Versammlung entweder sofort nach Beendigung der ersten oder innerhalb einer Woche einberufen werden muss. 255

§ 15 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz bestimmt, dass die neue Versammlung bald - gegebenenfalls am gleichen Tag - einberufen werden muss. 256 § 15 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim spricht davon, dass die neue Versammlung nach einer halben Stunde vom Versammlungsleiter einberufen werden kann. 257 § 14 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen. 258 § 15 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz. 259 § 14 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 15 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 260 Vgl. bereits oben unter: Viertes Kapitel, Α., II., 5., a), dd).

Α. Baden

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nen Mitgliedern beschlussfähig sind, ist es zunächst konsequent, für Satzungsänderungen doch noch eine Mindestanwesenheit vorzusehen 261. Wenn nun aber diese Mindestanwesenheit in der unmittelbar nach der ersten beschlussunfähigen Mitgliederversammlung stattfindenden Versammlung nicht mehr nötig ist, sondern nunmehr die einfache Mehrheit der Anwesenden genügt, können in Freiburg doch einige wenige Mitglieder Satzungsänderungen beschließen. Von dem ursprünglichen konsequenten Gedanken, dass wenigstens Satzungsänderungen von so vielen Mitgliedern wie möglich mitbeschlossen werden sollten, bleibt somit nichts übrig. Nur drei Satzungen schreiben ausdrücklich vor, dass die vorgesehenen Satzungsänderungen in einer zwei 2 6 2 beziehungsweise drei Wochen 263 vor der Mitgliederversammlung zu verschickenden Einladung ausdrücklich bezeichnet werden müssen. Vier Satzungen kennen bei Stimmengleichheit einen Stichentscheid durch die Stimme des ersten Vorsitzenden der Gemeinde 264 beziehungsweise durch die Stimme des Versammlungs Vorsitzenden 265. Eine Besonderheit weist die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. auf. Gemäß § 9 Nr. 4 Satz 5 kann der Vereinszweck nur mit Zustimmung aller anwesenden Mitglieder einer ordnungsgemäß einberufenen Mitgliederversammlung erfolgen. Die neue Zweckbestimmung ist mit einer Frist von vier Wochen jedem Vereinsmitglied bekannt zu geben. Die Mitglieder haben die Möglichkeit innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen Änderungsvorschläge einzureichen. Erfolgt keine ablehnende Zuschrift, wird die Zustimmung zum Änderungsvorschlag der vorausgegangenen Mitgliederversammlung angenommen. Mit diesem, unter den Satzungen der badischen Gemeinden einmaligen Einstimmigkeitsprinzip bei Änderungen des Gemeindezwecks ist sichergestellt, dass die Kernbereiche des gemeindlichen Lebens an keinem Mitglied vorbei geändert werden können. Bemerkenswerterweise hat nicht einmal die Satzung der als Körperschaft organisierten Jüdischen Gemeinde Emmendingen, die mittlerweile die direkte Nachfolgerin des Vereins geworden ist, dieses Einstimmigkeitsprinzip übernommen.

261

§ 13 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. § 14 Abs. 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 13 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 263 § 14 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. 264 § 14 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 14 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 13 Abs. 3 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 265 § 13 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 262

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

1

10. Auflösungsbestimmungen a) Auflösungsvoraussetzungen Die Gemeinde in Baden-Baden hat hinsichtlich ihrer Auflösung dieselben Bestimmungen wie für eine Satzungsänderung getroffen 266 . Ähnliches gilt für die körperschaftlich organisierten Gemeinden in Emmendingen, Lörrach und Pforzheim. Die Gemeinden können nur aufgelöst werden, wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller stimmberechtigten Mitglieder erreicht wird 2 6 7 . Für den Fall, dass eine solche Mehrheit nicht zustande kommen sollte, ist ebenso wie bei einer gescheiterten Satzungsänderung zu verfahren 268. Für die Auflösung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. bedarf es nur einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen, also keiner qualifizierten Mehrheit. Aus der zwei Wochen zuvor verschickten schriftlichen Einladung muss jedoch ausdrücklich hervorgehen, dass über die Auflösung des Vereins beschlossen werden soll 2 6 9 . Falls die Mitgliederversammlung nichts anderes beschließt, sind der Vorsitzende und die stellvertretenden Vorsitzenden gemeinsam vertretungsberechtigte Liquidatoren Während die genannten Satzungen ausschließlich formelle Vorgaben für eine Gemeindeauflösung machen, enthalten die Karlsruher und die Mannheimer Satzung einen fast wortgleichen „Auflösungsautomatismus". Sobald der Gemeinde in Karlsruhe oder Mannheim weniger als zehn volljährige männliche Mitglieder angehören, löst sich die Gemeinde von selbst auf 2 7 1 . Die Mitgliederversammlungen der beiden Gemeinden können daran nur etwas ändern, wenn sie die Satzung entsprechend neufassen. Die Satzungen der Gemeinden in Freiburg, Heidelberg und Karlsruhe enthalten keine Bestimmungen über eine eventuelle Auflösung der Gemeinden.

b) Verteilung des Vermögens Da sich die Konstanzer und Mannheimer Gemeinde von selbst auflöst, wenn ihr weniger als zehn volljährige männliche Mitglieder angehören, entscheidet nicht et266 § 14 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. 267 § 14 Abs. 1 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; § 14 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach; § 13 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 2 68 Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., II., 9. 269

§ 11 Abs. lund 2 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. § 11 Abs. 3 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. 271 § 14 Abs. 1 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz; § 14 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 270

Α. Baden

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wa die Mitgliederversammlung über die Verwendung des Vermögens, sondern die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 272 . Im Falle einer Auflösung der Gemeinden in Baden-Baden und Pforzheim fällt das Vermögen an die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens, soweit nicht die Mitglieder etwas anderes bestimmt haben 273 . Die Satzungen der Jüdischen Gemeinde Emmendingen K.d.ö.R. und der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. bestimmen, dass das bei einer Auflösung vorhandene Vermögen einer jüdischen Stiftung zugute kommen soll 2 7 4 . Einen Sonderfall stellt die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. dar. Da diese Gemeinde nur übergangsweise als Verein organisiert war, ist das Vermögen nach der Auflösung des Vereins der öffentlich-rechtlich organisierten Jüdischen Gemeinde Emmendingen zugefallen 275 . Die Satzung der körperschaftlich organisierten Gemeinde in Lörrach bestimmt, dass bei Auflösung das Vermögen zwingend an die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden fällt, bei einer Neugründung jedoch wieder zurückzugeben ist 2 7 6 .

11. In-Kraft-Treten /Genehmigung der Satzung durch das Kultusministerium Über das In-Kraft-Treten äußern sich alle Satzungen nur ungenau. Sowohl in Baden-Baden277 als auch in Freiburg 278 trat die Satzung mit der Genehmigung durch das Ministerium für Kultus und Sport in Kraft. Zwar sind die Satzungen mit einer Orts- und Datumsangabe versehen 279, ob dieser Zeitpunkt jedoch den Tag der Genehmigung und damit den Tag des In-Kraft-Tretens meint oder ob der Tag der Annahme der Satzung durch die satzungsgebende Versammlung festgehalten wurde, bleibt unklar. Zwar ist es einer Religionsgemeinschaft unbenommen, das In-Kraft-Treten der eigenen Satzung von einer ministeriellen Genehmigung abhängig zu machen, dennoch bedarf es einer solchen ausdrücklichen Genehmigung durch das Kultusministerium nicht. Nur hinsichtlich der Bestimmungen über die rechtsgeschäftliche Vertretung kann die Satzung erst in Kraft treten, wenn das Kul272 § 14 Abs. 2 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz, soweit das Vermögen nicht in einen Fond der IRG Badens eingebracht wird; § 14 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim. 273 § 14 Abs. 4 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden; § 13 Abs. 4 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 274 § 14 Abs. 4 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen; §§ 11, 12 Satzung der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. 275 § 2 Abs. 5 Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V., alternativ hätte das Vermögen auch an eine andere jüdische öffentlich-rechtliche Institution fallen können. 276 § 14 Abs. 4 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach. 277 § 16 Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden. 278 § 14 Satzung der Israelitischen Gemeinde Freiburg. 279 Baden-Baden, den 5. Juli 1992; 7800 Freiburg, den 30. Oktober 1988.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

tusministerium nicht innerhalb eines Monats nach Eingang einer entsprechenden Mitteilung widerspricht 280 . Die Satzungen der Karlsruher und Pforzheimer Gemeinden nennen zwar die Daten des Schriftwechsels mit dem Kultusministerium 281 , schweigen jedoch darüber, ob mit der Mitteilung, dass hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Vertretung keine Bedenken bestehen, auch die ganze Satzung in Kraft treten sollte. Die Konstanzer Satzung ist einfach nur unterschrieben mit: „Konstanz, den 5. August 1988". Gleiches trifft für die körperschaftlich organisierte Gemeinde in Lörrach zu („Lörrach, den 03. 12. 1997"). Ob diese Datumsangaben auch den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens angeben, bleibt unklar. Auch ein Vergleich mit der Lörracher Vereinssatzung, die ebenfalls nur mit: „Lörrach, am 11. August 1996" unterschrieben ist, bringt keinen Aufschluss. Aus dem Vorspruch ergibt sich, dass die Lörracher Vereinssatzung am 12. Dezember 1995 angenommen wurde und am 24. Januar 1996 notariell beglaubigt wurde. Wofür das Datum „11. August 1996" am Ende der Lörracher Satzung steht, bleibt unklar. Genauso unbestimmt bleiben die Satzungen der Heidelberger und der Mannheimer Gemeinde. Sie enthalten zwar den Hinweis, dass die Satzung am Tage nach ihrer Annahme in Kraft tritt 2 8 2 , verschweigen aber den Tag der Annahme. Auch in diesem Zusammenhang nimmt die Emmendinger Gemeinde eine Sonderrolle ein. Die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen ist unterschrieben mit: „Emmendingen, den 12. Februar 1995". Infolge eines schwierigen Annäherungsprozesses zwischen der neu gegründeten Gemeinde in Emmendingen und dem Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens konnte die Satzung vom Februar 1995 nicht in Kraft treten. Sie sieht die Neugründung als öffentlichrechtlich organisierte Untergemeinde der IRG Badens vor. Da der Körperschaftsstatus nicht von der übergeordneten Religionsgemeinschaft, sondern gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 des Kirchensteuergesetzes vom Kultusministerium verliehen wird, dies aber nicht gegen den Willen der einheitlichen Religionsgemeinschaft erfolgen kann, konnte die Satzung vom Februar 1995 nicht in Kraft treten. Stattdessen organisierte sich die neu gegründete Emmendinger Gemeinde als eingetragener Verein. Die Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen e.V. hält am Ende fest, dass die „vorstehende Satzung am 19. November 1995 angenommen" wurde. Klarer äußert sich auch diese Satzung nicht über den genauen Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens.

280 § 25 Abs. 2 KiStG. 281 18. März 1988 hinsichtlich der Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe; 18. Juli 1994 hinsichtlich der Satzung der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim. 282 § 13 Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg; § 16 Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim.

Α. Baden

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I I I . Innerreligionsgemeinschaftliche Gerichtsbarkeit Das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland 1. Kompetenz zur Einrichtung innerreligionsgemeinschaftlicher Gerichtsbarkeit Die Kompetenz zur Einrichtung innerreligionsgemeinschaftlicher Gerichtsbarkeit ergibt sich unbestritten aus dem in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrecht283. Dagegen ist das Verhältnis der innerreligionsgemeinschaftlichen zur staatlichen Gerichtsbarkeit weitgehend umstritten 284 . In Baden haben weder die einzelnen Gemeinden noch die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens von der Kompetenz Gebrauch gemacht, eine eigene Gerichtsbarkeit zu errichten. Damit stellt das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland für badische Belange die einzige innerreligionsgemeinschaftliche Gerichtsbarkeit dar.

2. Rechtsgrundlagen des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland In § 15 der Satzung des Zentralrates der Juden in Deutschland wird bestimmt, dass unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht eingerichtet wird. Während, dem Wesentlichkeitsprinzip folgend, in § 15 der Satzung die Zuständigkeiten285 und die Besetzung286 des Gerichts festgelegt werden, bleibt die genaue Regelung der Verfahrensordnung der Schiedsgerichtsordnung vorbehal-

3. Zuständigkeit des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland für Baden Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland für Baden ergibt sich aus § 15 Abs. 1 283 Statt vieler: Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 166 m. w. N. auch mit Hinweisen auf die Bundesverfassungsrechtsprechung; Rüfner, Zuständigkeit der staatlichen Gerichte, in: HdbStKirchR II, S. 1109; Stern, Das Staatsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, § 43 III 3 c. 284 Vgl. Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 166 m. w. N. 285 § 15 Abs. 1 Satzung des Zentralrats der Juden in Deutschland (der volle Wortlaut ist im Anhang dieser Arbeit wiedergegeben.) 286 § 15 Abs. 3 - 6 Satzung des Zentralrats der Juden in Deutschland 287 § 15 Abs. 7 Satzung des Zentralrats der Juden in Deutschland

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

i.V.m. § 3 der Satzung des Zentralrats. In § 15 Abs. 1 b), c) der Satzung wird die Zuständigkeit des Schieds- und Verwaltungsgerichts bei Streitigkeiten zwischen dem Zentralrat und seinen Mitgliedern sowie bei anderen satzungsrechtlichen Streitigkeiten begründet, sofern hierfür nicht die Zuständigkeit eines bei einem Mitglied des Zentralrates oder einem Mitglied eines Mitglieds des Zentralrats eingerichteten Schiedsgerichts begründet ist. Gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung des Zentralrats ist die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens Mitglied des Zentralrates. Fraglich ist, ob auch die einzelnen badischen Gemeinden der Rechtsprechungsgewalt des Schiedsgerichts unterworfen sind. Zwar wird in § 15 Abs. 1 c) und e) der Satzung des Zentralrates eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts für satzungsrechtliche und andere Streitigkeiten begründet, wenn beim Mitglied des Zentralrats oder bei einem Mitglied eines Mitglieds des Zentralrats kein anderes Schiedsgericht zuständig ist. Wie jedoch bereits oben 288 ausführlich dargestellt wurde, besteht in Baden im Vergleich zu den Landesverbänden anderer Bundesländer eine besondere Situation. Nicht die einzelnen Gemeinden sind Mitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, sondern, da sich die IRG Badens als eine einheitliche Religionsgemeinschaft versteht, die Gläubigen selbst. Die Gemeinden sind gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung von 1999 „Untergliederungen der Religionsgemeinschaft". Es ist offensichtlich, dass § 15 Abs. 1 c) der Satzung des Zentralrates von der sonst üblichen Organisationsstruktur weitgehend unabhängiger Gemeinden ausgeht, die sich als Mitglieder in Landesverbänden (Interessenverbänden) zusammengeschlossen haben. § 15 Abs. 1 c) der Satzung des Zentralrats könnte auf die badischen Gemeinden jedoch analog angewandt werden. Eine planwidrige Regelungslücke besteht schon deshalb, weil bei der Formulierung des § 15 Abs. 1 c) der Satzung des Zentralrats die badischen Verhältnisse zwar mitgemeint wurden 289 , die besondere rechtliche Organisationsstruktur jedoch übersehen wurde. Der Versuch, über eine Auslegung die Rechtsprechungsgewalt des Schiedsgerichts auch für die badischen Gemeinden auszuweiten, scheitert am insofern eindeutigen Gesetzestext. Damit ist § 15 Abs. 1 c) und e) der Satzung des Zentralrats analog anzuwenden. Obgleich es sich bei den badischen Gemeinden nicht um „Mitglieder" der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens handelt, ist das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland auch für satzungsrechtliche und andere Streitigkeiten badischer Gemeinden örtlich und sachlich zuständig. Eine eventuelle örtliche Zuständigkeit einer ausländischen israelitischen Gerichtsbarkeit ist demnach ausgeschlossen290. 288 Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 1. 289

Vgl. § 3 Satzung des Zentralrates Das Landgericht Halle/Saale hatte sich bereits mit dem Problem einer eventuellen Zuständigkeit ausländischer Rabbinatsgerichte zu befassen. Vgl. Verfahren Gesch.-Nr. 8 Ο 210/97. 290

Α. Baden

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Infolgedessen bedarf es für Rechtsstreitigkeiten, bei denen badische Gemeinden als Parteien auftreten, keiner Unterwerfungserklärung gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung des Zentralrats. Anderes gilt nur für den Fall, dass eine bislang allem Anschein nach (noch) nicht bestehende badische Gemeinde vor dem Schiedsgericht auftritt, die sich selbst als von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens unabhängig versteht 291 .

4. Besetzung des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland /Geschäftsverteilung Das Schiedsgericht besteht aus fünf Mitgliedern, wovon drei die Befähigung zum Richteramt haben oder „Lehrer des Rechts" an einer Hochschule sein müssen. Ein Mitglied muss der deutschen Rabbinerkonferenz angehören 292. Die allesamt ehrenamtlich tätigen 293 Richter des Gerichts werden von der Ratsversammlung des Zentralrates der Juden in Deutschland mit einfacher Mehrheit für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Wahlvorschläge können von den Delegierten der Ratsversammlung, vom Direktorium, vom Präsidium und von der Rabbinatskonferenz eingebracht werden 294 . Das aus den fünf gewählten Richtern bestehende Gericht wählt wiederum aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden 295. Nach der Inkompatibilitäsvorschrift des § 15 Abs. 5 der Satzung des Zentralrats können Mitglieder des Direktoriums oder Präsidiums nicht dem Schiedsgericht angehören. Sobald ein Mitglied des Schiedsgerichts in das Direktorium oder Präsidium des Zentralrates der Juden in Deutschland gewählt wird, scheidet er kraft Satzungsrechts aus dem Gericht aus. Für den Fall, dass ein Richter ausscheidet, erfolgt in der nächsten Ratsversammlung eine Neuwahl für den Rest der Amtszeit 296 . Rechtsstreitigkeiten müssen von jeweils mindestens drei Schiedsrichtern entschieden werden, wobei die Geschäftsverteilung dem Vorsitzenden des Gerichts oder, bei dessen Verhinderung, seinem Stellvertreter obliegt 297 .

291 292

Zu diesem Problemkreis vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Α., I., 2., d). § 15 Abs. 3 Satzung des Zentralrats.

293

Vgl. Präambel der Kostenordnung des Schiedsgerichts. § 15 Abs. 4 Satzung des Zentralrats. 295 § 2 Schiedsordnung. 29 6 § 15 Abs. 6 Satzung des Zentralrats. 294

297

§ 3 Schiedsordnung.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

5. Verfahren vor dem Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland a) Verfahrensordnung Für das Schiedsverfahren gelten neben den speziellen Bestimmungen der Schiedsordnung die einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung. Das Gericht hat jedoch bei satzungsrechtlichen Streitigkeiten auch die Möglichkeit, nach Grundsätzen der VwGO zu verfahren. Es entscheidet unter Beachtung religionsrechtlicher Vorschriften nach deutschem Recht 298 . Vor dem in deutscher Sprache zu verhandelnden Schiedsgericht besteht kein Anwaltszwang 299 .

b) Verfahrensverlauf Anträge auf Einleitung des Schiedsverfahrens und Schriftsätze müssen dem Gericht in sechsfacher Ausfertigung zugeleitet werden. Ein solcher Antrag auf Einleitung des Verfahrens muss die Parteien genau bezeichnen, eine bestimmte Angabe des Entscheidungsgegenstandes und einen bestimmten Antrag enthalten 300 . Nachdem der Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens bei Gericht eingegangen ist, prüft das Gericht zunächst summarisch seine Zuständigkeit. Dann wird der Antrag dem Antragsgegner mit der Aufforderung zugeleitet, binnen einer vom Gericht gesetzten Frist schriftlich zu dem Antrag und seiner Begründung Stellung zu nehmen. Für den Fall, dass das Verfahren nur mit Zustimmung einer Partei durchgeführt werden kann, soll diese im jetzigen Verfahrensstadium ebenfalls eingeholt werden 301 . Gemäß § 7 der Schiedsordnung sind sämtliche, das Verfahren betreffende Verfügungen des Gerichts den Parteien schriftlich zuzustellen. Werden die Parteien anwaltlich vertreten, hat die Zustellung an die anwaltlichen Bevollmächtigten zu erfolgen. Vor dem Schiedsgericht wird in der Regel mündlich verhandelt, wozu mit einer Frist von mindestens zwei Wochen zu laden ist. Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung sollen nur erfolgen, wenn die Parteien einer solchen Entscheidung zugestimmt haben oder wenn das Gericht eine mündliche Verhandlung einstimmig für entbehrlich hält und zu der Überzeugung gelangt ist, dass weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist 3 0 2 . Mündliche Verhandlungen über satzungsrechtliche Streitfragen 303 sind grundsätzlich für Angehörige der jüdischen Gemeinschaft öf298 § 14 Schiedsordnung. 299

§ 4 Schiedsordnung. 300 §5 Schiedsordnung.

301 302

§ 6 Schiedsordnung. § 8 a) und b) Schiedsordnung.

Α. Baden

fentlich. Wenn es zur sachgemäßen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist, kann das Gericht eine nichtöffentliche Verhandlung anordnen. Verhandelt das Gericht über dienstrechtliche oder sonstige nichtsatzungsrechtliche Fragen 304 , bleibt die Öffentlichkeit grundsätzlich ausgeschlossen305. Die Richter haben gemäß § 18 der Schiedsordnung über das Verfahren und alle ihnen in Ausübung ihres Richteramtes bekanntgewordenen Tatsachen Verschwiegenheit gegenüber jedermann zu bewahren. Sie haben darüber hinaus auch die von ihnen zum Verfahren hinzugezogenen Personen zur Verschwiegenheit zu verpflichten 306 . Das Gericht hat darauf hinzuwirken, dass sich die Parteien Mäßigung gegenüber den Medien auferlegen 307 . Erscheint eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem von dem Gericht angesetzten Verhandlungstermin nicht und ist sie auch nicht vertreten, kann das Gericht dennoch verhandeln und entscheiden308. Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge werden zu Protokoll genommen, das den Verfahrensbeteiligten zugestellt wird 3 0 9 . Wenn es nicht gelingt, den Rechtsstreit mit einem Vergleich zu beenden, muss das Gericht in angemessener Frist nach Abschluss der mündlichen Verhandlung einen Schiedsspruch erlassen. Der Schiedsspruch wird, ebenso wie alle dem Schiedsspruch vorausgehenden Entscheidungen, mit Stimmenmehrheit gefasst 310. Er muss schriftlich abgefasst, begründet und von mindestens zwei Schiedsrichtern unterschrieben werden, die an der Entscheidung mitgewirkt haben 311 . Nachdem die Schiedssprüche den Parteien zugestellt worden sind, werden sie mit dem Nachweis der Zustellung in der Geschäftsstelle des Gerichts niedergelegt 312. Der Schiedsspruch ist gemäß § 16 der Schiedsordnung endgültig und hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Wenn, wie in Baden, keine eigene regionale Schiedsgerichtsbarkeit besteht, hat dies zur Konsequenz, dass keine Rechtsmittelinstanz angerufen werden kann.

303 Verfahren nach § 15 Abs. 1 a - c) Satzung des Zentralrats. 304 Verfahren nach § 15 Abs. 1 d) und e) Satzung des Zentralrats. 305 § 17 Schiedsordnung. 306 § 18 Schiedsordnung. 307 § 19 Schiedsordnung. 308 § 9 Schiedsordnung. 309 310 311 312

§ 10 Schiedsordnung. § 11 Schiedsordnung. § 12 Schiedsordnung. § 13 Schiedsordnung.

204

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

c) Kosten Das Gericht entscheidet gemäß § 15 der Satzung des Zentralrats über die Kostentragungspflicht und gegebenenfalls über die Kostenerstattungspflicht sowie über Kostenvorschüsse. Grundsätzlich hat die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Zur näheren Konkretisierung hat das Schiedsgericht am 31. Juli 1996 eine Kostenordnung erlassen. Danach sind alle satzungsrechtlichen Streitigkeiten, egal ob sie auf Zentralrats-, Landesverbands(beziehungsweise Ebene der IRG Badens) oder Gemeindeebene entstehen313, grundsätzlich kostenfrei 314 . Jedoch kann das Schiedsgericht die Einleitung des Verfahrens von einer vorherigen Zahlung einer Auslagenpauschale durch den Antragsteller abhängig machen. Der Mindestbetrag dieser Auslagenpauschale beträgt DM 300,-, der Höchstbetrag DM 3.000,-. Obligatorisch ist die Zahlung dieser Auslagenpauschale bei dienstrechtlichen und nichtsatzungsrechtlichen Streitigkeiten 3 1 5 . Darüber hinaus sind diese Art von Streitigkeiten gerichtskostenpflichtig 316. Der vom Antragsteller zu leistende Gerichtskostenvorschuss entspricht einer 5/10Gebühr gemäß § 11 BRAGO zuzüglich der vom Vorsitzenden festzulegenden Auslagenpauschale. Unabhängig davon, ob satzungsrechtliche oder nichtsatzungsrechtliche Fragen zu klären sind, müssen sämtliche Kosten und Auslagen für eine etwaige Beweisaufnahme, Zuziehung von Sachverständigen oder Ubersetzungskosten vom Antragsteller erstattet werden 317 . Nur in Streitigkeiten vermögensrechtlicher, nichtsatzungsrechtlicher A r t 3 1 8 können die Schiedsrichter neben dem Ersatz der baren Auslagen ein Sitzungsentgelt verlangen. Dieses entspricht je Schiedsrichter einer 20/10-Gebühr gemäß § 11 BRAGO aus dem Streitwert 319 .

313

Verfahren nach § 15 Abs. 1 a - c) Satzung des Zentralrats. § 1 Abs. 1 Kostenordnung des Schiedsgerichts. 315 Verfahren nach § 15 Abs. 1 d) und e) Satzung des Zentralrats; § 1 Abs. 2 Kostenordnung des Schiedsgerichts. 316 § 1 Abs. 3 Kostenordnung des Schiedsgerichts. 317 § 1 Abs. 4 Kostenordnung des Schiedsgerichts. 318 § 15 Abs. 1 e) Satzung des Zentralrats. 319 § 2 Kostenordnung des Schiedsgerichts. 314

Β. Kanton Basel-Stadt

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Β. Kanton Basel-Stadt I. Die Israelitische Gemeinde Basel 1. Zugehörigkeit a) Begründung der Mitgliedschaft aa) Allgemein Gemäß § 3 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel ist jeder Kantonseinwohner, der nach jüdischem Religionsgesetz als Jude gilt, Mitglied in der Israelitischen Gemeinde Basel. § 3 Abs. 1 der Statuten 320 greift damit die Bestimmung des § 19 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz der Kantonsverfassung auf, wonach jeder Kantonseinwohner der Kirche seiner Konfession angehört, wenn er die in deren Verfassung genannten Erfordernisse erfüllt. Um der Israelitischen Gemeinde Basel zuzugehören, muss das Mitglied nach § 3 Abs. 1 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel zum einen seinen Wohnsitz im Territorium des Kantons Basel-Stadt haben und zum anderen als Jude gemäß des jüdischen Religionsgesetzes gelten. Ob diese Voraussetzungen nach dem jüdischen Religionsgesetz vorliegen, wird vor allem bei zuziehenden Kantonseinwohnern in Zweifelsfällen durch das Rabbinat geprüft 321 .

bb) Begründung der Mitgliedschaft bisheriger Mitglieder in der Israelitischen Gemeinde mit Körperschaftsstatus Problematisch erscheint die Mitgliedschaft all jener Kantonseinwohner, die bereits vor der Errichtung der Israelitischen Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft am 21. Juni 1973 Mitglieder der privatrechtlich organisierten Gemeinde waren. Einerseits sieht die Übergangsbestimmung Nr. 2 der Statuten von 1975 322 vor, dass Mitglied der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wird, wer zur Zeit des 320 Ist im Folgenden nur von „Statuten" die Rede, sind regelmäßig die Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel gemeint. 321 § 95 Abs. 4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel bestimmt zunächst lediglich, dass in religiösen Fragen der Rabbiner eine Entscheidung nach den Normen des codifizierten Religionsgesetzes zu treffen habe. Im Bericht und Antrag des Vorstandes (der Israelitischen Gemeinde Basel) betreffend Revision der Statuten, S. 2 heißt es aber ergänzend: „Da in § 3 bezüglich der Mitgliedschaft ausdrücklich auf das jüdische Religionsgesetz verwiesen wird, handelt es sich bei der Frage, wer als Jude gilt und daher die Mitgliedschaft in der Israelitischen Gemeinde beanspruchen kann, um eine religiöse Entscheidung, die dem Rabbinat vorbehalten ist." 322 Wortlaut siehe oben unter: Drittes Kapitel, Β., I.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

In-Kraft-Tretens der Statuten am 1. Januar 1975 Mitglied der Gemeinde ist. Andererseits wurde oben festgestellt, dass die Israelitische Gemeinde bereits seit dem 21. Juni 1973 eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil es für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften kennzeichnend ist, dass sie aus Mitgliedern bestehen, die bei der Erfüllung der wahrzunehmenden Aufgaben mitwirken 323 . Für die Zeit von Juni 1973 bis Januar 1975 ist daher auch keine Israelitische Gemeinde in der Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts ohne Mitglieder denkbar, zu der die Mitglieder gewissermaßen erst im Juni 1975 „hinzustoßen". Denkbar wäre es, für die Zeit von Juni 1973 bis Januar 1975 die Entstehung einer Anstalt öffentlichen Rechts anzunehmen, da eine Anstalt im Gegensatz zur Körperschaft für ihre Entstehung nicht auf Mitwirkungsakte der Mitglieder angewiesen ist. Dagegen spricht aber, wie oben bereits ausgeführt wurde 324 , dass der Kanton von Anfang an die Israelitische Gemeinde bei der Umgestaltung ihrer Rechtsform mitbeteiligt hatte. Daher muss die Übergangsbestimmung Nr. 2 der Statuten dahingehend korrigierend ausgelegt werden, dass alle Mitglieder der ehemals privatrechtlich organisierten Israelitischen Gemeinde nunmehr übergangslos Mitglieder einer öffentlichrechtlichen Körperschaft sui generis geworden sind. Dieser „Mitgliederübertrag" ist rechtstatsächlich bereits am 21. Juni 1973 und nicht erst, wie unter Nr. 2 der Ubergangsvorschriften der Statuten vorgesehen, am 1. Januar 1975 erfolgt. Ende 1998 zählte die Israelitische Gemeinde Basel 1593 Mitglieder.

cc) Begründung der Mitgliedschaft der Ehefrauen und Minderjährigen in der Israelitischen Gemeinde mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus § 7 der Statuten der privatrechtlich organisierten Israelitischen Gemeinde Basel lautete: „Eine Ehefrau kann nicht gleichzeitig mit ihrem Ehemann Mitglied sein." 325

Nach der Übergangsbestimmung Nr. 2 der Statuten der Israelitischen Gemeinde mit Körperschaftsstatus sollten die Ehefrauen und die minderjährigen Kinder gleichzeitig mit dem Ehemann Gemeindemitglieder werden, wenn sie nach dem jüdischen Religionsgesetz als Juden galten 326 . „Gleichzeitig" mit ihren Ehemännern ist schon deshalb problematisch, weil die Ehemänner, wie oben festgestellt, bereits am 21. Juni 1973 Mitglieder der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wur323 324 325 326

oben.

Häfelin/G. Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Rdnr. 1020. Vgl. oben unter: Drittes Kapitel, Β., I. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, 1968. Wortlaut der Übergangsvorschriften Nr. 2 Statut der Israelitischen Gemeinde siehe

Β. Kanton Basel-Stadt

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den, die neuen Statuten, die die Vollmitgliedschaft für Ehefrauen vorsehen, aber erst am 1. Januar 1975 in Kraft traten. Der Vorstand stellte in seinem Bericht und Antrag betreffend der Revision der Statuten fest, dass zwar das passive Wahlrecht der Frauen hinsichtlich der Gemeindeleitungsämter beschnitten bliebe, es aber mit § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung kaum vereinbar wäre, verheiratete Frauen nicht als Vollmitglieder zu behandeln327. Gemäß § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung gehört jeder Kantonseinwohner der Kirche seiner Konfession an, wenn er die in deren Verfassung genannten Erfordernisse erfüllt. Fraglich ist, ob das Selbstbestimmungsrecht, mittels dessen die Israelitische Gemeinde Basel bestimmen kann, wer bei ihr Mitglied werden kann, unbeschränkt gewährleistet ist oder ob es nicht in einer möglichen Grundrechtsbindung der Gemeinde selbst eine Schranke vorfindet. Mit anderen Worten ist zu fragen, ob die Israelitische Gemeinde Basel, wenn sie nicht von sich aus die Mitgliedschaft für Ehefrauen ermöglicht hätte, nach der Anerkennung 328 durch den Staat dazu hätte gezwungen werden können, die Ehefrauen mitaufzunehmen. Anders als in Deutschland ist dabei auch an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass den Kantonen die Kirchenhoheit zusteht und deshalb für die Schweiz die Ansicht vertreten wird, dass die Kantone die Kirchen auch über das Ausmaß der mit den „privilegia favorabilia" der öffentlichen Anerkennung direkt verbundenen Grundrechtsbindungen 329 hinaus auf demokratisch-rechtsstaatliche Organisationsformen, auf den „Schutz kirchlicher Minderheiten" und sogar auf Bekenntnisoffenheit verpflichten könnten 330 . Die öffentlich-rechtliche Anerkennung bedeutet für die Religionsgemeinschaft somit auch eine Beschränkung der korporativen Grundrechtspositionen33 1 . Problematisch ist, wie weit die öffentlich-rechtliche Anerkennung eine Religionsgemeinschaft in ihrem Selbstbestimmungsrecht beschränken kann und in welcher Intensität eine Grundrechtsbindung entsteht. Diese Frage lässt sich mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur für den Einzelfall beantworten. Hier sind konkret das Selbstorganisationsrecht und die grundrechtlich gewährleistete Rechtsgleichheit der Geschlechter im Rahmen der „praktischen Konkordanz" einem Ausgleich zuzuführen 332. 327

Bericht und Antrag des Vorstandes (der Israelitischen Gemeinde Basel) betreffend Revision der Statuten, S. 5. 328 Vor der Anerkennung, also bei privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften, ist eine Grundrechtsbindung durch den Staat, abgesehen von der allgemeinen Drittwirkung, grundsätzlich abzulehnen. Sie kommt jedoch schon dann wieder in Betracht, wenn Institutionen privatrechtlicher Religionsgemeinschaften staatlich subventioniert werden. F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 312 m. w. N. 329 330 331

So v.a. Grundrechtsbindung aufgrund des Besteuerungsrechts. F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 335 f. Vgl. F. Hafner, Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 237.

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4

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Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Kein Rechtsgut darf danach zugunsten eines anderen stärker als unbedingt erforderlich eingeschränkt werden; beide sollen zu möglichst optimaler Entfaltung gelangen. Ein solcher Ausgleich ist im vorliegenden Fall jedoch nicht herzustellen: Entweder wird das Selbstbestimmungsrecht dem Gleichheitsgrundsatz untergeordnet und die Gemeinde verpflichtet auch Ehefrauen aufzunehmen oder der Gleichheitsgrundsatz tritt hinter das Selbstbestimmungsrecht zurück und die Gemeinde kann nicht gezwungen werden, Ehefrauen als Mitglieder aufzunehmen. In solchen Fällen kommt man nicht umhin, eine Hierarchie der konkurrierenden Güter auszumachen. Für diese Güterabwägung ist aufgrund der kantonalen Kirchenhoheit der Maßstab des kantonalen Verfassungsgebers heranzuziehen. Bei den Beratungen über die Anerkennung der Israelitischen Gemeinde Basel als öffentlich-rechtliche Körperschaft wurde der Gemeinde ausdrücklich vom Kanton bescheinigt, dass ihr hinsichtlich der Aufnahme von Mitgliedern das Selbstbestimmungsrecht gemäß § 19 Abs. 3 der Kantonsverfassung zugestanden werde 333 . Mit diesem durch den Kanton als Träger der Kirchenhoheit bestimmten Maßstab für eine Güterabwägung ist dem Selbstbestimmungsrecht gegenüber dem Gleichheitssatz der Vorrang einzuräumen. Obwohl die Israelitische Gemeinde durch die staatliche Verleihung des Körperschaftsstatus „näher an den Staat herangerückt" ist, kann sie auch weiterhin die Voraussetzungen der Mitgliedschaft selbst festlegen. Der Kanton hat lediglich in positiver Hinsicht „festgesetzt, dass jeder Kantonseinwohner, der die Erfordernisse, die von der Kirche (resp. Religionsgemeinschaft 334 ) seiner Konfession (resp. seines Glaubens335) für die Mitgliedschaft aufgestellt werden, erfüllt und nicht schriftlich seinen Austritt erklärt, als Angehöriger der betreffenden Religionsgemeinschaft gilt 3 3 6 . Es wäre also durchaus denkbar gewesen, verheiratete Frauen auch nach der Anerkennung nicht in die mit Körperschaftsstatus ausgestattete Israelitische Gemein332

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 72, 317 ff.; F. Hafner/Buser, Frauenordination via Gleichstellungsgesetz?, in AJP/PJA 1996, S. 1209; Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 242. 333 Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 10: „Die Zugehörigkeit der baselstädtischen Kantonseinwohner zu einer bestimmten Konfession soll sich nach den Erfordernissen richten, welche die verschiedenen Religionsverbände in ihren Verfassungen für die Kirchenmitgliedschaft aufstellen. Das bedeutet, dass die Religionsgemeinschaften die Voraussetzungen, Bedingungen und Auflagen ihrer Kirchenmitgliedschaft selbst aufstellen können. Nur negativ - hinsichtlich der staatlichen Zulässigkeit der Inanspruchnahme einer Person als Konfessionsangehöriger - wirkt der Staat auf das Zugehörigkeitsverhältnis ein, indem er fordert, dass die Mitgliedschaft in religiösen Verbänden nur auf Freiwilligkeit beruhe ( . . . ) . Es besteht also weder ein Beitrittsnoch ein Aufnahmezwang." 334

Anmerkung des Verfassers. Anmerkung des Verfassers. 336 Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung , Nr. 6897, S. 10. 335

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de neben ihren Ehemännern aufzunehmen. Dass der Vorstand aber gleichwohl unter nicht ganz zutreffender Berufung auf Art. 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung der Gemeindeversammlung angetragen hat, den bisherigen § 7 der „privatrechtlichen" Statuten337 zu streichen, deutet darauf hin, dass man sich gewissermaßen als Reaktion auf die neue staatliche Nähe doch stärker an die Verfassung binden wollte, als es erforderlich gewesen wäre 338 . Damit verzichtete die Israelitische Gemeinde Basel darauf, in dieser Frage von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch zu machen 339 Wenn nun der Rechtsformwechsel der Israelitischen Gemeinde als Auslöser für die Einführung des vollen Mitgliedschaftsrechts der Ehefrauen genommen wurde, so ist der Sprachgebrauch der „Gleichzeitigkeit" unter Nr. 2 der Übergangsvorschriften so auszulegen, dass die Ehefrauen gleichzeitig mit ihren Ehemännern mit Entstehung der Israelitischen Gemeinde als Körperschaft öffentlichen Rechts am 21. Juni 1973 Vollmitglieder geworden sind. Gleiches gilt für die ebenfalls genannten minderjährigen Kinder. Hinsichtlich der minderjährigen Kinder, die am 21. Juni 1973 bereits sechzehn Jahre alt waren, wirkte der Staat auf das Zugehörigkeitsverhältnis insoweit ein, als dass die Mitgliedschaft auch auf dem eigenen Willen des Minderjährigen beruhen musste 340 .

dd) Doppelmitgliedschaft bei den Mitgliedern der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel Da sich die Israelitische Gemeinde Basel als Einheitsgemeinde341 versteht und auch die Mitglieder der nach wie vor privatrechtlich organisierten Israelitischen Religionsgesellschaft die Mitgliedschaftsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 der Statuten erfüllen, sind zunächst einmal auch die Mitglieder der Israelitischen Religionsgesellschaft Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Basel. Diese Doppelmitglied337

§ 7 der „privatrechtlichen" Statuten lautete bis zum 31. Dezember 1974: „Eine Ehefrau kann nicht gleichzeitig mit ihrem Ehemann Mitglied sein."; vgl. auch oben. 338 Dies geht nicht zuletzt aus dem Bericht und Antrag des Vorstandes (der Israelitischen Gemeinde Basel) betreffend Revision der Statuten, S. 5 hervor, in dem es heißt: „Das neue Recht hat dem Vorstand die Gelegenheit gegeben, dem Wunsch eines großen Teils unserer Gemeinde nach Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts Rechnung zu tragen." 339 Vgl. auch F. Hafner/Buser, Frauenordination via Gleichstellungsgesetz?, in AJP/PJA 1996, S. 1211; F. Hafner, Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 237; Malacrida, Der Grundrechts verzieht, S. 110 f. 34 0 Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 8. 341 Vgl. § 1 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel: „Die Israelitische Gemeinde Basel erstrebt die Vereinigung aller Juden von Basel und Umgebung zur Wahrung ihrer jüdischen Interessen"; Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 55.

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schaft wird von beiden Gemeinden ermöglicht, da keine wechselseitigen Inkompatibilitätsvorschriften formuliert wurden. Andererseits erklären viele der Mitglieder in der Israelitischen Religionsgesellschaft von sich aus ihre Nichtzugehörigkeit zu der Israelitischen Gemeinde Basel 342 . Unter den 1593 Mitgliedern der Israelitischen Gemeinde Basel 343 befinden sich 28, die zugleich auch Mitglied der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel sind. In geringem Unfang bestehen auch Doppelmitgliedschaften zu israelitischen Gemeinden anderer Städte 344 .

ee) Begründung der Gemeindemitgliedschaft auswärtiger Juden Gemäß § 4 Abs. 1 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel können auch außerhalb des Kantonsgebiet wohnende Juden Mitglied in der Israelitischen Gemeinde Basel sein. Sie sind gegenüber den im Kanton lebenden Juden mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet. Allerdings haben sie laut § 4 Abs. 2 der Statuten keinen Anspruch auf die Mitgliedschaft. Dem Vorstand, der über einen Aufnahmeantrag zu entscheiden hat, steht ein Ermessensspielraum zu. Gegen einen ablehnenden Aufnahmeentscheid besteht keine Rekursmöglichkeit. Das ergibt sich aus § 57 der Statuten, da das Schiedsgericht, das die einzige in Frage kommende Rekursinstanz darstellen könnte, nur für Streitigkeiten zwischen Gemeindegliedern und der Gemeinde oder ihren Organen sowie für Streitigkeiten der Gemeindeglieder untereinander zuständig ist 3 4 5 . Bei der Ablehnung eines Mitgliedersuchens ist der Antragsteller noch nicht Mitglied. Das Recht der Israelitischen Gemeinde Basel, einen Mitgliedskandidaten eventuell nicht aufzunehmen, folgt aus dem ausdrücklich zugestandenen Selbstbestimmungsrecht gemäß § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung 346. Zwar hat gemäß Art. 15 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 jede Person das Recht, ihre Religion frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. Daraus kann der um Aufnahme nachsuchende Mitgliedskandidat jedoch keinen Anspruch auf Mitgliedschaft herleiten. Art. 15 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 richtet sich zuallererst an die staatliche Gewalt, die eine gewünschte Mitgliedschaft nicht verhindern darf. Wie bereits 342

Näheres dazu siehe unter: Viertes Kapitel, Β., I., 1., b), cc); Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 55. 343 Mitgliederstand 31.Dezember 1998; Stimmberechtigte inklusive Kinder. 344 Fünf Gemeindeglieder sind auch Mitglied der Züricher Israelitischen Gemeinde; ein Gemeindeglied gehört auch der Berner Gemeinde an; so der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 345

Generell zum Schiedsgericht siehe unter: Viertes Kapitel, Β., I., 8., a). Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung , Nr. 6897, S. 10. Dort wird im Zusammenhang mit der Kommentierung der Neuerungen des § 19 Abs. 4 Kantonsverfassung Basel-Stadt ausdrücklich betont, dass die Religionsgemeinschaften die Voraussetzungen, Bedingungen und Auflagen ihrer Kirchenmitgliedschaft selbst aufstellen können. 346

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oben 347 ausgeführt, hat der Kanton als Träger der Kirchenhoheit selbst der Israelitischen Gemeinde in Mitgliedschaftsangelegenheiten ein uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht eingeräumt. Dazu gehört auch, dass nur die Religionsgemeinschaft selbst authentisch entscheiden kann, ob die in der eigenen Verfassung aufgestellten Voraussetzungen, Bedingungen und Auflagen für eine Mitgliedschaft vorliegen. Auch wenn die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts grundsätzlich eine Beschränkung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts bedeutet, wurden bezüglich der Mitgliedschaftsverhältnisse vom Kanton als Träger der Kirchenhoheit ausdrücklich keine Beschränkungen vorgenommen.

b) Beendigung der Mitgliedschaft aa) Tod Die Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel endet durch den Tod des Gemeindegliedes, selbst wenn dieser Beendigungsgrund in den Statuten unerwähnt bleibt 348 .

bb) Austritt Die Zugehörigkeit zur Israelitischen Gemeinde Basel endet mit dem gemäß § 3 Abs. 2 der Statuten schriftlich zu erklärenden Austritt. Diese Erklärung ist gegenüber der Israelitischen Gemeinde Basel abzugeben. Mit der Regelung des Austritts in § 3 Abs. 2 der Statuten wird die Israelitische Gemeinde dem § 19 Abs. 4 Satz 2 der Kantonsverfassung gerecht, der staatlicherseits den jederzeitigen Austritt unter Einführung des Schriftformerfordernisses als Recht statuiert. Der Kanton hat damit seinerseits den Anforderungen von Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) Rechnung getragen, wonach niemand zur Teilnahme an einer Religionsgemeinschaft gezwungen werden darf.

cc) Erklärung der Nichtzugehörigkeit Der Unterschied zwischen Austritt und Erklärung der Nichtzugehörigkeit ergibt sich zum einen aus der Existenz zweier Israelitischer Gemeinden in Basel, zum anderen aus der Rechtsstellung der Israelitischen Gemeinde als Körperschaft des öf347 Viertes Kapitel, Β., I., 1., a), cc). 348 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 14*

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

fentlichen Rechts. Wie oben dargestellt 349, erfüllen auch die Mitglieder der Israelitischen Religionsgesellschaft die Mitgliedschaftsvoraussetzungen der Israelitischen Gemeinde Basel und müssen, wenn sie dieser nicht im Sinne einer Doppelmitgliedschaft angehören wollen, ihre Nichtzugehörigkeit zur Israelitischen Gemeinde Basel ausdrücklich erklären. Mit diesem „votum negativum" ist zum einen sichergestellt, dass hinsichtlich der Begründung der Mitgliedschaft das Territorialprinzip Bestand haben kann. Zum anderen wird vermieden, dass orthodox geprägte Juden ihren Austritt aus der Israelitischen Gemeinde Basel erklären müssen, wenn sie sich ausschließlich der Israelitischen Religionsgesellschaft anschließen möchten. Gäbe es nämlich die Möglichkeit der Nichtzugehörigkeitserklärung nicht, wären diese Juden zu einem Austritt gezwungen. Das Paradoxon, sich erst einmal durch Austritt vom Judentum abzuwenden zu müssen, um dann dem Bedürfnis nach ausschließlich orthodoxer Frömmigkeit nachkommen zu können, wird so vermieden 350 . Die Anerkennung der Israelitischen Gemeinde als Körperschaft öffentlichen Rechts brachte es mit sich, dass durch die Einführung des Territorialprinzips in § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung Basel-Stadt eine ganze Reihe von Kantonsbürgern, die bisher nicht dem privatrechtlichen Verein der Israelitischen Gemeinde angehörten, nach jüdischem Religionsgesetz aber als Juden galten, auf einmal zu Mitgliedern der Körperschaft wurden. Diese Personengruppe wurde 1975 angefragt, ob sie tatsächlich Mitglieder der nunmehr körperschaftsrechtlich organisierten Israelitischen Gemeinde werden wollten. Dabei bestand die Möglichkeit, die Zugehörigkeit zu bestätigen oder die Nichtzugehörigkeit gemäß § 3 Abs. 2 der Statuten zu erklären 351 . Die Nichtzugehörigkeitserklärung ist gegenüber der Israelitischen Gemeinde Basel abzugeben und hat die selben Rechtsfolgen wie der Austritt: Die Mitgliedschaft in der Israelitischen Gemeinde Basel endet oder wird bei Abgabe der Erklärung bei Zuzug in den Kanton Basel-Stadt erst gar nicht begründet. Im Gegensatz zur Austrittserklärung muss die Nichtzugehörigkeit nicht schriftlich erklärt werden.

dd) Ausschluss aus der Gemeinde, Suspendierung in Mitgliedschaftsrechten Anders als die Statuten der noch privatrechtlich organisierten Israelitischen Gemeinde Basel sehen die Statuten von 1975 keinen generellen Ausschluss aus der 349

Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 1., a), aa). Zum „votum negativum" im Bereich des deutschen Protestantismus vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 2. Auflage, S. 156. 351 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 350

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Gemeinde vor 3 5 2 . Diese Änderung erfolgte ebenfalls unter dem Eindruck der Neufassung von § 19 Abs. 4 der baselstädtischen Kantonsverfassung 353, der bestimmt, dass jeder Kantonseinwohner der Kirche seiner Konfession angehört, wenn er die in deren Verfassung genannten Erfordernisse erfüllt. Da § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung Basel-Stadt jedoch bei der Bestimmung der Mitgliedschaftsvoraussetzungen an eine religiöse Entscheidung anknüpft, wäre ein Ausschluss aus der Gemeinde aus religiösen Gründen nach wie vor möglich 354 . Der Staat kann keine Religionsgemeinschaft, auch keine als Körperschaft anerkannte, zur Aufnahme von Mitgliedern zwingen oder ihr vorschreiben, dass bestimmte Mitglieder in ihr zu verbleiben hätten 355 . Wenn nun aber die Israelitische Gemeinde Basel einen grundsätzlichen Ausschluss in ihren neuen Statuten nicht mehr vorsieht, so ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass eine solche Möglichkeit ausdrücklichen nicht mehr bestehen soll. Dafür kann ein Mitglied gemäß § 7 Abs. 1 der Statuten vom Vorstand auf Dauer oder vorübergehend von einzelnen oder allen Mitgliedschaftsrechten suspendiert werden. Selbst bei einer totalen Suspendierung bleibt die generelle Mitgliedschaft jedoch bestehen.

2. Wahlen und Abstimmungen a) Allgemeines Das individuelle Wahlrecht durch persönliche Stimmabgabe an der Urne wird in § 8 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel gewährleistet. In Verbindung mit dem Demokratieprinzip bedeutet dies, dass auf das einzelne Gemeindemitglied bei der Stimmabgabe kein äußerer Zwang oder eine sonstige lenkende Beeinflussung ausgeübt werden darf. Insbesondere muss das Wahlgeheimnis gewahrt werden, was eine offene Abgabe der Stimme, etwa ohne Wahlkabine oder verschlossener Urne, verbietet. Der persönlichen Stimmabgabe ist die Briefwahl gleichgestellt 356 . 352

§ 8 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde, 1968 lautet: „Ein Mitglied kann durch den Vorstand aus der Gemeinde ausgeschlossen werden, wenn es die Interessen der Gemeinde gefährdet oder durch seine Handlungen dem Ansehen der Gemeinde oder dem Judentum im Allgemeinen geschadet hat." 353 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 354 Vgl. auch Bericht und Antrag des Vorstandes (der Israelitischen Gemeinde Basel) betreffend Revision der Statuten, S. 2. 355 Auch die in Deutschland körperschaftlich organisierten christlichen Kirchen kennen keinen totalen Ausschluss aus der Kirche, was nicht so sehr mit dem Körperschaftsstatus, als vielmehr mit dem Taufverständnis als „untilgbarem Prägemal" zu erklären ist. Vgl. dazu auch A. Stein, Evangelisches Kirchenrecht, S. 92. 3 56 § 8 Abs. 1 Satz 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Bei geheimen Wahlen und Abstimmungen ist gemäß § 22 Abs. 1 der Statuten grundsätzlich kein Quorum von abzugebenden Stimmen vorgesehen. Ausnahmen werden nur bei Statutenänderungen357 und bei der Wahl von wichtigen Ämtern (Rabbiner, Gemeindepräsident, Oberkantor und Präsident der Steuerkommission) gemacht, wobei auch hinsichtlich der jeweils erforderlichen Mehrheiten Vorgaben bestehen358. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, das durch das Wahlbüro gezogen wird 3 5 9 . Für jede Urnenabstimmung bezeichnet der Vorstand ein aus fünf bis neun Mitgliedern bestehendes Wahlbüro, das die Wahlen und Abstimmungen gemäß des Wahlreglements leitet 360 .

b) Wahlberechtigung,

Inkompatibilitätsvorschriften

Ab dem achtzehnten Lebensjahr steht jedem Gemeindeglied das aktive und passive Wahlrecht zu (§ 5 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Für die Urnenwahl des Rabbiners und Oberkantors sind nach der Statutenänderung vom 29. Mai 2000 auch die Sechzehn- bis Achtzehnjährigen stimmberechtigt, wenn ein Elternteil Mitglied der Gemeinde ist 3 6 1 . Das ist nicht unproblematisch, da das Wahlrecht der Jugendlichen nach wie vor hinsichtlich der Mitgliedschaft eines Elternteils beschränkt bleibt. Jugendliche, deren Eltern nicht Mitglieder in der Gemeinde sind, dürfen nach wie vor nicht mitwählen. Dadurch entsteht eine Ungleichbehandlung unter den Jugendlichen, die jedenfalls nicht durch einen in der Person der Jugendlichen selbst liegenden sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann. Vielmehr wurde diese Einschränkung gewählt, um nicht Jugendlichen, die gar keinen Bezug zur Gemeinde haben, eine Mitbestimmungsmöglichkeit einzuräumen. Ob diese mögliche Gefahr allerdings die angesprochene Ungleichbehandlung tatsächlich rechtfertigen kann, ist höchst fraglich. Schließlich werden durch die nun beschlossene Fassung des § 5 Abs. 2 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel solche Jugendlichen empfindlich benachteiligt, die unabhängig von ihren Eltern in ernsthafter Weise der Gemeinde angehören und in ihr legitimerweise auch mitbestimmen möchten. Gemäß § 6 Abs. 1 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel sind Frauen vom passiven Wahlrecht zu den Ämtern des Gemeindepräsidenten, des Präsidenten der Synagogen-Kommission und des Präsidenten der Friedhofskommission ausge357

§ 32 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, vgl. auch im Folgenden unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., a), aa), (2). 358 Ausführlicher dazu im Folgenden unter den Einzeldarstellungen der Organe (Viertes Kapitel, Β., I., 3.) 359 § 23 Abs. 6 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 360 § 24 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 1 § Abs.

Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

Β. Kanton Basel-Stadt

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schlossen. Die Beschränkung der Wahlberechtigung der Frauen erfolgte im Zusammenhang mit der Begründung der Vollmitgliedschaft von Frauen in der Israelitischen Gemeinde Basel im Jahre 1973. Fraglich ist, ob diese Beschränkung weiblichen Engagements mit dem Gleichheitsgebot aus Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 4 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) vereinbar ist. Dazu müsste die Israelitische Gemeinde Basel zunächst Adressatin des Grundrechts sein. Bereits an anderer Stelle 362 wurde ausgeführt, dass die öffentlich-rechtliche Anerkennung in der Schweiz für die betroffenen Religionsgemeinschaften auch eine Beschränkung der korporativen Grundrechtspositionen bedeutet und, anders als in Deutschland, die Religionsgemeinschaften über das Ausmaß der mit den „privilegia favorabilia" der öffentlichen Anerkennung direkt verbundenen Grundrechtsbindungen 363 hinaus von den Kantonen auch auf demokratisch-rechtsstaatliche Organisationsformen, auf den „Schutz kirchlicher Minderheiten" und sogar auf Bekenntnisoffenheit verpflichtet werden können 364 . Der Kanton Basel-Stadt hat als Träger der Kirchenhoheit den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in Mitgliedschaftsangelegenheiten zwar ausdrücklich uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht eingeräumt, hier wird jedoch Frauen, unabhängig vom Mitgliedschaftsrecht, die Möglichkeit verweigert, in leitende Amter wie die des Gemeindepräsidenten, des Präsidenten der SynagogenKommission und des Präsidenten der Friedhofskommission gewählt zu werden. Fraglich ist, ob die Gemeinde mit der Entscheidung, verheiratete Frauen generell als Mitglieder aufzunehmen, auf das ihr eigentlich unbeschränkt zustehende Selbstbestimmungsrecht in Mitgliederangelegenheiten freiwillig verzichtet und damit zugleich auch selbst eine Bindung an den grundrechtlichen Gleichheitssatz geschaffen hat 3 6 5 . Mit anderen Worten ist zu fragen, ob die Gemeinde, indem sie den ersten Schritt zur Gleichbehandlung beider Geschlechter mit der Aufnahme auch verheirateter Frauen gemacht hat, auch zum zweiten Schritt, nämlich dem der völligen Gleichbehandlung innerhalb der Religionsgemeinschaft, gezwungen ist. Erneut konkurriert an dieser Stelle der Gleichheitssatz aus Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung mit dem in seinem Umfang durch den Kanton als Träger der Kirchenhoheit bestimmten und bundesgerichtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht 366 der öffentlich-rechtlichen Israelitischen Gemeinde Basel.

362 Viertes Kapitel, Β., I., 1., a), cc). 363 So v.a. Grundrechtsbindung aufgrund des Besteuerungsrechts. 364 F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 335 f.; ders., Trennung von Kirche und Staat: Anspruch und Wirklichkeit, S. 237. 365 Vgl. in diesem Zusammenhang auch: F. Hafner/Buser, Frauenordination via Gleichstellungsgesetz?, in AJP/PJA 1996, S. 1211; Malacrida, Der Grundrechtsverzicht, S. 110 f. 366 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Β., I.

