Internationale Streitbeilegung im Kontext gemischter Verträge der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten [1 ed.] 9783428516810, 9783428116812

Fallen Regelungsmaterien eines völkerrechtlichen Abkommens sowohl in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Gemeinsc

113 101 29MB

German Pages 206 [207] Year 2005

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Internationale Streitbeilegung im Kontext gemischter Verträge der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten [1 ed.]
 9783428516