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. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Überlegungen zur Lösung dieser Spannung haben wiederum an dem Umstand anzuknüpfen, dass in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland grundsätzlich eine weitergehendere Grundrechtsbindung der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften besteht. Wenn nun eine solche Religionsgemeinschaft von sich aus den ihr vom Träger der Kirchenhoheit eigentlich uneingeschränkt zugestandenen Bereich der Selbstbestimmung bereits in einer Weise selbst gestaltet, wie es auch nach der staatlichen Werteordnung vorgesehen ist, könnte daraus tatsächlich eine gewisse Selbstbindung abgeleitet werden, die auch den Bereich erfasst, der eigentlich entgegen dem staatlichen Wertekonsens geregelt werden bzw. ungeregelt bleiben soll. Gerade weil in der Schweiz öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in weit umfänglicherem Maße Grundrechtsadressaten sind als in Deutschland, hat dies für ihre eigenen Entscheidungen durchaus Konsequenzen: Die bundesverfassungsrechtlich vorgegebene Werteordnung strahlt nämlich auch auf öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften aus. Solange sich die Religionsgemeinschaft noch auf das ihr im Kanton Basel-Stadt umfänglich zugestandene Selbstbestimmungsrecht367 beruft und keine eigenen Veränderungen im Hinblick auf die staatliche Werteordnung unternimmt, halten sich die konkurrierenden Rechte auf Gleichheit und Selbstbestimmung die Waage. In diesem Fall ist auch keine Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz möglich, da sonst das Gleichheitsrecht das Selbstbestimmungsrecht verdrängen würde oder es ihm übergeordnet würde 368 . Sobald sich nun aber eine 367 In Ausübung seiner Kirchenhoheit hat der kantonale Gesetzgeber in § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung Basel-Stadt bestimmt, dass die Religionsgemeinschaften „ihre Verhältnisse selbständig ordnen." Ausdrücklich, so konkretisiert sich der Gesetzgeber selbst, sei „unter kirchlicher Autonomie ( . . . ) die Befugnis zur Selbstorganisation und zur Rechtsetzung im eigenen Bereich zu verstehen. Die Organisation der Religionsverbände ist ein Stück ihres Wesens; es kann daher nicht Sache des Staates sein, ihnen ein verfassungsrechtliches Organisationsschema aufzudrängen. ( . . . ) Preisgegeben werden sollen vor allem diejenigen Auflagen, die es den römischen Katholiken bisher verunmöglichten, den Status einer öffentlichrechtlichen Persönlichkeit zu verlangen: die demokratische Wahl der kirchlichen Amtsträger sowie die Auflagen bezüglich der Kirchenmitgliedschaft und des Minderheitenschutzes. Dass man den Kirchen für die Gestaltung ihrer Ordnung keine derartigen Auflagen mehr macht, erscheint als unbedenklich. Die demokratischen Rechte der Kirchenglieder sind genügend gewahrt, wenn Erlass und Änderung der Kirchenverfassung dem Kirchenvolk zur Abstimmung unterbreitet werden müssen.", aus: Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung , Nr. 6897, S. 8 f.; vgl. auch Friesenhahn, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, in: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, S. 358. 368

Der Konflikt zwischen Selbstbestimmungsrecht und Gleichheitssatz kann nicht durch eine verhältnismäßige Abwägung im Sinne der „praktischen Konkordanz" vorgenommen werden, da diese dadurch gekennzeichet ist, dass beide miteinander konkurrierenden gewährleisteten Grundrechtspositionen in ihrem Kern erhalten bleiben. Sobald der Staat dem Gleichheitssatz zur Geltung verhelfen wollte, wird das Selbstbestimmungsrecht in einer Weise eingeschränkt, wie es nach eigener kantonaler Definition gerade nicht (mehr) beschränkt sein

Β. Kanton Basel-Stadt

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öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft in ihrem vom Kanton Basel-Stadt zugestandenen Autonomiebereich selbst in die von der Verfassung vorgegebene Richtung einer Werteorientierung begibt, hat dies, wegen der grundsätzlichen Grundrechtsbindung auch der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, zur Folge, dass sich das Gleichgewicht zwischen Gleichheitssatz und Selbstbestimmung zugunsten der verfassungsrechlichen Wertevorgabe verschiebt und die öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft nunmehr stärker an den Gleichheitssatz gebunden wird. Ob damit auch gleichzeitig eine völlige Gleichstellung einherzugehen hat, hängt wiederum davon ab, ob die nunmehr so zu benennende Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Dabei wird der Maßstab (des die Ungleichheit rechtfertigenden sachlichen Grundes) umso strenger, je mehr sich die Religionsgemeinschaft von sich aus der verfassungsrechtlichen Werteordnung einer völligen Gleichstellung der Geschlechter entgegenbewegt. Im vorliegenden Fall könnten religiöse Gründe für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung sprechen, die jedoch gewichtig sein müssten. Daran könnten immerhin schon deshalb Zweifel bestehen, da es bereits eine ganze Reihe jüdischer Gemeinden gibt, die auch Frauen in leitenden Positionen anerkennen. Letzlich bleibt aber die endgültige Beantwortung dieser Frage weltlichen Stellen, und vor allem auch dieser juristischen Arbeit, entzogen. Tendenziell kann jedoch eine zunehmende Pflicht auch der Israelitischen Gemeinde Basel bejaht werden, diese letzte Ungleichbehandlung von Frauen zu beseitigen. § 6 Abs. 2 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel enthält eine Inkompatibilitätsvorschrift hinsichtlich der Wahl von Ehegatten, Eltern und Kindern sowie Geschwistern in das gleiche Gremium der Gemeinde. Ebenfalls wird in § 6 Abs. 3 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel die Wahl eines Vorstandsmitgliedes in die Budget- und Rechnungsprüfungskommission, in die Steuerkommission und in das Schiedsgericht ausgeschlossen. Damit wird eine gewisse „Gewaltenteilung" etabliert, die von vornherein den „bösen Schein" vermeiden hilft. Von diesem Grundsatz wird hinsichtlich des Gemeindekassiers eine Ausnahme gemacht. Er ist sowohl Vorstandsmitglied als auch geborenes Mitglied in der Steuerkommission

soll. Die Beurteilung von staatsrechtlichen Beschwerden unterliegt einer beschränkten Kognition, die dort endet, wo die Kantone den öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften Selbstbestimmung und Autonomie zugestehen. Vgl. auch: BGE 551 125; vgl. auch: Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 461; F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 338. In anderen Kantonen könnte sich Abweichendes ergeben: Gemäß Art. 122-125 Berner Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 (BE Gesetzessammlung 101.1) oder in Art. 64 Züricher Kantonsverfassung vom 18. April 1869 (ZH Gesetzessammlung 101) können nämlich die Organisation, das Stimm- und Wahlrecht, die Errichtung und Ordnung der „Kirchengemeinden" sowie die Finanzordnung zu den äußeren Angelegenheiten gezählt werden, so dass hier im Rahmen einer praktischen Konkordanz das Gleichheitsprinzip stärker zu entfalten sein dürfte; F. Hafner/Buser, Frauenordination via Gleichstellungsgesetz?, in AJP/PJA 1996, S. 1210.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

(§ 6 Abs. 3, §§ 37, 38 Abs. 1 i.V.m. § 65 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Gemäß § 6 Abs. 4 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel sind auch die Beamten und Angestellten der Gemeinde solange nicht in den Vorstand wählbar, wie sie ihr Amt inne haben. Sollten entgegen der Inkompatibilitätsvorschrift des § 6 Abs. 2 und 3 der Statuten Mitglieder in das selbe Gremium gewählt werden, so gilt das Mitglied als gewählt, das die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte 369 . c) Überblick über die durch Wahl zu besetzenden Ämter § 8 der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel garantiert, dass die Besetzung der wichtigsten Amter in der Gemeinde in geheimer Wahl durch die Gemeinde erfolgt. Die einzelnen Gemeindeglieder wählen den Gemeindepräsidenten, die übrigen zehn Mitglieder des Vorstandes und den Präsidenten der Steuerkommission (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 37 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Falls die Stelle des Verwalters vakant sein sollte, wird auch das dritte Mitglied der Steuerkommission (neben dem Kommissionspräsidenten und dem Gemeindekassier) von der Gemeinde gewählt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 65 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Des Weiteren sieht § 8 Abs. 1 Nr. 2. und 3. der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel die Wahl der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichts, der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, des Rabbiners und des Oberkantors durch die Gemeinde vor. Allerdings kann bei besonderer Eignung eines Anwärters die Stellenbesetzung des Rabbiners durch Beschluss einer Gemeindeversammlung auf dem Wege der Berufung erfolgen. Der Beschluss muss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder gefasst werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 113 Ziff. 1 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Im Übrigen wählt die Gemeinde, wenn es der Vorstand angeordnet oder die Gemeindeversammlung beschlossen hat (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Für besondere Fälle kann der Vorstand in einem Wahlreglement ein spezielles Verfahren beschließen.

d) Amtszeit Alle von den Gemeindemitgliedern zu wählenden Organe und Ämter (Gemeindepräsident, die übrigen zehn Vorstandsmitglieder, der Präsident der Steuerkommission, die Budget- und Rechnungsprüfungskommission, das Schiedsgericht und 6

Abs.

Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

Β. Kanton Basel-Stadt

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die Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund) werden für eine dreijährige Amtszeit gewählt. Neuwahlen zu diesen Organen finden immer gleichzeitig zu den Vorstandswahlen statt 370 , die spätestens sechs Wochen nach der ordentlichen Gemeindeversammlung (im dritten Amtsjahr) stattfinden muss 371 .

e) Wahlprozedere Der Wahltag ist den Mitgliedern spätestens sechs Wochen vor der Wahl durch den Vorstand bekannt zu geben. Außerdem werden sie aufgefordert, Wahlvorschläge einzureichen 372. Die Wahlvorschläge der Gemeindeglieder müssen spätestens vier Wochen vor dem Wahltag dem Gemeindesekretariat mit eingeschriebenem Brief zugegangen sein und von mindestens zehn Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Die Namen der vorgeschlagenen Kandidaten für das Amt des Gemeindepräsidenten müssen mit einem entsprechenden Zusatz („vorgeschlagen als Präsident") versehen werden. Den Kandidaten bleiben drei Tage, um sich zu ihrer Kandidatur zu erklären 373 . Gleichzeitig, also ebenfalls sechs Wochen vor den Wahlen, hat der Präsident der Steuerkommission die Mitglieder des Schiedsgerichtes, der Budget- und Rechnungsprüfungskommission und der Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund zu einer Besprechung zusammenzurufen, um ebenfalls Wahlvorschläge vorzubereiten 374. Gegebenfalls kann dieses Gremium auch eine allgemeine Wahlversammlung einberufen 375. In diesem Stadium können also sowohl Gemeindeglieder als auch die scheidenden Amtsträger Vorschläge für die Neuwahlen unterbreiten. Ausdrücklich garantiert § 12 Abs. 3 der Statuten den Gemeindegliedern das Recht, neben den bisherigen Amtsträgern Vorschläge einreichen zu können. Spätestens vierzehn Tage vor der Wahl unterbreitet der Vorstand den Stimmberechtigten die Liste der gültig vorgeschlagenen Kandidaten auf einer nummerierten und alphabetisch geordneten Liste. Diese Liste vereinigt die Wahlvorschläge, die von Seiten der Gemeindeglieder und von Seiten der bisherigen Amtsträger fristgerecht unterbreitet wurden. Auf der Liste sind jene Kandidaten, die schon in der zu Ende gehenden Amtsperiode Mitglied in einem Gremium waren und wiedergewählt werden möchten, mit dem Vermerk „bisher" zu kennzeichnen376. Ge370 371 372 373 374 375

§ 9 Abs. 1, 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 9 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 11 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 13 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 12 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 12 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

meinsam mit der Kandidatenliste geht den Stimmberechtigten ein Wahlausweis zu. Wenn nicht mehr Kandidaten vorgeschlagen werden, als Amter zu besetzen sind, findet gemäß § 15 Abs. 1 der Statuten kein Urnengang statt. Die aufgeführten Kandidaten gelten als gewählt. Diese „stille Wahl" ist durch den Vorstand festzustellen und den Mitgliedern bekannt zu geben. Werden für die Wahlen des Vorstandes, des Gemeindepräsidenten sowie des Präsidenten der Steuerkommission keine oder nicht genügend Kandidaten in dem oben beschriebenen Verfahren aufgestellt, sieht § 16 der Statuten eine „freie Wahl" unter dem Vorbehalt vor, dass keine Frau in das Amt des Gemeindepräsidenten gewählt wird. Gewählt sind diejenigen Mitglieder, die die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnten. Werden für die Wahlen des Schiedsgerichts, der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund und der Budget- und Rechnungsprüfungskommission keine Kandidaten aufgestellt, bestimmt § 17 Abs. 1 der Statuten, dass der Vorstand die erforderlichen Mitglieder dieser Gremien wählt. Im Unterschied zu § 16 der Statuten geht es bei diesen Gremien um nicht vorrangig repräsentative Amter, so dass hier eine Wahl durch den Vorstand gerechtfertigt erscheint, wenn keine Kandidaten aufgestellt wurden. Wohl aus den selben Erwägungen heraus kann auch § 17 Abs. 2 der Statuten vorschreiben, dass für diese nicht vorrangig repräsentativen Ämter jene Kandidaten als gewählt gelten, die in nicht genügender Anzahl vorgeschlagen wurden. Die weiteren erforderlichen Mitglieder dieser Gremien werden dann vom Vorstand gewählt. Auch dies ist ein Unterschied zur Regelung in § 16 der Statuten, der für den Fall, dass nicht genügend Kandidaten aufgestellt worden sind, eben gerade keine Wahlfiktion für die immerhin vorgeschlagenen Kandidaten vorsieht. Die Ämter des Gemeindepräsidenten, des Vorstandes sowie des Präsidenten der Steuerkommission sind derart repräsentativ, dass sie einer direkten demokratischen Legitimation durch „freie Wahlen" bedürfen.

f) Neubesetzung bei Rücktritt Die §§ 18 und 19 der Statuten treffen Regelungen für eventuelle Rücktritte von Ämtern. Scheiden der Gemeindepräsident oder der Präsident der Steuerkommission vorzeitig aus ihren Ämtern aus, so muss innerhalb von spätestens drei Monaten eine Neuwahl stattfinden 377. Bei Rücktritten von anderen Vorstandsmitgliedern wird in § 18 Abs. 2 der Statuten zum einen auf die Anzahl der zurückgetretenen Vorstandsmitglieder, zum anderen auf den Zeitpunkt des Rücktritts abgestellt. Scheiden einzelne Vorstandsmitglieder nacheinander aus, ist der Vorstand berechtigt, für den Rest der Amtsdauer Ersatzwahlen durch Kooptation vorzuneh376 377

§ 14 Satz 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 18 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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men 3 7 8 . Sobald aber zwei Sitze gleichzeitig vakant sind, ist der Vorstand nunmehr verpflichtet Ersatzmitglieder zu kooptieren, sofern nicht sowieso innerhalb der nächsten sechs Monate Neuwahlen zum Vorstand anstehen. Damit sich der Vorstand nicht ungewollt oder sogar durch gezielte „Rücktrittspolitik" komplett selbst zusammenstellen kann, schreibt § 18 Abs. 2. 2. Halbsatz fest, dass während einer Amtsperiode nicht mehr als zwei Mitglieder in den Vorstand kooptiert werden dürfen. Liegen mehr als zwei Vakanzen gleichzeitig vor oder wurde bereits zweimal in einer Amtsperiode kooptiert, muss für diese Vakanzen eine Urnenwahl angeordnet werden. Bei Rücktritten von Mitgliedern der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichts oder von Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund nimmt gemäß § 19 der Statuten der Vorstand die Ersatzwahlen vor. Solche Ersatzwahlen sind, ebenso wie die Konstituierung des Vorstandes und die Zusammensetzung der Kommissionen nach der vorgenommenen periodischen Neuwahl, der Gemeinde durch Anschlag im Gemeindehaus bekannt zu geben 379 .

3. Die Organe 380 a) Gemeindeversammlung aa) Ordentliche Gemeindeversammlung (1) Ladung /Leitung /Beschlussfähigkeit Der Vorstand der Gemeinde hat spätestens sechs Wochen vor der alljährlich 381 stattfindenen Gemeindeversammlung das Datum der Gemeindeversammlung bekannt zu geben (§ 28 Abs. 1 Statuten). Die schriftliche Einladung mit Tagesordnung muss jedem Mitglied wenigstens acht Tage vor der Versammlung zugestellt sein (§ 28 Abs. 2 Statuten). Die Gemeindeversammlung wird gemäß § 33 der Statuten vom Gemeindepräsidenten oder dessen Vertreter geleitet und ist gemäß § 32 Abs. 1 ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Bei Abstimmungen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen 382 . Eine Ausnahme von diesem Mehrheitsgrundsatz sieht § 32 Abs. 2 der Statuten bei Statutenabänderungen vor. Bei solchen Abstimmungen muss wenigstens ein Zehntel der Mitglieder anwesend sein. Wird das Quorum nicht erreicht, ist der Vorstand verpflichtet, eine neue 378

§ 18 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 379 § 20 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 380 Vgl. auch die Übersicht zu den Gemeindeorganen. 381 382

§ 26 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 34 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Versammlung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig ist. Diese zweite Versammlung kann frühestens vierzehn Tage nach und muss spätestens innerhalb eines Monats nach der ersten Versammlung anberaumt werden 383 . Zu Beginn der Gemeindeversammlung wählt diese aus ihrer Mittel zwei Stimmenzähler 384. Ob geheim oder offen abgestimmt wird, bestimmt gemäß § 34 Abs. 2 der Statuten der Präsident. Wird allerdings von einem Zehntel der anwesenden Mitglieder das Begehren auf geheime Abstimmung gestellt, so muss geheim abgestimmt werden. Der Präsident nimmt an den Abstimmung nicht teil, hat allerdings bei Stimmengleichheit den Stichentscheid385. Gemäß § 35 Abs. 1 der Statuten kann der Präsident Redner zur Ordnung rufen oder ihnen das Wort entziehen, wenn sie trotz wiederholter Mahnung nicht bei der Sache bleiben oder sich unziemlich äußern. Ein Ordnungsruf ist auch gegenüber störenden Mitgliedern möglich 386 . Nötigenfalls kann der Präsident die Sitzung suspendieren oder ganz aufheben 387. (2) Befugnisse Die ordentliche Gemeindeversammlung nimmt gemäß § 26 Nr. 1 der Statuten den Tätigkeitsbericht des Vorstandes und der Kommissionen, die Jahresrechnung, die Bilanz und den Bericht der Budget- und Rechnungsprüfungskommission entgegen und genehmigt sie. Sie erteilt die Décharge an den Vorstand 388 und beschließt über das Budget für das laufende Geschäftsjahr 389. Im Übrigen werden die auf der Tagesordnung vorgesehenen Angelegenheiten behandelt (§ 28 Nr. 4 Statuten). Weiterhin kommt der Gemeindeversammlung die ausschließliche Kompetenz bei An- und Verkauf von Liegenschaften zu, wobei ein Beschluss für solche Geschäfte nur rechtsgültig ist, wenn er mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen angenommen wurde (§ 29 Nr. 2 Statuten). Allein die Gemeindeversammlung kann Obligationenanleihen aufnehmen (§ 29 Nr. 3 Statuten). Sie hat außerordentliche, nicht im Budget vorgesehene Ausgaben zu bewilligen, deren Höhe die Kompetenz des Vorstandes übersteigt (§ 29 Abs. 4 Statuten). Der Vorstand ist gemäß § 45 der Statuten befugt, nicht budgetierte Ausgaben bis zum Gesamtbetrag von SFr. 50.000,- jährlich zu beschließen. Wird diese Summe durch ein Vorhaben oder durch die Summe mehrerer Vorhaben überschritten, hat 383

§ 32 Abs. 2 Satz 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 33 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 385 § 34 Abs. 4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 386 § 35 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 387 § 35 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 388 § 26 Nr. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 384

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§ 26 Nr. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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die Gemeindeversammlung zu beschließen. Die Gemeindeversammlung beschließt etwaige Statutenänderungen390 und setzt den Steuersatz fest 391 . Gemäß § 30 der Statuten kann die Gemeindeversammlung Anträge von Mitgliedern dem Vorstand zur Berichterstattung an die nächste Gemeindeversammlung überweisen. Anträge von Mitgliedern, deren Erledigung nicht in die Kompetenz des Vorstandes fällt und die spätestens vier Wochen vor einer ordentlichen Gemeindeversammlung eingereicht werden, sind dieser vorzulegen (§31 Abs. 1 Statuten). Wird allerdings die Abänderung der Statuten beantragt, muss ein entsprechender Antrag von wenigstens einem Zehntel der Gemeindemitglieder gestellt werden. Solche Anträge müssen vom Vorstand innerhalb von drei Monaten einer (eventuell 392 außerordentlichen) Gemeindeversammlung vorgelegt werden ( § 3 1 Abs. 2 Statuten). Auch der Vorstand kann seinerseits Statutenänderungen beantragen. Ein Antrag von mindestens einem Zehntel der Gemeindemitglieder ist dann nicht erforderlich. bb) Außerordentliche Gemeindeversammlung Eine außerordentliche Gemeindeversammlung findet gemäß § 27 der Statuten statt, wenn dies die Gemeinde auf einer vorhergehenden Versammlung beschlossen hat, wenn der Vorstand es als erforderlich erachtet oder wenn ein Zehntel der Mitglieder ein diesbezügliches schriftliches Begehren unter Angabe der Gründe an den Vorstand richtet. Im letzteren Fall muss die außerordentliche Gemeindeversammlung innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Begehrens einberufen werden. § 26 Nr. 3 Satz 2 und 3 der Statuten weist hinsichtlich der Budgetplanung eine Besonderheit auf: Nach den Statuten beschließt die ordentliche Gemeindeversammlung über das Budget für das laufende Geschäftsjahr. Dem Vorstand steht jedoch das Recht zu, das Budget bereits im vorangehenden vierten Quartal einer außerordentlichen Gemeindeversammlung vorzulegen. In einem solchen Fall ist der Vorstand verpflichtet, eventuell bis dahin vorliegende Anträge von Gemeindegliedern ebenfalls zu behandeln. In der Gemeindepraxis hat es sich, anders als es die Statuten vorsehen, als zweckmäßig erwiesen, das Budget immer schon im Dezember des Vorjahres auf einer außerordentlichen Gemeindeversammlung zu beschließen393. Der in § 26 390 § 29 Nr. 5 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 391

§ 29 Nr. 6 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Geht der Antrag auf Statutenänderung bis zu drei Monaten vor der nächsten ordentlichen Gemeindeversammlung ein, so kann die Statutenänderung auf der regulären Gemeindeversammlung verhandelt werden. Ansonsten ist eine außerordentliche Gemeindeversammlung einzuberufen. 393 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 392

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Nr. 3 Satz 2 der Statuten vorgesehene Sonderfall wurde damit zum Normalfall. Der Vorstand ist in diesem Fall verpflichtet, Anträge von Gemeindemitgliedern, die im Hinblick auf die außerordentlichen Mitgliederversammlung vorliegen, zu behandeln394. Eine solche Verpflichtung des Vorstandes zur „Befassung" mit den Anträgen der Mitglieder stärkt deren Mitsprachemöglichkeit bei der Budgetkonzipierung. Hinsichlich des Protokolls sehen die Statuten weder für die ordentliche noch für die außerordentliche Gemeindeversammlung Regelungen vor. Dies muss verwundern, da in den Statuten der noch privatrechtlich organisierten Israelitischen Gemeinde genaue Vorschriften über Einsichtnahmemöglichkeiten der Mitglieder sowie Genehmigung des Gemeindeversammlungsprotokolls durch den Vorstand gemacht worden waren 395 . Obgleich die Vorschriften zum Protokoll nicht in die neuen Statuten übernommen wurden, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, es sollten keine Protokolle mehr angefertigt werden. In der Praxis wurde jedenfalls daran festgehalten, das Protokoll vom Vorstand genehmigen zu lassen, um es dann zur Einsichtnahme für alle Gemeindeglieder auszuhängen. Änderungsanträge an den Vorstand werden nach wie vor für möglich gehalten 396 . Dagegen ist es nach der neuen Rechtslage nicht mehr ganz eindeutig, ob bei abgelehntem Änderungsantrag die Letztentscheidungskompetenz bei der nächsten Gemeindeversammlung liegt. Gemäß § 44 der Statuten verfügt der Gemeindevorstand über die Residualkompetenz397. Er beschließt über alle Gemeindeangelegenheiten, soweit sie nicht durch die Statuten der Gemeindeversammlung oder den durch die Gemeinde gewählten Kommissionen vorbehalten sind. Da in den neuen Statuten die Letztentscheidungskompetenz über Änderungsanträge nicht mehr ausdrücklich der Gemeindeversammlung zugewiesen ist, könnte der Vorstand den Antrag endgültig ablehnen. Dagegen spricht allerdings, dass ein Gremium selbst darüber befinden können muss, wie der Verlauf und was Ergebnis der eigenen Verhandlungen gewesen sei. Bei der Letztentscheidungskompetenz in Protokollfragen handelt es sich um eine Annexkompetenz, die demjenigen Gremium zusteht, welches beraten und beschlossen hat.

394 § 26 Nr. 3 Satz 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 395 § 45 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, 1968 lautet: „Die Protokolle der ordentlichen und außerordentlichen Gemeindeversammlung müssen dem Vorstand zur Genehmigung vorgelegt werden. Das genehmigte Protokoll liegt vom 30. Tage nach stattgefundener Versammlung an während zwei Wochen auf dem Sekretariat der Gemeinde zur Einsichtnahme durch Gemeindemitglieder auf. Beanstandet ein Gemeindemitglied das Protokoll, so kann es innert 10 Tagen nach Ablauf der Auflagefrist beim Gemeindesekretariat einen Antrag auf Berichtigung einreichen. Genehmigt der Vorstand die Berichtigung nicht, so ist die Entscheidung der nächsten Gemeindeversammlung vorzulegen." 396 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 397 Ausführlicher siehe unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., b), bb).

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Damit müssen auch weiterhin vom Vorstand abgelehnte Änderungsanträge zum Protokoll der nächsten Gemeindeversammlung zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt werden.

b) Gemeindevorstand aa) Zusammensetzung / Wahl / Amtsdauer / Arbeitsweise Der für eine Amtsdauer von drei Jahren von der Gemeinde direkt gewählte Gemeindevorstand besteht gemäß § 37 der Statuten aus dem Gemeindepräsidenten und weiteren zehn Mitgliedern. Wie bereits oben angedeutet, wird der Gemeindepräsident nicht aus der Mitte des Vorstandes heraus gewählt, sondern von der Gemeinde direkt gewählt 398 . Der Wahlvorschlag für das Gemeindepräsidentenamt muss gemäß § 13 Abs. 3 der Statuten mit dem Zusatz „vorgeschlagen als Präsident" versehen sein 399 . Die Wahl des Gemeindepräsidenten ist nur zustandegekommen, wenn der Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen kann 400 . Sollte kein Kandidat in einem ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen, treten in einem zweiten Wahlgang nur noch die beiden Kandidaten gegeneinander an, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten. Auch im zweiten Wahlgang ist eine absolute Mehrheit für die Wahl zum Gemeindepräsidenten erforderlich. Diese Wahlvorschriften gewährleisten, dass nur eine solche Persönlichkeit dieses hohe Amt bekleiden kann, die auch über starken Rückhalt in der Gemeinde verfügt. Die übrigen Vorstandsmitglieder sind gewählt, wenn sie die relative Mehrheit der Stimmen erreichen 401. Der Vorstand wählt gemäß § 38 Abs. 1 der Statuten aus seiner Mitte einen Vizepräsidenten, einen Sekretär und einen Kassier. Der Vorstand versammelt sich auf schriftliche Einladung des Gemeindepräsidenten oder dessen Stellvertreters 402; die Einladung muss mindestens drei Tage vor der Sitzung zugestellt sein und hat die Tagesordnung zu enthalten 403 . In dringenden Fällen sieht § 39 Abs. 3 vor, dass auch in kürzerer Frist und auf andere Weise eingeladen werden kann. Wenn mindestens drei Vorstandsmitglieder eine Sitzung schriftlich verlangen, muss diese innerhalb von acht Tagen einberufen werden 404 . Gemäß § 40 der Statuten sind die 398 Vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 3, 16, 23 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 399 Ausführlicher siehe oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 2., e). 400

§ 23 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 23 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 402 § 39 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 39 Abs. 2 Statuten sieht bei Verhinderung des Präsidenten die Vertretung in folgender Reihenfolge vor: Vizepräsident, Sekreträr, Kassier. 403 § 39 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 401

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§ 39 Abs. 4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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Vorstandsmitglieder verpflichtet, an jeder Sitzung teilzunehmen. Der Präsident unterrichtet die Sitzungsteilnehmer von etwaigen Entschuldigungen, die ins Protokoll aufzunehmen sind. Geleitet werden die Sitzungen vom Präsidenten. Ebenso wie bei Gemeindeversammlungen405 nimmt er selbst an den Abstimmungen nicht teil. Auch im Vorstand hat seine Stimme bei Stimmengleichheit gemäß § 41 Abs. 3 der Statuten den Stichentscheid. Bei Abstimmungen im Vorstand entscheidet die Mehrheit der Stimmenden, wobei gültige Beschlüsse erst gefasst werden können, wenn mindestens sechs Mitglieder des Vorstandes anwesend sind 406 . Über den Verlauf der Vorstandssitzungen ist gemäß § 43 Protokoll zu führen, das den Mitgliedern zuzustellen und in der nächsten Sitzung vorzulesen und nach Genehmigung durch den Vorstand vom Präsidenten und vom Protokollführer zu unterzeichnen ist.

bb) Befugnisse und Verpflichtungen des Gemeindevorstandes Der Vorstand beschließt gemäß § 44 der Statuten über alle Gemeindeangelegenheiten, soweit sie durch die Statuten nicht der Gemeindeversammlung oder den durch die Gemeinden gewählten Kommission vorbehalten sind. Damit legt § 44 der Statuten ein Regel-Ausnahme-Verhältnis fest: Die Gemeindeversammlung oder die durch die Gemeinde gewählten Kommissionen besitzen nur die ihnen zugewiesenen Kompetenzen, der unbenannte Rest (die Residualkompetenz) liegt demnach beim Vorstand. Die Statuten können deshalb auch nicht alle Befugnisse des Vorstands auflisten, schon gar nicht enummerativ. Vielmehr werden nur einige besonders wichtige Kompetenzen in § 44 der Statuten herausgestellt: Der Vorstand bestimmt die Abhaltung von Gemeindeversammlungen, setzt deren Tagesordnung fest und sorgt für die Ausführung der gefassten Beschlüsse. Für jede der in der Gemeindeversammlung zu unterbreitenden Vorlagen bezeichnet der Vorstand einen Referenten aus seiner Mitte. Der Referent hat auf der Gemeindeversammlung das Eröffnungs- und Schlusswort. Letzteres insbesondere auch, wenn die Versammlung auf Schluss der Debatte erkannt hat 4 0 7 . Der Vorstand nimmt die Wahl und Kündigung der Beamten und Angestellten vor und schließt Verträge mit ihnen ab. Dieses Recht wird durch das Wahlrecht der Gemeinde hinsichtlich des Rabbiners und des Oberkantors eingeschränkt 408. Frei ist der Vorstand bei der Anstellung eines Verwalters. Er kann gemäß § 38 Abs. 2 der Statuten selbst entscheiden, ob und wen er zum Verwalter bestellen möchte. 405 Siehe oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., a), aa), (1). 406 407 408

§ 41 Abs. 2 und 4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 36 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 44 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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Die Israelitische Gemeinde Basel beschäftigt bereits seit 1973, also bereits vor InKraft-Treten der neuen Statuten, einen hauptamtlichen Verwalter. Der Vorstand übt die Aufsicht über die Gemeinde-Institutionen409 und über die Tätigkeit der Beamten und Angestellten aus, die dem Vorstand unterstellt sind 410 . Dem Vorstand kommt somit insbesondere gegenüber dem Verwalter Aufsichtsfunktion zu 4 1 1 . Er setzt die in den Statuten vorgesehenen oder sich als notwendig erweisenden Regiemente fest, von denen er der nächsten Gemeindeversammlung im Rahmen des Tätigkeitsberichtes Kenntnis zu geben hat. Der Vorstand muss der Budget- und Rechnungsprüfungskommission einen schriftlichen Bericht und Antrag zum Budget unterbreiten. Er ist gegenüber der Gemeindeversammlung hinsichtlich von Abänderungen der Statuten antragsbefugt. Der Vorstand wählt weiterhin die Kommissionen, soweit sie nicht durch die Gemeinde zu wählen sind 4 1 2 und bestimmt deren Präsidenten, wenn möglich aus seiner Mitte 4 1 3 . Der Gemeindepräsident, der Vizepräsident, der Sekretär sowie, wenn angestellt, der Gemeindeverwalter führen je zu zweien die rechtsverbindliche Unterschrift für die Gemeinde414. Abgesehen vom Verwalter, der nicht dem Vorstand angehört, obliegt damit den exponierten Vorstandspersönlichkeiten die rechtswirksame und damit verbindliche Vertretung nach außen. Schließlich steht dem Vorstand gemäß § 7 Abs. 1 der Statuten auch das Recht zu, ein Mitglied von seinen Rechten zu suspendieren, wenn es die Interessen der Gemeinde gefährdet oder durch seine Handlungen dem Ansehen der Gemeinde oder dem Judentum allgemein geschadet hat 4 1 5 . Unerwähnt bleibt in den Statuten der brisante Fall, dass es sich bei dem Suspendierten um ein Mitglied des Vorstands selbst oder einer Gemeindekommission handelt. In Ermangelung einer spezielleren Regelung könnte in einem solchen Fall §41 Abs. 2 und 4 der Statuten einschlägig sein. Danach könnte bereits eine einfache Mehrheit von mindestens sechs Mitgliedern ein Mitglied des Vorstandes oder einer Kommission von dessen Rechten suspendieren. Dies könnte schon deshalb problematisch erscheinen, da sich die Mehrheit im Vorstand auf diese relativ leichte Weise „unliebsamer" Vorstandsmitglieder entledigen könnte, zumal das Tatbestandsmerkmal der „Gefährdung der Gemeindeinteressen" weitgehend unbe409 § 44 Abs. 6 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Zu den Gemeinde-Institutionen im Einzelnen: vgl. unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 5. 410 § 44 Abs. 5 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 4Π Die Aufsichtsfunktion über die Tätigkeit des Verwalters ergibt sich aus § 44 Abs. 5 i.V.m. § 38 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 412 Von der Gemeinde sind die Budget- und Rechungsprüfungskommission und die Steuerkommission zu wählen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1., 2. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). 413 § 48 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 414 § 38 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 415 Hinsichtlich der Rechtsmittel, die dem Suspendierten zustehen, vgl. unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 8. 15*

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

stimmt ist. Es bestünde die Gefahr, dass die Vorstandsmehrheit, nachdem sie den „Interessengefährder" von dessen Rechten als Vorstandsmitglied suspendiert hat, gemäß § 18 Abs. 2 der Statuten durch Kooptation ein Ersatzmitglied in den Vorstand wählt, das seinerseits die Mehrheit stützt und damit die Mehrheitsverhältnisse nach und nach 416 zugunsten der Vorstandsmehrheit ausgebaut werden könnten. Dieser Gefahr wurde zwar nicht mit einer speziellen „Immunitätsbestimmung" Rechung getragen, es bestehen aber Korrekturmöglichkeiten, die sich ihrerseits aus den Statuten ergeben. Zum einen begrenzt § 18 Abs. 2, 2. Halbsatz der Statuten die Anzahl der kooptierten Vorstandsmitglieder auf nicht mehr als zwei, so dass einer allmählichen Aushöhlung der Minderheit durch die Mehrheit bereits eine gewisse Grenze gezogen ist. Zum anderen steht dem von seinen speziellen Vorstandsrechten suspendierten Gemeindemitglied gemäß § 7 Abs. 2 der Statuten Berufungsmöglichkeit an die nächste Gemeindeversammlung, und gegen einen eventuell ebenfalls negativ ausfallenden Gemeindeversammlungsbeschluss ein Weiterzug an das Schiedsgericht offen 417 . Damit sind die Rechte der Gemeinde insofern gesichert, als es dem Vorstand nicht ohne weiteres möglich ist, die Vorstandsmehrheit gewissermaßen „intern", also ohne Einflussmöglichkeit der Gemeinde, zu seinen Gunsten verschieben zu können. Auf der Ebene der schiedsgerichtlichen Kontrolle der Suspendierung ist zu beachten, dass das unbestimmte Tatbestandsmerkmal der „Interessengefährdung" als Suspendierungsgrund sehr restriktiv ausgelegt werden muss, um einen Missbrauch zu verhindern. Je stärker sich der Verdacht aufdrängt, dass mit der Suspendierung nicht nur Gefährdungen für die Gemeinde abgewendet werden sollen, sondern auch die Mehrheitsverhältnisse im Vorstand selbst verschoben werden sollen, desto restriktiver ist das Tatbestandsmerkmal der „Interessengefährdung" auszulegen. Umso eher wird das Schiedsgericht einen entsprechenden Beschluss des Vorstandes aufheben und das suspendierte Vorstandsmitglied wieder in seine Rechte einsetzen. c) Gemeindekommissionen aa) Vom Vorstand gewählte ständige Kommissionen und deren Befugnisse Es bestehen laut § 46 der Statuten folgende ständige Kommissionen, die sich selbst konstituieren 418 und unter Leitung ihres Präsidenten auf ihrem Tätigkeitsgebiet die unmittelbare Gemeindearbeit gemäß der bestehenden Reglementen und im Rahmen der betreffenden Budgetposten leisten. Sie führen die sie betreffenden 416 § 18 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel sieht eine zwingende Urnenwahl nur für den Fall vor, dass mehr als zwei Sitze gleichzeitig im Vorstand vakant sind. 417 Vgl. auch unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 8. 18 § Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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Vorstandsbeschlüsse aus und unterstützen den Vorstand in der Verwaltung der zu ihrem Tätigkeitsgebiet gehörenden Gemeinde-Institutionen, über die sie auch Aufsichtsfunktion übernehmen 419: 1. Bau-Kommission 2. Bibliothekskommission 3. Bildungskommission 4. Friedhofskommission 5. Kommission für Sozialhilfe und Fürsorge 6. Jugend-Kommission 7. Gemeindehaus-Kommission 8. Kommission für rituelle Betriebe 9. Leihkassen-Kommission 10. Schul-Kommission 11. Synagogen-Kommission 12. Kommission für Werbung und Planung 13. Kommission für Altersfragen 14. Kommission für Außenbeziehungen Der Vorstand ist frei, im Bedarfsfall neben diesen ständigen Kommissionen weitere Kommissionen einzusetzen. In der momentanen Gemeindepraxis bestehen keine weiteren Kommissionen. Außerdem wurde die von den Statuten vorgesehene Kommission für Werbung und Planung nicht eingesetzt420. Die Amtsdauer der Kommissionen endet spätestens mit derjenigen des Vorstandes 421. Die Kommissionen werden unter Vorbehalt von § 18 der Statuten gewählt, der jedoch Vorschriften zur Neuwahl von ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern enthält. Die Einfügung dieses etwas unklaren Vorbehaltes ergibt einen Sinn, wenn damit sichergestellt werden sollte, dass die Kommissionen nur dann gültig gewählt werden können, wenn der Vorstand komplett oder im Sinne des § 18 der Statuten nötigenfalls neubesetzt i s t 4 2 2 Die Kommissionen bestehen gemäß § 48 Abs. 1 der Statuten aus mindestens drei und höchstens neun Mitgliedern, die vom Vorstand gewählt werden 4 2 3 . Ansonsten konstituieren sich die Kommissionen selbst 424 . Die Präsidenten 419

§ 50 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 420 Vgl. Jahresbericht und Betriebsrechung 1998, S. 10, der jedoch darauf verweist, dass die Israelitische Gemeinde seit Juli 1997 im Internet präsent ist. 421

§ 47 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 423 § 50 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 424 § 48 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 422

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der Kommissionen werden vom Vorstand, wenn möglich sogar aus dessen Mitte, ernannt 425 . Von Amts wegen ist der Rabbiner Mitglied der Bildungs-, Jugend-, Schul- und Synagogen-Kommission sowie Mitglied in der Kommission für rituelle Betriebe und in der Kommission für Sozialhilfe und Fürsorge 426. Die Befugnisse und Einflussmöglichkeiten der vom Vorstand gewählten Kommissionen sind beschränkt. So müssen die Kommissionen zum einen Beschlüsse grundsätzlicher Art dem Vorstand zur Genehmigung vorlegen. Unterbreiten die Kommissionen zum anderen dem Vorstand Anträge und genehmigt der Vorstand diese oder die grundsätzlichen Kommissionsbeschlüsse nicht, hat er sie zwar zunächst unter Bekanntgabe seiner Stellungnahme an die Kommission zur Wiedererwägung zurückzusenden. Gehen die Akten dann aber nach nochmaliger Beratung durch die Kommission ein zweites Mal an den Vorstand, kann dieser nun endgültig entscheiden. Diesmal muss er seine Entscheidung nicht mehr begründen 427. Weil die Letztverantwortung beim Vorstand liegt, hat dieser auch die Letztentscheidungskompetenz inne. Die Kommissionen nehmen, das zeigen die beschränkten Einflussmöglichkeiten, in erster Linie Hilfsfunktionen gegenüber dem Vorstand wahr. Aufgrund ihrer Beschränkung auf einen Teilbereich gemeindlichen Lebens können sie sich diesem Aufgabenfeld ganz widmen und die dortigen Entwicklungen und Veränderungsbedürfnisse besser rezipieren als der Vorstand. Alljährlich im Monat Januar haben sämtliche Kommissionen gemäß § 51 der Statuten dem Vorstand schriftlich über den jeweiligen Tätigkeitsbereich zu berichten und eventuell auch Rechenschaft abzulegen. Es ist Aufgabe der Präsidenten der Kommissionen oder der Vertreter, die ihr Ressort betreffenden Rechnungen zu prüfen und zur Auszahlung zu visieren 4 2 8 .

bb) Von der Gemeinde gewählte Kommissionen (1) Budget- und Rechnungsprüfungskommission Der Budget- und Rechnungsprüfungskommission gehören sieben Mitglieder an, die durch Urnenwahl gewählt werden 429 . Diese Kommission wird zwar zu ihrer ersten Sitzung durch den Gemeindepräsidenten einberufen, konstituiert sich aber selbst und wählt aus ihrer Mitte einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten und einen Sekretär. Ihre Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus § 54 der Statuten. Danach begutachtet sie zum einen das Budget und überprüft zum anderen die Buchhaltung 425

§ 48 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 426 § 49 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 427

§ 50 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 50 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 429 Vgl. § 53, § 52 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 428

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und das Rechnungswesen der Gemeinde und ihrer Institutionen. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, ist die Budget- und Rechnungsprüfungskommission berechtigt, Einsicht in sämtliche Belege und Bücher, mit Ausnahme der Steuerakten der Gemeindeglieder, zu nehmen. Auch der Vorstand ist verpflichtet, ihr alle für die Durchführung der Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Anders als die vom Vorstand gewählten Kommissionen, berichtet die Budgetund Rechnungsprüfungskommission nicht primär 430 dem Vorstand, sondern unterbreitet der Gemeindeversammlung schriftlich Bericht und Antrag 431 . (2) Steuerkommission Die Steuerkommission besteht aus drei Mitgliedern: dem Kommissionspräsidenten, dem Gemeindekassier und dem Gemeindeverwalter 432. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 wird der Präsident der Steuerkommission und für den Fall, dass die Stelle des Verwalters vakant sein sollte, auch das dritte Mitglied in der Steuerkommission durch Urnenwahl bestimmt 433 . Die Wahl dieses dritten Mitgliedes durch die Gemeinde gewinnt vor dem Hintergrund von § 38 Abs. 2 der Statuten Bedeutung, nachdem es dem Vorstand überlassen ist, ob er einen Verwalter anstellen will oder nicht. Die Existenz einer Verwalterstelle ist in den Statuten nicht vorgeschrieben. Erwähnung findet ein gegebenfalls angestellter Verwalter lediglich in den § § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 65 der Statuten, also in Zusammenhang mit der Steuerkommission. „Vakanz" in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bedeutet also nicht nur „vorübergehend freie oder unbesetzte Verwalterstelle", sondern meint vor allem den Fall, dass gar kein Verwalter bestellt werden soll. Nimmt der Vorstand also das Recht zur Anstellung eines Verwalters nicht wahr, fällt das ursprüngliche Recht der Wahl auch des dritten Mitgliedes der Steuerkommission an die Gemeinde zurück. Das zweite Mitglied in der Steuerkommission nach dem Präsidenten, der Gemeindekassier, wird gemäß § 38 Abs. 1 der Statuten vom Vorstand aus dessen Mitte heraus gewählt. Wurde vom Vorstand ein Verwalter bestellt, besteht für die Gemeinde keine direkte Möglichkeit mehr, auf die Zusammensetzung der Steuerkommission Einfluss zu nehmen, da sie dann mit drei „geborenen", d. h. nicht direkt von der Gemeinde für dieses Amt zu wählenden Mitgliedern besetzt ist. Die Mitglieder der Steuerkommission unterliegen einer absoluten Schweigepflicht über die ihnen bei ihrer Amtsausübung zur Kenntnis gelangten Tatsachen bezüglich der einzelnen Mitglieder 434 . Diese Schweigepflicht gilt auch gegenüber 430 Die Budget- und Rechnungsprüfungskommission, aber auch das Schiedsgericht und die Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund erstatten gleichwohl alljährlich Bericht über ihre Tätigkeit an den Vorstand, allerdings zu Händen der ordentlichen Gemeindeversammlung: vgl. § 52 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 431 432 433

§ 54 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 65 ff. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 2., c).

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

dem Gemeindevorstand und besteht auch nach Ausscheiden aus dem Amt fort. Die Mitglieder der Steuerkommission versprechen die Einhaltung des Schweigens vor Amtsantritt ehrenwörtlich unter Einhaltung der Schriftform zu Händen des Rabbiners 435 . Die Steuerkommission erhebt gemäß § 66 der Statuten die Gemeindesteuern sowohl bei im Kanton Basel-Stadt steuerpflichtigen Mitgliedern als auch bei außerhalb des Kantons steuerpflichtigen Mitgliedern 436 .

d) Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund Die Mitglieder der Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund werden mit Ausnahme von drei Mitgliedern, die vom Vorstand aus dessen Mitte gewählt werden 437 , gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Statuten direkt durch die Gemeinde gewählt. Wieviele Delegierte die Israelitische Gemeinde Basel insgesamt zur Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes entsenden kann, wird durch die Statuten des Gemeindebundes festgelegt 438, die ihrerseits an den Mitgliedszahlen der Gemeinden anknüpft. Der Israelitischen Gemeinde Basel stehen nach ihrem derzeitigen Mitgliederstand sechzehn Delegiertenplätze zu. Die Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund wird zu ihrer konstituierenden Sitzung durch den Gemeindepräsidenten oder dessen Stellvertreter einberufen 439, konstituiert sich aber im Übrigen selbst und wählt aus ihrer Mitte einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten und einen Sekretär 440. Fällt ein Delegierter aus oder ist er verhindert, wählt der Vorstand gemäß § 63 Abs. 2 2. Satz der Statuten einen „Ersatzmann" 441 .

434

§ 67 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 68 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 436 Zu den Einzelheiten der Steuerberechung vgl. unten unter: Viertes Kapitel, Β., I., 4. 437 § 63 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 438 § 63 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 439 § 52 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 440 § 64 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 441 Hinsichtlich des Sprachgebrauchs „Ersatzmann" ist unter Hinzuziehung von § 6 Abs. 1 Statuten festzustellen, dass hier die geschlechtsneutrale Form verwendet wird, da § 6 Statuten Frauen nur von den Amtern des Gemeindepräsidenten, des Präsidenten der Synagogen-Kommission und des Präsidenten der Friedhofskommission ausschließt. 435

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4. Finanzwesen Gemäß § 69 der Statuten sind die Einnahmequellen der Gemeinde: a) Regelmäßige Einkünfte in Form von Gemeindesteuern sowie allfällige Zuschläge b) Gebühren für die Benützung von Gemeindeinstitutionen c) Mietzinsen und andere Kapitalerträgnisse d) Spenden, Legate und Schenkungen e) Aufnahmegebühren a) Gemeindesteuern Jedes Gemeindeglied hat eine jährliche Steuer zu entrichten 442 . Sie beträgt 11% der kantonalen Einkommenssteuer des Kantons Basel-Stadt443. Die Grundlage für die Berechnung der Gemeindesteuer bildet das zwei Jahre vor dem Bezugsjahr erzielte Einkommen. Der Steuersatz in Prozenten wird seit 1977 jeweils für die Dauer von drei Jahren durch die Gemeindeversammlung, auf Grund schriftlich begründeter Anträge des Vorstandes und der Budget- und Rechnungsprüfungskommission festgelegt. Die Gemeindesteuer wird ab einem Betrag von SFr. 50,- erhoben und beträgt vom Bezugsjahr 1998 an maximal Fr. 18.000. Die Maximalsteuer wird alle fünf Jahre, erstmals ab dem Bezugsjahr 2003, dem Basier Index für Konsumentenpreise verhältnismäßig angepasst444. Die Gemeindesteuer von Gemeindemitgliedern, die außerhalb des Kantons Basel-Stadt wohnen, wird ebenfalls unter Zugrundelegung des kantonalen baselstädtischen Einkommenssteuerrechts berechnet: Um für die 11 % eine entsprechende Bezugsgröße errechnen zu können, wird fiktiv angenommen, das gesamte steuerpflichtige Einkommen sei in Basel-Stadt erzielt worden 445 . Wird befürchtet, dass der normale Steuersatz zur Deckung der mutmaßlichen Ausgaben nicht ausreicht, kann die Gemeindeversammlung jeweils für das zweite und dritte Jahr einer Periode Zuschläge in Prozenten der Gemeindesteuer beschließen. Ebenso kann sie auch eine Ermäßigung des Steuersatzes beschließen446. Die Steuern werden gemäß § 66 der Statuten von der Steuerkommission erhoben, die in Härtefällen die Steuer auch ganz oder teilweise erlassen beziehungsweise stunden kann 447 . 442

§ 70 f. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Stand 1999. Auskunft des Verwalters der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 29. April 1999. 444 § 71 Abs. 2, 3,4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 445 § 71 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 446 § 73 i.V.m. § 29 Nr. 7 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel 447 § 77 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 443

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Gehören nicht alle Familienglieder der Gemeinde an, wird die Gemeindesteuer anteilsmäßig erhoben 448 . Ehepaare ohne minderjährige Kinder, bei denen nur ein Ehegatte der Gemeinde angehört, haben die Hälfte der vollen Steuer zu bezahlen. Familien mit minderjährigen Kindern, bei denen ein Ehegatte und die Kinder Gemeindeglieder sind, zahlen Zweidrittel der vollen Steuer. Gehört in einer Familie mit minderjährigen Kindern nur ein Ehegatte der Gemeinde an, wird nur ein Drittel der vollen Steuer erhoben. Sollten nur die minderjährigen Kinder, nicht aber die Ehegatten, der Gemeinde angehören, muss ebenfalls ein Drittel der vollen Steuer gezahlt werden. Familien, die nur aus einem Elternteil mit minderjährigen Kindern bestehen und bei denen nur der Elternteil oder nur die Kinder der Gemeinde angehören, müssen die Hälfte der vollen Steuer bezahlen. Die kantonalen Steuerbehörden sind bei der Steuererhebung insofern behilflich, als dass die Steuerbescheide bereits dort aufgrund der Eintragungen beim kantonalen Einwohnerkontrollbüro ausgestellt werden. Die Steuerkommission muss lediglich für das Absenden der Bescheide sorgen 449 . Gemeindeglieder, die im Laufe eines Jahres zuziehen oder eintretende Mitglieder sowie Mitglieder, die an der Quelle besteuert werden, können gemäß § 80 Abs. 1 der Statuten zu einer Selbstdeklaration aufgefordert werden und, sofern diese ausbleibt, amtlich eingeschätzt werden. Diese „amtliche Einschätzung" wird von der Steuerkommission der Israelitischen Gemeinde vorgenommen 450. Stirbt ein Gemeindeglied, haben gemäß § 76 der Statuten die Erben, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde, die vom Erblasser bis zu seinem Tod geschuldeten Steuern unter solidarischer Haftung, spätestens vor Verteilung des Nachlasses, zu entrichten. Bei Gemeindegliedern, die gleichzeitig auch der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel angehören, reduziert sich die Steuerschuld bei der Israelitischen Gemeinde unter der Voraussetzung um 50%, dass diese mindestens bei der Israelitischen Religionsgesellschaft als Mitgliedsbeitrag entrichtet werden 451 . Bei der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel muss der volle Mitgliedsbeitrag gezahlt werden 452

448

Hierzu und zu den folgenden Anteilserhebungen: vgl. § 74 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 449 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 29. April 1999. 450 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 451 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 452 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999.

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b) Gebühren für die Benützung von Gemeindeinstitutionen aa) Synagoge Synagogenplätze, die der Gemeinde gehören, werden gemäß § 88 Abs. 1 der Statuten durch den Vorstand zu den von ihm festgesetzten Bedingungen vermietet. Sie dürfen nur durch Vermittlung des Gemeindesekretariates untervermietet werden. § 88 Abs. 3 der Statuten untersagt die Vermietung von Synagogenplätzen an in Basel oder Umgebung wohnende Nichtmitglieder. Die Höhe der Synagogenplatzmiete für die verschiedenen Klassen der Männer- und Frauensitze sowie die Dauer der abzuschließenden Mietverträge werden ebenfalls vom Vorstand festgesetzt 453 . Nichtmitglieder, die etwa durch Erbschaft Eigentümer von Synagogenplätzen sind, haben gemäß § 91 der Statuten jährliche Abgaben zu entrichten, deren Höhe im Synagogenreglement festgesetzt sind. In der Praxis werden diese Abgaben allerdings nicht mehr eingezogen. Es obliegt dem Vorstand, die Bedingungen und Taxen für Trauungen im Synagogenreglement festzusetzen 454. Neben einer Festsetzung der Taxen für Trauungen in der Synagogen wurden auch Trauungen erfasst, die außerhalb der Synagogen stattfinden.

bb) Rituelles Bad Ebenfalls hat der Vorstand in einem Reglement die Bedingungen und Taxen für die Benützung des rituellen Bades festgelegt 455.

cc) Friedhof Werden auf dem gemeindeeigenen Friedhof Nichtgemeindemitglieder bestattet, ist eine Grabtaxe zu entrichten, die von der Steuerkommission individuell festgesetzt wird, wobei die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verstorbenen gemäß der von ihr erstellten und vom Vorstand genehmigten Richtlinien berücksichtigt wird 4 5 6 . Falls die Gebühr für die Grabtaxe infolge unrichtiger Beurteilung der finanziellen Verhältnisse zu niedrig angesetzt oder erlassen wurde, ist die Steuerkommission gemäß § 110 Abs. 2 der Statuten berechtigt, die Grabtaxe nachträg453 454

§ 88 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 93 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel; vgl. auch § 20 ff. Synagogen-Regle-

ment. 455 § 106 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 7 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel; Reglement für den Betrieb des rituellen Bades. 56 § Abs. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

lieh zu erhöhen beziehungsweise eine Grabtaxe festzusetzen. Eine provisorische Festsetzung kann auch durch den Präsidenten der Steuerkommission oder ein anderes Mitglied der Steuerkommission vorgenommen werden 457 . Bei Anmeldung im Sekretariat oder spätestens innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden ist ein ebenfalls von der Steuerkommission festgesetzter Betrag als Depot zu hinterlegen oder eine entsprechende Zahlungsverpflichtung zu unterzeichnen 458. Der Vorstand hat die Bestattungsarten, die Bedingungen für die Bestattung, für Grabrechte, namentlich Grabreservationen sowie für die Grabdenkmäler und die Besorgung der Grabfelder in einem Friedhofs-Reglement festgelegt 459. Hinsichtlich der Grabkosten verweist das Friedhofsreglement auf §§ 108 ff. der Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Danach ist die Grabstätte für Mitglieder unentgeltlich. Die Grabunterhaltsgebühren, die für alle Gräber zu entrichten sind, wurden in einer vom Vorstand der Israelitischen Gemeinde beschlossenen Gebührenordnung festgelegt.

c) Mietzinsen und andere Kapitalerträgnisse Gemäß § 81 Abs. 1 der Statuten sind das Vermögen der Gemeinde, die von ihr verwalteten Stiftungen sowie die separat auszuweisenden Fonds sicher und soweit möglich zinstragend anzulegen. Uber Käufe und Verkäufe von Wertschriften entscheidet der Vorstand auf Antrag des Kassiers. Bei dringlich notwendigen und unaufschiebbaren Dispositionen des Kassiers über Wertpapiere, genügt das Einverständnis des Präsidenten oder des Vizepräsidenten. Der Vorstand ist verpflichtet, der Gemeindeversammlung jedes Jahr einen schriftlichen Bericht über das Gemeindevermögen, die Fonds und die Stiftungen vorzulegen 460.

d) Spenden, Legate und Schenkungen Während die Legate aufgrund des Körperschaftsstatus steuerbefreit sind, sind Spenden nicht vom zu versteuernden Einkommen absetzbar.

457 § 109 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 4

58 § 109 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 459 Friedhofsreglement der Israelitischen Gemeinde Basel vom 28. Oktober 1991; vgl. auch: § 112 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 460 § 81 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel; vgl. auch den jüngsten „Jahresbericht und Betriebsrechung 1998".

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e) Aufnahmegebühren Wer vor seinem Eintritt in die Israelitische Gemeinde Basel das dreißigste Lebensjahr vollendet hat und während der letzten drei Jahre in Basel oder Umgebung wohnhaft war, hat gemäß § 80 Abs. 2 der Statuten eine Eintrittsgebühr zu entrichten, die den Sinn hat, die Kosten und notwendigen Aufwendungen der Israelitischen Gemeinde für ihre Einrichtungen solidarisch auf alle Mitglieder zu verteilen. Diese Gebühr wird von der Steuerkommission unter Berücksichtigung des Alters des Eintretenden sowie der Wohnsitzdauer in Höhe der einfachen bis sechsfachen ersten Jahressteuer festgesetzt. Sofern das eintretende Mitglied während der letzten fünfzehn Jahre in Basel oder Umgebung wohnhaft war, kann darüber hinaus ein Zuschlag von 1 - 3 % vom Vermögen des Eintretenden erhoben werden. In besonderen Fällen kann die Steuerkommission die Eintrittsgebühr stunden, ermäßigen oder erlassen 461. 5. Gemeinde-Institutionen Als Gemeinde-Institutionen nennen die Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel: a) Synagoge462 b) Rabbinat 463 c) Religionsschule464 d) Soziale und kulturelle Institutionen 465 e) Rituelle Institutionen 466 f) Friedhof 467 . a) Synagoge aa) Entstehung der heutigen Synagoge in der Leimenstrasse Auf einer außerordentlichen Gemeindeversammlung im Jahre 1864 wurde zum ersten Mal über einen Synagogenneubau diskutiert. Der Grund für einen Neubau war die Reparaturbedürftigkeit der bisherigen Synagoge am Heuberg, die erst 1841 461 462 463 464 465 466 467

§ 80 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. §§85 ff. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 95 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. §§96 f. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. §§ 98 ff. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. §§ 105 ff. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. §§ 107 ff. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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eingerichtet worden war 4 6 8 . Auf der folgenden außerordentlichen, jedoch wegen zu geringer Mitgliederzahl nicht beschlussfähigen Gemeindeversammlung am 21. August 1864 wurden die Pläne und Kostenvoranschläge von Hermann Gauss vorgelegt. Die Frage des Neubaus wurde erst am 14. Dezember 1865 wiederaufgegriffen und eine aus drei Mitgliedern bestehende Kommission eingesetzt, die mit der Planung des Neubaus beauftragt wurde. Am 27. Dezember 1865 sprach sich der Präsident der Baukommission anlässlich einer neuerlichen Gemeindeversammlung für einen Neubau aus, woraufhin die Gemeinde die Kommission beauftragte, bei der Basler Regierung wegen eines Bauplatzes beim Fröschenbollwerk anzufragen und bei Ablehnung selbst einen geeigneten Bauplatz zu suchen. Ebenfalls wurde ein Kredit von SFr. 500,- zur Ausarbeitung eines definitiven Bauplanes gewährt 469 . Die optimistischen Synagogenplanungen müssen erstaunen, gestand doch die Stadt Basel den Juden zum damaligen Zeitpunkt weder eine freie Aufenthaltserlaubnis zu noch garantierte sie ein definitives Niederlassungsrecht 470. Dem Antrag der Baukommission vom 18. Dezember 1865 auf unentgeltliche Überlassung eines Bauplatzes für die Errichtung einer Synagoge mit 310 Sitzplätzen mit einer Bausumme von SFr. 90.000,- wurde von der Basler Regierung denn auch nicht entsprochen. Die Gemeinde erwarb daraufhin ein Grundstück an der EulerstraßeLeimenstraße und errichtete dort auf eigene Kosten eine Synagoge, die je 150 Männern und Frauen Platz bot und insgesamt mit Landerwerb rund SFr. 125.000,kostete 471 . Die Grundsteinlegung zur heutigen Synagoge fand am 25. Mai 1867 statt. Eingeweiht wurde der Neubau am 9. September 1868 472 .

bb) Nutzungsrechte Die Synagoge und der Betsaal der Israelitischen Gemeinde Basel dürfen im Allgemeinen nur zur Abhaltung des Gottesdienstes genutzt werden 473 . Die Ordnung des Gottesdienstes in der Synagoge und im Betsaal sowie deren außerordentliche Nutzung für nichtgottesdienstliche Zwecke werden gemäß § 85 Abs. 1 der Statuten durch ein Synagogenreglement festgelegt. Der Vorstand hat sich die Genehmigung von besonderen Veranstaltungen oder religösen Feiern in Synagoge und Betsaal vorbehalten. Die Genehmigung erfolgt nach Anhörung des Rabbiners 474. 468 Protokoll der außerordentlichen Gemeindeversammlung vom 13. August 1864, zitiert in Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 36. 469

Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 36. Siehe auch oben unter: Erstes Kapitel, Β., II., 5. 471 Kahn, Geschichte der Synagogen in Basel, in: Festschrift zum Zentenarium der Basler Synagoge, S. 17. 472 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 47; Kahn, Geschichte der Synagogen in Basel, in: Festschrift zum Zentenarium der Basier Synagoge, S. 22. 473 § 85 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 470

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Die Gebetszeiten werden unter Genehmigungsvorbehalt des Vorstandes vom Rabbiner festgelegt. Der Synagogenkommission steht nur ein Begutachtungsrecht zu 4 7 5 . Der Vorstand bestimmt gemäß § 87 der Statuten aus seiner Mitte ein Mitglied, das den männlichen Gemeindegliedern die „Mizwoth" zuteilt. Die Aufgabe, im Synagogengottesdienst aus der Thora zu lesen beziehungsweise Segenswünsche zu sprechen, soll in möglichst regelmäßigem Turnus allen Mitgliedern zugeteilt werden 476 . Dabei sollen Personen, die sich nur vorübergehend in Basel aufhalten, nach Möglichkeit berücksichtigt werden 477 . Das in § 89 Abs. 3 der Statuten aufgestellte Verbot, dass die Gemeinde keine weiteren Synagogenplätze verkaufen darf, ist bereits in den Statuten der noch privatrechtlich organisierten Gemeinde enthalten 478 . Ursprünglich wurden die Synagogenplätze verkauft, um der Gemeinde zu den nötigen finanziellen Mitteln zu verhelfen. Im Falle eines Verkaufs von Synagogenplätzen steht der Gemeinde heute ein Vorkaufsrecht zu 4 7 9 . Will die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben, dürfen Synagogenplätze nur an Gemeindemitglieder verkauft werden 480 . Als Eigentümer von Synagogenplätzen werden gemäß § 89 Abs. 2 der Statuten nur die im Eigentumsbuch der Gemeinde Eingetragenen anerkannt. Bei Eigentumsübergang von Synagogenplätzen hat der Erwerber eine Mutationsgebühr zu enrichten, deren Höhe im Synagogenreglement festgesetzt ist 4 8 1 . Der Eigentumstitel über einen Synagogenplatz beziehungsweise der bei Verlust ausgestellte Berechtigungstitel, der sich beim Eigentümer befindet, muss dem Gemeindesekretariat zur Vormerkung in das beim Sekretariat geführte Eigentumsbuch vorgelegt werden 482 . § 92 der Statuten bestimmt, dass die für die Synagoge und Betsaal gestifteten Thorarollen, Mobilien und Kultusgeräte Eigentum der Gemeinde sind. Für den Unterhalt der Synagoge, wie auch der übrigen Gebäude der Gemeinde, ist die Baukommission zuständig 483 .

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§ 86 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 87 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 477 § 87 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 478 § 101 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, 1968. 479 § 90 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 480 § 89 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 481 § 90 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 482 § 90 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 483 § 94 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., c), aa). 476

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

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b) Rabbinat aa) Wahl des Rabbiners Der Rabbiner wird gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3, § 10, § 113 Nr. 1 der Statuten durch die Gemeinde direkt gewählt, wobei seit der Verfassungsänderung vom 29. Mai 2000 auch den Sechzehn- bis Achtzehnjährigen das aktive Wahlrecht zusteht 484 . Es sind allerdings zwei Besetzungsverfahren vorgesehen. (1) Urnenwahl Der Normalfall der Rabbinerwahl ist in § 8 Abs. 1 Nr. 3, § 10, § 22 Abs. 2 und § 23 der Statuten geregelt. Danach erfolgt die Wahl des Rabbiners durch persönliche Stimmabgabe an der Urne, wobei die Briefwahl gleichgestellt ist 4 8 5 . Nach Ausschreibung der Rabbinerstelle und Abhaltung einer konsultativen Gemeindeversammlung wird die Urnenwahl durch den Vorstand angesetzt486. Den Gemeindegliedern muss spätestens vierzehn Tage vor der Gemeindeversammlung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 der Statuten die Möglichkeit gegeben werden, die Liste mit den eingegangenen und bis zu diesem Zeitpunkt aufrechterhaltenen Kandidaturen samt Unterlagen über Studiengang und bisherige Tätigkeiten der Kandidaten einsehen zu können. Es können nur solche Kandidaten gewählt werden, die vom Vorstand mindestens sechs Wochen vor dem Urnengang zur Wahl vorgeschlagen werden oder deren Zulassung zur Wahl von einem Zehntel der Gemeindemitglieder vier Wochen vor dem Wahlgang schriftlich begehrt wird. Die Gemeinde muss schließlich mindestens vierzehn Tage vor dem Wahlgang von der bereinigten Kandidatenliste Kenntnis nehmen können 487 . Durch dieses Wahlprozedere ist sichergestellt, dass der Gemeinde vor der Wahl genügend Zeit verbleibt, um über unbekannte, vom Vorstand vorgeschlagene Kandidaten diskutieren zu können. Für die Wahl des Rabbiners ist in Abweichung zu dem Grundsatz, dass Wahlen und Abstimmungen durch die Urne ohne Rücksicht auf die Zahl der abgegebenen Stimmen gültig sind, ein Quorum von mindestens einem Viertel der stimmberechtigten Gemeindeglieder vorgesehen 488. Weiterhin muss der Rabbiner gemäß § 23 der Statuten mit absoluter Mehrheit gewählt werden. Erreicht keiner der angetretenen Kandidaten die absolute Mehrheit, findet ein zweiter Wahlgang statt, bei dem 484 Mit der Einschränkung, dass mindestens ein Elternteil ebenfalls der Gemeinde angehören muss (§ 5 Abs 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Neuregelung vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 2. 485 § 8 Abs. 1 Satz 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 48 6 § 10 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 487

§ 10 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 8 § Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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nur noch die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen gegeneinander antreten. Auch im zweiten Wahlgang muss für eine rechtswirksame Wahl eine absolute Mehrheit erreicht werden 489 . Wird für die Wahl zum Rabbiner nur ein Kandidat vorgeschlagen, findest nur ein Wahlgang statt, bei dem sich aber ebenfalls mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten beteiligen und der Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erzielen muss 490 . Gemäß § 23 Abs. 4 der Statuten werden ungültig beschriftete Stimmzettel bei der Ermittlung der absoluten Mehrheit nicht berücksichtigt, leere Zettel werden hingegen mitgezählt. Es besteht also durch Abgabe eines leeren Stimmzettels die Möglichkeit, sich insbesondere im zweiten Wahlgang oder wenn nur ein Kandidat zu Wahl steht, wirksam der Stimme zu enthalten. Da ein Kandidat nur als gewählt gilt, wenn er die absolute Mehrheit der Stimmen errungen hat, kann, bei einer ausgewogenen Stimmenverteilung zwischen den beiden Kandidaten, bereits eine kleine Anzahl von Stimmenthaltungen dazu führen, dass die absolute Mehrheit verfehlt wird und das ganze Wahlprozedere mit einer neuen Ausschreibung zu wiederholen ist. (2) Berufung durch die Gemeindeversammlung Sollte sich ein Kandidat für das Amt des Rabbiners besonders eignen, braucht die oben beschriebene Wahl an der Urne nicht stattzufinden. Der Anwärter kann in einem solchen Fall gemäß § 113 Nr. 1 Satz 2 der Statuten durch Beschluss einer Gemeindeversammlung in sein Amt berufen werden 491 . Einem solchen Beschluss müssen zwar zwei Drittel der anwesenden Mitglieder zustimmen. Da für die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses kein Quorum von anwesenden Mitgliedern bestimmt ist, gilt § 32 Abs. 1 der Statuten, wonach die Gemeindeversammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig ist. Es ist also möglich, dass nur ein sehr kleiner Kreis von Mitgliedern über die Berufung des Rabbiners entscheidet, wenn dieser sich für das Amt besonders eignet. Das ist vor allem deshalb nicht unproblematisch, weil sich aus den Statuten nicht direkt ergibt, wer über die „besondere Eignung" eines Anwärters gemäß § 113 Nr. 1 Satz 2 der Statuten befindet. In Ermangelung einer Spezialnorm ist auf § 44 der Statuten zurückzugreifen, die zwischen den Vorstandszuständigkeiten und den Zuständigkeiten der anderen Gemeindeorganen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis festschreibt 492. Da die Entscheidung über die „besondere Eignung" eines Anwärters für das Amt des Rabbiners durch die Statuten keinem anderen Organ zugewiesen wird, kann der Gemeindevorstand über diese in hohem Maße wertungsab489 § 23 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 490 § 23 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 491 Vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 2. c). 492 Vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3. b), bb). 16 Nolte

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

hängige Frage befinden. Sollten dann durch widrige Umstände nur wenige Mitglieder zu der über die Berufung beschließenden Gemeindeversammlung erscheinen und mit einer Zweidrittelmehrheit für die Berufung stimmen, kann ein Rabbiner theoretisch ohne Beteiligung einer Mindestanzahl von Mitgliedern in sein Amt berufen werden. Dies muss vor allem vor dem Hintergrund von § 22 Abs. 2 der Statuten erstaunen, da hier bei der Urnenwahl zum Rabbiner ein Quorum von einem Viertel der stimmberechtigten Gemeindeglieder gefordert wird. Das Quorum von einem Viertel deutet daraufhin, dass sich die statutenschreibenden Mitglieder bei der Besetzung des Rabbineramtes einen weitgehenden Konsens in der Gemeinde wünschten, der auch dem gewählten Kandidaten eine breite Unterstützung und Anerkennung in der Gemeinde signalisieren sollte. Ein solcher Effekt kann nun aber bei der Berufung durch die Gemeindeversammlung ausbleiben, wenn die Teilnahme nur gering ist, die Gemeindeversammlung aber dennoch gemäß § 32 Abs. 1 der Statuten beschlussfähig ist.

bb) Aufgaben Gemäß § 95 Abs. 1 der Statuten übt der Rabbiner die seinem Amt entsprechenden Funktionen aus. Er ist Rektor der Religionsschule und führt die religiöse Aufsicht über alle den religiösen Bedürfnissen der Mitglieder dienenden Gemeindeinstitutionen 493 . Die Statuten binden ihn in religiösen Fragen an die Normen des kodifizierten Religionsgesetzes494.

c) Gemeindeeigene Bildungseinrichtungen aa) Religionsschule Die Israelitische Gemeinde Basel unterhält für die Kinder der Gemeinde im Alter von sieben bis neunzehn Jahren eine Religionsschule495, in der sie in zwei bis vier Schulstunden pro Woche mit der jüdischen Religion und Geschichte sowie mit der hebräischen Sprache vertraut gemacht werden. Diese gemeindeeigene Schule existiert seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts 496 und besteht völlig unabhängig vom staatlichen Religionsunterricht. Sie steht unter der Aufsicht der gemeindlichen Schulkommission497. Der Unterricht in der Religionsschule ist für 493

§ 95 Abs. 2 und 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 95 Abs. 4 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 495 § 96 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 496 Regierungsräte der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Juden in Basel und Umgebung, S. 38. 497 § 96 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., c), aa). 494

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Kinder von Gemeindegliedern unentgeltlich 498 . Andere Kinder können die Schule gegen Entgeld nach Bewilligung des Rektorats besuchen.

bb) Kindergarten In dem seit 1959 bestehenden Kindergarten „Marcus Cohn" werden zwei Gruppen für Kinder zwischen drei Jahren und sechs Jahren angeboten. Der Unterricht basiert auf dem Rahmenlehrplan für die Kindergärten Basel-Stadt sowie auf einem spezifisch jüdischen Lehrplan. Träger des Kindergartens „Marcus Cohn" ist ein privatrechtlicher Verein.

cc) Leo-Adler-Primarschule als Jüdische Privatschule Die Leo-Adler-Primarschule ist eine Privatschule für Schulpflichtige im Sinne der §§ 130 ff. des baselstädtischen Schulgesetzes. Gemäß Art. 62 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 27 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) sowie § 15 der Kantonsverfassung Basel-Stadt, steht der staatliche, wie auch der private Primarschulunterricht unter der Aufsicht des Staates. Gegenüber den Privatschulen erschöpft sich diese Aufsicht, die zudem in § 132 des Schulgesetzes des Kantons Basel-Stadt gesetzlich kodifiziert ist, aber darin, dass die gesetzlichen Vorschriften und Auflagen hinsichtlich Lernziel, Befähigung der Lehrer und der Schulpflicht eingehalten werden 499 . Insofern ist es der seit Beginn der sechziger Jahre bestehenden und nach ihrem Gründer benannten Leo-Adler-Primarschule möglich, jüdische und weltliche Fächer zu verbinden. Die Kinder werden einerseits nach den Lehrplänen des Kantons Basel-Stadt unterrichtet, andererseits fließt auch die Unterweisung im jüdischen Religionsgesetz und in die Tradition in den Unterricht mit ein. Als Umgangssprache wird Ivrith gelehrt. Kinder, die die private jüdische Primarschule besuchen, sind von der allgemeinen Schulpflicht an staatlichen Schulen befreit. Träger der Leo-Adler-Primarschule ist, ebenso wie beim Kindergarten, ein selbständiger privatrechtlicher Schulverein. Die Finanzierung wird über Subventionen der Israelitischen Gemeinde Basel, Schulgelder, Mitgliedsbeiträge des Jüdischen Schulvereins und über private Spenden und Legaten gewährleistet. Der Anschluss an die seit 1994 eingeführte staatliche Orientierungsschule (OS) ist gewährleistet.

498 § 97 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 499

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Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 402.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

dd) Lehrhaus „Schomre Tora" Das Lehrhaus „Schomre Tora" (die „Hüterin der Tora") wurde Ende des neunzehnten Jahrhunderts gegründet und bietet religiöse Studien, Kurse und Vorträge für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an 5 0 0 . Ziel dieser traditionsreichen Institution ist es, jüdisches Wissen zu vermitteln. Der Besuch der Schiurim ist unentgeltlich. Das Lehrhaus ist als privatrechtlicher Verein organisiert.

ee) Bibliothek Ebenfalls zur Weiterbildung der Gemeindeglieder wird von der Israelitischen Gemeinde Basel eine eigene Bibliothek unterhalten, die von der Bibliothekskommission verwaltet wird 5 0 1 . Die Benützung dieser Bibliothek wird durch ein Reglement geregelt 502 und ist jedermann unentgeltlich gestattet.

d) Soziale Institutionen aa) Israelitische Fürsorge und Sozialhilfe Die Israelitische Fürsorge und Sozialhilfe umfasst die karitativen und sozialen Aufgaben der Gemeinde unter Einschluss der Stellenvermittlung und Berufsberatung. Gemäß den Bestimmungen eines besonderen Reglements503 kümmert sich die Fürsorgekommission um diesen Aufgabenbereich 504. Laut Statuten stammen die finanziellen Mittel für die Fürsorge und Sozialhilfe zum einen aus den Erträgen eines „Armenfonds", der in der Israelitischen Fürsorge und Sozialhilfe aufgegangen ist, zum anderen aus „Zuweisungen von anderen zugunsten der Fürsorge und Sozialhilfe errichteten Stiftungen und Fonds". Schließlich sehen die Statuten auch „Spenden, Subventionen, freiwillige Beiträge, letztwillige Zuwendungen sowie andere von der Fürsorge und Sozialhilfe zu erschließende Einnahmequellen" zur finanziellen Ausstattung der Israelitischen Fürsorge und Sozialhilfe vor 5 0 5 . In der Praxis stellen die Spenden den größten Finanzierungsanteil dar, gefolgt durch Zinseinnahmen (zum Teil aus Stiftungen) 506 . Falls diese Finanzquellen nicht ausrei500 Regierungsräte der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Umgebung, S. 38. soi Vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., c), aa). 502 § 104 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 503 Reglement für die Israelitische Fürsorge Basel.

Juden in Basel und

504 § 98 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., c), aa). 505 § 99 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 506 Bericht der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, aus: Jahresbericht und Betriebsrechung 1998, S. 31.

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chen sollten, ist der Vorstand gemäß § 99 Nr. 3 der Statuten ermächtigt, Beiträge der Gemeinde zugunsten der Fürsorge und Sozialhilfe zu beschließen.

bb) Alterswohnungen Die Gemeinde unterhält zudem auch Alterswohnungen am Schützengraben 16 5 0 7 . Die Verwaltung geschieht durch die Verwaltung der Israelitischen Gemeinde sowie durch die Kommission für Altersfragen 508.

cc) Israelitische Leihkasse Aus der ebenfalls von einer Gemeindekommission geleiteten „Israelitischen Leihkasse" werden an Juden und jüdische Institutionen zinsfreie Darlehen gewährt 509 .

dd) Brautausstattungsfond Die „Rabbiner Dr. A. Cohn'sche Jubiläums-Stiftung Hochnossas Kallo" verfolgt als Zweck die Gewährung von Subventionen an jüdische Mädchen anlässlich ihrer Verheiratung 510. Die Stiftung wird von einer fünfköpfigen Kommission verwaltet. Während dieser drei Mitglieder ex officio angehören (der Rabbiner, der Präsident der Fürsorge und Sozialhilfekommission, die Präsidentin des Israelitischen Frauenvereins), werden die verbleibenden zwei Mitglieder vom Vorstand der Israelitischen Gemeinde Basel ernannt 511 .

e) Rituelle Institutionen aa) Koscher-Verpflegung Gemäß § 105 Abs. 1 der Statuten sorgt die Gemeinde durch die Tätigkeit ihrer Beamten sowie durch Vereinbarungen mit den einschlägigen Geschäften und 507

§ 100 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 509 § 101 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 3., c), aa). 510 § 102 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 5 § Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 508

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Metzgern für die Bezugsmöglichkeit von koscheren Lebensmitteln. Die Kommission für rituelle Betriebe ist befugt, zu diesem Zwecke die nötigen Anordnungen zu treffen 512 . Diese Verpflichtung zum aktiven Tätigwerden der Gemeinde ist insbesondere deshalb von großer Wichtigkeit, als in der Schweiz nach wie vor das Schächtverbot gilt. Ursprünglich war es im Jahr 1893 aufgrund antisemitischer Strömungen und Stimmungen im Art. 25 b l s a. F. der Bundesverfassung von 1874 513 kodifiziert worden. Obgleich das Volk am 20. Mai 1973 der Aufhebung dreier sogenannter „konfessioneller Ausnahmeartikel" zustimmte und damit ein Hindernis für den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention beseitigte 514 , blieb das Schächtverbot trotz der Neuformulierung des Art. 25 b l s der Bundesverfassung von 1874 bis heute in Kraft. Es galt zunächst über Art. 12 der Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung weiter und wurde schließlich 1978 in den Art. 20, 21 des Tierschutzgesetzes einfachgesetzlich kodifiziert 515 . Die Israelitische Gemeinde gibt in einem etwa zweijährigen Turnus eine Koscherliste heraus, die alle in den bekannten Großverteilern und Läden erhältlichen koscheren Lebensmittel umfasst. Seit Ende 1998 zeichnen sich Ansätze zu einer Kooperation mit den beiden in Basel ansässigen Koscher-Metzgereien ab 5 1 6 , die das Fleisch aufgrund des Schächtverbotes in der Schweiz im Rahmen von Einfuhrkontingenten aus Frankreich importieren.

bb) Rituelles Bad Das rituelle Bad, die sogenannte „Mikwa", darf gemäß § 106 Abs. 1 der Statuten nur für religiöse Zwecke benützt werden. Die Nutzungsbedingungen sind in einem Reglement festgelegt 517. Während der Rabbiner die religiöse Aufsicht über das rituelle Bad führt, obliegt die administrative Verwaltung der Baukommission518.

512

§ 105 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 513 Art. 25 b i s a. F. BV von 1874 lautete: „Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt." 514 Der Beitritt erfolgte dann im November 1974. 515 Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, S. 142 f. m. w. N. zum Schächtverbot in der Schweiz. Zur Kritik am schweizerischen Schächtverbot: Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 309, Fn. 110 sowie S. 312. 516 Jahresbericht und Betriebsrechung 1998, S. 16. 517 Reglement für den Betrieb des rituellen Bades. 518 § 106 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

Β. Kanton Basel-Stadt

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7. Beamte und Angestellte a) Wahl Grundsätzlich werden alle Beamten und Angestellten der Israelitischen Gemeinde Basel durch den Vorstand gewählt 519 . Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt gemäß § 113 Nr. 1 der Statuten lediglich die Wahl des Rabbiners und des Oberkantors dar. Rabbiner und Oberkantor werden entweder durch Urnenwahl gewählt oder bei „besonderer Eignung" durch Beschluss einer Gemeindeversammlung berufen 520 . Dabei gelten die oben dargestellten 521 Wahlbestimmungen für die Wahl des Rabbiners entsprechend für die Wahl des Oberkantors, mit der einen Ausnahme, dass bei einer Urnenwahl nicht wie beim Rabbiner gemäß § 22 Abs. 2 der Statuten mindestens ein Viertel der stimmberechtigten Gemeindeglieder ihre Stimme abgeben muss.

b) Mitgliedschaft des Rabbiners sowie der Beamten und Angestellten in der Israelitischen Gemeinde Basel In Abweichung vom Territorialprinzip des § 3 Abs. 1 der Statuten bestimmt § 114 Abs. 1, dass der Rabbiner und die jüdischen Beamten und Angestellten die Mitgliedschaft in der Israelitischen Gemeinde Basel mit der Anstellung erwerben. Die Festschreibung dieser Ausnahmenorm in § 114 Abs. 1 der Statuten erscheint problematisch, da die Festlegung des Territorialprinzips in § 3 Abs. 1 der Statuten auf § 19 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz der Kantonsverfassung von Basel-Stadt zurückgeht. Während § 19 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz der baselstädtischen Kantonsverfassung generell auf den Wohnort als Anknüpfungspunkt für die Mitgliedschaft abstellt, knüpft § 114 Abs. 1 der Statuten bei Beamten und Angestellten am Zeitpunkt der Anstellung an: Sobald die Tatbestandsmerkmale der Anstellung und des „Jüdischen" vorliegen, tritt gemäß § 114 Abs. 1 der Statuten unmittelbar die Rechtsfolge der Mitgliedschaft ein. Es ist also fraglich, ob durch innergemeindlich gesetztes Recht kantonales Recht eingeschränkt oder abgeändert werden kann. Das Problem könnte praktische Relevanz bekommen, wenn ein Israelit, der nach seiner Anstellung bei der Israelitischen Gemeinde Basel seinen Wohnsitz außerhalb des Kantonsgebietes von Basel-Stadt behält, auch weiterhin seiner ursprünglichen Heimatgemeinde (etwa in Bern) angehören möchte 522 . Gemäß § 114 Abs. 1 519

§ 113 Nr. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 113 Nr. 1 Satz 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Vgl. dazu in Einzelnen und zu den Bedenken hinsichtlich der Berufung v.a. des Rabbiners bei „besonderer Eignung" oben: Viertes Kapitel, Β., I., 5., b), aa), (1) und (2). 521 Oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 5., b), aa), (1) und (2). 520

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

der Statuten wird er aber „ex lege", das heißt „kraft Statuten", unmittelbar mit der Anstellung Gemeindeglied der Israelitischen Gemeinde Basel. Fraglich ist, ob sich dieser Angestellte auf § 19 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz der Kantonsverfassung Basel-Stadt berufen kann, wonach jeder Kantonseinwohner der Kirche seiner Konfession angehört. Im Umkehrschluss könnte sich für den Anzustellenden aus § 19 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz der baselstädtischen Kantonsverfassung ein „Schutz vor Vereinnahmung" durch eine Religionsgemeinschaft ergeben. Auch könnte er, da er bei Anstellung gemäß § 114 Abs. 1 der Statuten in einer bestimmten Religionsgemeinschaft Mitglied wird, eine Verletzung des Grundrechts auf Religionsfreiheit aus Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) geltend machen, wonach niemand zur Teilnahme an einer Religionsgenossenschaft gezwungen werden darf 523 . Das Grundrecht, nicht zur Teilnahme in einer Religionsgemeinschaft gezwungen werden zu dürfen, ist verletzt, wenn der Schutzbereich des Grundrechts tangiert ist, in ihn eingegriffen wurde und der Eingriff nicht gerechtfertigt werden kann. Der um Anstellung nachsuchende jüdische Arbeitnehmer, der weiterhin Mitglied seiner Heimatgemeinde außerhalb des Kantons Basel-Stadt bleiben will, kann sich nur dann gegenüber der Israelitischen Gemeinde Basel auf Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) berufen, wenn diese Adressatin des Grundrechtes ist. Nur wenn Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) auch die Israelitische Gemeinde Basel verpflichtet, kann der Schutzbereich überhaupt betroffen sein. Auch an dieser Stelle wird die in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland524 bislang noch wenig diskutierte Frage nach der Grundrechtsbindung der Kirchen und Religionsgemeinschaften aufgeworfen 525. Während Häfelin 526 zwar nicht ausdrücklich, aber wohl wie selbstverständlich davon ausgeht, dass nur der Staat 522 Problematisch könnte dieser Fall nicht nur wegen der ungewünschten Gemeindemitgliedschaft werden, sondern auch, weil § 114 Abs. 2 Statuten eindeutig festhält, dass auch der Rabbiner, die Beamten und Angestellten an die Israelitische Gemeinde Basel Steuern zu entrichten haben. 523 Vgl. hierzu den ähnlich gelagerten, allerdings die Meinungsfreiheit betreffenden Fall der Zwangsmitgliedschaft in einer Studentenschaft: BGE 110 Ia 36 ff. sowie J. P. Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 169. 524 Für Deutschland vgl. statt vieler: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, mit Beiträgen von: Hesse, Grundrechtsbindung der Kirchen?, S. 287 ff.; Kästner, Die Geltung von Grundrechten, S. 474 ff.; H. Weber, Die Grundrechtsbindung der Kirchen, S. 199 ff. sowie Säcker, Die Grundrechtsbindung der kirchlichen Gewalt, in: DVB1. 1969, S. 5 ff. 525 Ausführlich für die schweizerische Situation: F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, insbesondere S. 293 ff. 526 Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 49, Rdnr. 52.

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Adressat von Art. 49 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1874 sein kann 5 2 7 , greift Karlen differenzierend die Bereichsscheidungslehre auf 5 2 8 . Zunächst stellt er fest, dass das schweizerische Staatskirchenrechtssystem trotz der erheblichen Bedenken deutscher Staatsrechtslehrer 529 gegen die „Zwei-Bereiche-Lehre" immer noch auf der Unterscheidung zwischen „innerem" und „äußerem" Bereich beruhe. Er anerkennt die unweigerlich mit der Zweiteilung auftretenden Spannungen, dennoch müsse aber bei der Untersuchung der Grundrechtsbindung der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften wenigstens behelfsmäßig an sie angeknüpft werden. Im Bereich der inneren Angelegenheiten (Lehre, Kultus, Seelsorge, Unterweisung) seien die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in Bezug auf die Grundrechtsbindung den privatrechtlichen gleichzustellen: Abgesehen von dem in Art. 49 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1874 enthaltenen Verbot geistlicher Strafen 5 3 0 könne sich der Einzelne in diesem Bereich gegenüber der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft, der er angehört, nicht auf seine Religionsfreiheit berufen. Dagegen werde der Bereich der äußeren Angelegenheiten der öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften regelmäßig mehr oder weniger weitgehend durch die staatliche Gesetzgebung geregelt. Nach der herkömmlichen Vorstellung nähmen die Religionsgemeinschaften hier am weltlichen Rechtsverkehr in der gleichen Weise teil wie andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, so dass sie in diesem Bereich konsequenterweise der gleichen Bindung an die Grundrechte wie der Staat unterlägen 531. Das sich hier ergebende Problem zeigt, wie berechtigt die Kritik vieler deutscher Autoren an der Bereichsscheidungslehre ist: Es fällt schwer, die Regelungen über 527

Dies geht aus der Überschrift der Rdnr. 52 (Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung.) hervor: „Kein staatlicher (Hervorhebung durch den Verfasser) Zwang zur Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft (Art. 49 Abs. 2 BV)". 528 Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 282 f. 529 Zur deutschen Kritik an der Bereichsscheidungslehre statt vieler: Hesse, Grundrechtsbindung der Kirchen?, in: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, S. 293 f. „Zwar kann das Wirken der Kirchen jeweils in einem engeren oder weiteren Zusammenhang mit ihrem geistlichen Kern stehen; aber das ist etwas anderes als der Versuch, in später Anknüpfung an die ältere, seit langem als unzureichend erkannte Unterscheidung von „inneren" und „äußeren" Kirchenangelegenheiten einen „inneren" Bereich des vom Staate freigegebenen „forum internum" der Kirchen gegen einen „äußeren" Bereich von Angelegenheiten abzuheben, in dem staatliche Aufgaben berührt werden. Derartige Scheidungen lassen sich in den vielfältigen Überlagerungen und Verzahnungen staatlichen und kirchlichen Wirkens häufig nicht durchführen; sie verfehlen die Eigenart des in seiner Wahrnehmung verfassungsrechtlich geschützten kirchlichen Auftrags, der nicht auf ein nur „internes" Wirken beschränkt ist..."; weitere Nachweise bei: Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 282, Fn. 83. 530 Das Verbot der geistlichen Strafen ordnet für einen beschränkten Bereich der Religionsfreiheit sogar eine direkte Drittwirkung an: Der Einzelne hat auch gegenüber Privaten einen Anspruch, nicht wegen Glaubensansichten bestraft zu werden. Vgl. Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 273 m. w. N. 531 Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 283.

4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

die Begründung der Gemeindemitgliedschaft von jüdischen Beamten und Angestellten eindeutig dem „inneren" oder dem „äußeren" Bereich zuzuordnen. Wie bereits oben festgestellt, gehört das Mitgliedschaftsrecht zunächst einmal grundsätzlich zum religionsgemeinschaftlichen Kernbereich. Andererseits liefern die Kantonsverfassung Basel-Stadt in § 19 Abs. 4 Satz 1 und das Kirchengesetzgesetz in § 3 Abs. 1 als staatliche Gesetze das Tatbestandsmerkmal des Wohnsitzes innerhalb des Kantons als Anknüpfungspunkt für die Mitgliedschaft. Der Kanton BaselStadt hat als Träger der Kirchenhoheit das Mitgliedschaftsrecht nur unter Maßgabe des von ihm vorgegebenen Anknüpfungspunktes „Wohnort" vom ansonsten umfangreich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht erfasst sehen wollen. Damit ist zumindest teilweise der „äußere" Bereich betroffen und die Israelitische Gemeinde Adressatin des Grundrechts aus Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874). Der Schutzbereich des Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 ist jedoch nur dann tangiert, wenn § 19 Abs. 4 Satz 1 der Kantonsverfassung Basel-Stadt und § 3 Abs. 1 ihrerseits als Schutznorm vor „Vereinnahmung durch eine Religionsgemeinschaft" ausgelegt werden können. § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung Basel-Stadt lautet: , Jeder Kantonseinwohner gehört der Kirche seiner Konfession an, wenn er die in deren Verfassung genannten Erfordernisse erfüllt. Der Austritt kann jederzeit durch schriftliche Erklärung erfolgen."

Der Wortlaut von § 19 Abs. 4 der baselstädtischen Kantonsverfassung deutet zunächst noch nicht darauf hin, dass es sich bei der Bestimmung um eine „Schutzbestimmung" zugunsten der Bürger hinsichtlich einer „Vereinnahmung" durch eine bestimmte Religionsgemeinschaft handeln soll. Vielmehr liegt es vordergründig nahe, ihn als allgemeine Ordnungsnorm zu begreifen, die nur den Zweck verfolgt, das Territorialprinzip als Orientierungsmarge vorzugeben. Das staatlich vorgegebene Ordnungselement „Territorialprinzip" ist vor dem Hintergrund des Art. 72 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 50 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) auszulegen. Es stellt eine geeignete Maßnahme des Kantons Basel-Stadt dar, die Ordnung und den öffentlichen Frieden unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgenossenschaften zu gewährleisten. Den verschiedenen Religionsgemeinschaften wurde als staatliches Ordnungsprinzip das Territorialprinzip vorgegeben, damit klar ist, dass jede Religionsgemeinschaft nur solche Gemeindeglieder zu eigenen Mitgliedern zählen darf, die auf dem Territorium des Kantons Basel-Stadt wohnen. Dadurch wird eine „Doppelbeanspruchung" als Gemeindeglieder verhindert und der allgemeine Religionsfriede zwischen aneinandergrenzenden Kantonen sichergestellt 532. Allein aus dem Ord532

Die Ordnungsfunktion des „Territorialprinzips" entfällt, wenn sich der Einzugsbereich einer kleineren Religionsgemeinschaft auf mehrere Kantone erstreckt und es in den verschiedenen Kantonen nur diese eine Religionsgemeinschaft gibt. Sobald aber der Einzugsbereich

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nungscharakter des „Territorialprinzips" lässt sich noch keine individuelle Schutzrichtung für den einzelnen Bürger ableiten. Vielmehr ist die „Ordnung" an sich Schutzobjekt. Durch die Etablierung des Territorialprinzips soll sie als Gegenstück zur „tatsächlichen Unordnung" gewahrt werden. Eine individuelle Schutzwirkung des § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung BaselStadt ist allerdings dem Ratschlag und Entwurf zur Änderung von § 19 der baselstädtischen Kantonsverfassung zu entnehmen: Hinsichtlich der staatlichen Zulässigkeit der Inanspruchnahme einer Person als Konfessionsangehöriger wirke der Staat auf das Zugehörigkeitsverhältnis ein, indem er fordere, dass die Mitgliedschaft in religiösen Verbänden auf Freiwilligkeit beruhe. Es könne somit keinen Beitrittszwang geben 533 . Damit kommt § 19 Abs. 4 Satz 1 der Kantonsverfassung Basel-Stadt i.V.m. § 3 Abs. 1 Kirchengesetz Schutzwirkung zu, so dass der Schutzbereich von Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 tangiert ist. Wird nun ein Angestellter der Israelitischen Gemeinde Basel „ex statu", das heißt von Statuten wegen 534 , gegen seinen Willen Gemeindemitglied, ist das Grundrecht auch verletzt. Ein solcher „Beitrittszwang" und damit die Beeinträchtigung in bürgerlichen Rechten könnte aber durch die Tatsache gerechtfertigt sein, dass es sich bei den über § 114 Abs. 1 der Statuten beitretenden Mitgliedern „nur" um den Rabbiner, die Beamten und die Angestellten der Gemeinde handelt, die durch ihre Tätigkeit in besonderer Weise mit dem „Schicksal" der Gemeinde verbunden sind und eine Mitgliedschaft von daher unabdingbar erscheinen könnte. Nicht zuletzt ist die Israelitische Gemeinde Basel ein Tendenzbetrieb, der ein legitimes Interesse an besonderen Treueverpflichtungen, Loyalitätsobliegenheiten und eventuell auch mitgliedschaftlicher Verbundenheit seiner Angestellten hat. Fraglich ist aber, ob ein in der Israelitischen Gemeinde angestellter Jude seinen Verpflichtungen aus Art. 321a Abs. 1 des Obligationenrechts, nämlich „die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren", nicht auch dann nachkommen kann, wenn er nicht der Israelitischen Gemeinde Basel angehört. Dabei ist zu differenzieren.

auf einen Kanton ausgeweitet werden soll, in dem eine Gemeinde gleichen Bekenntnisses besteht, greift die Ordnungsfunktion des § 19 Abs. 4 Kantonsverfassung Basel-Stadt wieder ein. Für die Israelitische Gemeinde Basel bedeutet dies, dass § 19 Abs. 4 Kantonsverfassung Basel-Stadt seine Ordnungsfunktion noch nicht hinsichtlich anzustellender Juden aus dem Kanton Basel-Landschaft entfaltet, da es hier keine eigene Israelitische Gemeinde gibt. Sollte allerdings ein in Bern lebender anzustellender Jude in der Israelitischen Gemeinde Basel tätig werden wollen, greift die Ordnungsfunktion des § 19 Abs. 4 Kantonsverfassung Basel-Stadt ein, da in Bern eine Israelitische Gemeinde besteht. 533

Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung , Nr. 6897, S. 10. 534 Genauer: gemäß § 114 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Von einem dem jüdischen Religionsgesetz nach als Jude geltenden anzustellenden Mitarbeiter, der es aber vollständig ablehnt, einer jüdischen Gemeinde anzugehören, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass er die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren vermag. Seine Distanz zur Israelitischen Gemeinde ist zu groß. Ein angestellter jüdischer Arbeitnehmer, der nach seiner Einstellung überhaupt keiner Israelitischen Gemeinde angehören möchte, wird sich nicht auf Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) i.V.m. § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung Basel-Stadt und § 3 des Kirchengesetzes berufen können. In einem solchen Fall dürfte die Grundrechtsverletzung aufgrund von § 114 Abs. 1 der Statuten durch das gemeindliche Selbstbestimmungsrecht der Israelitischen Gemeinde gerechtfertigt erscheinen. Von dieser Konstellation ist der Fall zu unterscheiden, dass der jüdische Mitarbeiter nach wie vor seiner Heimatgemeinde außerhalb des Kantons Basel angehören will oder einer anderen israelitischen Religionsgemeinschaft als der Israelitischen Gemeinde Basel (zum Beispiel Israelitische Religionsgesellschaft). Zwar ist unbestritten anerkannt, dass Tendenzbetriebe wie Religionsgemeinschaften bei ihren Arbeitnehmern eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zur Anstellungsvoraussetzung machen dürfen 535 . Der Fall, dass der Beamte oder Angestellte nicht in der Israelitischen Gemeinde Basel Mitglied werden will, sei es, weil er in seiner Gemeinde außerhalb der Kantonsgrenzen verbleiben will, sei es, dass er ausschließlich in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel Mitglied sein möchte, unterscheidet sich aber vom ersten Fall darin, dass sich der Arbeitnehmer grundsätzlich mit der israelitischen Glaubenstradition verbunden fühlt und von daher kein Zweifel daran bestehen kann, dass er seiner Verpflichtung aus Art. 321a Abs. 1 des Obligationenrechts auch nachkommen wird. Das legitime Interesse eines Tendenzarbeitgebers an besonderen Treueverpflichtungen, Loyalitätsobliegenheiten und mitgliedschaftlicher Verbundenheit kann in diesem Fall die Grundrechtsverletzung durch § 114 Abs. 1 der Statuten nur schwerlich rechtfertigen. Allerdings ist noch zu prüfen, ob § 114 Abs. 1 der Statuten in dieser Situation nicht doch verfassungskonform ausgelegt werden kann. Eine verfassungskonforme Auslegung könnte sich aus den Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel selbst ergeben. § 3 Abs. 2 2. Halbsatz der Statuten sieht die Möglichkeit einer Nichtzugehörigkeitserklärung vor 5 3 6 . Hat nun ein jüdischer Arbeitnehmer ein berechtigtes 537 Interesse, der Israelitischen Gemeinde Basel nicht 535 536

Statt vieler vgl. Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 442 f. Zur eigentlichen Ratio dieser Bestimmung vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 1.,

b), cc). m Will der jüdische Arbeitnehmer die Nichtzugehörigkeit nur deshalb erklären, weil er gar keiner israelitischen Religionsgemeinschaft mehr angehören möchte, ist sein Interesse vor dem Hintergrund von § 321 a Abs. 1 Obligarionenrecht nicht berechtigt.

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anzugehören 538, muss er sich ohne Verlust seines Arbeitsplatzes auf § 3 Abs. 2 2. Halbsatz der Statuten berufen können. Entgegen den apodiktischen Wortlaut von § 114 Abs. 1 der Statuten entsteht für den beschriebenen Fall bei Erklärung der Nichtzugehörigkeit keine Mitgliedschaft in der Israelitischen Gemeinde Basel. Eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) scheidet damit aus.

c) Besoldung beziehungsweise Entgelt und Anstellungsdauer Die Jahresbesoldung des Rabbiners, der Beamten und Angestellten der Israelitischen Gemeinde Basel werden im Rahmen des Budgets vom Vorstand festgesetzt. Ebenso steht es dem Vorstand gemäß § 115 der Statuten zu, über die Dauer der Anstellung in Verträgen zu entscheiden. Diese Vorstandsrechte sind jedoch zum einen durch schriftlich getroffene Vertragsvereinbarungen, zum anderen durch das Schweizerische Obligationenrecht beschränkt, wenn keine ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarungen bestehen. Der Rabbiner, die Beamten und Angestellten sind gemäß § 116 der Statuten nur dann pensionsberechtigt 539, wenn dies im Anstellungsvertrag oder in einer separaten Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen ist.

8. Innergemeindlicher Rechtsschutz a) Schiedsgericht aa) Zusammensetzung und Wahl Das innergemeindliche Schiedsgericht besteht gemäß § 55 Abs. 1 der Statuten aus zehn Mitgliedern. Die Mitglieder werden direkt von der Gemeinde durch Urnenabstimmung gewählt 540 . Nach der Wahl konstituiert sich das Schiedsgericht selbst und wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten, einen ersten und zweiten Vizepräsidenten sowie einen Sekretär 541, die nach Möglichkeit alle drei Juristen sein sollen 542 . Die Selbstkonstituierung trägt dem Gewaltenteilungsgedanken Rechnung. Die „Judikative" ist in ihrer Entstehung unabhängig vom Willen der „Exekutive": Der Vorstand hat keinen Einfluss auf die Arbeitsmöglichkeit des Schiedsgerichts. 538 Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der jüdische Arbeitnehmer seiner ursprünglichen Gemeinde außerhalb des Kantons Basel-Stadt oder ausschließlich der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel angehören möchte. 5 39 Gemäß § 83 Statuten hat die Israelitischen Gemeinde Basel einen Pensionsfond eingerichtet. 540 §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 52 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 541 54

§ 55 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § Abs. Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Das Schiedsgericht behandelt die ihm zugetragenen Streitfälle in einem Kollegium von fünf Mitgliedern. Wenn die streitenden Parteien einverstanden sind, kann die Besetzung des Spruchkörpers bis auf drei Mitglieder reduziert werden 5 4 3 . Der Spruchkörper des Schiedsgerichts setzt sich theoretisch bei jedem Fall wieder neu zusammen. Dies ergibt sich aus § 56 Abs. 2 der Statuten, wonach der Präsident oder, bei dessen Verhinderung, der Vizepräsident über die Zuziehung der Mitglieder zu entscheiden hat. Eine solche Praxis könnte vor dem Hintergrund der Garantie des verfassungsmäßigen Richters gemäß Art. 30 Abs. 1 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 58 Abs. 1 Bundesverfassung von 1874) problematisch sein, weil hier die Frage berührt wird, inwieweit auch die interne Zusammensetzung der Gerichte und die Hinzuziehung von Ersatzrichtern voraussehbar, d. h. generell-abstrakt geregelt sein müsste 544 . Zwar spricht die Nähe des innergemeindlichen Rechtsschutzes zum „internen" Bereich einer Religionsgemeinschaft eher gegen eine direkte Wirkung der Grundrechte auch gegenüber der Israelitischen Gemeinde. Selbst wenn man jedoch diese bejahen würde, bedeutete eine „fallbezogene" Zusammensetzung des Spruchkörpers jedenfalls nach Ansicht des Bundesgerichts noch keinen Verstoß gegen Art. 30 Abs. 1 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 58 Abs. 1 Bundesverfassung von 1874). Das Bundesgericht lässt nämlich eine flexible Besetzung des Spruchkörpers aus den Reihen der gewählten Richter zu 5 4 5 .

bb) Zuständigkeit und Verfahren Dem Schiedsgericht kommt eine Residualkompetenz bei der definitiven Entscheidung von innergemeindlichen Streitigkeiten zu. Gemäß § 57 Abs. 1 der Statuten ist das Schiedsgericht nämlich immer dann für eine letztverbindliche Entscheidung zuständig, wenn diese nicht von den Statuten anderen Organen zugewiesen werden. Namentlich wird eine Zuständigkeit für alle Streitigkeiten zwischen Gemeindegliedern einerseits und der Gemeinde, ihren Organen, Beamten und Angestellten andererseits, zwischen den Beamten und Angestellten der Gemeinde einer543

§ 56 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. Kölz, Α., in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 58 Rdnr. 4. 545 BGE 105 Ia 179 (Heft I); weiterhin 114 Ia 54. Zur Kritik an dieser Praxis in der Literatur vgl.: Beyeler, Das Recht auf den verfassungsmäßigen Richter als Problem der Gesetzgebung, S. 27; J. P. Müller, Die Garantie des verfassungsmäßigen Richters in der Bundesverfassung (BV 58 Abs. 1), in: ZBJV 1970, S. 253 f., nach dessen Ansicht sich die Garantie des Art. 58 Bundesverfassung von 1874 heute gerade darauf erstrecke, dass niemand durch Entscheide und Maßnahmen innerhalb der Gerichtsorganisation vor einem willkürlich berufenen Richter sein Recht geltend zu machen brauche; ders, Grundrechte in der Schweiz, S. 573. In der deutschen Rechtsprechung und Literatur herrscht die unstrittige Auffassung vor, dass die Zuständigkeit eines Richters für einen konkreten Fall im voraus abstrakt-generell festgelegt sein muss; dieser muss „blindlings" aufgrund allgemeiner Merkmale an den entscheidenden Richter gelangen. Vgl. etwa: BVerfG, NJW 1995, 2703; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, Rdnr. 1138. 544

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seits und der Gemeinde und ihren Organen andererseits sowie für Streitigkeiten zwischen Gemeindegliedern in Gemeindeangelegenheiten begründet 546. Neben den genuin innergemeindlichen Streitigkeiten können dem Schiedsgericht auch Ehrenhändel und Zivilstreitigkeiten zwischen Gemeindegliedern unterbreitet werden. Außerdem kann das Schiedsgericht in allen Fällen, die von einzelnen Parteien unterbreitet werden, entscheiden, falls beide Parteien zustimmen. Vor Beginn eines solchen Verfahrens müssen die Parteien schriftlich bestätigen, dass sie den Schiedsspruch als endgültig anerkennen werden 547 . Das Gericht ist aber in solchen Fällen nicht gezwungen, den Fall auch zu entscheiden. Durch Plenarbeschluss kann die Beurteilung auch verweigert werden 548 . Wenn dem Präsidenten oder, bei dessen Verhinderung, dem Vizepräsidenten ein Streitfall vorgelegt wird, soll dieser zunächst einen Schlichtungsversuch unternehmen oder den Fall als Einzelrichter entscheiden, soweit sich die Parteien seinem Entscheid unterwerfen sollten 549 . Sollte dem Präsidium des Schiedsgerichtes 550 ein Ehrenhändel zwischen Gemeindegliedern bekannt werden, sind die Präsidiumsmitglieder gemäß § 60 der Statuten gehalten, bei den Parteien mit dem Ziel zu intervenieren oder intervenieren zu lassen, den Streit vor dem Schiedsgericht austragen zu lassen. Nicht zuständig ist das Schiedsgericht allerdings, wenn ein Aufnahmeantrag vom Vorstand abgelehnt wurde. Laut § 4 Abs. 2 der Statuten besteht kein Anspruch auf die Mitgliedschaft. Dem Vorstand, der über einen Aufnahmeantrag zu entscheiden hat, steht ein Ermessensspielraum zu. Gegen einen ablehnenden Aufnahmeentscheid besteht keine Rekursmöglichkeit, da das Schiedsgericht gemäß § 57 der Statuten nur für Streitigkeiten zwischen Gemeindegliedern und der Gemeinde oder ihren Organen sowie für Streitigkeiten der Gemeindeglieder untereinander zuständig ist. Bei der Ablehnung eines Mitgliedsersuchens ist der Antragsteller noch nicht Mitglied und verfügt über keinerlei Rechtsschutz.

546

§ 57 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 61 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 548 § 58 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 549 § 59 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 550 Aus den Statuten geht nicht direkt hervor, wer dem Präsidium angehört. Aus § 55 Statuten ist aber zu entnehmen, dass die Mitglieder des Gerichts aus ihrer Mitte den Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und einen Sekretär wählen, die allem Anschein nach das Präsidium ausmachen. So auch der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 04. August 1999. 547

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

b) Einsprachen bei Wahlen aa) Einsprachen gegen Wahlen oder Kooptationen durch den Vorstand Gegen die vom Vorstand vorgenommene Wahl von Kommissionsmitgliedern oder die Kooptation von Vorstandsmitgliedern besteht die Möglichkeit, Einspruch zu erheben. Ein solcher Einspruch muss von mindestens einem Zwanzigstel der Gemeindemitglieder, also nicht etwa nur der Stimmberechtigten, unterzeichnet werden und innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Wahl beim Gemeindesekretariat vorliegen. „Ratio legis" dieser Einspruchsnorm besteht nicht in der Möglichkeit, die Wahl an sich überprüfen lassen zu können. Vielmehr wird ein destruktives Vetorecht der Gemeinde gegen die gewählte oder kooptierte Person etabliert. Dies ergibt sich aus § 21 Satz 2 der Statuten, wonach für die beanstandete Wahl spätestens innerhalb der nächsten drei Monate nach Erhebung des Einspruchs eine Urnenabstimmung anzuordnen ist.

bb) Einsprachen gegen alle übrigen Wahlen und Abstimmungen Einsprachen gegen alle übrigen Wahlen und Abstimmungen sowie gegen damit zusammenhängende Beschlüsse des Wahlbüros 551 sind innerhalb von vierzehn Tagen zuhanden des Vorstands zulässig. Die Einsprachen werden, mit Ausnahme derjenigen, die die Vorstandswahlen betreffen, vom Vorstand endgültig entschieden 5 5 2 . Anders als bei den Einsprüchen gegen die Wahlen und Kooptationen durch den Vorstand, hat die Gemeinde bei den übrigen Wahlen und Abstimmungen kein destruktives Vetorecht. Die hier zulässigen Einsprachen können sich selbstverständlich auch gegen die gewählte Person richten. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Vorstand letztlich darüber entscheiden kann, ob dem Einspruch abgeholfen wird oder nicht. Richten sich Einsprachen gegen die Vorstandwahlen, sind sie dem Schiedsgericht zu unterbreiten, das über sie entscheidet553.

c) Berufung wegen Suspendierung in Rechten Wird ein Mitglied durch den Vorstand gemäß § 7 der Statuten in seinen Rechten suspendiert, weil dieser die Interessen oder das Ansehen der Gemeinde oder des Judentums gefährdet sah, steht dem Suspendierten innerhalb eines Monats nach 551 552 553

Zum Wahlbüro vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 2., a). § 25 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 25 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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Zustellung des Vorstandsbeschlusses die Berufung an die nächste Gemeindeversammlung offen 554 . Gegen den Beschluss der Gemeindeversammlung können sowohl der Suspendierte als auch der Vorstand innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses der Gemeindeversammlung Berufung an das Schiedsgericht erklären 555 .

d) Einsprachen gegen Entscheidungen der Steuerkommission aa) Einsprachen gegen Steuerrechnungen Einsprachen gegen Steuerrechungen müssen gemäß § 78 der Statuten innerhalb von dreißig Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung schriftlich bei der Steuerkommission eingereicht werden, die die Eingabe auch entscheidet. Gegen den Entscheid der Steuerkommission steht dem Gemeindemitglied das Rekursrecht an das Schiedsgericht der Gemeinde zu 5 5 6 . Auch dieser Rekurs muss innerhalb von dreißig Tagen nach Zustellung des Einsprache-Entscheides dem Präsidenten des Schiedsgerichts schriftlich zugehen. In Abweichung von § 56 Abs. 1 der Statuten, wonach das Schiedsgericht im Normalfall in einem Kollegium von fünf Mitgliedern entscheidet, bestimmt § 79 der Statuten, dass der Rekurs in Steuersachen von einem Ausschuss des Schiedsgerichts letztinstanzlich entschieden wird. Dieser Ausschuss besteht lediglich aus insgesamt drei Mitgliedern, wobei der Präsident des Schiedsgerichts eines der Mitglieder sein muss. Bis zur Änderung des Kirchengesetzes im Jahre 1976 557 stand dem Betroffenen gegen diesen letztinstanzlichen Steuerentscheid der Gemeinde noch innerhalb von vierzehn Tagen nach Zustellung des Entscheides die Möglichkeit eines Rekurses an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt offen. Dieser Rekurs war ebenfalls schriftlich einzureichen und darüber hinaus auch zwingend zu begründen, wobei die Begründungsfrist verlängert werden konnte. Erst gegen den Rekursentscheid des Regierungsrates war der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, soweit nicht ein Fall des Art. 49 Abs. 6 der Bundesverfassung von 1874 vorlag 558 .

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§ 7 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. § 7 Abs. 3 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 556 § 57 Abs. 2, § 79 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 557 Änderung durch § 53 Ziff. 10 Organisationsgesetz. 558 Art. 49 Abs. 6 der Bundesverfassung von 1874 enthielt das ausdrückliche Verbot, Nichtgemeindeglieder zu speziellen Kultussteuern heranzuziehen, die für „eigentliche Kultuszwecke" verwendet werden sollten; zur Frage der Gesetzgebungskompetenz vgl.: Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 49 Rdnr. 72. 555

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Seit 1971 ist gegen den letztinstanzlichen Steuerbescheid der Kirchenbehörde gleich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet 559 . Gemäß § 78 Abs. 2 der Statuten kann das steuerpflichtige Mitglied auf Grund eines Rektifikates der kantonalen Steuerbehörde eine rektifizierte GemeindesteuerRechnung verlangen. Damit ist dem Steuerpflichtigen ausdrücklich das Recht zuerkannt worden, die Gemeindesteuer lediglich aufgrund der tatsächlichen kantonalen Steuerschuld entrichten zu müssen. Verringert sich etwa seine kantonale Steuerschuld im Nachhinein, muss er sich nicht an der ursprünglichen kantonalen Steuerberechnung für die Festsetzung der Gemeindesteuer festhalten lassen.

bb) Einsprachen gegen Friedhofstaxen Für die Bestattung von Nichtgemeindemitgliedern ist gemäß § 109 Abs. 1 der Statuten eine Grabtaxe zu entrichten, die ebenfalls durch die Steuerkommission festgelegt wird 5 6 0 . Gegen diesen Entscheid der Steuerkommission besteht gemäß § 111 der Statuten innerhalb eines Monats Rekursmöglichkeit an den Vorstand, dessen Entscheidung endgültig ist.

II. Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel 1. Zugehörigkeit

a) Begründung der Mitgliedschaft aa) Allgemein Die Mitgliedschaft in der privatrechtlich organisierten Israelitischen Religionsgesellschaft Basel wird gemäß § 3 der Statuten561 durch Aufnahme seitens der Verwaltung begründet. Ein entsprechender Antrag bedarf der Schriftform und ist an den Vorstand der Gemeinde zu richten. Auch die Antwort des Vorstandes muss schriftlich erfolgen. Insoweit hat der Antragsteller einen Anspruch auf Schriftlichkeit der Entscheidung. Hingegen besteht kein Anspruch auf Mitteilung der Gründe bei einem negativen Entscheid 562 .

559 § 6 Abs. 2 Kirchengesetz. 560 Zu Einzelheiten der Grabtaxenfestlegung vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 4., b), cc). 561 Wenn hier und im Folgenden lediglich von Statuten die Rede ist, sind die Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel gemeint. 562 § 3 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel sieht ausdrücklich das Recht des Vorstandes vor, Aufnahmegesuche auch ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

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In § 3 der Statuten ist einerseits davon die Rede, dass die Mitgliedschaft durch Aufnahme seitens der Verwaltung erfolge, andererseits wird der Vorstand als Adressat von Mitgliedsanträgen genannt. Es bleibt unklar, ob zwischen Verwaltung und Vorstand auch inhaltliche Unterschiede bestehen oder ob der Begriff der Verwaltung, gewissermaßen als Überbegriff auch oder ausschließlich den Vorstand meint. Da bei jeder Auslegung zunächst vom Wortlaut auszugehen hat, ist zunächst festzustellen, dass in § 3 der Statuten unterschiedliche Begriffe für unterschiedliche Kompetenzen verwendet werden. Während der Verwaltung die Letztentscheidungskompetenz hinsichtlich etwaiger Aufnahmeanträge zugestanden wird, wird der Vorstand zunächst nur als Adressat des Antrages auf Mitgliedschaft genannt. Denkbar wäre, dass der Vorstand die Anträge entgegennehmen solle, die letztliche Entscheidung aber der Verwaltung vorbehalten bleiben solle. Diese sprachliche Auslegung wird zunächst durch § 10 der Statuten gestützt, der die Aufgaben des Vorstandes aufführt 563 . Gemäß § 10 der Statuten kommt dem Vorstand zum einen die Aufgabe zu, darüber zu wachen, dass der Vereinszweck erfüllt wird. Zum anderen obliegt ihm die Vertretung nach außen. Die Entscheidungsbefugnis über Mitgliedsersuchen ist in § 10 der Statuten nicht genannt. Die Nichterwähnung der Entscheidungskompetenz auf Seiten des Vorstandes könnte ein Hinweis darauf sein, dass es gerade nicht der Vorstand sein soll, der über Aufnahmeersuchen zu entscheiden hat, sondern eben die Verwaltung. Weiterhin könnte ein solches Verständnis durch § 6 der Statuten gestützt werden, der die Zusammensetzung der Berufungskommission gegen Leistungsbescheide regelt. Zu dieser Berufungskommission sind nämlich zwei Mitglieder der Verwaltung hinzuzuziehen564. Andererseits ist den Statuten aber nicht zu entnehmen, wer mit der „Verwaltung" gemeint sein könnte. Während die §§ 10 bis 14 sowie 20 der Statuten die Zusammensetzung und die Aufgaben des Vorstandes genau beschreiben, fehlt es an einer Konkretisierung hinsichtlich der Zusammensetzung und der Aufgaben einer „Verwaltung" 565 . Anders als die Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel 566 , sehen die Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel auch nicht die Anstellung eines Verwalters vor. Auch sonst werden neben dem Vorstand nur noch die Mitgliederversammlung 567 und die Berufungskommission 568 als Gemeindeorgane erwähnt. Demnach kann nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob es im Rahmen der geltenden Statuten neben oder parallel zum Vorstand eine Verwaltung geben kann. Eine solche Verwaltung neben oder parallel zum Vorstand scheidet aber schon des563 Zu den Einzelheiten der Vorstandsaufgaben siehe unten unter: Viertes Kapitel, Β., II., 3., b), bb). 564 § 6 Satz 3 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. Zum Auslegungsproblem, das § 6 Statuten seinerseits mit sich bringt, siehe unten unter: Viertes Kapitel, Β., II., 4. 565 Auch aus § 6 Statuten lässt sich kein eindeutiger Hinweis entnehmen, wer mit „Verwaltung" gemeint sein könnte. 566 § 38 Abs. 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 567 §§ 16 ff. Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 568 Zur Berufungskommission siehe auch unten unter: Viertes Kapitel, Β., II., 4. 1*

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halb als Möglichkeit aus, weil sie mit einem qualitativen Mehr an Entscheidungskompetenzen ausgestattet wäre. Zwar muss sich ein privatrechtlich organisierter Verein noch weniger an demokratische Vorgaben des staatlichen Gemeinwesens halten als eine öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaft, dennoch ist es aber nicht möglich, einem Gemeindeorgan, dessen Zusammensetzung und Aufgaben in den Statuten selbst nicht geregelt sind, entscheidend wichtige Kompetenzen zu übertragen. Denkbar wäre aus besagten Gründen höchstens eine „Verwaltung", die im Wesentlichen aus dem Vorstand selbst besteht: gewissermaßen der „erweiterte Vorstand" als „Verwaltung". Da aber eine solche Konstruktion nicht von den Statuten vorgesehen ist, ist eine eventuelle „Erweiterung" sehr restriktiv zu beurteilen. Auf keinen Fall dürfte der Vorstand, zur „Verwaltung ergänzt", um mehr als vier Mitglieder erweitert werden, da der durch die Statuten vorgesehene Vorstand aus fünf Mitgliedern besteht und sich anderenfalls von den Statuten nicht mehr gedeckte Legitimationsverschiebungen ergeben würden. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es sich bei der „Verwaltung" in §§ 3 und 6 der Statuten aufgrund von systematischen und teleologischen Überlegungen nur um den Vorstand selbst oder um einen unwesentlich erweiterten Vorstand handeln kann. Auch wenn es aus § 3 der Statuten nicht eindeutig hervorgeht, so ist es in der Gemeindepraxis doch der Vorstand, der in enger Abstimmung mit dem Rabbiner über die Aufnahme von Mitgliedern in die Israelitische Religionsgesellschaft Basel zu entscheiden hat 5 6 9 . Dem Vorstand (als „Verwaltung") kommt dabei ein weiter Ermessensspielraum zu. Wurde ein Antrag abgelehnt, kann ein neuer Antrag erst nach Ablauf eines Jahres gestellt werden. § 4 der Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel nennt Ausschlussgründe für eine Mitgliedschaft. Liegen diese vor, ist das Ermessen der Gemeindeverwaltung auf Null reduziert. Liegt einer der Ausschlussgründe, wie ein prinzipielles Leben entgegen der Gesetze der Thora 570 , eine nicht vollzogenem Beschneidung571 oder ein Leben in religionsgesetzlich verbotener Ehe 5 7 2 vor, ist der Vorstand in seiner Entscheidung gebunden: Der Mitgliedsantrag ist abzulehnen. Ebenso wie bei der Israelitischen Gemeinde Basel besteht gegen den Ablehnungsentscheid keine Rekursmöglichkeit. Anders als bei der Israelitischen Gemeinde Basel wird bei der Begründung der Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel nicht an die Eigenschaft „Kantonseinwohner" 573 angeknüpft. Dieser Unterschied ergibt sich aus dem 569 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 570 § 4 a) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 571

Respektive der Weigerung eine Beschneidung an seinem Sohn vornehmen zu lassen; § 4 b) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 572 Respektive der Weigerung, sich in religionsgesetzlich vorgeschriebener Weise trauen zu lassen; § 4 c) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel.

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Umstand, dass die Israelitische Religionsgesellschaft Basel als privatrechtlicher Verein organisiert ist und sich nicht wie die Israelitische Gemeinde Basel auf § 19 Abs. 4 der Kantonsverfassung Basel-Stadt berufen kann.

bb) Aktive / passive Mitgliedschaft / Mitgliedschaft von Frauen Die Statuten differenzieren, wenn nicht ausdrücklich, so doch klar aus dem Kontext entnehmbar, zwischen einer aktiven und einer passiven Mitgliedschaft. § 5 c) der Statuten definiert die passive Mitgliedschaft: „Die passive Mitgliedschaft berechtigt ausschließlich zur Benützung sämtlicher religiöser Institutionen der Gemeinde."

Passive Mitglieder dürfen demnach zwar die Gemeindeeinrichtungen nutzen, sind aber vom Meinungsbildungsprozess innerhalb der Gemeinde ausgeschlossen. Das geht aus dem eindeutigen „ausschließlich" in § 5 c) der Statuten hervor. Mehr als die Nutzung der Gemeindeeinrichtungen wird nicht zugestanden. Der Unterschied zwischen der aktiven und passiven Mitgliedschaft besteht also darin, dass aktiven Mitgliedern alle Rechte einschließlich der Mitbestimmungsrechte zustehen, während die passiven Mitglieder nicht stimmberechtigt sind. Wer aktives oder passives Mitglied der Gemeinde ist, geht aus den Statuten ebenfalls nicht ausdrücklich hervor. § 5 b) der Statuten lässt aber aufgrund seiner Formulierung und seiner Stellung direkt vor § 5 c) der Statuten darauf schließen, dass alle männlichen Mitglieder aktive Mitglieder sind: „Die volljährigen männlichen 57 4 Mitglieder sind berechtigt zur Teilnahme an den Mitgliederversammlungen, Abstimmungen und Wahlhandlungen".

Der Schluss, dass gemäß § 5 c) i.V.m. § 5 b) der Statuten alle Frauen passive Mitglieder seien, erweist sich angesichts der Formulierung des § 5 a) der Statuten als zu vorschnell: „Jedes Mitglied hat für sich, seine Frau und seine mindeqährigen Kinder das Recht, die Einrichtungen der Religionsgesellschaft je nach den für solche geltenden Bestimmungen unentgeltlich oder gegen Entgeld zu benützen ( . . . ).".

Wenn alle Frauen passive Mitglieder wären, wäre dieser § 5 a) der Statuten überflüssig. Denn den passiven Mitgliedern steht das Recht auf Nutzung der Gemeindeeinrichtungen gemäß § 5 c) der Statuten direkt und persönlich in Form eines ausdrücklichen Anspruchs zu. Passive Mitglieder können diesen Zugangsanspruch auch selbst gegenüber dem Verein geltend machen. § 5 a) der Statuten gesteht der verheirateten Frau einen solchen eigenen Anspruch gerade nicht zu. Sie ist darauf verwiesen, dass ihr Mann in eigenem Namen ein ihm selbst zustehendes Recht für 573 § 3 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 574 Hervorhebung durch den Verfasser.

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seine Frau und seine minderjährigen Kinder ausübt. § 5 a) der Statuten ähnelt insofern dem Rechtinstitut des paterfamilias des Römischen Rechts. Der Familienvater war mit Rechtsgewalten über die zu seinem eigenen Hausverband gehörenden freien und unfreien Personen und Sachen (die Ehefrau in manu, die Hauskinder, Sklaven und Sachgüter) ausgestattet575. Der Schluss, dass verheiratete Frauen wegen § 5 a) der Statuten keine passiven Mitglieder sein können, wird dadurch gestützt, dass auch in der Gemeindepraxis die passive Mitgliedschaft unverheirateten, geschiedenen oder verwitweten Frauen vorbehalten bleibt. Unter den Gemeindemitgliedern befindet sich eine unverheiratete Frau, die den Antrag auf Aufnahme in die Gemeinde gemäß § 3 der Statuten gestellt hat und als passives Mitglied gemäß § 5 c) der Statuten aufgenommen wurde 576 . Während verheiratete Frauen demnach keine Mitglieder sind, dennoch aber über ihre Ehemänner am Gemeindeleben teilnehmen, ist über die passive Mitgliedschaft für alleinstehende Frauen eine Partizipationsmöglichkeit am Gemeindeleben gegeben. Auch hierin wird eine Parallele zum Römischen Recht erkennbar: Starb der paterfamilias, so entstanden so viele Familien, wie Personen unter seiner Gewalt gestanden hatten. Seine Ehefrau in manu sowie seine Söhne und Töchter wurden gewaltfrei 577 . Neben der vollberechtigenden aktiven Mitgliedschaft der Männer gibt es also eine passive Mitgliedschaft für alleinstehende und ausdrücklich aufgenommene Frauen. Verheiratete Frauen sowie minderjährige Kinder sind weder aktive noch passive Mitglieder, sie nehmen über den Ehemann beziehungsweise den Vater am Gemeindeleben teil. Diese Mitgliedschaftsabstufungen bringen es mit sich, dass verheiratete Frauen, anders als alleinstehende und aufgenommene Frauen, nicht an Mitgliederversammlungen teilnehmen dürfen. § 16 b) Satz 2 der Statuten lautet: „Zur Mitgliederversammlung haben nur Mitglieder der Religionsgesellschaft Zutritt.".

Auch hier stellt sich die Frage, ob diese gemeindlichen Regelungen mit Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 4 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) vereinbar sind. Zunächst ist im Unterschied zu bislang zu diesem Problembereich Ausgeführtem anzumerken, dass es sich bei der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel nicht um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, sondern um einen privatrechtlich organisierten Verein handelt. Anders als die Israelitische Gemeinde hat sie sich demnach nicht im Zusammenhang einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung gegenüber dem Kanton auf einen gewissen Grundrechts verzieht eingelassen578. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Selbstbestimmungsrecht privatrechtlich verfasster Religionsgemeinschaften unbeschränkt Geltung beanspruchen könnte. Vielmehr 57 5

Käser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 36 f. So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 57 7 Käser, Das römische Privatrecht, Erster Abschnitt, S. 59. 578 Vgl. F. Hafner/Buser, Frauenordination via Gleichstellungsgesetz?, in AJP/PJA 1996, S. 1211; Malacrida, Der Grundrechtsverzicht, S. 110 f. 576

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ist unbestritten anerkannt, dass Grundrechte, die zunächst einmal Abwehrrechte gegenüber dem Staat darstellen, unter bestimmten Umständen auch unter Privaten gelten (Drittwirkung der Grundrechte) 579. Ein auch an dieser Stelle zu versuchender Ausgleich zwischen dem Gleichheitsprinzip und dem religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel muss wiederum am jeweiligen Umfang der wiederstreitenden Interessen ansetzen. Neben der angedeuteten relativ schwachen Bindung der privatrechtlich organisierten Israelitischen Religionsgesellschaft an die Grundrechte und deren starke grundrechtliche Stellung gegenüber dem Staat ist weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage, ob auch verheiratete Frauen Mitglieder sein sollten, um einen Aspekt des Mitgliedschaftswesens handelt. Wenn nun der Kanton BaselStadt als Träger der Kirchenhoheit den sogar stärker an die Grundrechte gebundenen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften das Mitgliedschaftswesen als einen autonomen „internen" Bereich zubilligt 580 , dann muss dies erst recht für die Israelitische Religionsgesellschaft Basel gelten. Damit ist bereits eine mittelbare Drittwirkung des Gleichheitsprinzips im Bereich der Israelitischen Religionsgesellschaft zu verneinen. Selbst wenn man eine solche annehmen wollte, würde jedoch das Selbstbestimmungsrecht im Rahmen einer Abwägung gegenüber dem Gleichstellungsprinzip stärker zu gewichten sein. Etwas anderes könnte sich lediglich hinsichtlich der alleinstehenden und aufgenommenen Frauen ergeben, die zwar Mitglieder der Gemeinde sind und auch an der Mitgliederversammlung teilnehmen können, denen aber gemäß § 5 b) der Statuten kein Stimmrecht zugestanden wird. Anders als bei der grundsätzlich nicht möglichen Mitgliedschaft von verheirateten Frauen, ist hier nicht das Mitgliedschaftswesen, sondern das Stimmrecht, also die Partizipation am Meinungsbildungsprozess, angesprochen. Wie bereits oben angedeutet581, ist anderen Kantonsverfassungen 582 zu entnehmen, dass die Organisation, das Stimm- und Wahlrecht, die Errichtung und Ordnung der „Kirchengemeinden" sowie die Finanzordnung mit der Folge zu den äußeren Angelegenheiten gezählt werden können, dass hier im Rahmen eines Ausgleichs dem Gleichheitsprinzip größeres Gewicht einzuräumen sein dürfte. 579 Ausführlich dazu: F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 63 ff., 314 ff.; Rüfner, Die Geltung von Grundrechten, in: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, S. 189 ff. 580 Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung , Nr. 6897, S. 8 f.; vgl. auch Friesenhahn, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, in: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, S. 358. 581 Siehe oben unter: Viertes Kapitel, Β., I., 2., b). 582 Vgl. etwa Art. 122-125 Berner Kantonsverfassung; Art. 64 Züricher Kantonsverfassung .

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Der Kanton Basel-Stadt hat sich als Träger der Kirchenhoheit jedoch soweit zurückgenommen, als dass er nur den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, und denen lediglich zum Erlass und zur Änderung der Kirchenverfassungen, demokratische „Minimalvorgaben" macht 583 . Damit wurde den Religionsgemeinschaften, vor allem den privatrechtlichen, ein weitreichendes Selbstbestimmungsrecht zugestanden, das auch ungleiche Partizipationsmöglichkeiten zur Willensbildung einschließt. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 4 Bundesverfassung von 1874) ist damit nicht feststellbar. Gleichwohl sind hier deutliche Diskriminierungen auszumachen, denen jedoch nicht mit staatlichem Recht abgeholfen werden kann 584 . Vielmehr ist es Sache der Israelitischen Religionsgesellschaft, sich mit der fortschreitenden Gleichstellung der Frau in allen übrigen gesellschaftlichen Bereichen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls eine weitgehende585 Gleichstellung aller Frauen, unabhängig von ihrem Familienstand, zu ermöglichen.

b) Beendigung der Mitgliedschaft aa) Tod Die Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel endet durch den Tod des Gemeindegliedes, selbst wenn dieser Beendigungsgrund, ebenso wie in den Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, unerwähnt bleibt 586 .

bb) Austritt § 8 der Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel lautet: „Der Austritt aus dem Verein muss schriftlich angemeldet werden und wird erst das nächste Vierteljahr wirksam. Der Austretende verliert dem Verein gegenüber alle Ansprüche." 583 § 2 Abs. 2 Kirchengesetz; vgl. auch Friesenhahn, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, in: Mikat, (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, S. 358; Fuchs, Kirche und Staat, S. 363; ders., Kirchen, S. 347 sieht in der am 3. Dezember 1972 angenommenen Änderung des § 19 der baselstädtischen Kantonsverfassung eine Bestätigung der bisherigen Basler Lösung und zugleich eine Weiterentwicklung im Sinne größter kirchlicher Freiheit. 584

Vgl. J. P. Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 456, der den normativen Gehalt von Art. 8 Abs. 3 der neuen Bundesverfassung von 1999 in der Schutzgewährleistung vor staatlicher Diskriminierung sieht. 585 § 25 Statuten der IRG, der die §§ 1, 2, 4, 11, 12 und 26 Statuten der IRG für unabänderlich erklärt, verhindert lediglich die Wahl von Frauen in den Gemeindevorstand. § 5 Statuten der IRG könnte mit einer entsprechenden Mehrheit (§ 24 Statuten der IRG) durchaus geändert werden. 586 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999.

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Als einziges formelles Erfordernis nennt § 8 der Statuten die Schriftlichkeit des Austrittsgesuchs. Hingegen stellt die Bestimmung, dass der „angemeldete" Austritt erst in einem Vierteljahr wirksam werde, keine Formvorschrift dar. Vielmehr handelt es sich bei dem „Vierteljahr" gewissermaßen um eine „Kündigungsfrist", die nicht den Zweck einer „Bedenkzeit" hat, sondern es der Verwaltung der Religionsgesellschaft lediglich ermöglichen soll, sich auf die neuen Verhältnisse „einzustellen", den Austrittswilligen also aus der „Mitgliederkartei herauszunehmen". Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 8 der Statuten, der davon spricht, der Austritt sei „anzumelden". Zum anderen spricht die Tatsache, dass nach dem „Vierteljahr" der Austrittswille nicht nochmals besonders „bestätigt" zu werden braucht, gegen die Annahme einer „Bedenkzeit", wie sie in Art. 31 des Kirchensteuerdekretes der bernischen Landeskirche zu finden war 5 8 7 . Von daher ist § 8 der Statuten nicht schon von vornherein durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung legitimiert, die gegen formelle, an den Kirchenaustritt geknüpfte Erfordernisse an sich keine Einwände hat 5 8 8 und die man a fortiori auch auf die privatrechtlich organisierte Israelitische Religionsgesellschaft Basel hätte übertragen können. Die Frage, ob ein „Vierteljahr" nach Erklärung des Austritts oder zum Ende des nächsten Quartals 589 gemeint ist, kann dahinstehen, wenn die Nichtzulassung eines sofortigen Austritts aus der Israelitischen Religionsgesellschaft nicht schon für sich genommen rechtswidrig ist. Wenn § 8 der Statuten eine solche Frist bis zum Wirksamwerden des Austritts vorsieht, könnte dies durch Art. 70 Abs. 2 ZGB gedeckt sein, der sogar eine halbjährige Frist auf das Ende des Kalenderjahres vorsieht. Problematisch ist aber, dass eine Bindung an die Religionsgemeinschaft über den Zeitpunkt der Austrittserklärung hinaus die Freiheit des Austritts gemäß Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) verletzten könnte. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass auch private Religionsgemeinschaften trotz Art. 70 Abs. 2 ZGB den Mitgliedern jederzeit den Austritt gewähren müssten. Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) sei eine Norm, die ohne weiteres auch auf zivile Religionsgemeinschaften Anwendung finde 590.

587 Nach der 1995 revidierten Berner Kantonsverfassung wäre eine Austrittsregelung mit einer bekräftigenden Bestätigung nach dreißig Tagen nicht mehr zulässig: Art. 124 (SR 131.212) der Berner Kantonsverfassung schreibt ausdrücklich vor, dass ein Kirchenaustritt jederzeit durch eine einfache schriftliche Erklärung möglich sein muss: J. P. Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 89 Fn. 41. 588 BGE 104 Ia 79 ff. 589 Vgl. § 7 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel, der hinsichtlich des Mitgliedsbeitrages eine vierteljährige Vorauszahlungspflicht vorsieht und damit zweifelsfrei eine Vorausleistung pro kalendarisches Quartal meint. 590 Egger, Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft, S. 37 m. w. N.; Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 448.

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Letztlich ist das Problem sogar rein zivilrechtlich zu lösen. Art. 843 Abs. 2 und Art. 545 Abs. 2 des Obligationenrechts sehen im Hinblick auf das Genossenschafts- und Gesellschaftsrecht ein jederzeitiges Austrittsrecht aus wichtigem Grund vor. Das ZGB enthält zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass ein sofortiger Austritt aus wichtigen Gründen auch aus Vereinen möglich sein solle. Während die Rechtsprechung 591 dies aber allgemein anerkannt hat, nimmt die Lehre an, dass der Grundsatz der Kündigung aus wichtigem Grunde sogar überpositive und allgemeine Geltung habe 592 . Das Recht, entgegen den Statuten aus wichtigen Gründen sofort auszutreten, bestehe insoweit, als durch den Zwang zum Weiterverbleiben die durch Art. 27 ZGB gewährleisteten Persönlichkeitsrechte verletzt würden 593 . Immer wieder hat das Bundesgericht ausgeführt, dass eine rechtliche Bindung immer schon dann abgelehnt werden müsse, wenn „es sich bei dem in Rede stehenden Gesellschaftszweck ( . . . ) um ein Geschäft handelt, das sich bezüglich der moralischen Verantwortlichkeit von den Geschäften des gewöhnlichen Verkehrs in ganz wesentlichem Maße unterscheidet 594". Hinsichtlich seiner moralischen Verantwortlichkeit müsse dem Austrittswilligen sein eigenes Urteil unbeschränkt gewahrt bleiben. Es lasse sich mit dem Persönlichkeitsschutz des ZGB nicht vereinbaren, wenn dem Befinden des Einzelnen in dieser Beziehung vertragliche Schranken auferlegt würden; eine die freie Entscheidung hemmende vertragliche Bindung erweise sich als eine unzulässige Freiheitsbeschränkung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 ZGB. Hieraus folge, dass der jederzeitige Rücktritt von einer solchen gesellschaftlichen Vereinigung dem Einzelnen zustehen müsse, und zwar ohne dass er gehalten wäre, die objektive Begründetheit dieses Schrittes nachzuweisen. Es genüge, dass der Gesellschafts- beziehungsweise Vereinszweck mit den moralischen Empfindungen des Austritts willigen nicht mehr in Einklang stehe 595 . Beim Zweck der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel, nämlich die „Aufgaben der jüdischen Religionsgemeinde zu lösen" 596 , handelt es sich zweifelsohne um ein „Vorhaben", das sich von den Zielen des gewöhnlichen Verkehrs in ganz wesentlichem Maße unterscheidet. Kommt nun ein Austrittswilliger aufgrund seines eigenen Urteils zum Ergebnis, diesen Zweck nicht weiter in moralischer Verantwortlichkeit mittragen zu können, muss diesem Befinden des Einzelnen mit der Möglichkeit eines sofortigen Austritts Rechnung getragen werden. Daher muss § 8 der Statuten entgegen seines Wortlauts so ausgelegt werden, dass ein jederzeitiger Austritt möglich ist. Die Frage, ob das in § 8 der Statuten genannte „nächste Vierteljahr" das nächste „kalendarische Quartal" oder „ein Vierteljahr nach Austrittserklärung" meint, kann also dahinstehen. 591 BGH 71 I I 196 ff. 592 Bucher, in: Berner Kommentar, 2. Abteilung, Zweiter Teilband, Rdnr. 200. 593 Vgl. Egger, Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft, 38 m. w. N. 594 BGE 48 I I 442. 595 BGE 48 I I 442 f. 596 § 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel.

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Eine andere Frage ist die der wirtschaftlichen Auswirkung des Austritts. So könnten eventuelle „finanzielle Nachwirkungen" entstehen, die in verhältnismäßigem Umfang zulässig sein könnten. So war bis 1978 sowohl in der Literatur 597 als auch vom Bundesgericht 598 anerkannt, dass dem früheren Mitglied gemäß den Statuten auch noch nach dem Austritt eine Pflicht auferlegt sein könne, Beiträge, Steuern oder andere mitgliedschaftliche Leistungen zu entrichten. Die Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel sehen in § 8 der Statuten vor, dass der Austritt „erst das nächste Vierteljahr wirksam" werde. Wie oben dargelegt, muss diese Bestimmung einerseits korrigierend dahingehend ausgelegt werden, dass ein sofortiger Austritt möglich bleibt, andererseits würde der Wortlaut dieses Paragraphen dafür sprechen, eine vierteljährliche „finanzielle Nachwirkung" anzunehmen. Ein Gemeindeglied könnte zwar mit sofortiger Wirkung aus der Israelitischen Religionsgesellschaft austreten, müsste aber seine Mitgliedsbeiträge noch bis zu einem Vierteljahr weiterbezahlen. Eine solche Auslegung könnte aber an der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts scheitern. Das Gericht hat sich ausdrücklich von seiner früher vertretenen Meinung distanziert, dass der bereits vor dem Austritt fällig gewordene ganze Jahresbeitrag oder die ganze Jahressteuer noch zu entrichten sei. Die Verlängerung der Kirchenzugehörigkeit um die Zeit eines (grundsätzlich zulässigen) formellen Austrittsverfahrens stehe, so das Bundesgericht, im Widerspruch zu Sinn und Zweck von Art. 49 der Bundesverfassung von 1874. Die Kirchensteuer dürfe nur noch pro rata temporis (auf den Tag genau) bis zum Kirchenaustritt erhoben werden 599 . Fraglich ist, ob diese neue Rechtsprechung auch auf private Religionsgemeinschaften Anwendung findet. Gemäß Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) darf niemand gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören. Wie schon angedeutet, richten sich Grundrechte in erster Linie in Form von Freiheitsrechten gegen den Staat. Der Staat darf also niemanden in eine Religionsgemeinschaft hineinzwingen oder schikanöse Vorschriften aufstellen, die den Austritt unnötig erschweren oder verzögern 600. Hier ist jedoch fraglich, ob auch eine privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaft mittelbar an Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) gebunden ist. Dies ist schon vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des Art. 49 Abs. 2 der Bundesverfassung von 1874 zu bejahen. Die Aufrechterhaltung des konfessionellen Friedens gelang und gelingt insbesondere nur dann, wenn sich das Verbot, jemanden zur Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu zwingen, an die Religionsgemeinschaften selbst richtet. Der damalige Staat hat Art. 49 der Bundes597 Mit einem Vergleich zwischen der Schweiz und Deutschland siehe: Egger, Der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft, S. 39 ff. 598 BGE 311 89; BGE 37 I I 417.

5" BGE 104 1 79 ff. (Ausführungen unter E4, S. 85 f.) 600 J. R Müller, Grundrechte in der Schweiz, S. 88.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Verfassung an die Religionsgemeinschaften „adressiert", nicht an sich selbst. Die „Gefahr" der „Vereinnahmung" ging von den Kirchen, nicht vom Staat aus. Insofern wird in der Literatur sogar von einer „direkten Drittwirkung" unmittelbar aus Art. 49 der Bundesverfassung von 1874 gesprochen 601. Daneben ist der Staat gemäß Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Austrittswillige seine bisherige Religionsgemeinschaft auch verlassen kann. Schon von daher ist Art. 15 Abs. 4 der Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 49 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) zumindest eine mittelbare Drittwirkung zuzusprechen 602. Mithin ist die neue Rechtsprechung des Bundesgerichts, nach der Kirchensteuern nur noch pro rata temporis eingezogen werden dürfen 603 , auch auf privatrechtlich organisierte Religionsgmeinschaften übertragbar, die Beiträge über den Zeitpunkt des sofortigen Austritts hinaus einziehen wollen. Auch aus der privatrechtlich organisierten Israelitischen Religionsgesellschaft Basel ist jederzeit ein sofortiger Austritt ohne „finanzielle Nachwirkungen" möglich 604 . Nicht geregelt ist, wem gegenüber der Austritt erklärt werden muss. Gemäß § 10 i.V.m. § 2 der Statuten nimmt der Vorstand die Aufgaben der jüdischen Religionsgemeinde wahr. Ihm steht die Residualkompetenz zu. In Ermangelung einer Spezialzuweisungsnorm ist der Vorstand der Adressat der Austrittsanmeldung. Gemäß § 8 Satz 2 der Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel verliert das scheidende Mitglied mit seinem Austritt alle Ansprüche gegenüber dem Verein. Fraglich ist, ob diese Bestimmung in ihrer Absolutheit Bestand haben kann. Zwar sieht auch Art. 73 Abs. 1 ZGB vor, dass Mitglieder, die austreten, keinen Anspruch auf das Vereinsvermögen haben. Das „Vereinsvermögen" ist jedoch nicht streng juristisch zu interpretieren. Die Bestimmung schließt für das ausgeschiedene Mitglied sowohl obligatorische Rechte 605 gegenüber dem Verein als auch einen Fortbestand mitgliedschaftlicher Benutzungsrechte aus 606 . Auch wird das ausgeschiedene Mitglied keinen Anspruch mehr auf Teilhabe an der vereinsinternen Meinungsbildung (Art. 67 ZGB) haben.

601

Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 49 Rndr. 54. In diesem Sinne auch: Burckhardt , Kommentar, S. 453; Häfelin, in: Kommentar zur Bundesverfassung von 1874, Art. 49 Rndr. 54 m. w. N.; Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 448. 603 BGE 104 1 86 f. 604 Etwas anders das deutsche Bundesverfassungsgericht, das Art. 4 GG bei einem Kirchenaustritt noch nicht verletzt sieht, wenn die Kirchensteuerpflicht aufgrund der erforderlichen Abwicklungsfrist erst einen Monat nach Erklärung des Austritts endet; vgl. BVerfGE 44, 37 (58) sowie v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 168 f. 605 Zum Beispiel „Abfindungsansprüche", vgl. BGE 80 I I 128. 606 Riemer, in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 73 Rdnr. 9. 602

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Mit der Bestimmung des § 8 Satz 2 der Statuten können demnach nur solche Ansprüche gemeint sein, die sich direkt aus dem Vereinsverhältnis selbst ergeben. Nicht ausschließen können dagegen die Vereinsstatuten Ansprüche, die zwar zwischen Verein und Vereinsmitglied, aber „außerhalb des Vereinslebens" entstanden sind. Also solche Ansprüche, die dem „Vereinsmitglied als Drittem" zustehen. Beispielsweise verliert das austretende Mitglied, welches noch während der Mitgliedschaft dem Verein ein Darlehen gegeben hat, nicht seinen Anspruch gegen den Verein als Borger auf Rückzahlung der Darlehenssumme aus Art. 312 des Obligationenrechts. Im Hinblick auf solche Ansprüche ist § 8 Satz 2 der Statuten einschränkend auszulegen.

cc) Ausschluss aus der Gemeinde Die Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel endet ebenfalls durch Ausschluss. Er kann gemäß § 9 der Statuten auf Grund „schwerwiegender Tatsachen" oder „beharrlicher Leistungsverweigerung" vom Vorstand beschlossen werden. Dem Betroffenen steht das Recht zu, die Generalversammlung 6 0 7 anzurufen. Wie bereits oben unter „Begründung der Mitgliedschaft" erwähnt, nennt § 4 der Statuten Ausschlussgründe für eine Mitgliedschaft. Liegt einer der Ausschlussgründe, wie ein prinzipielles Leben entgegen der Gesetze der Thora 608 , eine nicht vollzogene Beschneidung609 oder ein Leben in religionsgesetzlich verbotener Ehe 6 1 0 vor, ist der Mitgliedsantrag abzulehnen. § 9 Satz 2 der Statuten bestimmt darüber hinaus, dass in diesen Fällen die Mitgliedschaft von selbst erlischt, es also keines ausdrücklichen Ausschlusses aus der Gemeinde bedarf. Genau genommen handelt es sich damit bei der Mitgliedschaft in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel um eine resolutiv-bedingte Mitgliedschaft im Sinne von Art. 154 611 sowie Art. 155 bis 157 des Obligationenrechts, welche ohne weiteres mit Eintritt einer der in § 4 der Statuten genannten Bedingungen erlischt 6 1 2 . 607 Hinsichtlich der „Generalversammlung" und der „Mitgliederversammlung" ist der Sprachgebrauch innerhalb der Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel uneinheitlich. Dennoch ist in jedem Fall die selbe Versammlung gemeint. So jedenfalls das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 608

§ 4 a) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. Respektive der Weigerung eine Beschneidung an seinem Sohn vornehmen zu lassen; § 4 b) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 610 Respektive der Weigerung, sich in religionsgesetzlich vorgeschriebener Weise trauen zu lassen; § 4 c) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 611 Art. 154 des Obligationenrechts lautet: „Ein Vertrag, dessen Auflösung vom Eintritte einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, verliert seine Wirksamkeit mit dem Zeitpunkte, wo die Bedingung in Erfüllung geht. Eine Rückwirkung findet in der Regel nicht statt." 609

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Fraglich ist jedoch, wer den Eintritt der Bedingung festzustellen befugt ist. Grundsätzlich ist für den Ausschluss von Vereinsmitgliedern die Gemeindeversammlung gemäß Art. 65 Abs. 1 ZGB zuständig. Da es sich aber bei Art. 65 Abs. 1 ZGB nicht um eine „von Gesetzes" wegen vorgeschriebene Bestimmung im Sinne des Art. 63 Abs. 2 ZGB handelt, war die statutengebende Gründungsversammlung frei, einem anderen Vereinsorgan das Recht zuzuweisen, über Ausschlussfragen zu befinden 613 . In § 9 der Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft wurde dem Vorstand das Recht zugewiesen, über einen Ausschluss zu beschließen. Problematisch ist nun aber, ob dem Vorstand auch das Recht zusteht, den Eintritt einer der genannten Bedingungen deklaratorisch festzustellen. Dem Wortlaut des § 9 der Statuten ist ein solches Recht des Vorstandes nicht ohne weiteres zu entnehmen, wird doch nur ausdrücklich das Recht, über einen Ausschluss zu beschließen statuiert. § 9 Satz 2 der Statuten lautet lapidar: „In den im § 4 vorgesehenen Fällen erlischt die Mitgliedschaft von selbst." Da sich die Statuten über die Zuständigkeit einer Feststellung des Bedingungseintritts ausschweigen, könnte eine wörtliche Auslegung zu dem Ergebnis führen, dass nunmehr wieder die allgemeine Auffangkompetenz zu Gunsten der Mitgliederversammlung gemäß Art. 65 ZGB auflebt. Diese allgemeine gesetzliche Kompetenzabgrenzung zu Gunsten der Mitgliederversammlung kann allerdings dann nicht maßgebend sein, wenn eine statutarische Kompetenzzuweisung an ein anderes Vereinsorgan lückenhaft ist und besser „aus sich selbst" heraus ergänzt werden kann 614 . Wie oben gerade festgestellt, ist § 9 Satz 2 der Statuten lückenhaft. Die Lücke könnte jedoch durch eine systematische Auslegung geschlossen werden. Die Bestimmung über das automatische Erlöschen der Mitgliedschaft steht in unmittelbarem Anschluss der Kompetenzzuweisung an den Vorstand, über Ausschlussfragen beschließen zu dürfen. Auch der folgende § 10 der Statuten behandelt Fragen, die die Zusammensetzung des Vorstandes betreffen. Aus der systematischen Stellung des § 9 Satz 2 der Statuten lässt sich demnach schließen, dass es der Wille der statutengebenden Versammlung war, dem Vorstand auch das Recht zuzugestehen, das automatische Erlöschen der Mitgliedschaft deklaratorisch feststellen zu können. Der Verein muss allerdings angesichts der Tragweite des § 9 Satz 2 der Statuten sowohl im eigenen wie im Interesse des betroffenen Mitgliedes die Bedingungen in den Statuten ganz eindeutig umschreiben 615. Es muss sich um Ereignisse handeln, die ohne weiteres festgestellt werden können 616 . Nur dann besteht auch für das betroffene Mitglied genügende Rechtsklarheit. Kann auch das Mitglied das Vorliegen der Bedingungen für ein „automatisches" Erlöschen der Mitgliedschaft 612

Riemer, in: Berner Vgl. auch Riemer, Rdnr. 58 m. w. N. 614 Riemer, in: Berner 615 Riemer, in: Berner m. w. N. 613

616 BGE 48 II 363.

Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 70, Rdnr. 304. in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 72, Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 65, Rdnr. 10. Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 70, Rdnr. 305

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in seiner Person zweifelsfrei auch im Vorfeld erkennen, ist es gerechtfertigt, seine Rechtsposition hinsichtlich einer NichtZubilligung des Gehörsanspruches zu schwächen617. Anders verhält es sich, wenn die Bedingungen nicht „objektiv feststellbar" sind, weil in solchen Fällen auch dem Mitglied nicht ohne „weiteres klar vor Augen steht, dass eine Bedingung vorliegt, die einen „automatischen" Mitgliedschaftsverlust nach sich zieht. In solchen Fällen sprechen rechtsstaatliche Erwägungen dafür, einen Ausschluss im Sinne des Art. 72 ZGB und eben kein „automatisches" Erlöschen anzunehmen, weil dem Betroffenen dann Gehörsansprüche zugestanden werden müssen618. Die in § 4 der Statuten formulierten Bedingungen einer prinzipiellen Nichtbeachtung der Religionsgesetze, einer nicht vollzogenen Nichtbeschneidung619 und einer religionsgesetzlich verbotenen und dennoch gefühlten Ehe 6 2 0 sind hinreichend klar formuliert. Anders wäre es, wenn etwa die Nichtbeachtung nur einzelner Religionsgesetze bereits zum „automatischen" Erlöschen der Mitgliedschaft führen sollte. Die Vorgabe einer prinzipiellen Missachtung der jüdischen Religionsgesetze ist für jeden aus der Gemeinde eindeutig erkennbar. Somit lässt der Eintritt einer in § 4 der Statuten aufgestellten Bedingung die Mitgliedschaft des betroffenen Mitgliedes auch tatsächlich „automatisch" erlöschen, was bei der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel, wie oben dargestellt, vom Vorstand festgestellt werden kann. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Selbstverständnis der Gemeinde, da allgemein anerkannt wird, dass der Vorstand nach Anhörung der maßgeblichen Ansicht des Rabbiners über Fragen der Gemeindeleitung befinden könne 621 . Wird ein Mitglied gemäß § 9 der Statuten durch Vorstandsbeschluss ausgeschlossen, steht ihm als Rechtsmittel die Anrufung der Generalversammlung zu. Verzichtet das ausgeschlossene Mitglied auf die Möglichkeit der Ergreifung des vereinsinternen Rechtsmittels, wird die Ausschließung auf den Zeitpunkt des unbenützten Ablaufs der Rechtsmittelfrist oder gegebenenfalls auf den Zeitpunkt des vorgängigen Eintreffens einer Rechtsmittelverzichtserklärung rechtswirksam 622. Ansonsten stellen Anfechtungsklage oder Klage auf Feststellung der Nichtigkeit 617

Das Bundesgericht hat von jeher im Zusammenhang mit Vereinsausschlüssen eine mittelbare Drittwirkung des Gehörsanspruches anerkannt: BGE 40 I I 379 f.; 44 I I 83; 85 I I 543; 90 I I 347 ff.; siehe auch F. Hafner, Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 67 und S. 313 Fn. 36. 618 BGE 85 I I 543; 90 II 347; Riemer, in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 70, Rdnr. 305. 619 Respektive der Weigerung, eine solche an seinem Sohn vornehmen zu lassen. 620 Respektive der Weigerung, sich in religionsgesetzlich vorgeschriebener Weise trauen zu lassen. 621 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 622 Riemer, in: Bemer Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 72, Rdnr. 75.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

der Ausschließung gerichtliche Möglichkeiten dar, gegen die Ausschließung vorzugehen. Art. 75 ZGB sichert dem Vereinsmitglied den gerichtlichen Rechtsschutz einerseits zu, beschränkt die Anfechtungsfrist aber andererseits auf einen Monat. Hinsichtlich der Ausschließungsgründe schränkt Art. 72 Abs. 2 Z G B 6 2 3 die richterlichen Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen ein. Grundsätzlich hat der Richter resultierend aus dem Grundsatz der Vereinsautonomie keine materielle Überprüfungskompetenz hinsichtlich der Ausschließungsgründe. Im Rahmen einer Anfechtungsklage kann materiell-rechtlich nur überprüft werden, ob der Verein von seinem Ausschlussrecht rechtsmissbräuchlich (Art. 2 Abs. 2 ZGB) oder in einer Weise davon Gebrauch gemacht hat, dass das betroffene Mitglied in seinem Persönlichkeitsrecht (Art. 28 ZGB) verletzt wurde. Bei der Prüfung, ob für die Verletzung des Rechtes aus Art. 28 ZGB auf Seiten des Vereins ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, ist im Rahmen einer Güter- beziehungsweise Interessenabwägung im Einzelfall die Tatsache zu berücksichtigen, dass es sich, wie bereits angedeutet, bei der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel um eine Religionsgemeinschaft handelt: Die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund dürften somit nicht zu hoch angesetzt werden. Dagegen ist der richterliche Prüfungsumfang in formeller Hinsicht sehr viel größer. Jede Verletzung einer gesetzlichen oder statutarischen Verfahrensbestimmung kann, sofern sie sich auf das Ergebnis auswirken könnte, zur Gutheißung der Anfechtungsklage führen 624 . Der Richter kann also sehr wohl überprüfen, ob der Vorstand beschlussfähig war 6 2 5 oder ob der Gehörsanspruch des betroffenen Mitgliedes verletzt wurde. Bei besonders schwerwiegenden formellen Fehlern wird die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Ausschlusses die richtige Klageart • 626 sein . Wurde das Mitglied nicht durch Vorstandsbeschluss ausgeschlossen, sondern wurde vom Vorstand das „automatische" Erlöschen der Mitgliedschaft deklaratorisch festgestellt, kann das Mitglied bei Gericht „Klage auf Feststellung der Vereinsmitgliedschaft" einreichen. Allerdings ist auch bei dieser Klage die besondere Situation des Vereins als Religionsgemeinschaft zu berücksichtigen. Letztlich bleibt dem Richter lediglich zu prüfen, ob die zum Erlöschen der Mitgliedschaft führenden Bedingungen klar und objektiv feststellbar formuliert wurden und ob der Feststellungsbeschluss des Vorstandes rechtsmissbräuchlich 623 Art. 72 Abs. 1 und 2 lauten: „Die Statuten können Gründe bestimmen, aus denen ein Mitglied ausgeschlossen werden darf, sie können aber auch die Ausschließung ohne Angabe der Gründe gestatten. Eine Anfechtung der Ausschließung wegen ihres Grundes ist in diesen Fällen nicht statthaft." 624

Riemer, in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 72, Rdnr. 91 m. w. N. 625 Zur Frage der Beschlussfähigkeit des Vorstandes vgl. auch unten: Viertes Kapitel, B., II., 3., b), aa). 626 Vgl. auch Riemer, in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 72, Rdnr. 77.

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gefasst wurde 627 . Sollte der Richter entgegen der obigen Ausführungen zum Ergebnis kommen, dass die Bedingungen nicht klar genug formuliert wurden, ist zudem die Frage zu beantworten, ob der bloße Feststellungsbeschluss eine Ausschließung bewirkt haben könnte. Für diesen Fall ist zu beachten, dass der auf Feststellung seiner Mitgliedschaft Klagende innerhalb der Monatsfrist des Art. 75 ZGB auch hilfsweise Anfechtungsklage erheben müsste, da im Falle einer Abweisung seiner Feststellungsklage eine Anfechtungsklage mangels Aktivlegitimation und Einhaltung der Frist nicht mehr möglich wäre 628 .

2. Wahlen a) Allgemeines In der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel sind im Gegensatz zur Israelitischen Gemeinde Basel weit weniger Ämter zu besetzten. Infolgedessen sind die allgemeinen Wahlvorschriften in den Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel weniger umfangreich geregelt.

b) Wahlberechtigung /Inkompatibilitätsvorschriften Wahl- und abstimmungsberechtigt sind gemäß § 5 b) nur die volljährigen männlichen Mitglieder. Nur die volljährigen Männer sowie die alleinstehenden und aufgenommenen Frauen dürfen gemäß § 16 b) Satz 2 der Statuten an Mitgliederversammlungen teilnehmen 629 . Um den „bösen Schein" von vornherein zu vermeiden, bestimmt § 13 der Statuten, dass dem Vorstand nicht gleichzeitig Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und Schwäger angehören können. Anders als in den Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel besteht keine Inkompatibiliät zwischen verschiedenen Ämtern in der Gemeinde. So können theoretisch auch Vorstandsmitglieder in die Berufungskommission gewählt werden.

c) Überblick über die durch Wahl zu besetzenden Amter Die Mitgliederversammlung wählt in der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel lediglich die Mitglieder des Vorstandes 630 sowie die Mitglieder der Beru627 Siehe auch Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, S. 449. 628 Vgl. zum zweifelhaften Verlust der Mitgliedschaft: Riemer, in: Berner Kommentar, 3. Abteilung, Zweiter Teilband, Art. 75, Rdnr. 142. 629 Zum Rechtsstatus der Ehefrauen und mindeqährigen Kinder vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 1., a), bb). 630 § 20 Satz 1 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 18 Nolte

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

fungskommission, die über Berufungen der Gemeindeglieder gegen Leistungsfestsetzungen des Vorstandes entscheidet631. Die Statuten erwähnen in § 18 Abs. 1 der Statuten eher beiläufig den Vorsitzenden der Mitgliederversammlung und in § 10 der Statuten zwei „vom Verein" zu wählende Kassenprüfer. Dagegen werden die Mitglieder der Synagogen-, Kaschrus / Mikwoh-, Liegenschafts- und Erziehungskommissionen vom Vorstand ernannt 632 .

d) Amtszeit Die Amtszeit für alle Ehrenämter in der Israelitischen Religionsgesellschaft beträgt gemäß § 21 der Statuten drei Jahre. Die Neuwahlen haben in den ersten drei Monaten des Kalenderjahres zu erfolgen. Damit ist einerseits eine gewisse Kontinuität gesichert. Andererseits hat die in etwa zeitgleich stattfindene Neuwahl aller Ämter den Vorteil, dass alle drei Jahre ein Neuanfang „auf allen Ebenen" jedenfalls theoretisch möglich bleibt.

3. Die Organe a) Gemeindeversammlung aa) Ordentliche Gemeindeversammlung (1) Ladung /Anträge zur Tagesordnung Gemäß § 16 a) der Statuten muss jedes Jahr eine ordentliche Mitgliederversammlung stattfinden. Der Vorstand muss sie einberufen und zu ihr mindestens zehn Tage vorher unter Angabe der Zeit, des Ortes und der Tagesordnung durch Bekanntmachung einladen 633 . Die Einladung ist, wie andere den Verein betreffende Bekanntmachungen auch, im Vorraum des Betsaals anzuheften 634. Der Vorstand kann die Mitglieder allerdings auch zusätzlich schriftlich einladen. Anträge von Seiten der Mitglieder, über welche in der Mitgliederversammlung beraten und beschlossen werden soll, müssen gemäß § 19 Satz 1 der Statuten von mindestens fünf stimmberechtigten Mitgliedern spätestens vier Tage vor der Mitgliederversammlung schriftlich dem Vorstand eingereicht sein. Sollten innerhalb der ersten sechs Tage nach Anheftung der Einladung weitere Tagesordnungsanträge eingehen, so bestimmt § 23 Satz 4 der Statuten, dass sofort ein weiterer Anschlag erfolgen muss, der die Anträge mitaufführt. Anträge, welche 631

§ 6 Satz 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 632 § 27 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 633 § 23 Satz 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 634

§ 23 Satz 1 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel.

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nicht gemäß § 23 rechtzeitig als Gegenstand der Tagesordnung bekannt gegeben worden sind und nicht bloß die Leitung der Versammlung oder die Berufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung betreffen, können auf der bevorstehenden Mitgliederversammlung nicht behandelt werden oder zum Beschluss erhoben werden. Anderes gilt nur dann, wenn die Mitgliederversammlung dem verspäteten Ergänzungsantrag zur Tagesordnung durch Beschluss Dringlichkeit zuerkennt 635. Aus der Zusammenschau von § 23 und § 19 der Statuten ergibt sich auch, dass die schriftliche Einladung der Stimmberechtigten durch den Vorstand nur neben den immer obligatorischen Aushang treten kann. Sie kann den Aushang nicht ersetzen. § 19 Satz 1 der Statuten statuiert für die Mitglieder das Recht noch bis zu vier Tagen vor der nächsten Mitgliederversammlung Anträge zur Ergänzung der Tagesordnung zu stellen und nimmt Bezug auf § 23 Satz 4 der Statuten, der das Recht der Tagesordnungsergänzung dahingehend erweitert, dass diese Ergänzungsanträge auch der Gemeinde zur Kenntnis gebracht werden müssen. § 23 Satz 4 der Statuten sieht aber eine Aktualisierung des Aushanges der Tagesordnung nur dann vor, wenn der Antrag „binnen 6 Tagen nach Anheftung 636 des ersten Anschlages" und damit noch vier Tage vor der Mitgliederversammlung, eingeht. Die vier Tage in § 19 Satz 1 der Statuten und die sechs Tage in § 23 Satz 4 der Statuten stehen also in einem untrennbaren Zusammenhang. Das Recht, noch vier Tage vor der Versammlung Ergänzungsanträge einzureichen, ist also nur dann gegeben, wenn die Einladung auch im Wege der Anheftung erfolgt ist. Würde nicht ausgehängt, sondern nur schriftlich eingeladen, würde das Recht, noch bis zu vier Tage vor der Mitgliederversammlung Anträge zu stellen, beschnitten. Da dies nicht die Konsequenz einer schriftlichen Einladung sein kann, muss die Einladung immer auch gemäß § 23 Satz 2 der Statuten ausgehängt werden. (2) Leitung /Beschlussfähigkeit/Protokollführung Wer die Mitgliederversammlung leitet, ist in den Statuten nicht bestimmt. In §18 der Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel ist im Zusammenhang mit der Unterzeichung des Protokolls vom „Vorsitzenden" die Rede. Dieser Sprachgebrauch könnte vermuten lassen, dass die Versammlung gerade nicht, wie etwa bei der Israelitischen Gemeinde Basel, vom „Gemeindepräsidenten" 637 geleitet wird, sondern dass die Versammlung aus ihrer Mitte heraus einen eigenen „Vorsitzenden der Mitgliederversammlung" wählt, der die Mitgliederversammlung leitet und gemäß § 18 der Statuten auch das Protokoll unterzeichnet. Die Bezeichnung „Vorsitzender" wird allerdings nicht nur im Zusammenhang mit der Mitgliederversammlung in § 18 der Statuten verwendet. Auch in § 14 der Statuten ist von einem „Vorsitzenden" die Rede, der auf Antrag zweier Vorstands635 § 19 Satz 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 636 Hervorhebung durch den Verfasser. 637

18*

§ 33 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

mitglieder binnen acht Tagen eine Vorstandssitzung einzuberufen hat. Hier ist mit „Vorsitzender" zweifelsohne der „Präsident" gemeint. § 14 ist lediglich ungenau, besteht der Vorstand gemäß § 10 der Statuten doch aus Präsident, Vizepräsident, Sekretär, Kassier und Beisitzer. Die offensichtliche Ungenauigkeit in § 14 der Statuten lässt berechtigte Zweifel darüber entstehen, dass es sich beim „Vorsitzenden" in § 18 der Statuten um den „Vorsitzenden der Mitgliederversammlung" handeln könnte. Nachdem der uneinheitliche Sprachgebrauch in § 14 der Statuten nachgewiesen wurde, könnte die Bezeichnung „Vorsitzender" in § 18 der Statuten genauso gut den „Präsidenten" meinen, so dass die Mitgliederversammlung doch, wie in der Israelitischen Gemeinde Basel, vom „Präsidenten", also dem „Vorsitzenden des Vorstandes", geleitet wird. Die Gemeindepraxis bestätigt dieses Ergebnis zum einen dadurch, dass die Mitgliederversammlungen tatsächlich vom „Präsidenten" geleitet werden 638 . Zum anderen machen sich die „Präsidenten" die Ungenauigkeit der Statuten insofern zu Nutzen, dass sie sich, ganz dem persönlichen Selbstverständnis entsprechend, entweder als „Gemeindepräsident" oder als „Vorsitzender des Vorstandes" bezeichnen 6 3 9 Die Mitgliederversammlung ist beschlussfähig, wenn wenigstens ein Drittel der Mitglieder anwesend sind. Die Mitgliederversammlung ist nicht öffentlich. Zu ihr haben nur Mitglieder der Religionsgesellschaft Zutritt 6 4 0 . Bei Abstimmungen reicht die einfache Mehrheit. Sollte die Versammlung nicht beschlussfähig sein, muss innerhalb von vierzehn Tagen eine neue Versammlung einberufen werden, die dann unabhängig von den erschienenen Mitgliedern beschlussfähig ist 6 4 1 . Über den Verlauf der Mitgliederversammlungen muss gemäß § 18 Satz 1 der Statuten Protokoll geführt werden. Die Protokolle sind fortlaufend in ein sogenanntes Protokollbuch einzutragen und innerhalb von zehn Tagen nach der Mitgliederversammlung vom Vorsitzenden, vom Schriftführer sowie von den Vorstandsmitgliedern, die bei der Versammlung anwesend waren, zu unterzeichnen.

bb) Außerordentliche Mitgliederversammlung In besonderen Fällen kann der Vorstand eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Verlangen ein Drittel der Mitglieder unter Angabe des Zwecks und der Gründe schriftlich eine außerordentliche Mitgliederversammlung, muss der Vorstand sie innerhalb von sechs Wochen einberufen 642. 638 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 639 Der momentane „Präsident" etwa bezeichnet sich selbst als „Vorsitzender". 640 § 16 b) Satz 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 641 § 17 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 642 § 16 b) Satz 1 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel.

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b) Vorstand der Gemeinde aa) Zusammensetzung / Wahl / Amtszeit / Arbeitsweise Der Vorstand der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel besteht gemäß § 10 der Statuten aus fünf Mitgliedern, die in geheimer Wahl während einer ordentlichen Mitgliederversammlung gewählt werden 643 . In den Vorstand können nur männliche Mitglieder der Religionsgesellschaft gewählt werden, die das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben und „bürgerlich unbescholten" sind 644 . Nicht in den Vorstand kann gewählt werden, wer durch seine Handlungen oder durch „öffentliche Schrift" die Grundprinzipien des Judentums leugnet 645 . Die Wahl der Vorstandsmitglieder, also im Einzelnen des Präsidenten, des Vizepräsidenten, des Sekretärs, des Kassiers und eines Beisitzers, erfolgt mittels Stimmzettel. Ahnlich wie bei der Israelitischen Gemeinde, wird, ohne dass dies ausdrücklich in den Statuten festgelegt wäre, nur das Amt des Präsidenten durch separate Wahl besetzt. Die übrigen vier Vorstandsmitglieder werden zusammen gewählt. Die Aufteilung der Amter innerhalb des Vorstandes wird dann intern vorgenommen 646. Gewählt sind diejenigen Kandidaten, die die absolute Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten erreichten. Wenn in der ersten Abstimmung die absolute Mehrheit für einen Kandidaten nicht erreicht wird, findet zwischen den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten haben, eine Stichwahl statt. Unbeschriebene Wahlzettel gelten als nicht abgegeben. Sollten beide Kandidaten dieselbe Stimmenanzahl erreicht haben, entscheidet das Los. Falls nicht mehr als die zu wählenden Kandidaten aufgestellt sein sollten und gegen eine offene Wahl kein Widerspruch laut wird, können die Wahlen der Vorstandsmitglieder auch per Akklamation erfolgen 647 . Diese Bestimmung hat bereits einmal zu Auslegungsschwierigkeiten geführt. Bei der Wahl der übrigen vier Vorstandsmitglieder entfielen auf die beiden sich um das fünfte Vorstandsamt bewerbenden Kandidaten gleichviele Stimmen. Fraglich war nun, ob hier, streng nach dem Wortlaut des § 20 der Statuten, sofort das Los zu ziehen sei oder ob zuvor eine Stichwahl stattfinden könne 648 . Gegen einen soforti643

§ 20 Satz 1 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. § 11 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. Zur Frage, ob dies einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 3 Bundesverfassung von 1999 (resp. Art. 4 Abs. 2 Bundesverfassung von 1874) darstellt und ob die Israelitische Religionsgesellschaft Basel insoweit mittelbar an das Gleichheitsprinzip gebunden ist, vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 1., a), bb). 645 § 12 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 644

646

So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999; vgl. auch Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 38. 647 § 20 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 648 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999.

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

gen Losentscheid spricht, dass beide Kandidaten, wenn sie die gleiche Stimmenanzahl auf sich vereinigen konnten, zudem die absolute Mehrheit verfehlt haben. Für diesen Fall bestimmt § 20 Satz 2 der Statuten, dass eine Stichwahl stattzufinden habe. Der Sinn des Losentscheides bei Stimmengleichheit ergibt sich aus der Uberlegung, dass eine Stimmengleichheit bei einem Stichentscheid, bei dem ja nur zwei Kandidaten antreten, nicht durch eine erneute, dann dritte Abstimmung, zu verändern sein wird. Nach dem ersten Wahlgang können aber noch jene Stimmen, die zunächst für den Dritt- und Viertplatzierten abgegeben wurden, das Stimmenverhältnis zugunsten einer absoluten Mehrheit im zweiten Wahlgang verändern. Daher widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 20 der Statuten, wenn man bei Stimmengleichheit bereits nach dem ersten Wahlgang das Los ziehen würde. Der bereits oben erwähnte § 21 der Statuten, nach dem alle drei Jahre Neuwahlen zu sämtlichen Ehrenämtern stattfinden, gilt auch für die Vorstandsmitglieder. Wie häufig Vorstandssitzungen stattzufinden haben, ist in den Statuten nicht vorgesehen. In der Regel tagt der Vorstand alle vier Wochen. Anders als in den Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel 649 , findet sich in den Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel auch kein Hinweis darauf, wer zu den Vorstandssitzungen einlädt und wer sie leitet. In der Praxis ist dies nahe liegenderweise die Aufgabe des Präsidenten 650. Dagegen ist, wie bereits oben angesprochen 651, in § 14 der Statuten vorgesehen, dass der „Vorsitzende", im Verhinderungsfall dessen Stellvertreter, auf Antrag zweier Vorstandsmitglieder innerhalb von acht Tagen eine Vorstandssitzung einzuberufen hat. Der Sprachgebrauch des „Vorsitzenden" ist hier ungenau, spricht § 10 der Statuten doch davon, dass der Vorstand aus Präsident, Vizepräsident, Sekretär, Kassier und Beisitzer besteht. Mit der Bezeichnung „Vorsitzender" in § 14 der Statuten ist eindeutig der „Präsident" gemeint. Über den Verlauf der Vorstandssitzungen ist ein Protokoll anzufertigen, das in ein Protokollbuch eingetragen werden muss 652 . Die Statuten enthalten keine Regelung über die Beschlussfähigkeit des Vorstands. In der Praxis wird sich, wenn ein Vorstandsmitglied verhindert sein sollte, bei bevorstehenden wichtigen Abstimmungen darüber ins Benehmen gesetzt, ob trotz der Verhinderung abgestimmt werden soll 6 5 3 . Da das Mehrheitsprinzip auch dem jüdischen Religionsgesetz nicht fremd ist, ist anzunehmen, dass gewiss keine 649 § 39 Abs. 2, § 41 Abs. 1 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 650 Die offizielle Leitungsfunktion des Präsidenten wird zwar in der Praxis angenommen, wobei dieser aber von solcher Kompetenz gewöhnlich keinen Gebrauch mache. Die Vorstandssitzungen sind, so das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999, von einem kollegialen Leitungsstil geprägt. 651 Vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 3., a), aa), (2). 652 § 18 Satz 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 653 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999.

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Beschlussfähigkeit vorliegt, wenn nur zwei der fünf Mitglieder des Vorstandes anwesend sein sollten.

bb) Befugnisse und Verpflichtungen des Vorstandes Der Vorstand vertritt die Religionsgesellschaft nach außen 654 . Im Namen der Vorstandschaft handeln und zeichnen der Präsident (bei dessen Verhinderung der Vizepräsident) und der Sekretär. Sollte der Sekretär verhindert sein, ist der Kassier gemeinsam mit dem Präsidenten respektive dem Vizepräsidenten zeichnungsberechtigt 655 . Innergemeindlich hat der Vorstand dafür Sorge zu tragen, dass der Vereinszweck, nämlich die Aufgaben der jüdischen Religionsgemeinde zu lösen, verfolgt wird 6 5 6 . Der Vorstand entscheidet abschließend gemäß § 3 der Statuten in Abstimmung mit dem Rabbiner 657 über Aufnahmegesuche 658. Darüber hinaus untersteht das Gemeindevermögen der Verwaltung des Gesamtvorstandes659. Dem Vorstand steht gemäß § 27 der Statuten das Recht zu, die Mitglieder der verschiedenen Kommissionen zu berufen. Schließlich kann der Vorstand Antrag auf Statutenänderung durch die Mitgliederversammlung stellen 660 .

c) Gemeindekommissionen Die folgenden ständigen Kommissionen, die gemäß § 27 der Statuten vom Vorstand ernannt werden und der sowohl Mitglieder aus dem Vorstand als auch andere Gemeindemitglieder angehören 661, unterstützen den Vorstand in seiner Arbeit: -

Synagogenkommission Kaschrus- und Mikwohkommission Liegenschaftskommission Erziehungskommission (ehemals Schulkommission) 654

§ 10 Satz 2 2. Halbsatz Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. § 10 Satz 3 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 656 § 10 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. § 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 657 Jedes Aufnahmegesuch wird zunächst dem Rabbiner zur Stellungsnahme vorgelegt. So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 658 Zur Frage des Sprachgebrauches der „Verwaltung" in § 3 Statuten vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 1., a), aa). 659 § 22 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 655

660 § 24 a) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 661 Mit Ausnahme der Synagogenkommission, der zur Zeit nur Mitglieder des Vorstandes angehören.

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4. Kap.: Das i n t e e Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

4. Finanzwesen und Vermögen Gemäß § 22 der Statuten untersteht die Verwaltung des Vermögens dem Gesamtvorstand. Es setzt sich zusammen aus den jährlichen Beiträgen der Mitglieder, anfallenden Spenden und sonstigen zufälligen Einkünften, Mobilien und Immobilien und dem Barvermögen 662. In § 6 der Statuten wird bestimmt, dass die Leistungen der Mitglieder (Vereinsbeiträge) an die Religionsgesellschaft vom Vorstand festgesetzt werden. Gegen diese Entscheidung stehe den Mitgliedern ein Berufungsrecht an die zu diesem Zweck von der Mitgliederversammlung gewählte dreiköpfige Berufungskommission zu. Zu dieser Kommission seien zwei Mitglieder der Verwaltung hinzuzuziehen. Die Entscheidung der Berufungskommission sei endgültig. § 6 der Statuten hat seine Bedeutung aber durch die geübte Gemeindepraxis eingebüßt. Statt einer Beitragsfestlegung durch den Vorstand, schlägt dieser der Mitgliederversammlung die Höhe der Beiträge vor, die dann durch die Versammlung beschlossen werden. Auf diese Weise ist die Akzeptanz der Beiträge unter den Mitgliedern sichergestellt und die Berufungskommission überflüssig geworden. Sie wird in der Praxis nicht mehr gewählt 663 . Der Kassier ist gehalten, nach Schluss eines jeden Verwaltungsjahres (Kalenderjahr) Rechnung abzulegen. Die von der Mitgliederversammlung gewählten Revisoren überprüfen die Rechnung. Sie wird dann für acht Tage den Mitgliedern zur Einsichtnahme ausgelegt664. Für die Verbindlichkeiten des Vereins haftet gemäß § 22 b der Statuten nur das Vereinsvermögen. Die persönliche Haftung der einzelnen Mitglieder ist ausdrücklich ausgeschlossen665.

5. Gemeinde-Institutionen a) Synagoge aa) Entstehung der heutigen Synagoge in der Ahornstrasse Schon ein Jahr, nachdem 1927 die Israelitische Religionsgesellschaft Basel aus dem „Verein Schomre Schabbos" hervorgegangen war, wurde der Beschluss gefasst, ein Areal für den Bau einer Synagoge zu suchen. Im Jahre 1928 konnte ein Areal an der Ahornstrasse von 400 m 2 zum Preis von SFr. 55,- pro m 2 erworben 662

Sowie Stiftungen (rendierenden und Barvermögen). So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 664 § 15 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 665 § 22 b) 2. Halbsatz Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 663

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werden. Im März 1929 fand die Grundsteinlegung der Synagoge statt. Die mit einem Kostenaufwand von SFr. 100.000- (ohne Bodenpreis) gebaute Synagoge konnte bereits nach einen halben Jahr Bauzeit am 29. September 1929 eingeweiht werden. Sie bietet knapp 120 Männern und 125 Frauen Platz 666 . bb) Nutzungsrechte Gemäß § 5 a) der Statuten hat jedes Mitglied für sich, seine Frau und die minderjährigen Kinder das Recht, die Einrichtungen der Religionsgesellschaft nach den für diese geltenden Bestimmungen zu benutzen. Alleinstehenden und aufgenommenen Frauen steht dieses Recht gemäß § 5 c) der Statuten zu 6 6 7 . Die Synagoge ist die zentrale Einrichtung der Gemeinde. Die in § 5 a) der Statuten angedeuteten Bestimmungen sind bislang noch nicht in Reglementen festgehalten worden. Es bestehen aber allgemeine Bestrebungen, Reglemente zu verfassen. Somit ist in § 5 der Statuten lediglich ein grundsätzlicher Zugangsanspruch kodifiziert. Daneben wird in § 5 a) der Statuten ein Anspruch auf Ehrenrechte in der Synagoge nach Maßgabe der Synagogenordnung garantiert. In Ermangelung einer solchen Ordnung ist auch hier nur das grundsätzliche Recht festgeschrieben, während der Gottesdienste aus der Thora lesen und vorbeten zu dürfen. In der Praxis entscheidet die Synagogenkommission darüber, wer wann seine Ehrenrechte im Gottesdienst ausüben kann. Gemäß § 27 der Statuten wird die Synagogenkommission vom Vorstand ernannt. In der aktuellen Gemeindepraxis sind nur Mitglieder des Vorstands selbst in dieser Kommission vertreten 668 . b) Rabbinat Die Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel sehen keine Regelungen zu Wahl und Aufgaben des Rabbiners vor. Gemäß § 10 i.V.m. § 2 der Statuten hat der Vorstand neben seinen Vertretungsaufgaben gegenüber Dritten auch die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass der Vereinszweck, nämlich die Aufgaben der jüdischen Religionsgemeinde zu lösen, verfolgt wird. Daraus könnte sich auch eine Entscheidungskompetenz über den anzustellenden Rabbiner ergeben. In der Praxis werden die Rabbiner allerdings, wohl wegen der besonderen Tragweite der Entscheidung für die Gemeinde, schon von jeher von der Generalversammlung gewählt 6 6 9 . 666

Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 15 f. Zum Rechtsstatus der Ehefrauen und mindeij ährigen Kinder sowie zur Gesamtproblematik der aktiven und passiven Vereinsmitgliedschaft vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 1., a), bb). 668 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 669 Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 20 f. 667

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4. Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

c) Jüdische Primär- und Mittelschule /Religionsschule Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel hat eine jüdische Primär- und Mittelschule gemäß § 135 des baselstädtischen Schulgesetzes eingerichtet 670. Die jüdischen schulpflichtigen Kinder werden zu Hause von einer geeigneten Lehrkraft unterrichtet. Das Erziehungsdepartement erteilt regelmäßig die jährlich zu erneuernde Erlaubnis 671 für den häuslichen Unterricht 672 . Daneben hat die Israelitische Religionsgesellschaft Basel eine Religionsschule für Kinder ab sechs Jahren errichtet 673 . Während in der Jüdischen Primär- und Mittelschule den Schülern das notwendige schulische Wissen vermittelt wird, wird in der Religionsschule intensiver Religionsunterricht erteilt.

d) Rituelle Institution (Mikwoh) Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel verfügt über ein eigenes rituelles Bad (Mikwoh), das von der Kaschruskommission mitgeleitet wird. Der generelle Zugangsanspruch wird auch für das rituelle Bad über § 5 der Statuten garantiert.

6. Statutenänderungen/ Auflösung des Vereins a) Statutenänderungen Die Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel können nur auf Antrag des Vorstandes oder auf Antrag eines Drittels aller stimmberechtigten Mitglieder 6 7 4 durch Beschluss einer Mitgliederversammlung 675 geändert werden. Die Mitgliederversammlung muss ordnungsgemäß unter Angabe der Tagesordnung einberufen werden 676 . Sie ist für eine Statutenänderung beschlussfähig, wenn Zweidrittel aller stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. Der Beschluss wird mit einfacher Mehrheit gefasst. Ist die zuerst einberufene Mitgliederversammlung nicht beschlussfähig, dann muss innerhalb von dreißig Tagen eine zweite Mitgliederversammlung einberufen werden, die mit qualifizierter Zweidrittelmehrheit der Anwesenden über die Statutenänderung entscheidet: Die Zweidrittelmehrheit muss 67 0

Haumann, Juden in Basel und Umgebung, S. 39. 671 § 135 Abs. 1 Schulgesetz Basel-Stadt. 672 So das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 67 3 674 675 676

Lang, Fünfzig Jahre Israelitische Religionsgesellschaft Basel, S. 24. § 24 a) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. § 24 b) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. Zur Frage der Ladungsfrist vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 3., a), aa), (1).

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mindestens ein Drittel sämtlicher stimmberechtigter Mitglieder des Vereins darstellen 6 7 7 . Einer Statutenänderung sind durch eine „Ewigkeitsgarantie" des § 25 der Statuten die §§ 1, 2,4, 11,12 und 26 der Statuten entzogen. Dadurch kann es keine Änderung des Vereinszwecks (Lösung der Aufgaben der jüdischen Religionsgemeinde) geben, das jüdische Religionsgesetz bleibt für immer die höchste Autorität, die Ausschlussgründe für eine Mitgliedschaft in der Gemeinde bleiben ewig erhalten und Frauen sind ebenso wie Mitglieder, die die Grundwahrheiten des Judentums leugnen, niemals in den Vorstand wählbar. Schließlich dürfen die Vorgaben für eine eventuelle Auflösung des Vereins nicht geändert werden.

b) Auflösung des Vereins Für den Fall, dass sich die Israelitische Religionsgesellschaft Basel auflösen soll, ist ein entsprechender Beschluss der Mitgliederversammlung erforderlich, der mit einer Mehrheit von zwei Drittel der Mitglieder gefasst werden muss 678 . Solange sich allerdings noch zehn orthodoxe Mitglieder finden, die gegen eine Auflösung sind, haben diese ein Vetorecht 679. Das verbleibende Vermögen der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel ist im Falle einer Auflösung einem anderen jüdisch-orthodoxen gottesdienstlichen Verein oder einer jüdischen wohltätigen Stiftung in der Schweiz zuzuweisen oder unter zwei derartigen Institutionen aufzuteilen 680 .

I I I . Das Verhältnis der Israelitischen Gemeinde Basel zur Israelitischen Religionsgesellschaft Basel Das Verhältnis der beiden israelitischen Gemeinden hat eine wechselvolle Vergangenheit hinter sich. Heute existieren beide Gemeinden nebeneinander, ohne dass die eine der anderen deren Existenzberechtigung abzusprechen versucht ist 6 8 1 . Auf einigen Gebieten kooperieren die Gemeinden. So wurde im April 1977 ein Vertrag geschlossen, der auch die Mitglieder der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel berechtigt, ihre Verstorbenen auf dem Friedhof der Israelitischen Gemeinde Basel beizusetzen. Die Israelitische Religionsgesellschaft Basel beteiligt sich im Gegenzug an den finanziellen Lasten, die die Unterhaltung eines Friedhofes mit sich bringt. 677

§ 24 c) Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. § 26 Satz 1 1. Halbsatz Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 679 § 26 Satz 1 2. Halbsatz Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 680 § 26 Satz 2 Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel. 681 So übereinstimmend sowohl der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 29. April 1999 als auch das Vorstandsmitglied der IRG, Herr Rosenbaum, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 25. Juli 1999. 678

2 8 4 4 .

Kap.: Das interne Recht der israelitischen Religionsgemeinschaften

Abgesehen von dieser Zusammenarbeit tritt die Israelitische Gemeinde Basel vor staatlichen Stellen (vor allem bei Fragen der Sicherheit) auch für die Belange der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel ein. Weil die Israelitische Religionsgesellschaft Basel beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) nicht mit einer eigenen Delegation vertreten ist, werden ihre Interessen von den Delegierten der Israelitischen Gemeinde Basel mitwahrgenommen. Ursprünglich wollte die Israelitische Religionsgesellschaft Basel auch mit einer eigenen Delegation im SIG vertreten sein. Um weitere Abspaltungen von den Einheitsgemeinden nicht zu befördern, verwehrte der SIG der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel bei deren Gründung im Jahr 1927 die Aufnahme in den Gemeindebund. Mit der Zeit legte sich bei den Mitgliedern der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel die Enttäuschung darüber, nicht aufgenommen worden zu sein, da sie auf diese Weise auch nicht Mehrheitsentscheidungen des SIG mittragen mussten, die ihrer Meinung nach gegen die Religionsgesetze verstießen.

Fünftes Kapitel

Religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit und staatliche Gerichtsbarkeit A. Bundesrepublik Deutschland I. Die Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem 1. Grundlage und Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem Die Befugnis zur Errichtung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichte ergibt sich, wie oben bereits festgestellt 1, unstreitig aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Schwieriger ist jedoch, die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem zu verorten. Steht sie unter, neben oder sogar über der staatlichen Rechtsprechung? Eine nähere Betrachtung ergibt, dass die Frage, wie die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit zur staatlichen steht, letztlich nur eine weitere Spielart des grundsätzlichen Problems der Verhältnisbestimmung von Staat und Religionsgemeinschaften darstellt. Es geht darum, wem die Letztentscheidungskompetenz zukommt. Wie oben bereits ausführlich erläutert 2, war der Meinungsumschwung bei der Verhältnisbestimmung von der „Koordinations-" zur „Kooperationstheorie" alles andere als eine Rückwärtsbewegung, da gleichzeitig betont wurde, dass die Rede vom „Staat als souveränem Gemeinwesen" keineswegs ein Weiterschleppen, juristisch-positivistischer Vorstellungen vom Staat als Inhaber der Rechtshoheit" bedeute, denn Souveränität müsse nicht denknotwendig unbegrenzt sein3. Mit anderen Worten: Souverän zu sein, muss nicht bedeuten, auch souverän sein zu müssen. Es war davon die Rede, dass sich die Vertreter der „Koordinationslehre" gegenüber einem durch Subordination geprägten Staat-Kirche-Verständnis durch eine „eindi1

Vgl. auch oben unter: Viertes Kapitel, Α., III., 1. Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Α., II., 1., b), dd) sowie Zweites Kapitel, Β., II. 1. 3 Fuß, Kirche und Staat unter dem Grundgesetz, in: DÖV 1961, S. 735; Wolf, Ordnung der Kirche, S. 150; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19. 2

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

mensionale Logik" abzugrenzen versuchten4, die Anhänger der „Kooperationslehre" sich hingegen auf Humboldtsche Dialektik 5 besannen. In Bezug auf die Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem bedeutet dies, dass sie gerade nicht neben oder gar über der staatlichen Gerichtsbarkeit steht. Religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit ist, auch was die Entscheidungen über eigene innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheiten angeht, nicht aus dem staatlichen Rechtssystem herauslösbar. Sie ist und bleibt ein Teil des staatlichen Rechtssystems, weshalb staatliche Gerichte durchaus auch die theoretische Möglichkeit haben, innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheiten staatlicherseits zu entscheiden6. Sobald jedoch staatliche Gerichte über innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheiten entscheiden, entzieht sich dem Staat die volle Souveränität als Tantalusfrucht. Auch hinsichtlich der Frage, wie weit staatliche Gerichtsbarkeit reicht, ist festzustellen, dass die staatlichen Gerichte ihre Grenzen kennen müssen, damit der Staat souverän bleibt7. Erkennt der Staat in Gestalt seiner Gerichte diese eigenen Grenzen, bleibt ihm nichts anders als die „Kooperation" mit den Religionsgemeinschaften. In das Bild der Kooperation passt eine der staatlichen Gerichtsbarkeit untergeordnete religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit nicht hinein. Überhaupt stellt sich die Frage danach, ob die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit unter, neben oder über der staatlichen Rechtsprechung steht nur dann, wenn man, wie etwa die Anhänger der „Subordination" und „Koordination", einer „eindimensionalen Logik" folgt. Nach dem hier vertretenen dialektischen Ansatz versagen die Kategorien einer Unter-, Neben- oder Überordnung.

4

Positionierten die Vertreter der Subordination die Kirche „unter" dem Staat, so behaupteten die Verfechter der „Koordinationslehre" ausgehend vom gestärkten kirchlichen Selbstverständnis, die Kirche stehe „neben" dem Staat. 5 H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 19 Fn. 16. 6 Dass es sich hierbei nicht nur um eine theoretische Möglichkeit handelt, zeigt ein frühes Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 31. März 1959; Geschäftsnummer: 3 Κ 9/58. In dem Rechtsstreit wehrte sich der Kläger als Zugezogener unter Berufung auf sein bisheriges Bekenntnis gegen seine Kirchensteuerveranlagung durch die Evangelische Landeskirche in Baden. Obwohl die Evangelische Landeskirche in Baden in umfangreichen Ausführungen dargelegt hatte, dass ihr Bekenntnis und dasjenige der früheren Kirche des Klägers übereinstimmten, gab der VGH dem Kläger Recht. Vgl. auch Uibel, Überlegungen zum kirchlichen Mitgliedschaftsrecht, NJW 1966, S. 2150. Die Tatsache, dass hier ein staatliches Gericht rechtskräftig über eine originär innerkirchliche Angelegenheit (Zugehörigkeit) entscheiden konnte, stützt die Annahme, dass solche Rechtsfragen der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht von vornherein entzogen sein können. 7 Nach dem hier vertretenen dialektischen Ansatz muss die Kompetenzproblematik nicht unbedingt bewusst von der Frage abgeschichtet werden, ob beziehungsweise inwieweit den staatlichen Gerichten dem Verfahrensgegenstand gemäß auf der Ebene der sachlichen Prüfung Grenzen gesetzt sind. So jedoch: Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 115.

Α. Bundesrepublik Deutschland

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Vor diesem Hintergrund stellen die religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichte ausdrücklich keine Sondergerichte dar, die notwendig wären, um ein innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit bestehendes Vakuum ausfüllen. Sie sind, handelt es sich um privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften, Schiedsgerichte im Sinne des 10. Buches der ZPO. Begründen Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus Schiedsgerichte, so stellen diese öffentlichrechtliche Schiedsgerichte dar. Zwar wird die öffentlich-rechtliche Schiedsgerichtsbarkeit in der VwGO nicht geregelt, wohl aber wegen der ausdrücklichen Erwähnung in § 168 Abs. 1 Nr. 5 VwGO vorausgesetzt. Das öffentlich-rechtliche Schiedsverfahren läuft gemäß § 173 VwGO im Wesentlichen nach den in der ZPO enthaltenen Vorschriften ab.

2. Die öffentlich-rechtliche Satzung als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit - ein Widerspruch? Diesem Ergebnis könnte entgegenstehen, dass das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland seine rechtliche Grundlage zunächst einmal in einer öffentlich-rechtlichen Satzung hat8. Es besteht nämlich weitgehend Einigkeit darüber, dass § 168 Abs. 1 Nr. 5 VwGO nur solche Schiedsgerichte meint, die nach einem gemäß §§ 1025 ff. ZPO vereinbarten Schiedsverfahren über öffentlichrechtliche Streitigkeiten entscheiden. Auf Entscheidungen von Schiedsgerichten, die durch Gesetz oder öffentlich-rechtliche Satzung eingerichtet wurden, ist nach herrschender Meinung § 168 Abs. 1 Nr. 5 VwGO nicht anwendbar9. Infolgedessen behaupten etwa das Verwaltungsgericht Hannover 10 und das Oberlandesgericht Celle 11 , dass die §§ 1025 ff. ZPO nicht auf das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland angewendet werden könnten, da dieses durch öffentlich-rechtliche Satzung errichtet worden sei. Beide Gerichte übernehmen pauschal die in fast allen Kommentaren überlieferte Ansicht von der Unanwendbarkeit des 10. Buches der ZPO, wenn die Schiedsgerichtsbarkeit auf öffentlich-rechtlicher Satzung basiert. Dabei gehen sie nicht dem eigentlichen Sinn dieser Ansicht nach und übersehen so, dass sich die Situation bei Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus ganz anders darstellt. 8

Vgl. § 15 Satzung des Zentralrats. Redecker; v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung-Kommentar, § 168 Rdnr. 13; Kopp; Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, § 168 Rdnr. 7; Schoch; Schmidt-Aßmann; Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung-Kommentar, § 1 Rdnr. 21 f., § 168 Rdnr. 32, der diese Einschränkung nur bei durch Gesetzen, nicht aber bei durch Satzungen errichteten Schiedsgerichten macht; Woltereck, Unechte und echte Schiedsgerichte des Verwaltungsrechts, in: DÖV 1966, S. 323 (324). 10 VG Hannover, Beschluss vom 3. August 1998, 6 D 4677/98, S. 6. 9

h OLG Celle, Urteil vom 12. März 1998, 8 U 79/97, unter Bezugnahme auf Zöller, Gelmer, ZPO, § 1025, Rn. 18.

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

Zwar ist richtig, dass die die Schiedsgerichtsbarkeit etablierende Satzung des Zentralrates der Juden in Deutschland öffentlich-rechtlicher Natur ist. Beim Zentralrat handelt es sich jedoch, ebenso wie bei allen anderen öffentlich-rechtlich verfassten Religionsgemeinschaften, um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sui generis . Die Bedenken der Literatur und Rechtsprechung hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO auf durch Gesetz oder öffentlich-rechtliche Satzung eingerichtete Schiedsgerichte machen aber nur dann einen Sinn, wenn man auf den vorschreibenden Staat abhebt, der eine unfreiwillige „ unechte Schieds gerichtsbarkeit" 12 etabliert 13, da eine verwaltungsgerichtliche Zwangsschiedsgerichtsbarkeit in der Tat einen Widerspruch in sich darstellt 14. Bei mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus ausgestatteten Religionsgemeinschaften kann jedoch von einer solchen staatlichen, die Freiheit einschränkenden, Etablierung keine Rede sein. Die öffentlich-rechtlich verfassten Religionsgemeinschaften sind nämlich gerade nicht Teil des Staates. Der Staat überlässt es den Religionsgemeinschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV sogar in besonderer Weise, das eigene Schiedsverfahren frei zu gestalten. Eine pauschale Übernahme der Ansicht, § 168 Abs. 1 Nr. 5 VwGO sei nicht auf auf öffentlich-rechtlicher Satzung beruhende Schiedsgerichte anwendbar, führt also, jedenfalls bei Religionsgemeinschaften, am eigentlichen Sinn dieser ansonsten sehr richtigen Einschränkung vorbei. Es könnte jedoch der Einwand bestehen bleiben, dass zwar die Religionsgemeinschaften die Schiedsgerichtsbarkeit frei vereinbaren und gestalten können, die Mitglieder dieser Schiedsgerichtsbarkeit aber genauso ungefragt zwangsweise unterworfen würden, wie es bei staatlich angeordneten Schiedsgerichten geschehe. Genau diesem Umstand trägt die Satzung des Zentralrats in § 15 Abs. 2 jedoch Rechnung. Danach wird das Schiedsgericht in nichtsatzungrechtlichen Streitigkeiten, also immer dann, wenn einzelne Mitglieder unmittelbar betroffen sind, nur nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten Unterwerfungserklärung tätig. Die Schiedsgerichtsbarkeit des Zentralrates der Juden in Deutschland berücksichtigt also in ausreichender Weise den für eine „echte Schiedsgerichtsbarkeit" 15 12 Ausführlich zur Begrifflichkeit „echter" und „unechter" Schiedsgerichtsbarkeit vgl.: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung-Kommentar, § 1 Rdnr. 21 f.; Woltereck, Unechte und echte Schiedsgerichte des Verwaltungsrechts, in: DOV 1966, S. 323 (324). 13

So auch: Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Einleitung Rn. 12, der bei Zöller, Geimer, ZPO, § 1025, Rn. 18 ohne diese ausführliche Begründung widergegeben wird. 14 Woltereck, Unechte und echte Schiedsgerichte des Verwaltungsrechts, in: DÖV 1966, S. 323. Zur Begrifflichkeit „echter" und „unechter" Schiedsgerichtsbarkeit vgl. auch: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung-Kommentar, § 1 Rdnr. 21 f.; Woltereck, Unechte und echte Schiedsgerichte des Verwaltungsrechts, in: DOV 1966, S. 323 (324).

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unabdingbaren Aspekt der Freiwilligkeit. Obwohl also das Schiedsgericht aufgrund öffentlich-rechtlicher Satzung errichtet wurde, steht dieser Umstand einer grundsätzlichen Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO nicht im Wege.

3. Die Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO auf die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit der erste Schritt zur echten Kooperation Abgesehen von dem Ergebnis, dass die satzungsrechtliche Grundlage für die grundsätzliche Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auf religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichte unschädlich ist, ist sogar noch ein Schritt weiterzugehen. Der Staat muss sogar den Religionsgemeinschaften den offenen Rahmen des schiedsgerichtlichen Verfahrens im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO (bei Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus über § 173 VwGO) zur Verfügung stellen, um überhaupt die erste Voraussetzung für eine echte Kooperation zu schaffen. Zwar könnte der souveräne Staat über seine Gerichte, wie oben angedeutet, auch innerkirchliche Angelegenheiten entscheiden. Weil er jedoch nicht - nach der sich ihm sowieso entziehenden - vollen Souveränität zu greifen versucht, überlässt er die innerreligionsgemeindlichen Entscheidungen den dafür kompetenten religionsgemeindlichen Schiedsgerichten. Gerade in diesem Akt der Überlassung erweist sich die volle staatliche Souveränität. Die Tatsache, dass der Staat einen Bereich, in dem er zwar die Höchstzuständigkeit besitzt, in dem er aber nicht wirklich kompetent ist, der allein kompetenten Religionsgemeinschaft selbst überlässt, spricht zwar für die Verwirklichung staatlicher Souveränität, macht jedoch noch keine echte Kooperation aus. Echte Kooperation entsteht erst dann, wenn staatliche Gerichte, in Anerkennung ihrer Grenzen, die vom kompetenten religionsgemeinschaftlichen Schiedsgericht gefassten Entscheidungen ohne deren Überprüfung 16 übernehmen und für vollstreckbar erklären. Es ist also festzuhalten, dass der grundsätzlichen Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO auf religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichte nicht nur nichts im Wege steht, sondern sie vor dem Hintergrund der herrschenden Kooperationstheorie sogar geboten ist.

II. Keine Inhaltskontrolle oder Aufhebung der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte Wenn gerade die grundsätzliche Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO auch auf die religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichte gefordert wur16 Abgesehen von einer summarischen „ordre-public-Prüfung", die den Gerichten sehr wohl zustehen muss. Vgl. dazu ausführlich unten unter: Fünftes Kapitel, C., I. und IV.

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

de, so muss gleichzeitig betont werden, dass dies nicht bedeutet, dass alle Vorschriften des 10. Buches unbesehen auch angewendet werden könnten. Zunächst ging es darum, die religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichte im staatlichen Rechtssystem zu positionieren. Religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichte sind vom Staat als Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO anzusehen, da den religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichten ansonsten der „Sitz im staatlichen Recht" fehlt und damit ihre Wirksamkeit in der Welt fraglich würde 17 . Es wurde auch schon festgestellt, dass der Staat es den Religionsgemeinschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV sogar in besonderer Weise überlässt, das eigene Schiedsverfahren frei zu gestalten18. Eine ganz ähnliche Konstellation ist anzutreffen, wenn sich Religionsgemeinschaften privatrechtlich organisieren. Der Staat muss ihnen zunächst einmal grundsätzlich über die generelle Anwendung des Vereinsrechts gemäß §§ 21 ff. BGB einen „Sitz im staatlichen Recht" anbieten, gleichzeitig muss er aber auch bei der Ausgestaltung der religionsgemeinschaftlichen Satzung verfassungsrechtlich zwingend gebotene Sonderregelungen hinnehmen19. Errichtet nun eine Religionsgemeinschaft eine eigene interne Gerichtsbarkeit, ist auf der Grundlage einer grundsätzlichen Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht zu beachten, aus dem sich durchaus abweichende Regelungen zum staatlichen Schiedsgerichtsrecht gemäß §§ 1025 ff. ZPO ergeben können. Die Satzung des Zentralrats der Juden in Deutschland bestimmt in § 15, dass unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht gebildet wird. Damit ist nicht etwa gemeint, dass sich diese Schiedsgerichtsbarkeit ganz und gar vom staatlichen Recht absetzt und die staatliche Gerichtsbarkeit insgesamt, also auch hinsichtlich der Durchsetzung der Schiedssprüche, ausgeschlossen wäre 20 . § 15 der Satzung des Zentralrats hat in §16 der Satzung des Schiedsgerichts eine Konkretisierung dahingehend erfahren, dass der Schiedsspruch endgültig ist und unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. Dadurch wird der satzungsgeberische Wille deutlich, dass neben dem Schiedsgericht kein staatliches Gericht über die schiedsgerichtlichen Entscheidungen zu befinden habe. Über § 15 der Satzung des Zentralrats i.V.m. § 16 der Satzung des Schiedsgerichts wurden Rechtsbehelfe jedweder Art ausgeschlossen, also auch § 1059 ZPO, der eine Aufhebung von Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte vorsieht. Dieser Ausschluss staatlicher 17

Zur Begründung und Notwendigkeit des „Sitzes im staatlichen Recht" im herrschenden staatskirchenrechtlichen System vgl. ausführlich unten unter: Fünftes Kapitel, C., I., 4. 18 Vgl. oben unter: Fünftes Kapitel, Α., II. 19 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 133, 135, 145; Jurina, Die Religionsgemeinschaften mit privatrechtlichem Rechtsstatus, in: HdbStKirchR I, § 23, S. 704 f. 20 So auch die Vorsitzenden des Schieds- und Verwaltungsgericht in einem Schreiben vom 13. August 1998 an das Niedersächsische OVG Lüneburg sowie der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland I. Bubis, ebenfalls in einer Stellungnahme an das OVG Lüneburg vom 20. August 1998.

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Inhaltskontrolle ist vom religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrecht gedeckt. In diesem Sinne haben auch jüngst die Oberlandesgerichte in Celle 21 und Frankfurt a.M. 22 entschieden. In beiden Fällen wurde unter Berufung auf § 1059 ZPO die Aufhebung von schiedsgerichtlichen Entscheidungen beantragt. Beide Oberlandesgerichte lehnten richtigerweise die Anwendung des § 1059 ZPO auf religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtssprüche ab. Zur Begründung verwiesen sie im Allgemeinen auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV und im Speziellen auf § 15 der Satzung des Zentralrats i.V.m. § 16 der Satzung des Schiedsgerichts. Nur unter engen Voraussetzungen nahmen beide Oberlandesgerichte eine Notzuständigkeit staatlicher Gerichte an, die aber in beiden Fällen (Hintergrund waren jeweils Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Gemeindewahlen) nicht angezeigt gewesen sei.

I I I . Vollstreckbarkeit beziehungsweise Durchsetzung der Entscheidungen des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland Die Existenz des Schieds- und Verwaltungsgerichts bedeutet für den internen Rechtsschutz bereits einen erheblichen Fortschritt. In den letzen Jahren zeigte sich jedoch, dass die Entscheidungen des Schiedsgerichts von den Prozessbeteiligten nicht immer akzeptiert und befolgt wurden 23 . Deshalb wurde sehr schnell die Frage nach Möglichkeiten einer Vollstreckung beziehungsweise Durchsetzung der Entscheidungen laut. 1. Die Vollstreckung im Wandel der Meinungen a) Unmittelbare Vollstreckung des Schiedsgerichtsspruchs gemäß § 169 Abs. 1 VwGO mittels Amtshilfe 24 Das Schiedsgericht selbst ging zunächst davon aus, dass von ihm für vollstreckbar erklärte Entscheidungen im Wege der Amtshilfe auch unmittelbar vollstreckt 21 OLG Celle, Urteil vom 12. März 1998; 8 U 79/97. 22 OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12. Mai 1999; 23 Sch 1/98; in: NJW 1999, S. 3720 f. 23 So der Vorsitzende des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland A. Azzola in einem Interview in der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung Nr. 12, 1997, S. 3. 24 Streitig ist, ob sich die Vollzugs- beziehungsweise Vollstreckungshilfe des Staates als besondere Form der Amtshilfe oder als eigengeartetes Rechtsinstitut darstellt. Die Frage kann hier aber dahinstehen, da selbst wenn man die Vollstreckungshilfe als eigenständiges Institut ansieht, die Grundsätze der Amtshilfe weitgehend entsprechend anzuwenden sind. Vgl. hierzu auch: Ehlers, Rechts- und Amtshilfe in: HdbStKirchR II, § 74, S. 1128. 19*

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werden würden und Erinnerungen hiergegen zurückgewiesen würden, wenn nicht die jüdische Gerichtsbarkeit den ordre public der Bundesrepublik Deutschland verletzt 25 . Nachdem es innerhalb der Jüdischen Gemeinde Hannover infolge einer Vorstandswahl zu Unstimmigkeiten über die rechtmäßigen Vorsitzenden der Gemeinde gekommen war, erließ das Schiedsgericht am 20. Mai 1998 eine einstweilige Anordnung, mit der die auf Grund der Wahlen berufenen Personen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache als satzungsgemäß amtierende Gemeindevertreter beziehungsweise Vorsteher gelten sollten. Die unterliegenden Antragsgegner, die für sich ebenfalls beanspruchten, rechtmäßig gewählte Gemeindevorsteher zu sein, wurden zur unverzüglichen Herausgabe von gemeindlichen Unterlagen sowie der Schlüssel zu den Gemeinderäumlichkeiten verpflichtet. Dieser Beschluss wurde einem Hannoveraner Obergerichtsvollzieher am 26. Mai 1998 zugestellt26, der es jedoch zunächst ablehnte, die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts zu vollstrecken 27. Daraufhin erließ das Schiedsgericht eine weitere einstweilige Anordnung, die wiederum die unterliegenden Antragsgegner zur Herausgabe von Unterlagen und Schlüsseln, darüber hinaus aber auch zur Räumung des Gemeindegebäudes verpflichtete. Weiterhin wurde ausgeführt, dass der Gerichtsvollzieher berechtigt sei, zur Durchsetzung der einstweiligen Anordnung und bei Zuwiderhandlung unmittelbaren Zwang anzuwenden und sich dabei polizeilicher Hilfe zu bedienen. Diese einstweilige Anordnung wurde schließlich mit einem Stempel „Vollstreckbare Ausfertigung" und einem Klauselvermerk versehen. Sie wurde dem Hannoveraner Obergerichtsvollzieher am 28. Mai 1998 zugestellt28, der noch am selben Tag in Begleitung dreier Polizisten unter tatsächlicher Anwendung unmittelbaren Zwanges die unterliegenden Antragsgegner aus dem Gebäude setzte und ihnen die Gemeindehausschlüssel abnahm29. Die beiden im Schiedsverfahren unterlegenen Antragsgegner reichten daraufhin Klage beim Amtsgericht Hannover ein 30 . Sie beantragten, die Räume, Unterlagen und Schlüssel wieder herauszugeben. Hilfsweise beantragten sie die Verweisung an das Verwaltungsgericht beziehungsweise das Landgericht Hannover. Das Gericht wies die Klage als unzulässig ab, da der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten in Folge des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht eröffnet sei. Daher könnten auch die hilfsweise gestellten „Verweisungsanträge" keinen Erfolg haben.

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Stellungnahme des Schiedsgerichts an das OVG Lüneburg vom 13.August 1998. Internes AZ des Obergerichtsvollziehers DR. I 354. 27 Stellungnahme des Obergerichtsvollziehers gegen die Erinnerung an das AG Hannover, internes AZ DR 583/98. Vgl. auch Tatbestand des Urteils vom 17. 06. 1998 AG Hannover, 504C 8151/98. 28 Internes AZ des Obergerichtsvollziehers DR. I I 583. 29 So die eidesstattlichen Versicherungen der beiden Antragsgegner im Verfahren 504 C 8151 / 98 vor dem Amtsgericht Hannover. 30 AG Hannover, 504 C 8151/98. 26

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Auf Erinnerung der Antragsgegner untersagte das Amtsgericht Hannover jedoch dem Gerichtsvollzieher die Einziehung der Vollstreckungskosten von den Antragsgegnern, da die Vollstreckung aus der Entscheidung des Schiedsgerichts mangels vollstreckbaren Titels nicht statthaft gewesen sei 31 . Damit folgte schon das Amtsgericht Hannover der ursprünglichen Auffassung des Schiedsgerichts nicht, das zunächst annahm, von ihm getroffene Entscheidungen könnten gemäß § 169 Abs. 1 VwGO ohne Vollstreckbarerklärung vollstreckt werden. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da Religionsgemeinschaften, selbst wenn sie als Körperschaften öffentlichen Rechts organisiert sind, nicht mehr Teil des Staates sind und von daher auch kein unmittelbarer Amtshilfeanspruch gemäß Art. 35 Abs. 1 GG besteht32. Eine Vollstreckung ohne staatliche Vollstreckbarerklärung kommt aber noch aus einem anderen Grund nicht in Frage. Wie oben bereits festgestellt wurde, handelt es sich bei religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichten ausdrücklich nicht um Sondergerichte, die ein innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit bestehendes Vakuum ausfüllen müssten. Es gibt, so wurde ebenfalls ausführlich dargestellt, keinen Bereich innerreligionsgemeinschaftlicher Angelegenheiten, der der staatlichen Rechtsprechung von vornherein entzogen wäre. Das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich vorgegebene religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht bindet dem Staat und damit auch den Gerichten zwar die Hände, innergemeindliche Sachverhalte entscheiden zu wollen. Aber auch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV vermag es nicht, den in allen Bereichen mit der Letztentscheidungskompetenz ausgestatteten Staat, rechtstatsächlich davon abzuhalten, nicht doch innergemeindliche Angelegenheiten zu entscheiden33. Von daher kann das verfassungsrechtliche Selbstbestimmungsrecht nur als ein verfassungsrechtlich verbindlicher Hinweis darauf verstanden werden, dass volle staatliche Souveränität nur im Bewusstsein der eigenen Grenzen verwirklichbar ist. Die sich hieraus ergebende Kooperationspflicht bindet sowohl Staat wie Religionsgemeinschaft. Der Staat muss sich um der Verwirklichung seiner vollen Souveränität willen selbst bescheiden und akzeptieren, dass er sich nicht in innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheiten einmischen darf. Er hat religionsgemeinschaftliche Schiedsentscheidungen zu akzeptieren. Andererseits hat es die Religionsgemeinschaft hinzunehmen, wenn jede einzelne Schiedsgerichtsentscheidung vor der Vollstreckung einer staatlichen ordre public-Prüfung unterzogen wird. Von daher muss eine unmittelbare Vollstreckung religionsgemeinschaftlicher Schiedssprüche von vornherein ausscheiden. 31 AG Hannover, Beschluss vom 19. Juni 1998, 755 M 57975/98 a + b. 32 Vgl. auch Ehlers, Rechts- und Amtshilfe in: HdbStKirchR II, § 74, S. 1121 m. w. N. 33 Bereits oben wurde auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 31. März 1959; Geschäftsnummer: 3 Κ 9/58 hingewiesen, mit dem ein staatliches Gericht in erheblicher Weise in die innerkirchlichen Angelegenheiten de facto eingegriffen hat. Dieses Beispiel ist der Beweis dafür, dass solche Rechtsfragen der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht von vornherein entzogen sein können.

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b) Vollstreckung gemäß §169 VwGO analog (Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand) Argumentation des VG Hannover Nachdem sich die aus den Büros gesetzten Antragsgegner erneut Zugang zu den Gemeinderäumlichkeiten verschafft und die Schlösser ausgetauscht hatten, beantragten die Antragsteller am 1. Juli 1998 beim Verwaltungsgericht Hannover nunmehr, die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts vom 26. Mai 1998 für vollstreckbar zu erklären 34. Darüber hinaus wurde der Antrag gestellt, die erneute Räumung des Gemeindegebäudes sowie die Herausgabe der Unterlagen und Schlüssel anzuordnen und den Gerichtsvollzieher mit der Vornahme der Handlungen notfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwanges zu beauftragen. Das Verwaltungsgericht Hannover tat sich in seinem Beschluss vom 3. August 1998 mit dieser bislang weitgehend ungeklärten rechtlichen Situation sichtlich schwer 35. Dies zeigt sich schon in der Art und Weise, wie das Gericht die gestellten Anträge behandelt. Beantragt wurde zweierlei: Zum einen, die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts vom 26. Mai 1998 für vollstreckbar zu erklären und zum anderen, die erneute Räumung des Gemeindegebäudes sowie die Herausgabe der Unterlagen und Schlüssel anzuordnen und den Gerichtsvollzieher mit der Vornahme der Handlungen notfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwanges zu beauftragen. Das Verwaltungsgericht Hannover folgt dem ersten Antrag auf formelle Vollstreckbarerklärung nicht, da es, wie bereits oben erwähnt 36, der Ansicht ist, dass die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO nicht auf die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit anwendbar seien. Interessanterweise macht sich jedoch das Verwaltungsgericht Hannover den zweiten Antrag in vollem Umfang zu Eigen. Es ordnet die Räumung und die Herausgabe der Unterlagen und Schlüssel im Wege der Ersatzvornahme an. Der zuständige Gerichtsvollzieher wird mit der Vornahme der Handlung beauftragt. Er sei, so das Gericht, berechtigt, unmittelbaren Zwang anzuwenden und sich dabei polizeilicher Hilfe zu bedienen. Grundlage der Entscheidung sei § 169 VwGO in analoger Anwendung. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift des § 169 VwGO scheide aus, weil sie, wie aus § 168 VwGO hervorgehe, die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Titel betreffe und deshalb auf Vollstreckung aus anderen, auch sonderverwaltungsgerichtlichen Titeln, grundsätzlich nicht anwendbar sei. Eine Analogie hält das Verwaltungsgericht Hannover dennoch geboten, da es sich um eine Entscheidung einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgesellschaft handele und das Verfassungsrecht die Schließung dieser Rechtslücke gebiete37.

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Schriftsatz der Antragsteller vom 1. Juli 1998; Internes AZ: 998/00252. Beschluss des VG Hannover vom 3. August 1998; AZ 6 D 4677 / 98. Vgl. oben unter: Fünftes Kapitel., Α., II. Beschluss des VG Hannover vom 3. August 1998; AZ 6 D 4677 / 98, S. 6.

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Zunächst prüft das Gericht alle möglichen Anspruchsgrundlagen für eine staatliche Vollstreckung des Schiedsspruchs durch: Allein aus der Tatsache, dass die religionsgemeinschaftlichen Verfahrensregeln keine Vollstreckungsvorschriften aufstellten, ergebe sich, so das Verwaltungsgericht, noch kein Anspruch auf staatliche Rechtshilfe. Weil es hinsichtlich der Vollstreckung religionsgemeinschaftlicher Schiedssprüche keine vertraglichen Abmachungen gebe, scheide auch ein vertraglicher Anspruch aus. Dennoch meint das Gericht, „dass es in der vorliegenden Situation tätig zu werden hat 38 ". Es beruft sich insbesondere auf Ehlers 39, der auch bei ungeregelten Fällen einen Anspruch auf Rechts- oder Amtshilfe annimmt, wenn anders die öffentlich-rechtliche Wahrnehmung der kirchlichen Befugnisse unzumutbar erschwert oder verhindert würde. Das Gericht bezieht sich außerdem auf die Rechtsprechung des OVG Magdeburg 40, das immer dann einen Anspruch auf staatliche Rechtshilfe annimmt, wenn die ordnungsgemäße kirchliche Vertretung sichergestellt werden müsse. Im vorliegenden Fall sei ein Tätigwerden aus zwei Gründen geboten, nämlich aufgrund der bereits entstandenen und in die staatliche Sphäre hineinragenden Unordnung und überdies aus Gründen des Ersuchens des Schieds- und Verwaltungsgerichts. Die auf Wiederherstellung der Ordnung abzielende Vollstreckung greife nicht in die von der Verfassung verbürgten Rechte der jüdischen Religionsgemeinschaft ein. Diese Annahme werde durch das ausdrückliche Ersuchen des Schieds- und Verwaltungsgerichts in seinem Schreiben vom 30. Juli 1998 gestützt. Es mache deutlich, dass die Rechtsmacht dieses Gerichts am Ende sei und es zur Durchsetzung seines Spruchs die staatliche Autorität in Anspruch nehmen wolle 41 . Indem das VG Hannover der diesmal ausdrücklich beantragten Vollstreckbarerklärung ausweicht und dem Schiedsspruch über eine analoge Anwendung des § 169 VwGO zur Durchsetzung verhelfen will, offenbart es sein Verständnis zur Rechtsqualität der religionsgemeinschaftlichen Schiedssprüche: Diese stellten Entscheidungen sondergerichtlicher 42 Spruchkörper dar, die keiner staatlichen Vollstreckbarerklärung bedürften und im Wege der Rechtshilfe 43 dann vollstreckt werden, wenn eine in die staatliche Sphäre hineinreichende Unordnung anders nicht beseitigt werden könne. Eine solche Bewertung der religionsgemeinschaftlichen Schiedssprüche ist jedoch abzulehnen, wurde doch oben 44 bereits ausführlich dargestellt, dass es sich bei den religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichten nicht um Sondergerichte handeln kann. Ein solches Verständnis widerspricht den Grundsätzen der heute 38 Beschluss des VG Hannover vom 3. August 1998; AZ 6 D 4677/98, S. 11. 39 Ehlers, Rechts- und Amtshilfe, in: HdbStKirchR II, S. 1135. 40 OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. 02. 1997; AZ Β 2 S 30/96. 41 42 43 44

Beschluss des VG Hannover vom 3. August 1998; AZ 6 D 4677/98, S. 12. Beschluss des VG Hannover vom 3. August 1998; AZ 6 D 4677 / 98, S. 6,11. Beschluss des VG Hannover vom 3. August 1998; AZ 6 D 4677/98, S. 7, 11. Vgl. oben unter: Fünftes Kapitel, Α., I. sowie: Fünftes Kapitel, C., I., 4.

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

herrschenden Kooperationstheorie, nach der der Staat ungeachtet der sich aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ergebenden Selbstbeschränkung zunächst einmal in allen Rechtsbereichen Letztentscheidungskompetenz innehat. Weil innerhalb des Staates keine rechtsfreien Räume bestehen, bedarf es auch keiner Sondergerichte, die ein innerhalb staatlichen Rechts bestehendes Vakuum auszufüllen in der Lage wären. Zwar kann der Staat wegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV den Religionsgemeinschaften nicht vorschreiben, eine Schiedsgerichtsbarkeit nach den Vorschriften der ZPO einzurichten. Wird jedoch eine Schiedsgerichtsbarkeit eingerichtet, hat der Staat diese, unabhängig davon, ob sie den Bestimmungen der §§ 1025 ZPO folgt oder nicht, als privatrechtliches oder öffentlich-rechtliches Schiedsgericht im Sinne des 10. Buches der ZPO anzusehen. Legt man Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV im Sinne der herrschenden Kooperationstheorie aus, tut sich die vom Verwaltungsgericht Hannover angenommene Regelungslücke also erst gar nicht auf. Damit liegen die für eine Analogie erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. c) Argumentation des OVG Lüneburg Das OVG Lüneburg hält in seinem Beschluss vom 20. Oktober 199845 die Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Hannover für begründet. Sowohl die beantragte Vollstreckbarerklärung der einstweiligen Anordnung des Schieds- und Verwaltungsgerichts vom 26. Mai 1998 als auch die begehrte Anordnung der Ersatzvornahme würden ausscheiden. Anders als das Verwaltungsgericht Hannover, lehnt das OVG Lüneburg eine Durchsetzung der schiedsgerichtlichen Entscheidung durch bloße Inanspruchnahme des verwaltungsgerichtlichen VollstreckungsVerfahrens nach §§ 167 ff. VwGO ab. Ohne weiter auf die Argumentation des VG Hannover zur analogen Anwendung des § 169 VwGO einzugehen, hebt das OVG Lüneburg besonders auf den Begriff der „Rechtshilfe" ab. Die Antragstellerin begehre „die Umsetzung der Entscheidung des kirchlichen Verwaltungsgerichts in staatliches Recht". Im Beschluss wird ein Schreiben des Schieds- und Verwaltungsgerichts erwähnt, in dem das Schiedsgericht die Ansicht äußere, dass es für die Umsetzung in staatliches Recht eines Aktes der Rechtshilfe bedürfe 46. Im Folgenden setzt sich das OVG Lüneburg ausführlich mit der Frage auseinander, ob ein derartiger Anspruch bestehe. Während freiwillige „Amtshilfe" zwischen Staat und Kirche vom Oberverwaltungsgericht für möglich gehalten wird, müssten für eine „Rechtshilfe" besondere Rechtsnormen bestehen. Weil auch die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften nicht (mehr) Teil des Staates seien, 4 5 Beschluss des OVG Lüneburg vom 20. Oktober 1998, AZ 13 0 3662/98, in: DÖV 1999, S. 566 ff. 46 Schreiben des Vorsitzenden des Schieds- und Verwaltungsgerichts an das VG Hannover vom 30. Juli 1998.

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scheide zunächst Art. 35 Abs. 1 GG als Rechtsgrundlage aus. Darüber hinaus existierten auch keine Gesetze oder Verträge, in denen ein Tätigwerden staatlicher Gerichte als Vollstreckungsbehörden im Sinne des § 169 VwGO vorgesehen sei. Auch aus der Justizgewährungspflicht des Art. 19 Abs. 4 GG folge der geltend gemachte Anspruch auf Durchsetzung der einstweiligen Anordnung des kirchlichen Verwaltungsgerichts im Wege des staatlichen Vollstreckungsverfahrens entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Diese Garantie des Grundgesetzes auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes sei jedoch im Rahmen des zwischen den Beteiligten bestehenden Streits gleichwohl von Bedeutung. Zwar eröffne sie nicht lediglich das Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung kirchengerichtlicher Entscheidungen; unter bestimmten Voraussetzungen könnte Art. 19 Abs. 4 GG indessen die Öffnung des Rechtsweges zur Entscheidung kirchenrechtlicher Fragen von Anfang an, also bereits für das Erkenntnisverfahren, gebieten. Da es sich hier jedoch um eine innergemeindliche Angelegenheit handele, die darüber hinaus vom religionsgemeinschaftlichen Schiedsgericht noch gar nicht abschließend entschieden worden sei (immerhin hat das Schiedsgericht nur eine einstweilige Anordnung getroffen), könne diese Frage in diesem Verfahren offen bleiben. Das OVG Lüneburg bezieht sich bei seinen zentralen Ausführungen auf Dreher, der den Meinungsstand zur Differenzierung zwischen Rechts- und Amtshilfe darstellt. Dieser geht jedoch nur kurz und neben vielen anderen Meinungen auf die Ansicht Schmidts ein, der „Rechtshilfe im erweiterten Sinn" als gegeben ansieht, wenn Gerichte auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen 47 anderen Behörden Unterstützung gewährten 48. Dieser Ansicht, die keinesfalls als herrschend angesehen werden kann 49 , schließt sich das OVG Lüneburg ohne weitere Begründung an. Allein aber aus dem Befund, dass Art. 35 Abs. 1 GG zwischen Staat und Kirche keine rechtlichen Verbindlichkeiten schafft, kann noch nicht geschlossen werden, dass für eine Rechtshilfe besondere Rechtsnormen bestehen müssten. Aber selbst wenn man dem OVG Lüneburg in diesem Punkt folgt, ist festzuhalten, dass trotz allem eine rechtliche Grundlage für die „Vollstreckbarerklärung" besteht. Wie oben dargestellt, handelt es sich bei den religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichten sehr wohl um Schiedsgerichte, auf die jedenfalls grundsätzlich die §§ 1025 ff. ZPO anzuwenden sind. Streiten zwei private Parteien vor einem gewöhnlichen Schiedsgericht, hat die obsiegende Partei gemäß § 1060 ZPO einen Anspruch auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Religionsgemeinschaften oder vor allem, wie im vom OLG Lüneburg entschiedenen Fall, deren Mitglieder bei vorliegendem Schiedsspruch keinen solchen Anspruch nach § 1060 ZPO haben sollten und damit anders zu behandeln 47

Hervorhebung durch den Verfasser. 48 Dreher, Amtshilfe, S. 11. 49 Auch in der neueren Literatur spielt eine angebliche ausdrückliche Rechtsgrundlage als Abgrenzungskriterium keine Rolle. Vgl. Marburger, Amtshilfe in der Sozialversicherung, S. 18 m. w. N.; Schlink, Die Amtshilfe, S. 48, 50 m. w. N.

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

wären als andere Rechtssubjekte50. Das Argument des OVG Lüneburg, eine Vollstreckbarerklärung wäre nur möglich, wenn dafür eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage bestünde, geht damit ins Leere.

d) Vollstreckung nach Vollstreckbarerklärung gemäß §173 VwGO i.V.m. §§ 1066, 1060 ZPO - ein Verstoß gegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV? Auf die Bedeutung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts im Beziehungsgeflecht von Staat und Religionsgemeinschaften wurde oben bereits eingegangen51. Es ist als verfassungsrechtlich verbindlicher Hinweis zu verstehen, dass volle staatliche Souveränität nur im Bewusstsein der eigenen staatlichen Grenzen verwirklichbar ist. Insofern folgt aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV eine Kooperationspflicht, die sowohl den Staat wie auch die Religionsgemeinschaften bindet. Der Staat muss sich, um der Verwirklichung seiner vollen Souveränität willen, selbst bescheiden und akzeptieren, dass er sich nicht in innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheiten einmischen darf. Er hat religionsgemeinschaftliche Schiedsentscheidungen zu akzeptieren. Andererseits hat es die Religionsgemeinschaft hinzunehmen, wenn jede einzelne Schiedsgerichtsentscheidung vor der Vollstreckung einer staatlichen ordre public-Prüfung unterzogen wird. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, dass Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV keinen staatsfreien Rechtsraum schafft 52, in dem nur die religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichte als Sondergerichte entscheiden könnten. Gerade weil dem Staat auf allen Rechtsgebieten die Höchstzuständigkeit zukommt, er aber selbst erkannt hat, sich um seiner Souveränität willen beschränken zu müssen, muss er den Religionsgemeinschaften, so sie es wollen, staatliches Recht zur Regelung innerreligiöser Probleme zur Verfügung stellen. Wo Religionsgemeinschaften zum Zwecke ihrer Wirksamwerdung in der Welt weltlichen Rechts bedürfen, darf der Staat ihnen dieses nicht verwehren 53. Würde der Staat den Religionsgemeinschaften sein staatliches Recht vorenthalten, geriete seine Souveränität in Gefahr. Denn Staat und Religionsgemeinschaften sind, so auch Erik Wolf, in unaufhebbarer Dialektik aufeinander angewiesen: „Weder voneinander sich isolierend noch untereinander sich kontradizierend noch gegeneinander sich absolutierend noch ineinander sich identifizierend noch miteinander (stets) so So auch der BGH in seinem aktuellen Urteil vom 11. Februar 2000, V ZR 271/99; NJW 2000, S. 1555 (1556) sowie das OLG Naumburg, Urteil vom 11 September 1997, AZ 7 U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060 (3062). 51 Vgl. oben unter: Fünftes Kapitel, C., I., 4. 52 So auch v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 374. 53 Der Anspruch auf Gewährung des öffentlich-rechlichen Körperschaftsstatus in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV trägt diesem Gedanken etwa hinsichtlich des „weltlichen Kleides" Rechnung.

Α. Bundesrepublik Deutschland harmonisierend, bejahen Kirche und Staat die unaufhebbare Dialektik, existierend Auf einanderangewiesenseins. 54"

299 die Spannung ihres

Das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften ist also nicht statisch, es ist einem ständigen Wechselspiel unterworfen. Nur wenn Staat und Religionsgemeinschaften „sich im Recht lassen" und „einander Recht geben" 55 , befindet sich das Verhältnis beider im Gleichgewicht. Wenn nun staatliche Gerichte religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichte nicht als Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO ansehen wollen, enthalten sie den Religionsgemeinschaften in der überaus wichtigen Frage der Streitschlichtung den „Sitz im staatlichen Recht" vor. Verweigern die staatlichen Gerichte weiterhin die Vollstreckbarerklärung gemäß § 1060 ZPO, kommt dies einer bei Wolf gerade ausgeschlossenen „Isolierung" der beiden Rechtswirklichkeiten gleich! Die Dialektik kommt dann aus „dem Tritt" und das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften gerät aus dem Gleichgewicht. Die Vollstreckung nach Vollstreckbarerklärung gemäß § 173 VwGO i.V.m. §§ 1066, 1060 ZPO stellt demnach gerade keinen Verstoß gegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV dar. Vielmehr folgt aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV die staatliche Verpflichtung, den religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichtsentscheidungen einen Platz im staatlichen Recht einzuräumen, so dass die Entscheidungen auch im weltlichen Bereich wirksam werden können.

2. Durchsetzung der Schiedsgerichtsentscheidung durch Klage vor ordentlichen Gerichten - Entscheidungen des OLG Naumburg und des BGH Neben den Verwaltungsgerichten hatten sich in jüngster Vergangenheit auch oberste ordentliche Gerichte mit der Frage der staatlichen Durchsetzbarkeit von schiedsgerichtlichen Entscheidungen zu beschäftigen 56. Anders als in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sollte keine Vollstreckbarerklärung erwirkt werden. Ansatzpunkt auch für die Eröffnung des ordentlichen Rechtsweges war der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB. Sowohl das OLG Naumburg als auch zuletzt der BGH stellten überaus deutlich heraus, dass die autonome Entscheidung eines „innerkirchlichen Verwaltungsgerichts" von staatlicher Seite zu exekutieren ist, „um die Religionsgemeinschaft nicht rechtlos zu stellen" 5 7 . Eine inhaltliche Kontrolle des Schiedsspruchs scheide nach Ansicht beider 54 Wolf, Ordnung der Kirche, S. 148. 55 Wolf, Ordnung der Kirche, S. 148. 56 OLG Naumburg, Urteil vom 11. September 1997, AZ 7 U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060 ff.; BGH, Urteil vom 11. Februar 2000; V ZR 271/99, in: NJW 2000, S. 1555 ff. 57 Vgl. sogar den Leitsatz des Urteils vom 11. September 1997; OLG Naumburg, AZI U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060.

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

Gerichte wegen des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts aus, in entscheidungserheblichen Vorfragen bestehe eine Bindungswirkung an das Schiedsurteil 58. Die staatlichen Gerichte, so das OLG Naumburg, könnten den Schiedsspruch inzident nur im Hinblick auf elementare Menschenrechte und grundlegende Staatsgesetze beziehungsweise auf Willkür überprüfen. Sobald eine innerreligionsgemeinschaftliche Streitigkeit abschließend vom Schiedsgericht entschieden sei, greife die Zugrundelegung des Schiedsspruchs für die staatliche Gerichtsentscheidung auch nicht in das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht ein 59 . Dieser Ansicht folgte auch der BGH vollumfänglich in seiner aktuellen Entscheidung vom 11. Februar 2000 60 .

3. Nebeneinander der Vollstreckung und Durchsetzung? Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, da die Vollstreckbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung einen hoheitlichen Anspruch betrifft 61 . Auch der BGH hatte 1962 entschieden, dass bei Fragen der Judikabilität und der Vollstreckbarerklärung von religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist 62 . Wenn es jedoch weder um eine Uberprüfung des Schiedsspruchs noch um dessen Vollstreckung geht, sondern vielmehr eine Eigentumsstörung (§ 1004 BGB) Streitgegenstand ist, sieht die Rechtssprechung, wie oben erläutert, auch den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG für gegeben an 63 . Vordergründig werden zwei unterschiedliche Klageziele verfolgt (Vollstreckbarerklärung einerseits und erneute staatliche, aber an den Schiedsspruch gebundene Entscheidung andererseits). Dennoch ist unübersehbar, dass letztlich ein und dasselbe übergeordnete Ziel, nämlich die Durchsetzung der Schiedsgerichtsentscheidung, erreicht werden soll. Diese grundsätzlich angelegte Gefahr von „Doppelprozessen" ist zwar zu kritisieren. Zu bannen ist sie gleichwohl nur, wenn die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie oben gefordert, die religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichte hinsichtlich ihrer Rechtsnatur im staatlichen Recht als Schiedsgerichte im Sinne des 10. Buches der ZPO ansähen und beantragten Vollstreckbarerklärungen 58 OLG Naumburg, Urteil vom 11. September 1997, AZ 7 U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060 (3062); BGH, Urteil vom 11. Februar 2000; V ZR 271/99, in: NJW 2000, Heft 10, S. 1555 ff. 59 OLG Naumburg, Urteil vom 11. September 1997, AZ 7 U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060 (3062). 60 BGH, Urteil vom 11. Februar 2000; NJW 2000, S. 1555 (1556). 61 VG Hannover, Beschluss vom 3. August 1998, 6 D 4677/98, S. 6; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung-Kommentar, § 168 Rdnr. 34. 62 BGHNTW 1963 S. 394. 63 OLG Naumburg, Urteil vom 11. September 1997, AZ 7 U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060 (3061); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 375 m. w. N. zur Rechtsprechung.

Α. Bundesrepublik Deutschland

301

stattgäben. Dann nämlich fehlte es für eine Klage vor den ordentlichen Gerichten am Rechtsschutzinteresse. Die Vollstreckbarerklärung des Verwaltungsgerichts ist nämlich weit schneller und einfacher zu bewirken. 4. Ergebnis: Durchbruch für den staatlichen Rechtsschutz im religionsgemeinschaftlichen Bereich Nachdem das OVG Lüneburg im Oktober 1998 die Durchsetzung einer Entscheidung des Schiedsgerichts durch Inanspruchnahme des verwaltungsgerichtlichen Vollstreckungsverfahrens abgelehnt hatte, schien es zunächst so, als würde sich ein rechtsfreier Raum auftun. Das Schiedsgericht hätte zwar frei entscheiden können, solange aber seine Entscheidungen nicht auch „in der Welt" hätten wirksam werden können, wäre die befriedende Wirkung des Schiedsgerichts minimal geblieben. Da zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das OVG Lüneburg das Schiedsgericht noch nicht abschließend entschieden hatte, ließ das OVG ausdrücklich die Frage offen, ob nicht auch aus der Justizgewährungspflicht eine staatliche Vollstreckung folgen müsse. Die beiden Urteile des OLG Naumburg vom 11.September 1997 und des BGH vom 11. Februar 2000 haben diese Frage mittlerweile in einer Weise beantwortet, wie sie von der Literatur seit langem gefordert wird 6 4 . Beiden Gerichten ist bei dieser Gelegenheit der schon seit langem erwartete Durchbruch für den staatlichen Rechtsschutz in „Kirchensachen" gelungen. Ausdrücklich bejaht der BGH die vom OVG Lüneburg noch offen gelassene Frage: Aus der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip; Art. 92 GG) folge, dass die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen seien, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richte. Weil der Rechtsweg durch die staatlichen Prozessordnungen allgemein eröffnet sei, widerspräche es dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), Ansprüche der Religionsgemeinschaften auf staatlichen Rechtsschutz anders zu behandeln als Ansprüche anderer Rechtssubjekte. Die Pflicht des Staats zur Justizgewährung habe deshalb sowohl gegen als auch zugunsten der Religionsgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze religionsgemeinschaftliche Vorfragen zu klären 64 Vgl. zum staatlichen Rechtsschutz im kirchlichen Bereich: v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 363 ff., insbesondere S. 373, 380, 384; Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, S. 144; Nolte, geb. Haastert, Auf dem Weg zu einem gleichwertigen staatlichen Rechtsschutz für Beschäftigte im Kirchendienst?, in: DÖV 1996, S. 363; H. Weher, Staatliche und kirchliche Gerichtsbarkeit, NJW 1989, S. 2217 ff.; Rüfner, Zuständigkeit staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten, in: HdbStKirchR I I § 73, S. 1981 ff.; zur unbefriedigenden „Vertagung" dieser grundsätzlichen Problematik durch das Bundesverfassungsgericht vom 15. März 1999 siehe: Kirchberg, Staatlicher Rechtsschutz in Kirchensachen, in: NVwZ 1999, S. 734 f.

302

5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

sind 65 . Der BGH anerkennt ausdrücklich die Auffassung des OLG Naumburg, dass im Hinblick auf die „vorgreiflichen Fragen" die staatlichen Gerichte insofern an das Urteil des religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichts gebunden seien66. Immer dann, wenn das Schiedsgericht endgültig entschieden hat, ist mit dem OLG Naumburg und dem BGH festzustellen, dass die Zugrundelegung des Schiedsspruchs für die staatliche Gerichtsentscheidung dann nicht mehr in das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht einzugreifen vermag 67. Nach dem Urteil des BGH wird es den Gerichten nicht mehr ohne weiteres möglich sein, sich schon deshalb für von vornherein unzuständig zu erklären, nur weil in irgendeiner Weise religionsgemeinschaftliche Belange berührt seien. Der Ansicht des OLG Naumburg und des BGH ist uneingeschränkt zuzustimmen. Beide Gerichte haben richtig erkannt, dass Rechtsfrieden nur erreicht werden kann, wenn schiedsgerichtliche Entscheidungen auch vollstreckt werden können. Es kann nicht angehen, dass der Staat den Rechtsweg zu staatlichen Gerichten mit dem Argument verweigert, es gebe einen gemeindeinternen Rechtsweg und dann, wenn eine intern gefundene Entscheidung vorliegt, auch noch die Vollstreckung ablehnt. Sobald eine endgültige Entscheidung eines religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichts vorliegt, das aufgrund einer beiderseitigen Unterwerfungserklärung im Rahmen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung tätig geworden ist und das Ergebnis dem ordre public der Bundesrepublik Deutschland nicht widerspricht, ergibt sich aus der Justizgewährungspflicht des Staates die Verpflichtung, die schiedsgerichtliche Entscheidung für vollstreckbar zu erklären 68.

B. Schweiz (Basel-Stadt) im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland I. Die Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem 1. Grundlage und Positionierung religionsgemeinschaftlicher Schiedsgerichtsbarkeit im staatlichen Rechtssystem In der Schweiz ist, wie bereits festgestellt wurde 69 , das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften 65 BGH, Urteil vom 11. Februar 2000; V ZR 271/99, NJW 2000, S. 1555 (1556). 66 BGH, Urteil vom 11. Februar 2000; V ZR 271 /99, NJW 2000, S. 1555 (1556) 67 OLG Naumburg, Urteil vom 11. September 1997, AZ 7 U 1328/97, in: NJW 1998, S. 3060 (3062). 68 Nolte, Durchbruch auf dem Weg zu einem gleichwertigen staatlichen Rechtsschutz in „Kirchensachen"?!, in: NJW 2000, S. 1844 f.; einschränkend auch: Maurer, Anmerkung zu BGH-Urteil vom 11. Februar 2000, JZ 2000, S. 1113 ff. 69 Zweites Kapitel, Β., I. sowie: III., 3., a)

Β. Schweiz (Basel-Stadt) im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland

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weit weniger stark verbürgt als in der Bundesrepublik Deutschland. Einerseits wird vertreten, dass es nach geltender Rechtslage nur so weit gehe, wie sich die kantonal eingeräumte Autonomie erstrecke 70, andererseits wird versucht, das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht auf das Grundrecht der Religionsfreiheit abzustützen71. Da auf der Ebene der Eidgenossenschaft das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht nur durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung, nicht jedoch auch bundesverfassungsrechtlich, abgesichert ist, kann auch die Frage der Errichtungsbefugnis von religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichten für die Schweiz nicht einheitlich beantwortet werden. Vielmehr ist wiederum das kantonale Verfassungsrecht heranzuziehen. Obwohl die Kantonsverfassung von Basel-Stadt in § 19 Abs. 2 feststellt, dass die Kirchen und die Israelitische Gemeinde ihre Verhältnisse selbständig ordnen, wird bereits mit dem Gesetz betreffend die Staatsoberaufsicht deutlich, dass der Umfang des Selbstbestimmungsrechts von vornherein eingeschränkt ist. Dennoch genügt § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung als Grundlage für die Errichtung von Schiedsgerichten durch die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften 72. Gleichzeitig ergibt sich aus dem in der Schweiz nie ernsthaft bestrittenen Recht des Staates, staatskirchenrechtliche Regelungen zu treffen 73, auch, dass der Staat frei ist, darüber zu befinden, wie religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichte im staatlichen Rechtssystem positioniert sein sollen. Deshalb sind religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichte im Kanton Basel-Stadt noch viel weniger als in Deutschland Sondergerichte, die nötig wären, um innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit ein wie auch immer bestehendes Vakuum auszufüllen. Anders als die deutsche „Verwaltungsgerichtsordnung" erwähnt das baselstädtische „Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege" öffentlich-rechtliche Schiedsgerichte jedoch nicht und setzt ihr Bestehen auch nicht voraus.

2. Die öffentlich-rechtlichen Statuten als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit - ein Widerspruch? Fraglich ist daher, ob die zivilrechtlichen Vorschriften über die Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. etwa Art. 64 ff. ZGB) auch auf die Schiedsgerichte der öffentlichrechtlichen Religionsgemeischaften angewendet werden können. Bereits bei der Erläuterung der deutschen Rechtslage wurde die Frage aufgeworfen 74, ob nicht die 70 F. Hafner/Buser, Frauenordination via Gleichstellungsgesetz?, in AJP/PJA 1996, S. 1208; ders., Kirchen im Kontext der Grund- und Menschenrechte, S. 68 f. 71 Friederich, Kirchen und Glaubensgemeinschaften im pluralistischen Staat, S. 261 ff. 72 Die Statuten der privatrechtlich organisierten Israelitischen Religionsgesellschaft Basel sehen die Einrichtung eines Schiedsgerichtes gar nicht vor. 73 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, Β., I. und Π. 74 Vgl. oben unter: Fünftes Kapitel, Α., I., 2.

304

5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

öffentlich-rechtliche Rechtsnatur von Schiedsgerichtssatzungen im Widerspruch zum privatrechtlichen Grundsatz stehen könnte, ein Schiedsverfahren frei vereinbaren zu können. In der Tat verlangt die jahrzehntelange bundesgerichtliche Praxis von Schiedsgerichten, dass sie die Voraussetzungen für eine unabhängige Rechtsprechung erfüllen, um als echte Schiedsgerichte gelten zu können 75 : Schiedsgerichte, die auf privatrechtlichen Statuten beruhen, stünden in Abhängigkeit zum Verein und entbehrten damit der nötigen Unabhängigkeit, seien mithin keine echten Schiedsgerichte. Allenfalls würden sie dem Vereinswillen Ausdruck verleihen. Wenn das Bundesgericht dies schon für die privatrechtlichen Schiedsgerichte annimmt, muss es erst recht für öffentlich-rechtliche Schiedsgerichte gelten, da deren schiedsgerichtsbegründende Verfassung hoheitlich und nicht im Rahmen privatrechtlicher Autonomie zustandekommt. Allerdings anerkennt das Bundesgericht privatrechtliche Schiedsgerichte als echte Schiedsgerichte, wenn die Unparteilichkeit gewährleistet ist und eine gültige Schiedsabrede vorliegt 76 . Wesentlich ist neben der Unparteilichkeit demnach der Wille der streitenden Parteien. Wenn sich die Kontrahenten freiwillig dem Schiedsgericht unterwerfen, kann dahinstehen, auf welcher Grundlage die Schiedsgerichtsbarkeit errichtet wurde. Ebendies ist beim Schiedsgericht der Israelitischen Gemeinde Basel der Fall: Gemäß § 61 der Satzung wird es überhaupt nur dann tätig, wenn die Parteien schriftlich bestätigt haben, dass sie den Spruch des Schiedsgerichts anerkennen werden. Die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts ist über die freie Wahl der zehn Mitglieder gemäß § 8 Nr. 2 der Satzung der Israelitischen Gemeinde Basel gewährleistet. Damit werden die Mitglieder des Schiedsgerichts vorab und abstrakt, d. h. unabhängig von den anfallenden Verfahren bestimmt. Das Schiedsgericht der Israelitischen Gemeinde Basel berücksichtigt demnach in ausreichender Weise die für eine „echte Schiedsgerichtsbarkeit" unabdingbaren Voraussetzungen der Unabhängigkeit und der Freiwilligkeit, so dass ein eventueller Widerspruch, der sich aus der öffentlich-rechtlichen Grundlage des religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichts ergeben könnte, verneint werden kann.

IL Überprüfbarkeit der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte Für die deutsche Rechtslage wurde die Ansicht vertreten, dass gerade im Hinblick auf das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht keine erneute 75 BGE 52 I 75; 57 1 204 ff.; 64 I 101 /102, 671 214 ff.; 72 I 90/91; 751 188/189; 761 93; 801 341 f.; 81 1327/8; 84146/47, 93158. 76 BGE 771 202; 781 113.

Β. Schweiz (Basel-Stadt) im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland

305

staatliche Inhaltskontrolle des religionsgemeinschaftlichen Schiedsspruches möglich ist 77 . Für den Kanton Basel-Stadt könnte sich anderes ergeben, da das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften hier zwar durchaus noch stärker als in anderen Kantonen ausgestaltet ist, im Vergleich zur deutschen Rechtslage aber bei weitem nicht so durchsetzungsfähig ist. Der kantonale Gesetzgeber hat in Ausübung seiner Kirchenhoheit in § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung Basel-Stadt bestimmt, dass die Religionsgemeinschaften „ihre Verhältnisse selbständig ordnen." Fraglich ist, ob sich bereits hieraus ein „Bestandsschutz" religionsgemeinschaftlicher Schiedssprüche gegenüber der Überprüfung durch staatliche Gerichte ergibt. Ausdrücklich, so konkretisiert sich der Gesetzgeber selbst, sei „unter kirchlicher Autonomie ( . . . ) die Befugnis zur Selbstorganisation und zur Rechtsetzung im eigenen Bereich zu verstehen" 78. Immerhin könnte sich aus der Befugnis zur Rechtsetzung im eigenen Bereich gewissermaßen als „Annexkompetenz" auch die Befugnis zur Etablierung einer religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichtsbarkeit ergeben, deren Entscheidungen auch gegenüber staatlichen Gerichten Bestand haben müssten. Dagegen spricht jedoch, dass der kantonale Gesetzgeber bei der Rechtsetzung im eigenen Bereich vor allem die Organisation der Religionsverbände und das Mitgliedschaftsrecht im Auge hatte 79 . Die Befugnis zur Rechtsetzung im eigenen Bereich ist also von vornherein nicht unbeschränkt verliehen worden, so dass jedenfalls daraus keine „Bestandskraft" der religionsgemeinschaftlichen Schiedssprüche gegenüber staatlicher Überprüfung abgeleitet werden kann. Weit stärker wiegen jedoch die Bestrebungen auf eidgenössischer Ebene, im Rahmen der Justizreform den staatlichen Rechtsschutz zu verstärken. Mit Volksabstimmung vom 12. März 2000 wurde die Verfassungsreform im Bereich Justiz angenommen80, die unter anderem vorsieht, die neue Bundesverfassung um einen Art. 29a und einen Art. 191b zu ergänzen. Gleichzeitig erklärte sich das Volk damit einverstanden, dass die Bundesversammlung über den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der entsprechenden Verfassungsänderungen bestimmen kann. Durch diese eher ungewöhnliche Delegation der Entscheidung über die In-Kraft-Setzung soll erreicht werden, dass die Justizreform gemeinsam mit der Ausführungsgesetzgebung in Kraft tritt. Am 28. Februar 2001 verabschiedete der Bundesrat die Bot77

Vgl. oben unter: Fünftes Kapitel, Α., II. Ratschlag und Entwurf zu einem Großratsbeschluss betreffend Vornahme einer partiellen Verfassungsänderung und zu einem Großratsbeschluss betreffend Revision der Kantonsverfassung, Nr. 6897, S. 8 f. 7 9 Vgl. ebenda. so BB1. 2000, 2990; Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996, BB1. 1997 I I 805; Bundesbeschluss über die Reform der Justiz vom 8. Juni 1999, BB1. 1997 1 1; Beschluss des Parlamentes vom 8. Oktober 1999, BB1. 1999, 8633. 78

20 Nolte

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5. Kap.: Religionsgemeinschaftliche Schieds- und staatliche Gerichtsbarkeit

schaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, die aller Voraussicht nach im Sommer 2001 im Parlament beraten werden soll. Da mit einem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht und des Bundesgesetzes über das Bundesverwaltungsgericht nicht vor 2004 / 2005 gerechnet wird, werden auch die folgenden Verfassungsartikel erst dann in Kraft treten. Art. 29a der neuen Bundesverfassung wird dann lauten: „Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefallen ausschliessen."

Art. 191b der neuen Bundesverfassung erhält dann folgenden Wortlaut: „Die Kantone bestellen richterliche Behörden für die Beurteilung von zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sowie von Straffällen. Sie können gemeinsame richterliche Behörden einsetzen."

Sobald diese Änderungen der Bundesverfassung in Kraft getreten sein werden, besteht ein verfassungsrechtlich gewährleisteter Justizgewährungsanspruch. In Anbetracht des im Vergleich zur deutschen Rechtslage bei weitem nicht so stark ausgestalteten religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts im Kanton Basel-Stadt werden religionsgemeinschaftliche Schiedssprüche jedenfalls solange durch staatliche Gerichte überprüft werden können, wie nicht der kantonale Gesetzgeber von seinem Recht Gebrauch macht und sie ausdrücklich der richterlichen Beurteilung entzieht81. Hinsichtlich der Uberprüfbarkeit von religionsgemeinschaftlichen Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte ist damit aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts ein deutlicher Unterschied zwischen der deutschen und der baselstädtischen Rechtslage festzustellen.

81

Keine zusätzliche Stütze findet dieses Ergebnis in Art. 6 EMRK, da das „Recht auf ein faires Verfahren" sich nur auf Streitigkeiten in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen sowie auf strafrechtliche Anklagen, hingegen nicht auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten bezieht.

Sechstes Kapitel

Die „Res Mixtae" A. Baden I. Religionsunterricht Hinsichtlich des jüdischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen bestehen bislang keine veröffentlichten Vereinbarungen zwischen dem Land BadenWürttemberg und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Mit Rücksicht auf die besondere Situation der Israelitischen Religionsgemeinschaft hat das Kultusministerium jedoch Ausnahmen von sonst üblichen Kriterien zugelassen. So können zum Beispiel die wenigen jüdischen Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Klassen und Schularten zusammengefasst, auch außerhalb von Schulen, etwa in Gemeindezentren, unterrichtet werden. Ausgehend vom Grundsatz, dass der jüdische Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist und die übrigen Voraussetzungen der §§ 96 ff. des baden-württembergischen Schulgesetzes erfüllt sind, hat das Kultusministerium erstmals mit Schreiben an die Oberschulämter vom 7. September 1989 Regelungen über staatliche Zuschüsse für die Erteilung des jüdischen Religionsunterrichts getroffen. Die Zuschüsse werden grundsätzlich für die stundenplanmäßig tatsächlich erteilten Religionsunterrichtsstunden in entsprechender Anwendung der Einzelstundenvergütungen nach den Vergütungssatzrichtlinien in der jeweils geltenden Fassung gewährt. Im Haushaltsjahr 1999 (Schuljahr 1998/1999) erhielt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens insgesamt DM 145.836,- staatliche Ersatzleistungen für den von ihren Lehrkräften erteilten Religionsunterricht. 1

II. Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg Die Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg dient mit Forschung, Lehre und Studium „der Pflege und Entwicklung der jüdischen Geisteswissenschaften und der ihnen verwandten Disziplinen." Außerdem bereitet sie „auf alle berufli1 Schreiben des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg an den Verfasser, Aktenzeichen Ki-7162.1 -00/127 vom 25. Februar 2000. 20*

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6. Kap.: Die „Res Mixtae"

chen Tätigkeiten in der jüdischen Gemeinschaft vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern, vor allem auf religiöse Aufgaben" 2 . Dem Errichtungsbeschluss des Direktoriums des Zentralrates ist einerseits zu entnehmen, dass es sich bei der neuen Einrichtung um eine private Hochschule im Sinne von § 128 des baden-württembergischen Universitätsgesetzes handelt, andererseits wurde ein Planausschuss beauftragt, „die günstigste Rechtsform für die endgültige Ausgestaltung des Trägerschaftsverhältnisses zu ermitteln." Schließlich gestaltete man die Rechtsform so, dass die Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg eine Einrichtung des Zentralrates der Juden in Deutschland wurde. Innerhalb der staatlichen Rechtsordnung bestimmt sich die Stellung der Hochschule durch ihre Aufgaben; also in erster Linie durch den religiösen Akzent ihres Ausbildungsauftrags. Damit ist die Hochschule eine eigene Angelegenheit der sie tragenden Religionsgemeinschaft im Sinne des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts. Will eine private Hochschule Zeugnisse und akademische Grade staatlichen Rechts verleihen, bedarf sie gemäß § 70 des Hochschulrahmengesetzes der ersatzhochschulrechtlichen Anerkennung, d. h. sie kann „nach näherer Bestimmung des Landesrechts die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Hochschule erhalten", wenn bestimmte, in § 70 Abs. 1 des Hochschulrahmengesetzes aufgezählte Voraussetzungen erfüllt sind. Für kirchliche Einrichtungen, denen die Hochschule für jüdische Studien gleichzustellen ist, „können nach näherer Bestimmung des Landesrechts Ausnahmen von einzelnen der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen zugelassen werden, wenn gewährleistet ist, dass das Studium einem Studium an einer staatlichen Hochschule gleichwertig ist" (§ 70 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz). Gemäß § 128 des baden-württembergischen Universitätsgesetzes können Einrichtungen des Bildungswesens in freier Trägerschaft, die Hochschulaufgaben wahrnehmen, auf Antrag des Trägers durch Beschluss der Landesregierung als Hochschule staatlich anerkannt werden. Für staatlich anerkannte Hochschulen gelten dann die Bestimmungen des vierten Teils des Universitätsgesetzes (Bestimmungen über Studium und Lehre, Prüfungen, Forschung) entsprechend (§ 128 Abs. 2 Satz 1 Universitätsgesetz Baden Württemberg). Am 23. Juni 1981 beschloss die Landesregierung von Baden-Württemberg, die Hochschule für jüdische Studien anzuerkennen, womit sie den Status einer „staatlich anerkannten Hochschule" im Sinne von § 128 des Universitätsgesetzes erhalten hat. Damit sind die Voraussetzungen für das Ausstellen von Zeugnissen und die Verleihung akademischer Grade, mit Ausnahme des Promotionsrechts, erfüllt. 3 2 § 1 Abs. 1 der am 10. März 1981 vom Zentralrat verabschiedeten Satzung der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. 3 Vgl. zu Einzelheiten: Meier/Schuster, Die Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg, S. 127 ff. sowie: Baldus, M., Kirchliche Hochschulen, in: HdBStKirchR II, S. 601 ff. (604); zum staatskirchenrechtlichen Kontext vgl.: H. Weber, Theologische Fakultäten und

Α. Baden

309

Die Satzung der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg bekennt sich zur Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre, wie sie in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und § 4 des baden-württembergischen Universitätsgesetzes gewährleistet werden. Gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 6 und 51 Abs. 1 des Universitätsgesetzes sind für das Studium Studienordnungen und für Hochschulprüfungen Prüfungsordnungen maßgebend, die der Zustimmung des Kultusministeriums bedürfen.

I I I . Friedhofswesen 1. Pflege der verwaisten Friedhöfe Ausgehend von den in der „feierlichen Erklärung der Bundesregierung zur Judenfrage" vom 27. September 1956 anerkannten Verpflichtungen zur „moralischen und materiellen Wiedergutmachung" der durch die Verfolgungsmaßnahmen des Nationalsozialistischen Regimes entstandenen Schäden, beschloss die Bundesregierung in der Kabinettsitzung vom 31. August 1956, dass sie zusammen mit den Ländern anstelle der vernichteten jüdischen Gemeinden für die Sicherung und die Betreuung der jüdischen Friedhöfe sorgen wolle 4 . Aufgrund dieses Beschlusses wurde den Ländern vorgeschlagen, dass Bund und Länder gemeinsam je zur Hälfte die Kosten der dauernden Pflege der verwaisten jüdischen Friedhöfe tragen sollten. Die Landesregierungen stimmten diesem Vorschlag zu 5 . In Ausführung dieser Beschlüsse trafen die Vertreter des Bundesinnenministeriums, des Bundesfinanzministeriums und der zuständigen Länderressorts mit Vertretern des Zentralrates der Juden in Deutschland und der ihm angehörenden Landesverbände, der jüdischen Gemeinden sowie der beteiligten jüdischen Nachfolgeorganisationen zur praktischen Durchführung folgende Regelungen6: 1. Die oberste Landesbehörde in den beteiligten Ländern übernimmt die Verantwortung vor der Öffentlichkeit für die Durchführung der dauernden Betreuung der jüdischen Friedhöfe im Lande unter maßgeblicher sachkundiger Mitwirkung des betreffenden jüdischen Landesverbandes. Es bleibt der obersten Landesbehörde überlassen, ob und welche Behörden und Stellen mit der DurchfühProfessuren im weltanschaulich-neutralen Staat, in: Reuter, (Hrsg.), Theologie in der Universität, S. 123 ff. (129). 4 Protokoll des Bundesinnenministeriums sowie Vermerk III 6-36220-6422/57 gez. durch Ministerialrat Dr. Gussone vom 28. Juni 1957. 5 Das Staatsministerium Baden-Württemberg mit Schreiben vom 17. Dezember 1956 Az.: 442 Β 6 Absprache vom 21. Juni 1957 betreffend die praktische Durchführung der Betreuung verwaister jüdischer Friedhöfe.

310

6. Kap.: Die „Res Mixtae"

rung im Einzelnen beauftragt werden. Ebenso können die jüdischen Landesverbände ihre Mitwirkung im Einzelnen den ihnen angeschlossenen jüdischen Gemeinden übertragen unter Aufrechterhaltung ihrer eigenen Verantwortung. 2. Der auf den Bund entfallende Hälfteanteil an der von Bund und Ländern gemeinsam zu ermittelnden Pauschale für die Kosten der Betreuung, wird jeweils an das zuständige Landesressort überwiesen und von ihm unter Beachtung der Richtlinien zu § 64a RHO (Verwendungsnachweis) abgerechnet. 3. Nach der Erklärung der jüdischen Sachverständigen erfordert die Betreuung der Friedhöfe nach jüdischer religiöser Auffassung die Bewahrung der Ruhe der Toten und Erhaltung des Friedhofes als in die Landschaft eingefügte Gesamtheit. Dazu gehören: Erhaltung einer sicheren Einfriedung mit verschließbarem Tor, ordnungsmäßige Unterhaltung der Zugangswege und der Hauptwege auf dem Friedhof, regelmäßiges Schneiden des Grases und Beseitigung des Unkrautes. Umgefallene Grabsteine sind wieder aufzurichten. Eine individuelle Pflege des Einzelgrabes bleibt den Angehörigen des Verstorbenen beziehungsweise den jüdischen Stellen überlassen. Einzelfragen sind in Verbindung mit den zuständigen jüdischen Stellen zu klären. In Baden-Württemberg werden die verwaisten jüdischen Friedhöfe überwiegend von den Städten und Gemeinden betreut7. Die von Bund und Land bereitgestellten Mittel werden von den Regierungspräsidien bewirtschaftet. Den Gemeinden werden die für die Betreuungsmaßnahmen erforderlichen Mittel auf Grund von Anforderungen zugeteilt. Soweit die Mittel für die Betreuungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft werden, werden den Städten und Gemeinden auch die Kosten der einzelnen Maßnahmen - auch der Instandsetzungsmaßnahmen auf Grund von Friedhofsschändungen - nach Möglichkeit vollständig erstattet. Falls jedoch insoweit mangels ausreichender Mittel die Förderung nicht vollständig erfolgen kann, tragen die jeweiligen Städte und Gemeinden die restlichen Kosten für Behebung von Schäden durch Friedhofsschändungen 8. Der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens oder den einzelnen Gemeinden entstehen für die Unterhaltung und Pflege verwaister jüdischer Friedhöfe somit keine finanziellen Belastungen.

7 Auf dem Gebiet der IRG Badens handelt es sich um insgesamt 93 Friedhöfe ganz unterschiedlicher Größe. Flächenmäßig am größten ist der jüdische Friedhof in Mannheim, Feudenheimer Straße, mit 27 381 qm. Der kleinste jüdische Friedhof in Kraichtal, Neuenbürg, (Karlsruhe) misst lediglich 30 qm. 8 Schreiben des Innenministers des Landes Baden-Württemberg D. Schlee vom 19. Dezember 1986; Az.: I I 2809/-.

Β. Kanton Basel-Stadt

311

2. Neue jüdische Friedhöfe Gemäß § 1 Abs. 2 des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes können Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus eigene Friedhöfe anlegen, unterhalten und erweitern. Demnach sind sowohl die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens als auch die einzelnen mit Körperschaftsstatus ausgestatteten Gemeinden berechtigt, eigene jüdische Friedhöfe anzulegen und zu unterhalten. Die Schaffung von Kriterien für die Anlage neuer jüdischer Friedhöfe liegt gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes in der Kompetenz des Sozialministeriums 9.

B. Kanton Basel-Stadt I. Religionsunterricht Gemäß § 77 Abs. 1 des baselstädtischen Schulgesetzes ist die Erteilung des Religionsunterrichtes Sache der religiösen Gemeinschaften. Die staatlichen Behörden stellen den religiösen Gemeinschaften vom ersten bis zum neunten Schuljahr im Rahmen des normalen Schulpensums wöchentlich zwei Stunden zur Verfügung und überlassen ihnen unentgeltlich die notwendigen Schullokalitäten10. Die Regelung im Einzelnen erfolgt durch eine Ordnung, die vom Erziehungsrat 11 im Einvernehmen mit den religiösen Gemeinschaften erlassen wird und der Genehmigung durch den Regierungsrat unterliegt 12. In den staatlichen Primarschulen wird kein jüdischer Religionsunterricht erteilt. Stattdessen gibt es mit der Leo-Adler- Primarschule eine gemäß §§ 130 ff. des baselstädtischen Schulgesetzes staatlich anerkannte jüdische Privatschule, in der in besonderer Weise der religiösen Erziehung der Kinder Rechnung getragen werden kann 13 . Wechseln die jüdischen Kinder für die Klassenstufen 5 bis 7 auf die Orientierungsschule, werden sie seit 1994, unabhängig von ihrem Wohnort innerhalb des 9 So auch das Schreiben des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg an den Verfasser, Aktenzeichen Ki-7162.1 -00/127 vom 25. Februar 2000. 10 § 77 Abs. 2 Schulgesetz Basel-Stadt. 11

Der aus neun Mitgliedern bestehende Erziehungsrat wirkt gemäß § 79 Abs. 1 Schulgesetz Basel-Stadt bei allen wichtigen Fragen auf dem Gebiete des Erziehungs- und Unterrichtswesens mit. Er ist dem Erziehungsdepartement beigeordnet und wird mit Ausnahme des Präsidenten des Rates, dessen Amt vom Departementsvorsteher wahrgenommen wird, vom Großen Rat gewählt (§ 79 Abs. 2 Schulgesetz Basel-Stadt). 12 § 77 Abs. 3 Schulgesetz Basel-Stadt. Zum Unterricht zu Hause gemäß § 135, wie er durch die Israelitische Religionsgesellschaft Basel praktiziert wird, vgl. oben unter: Viertes Kapitel, Β., II., 5., c).

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6. Kap.: Die „Res Mixtae"

Kantons Basel-Stadt, in zwei Klassen auf einer staatlichen Orientierungsschule zusammengefasst. Innerhalb eines „Freifachbereiches" können zusätzliche Stunden für Judaica angeboten werden, die auch Andersgläubigen offen stehen14. Der jüdische Religionsunterricht, der zeitgleich zum Religionsunterricht anderer Religionsgemeinschaften stattfindet, wird von einer vom Schulverein-Leo-Adler entsandten Lehrkraft übernommen 15. Finanziert wird dieser Unterricht einerseits durch den Schulverein-Leo-Adler, andererseits durch die Israelitische Gemeinde, die im Rechnungsjahr 1999 für diesen Zweck SFr. 20.000,- budgetiert hat 16 .

II. Friedhofswesen - Zwang zur Urnenbestattung: Verstoß gegen die Kantonsverfassung Da die Israelitische Gemeinde Basel erst 1902 die Erlaubnis der Stadt Basel erhielt, einen eigenen Friedhof einzurichten, mussten die Basler Juden ihre Toten bis zur Eröffnung des eigenen Friedhofs im August 1903 in Hegenheim (Frankreich) bestatten17. Der Betrieb des Israelitischen Friedhofes in der Theodor-Herzl-Straße 90 erfolgt gemäß Ziffer 4 Regierungsratsbeschluss betreffend die Bewilligung eines Israelitischen Friedhofes sowie § 107 der Statuten unter der Oberaufsicht des Sanitätsdepartementes18 des Kantons Basel-Stadt und nach den Bestimmungen des kantonalen Friedhofrechts. Obwohl der jüdische Ritus nur die Erdbestattung vorsieht und obwohl der Große Rat „den Kantonsangehörigen israelitischer Konfession die Bestattung ihrer Toten nach den Vorschriften ihrer Religion" ermöglichen wollte 19 , hatte das kantonale Bestattungsamt die Gemeinde angewiesen, auch Urnenbeisetzungen zuzulassen20. Die Rechtsgrundlage für eine solche Verpflichtung könnte sich aus dem Regierungsratsbeschluss betreffend die Bewilligung eines Israelitischen Friedhofes (Ziffer 2) in Verbindung mit § 4 des baselstädtischen Bestattungsgesetzes ergeben. Ge14

So das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt in einem Schreiben vom 9. September 1993 an die Jüdische Primarschule Leo Adler. 15 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 16 Bericht und Antrag der Budget- und Rechnungsprüfungskommission zum Budget 1999 vom 2. November 1998. 17 Guth, Synagoge und Juden in Basel, S. 48. 18 Mit Regierungsratsbeschluss vom 8. Februar 1994 ist die Zuständigkeit im Friedhofsund Bestattungswesen vom Sanitäts- aufs Baudepartement übergegangen. 19 Großratsbeschluss betreffend die Bewilligung eines Israelitischen Friedhofes vom 10. April 1902. 20

So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999.

Β. Kanton Basel-Stadt

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mäß Ziffer 2 des Regierungsratsbeschlusses betreffend die Bewilligung eines Israelitischen Friedhofes finden auf Anlage und Betrieb des Israelitischen Friedhofs die Bestimmungen der Gesetze und Verordnungen über das Bestattungswesen Anwendung, sofern in der Bewilligung selbst nicht besondere Vorschriften enthalten sind. Da die Bewilligung keine Spezialregelungen zur Urnenbestattung enthält 21 , ist § 4 des Bestattungsgesetzes Basel-Stadt einschlägig, der neben der Erdbestattung auch die Kremation als „grundsätzliche Bestattungsart" vorsieht. Diese Rechtsgrundlage müsste jedoch mit höherrangigem Recht, insbesondere mit kantonalem und Bundesverfassungsrecht vereinbar sein. Nachdem auch die Israelitische Gemeinde Basel 1973 den Körperschaftsstatus verliehen bekommen hat, kann sie sich nun, ebenso wie die drei christlichen Kirchen, auf das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht gemäß § 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung berufen. Oben 22 wurde bereits ausführlich dargelegt, dass das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht der baselstädtischen Verfassung nicht so weit reicht, wie das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV den deutschen Religionsgemeinschaften gewährleistete Grundrecht. Dennoch bedürfen heute nur noch der Erlass und die Änderung der Kirchenverfassung - und im Falle der Erhebung von Kirchensteuern - auch die Steuerordnungen der Genehmigung des Regierungsrates. Dem politischen Gemeinwesen ist ein inhaltliches „Hineinregieren" in kirchliche Angelegenheiten somit auch im Kanton Basel-Stadt verfassungsrechtlich verunmöglicht. Der Regierungsrat hat lediglich die Möglichkeit, in konstitutiven und grundsätzlichen Fragen eine Abweichung von staatlichem Recht zu verhindern. Ob auf dem Friedhof der Israelitischen Gemeinde Basel entgegen dem jüdischen Ritus auch Urnenbestattungen zuzulassen sind, stellt jedoch keine konstitutive, grundsätzliche Frage dar. Auch würde die ausschließliche Erdbestattung auf dem israelitischen Friedhof keine Abweichung von staatlichem Recht bedeuten, auf die hin der Kanton einzugreifen berechtigt wäre. Auch kann diese Maßnahme jedenfalls seit 1973 nicht mehr auf einen Beschluss des Regierungsrates gestützt werden, da diese staatliche Einmischung zunächst in das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht eingreift und vor dem gerade erläuterten Hintergrund wohl selbst dann nicht gerechtfertigt wäre, wenn die staatliche Anweisung in Form eines Gesetzes geschehen würde. Wenn nun staatliche Verwaltungsstellen der Israelitischen Gemeinde Basel vorschreiben, auf ihrem Friedhof auch Urnenbestattungen zulassen zu müssen, stellt dies einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 der Kantonsverfassung sowie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes dar. Die Israelitische Gemeinde Basel hat sich insofern beholfen, als dass Urnenbeisetzungen gemäß § 2 Abs. 2 des Friedhofsreglements der Israelitischen Gemeinde 21

Vielmehr geht sie in den Ziffern 8. und 9. wie selbstverständlich davon aus, dass auch Ascheurnen auf dem israelitischen Friedhof beigesetzt werden. 22 Vgl. oben unter: Zweites Kapitel, B., III., 3., d).

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6. Kap.: Die „Res Mixtae"

nur auf einem besonders reservierten Feld zu geschehen haben. Rabbiner und Beamte der Israelitischen Gemeinde dürfen dabei keinerlei Funktionen ausüben23. Der Friedhof wird von einer Friedhofskommission nach Maßgabe der Statuten sowie des Friedhofsreglements geleitet. Grundsätzlich ist eine Grabstätte für alle in- und außerhalb des Kantonsgebietes verstorbenen Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Basel unentgeltlich. Ebenfalls unentgeltlich sind Grabstätten für alle Mitglieder derjenigen Gemeinden, die mit der Israelitischen Gemeinde Basel einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben24. Eine solche Vereinbarung wurde am 19./20. April 1977 mit der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel geschlossen. Danach erwirbt die Israelitische Religionsgesellschaft Basel das Recht, ihre verstorbenen Mitglieder unentgeltlich auf dem Friedhof der Israelitischen Gemeinde zu beerdigen. Die Israelitische Religionsgesellschaft zahlt dafür der Israelitischen Gemeinde eine jährliche Entschädigung von SFr. 50,- pro Seele. Ein weiterer Vertrag bestand mit der jüdischen Gemeinde in Porrentruy bei Delémont. Nachdem dort mittlerweile keine Juden mehr leben, hat sich diese Vereinbarung überlebt 25. Für die Bestattung von Nichtmitgliedern ist eine Grabtaxe zu entrichten 26.

23 § 2 Abs. 2 Satz 2 Friedhofsreglement der Israelitischen Gemeinde Basel vom 28. Oktober 1991. 24 § 108 Nr. 1 und 2 Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel. 25 So der Verwalter der Israelitischen Gemeinde Basel, Herr Bloch, in einem Gespräch mit dem Verfasser am 4. August 1999. 26 Vgl. dazu in Einzelnen oben: Viertes Kapitel, Β., I., 4., b), cc).

Siebtes Kapitel

Resümee und Ausblick Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, dass die Situation der badischen Israeliten in mehrfacher Hinsicht eine besondere ist. Einerseits stellt die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens mit ihrem geschichtlich verwurzelten Selbstverständnis einer einheitlichen Religionsgemeinschaft ein deutsches Unikum dar. Andererseits sind auch die Umstände, unter denen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens und einer Reihe von Einzelgemeinden der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus zuteil wurde, für Baden einmalig. Es hat sich gezeigt, dass das rechtliche Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens insbesondere bei Gemeindeneugründungen zu erheblichen Konflikten führen kann. Der Staat hat das Selbstverständnis der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens infolge des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zu respektieren, aus dem sich ein Recht auf Mitsprache bei der Gründung von Gemeinden ergibt. Gleichzeitig muss er aber auch solchen Gründungsinitiativen einen rechtlichen Rahmen bieten, die dies wünschen und benötigen, um sich notfalls auch außerhalb der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens auf Dauer organisieren zu können. Einen Anspruch neugegründeter Gemeinden auf Aufnahme in die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens wird man im Ergebnis verneinen müssen, da diese sich rechtlich als Vereine organisieren können. Ebenso wenig könnten neue Gemeinden innerhalb der Erzdiözese Freiburg oder der Evangelischen Landeskirche in Baden gegen deren Willen neu errichtet werden. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass bislang die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens für alle in Baden lebenden Juden die Kultussteuern einzieht und damit Gemeindeneugründungen von Anfang an, jedenfalls in finanzieller Hinsicht, erschweren kann. Bisher versuchte der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens Gemeindeneugründungen zu unterbinden und an der „Einheitsgemeinde" festzuhalten. Die Einheitsgemeinde wird dabei so verstanden, dass innerhalb einer Gemeinde mit einer Synagoge alle religiösen Prägungen nebeneinander zu existieren haben. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht zwingend. Noch vor dem Holocaust verstand man unter „Einheitsgemeinde" den Zusammenschluss der verschiedenen, durchaus mit eigenen Synagogen ausgestatteten Gemeinden einer Stadt zu einer übergeordneten „Einheitsgemeinde", die so alle religiösen jüdischen Traditionen innerhalb einer Stadt in sich

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7. Kap.: Resümee und Ausblick

vereinigte 1. Gemäß eines solchen Einheitsgemeinden Verständnisses organisierten sich unter dem maßgeblichen Einfluss Heinz Galinskis die Westberliner Israeliten. Das Schiedsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland hat in einem Verfahren, in dem es um einen finanziellen Ausgleich für die neugegründete und als Verein organisierte Jüdische Gemeinde in Lörrach ging, bereits Lösungswege in dieser Hinsicht angedeutet. So sollte der Oberrat aufgrund von detaillierten Mitgliedslisten der Jüdischen Gemeinde Lörrach e.V. die bei diesen konkreten Mitgliedern eingezogenen Kultussteuern überweisen. Daneben könnten aber auch die Erfahrungen der Basler Israeliten, die in den vergangenen gut siebzig Jahren ein geklärtes Verhältnis der beiden nebeneinander bestehenden Gemeinden erreicht haben, bei der Suche nach einem neuen Verständnis der „Einheitsgemeinde" weiterhelfen. Zwar sind die beiden Basler, anders als die Berliner, Gemeinden organisatorisch voneinander unabhängig, dennoch hat man mit dem „votum negativum", der Option auch beiden Gemeinden angehören zu können oder der teilweisen Mitwahrnehmung der Interessen der Israelitischen Religionsgesellschaft beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, Möglichkeiten und Wege gefunden, wie auch unterschiedliche religiöse Prägungen innerhalb einer Stadt gleichberechtigt nebeneinander bestehen können. Sollte man sich in Baden in absehbarer Zeit nicht auf das „Berliner Modell" verständigen können, so wäre wenigstens das „votum negativum" hilfreich. Ein Gemeindeglied, das nicht mehr für die IRG, sondern nur noch für die neue Gemeinde finanzielle Mitverantwortung übernehmen möchte, wäre dann nicht länger gezwungen, sich von der IRG formell abkehren zu müssen, zumal ein solch erzwungener formeller „Akt der Abkehr" im Widerspruch zu dem eigentlichen Wunsch steht, am Judentum ja gerade festhalten zu wollen, sich nur eben einer Gemeinde anzuschließen, deren Ritus der inneren religiösen Einstellung eher entspricht. Festzustellen bleibt, dass die momentane Haltung des Oberrates der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens am wenigsten geeignet scheint, um das gewünschte Ziel der Erhaltung der „Einheitsgemeinde" und „Einheitsreligionsgemeinschaft" um jeden Preis zu erreichen. Eine weitere Frage, die wohl ebenso erst die Zukunft beantworten wird, ist, inwieweit sich die neue Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens von 1999 etablieren wird. Die Akzeptanz dieser, im Vergleich zur alten Satzung von 1958 sehr viel umfassenderen Satzung wird nicht zuletzt davon abhängen, ob die Gemeindeglieder bereit sind, von dem ihnen gemäß Art. 14 der alten Satzung der IRG Badens von 1958 zustehenden Recht einer Genehmigung von Satzungsänderungen abzusehen.

1

So Landesrabbiner Dr. H. Brandt in einem Vörtrag „Die Struktur der jüdischen Kultusgemeinden in Deutschland und deren aktuelle Probleme" am 15. Mai 2000 in Freiburg.

7. Kap.: Resümee und Ausblick

Daneben wird auch die neue Rechtsprechung des BGH zur religionsgemeinschaftlichen Schiedsgerichtsbarkeit in Zukunft für die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens nicht ohne Bedeutung bleiben. Mit seinem Urteil vom 11. Februar 2000 hat der BGH einen wichtigen Beitrag für einen gleichwertigen staatlichen Rechtsschutz im religionsgemeinschaftlichen Bereich geleistet. Daneben ist der BGH, anders als die Unterinstanzen in anderen, aber ähnlichen Verfahren, davon ausgegangen, dass auf die religionsgemeinschaftliche Schiedsgerichtsbarkeit die Vorschriften des 10. Buches der ZPO entsprechend anzuwenden sind. Damit ist für die Zukunft auch geklärt, dass die Entscheidungen des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden nach einer Vollstreckbarerklärung durch das Verwaltungsgericht auch staatlich vollstreckbar sind. Dieser Umstand wird sicherlich auch für die innergemeindliche Streitkultur innerhalb der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens nicht ohne Einfluss bleiben. Die Ansicht, die Entscheidungen des Schiedsgerichts könnten erst dann auch staatlich vollstreckt werden, wenn es einen Staatsvertrag mit dem Land BadenWürttemberg gebe, ist vor diesem Hintergrund abzulehnen. Daneben hat die Darstellung der übrigen „res mixtae" gezeigt, dass man in der Vergangenheit in Baden auch ohne ausdrücklichen Vertragsschluss zwischen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens und dem Land Baden-Württemberg einen modus vivendi gefunden hat. Auch in Zukunft ist es, jedenfalls in rechtlicher Hinsicht, nicht unbedingt erforderlich, dass das Verhältnis von IRG Badens und Land Baden-Württemberg auch auf eine vertragliche Basis gestellt wird. Andererseits wäre ein solcher Vertrag, insbesondere vor dem Hintergrund der wieder wachsenden Bedeutung jüdischen Lebens in Baden, gesellschaftspolitisch durchaus wünschenswert. Dabei könnte den unterschiedlichen Bedürfnissen der badischen und württembergischen Israeliten, ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen, Rechnung getragen werden. Dort schloss das Land 1992 einen Vertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, dem Landesverband der Jüdischen Kultusgemeinden von Westfalen und der Synagogen-Gemeinde Köln. In diesem einen Vertrag sind einerseits alle Gemeinden des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen erfasst, andererseits wird in ihm aber auch Rücksicht genommen auf die unterschiedlichen Organisationsformen und Vorstellungen der Israelitischen Gemeinschaften. Im Vergleich der beiden Rechtssysteme ist immer wieder die unterschiedliche Ausgangssituation der staatskirchenrechtlichen Ordnungen zu Tage getreten: Während in Deutschland das selbständige religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV ein wesentliches Standbein staatskirchenrechtlicher Ordnung darstellt, hängt die staatskirchenrechtliche Grundsituation in den Schweizer Kantonen in erster Linie davon ab, in welcher Weise sie die Kantone als Träger der Kirchenhoheit selbst gestalten (Art. 72 Abs. 1 Bundesverfassung von 1999). Abgesehen von der dadurch entstehenden Vielzahl von staatskirchenrechtlichen Systemen, unterscheiden sich beide Staaten

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7. Kap.: Resümee und Ausblick

im Wesentlichen dadurch, dass das religionsgemeinschaftliche Selbstbestimmungsrecht in Deutschland gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV unabhängig von der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisationform allen Religionsgemeinschaften gilt. In der Schweiz ist hingegen nicht einmal geklärt, ob es ein selbständiges ungeschriebenes aber bundesverfassungsrechtlich gewährleistetes, eventuell auch aus Art. 9 EMRK herzuleitendes, religionsgemeinschaftliches Selbstbestimmungsrecht überhaupt gibt. Fest steht nur, dass ein wie auch immer geartetes Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften in Folge der staatlichen kantonalen Kirchenhoheit von jedem Kanton unterschiedlich stark oder schwach ausgestaltet werden kann. Anders als in Deutschland wird in der Schweiz die Ansicht vertreten, dass sich Religionsgemeinschaften, so sie die öffentlichrechtliche Anerkennung wünschen, gegenüber dem Kanton auf einen gewissen Grundrechtsverzicht hinsichtlich ihres kollektiven Selbstbestimmungsrechts einzulassen haben und somit zu direkten Grundrechtsadressaten werden. Im Blick auf den Kanton Basel-Stadt sind, da sich hier auch ein System „hinkender Trennung" herausgebildet hat, die Unterschiede zur deutschen staatskirchenrechtlichen Situation bei weitem nicht so stark wie im Vergleich zu anderen Kantonen. Dennoch bleibt ein ganz entscheidender Unterschied: Während Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV einen Anspruch auf Verleihung des öffentlichrechtlichen Körpschaftsstatus enthält, ist ein solcher Anspruch dem baselstädtischen, ebenso wie auch allen anderen schweizerischen Staatskirchensystemen fremd. Es hat sich gezeigt, dass sich in diesem Unterschied lediglich die vollkommen andersartigen demokratischen Verfassungsmodelle der beiden Länder ausdrücken. Jedoch hat der Vergleich auch ergeben, dass infolge der in Deutschland angenommenen „ungeschriebenen" Verleihungsvoraussetzungen die tatsächlichen Unterschiede gar nicht so groß und vor allem die im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen „Anerkennung" auftretenden tatsächlichen Probleme ganz ähnlich gelagert sind.

Anhang Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1) zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S . 1822) - Auszug -

Präambel Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Art. 3 [Gleichheit vor dem Gesetz] (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Art. 4 [Glaubens- und Bekenntnisfreiheit] (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Art. 7 [Schulwesen] (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wir der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

Anhang

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Art. 33 [Staatsbürgerliche Gleichstellung aller Deutschen] (3) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen. Art. 140 [Geltung von Artikeln der Weimarer Verfassung] Die Bestimmungen der Art. 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Art. 136 Weimarer Verfassung (1) Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. (2) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. (3) Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. (4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. Art. 137 Weimarer Verfassung (1) Es besteht keine Staatskirche. (2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluss von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. (3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. (4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. (5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbände zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. (6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.

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(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. (8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob. Art. 138 Weimarer Verfassung (1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. (2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet. Art. 139 Weimarer Verfassung Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. A r t 141 Weimarer Verfassung Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.

21 Nolte

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Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 (GBL S. 173) zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Februar 1995 (GBl. S. 269) - Auszug II. Religion und Religionsgemeinschaften Art. 4 [Kirchen] (1) Die Kirchen und die anerkannten Religions-und Weltanschauungsgemeinschaften entfalten sich in der Erfüllung ihrer religiösen Aufgaben frei von staatlichen Eingriffen. (2) Ihre Bedeutung für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens wird anerkannt.

Art. 5 [Weimarer Kirchenartikel] Für das Verhältnis des Staates zu den Kirchen und den anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gilt Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Er ist Bestandteil dieser Verfassung.

A r t 6 [Religiöse Karitas] Die Wohlfahrtspflege der Kirchen und der anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemein-schaften wird gewährleistet.

Art. 7 [Staatsverpflichtungen gegenüber den Kirchen] (1) Die dauernden Verpflichtungen des Staates zu wiederkehrenden Leistungen an die Kirchen bleiben dem Grunde nach gewährleistet. (2) Art und Höhe dieser Leistungen werden durch Gesetz oder Vertrag geregelt. (3) Eine endgültige allgemeine Regelung soll durch Gesetz oder Vertrag getroffen werden.

Art. 8 [Kirchenverträge] Rechte und Pflichten, die sich aus Verträgen mit der evangelischen und katholischen Kirche ergeben, bleiben von dieser Verfassung unberührt.

Art. 9 [Ausbildung der Geistlichen] Die Kirchen sind berechtigt, für die Ausbildung der Geistlichen Konvikte und Seminare zu errichten und zu führen.

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Art. 10 [Theologische Fakultäten] Die Besetzung der Lehrstühle der theologischen Fakultäten geschieht unbeschadet der in Artikel 8 genannten Verträge und unbeschadet abweichender Übung im Benehmen mit der Kirche.

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Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz) in der Fassung vom 15. Juni 1978 zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli. 1997 (GBL S. 316) - Auszug § 1 Besteuerungsrecht (1) Die Kirchen, die anderen Religionsgemeinschaften und ihre örtlichen Gemeinden (Kirchengemeinden), die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, können zur Deckung ihrer Bedürfnisse von ihren Angehörigen Steuern erheben. Sie üben das Besteuerungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Steuerordnung aus. (2) Die Steuern werden von den Religionsgemeinschaften als Landeskirchensteuern und von den Kirchengemeinden als Ortskirchensteuern erhoben. Die Ortskirchensteuern können für mehrere Kirchengemeinden von einer Gesamtkirchengemeinde (§ 24 Abs. 3) erhoben werden. (3) Eine Religionsgemeinschaft kann die Ausübung des Besteuerungsrechts mit staatlicher Genehmigung einer anderen Religionsgemeinschaft mit dem Sitz innerhalb des Landes übertragen. § 2 Steuerordnung (1) Die Steuerordnung wird von der Religionsgemeinschaft erlassen und öffentlich bekannt gemacht. Sie bedarf der staatlichen Genehmigung. (2) Die Steuerordnung umfasst insbesondere Vorschriften 1. über die Zusammensetzung und die Wahl der Organe, die Steuerbeschlüsse fassen (Steuervertretungen) sowie die Grundzüge ihrer Geschäftsordnungen, 2. über die Mitwirkung der Steuervertretung bei der Feststellung des Haushaltsplans und bei der Rechnungslegung sowie das Recht der Steuerpflichtigen auf Einsichtnahme in den Haushaltsplan und die Jahresrechnung, 3. über die Vornahme der nach diesem Gesetz erforderlichen öffentlichen Bekanntmachungen sowie 4. sonstige ergänzende Vorschriften zur Durchführung der Besteuerung. (3) Bestimmungen im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind, bleiben wirksam. (4) Änderungen und Ergänzungen von Bestimmungen nach Absatz 2 Nr. 1 bis 3 können in Kraft treten, wenn das Kultusministerium nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Mitteilung widerspricht. § 17 Übertragung der Verwaltung (1) Auf Antrag der Religionsgemeinschaft kann das Finanzministerium im Einvernehmen mit dem Kultusministerium die Verwaltung der Kirchensteuern, die als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben werden, und die Verwaltung des besonderen Kirchgelds in glau-

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bensverschiedener Ehe durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise den Landesfinanzbehörden übertragen. Soweit die Kirchensteuern beim Inkrafttreten dieses Gesetzes von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, gilt die Verwaltung als nach Satz 1 übertragen. (2) Für die Verwaltung der Kirchensteuern durch die Landesfinanzbehörden gelten die §§ 18 bis 23. § 18 Einheitliche Kirchensteuer Die Landeskirchensteuer und die Ortskirchensteuer werden zu einer einheitlichen Kirchensteuer vereinigt und nach einem für das Kalenderjahr einheitlichen Steuersatz erhoben. Für den Steuerbeschluss gilt § 9 entsprechend. § 7 Abs. 1 Satz 3 findet keine Anwendung.

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Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens) vom 6. Juni 1999 § 1 Name und Sitz Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens) umfasst alle jüdischen /israelitischen Gemeinden im Landesteil Baden und deren Mitglieder. Die IRG Badens hat ihren Sitz in Karlsruhe. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR).

§ 2 Zweck und Religionsgemeinschaft Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist die Zusammenfassung und Betreuung aller im Landesteil Baden bestehenden jüdischen/israelitischen Gemeinden und deren Mitglieder in religiöser und sozialer Hinsicht. Ihr obliegt insbesondere: 1. Die Förderung religiöser, sozialer, erzieherischer und kultureller Angelegenheiten. 2. Die religiöse, kulturelle und soziale Fürsorge gegenüber den Gemeindemitgliedern. 3. Die Betreuung der geschlossenen jüdischen Friedhöfe in Baden. Die Gemeinden in Baden sind ihrerseits verpflichtet, Gottesdienste gemäß dem jüdischen Religionsgesetz (Halacha) durchzuführen.

§ 3 Mitgliedschaft 1. Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist jede, nach dem Religionsgesetz (Halacha) jüdische Person, die im Landesteil Baden ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2. Die bestehenden jüdischen/israelitischen Gemeinden in Baden sind Untergliederungen der Religionsgemeinschaft; sie haben den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) § 24 Abs. 1 Kirchensteuergesetz BadenWürttemberg). 3. Über die Gründung und die Aufnahme von Gemeinden entscheidet der Oberrat mit einer Zwei- Drittel Mehrheit. 4. Bei der Gründung einer Gemeinde sind als Voraussetzung mindestens 50 Angehörige der Israelitischen Religionsgemeinschaft, darunter mindestens 15 erwachsene männliche nach dem Religionsgesetz (Halacha) jüdische Personen erforderlich.

§4 Kirchensteuer 1. Die IRG Badens erhebt von ihren Mitgliedern Kirchensteuer als Landeskirchensteuer (§ 1 Abs. 1 und 2 Kirchensteuergesetz). 2. Die Kirchensteuer ist als Zuschlag zur Einkommens- bzw. Lohnsteuer den Landesfinanzbehörden zum Einzug übertragen (§§ 17, 20 Kirchensteuergesetz).

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3. Die Mitglieder der IRG Badens sind anlässlich ihrer Anmeldung bei der Meldebehörde ihrer Wohnsitzgemeinden verpflichtet, ihre Religionszugehörigkeit (IB) anzugeben. 4. Die Kirchensteuerpflicht endet - außer durch Wegzug oder Tod - durch Austritt aus der IRG Badens gem. § 26 Kirchensteuergesetz.

§ 5 Organe der Religionsgemeinschaft Die Organe der Religionsgemeinschaft sind: 1. Der Oberrat (DelegiertenVersammlung). 2. Der Vorstand des Oberrats. § 6 Der Oberrat Zusammensetzung und Aufgaben: 1. Der Oberrat ist das oberste Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft. 2. Der Oberrat setzt sich aus den Delegierten (Vertretern) der Gemeinden der IRG zusammen. Die Mitglieder des Oberrats (Delegierten) haben den Nachweis der Zugehörigkeit zum Judentum zu erbringen. 3. Die Vertreter/Delegierten der Gemeinden in den Oberrat werden nach den Regeln der Wahlordnung der jeweiligen Gemeinde in den Oberrat gewählt. 4. Jede Gemeinde hat das Recht, Delegierte nach folgenden Bestimmungen in den Oberrat zu entsenden: • Gemeinden bis 150 IB-gemeldete Mitglieder einen Delegierten; • Gemeinden ab 151 IB-gemeldete Mitglieder bis 800 zwei Delegierte; • Gemeinden ab 801 IB-gemeldete Mitglieder drei Delegierte. • Die Delegiertenzahl beträgt maximal 3 Personen. • Neue Gemeinden haben für die Dauer von 5 Jahren das Recht, einen Delegierten zu entsenden. • Für die Umsetzung dieser Regelung gilt eine Übergangsphase. Nach Inkrafttreten der Satzung, haben alle Gemeinden 9 Monate Zeit, die neue Satzung umzusetzen (Übergangsregelung). 5. Wählbar in den Oberrat ist jede Person jüdischen Glaubens, nach § 3. 1., die das 25. Lebensjahr vollendet und mindestens einen dreijährigen Wohnsitz im Landesteil Baden hat und ihre Mitgliedschaft in einer der IRG Badens angehörenden Gemeinden nachweisen kann. Abhängig Beschäftigte der IRG Badens sowie deren Familienmitglieder 1. Grades können nicht Mitglieder des Oberrats sein. Der Oberrat wird vom Vorsitzenden - im Einvernehmen mit dem Vorstand - mindestens viermal jährlich in Abständen von höchstens 3 Monaten einberufen. Der Vorsitzende ist verpflichtet, auf Antrag von mindestens einem Drittel der Delegierten eine Oberratssitzung einzuberufen-, ebenso auf Antrag einer Mehrheit des Vorstandes. Die Einladungsfrist zur Oberratssitzung beträgt mindestens 3 Wochen.

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Die Tagesordnung ist mindestens 2 Wochen vor dem Termin zuzustellen. Der Oberrat ist beschlusfähig, wenn zwei Drittel der Delegierten zugegen sind. Die Beschlüsse werden, soweit im Einzelfall nicht anders geregelt, mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Ist das Gremium nicht beschlussfähig, so wird innerhalb eines Monats zu einer zweiten Sitzung eingeladen mit der gleichen Tagesordnung. Diese zweite Sitzung ist in jedem Fall beschlussfähig. Für Änderungen der Satzung sowie der Geschäftsordnung, ist eine Zweidrittelmehrheit der Gesamtzahl der Delegierten des Oberrats erforderlich. Die Sitzungen des Oberrats sind in der Regel nicht öffentlich. 6. Die Aufgaben des Oberrats umfassen u. a. folgende Punkte: 6.1 Die Wahl eines Vorstandes, bestehend aus einem Vorsitzenden, zwei Stellvertretern und zwei Beiräten, weiche in getrennten Wahlgängen für die Dauer von zwei Jahren gewählt werden. Es entscheidet die Stimmenmehrheit. Bei gleicher Stimmenzahl erfolgt eine Stichwahl. Bei nicht Zustandekommen einer Mehrheit wird der betreffende Wahlgang vertagt. 6.2 Die Wahl der Delegierten und Stellvertreter in das Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland in zulässiger Zahl. 6.3 Die Wahl von Delegierten zur Ratstagung des Zentralrats der Juden in Deutschland. 6.4 Die Wahl von Fachkommissionen für besondere Aufgaben. 6.5 Die Vertretung der jüdischen / israelitischen Gemeinden im Landesteil Baden in jüdischen Organisationen. 6.6 Beschlussfassung über die Änderung der Satzung der IRG Badens. 6.7 Beschlussfassung über Einstellungen und Entlassungen von Kantoren, Religionslehrer und Verwaltungsangestellten. 6.8 Die Genehmigung von Geschäftsordnungen für Vorstand und Oberrat. 6.9 Beschlussfassung über die Höhe des Kultussteuersatzes (Kirchensteuer und des Kultusgeldes sowie über die Überprüfung der ordnungsgemäßen Heranziehung der Gemeindemitglieder zur Kultussteuer bzw. Kultusgeldes). 6.10 Beschlussfassung über den vom Vorstand erstellten Haushaltsplan. 6.11 Wahl von Rechnungsprüfern zur Prüfung der Kassen- und Rechnungsbelege. 6.12 Entlastung des Vorstandes. 6.13 Die Genehmigung des Jahresabschlusses. 6.14 Die Verwaltung des Vermögens der IRG Badens. 6.15 Die Verwaltung der Stiftungen der IRG Badens. 6.16 Die Entsendung von Delegierten in Institutionen. 6.17 Die Bestellung eines kommissarischen Verwalters für den Fall, dass eine Gemeinde nicht mehr willens oder fähig ist, die ihr laut Satzung obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Der Oberrat kann auf Verlangen der Mitgliederversammlung der Gemeinde bzw. des amtierenden Gemeindevorstandes bis zur nächsten Mitgliederversammlung nach Beschluss Personen aus seiner Mitte als kommissarische Verwalter einsetzen.

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6.18 Die Einstellung, Vertragsverlängerung, Vertragsänderung oder Kündigung eines Landesrabbiners erfolgt mit einer Zweidrittelmehrheit der Delegierten. 6.19 Die Beschlüsse des Oberrats, soweit satzungskonform, sind für alle Gemeinden bindend. 6.20 Der Oberrat der IRG bestellt einen Wirtschaftsprüfer zur Prüfung des Jahresabschlusses. § 7 Vorstand 1. Der Vorstand des Oberrats besteht aus fünf ehrenamtlich tätigen Delegierten des Oberrats, die aus fünf verschiedenen Gemeinden kommen. Er besteht aus einem Vorsitzenden, 2 Stellvertretern und 2 Beisitzern. Vorstandswahlen finden alle 2 Jahre im Dezember statt. 2. Der Vorsitzende und die zwei stellvertretenden Vorsitzenden bilden den geschäftsführenden Vorstand. Der Vorstand führt die laufenden Geschäfte des Oberrats. Er verwirklicht die Beschlüsse des Oberrats als Delegiertenversammlung und beschlußfassendes Gremium im Rahmen der Satzung. 3. Der Vorsitzende und seine beiden Stellvertreter vertreten die IRG Badens im Rechtsverkehr nach außen jeweils zu zweit. Im Innenverhältnis ist eine Vertretung des Vorsitzenden nur im Falle seiner Verhinderung möglich. 4. Der Vorstand stellt die Bediensteten der Religionsgemeinschaft ein und entlässt sie. Er ist deren Vorgesetzter. Die Weisungsbefugnis für die alltägliche Arbeit obliegt dem Vorstand der Gemeinde, in der der Bedienstete seine Tätigkeit ausüben soll. 5. Der Vorstand hat alljährlich einen Vermögensstatus (Bilanz) sowie eine Gewinnund Verlustrechnung und den Haushaltsplan dem Oberrat als Delegiertenversammlung vorzulegen. Die Vorlagen des Vermögensstatus (Bilanz) und der Gewinn- und Verlustrechnung müssen innerhalb der ersten drei Monate eines Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr erfolgen. Der Haushaltsplan ist bis Ende Juni des laufendes Jahres vorzulegen. 6. Der Vorstand fasst seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Er ist an die genehmigte Geschäftsordnung gebunden. § 8 Landesrabbinat 1. Bei der IRG Badens fungiert ein Landesrabbiner. 2. Der Landesrabbiner ist mit einer Zweidrittelmehrheit vom Oberrat zu wählen. 3. Die Aufgaben des Landesrabbiners sind: Die Überwachung sämtlicher religiöser, den Kultus betreffenden Angelegenheiten in den zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens gehörenden Gemeinden. 4. Der Landesrabbiner hat für seine Tätigkeit einen verbindlichen Arbeits- und Besucherplan aufzustellen und dem Oberrat zur Genehmigung vorzulegen. § 9 Geschäftsjahr Das Geschäfts- und Rechnungsjahr entspricht dem Kalendeijahr und liegt demnach zwischen dem 01. Januar und dem 31. Dezember.

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§ 10 Staatszuschüsse und Kultussteuer (Kirchensteuer) 1. Alle Kultuseinnahmen (Kirchensteuer) und die Zuschüsse des Staates sind auf einem Geschäftskonto zu führen. 2. Die Gemeinden der IRG Badens sind verpflichtet, einen Jahresabschluss (Bilanz) dem Oberrat als dem beschlussfassenden Organ der IRG Badens, spätestens bis Ende Mal des folgenden Jahres vorzulegen. Diese Bilanzen sind nach den steuerrechtlichen Grundsätzen zu erstellen. 3. Die Gemeinden der IRG Badens haben bis spätestens Ende Mal für das laufende Jahr einen Haushaltsplan vorzulegen. 4. Die Entscheidung über die Gewährung von Zuschüssen an die Gemeinden trifft der Oberrat. Hierzu ist die jährliche Vorlage einer Mitgliederliste jeder Gemeinde erforderlich, die vom Vorstand hinsichtlich der IB gemeldeten Mitglieder durch den Vorstand zu prüfen ist. § 11 Vermögen der IRG und ihrer Gemeinden Vermögen der IRG: 1. Das Vermögen der IRG Badens ist nur mit einer Dreiviertelmehrheit des Oberrats als dem beschließenden Organ der IRG veräußerbar. 2. Das Vermögen der IRG Badens ist nach den Grundsätzen der Sorgfaltspflicht und nach verantwortbaren wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten. 3. Jährlich ist ein Vermögensstatus (Bilanz) sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen. Gemeindevermögen: Die Substanz des Gemeindevermögens ist ungeschmälert zu erhalten. Die Veräußerung von Gemeindevermögen darf nur nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung erfolgen. § 12 Auflösung der IRG Badens 1. Zur Auflösung der IRG Badens ist die Zustimmung einer Mehrheit von vier Fünftel der Delegierten zum Oberrat erforderlich. 2. Die Verteilung des Vermögens darf nur an jüdische Institutionen erfolgen, die gemeinnützigen Zwecken dienen. Karlsruhe, den 06. Juni 1999 Genehmigt durch das Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg am 26. August 1999

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Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens (IRG Badens) vom 7. Januar 1958 Artikel 1 Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig aufgrund der Satzung im Rahmen des Gesetzes.

Artikel 2 Die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens ist die Rechtsnachfolgerin a) der früheren Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens; b) der Bezirksstelle Baden der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, einer Zwangsorganisation, die aufgrund der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbürgergesetz ab 1939 geschaffen wurde; c) sämtliche früheren israelitischen Organisationen des ehemaligen Landes Baden hinsichtlich aller Rechte an Stiftungen, die ihnen nach den Stiftungssatzungen zustanden.

Artikel 3 Die Israelitische Religionsgemeinschaft hat ihren Sitz in Karlsruhe.

Artikel 4 Zweck der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist die Zusammenfassung und Betreuung aller im Lande Baden bestehenden Israelitischen Gemeinden und deren Mitglieder in religiöser und sozialer Hinsicht; soweit dies nicht Aufgabe des Staates oder anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts ist. Sie kann sich mit anderen Vereinigungen, die die gleichen Zwecke verfolgen, zusammenschließen und sich korporativ an anderen gleichgerichteten Organisationen beteiligen.

Artikel 5 Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens ist jede Person jüdischen Glaubens, die in Baden ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Artikel 6 Die Zugehörigkeit zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens erlischt a) durch das Aufgeben des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes in deren Bezirk; b) durch den Austritt.

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Anhang Artikel 7

Für den Austritt gelten die den Austritt aus einer Kirche betreffenden Bestimmungen des Landesgesetzes über die Kirchen.

Artikel 8 Organ der Israelitischen Religionsgemeinschaft ist der Oberrat der Israeliten Badens. Dieser setzt sich aus soviel stimmberechtigten Mitgliedern zusammen, wie sich nach Maßgabe des Artikels 9 ergibt. Der Oberrat wählt aus seiner Mitte den 1. und 2. Vorsitzenden; diese bilden den geschäftsführenden Vorstand. Zur Vertretung nach außen ist der 1. Vorstand berechtigt; dieser bestimmt im Verhinderungsfall seinen Vertreter.

Artikel 9 Der Oberrat wird für jeweils 5 Jahre durch die stimmberechtigten Mitglieder der Gemeinden gewählt. Stimmberechtigt ist jedes Mitglied, das das 21. Lebensjahr vollendet und seit mindestens einem Jahr im Lande Baden seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wählbar sind nur stimmberechtigte Mitglieder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; ausgenommen besoldete Angestellte der Israelitischen Religionsgemeinschaft und der Jüdischen Gemeinden Badens. Die Wahl vollzieht sich nach folgenden Grundsätzen: Jede Gemeinde wählt für 50 stimmberechtigte Mitglieder einen Vertreter, und für je angefangene 50 weitere Mitglieder einen weiteren Vertreter in den Oberrat, jedoch nicht mehr als 3 Vertreter.

Artikel 10 Für die Wahl der Oberratsmitglieder gelten die in den einzelnen Gemeinden bestehenden Vorschriften für die Wahl des Gemeindevorstandes.

Artikel 11 Dem Oberrat obliegt die Aufsicht über alle im Lande Baden bestehenden Gemeinden. Er entscheidet über Einsprüche und Beschwerden gegenüber den Gemeindeorganen.

Artikel 12 Der jährliche Haushaltsplan wird vom Oberrat in den ersten zwei Monaten des Geschäftsjahres aufgestellt und beschlossen. Das Geschäfts- und Rechnungsjahr beginnt am 1. April und endet am 31. März.

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Artikel 13 Wenn die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens infolge des Rückgangs der Mitgliederzahl nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgabe zu erfüllen, kann der Oberrat entweder gemäß Artikel 4 den Zusammenschluß mit einer anderen Israelitischen Religionsgemeinschaft oder die Auflösung beschließen. Im Falle der Auflösung ist aus dem Vermögen gemäß §§ 88 ff. BGB eine Stiftung mit dem Sitz in Baden zu errichten, deren Erträgnisse bedürftigen Juden in Baden zugute kommen sollen, und deren Satzung vom Oberrat vor der Auflösung zu beschließen ist. Für die Beschlüsse nach diesem Artikel gelten die Bestimmungen über Satzungsänderungen. Artikel 14 Satzungsänderungen können nur mit 2/3 Mehrheit beschlossen werden. Sie bedürfen der Genehmigung durch die stimmberechtigten Mitglieder. Das Abstimmungsverfahren richtet sich sinngemäß nach den Vorschriften der Artikel 9 und 10. Artikel 15 Die Satzung tritt am 7. 1. 1958 in Kraft. Gleichzeitig treten alle ihr entgegenstehenden Bestimmungen außer Kraft.

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Satzung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen (K.d.ö.R) vom 12. Februar 1995 §i 1. Die Jüdische Gemeinde Emmendingen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie hat ihren Sitz in Emmendingen. 2. Sie ist eine Wiedergründung und somit Rechtsnachfolgerin der 1940 zwangsweise aufgelösten Israelitischen Gemeinde Emmendingen mit allen sich daraus ergebenden Rechten.

§2 Die Jüdische Gemeinde Emmendingen erstreckt sich über die Stadt Emmendingen, den Landkreis Emmendingen und über den Ortenaukreis.

§3 1. Aufgaben der Jüdischen Gemeinde ist die religiöse, kulturelle und soziale Betreuung ihrer Mitglieder. 2. Hierzu gehören insbesondere: - die Herbeiführung der üblichen gemeinschaftlichen, gottesdienstlichen Handlungen, - der Religionsunterricht der schulpflichtigen Kinder, - das Bestattungswesen und die Unterhaltung der Friedhöfe, soweit die Gemeinde betroffen ist, - die Fürsorge Bedürftiger. 3. Die Jüdische Gemeinde ist bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an die Vorschriften des jüdischen Religionsgesetzes (hebr.:Halacha) gebunden.

§4 1. Mitglied der Jüdischen Gemeinde Emmendingen ist, nach Maßgabe der Vorschriften der jüdischen Religionsgesetze (Halacha), jede Person jüdischen Glaubens, die ihren ständigen Wohnsitz im Gebiet gemäß § 2 der Satzung hat, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit und gemäß § 3, Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes Baden Württembergs, der Steuerpflicht unterliegt. 2. Die Mitgliedschaft beginnt mit der Anmeldung bei der Jüdischen Gemeinde Emmendingen unter Vorlage der Anmeldebescheinigung der zuständigen staatlichen Behörde (Einwohnermeldeamt), aus der hervorgeht, daß die dort angemeldeten Personen IB (Israeliten Badens) gemeldet sind. 3. In strittigen Fällen entscheidet gemäß den jüdischen Religionsgesetzen (Halacha) der zuständige Rabbiner.

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§5 Die Aufnahme oder Wiederaufnahme in die jüdische Religionsgemeinschaft geschieht durch den zuständigen Rabbiner gemäß den Vorschriften des jüdischen Religionsgesetzes.

§6 Die Jüdische Gemeinde Emmendingen ist eine Mitgliedsgemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens.

§7 Die Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde Emmendingen erlischt: a. durch Aufgabe des ständigen Wohnsitzes in deren Gebiet, b. durch amtlichen Austritt aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft, c. infolge Ablebens, d. bei falschen Angaben bzgl. der Religionszugehörigkeit.

§8 1. Die Organe der Jüdischen Gemeinde Emmendingen sind: a. der Vorstand, b. der Beirat, c. die Gemeindeversammlung. 2. Die Tätigkeit aller Gemeindegremien ist ehrenamtlich.

§9 1. Die Gemeindeversammlung ist die Versammlung aller stimmberechtigten Mitglieder gemäß §§4 und 11 dieser Satzung. Sie ist beschlußfähig, wann 1 / 4 der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. 2. Die ordentliche Gemeindeversammlung ist durch den Vorstand mindestens einmal im Jahr, mit einer Frist von 14 Tagen einzuberufen und zwar mit mindestens folgenden Tagesordnungspunkten : - Tätigkeitsbericht des Vorstandes - jährlicher Finanzbericht, - Beschlußfassung über den von Vorstand erstellten jährlichen Haushaltsplan, - Entlastung des Vorstandes (bei Neuwahlen desselben), - Wahl der Kassenprüfer. 3. Die Gemeindeversammlung ist außerdem vom Vorstand einzuberufen, wenn 2/5 der stimmberechtigten Mitglieder dies schriftlich fordern.

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Anhang §10

1. Der Vorstand besteht aus dem 1. Vorsitzenden und zwei Stellvertretern. Sie müssen sich in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen befinden. Sie dürfen zur Deckung Ihres Lebensunterhaltes insbesondere nicht auf die Inanspruchnahme von öffentlicher oder privater Fürsorge angewiesen sein. 2. Der Vorstand führt die Geschäfte der Gemeinde im Innenverhältnis gleichberechtigt. Die Aufgabenteilung wird innerhalb des Vorstandes geregelt. Der 1. Vorsitzende vertritt die Gemeinde nach außen hin, gerichtlich oder außergerichtlich. Im Verhinderungsfalle vertreten die stellvertretenden Vorsitzenden den 1. Vorsitzenden. 3. Zur Unterstützung des Vorstandes können drei Beiräte tätig werden. Sie sind nicht weisungsbefugt.

§11 1. Wahl- und Stimmrecht hat jedes Mitglied der Gemeinde, das am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat und mindestens 3 Monate vor dem Wahltag Mitglied der Gemeinde war. 2. Ausgeschlossen vom Wahl- und Stimm echt ist, wer entmündigt ist, oder wem die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden.

§12 1. Die Mitglieder des Vorstandes, des Beirates und des Oberrates werden jeweils auf 3 Jahre von der Gemeindeversammlung gewählt. Wählbar sind nur stimmberechtigte Mitglieder, welche die Bestimmungen gemäß §§ 3,4,10 u. § 11 der Satzung erfüllen, über 25 Jahre alt sind und mindestens 3 Jahre Mitglied der jüdischen Gemeinde Emmendingen sind. 2. Angestellte der Jüdischen Gemeinde Emmendingen oder der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens können das passive Wahlrecht nicht erhalten, es sei denn, sie erklären sich vor der Kandidatur zur Aufgabe des Dienstverhältnisses bereit. 3. Wahlort ist Emmendingen. Die Wahlen für alle Gremien erfolgen nach der Wahlordnung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen, die von der Gemeindeversammlung zu beschließen ist.

§13 Zur Mitfinanzierung der Gemeindeaufgaben muß jedes Mitglied mindestens DM 20,- je Familie und DM 10,-je Einzelperson pro Monat zu entrichten. Zuwendungen und Spenden sind nur gemäß ihrer Zweckbestimmung zu verwenden.

§14 1. Für die Auflösung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen ist eine 2/3-Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder der Gemeinde erforderlich. Zur Satzungsänderung reichen 51% der stimmberechtigten Mitglieder.

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2. Satzungsänderungen, oder Auflösung, müssen in der schriftlichen Einladung genau bezeichnet sein; die Einladungen müssen 2 Wochen vor der Versammlung verschickt worden sein. 3. Ist in der Versammlung, in welcher die Änderung der Satzung oder die Auflösung der Jüdischen Gemeinde Emmendingen beschlossen werden soll, die erforderliche Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder nicht anwesend, so muß entweder sofort nach Beendigung der Versammlung, spätestens aber innerhalb 1 Woche eine neue Versammlung einberufen werden. In dieser Versammlung genügt die Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des 1.Vorsitzenden. Bei dieser Versammlung müssen mindestens der stimmberechtigten Gemeindemitglieder anwesend sein. 4. Das bei der Auflösung eventuell vorhandene Vermögen dient als Grundlage für eine religiöse jüdische Stiftung entsprechend den jüdischen Religionsgesetzen, soweit die Gemeindeversammlung keinen anderen Beschluß über die Verwendung des Vermögens faßt. Emmendingen, den 12. 02. 1995

22 Nolte

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Satzung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe vom 13. März 1988, zuletzt geändert am 5. Juni 1988 §i Die Jüdische Kultusgemeinde Karlsruhe ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes. Sie hat ihren Sitz in Karlsruhe, Knielinger Allee 11.

§2 Mitglieder der Jüdischen Kultusgemeinde sind alle Personen jüdischen Glaubens, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Stadt und Landkreis Karlsruhe, sowie in Stadtkreis Pforzheim und Enzkreis haben, und die gemäß § 3 Abs. 1 Kirchensteuergesetz der Steuerpflicht unterliegen. §3 Die Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde Karlsruhe, erlischt, a) durch das Aufgeben des Wohnsitzes in deren Gebiet. b) durch den Austritt. Die Aufnahme oder Wiederaufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft geschieht durch den zuständigen Rabbiner entsprechend den Vorschriften des jüdischen Religionsgesetzes. Die Jüdische Kultusgemeinde Karlsruhe ist eine Gemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens. Die Jüdische Kultusgemeinde hat die Aufgabe, ihre Mitglieder zur Pflege des religiösen Lebens zusammenzufassen. Hierzu gehört insbesondere: 1. die Herbeiführung der üblichen gemeinschaftlichen gottesdienstlichen Handlungen nach mosaischem Ritus und daher die Herstellung und Unterhaltung von Räumen, die dem Zweck und der Würde dieser Bestimmung entsprechen; 2. die Bereitstellung der herkömmlichen religiösen Einrichtungen; 3. die Verwaltung des Gemeinde- und StiftungsVermögens; 4. das Bestattungswesen und die Unterhaltung der Friedhöfe werden vom Rabbiner mitbestimmt; 5. die Fürsorge für die der Wohlfahrt und Hilfe Bedürftigen; 6. der Religionsunterricht der schulpflichtigen Kinder. Sie ist bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an die Vorschriften des Religionsgesetzes gebunden. §7 Die Organe der Kultusgemeinde sind 1. die Gemeindeversammlung, 2. die Gemeindevertretung, 3. der Vorstand.

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§8 (1) Die Gemeindeversammlung ist die Versammlung aller wahlberechtigten Gemeindemitglieder. Die Gemeindeversammlung tritt jährlich mindestens einmal zusammen. Außerdem muß sie zusammentreten, wenn zwei Fünftel der abstimmungsberechtigten Mitglieder, die Gemeindevertretung oder der Vorstand dies beantragen. (2) Die Gemeindeversammlung wählt mit einfacher Mehrheit der erschienenen Mitglieder einen Vorsitzenden. Die 1. Amtsperiode beträgt ein Jahr. Die Tätigkeit der Vorsitzenden ist ehrenamtlich. (3) Der Gemeindeversammlung obliegen die in der Satzung vorgesehenen Wahlen und Beschlüsse. (4) Die Gemeindeversammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens 50 Prozent der Mitglieder der Kultusgemeinde Karlsruhe anwesend sind. Für den Fall, daß die erforderliche Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder nicht anwesend ist, wird die darauffolgenden Versammlung unmittelbar danach (am gleichen Tag) einberufen, in der die einfache Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder genügt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden der Gemeindevertretung.

§9 (1) Die Gemeindevertretung besteht aus fünf Personen. Sie hat die Aufgabe, den Vorstand in dessen Geschäftsführung zu unterstützen; hierzu gehört insbesondere die Wahrnehmung der in 5 6 aufgeführten Aufgaben der Kultusgemeinde. Die Gemeindevertretung wird von der Gemeindeversammlung für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Die erste Amtszeit beträgt jedoch ein Jahr. Die Amtsausübung ist ehrenamtlich. (2) Wegen schwerwiegender Beeinträchtigung der Belange, des Ansehens, oder der Interessen des Gesamtvorstandes, kann ein Mitglied des Gesamtvorstandes durch einstimmigen Beschluß aller übrigen Mitglieder vorläufig, jedoch mit sofortiger Wirkung, ausgeschlossen werden. Ein endgültiger Ausschluß erfolgt durch einfachen Mehrheitsbeschluß der in der Gemeindeversammlung anwesenden stimmberechtigten Mitglieder. (3) Bei Ausscheiden eines Gemeindevertretungs- oder Vorstandmitglieds erfolgt sofortige Nachwahl für den Rest der Amtszeit.

§10 (1) Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter. Der Vorsitzende oder sein Stellvertreter vertreten die Kultusgemeinde gerichtlich und außergerichtlich. Der Vorstand wird von der Gemeindeversammlung für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Die Amtsausübung ist ehrenamtlich. Bei Ausscheiden eines Mitgliedes erfolgt sofortige Nachwahl für den Rest der Amtsperiode. (2) Der Vorsitzende oder sein Stellvertreter vertreten die Gemeinde nach außen hin. Im Innenverhältnis ist der Stellvertreter zur Vertretung der Gemeinde befugt, wenn der Vorsitzende verhindert ist. 2 *

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(3) Jegliche Geldverfügungen, Oberweisungen, Abhebungen, Auszahlungen usw. Ober-Konten und Kassen der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, über einen einmaligen Betrag von 5.000,- DM hinaus, dürfen nur mit Gegenzeichnung des 1. und 2. Vorsitzenden vorgenommen werden.

§11 (1) Wahlberechtigt ist jedes Mitglied der Kultusgemeinde, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist. (2) Wahlbar sind alle stimmberechtigten Mitglieder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. (3) Alle Wahlen erfolgen in geheimer Abstimmung. Angestellte der Gemeinde können nicht zum Vorstand und nicht zum Mitglied der Gemeindevertretung gewählt werden. Für die Wahl zum Oberrat gilt Art. 9 der Satzung der IRG Badens. (Art. 9, Abs. III und IV) §12 Der Haushaltsplan wird jeweils für ein Kalenderjahr aufgestellt und von der Gemeindeversammlung beschlossen. § 12a

(1) Die Gemeindeversammlung wählt zwei Kassenprüfer, die jährlich die Bücher und Kon-

ten für das abgelaufene Geschäftsjahr prüfen. Die Kassenprüfer dürfen nicht dem Gesamtvorstand angehören.

(2) Der Finanzreferent der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe erstellt nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres einen Jahresabschluß der Finanzen, der von den zwei gewählten Kassenprüfern überprüft wird. Die Prüfung für das vorangegangene Rechnungsjahr muß in den ersten 6 Wochen des Jahres abgeschlossen sein. (3) Der Jahresabschluß, zusammen mit dem Bericht der Kassenprüfer mit den Kassenbüchern, ist zwei Wochen vor der ordentlichen Gemeindeversammlung während der Bürostunden den Mitgliedern zur Einsicht vorzulegen. (4) Die Entlastung des Gesamtvorstandes, bestehend aus Vorstand und Gemeindevertretung, erfolgt durch die Gemeindeversammlung, und zwar nach Feststellung des ordnungsgemäßen Jahresabschlusses durch die gewählten Kassenprüfer. Im Bedarfsfall hat der Vorstand und die Gemeindevertretung ein Gutachten einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einzuholen und vorzulegen. §13 Satzungsänderungen können nur mit Zweidrittelmehrheit der eingetragenen Gemeindemitglieder in und durch die Gemeindeversammlung beschlossen werden.

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Wahlordnung der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe vom 9. Februar 1996 Für die Wahl des Wahlausschusses, des Vorstandes, der Oberratsmitglieder und der Kassenprüfer der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe gelten folgende Bestimmungen : 1. Wahlrecht 1.1 Aktives Wahlrecht Wahlberechtigt sind sämtliche Mitglieder der Kultusgemeinde Karlsruhe, die das 1 S.Lebensjahr vollendet haben und mindestens sechs Monate in dem Register der Gemeinde als Mitglieder geführt sind. Nicht wahlberechtigt sind : a) Wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft steht, b) wer nicht in Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist. 1.2 Passives Wahlrecht Wählbar ist nur das wahlberechtigte Mitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, das mindestens zwei Jahre Mitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe ist und das 25. Lebensjahr vollendet hat. Es ist jeweils nur ein Familienmitglied wählbar. Von der Wählbarkeit sind ausgeschlossen : a) Angestellte der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe. b) Bei der Wahl des Wahlausschusses Mitglieder oder Kandidaten des Vorstandes. c) Bei der Wahl des Vorstandes Mitglieder des Wahlausschusses. d) Bei der Wahl des Kassenprüfers Mitglieder oder Kandidaten des Wählausschusses und des Vorstandes. 2. Wahlausschuß 2.1 Der Wahlausschuß besteht aus drei Mitgliedern und Zwei Ersatzpersonen. 2.2 Der Wahlausschuß wird von der Gemeindeversammlung spätestens sechs Wochen vor dem festgesetzten Wähltag in offener Abstimmung gewählt. Gewählt sind die Mitglieder, auf die die meisten Stimmen entfallen. 2.3 Der Wahlausschuß tritt unverzüglich nach seiner Wahl und der Annehme des Mandats durch die einzelnen Mitglieder und der Ersatzpersonen zusammen und wählt aus seiner Mitte einen Wahlleiter und dessen Stellvertreter. 2.4 Der Wahlausschuß hat folgende Aufgaben: a) Prüfung der Wählerliste und der Wahlvorschläge b) Erstellung der Stimmzettel sowie Bekanntgabe von Beginn und Ende der Wahl c) Überwachung des Wahlvorganges d) Bearbeitung eventueller Einsprüche und Beschlußfassung e) Bekanntgabe des vorläufigen und endgültigen Wahlergebnisses. 3. Wahlvorbereitungen

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3.1 Der Wahltag ist spätestens vier Wochen vor Ablauf der Amtsperiode des Vorstandes. Er ist ein Sonntag. 3.2 Tag, Ort. Beginn und Ende der Wahl ist den Gemeindemitgliedern spätestens fünf Wochen vor dem Wahltag schriftlich vorn Wahlausschuß, bekanntzugeben, 3.3 Der Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe legt spätestens fünf Wochen vor dem festgesetzten Wahltermin eine Liste der aktiv und passiv Wahlberechtigten im Sekretariat der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe aus. Einwände gegen die Richtigkeit der Wahlliste müssen spätestens innerhalb einer Woche noch Auflegung der Liste schriftlich begründet beim Wahlausschuß eingegangen sein. Der Wählausschuß muß spätestens drei Wochen vor dem Wahltermin die Einsprüche behandelt und dem Beschwerdeführer seinen Beschluß mitgeteilt haben. Die Entscheidung ist endgültig. Der Wahlausschuß teilt den Gemeindemitgliedern spätestens zwei Wochen vor dem Wahltag die Namen der Kandidaten für den Vorstand und das Amt der Kassenprüfer mit. 4.

Wahlvorschläge

4.1 Jedes passiv wahlberechtigte Mitglied der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe kann sich zur Wahl steilen; es muß gleichzeitig schriftlich erklären, daß es - falls gewählt die Wahl annimmt. Gleichzeitig muß jede Kandidatur von mindestens zehn wahlberechtigten Mitgliedern der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe schriftlich unterstützt werden. Die Anmeldung der Kandidatur muß spätestens vier Wochen vor dem Wähltermin beim Wahlausschuß eingegangen sein. 4.2 Jedes Mitglied der Jüdischen Kultusgemeinde, Karlsruhe kann nur drei Kandidaturen unterstützen. Unterstützt ein Mitglied mehr als drei Wahlvorschläge, sind sämtliche Unterschriften dieses Mitglieds unwirksam 4.3 Der Wahlausschuß prüft ob die Kandidatur satzungsgemäß ißt; er bestätigt dies unverzüglich schriftlich dem Kandidaten. Die Entscheidung des Wahlausschusses ist endgültig5.

Stimmzettel Der Wahlausschuß erstellt den offiziellen Stimmzettel, der getrennt für das Amt des Vorstandes, der Kassenprüfer und der Oberratsmitglieder sowie deren Vertreter in alphabetischer Reihenfolge Zuname, Vorname und Anschrift der Kandidaten enthält.

6. Wahl 6.1 Die Wahl ist geheim und direkt. 6.2 Das Wahlrecht muß durch den Wahlberechtigten persönlich ausgeübt werden. 6.3 Jeder Wähler darf nur einen Stimmzettel abgeben. 6.4 Jeder Wahlberechtigte hat - bei der Wahl des Vorstandes sieben Stimmen - bei der Wahl des Kassenprüfers zwei Stimmen - bei der Wahl der Oberratsmitglieder (Anzahl gemäß Satzung des Oberrats plus ihrer Vertreter) die nicht kumuliert worden können.

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6.5 Ein Stimmzettel ist nur dann gültig, wenn - bei der Wahl des Vorstandes mindestens ein und maximal sieben Kandidaten, - bei der Wahl des Kassenprüfers mindestens ein und maximal zwei Kandidaten gekennzeichnet sind. 6.6 Die Wahl wird vom Wahlausschuß geleitet Mindestens zwei Mitglieder des Wahlausschusses müssen während des gesamten Wahlvorganges, der nicht unterbrochen werden darf, anwesend sein. Unter diesen muß sich der Wahlleiter oder dessen Stellvertreter befinden. 6.7 Über die Wahlhandlung ist ein Wahlprotokoll zu führen. 6.8 Am Wahltag darf im Wahllokal keine Vorstellung der Kandidaten erfolgen oder Wahlpropagandamaterial ausgelegt oder ausgeteilt werden. 6.9 Der Wahlausschuss darf alle ihm geeignet erscheinenden Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Wahllokal treffen. Er kann jeden aus dem Wahllokal verweisen, der die Ruhe und Ordnung der Wahlhandlung stört (Hausrecht). 6.10 Der Wahlausschuss hat dafür Sorge zu tragen, dass das Wahlgeheimnis gewahrt wird und bleibt. 6.11 Der Stimmzettel ist vom Wähler in die ihm vom Wahlausschuss übergebenen Briefumschläge zu legen und - nach Prüfung der Stimmberechtigten und Identität des Wählers durch den Wahlausschuss - in die aufgestellte Wahlurne einzuwerfen. 7. Auszählung der Stimmzettel 7.1 Nach der Schließung des Wahllokals wird die Wahlurne vom Wahlausschuss geöffnet. Die Stimmen werden öffentlich ausgezählt. Bei Unstimmigkeiten muss die Auszählung wiederholt werden. 7.2 Nach Zählung der Stimmzettel und Auszählung der Stimmen durch den Wahlausschuss gibt der Wahlleiter das vorläufige Wahlergebnis bekannt. 7.3 Das endgültige Wahlergebnis wird nach Behandlung eventueller Einsprüche bekanntgegeben. 8. Ungültigkeit eines Stimmzettels Ein Stimmzettel ist ungültig, wenn a) kein Kandidat oder mehr als sieben Kandidaten bei der Wahl zum Vorstand und mehr als zwei Kandidaten bei der Wahl zum Kassenprüfer eingetragen sind; b) zusätzliche Vermerke oder Namen angebracht wurden; c) der Stimmzettelumschlag mehr als einen Stimmzettel enthält. 9. Einspruch gegen die Wahl 9.1 Einsprüche gegen die Wahl sind innerhalb von acht Tagen schriftlich und begründet beim Wahlausschuß einzureichen. 9.2 Der Wahlausschuss prüft den Einspruch ebenfalls innerhalb von acht Tagen und gibt dem Antragsteller seine Entscheidung schriftlich bekannt. Die Entscheidung ist endgültig. 9.3 Wird einem Einspruch stattgegeben, der die Wahl für ungültig erklärt, so muss die Wahl innerhalb von drei Monaten wiederholt werden. Der amtierende Vorstand bleibt, bis zur Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses der wiederholten Wahl, als geschäftsführender Vorstand im Amt.

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9.4 Wird nur die Wahl einzelner Kandidaten mit Erfolg angefochten, so gelten an deren Stelle die Kandidaten mit der nächsthöheren Stimmzahl als gewählt. 10. Endgültiges Wahlergebnis Nach Behandlung eventueller Einsprüche oder nach Verstreichen der Einspruchsfrist gibt der Wahlausschuss spätestens drei Wochen nach dem Wahltag das endgültige Wahlergebnis bekannt. Hierüber ist ein Protokoll zu erstellen, das von sämtlichen Mitgliedern des Wahlausschusses zu unterschreiben ist. 11. Neu zu wählende Kandidaten Als gewählt gelten diejenigen Kandidaten, die der Reihe nach die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben. Bei Ausscheiden eines Mitgliedes des Vorstandes oder eines Kassenprüfers während der nachfolgenden Amtsperiode, tritt der Kandidat an seine Stelle, der bei der letzten Wahl die nächsthöchste Stimmzahl erreicht hat. 12. Aushangpflicht Diese Wahlordnung muss im Wahllokal an gut sichtbarer Stelle ausgehängt werden.

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Satzung der Jüdischen Gemeinde Mannheim vom 11. März 1962, zuletzt geändert am 13. März 1994 §i Die Jüdische Gemeinde Mannheim ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig aufgrund dieser Satzung und im Rahmen der bestehenden Gesetze. Sie hat ihren Sitz in Mannheim.

§2 Zweck der Jüdischen Gemeinde Mannheim ist die Zusammenfassung und Betreuung ihrer Mitglieder a) in religiöser, b) in sozialer Hinsicht. Sie ist bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an die Vorschriften des Religionsgesetzes gebunden.

§3 Jede Person jüdischen Glaubens, die in der Stadt Mannheim ihren Wohnsitz hat, kann - unter Vorbehalt der gesetzlichen Bestimmungen - den Antrag stellen, als Mitglied der Jüdischen Gemeinde aufgenommen zu werden. Der Antrag ist schriftlich an den 1. Vorsitzenden zu richten. Über die Aufnahme entscheidet der Gesamtvorstand mit einfacher Mehrheit. Sollten Personen jüdischen Glaubens, die außerhalb der Stadt Mannheim wohnen, die Mitgliedschaft in der Gemeinde beantragen, so hängt die Aufnahme als Mitglied von einer mehrheitlichen Entscheidung des Gesamtvorstandes ab.

§4 Die Aufnahme oder Wiederaufnahme in die jüdische Glaubensgemeinschaft geschieht durch den zuständigen Rabbiner entsprechend den Vorschriften des jüdischen Religionsgesetzes.

§5 Die Zugehörigkeit zu der Jüdischen Gemeinde Mannheim erlischt a) durch Aufgabe des Wohnsitzes im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 3, b) durch Austrittserklärung des Mitgliedes, die jederzeit mit sofortiger Wirkung möglich ist, c) durch Ausschluß. Dieser ist nur aus zwingenden wichtigen Gründen möglich und bedarf eines Beschlusses der Mitgliederversammlung mit 2/3 Mehrheit. d) durch Tod.

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§6 Mitglieder, die aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft austreten, verlieren automatisch mit sofortiger Wirkung ihre Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde.

§7 Die Jüdische Gemeinde Mannheim ist berechtigt, von ihren Mitgliedern Umlagen zu erheben, soweit diese von der Gemeindeversammlung mehrheitlich beschlossen werden. Der jährliche Haushaltsplan wird vom Gesamtvorstand innerhalb der ersten drei Monate des laufenden Geschäftsjahres aufgestellt.

§8 Organe der Jüdischen Gemeinde sind: a) der Gesamtvorstand, bestehend aus dem 1. und dem 2. Vorsitzenden sowie drei Verwaltungsausschußmitgliedern. Der 1. und der 2. Vorsitzende vertreten die Gemeinde nach außen gemeinsam. Sollte der 1. oder der 2. Vorsitzende verhindert sein, so tritt an seine Stelle das Verwaltungsausschußmitglied, welches zuvor vom 1. und 2. Vorsitzenden gemeinsam für diese Fälle bestimmt wurde. Geschäftsführender Vorstand sind der 1. und der 2. Vorsitzende. Der Gesamtvorstand hat sich eine Geschäftsordnung zu geben. Seine Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Seine Tätigkeit ist ehrenamtlich. b) die Mitgliederversammlung. Sie tritt einmal jährlich innerhalb des ersten Quartals zusammen. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung hat stattzufinden, wenn mindestens 1/4 der stimmberechtigten Mitglieder dies unter Angabe des Grundes schriftlich beantragt. Der Gesamtvorstand kann jederzeit aufgrund eines mit einfacher Mehrheit gefaßten Beschlusses eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. An der Mitgliederversammlung dürfen nur stimmberechtigte Mitglieder teilnehmen. Im übrigen gelten die Bestimmungen des § 9.

§9 Wahl und Stimmrecht hat jedes Mitglied der Gemeinde, das am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat und mindestens seit sechs Monaten als Mitglied der Jüdischen Gemeinde Mannheim aufgenommen ist. Ausgenommen vom Wahl- und Stimmrecht ist a) wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen und Pflegschaft bzw. Betreuung steht, b) wem durch rechtskräftiges Urteil eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind.

Anhang

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§10 Die Mitgliederversammlung beschließt über den Haushaltsplan einschließlich der Umlagen. Der Haushaltsplan ist 14 Tage vor der Mitgliederversammlung offenzulegen. Die Mitgliederversammlung kann Auskunft über die Geschäftsführung verlangen und sich mit allen die Jüdische Gemeinde Mannheim betreffenden Fragen beschäftigen. Die Einberufungsfrist für Mitgliederversammlungen beträgt drei Wochen, gerechnet vom Tage der Absendung der Einladungsschreiben. Den Einladungsschreiben ist eine Tagesordnung beizufügen. Zur Wirksamkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung ist erforderlich, daß der Beschlußgegenstand bei der Einberufung bezeichnet wird. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der erschienenen stimmberechtigten Mitglieder. Im Wahljahr wählt die Mitgliederversammlung den Wahlausschuß, der aus drei Personen besteht. Er hat die Aufgabe, die Wahl gemäß der Wahlordnung nach § 16 dieser Satzung durchzuführen. Die Versammlung ist nicht beschlußfähig, wenn nicht mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder erschienen ist. In diesem Fall kann nach einer halben Stunde ohne neue Einladung eine neue Mitgliederversammlung durch den 1. und 2. Vorsitzenden einberufen werden mit der. gleichen Tagesordnung. Diese Mitgliederversammlung ist beschlußfähig, unbeschadet der Zahl der erschienenen stimmberechtigten Mitglieder. Die Mitgliederversammlung wird geleitet durch den 1. Vorsitzenden, im Falle seiner Verhinderung durch den 2. Vorsitzenden. Uber die in der Mitgliederversammlung gefaßten Beschlüsse ist ein Protokoll zu fertigen, welches vom Versammlungsleiter und dem Protokollführer zu unterzeichnen ist. Das Protokoll kann von allen stimmberechtigten Mitgliedern auf der Geschäftsstelle der Jüdischen Gemeinde eingesehen werden. Die Anfechtung von Beschlüssen, die in der Mitgliederversammlung gefaßt wurden, ist nur zulässig innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat, die mit dem Tag beginnt, an dem die Mitgliederversammlung stattfand.

§11 Der Gesamtvorstand wird jeweils auf drei Jahre, spätestens sechs Wochen vor Ende der laufenden Wahlperiode, durch die stimmberechtigten Mitglieder gewählt. Wählbar sind nur stimmberechtigte Mitglieder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und mindestens seit 3 Jahren Mitglied der Jüdischen Gemeinde Mannheim oder mindestens sechs Monate Mitglied anderer Jüdischer Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland waren. Angestellte der Jüdischen Gemeinde Mannheim müssen sich im Falle ihrer Wahl darüber erklären, ob sie die Wahl annehmen oder ihre Stellung als Angestellte beibehalten wollen. Beide Funktionen können nicht gleichzeitig ausgeübt werden.

348

Anhang §12

Die Wahlen erfolgen nach der Wahlordnung, welche Bestandteil dieser Satzung ist.

§13 Geschäftsjahr und Rechnungsjahr ist das Kalendeqahr.

§14 Die Jüdische Gemeinde Mannheim verfällt der Auflösung, wenn nur noch weniger als zehn Mitglieder über 18 Jahre vorhanden sind. Über die Verwendung des bei der Auflösung etwa vorhandenen Vermögens entscheidet der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens in Karlsruhe.

§15 Für die Änderung der Satzung ist eine 2/3-Mehrheit erforderlich. Eine derartige Beschlußfassung muß bei Anwesenheit von mindestens zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder erfolgen. Ist in der Versammlung, in welcher die Änderung der Satzung beschlossen werden soll, die erforderliche Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder nicht anwesend, so kann nach einer halben Stunde vom Versammlungsleiter eine neue Versammlung einberufen werden. In dieser Versammlung genügt die 2/3-Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder.

§16 Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Annahme durch die Mitgliederversammlung in Kraft. Gleichzeitig treten alle früheren Satzungsbestimmungen außer Kraft.

§17 Wahlordnung: 1) Der Tag und die Stunde für die vorgesehene Wahl ist den stimmberechtigten Gemeindemitgliedern sechs Wochen vor dem Wahltermin bekanntzugeben. 2) Die Liste der wähl- und stimmberechtigten Gemeindemitgliedern muß mindestens vier Wochen vor dem Wahltermin offengelegt werden. Einsprüche wegen unberechtigter Benennung von Gemeindemitgliedern oder wegen Nichteintragung müssen innerhalb von 14 Tagen nach der Offenlegung dem Wahlausschuß schriftlich bekannt gegeben werden. 3) Die stimmberechtigten Gemeindemitglieder können Wahlvorschläge für die Wahl des Gesamtvorstandes einreichen.

Anhang

349

Diese sind im geschlossenen Umschlag zu Händen des Wahlausschusses im Gemeindesekretariat abzugeben. Die Wahl Vorschläge müssen spätestens 14 Tage vor der Wahl dort eingegangen sein. 4) Aus dem Wahlvorschlag muß ersichtlich sein, welche Personen für die jeweiligen Amter kandidieren. Zu wählen sind: - der 1. Vorsitzende, - der 2. Vorsitzende, - 3 Verwaltungsausschußmitglieder - 2 Rechnungsprüfer Die Kandidatur für mehrere Ämter ist ausgeschlossen. 5) Jeder Wahlvorschlag muß von mindestens stimmberechtigten 15 Gemeindemitgliedern unterschrieben sein. 6) Den Wahlvorschlägen müssen die Erklärungen der aufgestellten Kandidaten beigefügt sein, daß sie mit ihrer Aufstellung einverstanden sind. 7) Die Wahl ist geheim. Diejenigen vorgeschlagenen Kandidaten für den 1. Vorsitzenden, den 2. Vorsitzenden, oder Verwaltungsausschußmitglieder gelten als gewählt, wenn sie in den einzelnen Wahlgängen für diese Positionen die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Die nichtgewählten Kandidaten für die einzelnen Positionen gelten nach Maßgabe der auf sie entfallenen Stimmen als Ersatzleute.

350

Anhang

Satzung des Zentralrates der Juden in Deutschland vom 13. Januar 1963 - Auszug § 15 (Schiedsgericht) 1) Bei dem Zentralrat wird unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht eingerichtet. Dieses ist zuständig für a) satzungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Organen des Zentralrates; b) Streitigkeiten zwischen dem Zentralrat bzw. seinen Organen und seinen Mitgliedern; c) andere satzungsrechtliche Streitigkeiten, sofern hierfür nicht die Zuständigkeit eines bei einem Mitglied des Zentralrats oder einem Mitglied eines Mitglieds des Zentralrats eingerichteten Schiedsgerichtes begründet ist; d) Streitigkeiten dienstrechtlicher Art zwischen Kultusbeamten bzw. Kultusangestellten und deren Dienstherren, wenn dies im Dienstvertrag vorgesehen ist oder kein anderes Schiedsgericht für diese Streitigkeiten zuständig und eingerichtet ist; e) andere Streitigkeiten nicht satzungsrechtlicher Art, sofern der Rechtsstreit einen Bezug zu Angelegenheiten der jüdischen Gemeinschaft aufweist. 2) Das Schiedsgericht wird in den Fällen des Abs. 1 lit. a) bis d) auf Antrag, im übrigen nur nach Vorlage einer von den Streitparteien rechtswirksam unterzeichneten Unterwerfungserklärung tätig. 3) Das Gericht besteht aus fünf Mitgliedern. Drei Mitglieder müssen die Befähigung zum Richteramt haben oder Lehrer des Rechts an einer Hochschule sein, ein Mitglied muß der deutschen Rabbinerkonferenz angehören. 4) Die Mitglieder des Gerichts werden von der Ratsversammlung mit einfacher Mehrheit für die Dauer von vier Jahren gewählt. Vorschlagsberechtigt sind die Delegierten der Ratsversammlung, das Direktorium, das Präsidium und die Rabbinerkonferenz. 5) Mitglieder des Direktoriums oder Präsidiums können dem Schiedsgericht nicht angehören. Wird ein Mitglied des Schiedsgerichts in das Direktorium oder Präsidium gewählt, scheidet es aus dem Gericht aus. 6) Beim Ausschieden eines Richters erfolgt auf der nächsten Ratsversammlung eine Nachwahl für den Recht der Amtszeit. 7) Das Schiedsgericht gibt sich eine Schiedsordnung.

Anhang

351

Vertrag zur Vereinigung der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft von Nordbaden zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens aus dem Jahre 1953 Vertrag Als im Jahre 1945 das frühere Land Baden in zwei Besatzungszonen zerschnitten wurde, mußte auf Anordnung der französischen Militärregierung in Südbaden, dem späteren Lande Baden, eine besondere Landesorganisation für diesen Teil der früheren einheitlichen Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens geschaffen werden. Nachdem durch die Bildung des Landes Baden-Württemberg (Südweststaat) die Gründe für die Zerschneidung weggefallen sind, soll nunmehr der frühere Zustand einer Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens für das ganze Gebiet des ehemaligen Landes Baden im Umfange des früheren Großherzogtums Baden nach Möglichkeit wieder hergestellt werden. Zu diesem Zwecke schließen der Oberrat der Israeliten Badens in Karlsruhe als Vertretungsorgan der Isr. Religionsgemeinschaft in Nordbaden und der Oberrat der Israeliten Badens in Freiburg als Vertretungsorgan der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden folgenden Vertrag §1 Die Israelitische Landesgemeinde Südbaden vereinigt sich mit der Israelitischen Religionsgemein-schaft von Nordbaden zu der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens, deren Bezirk das Gebiet des ehem. Großherzogtums Baden bzw. der jetzigen Regierungspräsidien Nordbaden und Südbaden bildet.

§2 Die so gebildete Israelitische Religionsgemeinschaft Badens hat ihren Sitz in Karlsruhe. Ihr Vertretungsorgan ist der Oberrat der Israeliten in Karlsruhe. Die bisherige Satzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft für Nordbaden gilt vom Zusammenschluß an für die neugeschaffene Israelitische Religionsgemeinschaft Badens. Soweit durch den Zusammenschluß Änderungen notwendig werden, sind diese von den Organen gemäß der Satzung zu beschließen. §3 Das Vermögen der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden geht mit dem Zusammenschluß im Ganzen auf die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens über, soweit im § 6 dieses Vertrages keine Ausnahmen vereinbart sind.

352

Anhang §4

Die bisherige Landesgemeinde Südbaden ist vom Zusammenschluß an eine örtliche Kirchengemeinde im Sinne des Badischen Ortskirchensteuergesetzes, deren Sprengel die Stadtgemeinde Freiburg bildet. Sie führt die Bezeichnung: „Israelitische Gemeinde Freiburg"

§5 Die in Orten südlich, südöstlich und südwestlich von Offenburg - ausschließlich Offenburg wohnenden Juden bleiben, oder werden der Israelitischen Gemeinde Freiburg zugeteilt.

§6 Von dem Übergang auf die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens bleibt das Vermögen ausgeschlossen, das zur Befriedigung der Bedürfnisse der Israelitischen Gemeinde Freiburg erforderlich ist, nämlich: 1.) Alle auf der Gemarkung Freiburg liegenden, auf den Namen der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden eingetragenen Grundstücke, 2.) Alle Kultusgegenstände, 3.) Das Inventar des Betsaales und des Gemeindebüros, 4.) Diejenigen Werte, die bei den Banken J.R. Krebs und Süddeutsche Bank in Freiburg auf den Namen der Israelitischen Gemeinde Freiburg geführt werden.

§7 Die Pflege der Friedhöfe im bisherigen Bezirk der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden, mit Ausnahme des Gemeindefriedhofes Freiburg, ist Aufgabe der Israelitischen Religionsgemeinschaft, diese tritt in die Vereinbarungen ein, die bisher von der Israelitischen Landesgemeinde Südbaden wegen der Pflege der Friedhöfe mit örtlichen Stellen oder Einzelpersonen getroffen wurden. Das Gleiche gilt auch für Vereinbarungen über die Verwaltung von Grundstücken, die auf die Israelitische Religionsgemeinschaft übergehen.

§8 Falls die Israelitische Gemeinde Freiburg aufgelöst wird, gehen ihr Vermögen und ihre Verpflichtungen auf die Israelitische Religionsgemeinschaft Badens über.

Anhang

353

§9 Die Vereinigung soll mit Wirkung vom 1. April 1953 vollzogen werden. Der Oberrat in Freiburg wird dem Oberrat in Karlsruhe alle Akten und Unterlagen überlassen, die mit dem Übergang des Vermögens in Verbindung stehen. Für den Oberrat der Israeliten Nordbadens

Für den Oberrat der Israeliten Südbadens

(Otto Nachmann)

(Nathan Rosenberger)

23 Nolte

354

Anhang

Bestätigung des Kultusministeriums über die Vereinigung aus dem Jahre 1953 Kultusministerium Baden-Württemberg

(14a) Stuttgart N, den 20. Juli 1953 Dillmannstraße 3 Postfach 480

R 756 Bestätigung Hiermit wird bestätigt, daß der Zusammenschluß der beiden Oberräte von Nord- und Südbaden zum Oberrat der Israeliten Badens nach Art. 137 Abs. 5 WV. (Art. 140 BGG) die Rechtsfolge hat, daß der damit geschaffene Gesamtverband der Israeliten Badens eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Eine besondere Staatsgenehmigung zur Fusion der beiden Oberräte ist nicht erforderlich. Daneben sind auch die Einzelgemeinden Freiburg, Karlsruhe und Mannheim öffentliche Körperschaften (Art. 1 des Bad. Ortskirchensteuergesetzes). I. A. (Schriftzug und Siegel)

Anhang

355

Brief des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg vom 19. Januar 1993 AZ II/4-7162.11/20 - Auszug Betr.: Rechtsverhältnisse der IRG Badens ( . . . ) zur Rechtspersönlichkeit der IRG Badens und der Israelitischen Gemeinde Freiburg (Fusion der Religionsgemeinschaften Nordbaden und Südbaden, Rechtspersönlichkeit der fusionierenden Religionsgemeinschaften und ihrer einzelnen Gemeinden) ist den beim Ministerium vorliegenden Akten folgendes zu entnehmen:

1. Fusion der selbständigen Religionsgemeinschaften in Nord- und Südbaden Der „Oberrat der Israeliten Baden" in Karlsruhe hatte dem Kultusministerium mit Schreiben vom 13. 3. 1953 angezeigt, daß sich die „bisher getrennten Religionsgemeinschaften" in Südbaden und Nordbaden zum „Oberrat der Israeliten Badens, Karlsruhe" zusammengeschlossen haben. Diesem Schreiben war die in Kopie angeschlossene Vertragsfertigung („Durchschlag") angeschlossen. Über den Zusammenschluß hatte das Kultusministerium die Ihnen bekannte Bestätigung vom'20. Juli 1953 ausgestellt. Der Zusammenschluß wurde als Fusion der beiden Religionsgemeinschaften zu einer neuen Religionsgemeinschaft unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtspersönlichkeit, d. h. also nicht als Zusammenschluß zu einem Körperschaftsverband, angesehen.

2. Rechtspersönlichkeit der fusionierenden Religionsgemeinschaften in Nord- und Südbaden In Gesetz- und Verordnungsblatt des seinerzeitigen Landes Baden wurde folgende Bekanntmachung des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterricht" vom 19. 1. 1949 veröffentlicht: „Die badische Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 16. Dezember 1948 beschlossen, der Israelitischen Landesgemeinde für Baden in Freiburg i.Br. gem. Art. 34 Abs. 2 der Badischen Verfassung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen." Den Akten ist zu entnehmen, daß dieser Entscheidung eine behördeninterne Diskussion vorangegangen war zu der Rechtsfrage, ob diese Verleihung der Körperschaftsrechte erforderlich ist oder ob die Religionsgemeinschaft ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft aus dem landesherrlichen Edikt Über die Verhältnisse der Juden vom 13. Januar 1809 (für das Großherzogtum Baden) in Verbindung mit der als Gesetz verkündeten Verfassung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens vom 14. 5. 1923 herleiten kann. Nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultus Vereinigungen vom 28. 3. 1938 hatten nämlich die jüdischen Kultusvereinigungen mit Ablauf des 31. 3. 1938 die Stellung von Körperschaften des öffentlichen Rechts verloren. Nachdem die Anwendung des zuletzt genannten Gesetzes als nationalsozialistisches Ausnahmegesetz durch Gesetz Nr. 1 der Militärregierung Deutschlands verboten war, erhob sich die Frage, ob dadurch die Israelitische Religionsgemeinschaft den verlorenen Körperschaftsstatus automatisch wiedererlangte bzw. nie verloren hatte oder eine Neuverleihung erforderlich war. Diese rechtliche Frage wurde seinerzeit jedoch offengelassen und im Interesse der Rechtssicherheit die angeführte Verleihung vorgenommen. In der Folgezeit wurde jedoch in Schreiben u.ä. als Grundlage für den Körperschaftsstatus teilweise das Edikt von 1809 und teilweise die Verleihung von 1949 zitiert. 2 *

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Anhang

Die vorliegenden Aktenunterlagen enthalten keinen Hinweis darüber, auf welche Rechtsgrundlage seinerzeit die Rechtspersönlichkeit und der Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaft in Nordbaden, d. h. im damaligen Bereich des Landes Württemberg-Baden, zurückgeführt wurde.

(...) Zu einer weiteren Klärung offener rechtlicher Fragen können die hier vorhandenen Aktenunterlagen leider nicht beitragen. Mit freundlichen Grüßen Knoche

Anhang

357

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft; angenommen durch das Volk am 18. April 1999; in Kraft getreten am 1. Januar 2000 - Auszug Präambel Im Namen Gottes des Allmächtigen! Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass nur frei ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung:

Art. 8 Rechtsgleichheit (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. (3) Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.

Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit (1) Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. (2) Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. (3) Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. (4) Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.

A r t 72 Kirche und Staat (1) Für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat sind die Kantone zuständig.

358

Anhang

(2) Bund und Kantone können im Rahmen ihrer Zuständigkeit Massnahmen treffen zur Wahrung des öffentlichen Friedens zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften. (3) Bistümer dürfen nur mit Genehmigung des Bundes errichtet werden.

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Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (Stand am 31. März 1998) - Auszug Im Namen Gottes des Allmächtigen! Die Schweizerische Eidgenossenschaft, in der Absicht, den Bund der Eidgenossen zu festigen, die Einheit, Kraft und Ehre der schweizerischen Nation zu erhalten und zu fördern, hat nachstehende Bundesverfassung angenommen:

Art. 4 Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen.

Art. 27 (3) Die öffentlichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können.

A r t 49 (1) Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist unverletzlich. (2) Niemand darf zur Teilnahme an einer Religionsgenossenschaft oder an einem religiösen Unterricht oder zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen, oder wegen Glaubensansichten mit Strafen irgendwelcher Art belegt werden. (3) Über die religiöse Erziehung der Kinder bis zum erfüllten 16. Altersjahr verfügt im Sinne vorstehender Grundsätze der Inhaber der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt. (4) Die Ausübung bürgerlicher oder politischer Rechte darf durch keinerlei Vorschriften oder Bedingungen kirchlicher oder religiöser Natur beschränkt werden. (5) Die Glaubensansichten entbinden nicht von der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten. (6) Niemand ist gehalten, Steuern zu bezahlen, welche speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft, der er nicht angehört, auferlegt werden. Die nähere Ausführung dieses Grundsatzes ist der Bundesgesetzgebung vorbehalten.

Art. 50 (1) Die freie Ausübung gottesdienstlicher Handlungen ist innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung gewährleistet. (2) Den Kantonen sowie dem Bunde bleibt vorbehalten, zur Handhabung der Ordnung und des öffentlichen Friedens unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgenossenschaften sowie gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Rechte der Bürger und des Staates die geeigneten Massnahmen zu treffen.

360

Anhang

(3) Anstände aus dem öffentlichen oder Privatrechte, welche über die Bildung oder Trennung von Religionsgenossenschaften entstehen, können auf dem Wege der Beschwerdeführung der Entscheidung der zuständigen Bundesbehörden unterstellt werden. (4) Die Errichtung von Bistümern auf schweizerischem Gebiete unterliegt der Genehmigung des Bundes.

Anhang

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Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 2. Dezember 1889 - Auszug I I I . Verhältnis der Staates zur Kirche §18 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist unverletzlich. Niemand darf zur Teilnahme an einer Religionsgenossenschaft oder an einem religiösen Unterrichte, oder zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen oder wegen Glaubensansichten mit Strafen irgendwelcher Art belegt werden. Die freie Ausübung gottesdienstlicher Handlungen ist innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung gewährleistet. Der Staatsbehörde bleibt vorbehalten, zur Handhabung der öffentlichen Ordnung und des Friedens unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgenossenschaften sowie gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Rechte der Bürger und des Staates, die geeigneten Massnahmen zu treffen.

§19 Die Evangelisch-reformierte, die Römisch-katholische und die Christkatholische Kirche haben öffentlich- rechtliche Persönlichkeit. Die Israelitische Gemeinde ist ihnen gleichgestellt; die nachstehenden Bestimmungen gelten sinngemäss auch für sie. Die Kirchen und die Israelitische Gemeinde ordnen ihre Verhältnisse selbständig. Erlass und Änderung ihrer Kirchenverfassung bedürfen der Zustimmung durch die Mehrheit der stimmenden Kirchenglieder sowie der Genehmigung durch den Regierungsrat. Die Genehmigung des Regierungsrates ist zu erteilen, wenn weder Bundesrecht noch kantonales Recht verletzt wird. Jeder Kantonseinwohner gehört der Kirche seiner Konfession an, wenn er die in deren Verfassung genannten Erfordernisse erfüllt. Der Austritt kann jederzeit durch schriftliche Erklärung erfolgen. Die Evangelisch-reformierte, die Römisch-katholische und die Christkatholische Kirche sowie die Israelitische Gemeinde verwalten ihr Vermögen selbständig unter Oberaufsicht des Regierungsrates. Sie sind berechtigt, Steuern von ihren Mitgliedern zu erheben. Ihre Steuerordnungen bedürfen regierungsrätlicher Genehmigung. Innerhalb der vorstehenden Bestimmungen regelt das Gesetz das Verfahren über die Genehmigung der Kirchenverfassungen und der Steuerordnungen sowie die Oberaufsicht über die kirchliche Vermögensverwaltung.

§ 19a Alle andern Kirchen stehen unter den Grundsätzen des Privatrechts. Die Bestimmungen der Bundes- und der Kantonsverfassung bleiben vorbehalten.

362

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§ 19b Mit Ausnahme der Ausgaben für den Dienst von Geistlichen an den öffentlichen Spitälern, Asylen, Gefängnissen, Waisen- und Zwangsfürsorgeanstalten dürfen eigentliche Kultuszwecke aus Staats- und Gemeindemitteln nicht unterstützt werden. Von diesem Verbote werden nicht berührt Beiträge für Erhaltung geschichtlicher Kunstdenkmäler und für Anschaffung und Unterhalt von Gegenständen, die nicht ausschliesslich Kultuszwecken, sondern auch andern, öffentlichen oder gemeinnützigen Interessen dienen.

Anhang

363

Gesetz betreffend die Staatsoberaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Kirchen und die Israelitische Gemeinde sowie über die Verwendung von Staats- und Gemeindemitteln zu Kirchenzwecken (Kirchengesetz) vom 8. November 1973 - Auszug I. Die Staatsoberaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Kirchen §1 Die Evangelisch-reformierte, die Römisch-katholische und die Christkatholische Kirche haben öffentlich-rechtliche Persönlichkeit. Die Israelitische Gemeinde ist ihnen gleichgestellt; die nachstehenden Bestimmungen gelten sinngemäss auch für sie. Alle anderen Religionsgemeinschaften stehen unter den Grundsätzen des Privatrechts. Die Bestimmungen der Bundes- und der Kantonsverfassung bleiben vorbehalten.

§2 Die öffentlich-rechtlichen Kirchen ordnen ihre Verhältnisse im Rahmen der Vorschriften des Bundes und des Kantons selbständig. Erlass und Änderung ihrer Kirchenverfassungen bedürfen zu ihrer Verbindlichkeit der Zustimmung durch die Mehrheit der stimmenden Kirchenglieder sowie der Genehmigung durch den Regierungsrat. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn weder Bundesrecht noch kantonales Recht verletzt wird. Die Kirchenverfassungen und ihre Änderungen dürfen den Kirchengliedern erst dann zur Abstimmung unterbreitet werden, wenn sie vom Regierungsrat genehmigt worden sind. Hat der Regierungsrat dem Erlass oder der Änderung einer Kirchenverfassung die Genehmigung erteilt, so kann er diese nicht widerrufen, es hätten sich denn inzwischen die Rechtsgrundlagen derart geändert, dass nunmehr eine Gutheissung ausgeschlossen wäre. Ist dies der Fall, so macht der Regierungsrat den Kirchenbehörden Mitteilung und lädt sie zur Abänderung der anfechtbar gewordenen Bestimmungen ein.

§3 Jeder Kantonseinwohner gehört der Kirche seiner Konfession an, wenn er die in deren Verfassung genannten Erfordernisse erfüllt. Der Austritt kann jederzeit durch schriftliche Erklärung erfolgen. In diese Erklärung können auch die unter der elterlichen Gewalt des Austretenden stehenden Kinder unter 16 Jahren einbezogen werden.

§4 Die öffentlich-rechtlichen Kirchen sind berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben. Bei deren Ausgestaltung und Bemessung haben sie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

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der Kirchenglieder sowie den staatlichen Steuerinteressen gebührend Rechnung zu Staat und Kirche tragen. Gehört einer Kirche nur ein Teil der Glieder einer Familie an, so ist diese Tatsache bei der Besteuerung gebührend zu berücksichtigen. Die kirchlichen Steuerordnungen und ihre Änderungen sind dem Regierungsrat zur Genehmigung zu unterbreiten. Eine allfällige Abstimmung der Kirchenglieder darüber darf erst stattfinden, wenn die Genehmigung erteilt ist, Für einen Widerruf der Genehmigung gilt sinngemäss § 2 Abs. 4. Sieht eine kirchliche Steuerordnung neben einem Normalsteuersatz die Möglichkeit der Erhebung von Steuerzuschlägen vor, so bedarf der Beschluss auf Erhebung solcher Zuschläge ebenfalls der Genehmigung des Regierungsrates. Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn die normalen Steuersätze zur Deckung der mutmasslichen Ausgaben nicht hinreichen. Sie darf nur auf eine Periode von längstens drei Jahren erteilt, kann aber bei deren Ablauf wiederholt werden. §5 Die Kirchen verwalten das Kirchenvermögen selbständig gemäss seiner allgemeinen Zweckbestimmung und den besonderen Auflagen einzelner Teile. Sie stehen dabei unter der Oberaufsicht des Regierungsrates. Die obersten kirchlichen Exekutivbehörden haben dem Regierungsrat alljährlich Budget, Jahresrechnung und Vermögensstatus nach deren Genehmigung durch die zuständigen Kirchenorgane zur Einsichtnahme vorzulegen. Der Regierungsrat kann von den kirchlichen Behörden jederzeit Bericht über ihre Vermögensverwaltung verlangen und Einsicht in die einschlägigen Akten fordern.

§6 Der Regierungsrat hat Massnahmen kirchlicher Behörden oder Amtsstellen aufzuheben, wenn sie Bundesrecht oder kantonales Recht verletzen oder wenn bei ihrem Erlass wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden sind oder die Zuständigkeitsordnung nicht eingehalten worden ist. Die Aufhebung kann von Amtes wegen oder auf Beschwerde hin erfolgen, die nach den allgemeinen Bestimmungen zu erheben ist, jedoch erst nach Erschöpfung des kirchlichen Instanzenzuges. Gegen letztinstanzliche Steuerentscheide der Kirchenbehörden steht dem Betroffenen der Rekurs an das Verwaltungsgericht offen.

Anhang

365

Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel vom 1. Januar 1975 Stand am 1. Januar 19981 Paragraph A

EINLEITUNG

1-2

Β

MITGLIEDSCHAFT

3-7

C

WAHLEN UND ABSTIMMUNGEN

8-25

D

GEMEINDEVERSAMMLUNG

26-36

E

GEMEINDEVORSTAND

37-45

F

KOMMISSIONEN: a) vom Vorstand gewählte Kommissionen

46 - 51

b) von der Gemeinde gewählte Gremien

52

1. Budget- und Rechnungsprüfungskommission

53 - 54

2. Schiedsgericht

55-62

3. Delegation zum Schweiz. Israelitischen Gemeindebund

63-64

c) Steuerkommission

65 - 68

G

FINANZEN

69-84

H

GEMEINDE-INSTITUTIONEN I.

Synagoge

85-94

II.

Rabbinat

95

III. Religionsschule

96-97

IV. Soziale und kulturelle Institutionen

98-104

V.

105 -106

Rituelle Institutionen

VI. Friedhof

107-112

RABBINAT, BEAMTE UND ANGESTELLTE

113-116

Κ

BEKANNTMACHUNGEN

117

L

ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN

A Einleitung §1 Die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) erstrebt die Vereinigung aller Juden von Basel und Umgebung zur Wahrung ihrer jüdischen Interessen. Dazu gehören insbesondere die Pflegen 1

Vorliegende Fassung berücksichtigt die Statutenänderungen vom 8. Januar 1990, 14. Mai 1990 und 5. Januar 1998 (vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt genehmigt und seit dem 1. Januar 1998 in Kraft).

366

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des jüdischen Kultus und Erhaltung der dafür nötigen Institutionen, Sicherung der jüdischen Erziehung und Bildung, Sozialarbeit, die Förderung der Beziehungen zu den Juden in aller Welt und insbesondere in Israel. Sämtliche Institutionen der Gemeinde sind gemäss den Bestimmungen des jüdischen Religionsgesetzes und im Sinne der Tradition zu führen.

§2 Die IGB ist gemäss § 19 der Verfassung des Kantons Basel-Stadt eine selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit.

B. Mitgliedschaft §3 Jeder Kantonseinwohner, der nach jüdischem Religionsgesetz als Jude gilt, ist Mitglied der IGB. Er kann schriftlich seinen Austritt aus der IGB geben oder seine Nichtzugehörigkeit erklären.

§4 Ausserhalb des Kantonsgebiets wohnende Juden können Mitglied der IGB sein mit gleichen Pflichten und Rechten wie die im Kanton wohnhaften. Juden, die nicht in der Umgebung Basels oder die im Ausland wohnen, haben keinen Anspruch auf die Mitgliedschaft, können aber durch Vorstandsbeschluss aufgenommen werden.

Jedes Gemeindemitglied ist vom vollendeten 18. Altersjahr an stimmberechtigt und wählbar, unter Vorbehalt von § 6.

§6 Weibliche Mitglieder sind nicht wählbar als Gemeindepräsident, als Präsident der Synagogen-Kommission und als Präsident der Friedhofskommission. Ehegatten, Eltern und Kinder sowie Geschwister sind nicht in das gleiche Gremium wählbar. Mitglieder des Vorstands sind nicht in die Budget- und Rechnungsprüfungskommission, in die Steuerkommission und in das Schiedsgericht wählbar (vorbehalten bleibt § 65) Die Beamten und Angestellten der Gemeinde sind; solange sie im Amte tätig sind, nicht in den Vorstand wählbar.

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367

§7 Ein Mitglied kann durch den Vorstand in seinen Rechten suspendiert werden, wenn es die Interessen der Gemeinde gefährdet oder durch seine Handlungen dem Ansehen der Gemeinde oder dem Judentum im allgemeinen geschadet hat. Dem Suspendierten steht innert Monatsfrist nach Zustellung des Vorstandsbeschlusses die Berufung an die nächste Gemeindeversammlung offen. Gegen den Beschluss der Gemeindeversammlung können der Suspendierte und der Vorstand innert Monatsfrist nach Zustellung des Beschlusses der Gemeindeversammlung Berufung an das Schiedsgericht erklären.

C. Wahlen und Abstimmungen §8 Das Wahlrecht wird durch persönliche Stimmabgabe an der Urne ausgeübt. Der persönlichen Stimmabgabe an der Urne ist die briefliche Wahl gleichgestellt. 1. Für die Wahl des Gemeindepräsidenten, der Mitglieder des Vorstandes und des Präsidenten der Steuerkommission, sowie - falls die Stelle des Verwalters vakant ist - des dritten Mitgliedes der Steuerkommission. 2. Für die Wahl der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichtes und der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. 3. Für die Wahl von Rabbiner und Oberkantor, vorbehältlich § 113 Ziff. 1 Abs. 2. 4. Falls eine Wahl vom Vorstand angeordnet oder in einer Gemeindeversammlung beschlossen wird. Für besondere Fälle kann der Vorstand im Wahlreglement ein spezielles Verfahren vorsehen.

§9 Die in § 8 Ziffer 1 und 2 genannten Gremien, der Gemeindepräsident und der Präsident der Steuerkommission werden für eine dreijährige Amtsdauer gewählt. Die Neuwahl des Gemeindevorstandes erfolgt jeweilen spätestens 6 Wochen nach der ordentlichen Gemeindeversammlung. Die Neuwahl der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichtes, der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund sowie des Präsidenten der Steuerkommission erfolgt gleichzeitig mit den Vorstandswahlen.

§10 Die Urnenwahl von Rabbiner und Oberkantor wird durch den Vorstand nach Ausschreibung der Stelle und Abhaltung einer konsultativen Gemeindeversammlung angesetzt. Den Gemeindemitgliedern ist spätestens 14 Tage vor dieser Gemeindeversammlung die Liste der ein-

368

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gegangenen und bis zu diesem Datum aufrechterhaltenen Kandidaturen mit Unterlagen über Studiengang und bisherige Tätigkeit der Kandidaten aufzulegen. Wählbar sind nur solche Kandidaten, die vom Vorstand mindestens 6 Wochen vor dem Urnengang zur Wahl vorgeschlagen werden oder deren Zulassung zur Wahl von einem Zehntel der Gemeindemitglieder vier Wochen vor dem Wahlgang schriftlich begehrt wird. Die bereinigte Kandidatenliste ist der Gemeinde mindestens 14 Tage vor dem Wahlgang bekanntzugeben.

§11 Wahlen, die gemäss § 8 Ziffer 4 erfolgen, sind vom Vorstand mindestens 14 Tage zuvor den Gemeindemitgliedern schriftlich anzuzeigen. Bei der Wahl des Gemeindepräsidenten, des Vorstandes, der Budget- und Rechnungspriifungskommission, des Schiedsgerichtes, der Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund sowie des Präsidenten der Steuerkommission ist der Wahltag spätestens sechs Wochen vor der Wahl den Mitgliedern durch den Vorstand bekanntzugeben mit der Aufforderung, Wahlvorschläge einzureichen.

§12 Spätestens sechs Wochen vor der Wahl des Gemeindepräsidenten und des Vorstandes hat der Präsident der Steuerkommission die Mitglieder des Schiedsgerichtes, der Budget- und Rechnungsprüfungskommission und der Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund zu einer Besprechung einzuberufen, um Wahlvorschläge vorzubereiten. Dieses Gremium ist auch berechtigt, eine allgemeine Wahlversammlung einzuberufen. Das Recht der Gemeindemitglieder zur Einreichung von Wahlvorschlägen gemäss § 13 der Statuten wird durch diese Bestimmung nicht berührt.

§13 Die Wahlvorschläge sind spätestens vier Wochen vor dem Wahltag durch die Post mit eingeschriebenem Brief dem Gemeindesekretariat zu übermitteln; massgebend für die Einhaltung der Frist ist der Poststempel. Die Wahlvorschläge müssen von mindestens 10 Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Die Namen derjenigen Kandidaten, die zum Gemeindepräsidenten vorgeschlagen werden, sind mit dem Vermerk „vorgeschlagen als Präsident" zu versehen. Der Vorstand gibt den Kandidaten davon Kenntnis, dass sie den Stimmberechtigten für die Wahl in Vorschlag gebracht werden, falls sie ihre Kandidatur nicht innert drei Tagen ablehnen.

§14 Spätestens 14 Tage vor der Wahl unterbreitet der Vorstand den Stimmberechtigten die Liste der gültig vorgeschlagenen Kandidaten auf einer numerierten und alphabetisch geordneten

Anhang

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Liste. Auf dieser Liste sollen diejenigen Kandidaten, die in der dieser Wahlperiode vorhergehenden Amtsperiode Mitglied des zu wählenden Gremiums waren, mit dem Vermerk „bisher" gekennzeichnet werden. Gleichzeitig mit der Liste erhalten die Stimmberechtigten einen Wahlausweis.

§15 Werden nicht mehr Kandidaten in das einzelne Gremium vorgeschlagen, als zu wählen sind, so findet kein Urnengang statt; die vorgeschlagenen Kandidaten gelten als gewählt. Diese stille Wahl ist durch den Vorstand festzustellen und den Mitgliedern bekanntzugeben.

§16 Werden für die Wahlen des Vorstandes, des Gemeindepräsidenten, sowie des Präsidenten der Steuerkommission keine oder nicht genügend Kandidaten aufgestellt, so findet eine freie Wahl statt, bei der jedes Gemeindemitglied, unter Vorbehalt von § 6 wählbar ist.

§17 Werden für die Wahlen des Schiedsgerichtes, der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund und der Budget- und Rechnungsprüfungskommission keine Kandidaten aufgestellt, so wählt der Vorstand die erforderlichen Mitglieder dieser Gremien. Werden für die einzelnen Gremien nicht genügend Kandidaten aufgestellt, so gelten die aufgestellten gemäss § 15 als gewählt; die weiteren erforderlichen Mitglieder dieser Gremien werden vom Vorstand gewählt.

§18 Falls der Gemeindepräsident oder der Präsident der Steuerkommission während seiner Amtsdauer aus dem Amt ausscheidet, so ist innert spätestens drei Monaten eine Neuwahl vorzunehmen. Scheiden Vorstandsmitglieder während ihrer Amtsdauer aus dem Vorstande aus, so ist der Vorstand berechtigt und bei Vakanz von zwei Sitzen verpflichtet, für den Rest der Amtsdauer Ersatzwahlen durch Kooptation vorzunehmen, insofern nicht die Neuwahl des Gesamtvorstandes innerhalb sechs Monaten bevorsteht; während einer Amtsperiode dürfen jedoch nicht mehr als zwei Mitglieder in den Vorstand kooptiert werden. Liegen Vakanzen für mehr als zwei Sitze im Vorstand vor, so muss für diese Vakanzen eine Urnenwahl angeordnet werden.

§19 Falls während der Amtsperiode Mitglieder der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichtes oder Delegierte zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund zurücktreten, trifft der Vorstand die nötigen Ersatzwahlen. 24 Nolte

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Anhang §20

Die Konstituierung des Vorstandes und die Zusammensetzung der Kommissionen nach der vorgenommenen periodischen Neuwahl sowie allfällige Ersatzwahlen sind der Gemeinde durch Anschlag im Gemeindehaus bekanntzugeben.

§21 Gegen die vom Vorstand vorgenommene Wahl von Kommissionsmitgliedern oder die Kooptation von Vorstandsmitgliedern kann von mindestens einem Zwanzigstel der Gemeindemitglieder innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Wahl beim Gemeindesekretariat Einspruch erhoben werden. Für die beanstandete Wahl ist spätestens innerhalb drei Monaten nach Erhebung des Einspruchs die Abstimmung durch die Urne anzuordnen.

§22 Die Wahlen und Abstimmungen durch die Urne sind ohne Rücksicht auf die Zahl der abgegebenen Stimmen gültig. Die Wahl des Rabbiners gilt jedoch nur dann als zustandegekommen, wenn mindestens ein Viertel der stimmberechtigten Gemeindemitglieder ihre Stimme abgegeben haben.

§23 Bei der Wahl von Gemeindepräsident, Rabbiner, Oberkantor und Präsident der Steuerkommission entscheidet das absolute Mehr. Bei der Wahl des Vorstandes, der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichtes und der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund entscheidet das relative Mehr. In einem allfälligen erforderlichen zweiten Wahlgang für die Wahl von Gemeindepräsident, Rabbiner, Oberkantor und Präsident der Steuerkommission kommen nur die beiden Kandidaten in die engere Wahl, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten, wobei ebenfalls das absolute Mehr entscheidet. Wird für die Wahl von Rabbiner und Oberkantor nur ein Kandidat vorgeschlagen, so findet nur ein Wahlgang statt; zur Wahl ist das absolute Mehr der abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich, vorbehalten bleibt § 22 Absatz 2. Ungültig beschriftete Stimmzettel werden bei der Ermittlung des absoluten Mehrs nicht berücksichtigt, leere Zettel hingegen mitgezählt. Sollten Mitglieder in das gleiche Kollegium entgegen den Bestimmungen von § 6 gewählt werden, so gilt das Mitglied als gewählt, das die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Bei Gleichheit der Stimmen entscheidet das Los, das durch das Wahlbüro zu ziehen ist.

§24 Für jede Urnenabstimmung bezeichnet der Vorstand ein Wahlbüro, bestehend aus fünf bis neun Mitgliedern, das Wahlen und Abstimmungen gemäss einem Reglement leitet.

Anhang

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§25 Einsprachen gegen Wahlen oder Abstimmungen oder gegen damit zusammenhängende Beschlüsse des Wahlbüros sind innerhalb 14 Tagen zulässig. Über alle Einsprachen, mit Ausnahme deqenigen, die die Vorstandswahlen betreffen, entscheidet endgültig der Vorstand, an den diese Einsprüchen zu richten sind. Uber Einsprachen gegen die Vorstandswahlen entscheidet das Schiedsgericht, an welches diese Einsprüchen zu richten sind.

D. Gemeindeversammlung §26 Alljährlich findet eine ordentliche Gemeindeversammlung statt: 1. Zur Entgegennahme und Genehmigung des Tätigkeitsberichtes des Vorstandes und der Kommissionen, der Jahresrechnung, der Bilanz, des Berichtes der Budget- und Rechnungsprüfungskommission. 2. Zur Erteilung der Décharge an den Vorstand. 3. Zfur Beschlussfassung über das Budget für das laufende Geschäftsjahr. Dem Vorstand steht jedoch das Recht zu, das Budget bereits im vorangegangenen 4. Quartal einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung vorzulegen. In diesem Falle ist der Vorstand verpflichtet, eventuell bis dahin vorliegende Anträge von Gemeindemitgliedern ebenfalls zu behandeln. 4. Zur Behandlung anderer auf der Tagesordnung vorgesehenen Angelegenheiten.

§27 Ausserordentliche Gemeindeversammlungen finden statt: 1. Wenn die Gemeinde dies in einer vorhergehenden Versammlung beschlossen hat. 2. Wenn der Vorstand es als erforderlich erachtet. 3. Wenn ein Zehntel der Mitglieder ein diesbezügliches schriftliches Begehren unter Angabe der Gründe an den Vorstand richtet. In diesem Falle ist die Gemeindeversammlung spätestens innert zwei Monaten nach Eingang des Begehrens einzuberufen.

§28 Der Vorstand gibt das Datum der ordentlichen Gemeindeversammlung spätestens 6 Wochen vorher bekannt. Die schriftlichen Einladungen zu den Gemeindeversammlungen sind jedem Mitglied wenigstens 8 Tage vor der Versammlung zuzustellen; sie haben die Tagesordnung zu enthalten. 2 *

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Anhang §29

In die ausschliessliche Kompetenz der Gemeindeversammlung fallen ausser den in § 26 vorgesehenen Traktanden folgende Geschäfte: 1. Rekurse gemäss § 7 und Anträge gemäss § 31. 2. An und Verkauf von Liegenschaften. Der Beschluss über solche Geschäfte ist nur rechtsgültig, wenn er mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen angenommen wird. 3. Aufnahme von Obligationsanleihen. 4. Bewilligung ausserordentlicher, im Budget nicht vorgesehener Ausgaben, deren Höhe die Kompetenz des Vorstandes übersteigt. 5. Statutenänderungen. 6. Die Festsetzung des Steuersatzes. 7. Zuschläge zu den Jahressteuern und Ermässigung des Steuersatzes gemäss § 73. §30 Die Gemeindeversammlung kann Anträge von Mitgliedern dem Vorstande zur Prüfung und zur Berichterstattung an die nächste Gemeindeversammlung überweisen. §31 Anträge von Mitgliedern, deren Erledigung nicht in die Kompetenz des Vorstandes fällt und die bis spätestens 4 Wochen vor der ordentlichen Gemeindeversammlung eingereicht werden, sind dieser vorzulegen. Anträge auf Abänderung der Statuten müssen jedoch von wenigstens einem Zehntel der Mitglieder gestellt werden und sind vom Vorstande innert drei Monaten einer Gemeindeversammlung vorzulegen. Der Vorstand ist befugt, von sich aus Statutenänderungen zu beantragen. §32 Die Gemeindeversammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Statutenänderungen erfordern dagegen die Anwesenheit von wenigstens einem Zehntel der Mitglieder. Wird das Quorum nicht erreicht, ist der Vorstand verpflichtet, eine neue Versammlung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlussfähig ist. Diese Versammlung kann frühestens 14 Tage und muss spätestens innert einem Monat nach der ersten Versammlung anberaumt werden. §33 Die Gemeindeversammlung wird vom Gemeindepräsidenten oder dessen Vertreter geleitet. Bei Beginn der Versammlung wählt diese aus ihrer Mitte zwei Stimmenzähler.

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§34 Bei Abstimmungen entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Die Art der Abstimmung bestimmt der Präsident. Geheime Abstimmung hat jedoch auf alle Fälle stattzufinden, wenn ein diesbezügliches Begehren von einem Zehntel der anwesenden Mitglieder gestellt wird. Der Präsident nimmt an den Abstimmungen nicht teil: bei Stimmengleichheit hat er den Stichentscheid. Das Wort ist den Mitgliedern der Reihenfolge nach, in der es verlangt wird, zu erteilen. §35 Der Präsident kann Redner, welche trotz wiederholter Mahnung nicht bei der Sache bleiben oder sich ungeziemende Äusserungen zu Schulden kommen lassen, zur Ordnung rufen und ihnen bei fortgesetzter Ordnungswidrigkeit das Wort entziehen. Der Ordnungsruf ist auch zulässig gegenüber Mitgliedern, welche die Verhandlungen stören. Nötigenfalls kann der Präsident die Sitzung suspendieren oder ganz aufheben. §36 Der Vorstand bezeichnet für jede der Gemeindeversammlung zu unterbreitende Vorlage einen Referenten aus seiner Mitte. Der Referent hat das Eröffnungs- und Schlusswort; letzteres auch, wenn die Versammlung auf Schluss der Debatte erkannt hat.

E. Gemeinde-Vorstand §37 Die Verwaltung der Gemeinde ist einem auf drei Jahre gewählten Vorstand übertragen, bestehend aus dem Gemeindepräsidenten und zehn weiteren Mitgliedern. §38 Der Vorstand wählt aus seiner Mitte einen Vizepräsidenten, einen Sekretär und einen Kassier. Er kann einen Verwalter anstellen. Der Gemeindepräsident, der Vizepräsident, der Sekretär, der Kassier sowie der Gemeindeverwalter führen je zu zweien die rechtsverbindliche Unterschrift für die Gemeinde. §39 Der Vorstand versammelt sich auf schriftliche Einladung des Gemeindepräsidenten oder dessen Stellvertreters.

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Anhang

Bei Verhinderung des Präsidenten wird dessen Vertretung in folgender Reihenfolge geordnet: Vizepräsident, Sekretär, Kassier. Die Einladung hat die Tagesordnung zu enthalten und ist den Mitgliedern mindestens drei Tage vor der Sitzung zuzustellen. In dringenden Fällen kann die Einberufung auch in kürzerer Frist und in anderer Weise erfolgen. Auf schriftliches Begehren von dreien seiner Mitglieder ist eine Sitzung des Vorstandes innert 8 Tagen einzuberufen.

§40 Die Mitglieder sind verpflichtet, jeder Sitzung beizuwohnen; im Verhinderungsfälle haben sie dies rechtzeitig mitzuteilen. Der Präsident macht von den eingegangenen Entschuldigungen zuhanden des Protokolls Mitteilung.

§41 Der Präsident leitet die Sitzungen. Bei Abstimmungen entscheidet die Mehrheit der Stimmenden. Der Präsident nimmt an der Abstimmung nicht teil, bei Stimmengleichheit hat er den Stichentscheid. Um gültige Beschlüsse fassen zu können, ist die Anwesenheit von mindestens sechs Mitgliedern erforderlich.

§42 Der Rabbiner ist bei der Entscheidung von religiösen Angelegenheiten, soweit diese nicht in seine ausschliessliche Kompetenz gemäss § 95 fallen, zuzuziehen.

§43 Über die Verhandlungen wird Protokoll geführt. Das Protokoll ist den Mitgliedern des Vorstandes zuzustellen oder in der nächstfolgenden Sitzung vorzulesen und nach Genehmigung durch den Vorstand vom Präsidenten und vom Protokollführer zu unterzeichnen.

§44 Der Vorstand beschliesst über alle Gemeindeangelegenheiten, soweit sie durch Statuten nicht der Gemeindeversammlung oder den durch die Gemeinde gewählten Kommissionen vorbehalten sind. Insbesondere obliegen dem Vorstand folgende Aufgaben:

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Er bestimmt die Abhaltung von Gemeindeversammlungen, setzt deren Tagesordnung fest und sorgt für Ausführung der gefassten Beschlüsse. Er nimmt die Wahl und Kündigung der Beamten und Angestellten vor und schliesst die Vertrüge mit ihnen ab; vorbehalten bleibt § 8. Er überwacht die Tätigkeit der Beamten und Angestellten, die dem Vorstand unterstellt sind. Er übt die Aufsicht über die Gemeinde-Institutionen aus. Er setzt die in den Statuten vorgesehenen oder sich als notwendig erweisenden Reglemente fest, von denen er der nächsten Gemeindeversammlung im Rahmen des Tätigkeitsberichtes Kenntnis zu geben hat. Er wählt die Kommissionen, soweit diese nicht gemäss § 8 der Statuten durch die Urne zu wählen sind, und er bezeichnet deren Präsidenten. Er hat der Budget- und Rechnungsprüfungskommission gemäss § 54 schriftlich Bericht und Antrag zum Budget zu unterbreiten. Er kann der Gemeindeversammlung Anträge auf Statutenänderung vorlegen.

§45 Der Vorstand ist befugt, nicht budgetierte Ausgaben bis zum Gesamtbetrag von Fr. 50.000.jährlich zu beschliessen.

F. Gemeinde-Kommissionen a) Vom Vorstand gewählte Kommissionen §46 Es bestehen folgende ständige Kommissionen: 1. Bau-Kommission 2. Bibliothekskommission 3. Bildungskommission 4. Friedhofskommission 5. Kommission für Sozialhilfe und Fürsorge 6. Jugend-Kommission 7. Gemeindehaus-Kommission 8. Kommission für rituelle Betriebe 9. Leihkasse-Kommission 10. Schul-Kommission 11. Synagogenkommission 12. Kommission für Werbung und Planung

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13.Kommission für Altersfragen 14. Kommission für Aussenbeziehungen Im Bedarfsfall können weitere Kommissionen vom Vorstand eingesetzt werden.

§47 Die Kommissionen werden unter Vorbehalt von § 18 gewählt. Ihre Amtsdauer endigt unter Vorbehalt von § 21 spätestens mit deqenigen des Vorstandes.

§48 Die Gemeindekommissionen bestehen aus mindestens 3 und höchstens 9 Mitgliedern. Die Präsidenten der Kommission werden vom Vorstand, wenn möglich aus dessen Mitte, bezeichnet. Im Übrigen konstituieren sich die Kommissionen selbst.

§49 Der Rabbiner ist von Amtes wegen Mitglied der Bildungs-, Jugend-, Schul- und SynagogenKommission sowie der Kommission für rituelle Betriebe und der Kommission für Sozialhilfe und Fürsorge.

§50 Die Kommissionen leisten unter Leitung ihres Präsidenten auf ihrem Tätigkeitsgebiet die unmittelbare Gemeindearbeit gemäss den bestehenden Reglementen und im Rahmen der betreffenden Budgetposten. Sie führen die sie betreffenden Vorstandsbeschlüsse aus. Sie unterstützen den Vorstand in der Verwaltung der zu ihrem Tätigkeitsgebiet gehörenden Gemeinde-Institutionen und in der Aufsicht über dieselben. Die vom Vorstand gewählten Kommissionen haben Beschlüsse grundsätzlicher Natur dem Vorstand zur Genehmigung vorzulegen und können dem Vorstand Anträge unterbreiten. Falls der Vorstand solche Kommissionsbeschlüsse und Anträge nicht genehmigt, hat er sie unter Bekanntgabe seiner Stellungnahme an die Kommission zur Wiedererwägung zurückzusenden. Nach nochmaliger Beratung durch die Kommission gehen die Akten wiederum an den Vorstand, welcher alsdann endgültig entscheidet. Die Präsidenten der Kommissionen oder ihre Vertreter haben die ihr Ressort betreffenden Rechnungen zu prüfen und zur Auszahlung zu visieren.

§51 Sämtliche Kommissionen haben alljährlich im Monat Januar dem Vorstand schriftlich Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten und eventuell Rechnung abzulegen.

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b) Von der Gemeinde gewählte Gremien §52 Die durch Urnenabstimmung gewählten, nämlich: Budget- und Rechnungsprüfungskommission sowie das Schiedsgericht und die Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund werden zu ihrer konstituierenden Sitzung durch den Gemeindepräsidenten oder dessen Stellvertreter einberufen. Diese Gremien haben alljährlich Bericht über ihre Tätigkeit an den Vorstand zuhanden der ordentlichen Gemeindeversammlung zu erstatten.

1. Budget- und Rechnungsprüfungskommission §53 Die Budget- und Rechnungsprüfungskommission besteht aus sieben Mitgliedern. Sie konstituiert sich selbst und wählt aus ihrer Mitte einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten und einen Sekretär.

§54 Der Budget- und der Rechnungsprüfungskommission obliegt: a) Die Begutachtung des Budgets. b) Die Überprüfung der Buchhaltung und des Rechnungswesens der Gemeinde und ihrer Institutionen. Sie ist berechtigt, in sämtliche Belege und Bücher - ausgenommen die Steuerakten der Gemeindemitglieder - Einsicht zu nehmen. Der Vorstand hat ihr alle für die Durchführung ihrer Aufgabe erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Budget- und Rechnungsprüfungskommission unterbreitet der Gemeindeversammlung schriftlich Bericht und Antrag; diese sind den Gemeindemitgliedern mit der Traktandenliste zuzustellen. 2. Schiedsgericht §55 Das Schiedsgericht besteht aus 10 Mitgliedern. Es konstituiert sich selbst und wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten, einen ersten und einen zweiten Vizepräsidenten sowie einen Sekretär. Präsident, beide Vizepräsidenten und Sekretär sollen nach Möglichkeit Juristen sein. §56 Das Schiedsgericht behandelt die einzelnen Streitfälle in einem Kollegium von fünf Mitgliedern. Im Einverständnis mit den Parteien kann die Besetzung auf drei Mitglieder reduziert werden.

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Der Präsident und in seiner Vertretung der Vizepräsident entscheidet über die Zuziehung der Mitglieder.

§57 Soweit nicht laut Statuten andere Organe für die definitive Entscheidung zuständig sind, hat das Schiedsgericht alle Streitigkeiten zwischen Gemeindemitgliedern einerseits und der Gemeinde, ihren Organen, Beamten und Angestellten andererseits, zwischen den Beamten und Angestellten der Gemeinde einerseits und der Gemeinde und ihren Organen andererseits, sowie die Streitigkeiten in Gemeindeangelegenheiten zwischen Gemeindemitgliedern endgültig zu beurteilen. Das Schiedsgericht beurteilt gemäss § 79 Rekurse gegen Einsprache-Entscheide der Steuerkommission.

§58 Dem Schiedsgericht können Ehrenhändel und Zivilstreitigkeiten zwischen Gemeindemitgliedern unterbreitet werden. Ausserdem kann das Schiedsgericht in allen Fällen, die von einzelnen Parteien unterbreitet werden, entscheiden, falls beide Parteien zustimmen. Durch Plenarbeschluss des Schiedsgerichtes kann die Beurteilung eines solchen Falles verweigert werden.

§59 Der Präsident und bei seiner Verhinderung einer der Vizepräsidenten soll nach Möglichkeit jedem ihm vorgelegten Streitfall zuerst zu schlichten versuchen oder ihn als Einzelrichter beurteilen, sofern sich die Parteien seinem Entscheid unterwerfen.

§60 Gelangt ein Ehrenhändel zwischen Gemeindemitgliedern zur Kenntnis des Präsidiums des Schiedsgerichtes, so soll es beiden Parteien intervenieren oder intervenieren lassen, um diese dazu zu bestimmen, den Streit vor dem Schiedsgericht zum Austrag zu bringen.

§61 Vor Beginn eines Verfahrens gemäss § 58 haben die Parteien schriftlich zu bestätigen, dass sie den Spruch des Schiedsgerichtes anerkennen werden. Die Entscheidung des Schiedsgerichtes ist endgültig.

§62 Die Kompetenzen des Schiedsgerichtes, das Verfahren, die Ausstandsgründe sowie allfällige Gebühren werden in einem Reglement geordnet.

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3. Delegation zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund §63 Die Zahl der Delegierten der Gemeinde zur Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes wird durch die Statuten des Gemeindebundes festgelegt. Drei Delegierte werden vom Vorstand aus seiner Mitte gewählt; die Wahl der übrigen Delegierten erfolgt durch Urnenwahl. Bei Ausfall oder Verhinderung eines Delegierten wählt der Vorstand einen Ersatzmann.

§64 Die Delegation konstituiert sich selbst und wählt aus ihrer Mitte einen Präsidenten, Vizepräsidenten und Sekretär. c) Steuerkommission

§65 Die Steuerkommission besteht aus 3 Mitgliedern: dem Kommissionspräsidenten, dem Gemeindekassier und dem Gemeindeverwalter.

§66 Die Steuerkommission erhebt die Gemeindesteuern a) Bei im Kanton Basel-Stadt steuerpflichtigen Mitgliedern entsprechend den der Gemeinde zustehenden Steuerkompetenzen. b) Bei ausserhalb des Kantons steuerpflichtigen Mitgliedern auf Grund der Taxation gemäss §71.

§67 Die Mitglieder der Steuerkommission unterliegen einer absoluten Schweigepflicht über die ihnen bei ihrer Amtsausübung zur Kenntnis gelangenden Tatsachen bezüglich der einzelnen Mitglieder. Diese Schweigepflicht gilt ebenso gegenüber dem Gemeindevorstand und auch nach Ausscheiden aus dem Amt.

§68 Die Mitglieder der Steuerkommission haben vor Amtsantritt ehrenwörtlich schriftlich die Einhaltung dieser Schweigepflicht zu Händen des Rabbiners zu versprechen.

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G. Finanzen §69 Die Einnahmequellen der Gemeinde sind: 1. Gemeindesteuern sowie allfällige Zuschlüge. 2. Gebühren für die Benützung von Gemeindeinstitutionen. 3. Mietzinsen und andere Kapitalerträgnisse. 4. Spenden, Legate und Schenkungen. 5. Aufnahmegebühren.

§70 Jedes Gemeindemitglied hat eine jährliche Steuer gemäss den folgenden Bestimmungen zu entrichten.

§71 Die Gemeindesteuer wird in Prozenten der kantonalen Einkommenssteuer Basel-Stadt berechnet, welche das Mitglied entrichtet oder entrichten würde, falls sein gesamtes steuerpflichtiges Einkommen in der Stadt Basel erzielt worden wäre. Die Grundlage für die Berechnung der Gemeindesteuer bildet das zwei Jahre vor dem Bezugsjahr erzielte Einkommen. Die Minimalsteuer beträgt Fr. 50,-. Die Maximalsteuer beträgt vom Bezugsjahr 1998 an Fr. 18 000,-. Sie wird alle 5 Jahre, erstmals ab dem Bezugsjahr 2003, dem Basler Index für Konsumentenpreise verhältnismässig anpasst. Als Basis gilt der vorhergehende November-Index. Der Steuersatz in Prozenten wird ab 1977 jeweils für die Dauer von 3 Jahren durch die Gemeindeversammlung, auf Grund schriftlich begründeter Anträge des Vorstandes und der Budget- und Rechnungsprüfungskommission festgesetzt.

§72 Mitglieder mit Wohnsitz ausserhalb des Kantons haben eine Ermächtigung an die Steuerbehörde des Wohnortes zu unterzeichnen, welche diese zur Auskunft über die Einkommenssteuerveranlagung an die Gemeinde ermächtigt.

§73 Die Gemeindeversammlung kann jeweils für das zweite und dritte Jahr einer Periode Zuschläge in Prozenten der Gemeindesteuer beschliessen, wenn der normale Steuersatz zur Deckung der mutmasslichen Ausgaben nicht hinreicht. Sie kann auch eine Ermässigung des Steuersatzes beschliessen.

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§74 Wenn nicht alle Mitglieder einer Familie der Gemeinde angehören, wird die Gemeindesteuer anteilmässig erhoben, wie folgt: a) Familien ohne minderjährige Kinder, bei denen ein Gatte der Gemeinde angehört: 1/2 der vollen Steuer. b) Familien mit minderjährigen Kindern, bei denen ein Gatte und die Kinder der Gemeinde angehören: 2/3 der vollen Steuer. c) Familien mit minderjährigen Kindern, bei denen ein Gatte, nicht aber die Kinder der Gemeinde angehören: 1 / 3 der vollen Steuer. d) Familien mit minderjährigen Kindern, bei denen nur die Kinder, nicht aber einer der Gatten der Gemeinde angehören: 1/3 der vollen Steuer. e) Familien, welche nur aus einem Elternteil mit minderjährigen Kindern bestehen und bei denen nur der Elternteil oder nur die Kinder der Gemeinde angehören: 1 / 2 der vollen Steuer.

§75

Ehegatten, die Gemeindemitglieder sind, haften unabhängig von ihrem Güterstand solidarisch für die Steuerforderung.

§76 Nach dem Tode eines Steuerpflichtigen haben dessen Erben, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde, die vom Erblasser bis zu dessen Tod geschuldeten Steuern unter solidarischer Haftung, spätestens vor Verteilung des Nachlasses zu entrichten.

§77 In Härtefällen kann die Steuerkommission einem Steuerpflichtigen die Steuer ganz oder teilweise erlassen bzw. stunden.

§78 Einsprachen gegen die Steuerrechnung sind innert 30 Tagen von der Zustellung an schriftlich der Steuerkommission einzureichen, die hierüber entscheidet. Der Steuerpflichtige kann auf Grund eines Rektifikates der kantonalen Steuerverwaltung eine rektifizierte Gemeindesteuer-Rechnung verlangen.

§79 Gegen den Entscheid der Steuerkommission steht dem Gemeindemitglied das Rekursrecht an das Schiedsgericht der Gemeinde zu. Der Rekurs ist innert 30 Tagen seit der Zustellung des Einsprache-Entscheides dem Präsidenten des Schiedsgerichtes schriftlich einzureichen. Der

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Präsident bildet zusammen mit 2 Mitgliedern des Schiedsgerichtes einen Ausschuss, der letztinstanzlich über den Rekurs entscheidet. Vorbehalten bleibt § 6 des Kirchengesetzes des Kantons Basel-Stadt.

§80 Die im Laufe eines Jahres zugezogenen oder neu in die Gemeinde eintretenden Mitglieder sowie Mitglieder, die an der Quelle besteuert werden, können zu einer Selbstdeklaration aufgefordert werden und, sofern diese ausbleibt, amtlich eingeschätzt werden. Wer vor seinem Eintritt das 30. Altersjahr vollendet hat und während der letzten drei Jahre in Basel oder Umgebung wohnhaft war, hat eine Eintrittsgebühr zu entrichten. Sie wird von der Steuerkommission unter Berücksichtigung des Alters des Eintretenden sowie der Wohnsitzdauer in Höhe der einfachen bis sechsfachen ersten Jahressteuer festgesetzt. Sofern das eintretende Mitglied während der letzten 15 Jahre in Basel oder Umgebung wohnhaft war, kann überdies ein Zuschlag von 1 - 3 % vom Vermögen erhoben werden. In besonderen Füllen kann die Steuerkommission die Eintrittsgebühr stunden, ermässigen oder erlassen. Für Einsprachen und Rekurse gelten die §§78 und 79 sinngemäss.

§81 Das Vermögen der Gemeinde, die von ihr verwalteten Stiftungen, sowie die separat auszuweisenden Fonds sind sicher und soweit möglich zinstragend anzulegen. Uber Käufe und Verkäufe von Wertschriften entscheidet der Vorstand auf Antrag des Kassiers. Für dringlich notwendige unaufschiebbare Dispositionen des Kassiers über Wertpapiere genügt das Einverständnis von Präsident oder Vizepräsident. Die Wertschriften sind bei Banken zu deponieren. Der Vorstand hat der Gemeindeversammlung alljährlich einen schriftlichen Bericht über das Gemeindevermögen, die Fonds und die Stiftungen vorzulegen.

§82 Die jährlichen Zinsen des Armenfonds sind der Sozialhilfe und Fürsorge zuzuführen.

§83 Der Pensionsfonds ist zur Auszahlung der Pensionen für die Beamten und Angestellten der Gemeinde und für deren pensionsberechtigte Angehörige zu verwenden, soweit die auszuzahlenden Pensionen nicht durch Rentenversicherungen gedeckt sind. Die Beiträge an den Pensionsfonds und dessen Verwendung werden durch ein Reglement geregelt.

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§84 Der Amortisationsfonds ist zur jährlichen Tilgung von Hypotheken oder anderen Darlehen zu verwenden. Der Amortisationsfonds wird zu Lasten der Betriebsrechnung durch jährliche Zuweisung der vertraglichen Amortisationsbeträge zuzüglich mindestens Fr. 5'000- gespiesen. Der Amortisationsfonds ist zu budgetieren und in der Bilanz auszuweisen . Uber die Verwendung der im Fonds geäufneten Mittel ist jeweils im Jahresbericht gesondert Rechnung abzulegen. Schliesst ein Rechnungsjahr mit einem Defizit ab, so kann für das betreffende Jahr von einer Dotierung des Amortisationsfonds Abstand genommen werden.

H. Gemeinde-Institutionen Synagoge §85 Die Ordnung des Gottesdienstes in der Synagoge und im Betsaal und deren Benützung für nichtgottesdienstliche Zwecke werden in einem Synagogenreglement festgelegt ;die Einzelheiten werden durch die Synagogenkommission angeordnet. Die Synagoge und der Betsaal dürfen im allgemeinen nur zur Abhaltung des Gottesdienstes benützt werden. Besondere Verunstaltungen oder religiöse Feiern dürfen dort nur stattfinden, wenn sie vom Vorstand nach Anhörung des Rabbiners genehmigt sind.

§86 Die Gebetszeiten werden vom Rabbiner festgesetzt und nach Begutachtung durch die Synagogenkommission vom Vorstand genehmigt und den Gemeindemitgliedern zur Kenntnis gebracht.

§87 Die Mizwoth werden den Mitgliedern von einem vom Vorstande aus seiner Mitte bezeichneten Mitglied zugeteilt. Es sollen allen Mitgliedern in möglichst regelmässigem Turnus Mizwoth zugewiesen werden. Personen, die sich vorübergehend in Basel aufhalten, sind nach Möglichkeit zu berücksichtigen. §88 Die der Gemeinde gehörenden Synagogenplätze werden durch den Vorstand zu den von ihm festgesetzten Bedingungen vermietet. Die Untermiete derselben ist nur durch Vermittlung des Gemeindesekretariates gestattet. Synagogenplätze dürfen an in Basel und Umgebung wohnende Nichtmitglieder nicht vermietet werden.

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Die Höhe der Synagogenplatzmiete für die verschiedenen Klassen der Männer- und Frauensitze sowie die Dauer der abzuschliessenden Mietverträge werden vom Vorstand festgesetzt.

§89 In Privateigentum befindliche Synagogenplätze dürfen nur an Gemeindemitgtieder verkauft werden. Als Eigentümer von Synagogenplätzen werden nur die im Eigentumsbuch der Gemeinde Eingetragenen anerkannt. Die Gemeinde darf keine weiteren Synagogenplätze verkaufen.

§90 Bei Eigentumsübergang von Synagogenplätzen hat der Erwerber eine Mutationsgebühr zu entrichten, deren Höhe im Synagogenreglement festgesetzt wird. Die Berechtigungstitel müssen dem Gemeindesekretariat zur Vormerkung in das Eigentumsbuch vorgelegt werden. Im Falle eines Verkaufs von Synagogenplätzen steht der Gemeinde das Vorkaufsrecht zu.

§91 Nichtmitglieder, die Eigentümer von Synagogenplätzen sind, haben jährliche Abgaben zu entrichten, deren Höhe im Synagogenreglement festgesetzt wird.

§92 Die für Synagoge und Betsaal gestifteten Thorarollen, Mobilien und Kultusgeräte sind Eigentum der Gemeinde.

§93 Die Bedingungen und Taxen für Trauungen werden im Synagogenreglement festgesetzt.

§94 Die Baukommission sorgt für den Unterhalt der Synagoge und der übrigen Gebäulichkeiten der Gemeinde.

II. Rabbinat §95 Der Rabbiner übt die seinem Amte entsprechenden Funktionen aus. Er ist Rektor der Religionsschule.

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Er hat die religiöse Aufsicht über alle den religiösen Bedürfnissen der Mitglieder dienenden Gemeindeinstitutionen. In allen religiösen Fragen hat er die Entscheidung nach den Normen des codifizierten Religionsgesetzes zu treffen. ΙΠ. Religionsschule §96 Die Gemeinde unterhält eine Religionsschule, welche nach einem Reglement geleitet wird. Die Religionsschule untersteht der Aufsicht der Schulkommission. §97 Der Unterricht in der Religionsschule ist für Gemeindemitglieder unentgeltlich. IV. Soziale und kulturelle Institutionen §98 Die Israelitische Fürsorge und Sozialhilfe umfasst die charitativen und sozialen Aufgaben der Gemeinde mit Einschluss der Stellenvermittlung und Berufsberatung. Die Durchführung dieser Arbeiten obliegt der Fürsorgekommission gemäss den Bestimmungen eines besonderen Reglements. §99 Die Mittel der Fürsorge und Sozialhilfe setzen sich zusammen aus: 1. Den Erträgnissen des Armenfonds sowie Zuweisungen von andern zugunsten der Fürsorge und Sozialhilfe errichteten Stiftungen und Fonds. 2. Den Spenden, Subventionen, freiwilligen Beiträgen, letztwilligen Zuwendungen sowie anderen von der Fürsorge und Sozialhilfe zu erschliessenden Einnahmequellen. 3. Falls notwendig aus Beiträgen der Gemeinde, welche durch den Vorstand bestimmt werden.

§100 Die Gemeinde unterhält Alterswohnungen am Schützengraben 16.

§101 Die „Israelitische Leihkasse" gewährt zinsfreie Darlehen an Juden und jüdische Institutionen. Die Leihkasse wird gemäss den Bestimmungen des Reglements von einer Kommission geleitet. 25 Nolte

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§102 Die „Rabbiner Dr. A. Cohn'sche Jubiläums-Stiftung Hachnossas Kalla" (Brautausstattungsfonds) bezweckt die Gewährung von Subventionen an jüdische Mädchen anlässlich ihrer Verheiratung. Die Stiftung wird gemäss Stiftungsurkunde von einer fünfgliedrigen Kommission verwaltet, bestehend aus dem Rabbiner, dem Präsidenten der Fürsorge und Sozialhilfe, der Präsidentin des Israelitischen Frauenvereins und zwei weiteren vom Vorstand ernannten Mitgliedern.

§103 Die Förderung der erwachsenen Jugend sowie der Gemeindemitglieder durch religiöse und jüdisch-kulturelle Vorträge und Kurse obliegt der Jugend- bzw. der Bildungskommission

§104 Die Gemeinde unterhält eine Bibliothek unter der Verwaltung der Bibliothekskommission. Die Einzelheiten bezüglich der Benützung dieser Bibliothek werden durch ein Reglement geregelt.

V. Rituelle Institutionen §105 Die Gemeinde sorgt durch die Tätigkeit ihrer Beamten sowie durch Vereinbarungen mit den einschlägigen Geschäften und Metzgern für die Bezugsmöglichkeit von koscheren Lebensmitteln und für die Ermöglichung von Koscher-Verpflegung. Die Kommission für rituelle Betriebe trifft hierfür die nötigen Anordnungen.

§106 Die Benützung des rituellen Bades ist nur für religiöse Zwecke gestattet. Die Bedingungen und Taxen für die Benützung werden durch ein Reglement geregelt. Die religiöse Aufsicht obliegt gemäss § 95 dem Rabbinat; die administrative Verwaltung obliegt der Baukommission.

VI. Friedhof §107 Die Gemeinde unterhält einen Friedhof, dessen Betrieb unter der Oberaufsicht des Sanitätsdepartementes des Kantons Basel-Stadt auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen, der Statuten und der Reglemente der Gemeinde von der Friedhofkommission geleitet wird.

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§108 Die Grabstätte auf dem Friedhof ist unentgeltlich: 1. Für alle in- oder ausserhalb des Kantonsgebietes verstorbenen Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Basel. 2. Für alle Mitglieder derjenigen Gemeinden, die mit der Israelitischen Gemeinde Basel einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben.

§109 Für die Bestattung von Nichtgemeindemitgliedern ist eine Grabtaxe zu entrichten, die durch die Steuerkommission festgesetzt wird. Eine provisorische Festsetzung kann auch durch den Präsidenten der Steuerkommission oder ein anderes Mitglied der Steuerkommission vorgenommen werden. Bei der Anmeldung im Sekretariat oder spätestens innert 24 Stunden nach der Anmeldung ist ein von der Steuerkommission festgesetzter Betrag als Depot zu hinterlegen oder eine entsprechende Zahlungsverpflichtung zu unterzeichnen.

§110 Die Steuerkommission berücksichtigt bei der Festsetzung der Taxe die Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäss den vor ihr erstellten und vom Vorstand genehmigten Richtlinien. Falls die Gebühr für die Grabtaxe infolge unrichtiger Beurteilung der finanziellen Verhältnisse zu niedrig angesetzt oder erlassen wurde, so ist die Steuerkommission innert Jahresfrist berechtigt, die Grabtaxe nachträglich zu erhöhen resp. eine solche festzusetzen.

§111 Gegen den Entscheid der Steuerkommission kann innert Monatsfrist an den Vorstand rekurriert werden, dessen Entscheidung endgültig ist.

§112 Es ist Sache des Vorstandes, die Bedingungen und Gebühren für Grabrechte (namentlich Grabreservationen und Gräber am Weg), für die Bestattung, für die Grabdenkmäler und die Besorgung der Grabfelder in einem Friedhofs-Reglement festzulegen.

I. Rabbinat, Beamte und Angestellte §113 Der Rabbiner, die Beamten und Angestellten werden wie folgt gewählt: 1. Durch die Gemeinde in Urnenwahl: Der Rabbiner und der Oberkantor. 25*

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Bei besonderer Eignung eines Anwärters kann eine Stellenbesetzung durch Beschluss einer Gemeindeversammlung, dem zwei Drittel der anwesenden Mitglieder zustimmen müssen, auf dem Wege der Berufung erfolgen. 2. Durch den Vorstand: Alle anderen Beamten und Angestellten.

§114 Der Rabbiner sowie die jüdischen Beamten und Angestellten der Israelitischen Gemeinde Basel erwerben mit ihrer Anstellung die Mitgliedschaft. Sie zahlen Steuern gemäss § 71 der Statuten, sind jedoch von einer Aufnahmegebühr befreit.

§115 Für den Rabbiner, die Beamten und Angestellten werden die im Rahmen des Budgets festzusetzende Jahresbesoldung und die Dauer der Anstellung in Verträgen vom Vorstand festgesetzt. Wo ausdrückliche schriftliche Vereinbarungen fehlen, gelten die Bestimmungen des Schweiz. Obligationenrechtes über den Arbeitsvertrag.

§116 Der Rabbiner, die Beamten und Angestellten sind pensionsberechtigt, falls dies im Anstellungsvertrag oder in einer separaten Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen ist.

K. Bekanntmachungen §117 Die statutarischen Bekanntmachungen des Vorstandes erfolgen durch Zirkular an die Gemeindemitglieder.

L. Übergangsbestimmungen 1. Für die Steuerbezugsjahre 1975 und 1976 beträgt der gemäss § 71 anwendbare Steuersatz auf das gesamte steuerbare Einkommen des Mitgliedes, sei es in Basel-Stadt oder auswärts erzielt, je 10% der für Basel-Stadt massgebenden Einkommenssteuer. Wenn der Steuerertrag des Jahres 1975 um mindestens 10% vom budgetierten Betrag der Steuereinnahmen abweicht, beruft der Vorstand im November 1975 eine ausserordentliche Gemeindeversammlung ein, welche für 1976 einen neuen, angemessenen Steuersatz festsetzt. 2. Wer zur Zeit des Inkrafttretens dieser Statuten Mitglied der Gemeinde ist, gehört ihr weiterhin an. Gleichzeitig werden seine Ehefrau und seine mindeijährigen Kinder Gemeindemitglieder, falls sie nach jüdischem Religionsgesetz als Juden gelten.

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3. Spätestens 6 Wochen nach der ordentlichen Gemeindeversammlung 1975 findet zusammen mit der Neuwahl des Vorstandes auch die Neuwahl der Budget- und Rechnungsprüfungskommission, des Schiedsgerichts und der Delegierten zum Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund sowie des Präsidenten der Steuerkommission statt. 4. Diese Statuten treten gemäss Genehmigung durch den Regierungsrat des Kantons BaselStadt vom 12. November 1974 und Beschluss der Gemeindeversammlung vom 13. Januar 1975 mit Wirkung ab 1. Januar 1975 in Kraft. Sie ersetzen die Statuten vom 4. Dezember 1968.

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Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel (vormals Schomreh Schabbos-Verein) §1. Die „Israelitische Religionsgesellschaft", hervorgegangen aus dem Verein Schomreh Schabbos, steht auf dem Boden des jüdischen Religionsgesetzes, wie es in der Thora (heiligen Schrift), gemäss Schulchan Aruch enthalten ist. Dieses Religionsgesetz ist für sie die höchste Autorität; als Massnahme und Beschlüsse der Religionsgesellschaft haben nur Geltung, wenn sie diesem Religionsgesetz nicht widersprechen.

§2. Zweck der Israelitischen Religionsgesellschaft ist: die Aufgaben der jüdischen Kehillah (Religionsgemeinde) zu lösen.

§3. Die Mitgliedschaft wird durch Aufnahme seitens der Verwaltung erworben. Die Bewerbung um Aufnahme ist schriftlich an den Vorstand zu richten und von diesem schriftlich zu beantworten. Aufnahmegesuche können ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Ein neuer Antrag um Aufnahme kann vor Ablauf eines Jahres nicht gestellt werden.

§4. Von der Mitgliedschaft ausgeschlossen ist: a) Wer prinzipiell nicht nach den Gesetzen der Thora lebt (Mumor l'hachis). b) Ein jeder, an welchem, dem Religionsgesetz entgegen, die Beschneidung nicht vollzogen ist, oder der sich weigert, seinen Sohn beschneiden zu lassen. c) Wer in religionsgesetzlich verbotener Ehe lebt oder sich nicht in der religionsgesetzlich vorgeschriebenen Weise trauen lässt.

§5. a) Jedes Mitglied hat für sich, seine Frau und seine minderjährigen Kinder das Recht, die Einrichtungen der Religionsgesellschaft je nach den für solche geltenden Bestimmungen unentgeltlich oder gegen Entgelt zu benützen, und hat Anspruch auf die Ehrenrechte in der Synagoge nach Massgabe der Synagogenordnung. b) Die volljährigen männlichen Mitglieder sind berechtigt zur Teilnahme an den Mitgliederversammlungen, Abstimmungen und Wahlhandlungen. c) Die passive Mitgliedschaft berechtigt ausschliesslich zur Benützung sämtlicher religiöser Institutionen der Gemeinde.

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§6. Die Leistungen der Mitglieder an die Religionsgesellschaft werden von der Vorstandschaft festgesetzt. Gegen diese Entscheidung steht den Mitgliedern ein Berufungsrecht an die zu diesem Zweck von der Mitgliederversammlung gewählte dreigliedrige Berufungskommission zu. Zu dieser Kommission sind zwei Mitglieder der Verwaltung hinzuzuziehen. Die Entscheidung der Berufungskommission ist endgültig. §7. Jedes Mitglied muss mindestens ein Rechnungsjahr lang Beiträge zahlen. Die Beiträge sind vierteljährlich vorauszuzahlen. Das eintretende Mitglied zahlt den laufenden Vierteljahresbeitrag ganz. §8. Der Austritt aus dem Verein muss schriftlich angemeldet werden und wird erst das nächste Vierteljahr wirksam. Der Austretende verliert dem Verein gegenüber alle Ansprüche. §9. Der Ausschluss eines Mitgliedes kann auf Grund schwerwiegender Tatsachen oder beharrlicher Leistungsverweigerung vom Vorstand beschlossen werden; dem Ausgeschlossenen steht das Recht zu, die Generalversammlung anzurufen. In den im § 4 vorgesehenen Fällen erlischt die Mitgliedschaft von selbst.

§10. Der Vorstand besteht aus fünf Mitgliedern. Aufgabe des Vorstandes ist es, für die Ausführung der im § 2 angegebenen Aufgaben Sorge zu tragen; er vertritt die Religi onsgesellschaft vor Behörden und in allen Angelegenheiten. Im Namen der Vorstandschaft handeln und zeichnen der Präsident (bei dessen Verhinderung der Vizepräsident) und Sekretär; im Verhinderungsfalle des Sekretärs der eine von ihnen und der Kassier. Der Vorstand besteht aus Präsident, Vizepräsident, Sekretär, Kassier und einem Beisitzer. Die Revision der Bücher wird alljährlich von zwei vom Verein gewählten Mitgliedern ausgeübt.

§11. In den Vorstand sind nur männliche Mitglieder der Religionsgesellschaft wählbar, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und bürgerlich unbescholten sind.

§12. In den Vorstand ist nicht wählbar, wer durch seine Handlungen oder durch öffentliche Schrift die Grundprinzipien des Judentums leugnet.

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§13. Dem Vorstand können nicht gleichzeitig Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und Schwäger angehören.

§14. Auf Antrag zweier Vorstandsmitglieder hat der Vorsitzende, im Verhinderungsfälle dessen Stellvertreter, binnen 8 Tagen eine Vorstandssitzung einzuberufen.

§15. Der Kassier legt nach Schluss eines jeden Verwaltungsjahres (Kalenderjahres) Rechnung ab, welche von den Revisoren zu prüfen ist und alsdann 8 Tage lang für die Mitglieder des Vereins zur Einsicht aufgelegt wird.

§ 16. Mitgliederversammlung a) Jedes Jahr muss eine ordentliche Mitgliederversammlung von der Vorstandschaft einberufen werden. b) Die Vorstandschaft k a η η aus besonderen Anlässen eine ausserordentliche Mitgliederversammlung einberufen und muss sie innerhalb 6 Wochen einberufen, wenn ein Drittel der Mitglieder unter Angabe des Zweckes und der Gründe schriftlich eine solche beim Vorstand beantragen. Zur Mitgliederversammlung haben nur Mitglieder der Religionsgesellschaft Zutritt.

§17. Die Mitgliederversammlung beschliesst mit einfacher Mehrheit, wenn wenigstens ein Drittel der Mitglieder anwesend sind. Im Falle die Versammlung nicht beschlussfähig ist, muss innerhalb 14 Tagen eine neue Generalversammlung einberufen werden, die in jedem Falle beschlussfähig ist.

§18. Die Protokolle der Mitgliederversammlungen sind fortlaufend in das Protokollbuch einzutragen und innerhalb 10 Tagen nach der Mitgliederversammlung vom Vorsitzenden und Schriftführer sowie den Vorstandmitgliedern, die bei der Versammlung anwesend waren, zu unterzeichnen. Ebenso sind die Protokolle der Vorstandssitzungen in ein Protokollbuch einzutragen.

§19. Anträge seitens der Mitglieder, über welche in einer Mitgliederversammlung beraten und beschlossen werden soll, müssen von mindestens 5 derselben vier Tage vor dem für die Mitglie-

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derversammlung festgesetzten Zeitpunkt dem Vorstand schriftlich eingereicht werden. Anträge, welche nicht gemäss § 23 rechtzeitig als Gegenstand der Tagesordnung bekanntgegeben sind und nicht etwa bloss die Leitung der Versammlung oder die Berufung einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung betreffen, können nicht behandelt oder zum Beschluss erhoben werden, es sei denn, dass ihnen die Versammlung durch Abstimmung Dringlichkeit zuerkennt.

§ 20. Wahl des Vorstandes. Die Wahl ist eine geheime und erfolgt in einer ordentlichen Mitgliederversammlung mittels Stimmzettel durch absolute Majorität. Wenn in der ersten Abstimmung die absolute Mehrheit für einen Kandidaten nicht erreicht wird, dann findet Stichwahl statt zwischen den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen erreicht haben. Unbeschriebene Zettel gelten als nicht abgegeben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Die Wahlen können auch per Akklamation erfolgen, falls kein Gegenkandidat aufgestellt ist und sich ein Widerspruch dagegen nicht erhebt. Sollten zwei Mitglieder aus der Vorstandschaft ausscheiden, so ist innerhalb drei Monaten eine Mitgliederversammlung einzuberufen, welche die Ersatzwahl vorzunehmen hat. Beanstandungen einer Wahl auf Grund des § 12 sind an die Vorstandschaft schriftlich zu richten und von dieser innerhalb 14 Tagen zu verabschieden und an den Beschwerdeführer zu beantworten.

§21. Nach je drei Jahren erfolgt eine Neuwahl in den ersten drei Monaten des Kalendeijahres für sämtliche Ehrenämter. Wiederwahl ist statthaft.

§ 22. Vermögen der Religionsgesellschaft Das Vermögen untersteht der Verwaltung des Gesamtvorstandes. Dasselbe besteht: a) in Mobilien und Immobilien; b) in Barvermögen und Stiftungen (rendierenden und Barvermögen); c) in jährlichen Beiträgen; d) in den anfallenden Spenden und sonstigen zufälligen Einkünften.

§ 22 b. Für die Verbindlichkeit des Vereins haftet nur das Vereinsvermögen; persönliche Haftung der einzelnen Mitglieder ist ausgeschlossen.

§23. Bekanntmachungen, die den Verein betreffen, werden im Vorraum des Betsaals angeheftet. Daselbst wird zur Mitgliederversammlung mindestens 10 Tage vorher unter Angabe der Zeit,

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des Orts und der Tagesordnung eingeladen. Der Vorstand kann die Mitglieder schriftlich einladen. Gehen binnen 6 Tagen nach Anheftung des ersten Anschlages, worin zur Versammlung eingeladen wird, weitere Anträge für dieselbe ein, so muss sofort ein zweiter Anschlag erfolgen, worin solche mit aufgeführt sind. §24. Satzungs-Aenderungen können nur unter folgenden Bedingungen stattfinden: a) Der Antrag auf Satzungsänderung kann nur vom Vorstand oder einem Drittel aller stimmberechtigten Mitgliedern gestellt werden. b) Der Antrag auf Satzungsänderung muss einer Generalversammlung unterbreitet werden, die gemäss §§ 16 und 23 unter Angabe der Tagesordnung einzuberufen ist. Sie ist beschlussfähig, wenn 2/3 sämtlicher stimmberechtigter Mitglieder anwesend sind und entscheidet durch einfache Mehrheit. c) Ist die zuerst einberufene Mitgliederversammlung nicht beschlussfähig, dann muss innerhalb 30 Tagen eine zweite Mitgliederversammlung einberufen werden, die mit Zweidrittelmehrheit der Anwesenden entscheidet. Jedoch muss diese Majorität mindestens ein Drittel sämtlicher stimmberechtigten Mitglieder des Vereins darstellen. §25. Unabänderlich sind §§ 1, 2,4,11, 12 und 26, sowie dieser Paragraph.

§26. Wenn die Religionsgesellschaft sich auflösen soll, muss eine Mitglieder-Versammlung den betreffenden Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Drittel der Mitglieder fassen; solange jedoch noch 10 orthodoxe Mitglieder einer Auflösung der Religionsgesellschaft widerstreben, kann solche überhaupt nicht erfolgen. Bei eventueller Auflösung muss dann nach Beobachtung der Bestimmungen des Obligationenrechts über das Vermögen der Religionsgesellschaft verfügt werden, welches einem anderen jüdisch-orthodoxen gottesdienstlichen Verein oder einer jüdischen wohltätigen Stiftung in der Schweiz zuzuweisen oder unter zwei derartige Institutionen zu teilen ist. Im Zweifel entscheidet das vorangedeutete Gesetz. Die betreffenden Institutionen müssen auf dem Boden des in § 1 angedeuteten Religionsgesetzes stehen. §27. Die Kommissionen für Synagoge, Mikwoh, Kaschrus, Finanzen etc. werden vom Vorstand ernannt. So beschlossen in der Generalversammlung des Vereins „Schomreh Schabbos" vom 18. Dezember 1927 Erew Chanukah 5688.

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Rechtsquellen

Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel vom 1. Januar 1975, Stand am 1. Januar 1998, herausgegeben von der Israelitischen Gemeinde Basel (zit.: Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel). Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel vom 4. Dezember 1968, herausgegeben von der Israelitischen Gemeinde Basel (zit.: Statuten der Israelitischen Gemeinde Basel, 1968). Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel (vormals Schomreh Schabbos-Verein) vom 18. Dezember 1927 (Erew Chanukah 5688); Neudruck Dezember 1932 (Kislew 5693) (zit.: Statuten der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel). Subventionsgesetz des Kantons Basel-Stadt vom 18. Oktober 1984, SG 610.500 (zit.: Subventionsgesetz). Synagogen-Reglement der Israelitischen Gemeinde Basel vom 19. Februar 1969 (zit.: Synagogen-Reglement). Vereinbarung zwischen der Israelitischen Gemeinde Basel und der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel über die Bestattung von Mitgliedern der Israelitischen Religionsgesellschaft auf dem Friedhof der Israelitischen Gemeinde Basel vom 19./20. April 1977. Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 2. Dezember 1889, SG 111.000 (zit.: Kantonsverfassung). Verfassungsentwurf für den Kanton Basel, Erste Lesung; den Mitgliedern des Verfassungsrates zugestellt am 24. Juli 1964, Verfassungsrat Nr. 31. Veröffentlichung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, in Bern vom 18. Dezember 1998 (zit.: Bundesamt fir Justiz , Was bringt die Bundesverfassung?).

Bundesamt für Justiz

Veröffentlichung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bundesamt für Justiz in Bern vom März 1999 (zit.: Bundesamt für Justiz, Die Bundesverfassung: Kritik und Gegenargumente). Vertrag zwischen der Israelitischen Gemeinde Basel und der Israelitischen Religionsgesellschaft Basel über die Friedhofsnutzung vom 19. / 20. April 1977. Was bringt die Bundesverfassung?

arverzeichnis Amerikanische Besatzungszone - Nordbaden 65 Anhang 319 ff. Antisemitische Maßnahmen - Baden 54 Auflösungsbestimmungen - Badische Gemeindesatzungen 196 - Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 162 - Israelitische Religionsgemeinschaft Basel 282 Basel - dritte jüdische Gemeinde 73 - erste jüdische Gemeinde 69 - gemeindelose Zeit 72 - Israelitische Religionsgemeinschaften 69 - zweite jüdische Gemeinde 71 Ehrenvorsitzender - Baden 183 Emanzipation 74 Finanzielle Förderung - Basel 122 - Deutschland 124 Finanzplanung - Baden 192 Französische Besatzungszone - Südbaden 60 Friedhöfe, Baden - Neuanlage 311 - Pflege verwaister 309 Friedhof, Basel 235 Gemeindeabgaben - Baden 190 Gemeindebeirat, Baden - Amtszeit 183 - Aufgaben 185

- Verhältnis Vorstand 185 - Wahl 183 - Zusammensetzung 183 Gemeinden, Baden 134 - Aufgaben 172 - Einzugsbereich 165 - Gemeindeversammlung 174 - intemer Rechtsschutz 189 - Mitgliedschaft, Beendigung 168 - Mitgliedschaft, Begründung 165 - Neugründungen 148 - Organe 173 - privatrechtliche 138 - Rechtsstellung gg. IRG 146 - Schiedsgerichtsbarkeit 189 - Verpflichtungen gg. IRG 147 - Wahlen 186 - Wahlen zum Oberrat 171 - Zweck 172 Gemeindesatzungen - Baden, Genehmigung Kultusministerium 197 - Baden, In-Kraft-Treten 197 Gemeindeversammlung, Baden - Aufgaben 175 - außerordentliche 179 - Befugnisse 175 - Beschlussfähigkeit 177 - Definition 174 - Einberufung 174 - Leitung 177 - Protokoll 178 Gemeindevertretung, Baden - Amtszeit 183 - Aufgaben 185 - Verhältnis Vorstand 185 - Wahl 183 - Zusammensetzung 183 Gemeindevorstand, Baden

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arverzeichnis

- Amtszeit 180 - Aufgaben 182 - Befugnisse 182 - Ehrenvorsitzender 183 - Vorstandsmitglieder 180 - Wahl 180 - Zusammensetzung 180 Gleichberechtigung 50 Gleichordnung - Staat-Kirche 84 Innergemeindlicher Rechtsschutz - Baden 189 Israelitische Gemeinde Basel (IGB) - Alterswohnungen 245 - Amtszeit 218 - Angestellte 247 - Ausschluss 212 - Austritt 211 - Beamte 247 - Beamtenbesoldung 253 - Bibliothek 244 - Bildungseinrichtungen 242 - Brautausstattungsfond 245 - Doppelmitgliedschaft 209 - Einsprachen bei Wahlen 256 - Einsprachen gg. Friedhofstaxen 258 - Einsprachen gg. Steuerrechnungen 257 - Erklärung Nichtzugehörigkeit 211 - Finanzwesen 233 - Friedhof 235 - Fürsorge 244 - Gemeindeinstitutionen 235 - Gemeindekommissionen 228 - Gemeindesteuern 233 - Gemeindeversammlung, außerordentliche 223 - Gemeindeversammlung, ordentliche 221 - Gemeindevorstand 225 - InkompatibilitäsVorschriften 214 - Kindergarten 243 - Lehrhaus „Schomre Tora" 244 - Leihkasse 245 - Mietzinsen 236 - Mitgliedschaft auswärtiger Juden 210 - Mitgliedschaft, Beendigung 211 - Mitgliedschaft, Begründung 205 - Mitgliedschaft Frauen 206

-

Mitgliedschaft, Minderjährige 206 Neubesetzungen nach Rücktritt 220 Organe 221 Primarschule, jüdische Privatschule 243 Rabbinat 239 Religionsschule 242 Rituelle Institutionen 245 Rituelles Bad 235, 246 Rücktritt 220 Schiedsgericht 253 Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund 232 - Soziale Institutionen 244 - Sozialhilfe 244 - Spenden, Legate, Schenkungen 236 - Suspendierung in Rechten 256 - Synagoge 235, 237 - Wahl zu Ämtern 218 - Wahlberechtigung 214 - Wahlen 213 - Wahlprozedere 219 - Zugehörigkeit 205 Israelitische Religionsgemeinschaft Badens (IRG) - Auflösungsbestimmungen 162 - Austritt 152 - Finanzierung 159 - historische Entwicklung 34 - In-Kraft-Treten neue Satzung 162 - internes Recht 145 - Landesrabbinat 159 - Mitgliedschaft 150 - Oberrat 154 - Organe 154 - rechtliche Entwicklung 34 - rechtliches Selbstverständnis 145 - Satzung von 1999 68 - Satzungsänderung 160 - Schiedsgerichtsbarkeit 159 - Vermögen 160 - Vorstand 157 - Zweck 153 Israelitische Religionsgesellschaft Basel (IRB) - Amtszeit 274 - Auflösung des Vereins 282 - Ausschluss 269 - Austritt 264

Sachwortverzeichnis -

Finanzwesen 280 Gemeinde-Institutionen 280 Gemeindekommissionen 279 Gemeindeversammlung, außerordentliche 276 Gemeindeversammlung, ordentliche 274 Gründung 76 Inkompatibilitätsvorschriften 273 Mikwoh 282 Mitgliedschaft, aktiv/passiv 261 Mitgliedschaft, Beendigung 264 Mitgliedschaft, Begründung 258 Mitgliedschaft von Frauen 261 Organe 274 Primär- und Mittelschule 282 Rabbinat 281 rechtliche Stellung 140, 144 Religionsschule 282 Statutenänderung 282 Synagoge 280 Verhältnis zur IGB 283 Vermögen 280 Vorstand, Amtszeit 277 Vorstand, Befugnisse 279 Vorstand, Wahl 277 Vorstand, Zusammensetzung 277 Wahlberechtigung 273 Wahlen 273 Zugehörigkeit 258

Kirchensteuern - Erhebung durch IRG 146 Konstitutionsedikt von 1809 34 - Auswirkungen auf das jüdische Leben 44 - weitere Entwicklungen 46 Koordinationstheorie 84 Körperschaftsstatus - Herkunft, Baden 126,136 - Bestätigung vom 20. Juli 1953 130 - durch „Anerkennung" 133 Korrelatentheorie 84 Koscher-Verpflegung - Basel 245 Kultusministerium - „Anerkennungen" 135 Kultussubventionsverbot 122 Landesrabbinat - Baden 159 27 Nolte

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Mitgliederversammlung, Baden - Aufgaben 175 - außerordentliche 179 - Befugnisse 175 - Beschlussfähigkeit 177 - Definition 174 - Einberufung 174 - Leitung 177 - Protokoll 178 Nachkriegszeit 1945-1953 60 Nationalsozialismus 50 Neutralitätsverständnis 87 Numerus clausus 107 - verfassungsrechtliche Bedenken 108 Oberrat, Baden - Amtszeit 154 - Wahl 154 - Wahlen zum Oberrat 171 - Zusammensetzung 154 Öffentlich-rechtlicher Körperschaftsstatus - Verleihung/Basel 109 Ostjudenmigration - Basel 76 Rabbinat, Baden 159 Rabbinat, Basel - Aufgaben 242 - Wahl 240 Rechnungsjahr, Baden 192 Rechnungsprüfung, Baden 192 Rechtsquellen - Baden 407 ff. - Basel 412 ff. Res Mixtae, Baden - Friedhofswesen 309, 312 - Hochschule Heidelberg 307 - Religionsunterricht 307 Res Mixtae, Basel - Friedhofswesen 235 - Religionsunterricht 307, 311 Restauration 74 Satzungsänderung - Badische Gemeindesatzungen 193 - Israelitische Religionsgemeinschaft Badens 160

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arverzeichnis

- Israelitische Religionsgemeinschaft Basel

282 Schiedsgericht, Basel - Verfahren 254 - Wahl 253 - Zusammensetzung 253 - Zuständigkeit 254 Schiedsgerichtsbarkeit - Baden 189 - Basel 253 - Zentralrat 199 Schiedsgerichtsbarkeit, religionsgemeinschaftliche - Anwendung 10. Buch ZPO 289 - BGH-Entscheidung 299 - Durchbruch für Rechtsschutz 301 - Inhaltskontrolle, staatliche 289 - öffentlich-rechtliche Satzung 287 - OLG-Naumburg 299 - Rechtsvergleich 302 - und staatliche Gerichtsbarkeit 286 - Vollstreckung gem. § 169 VwGO analog 294 - Vollstreckung nach Vollstreckbarerklärung 298 - Vollstreckung, unmittelbare 291 Schiedsgerichtsbarkeit, Zentralrat - Besetzung 201 - Errichtungskompetenz 199

- Geschäfts Verteilung 201 - Kosten 204 - Rechtsgrundlagen 199 - Verfahrensordnung 202 - Zuständigkeit 199 Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund - Delegation 232 Selbstbestimmungsrecht, religionsgemeinschaftliches - Basel 113 - Rechtsvergleich 120 Staat-Kirche-Verhältnis - Deutschland 84 - geschichtliche Unterschiede 101 - verfassungsrechtliche Ausgangssituation 103 Staatsaufsicht - Basel 113 Staatskirchenrechtliche Grundlagen - Deutschland/Baden 81 - Schweiz/Basel 99 Vereinigungsvertrag von 1953 66 Verfolgungsmaßnahmen - Baden 59 Zionismus 76 Zweiter Weltkrieg 59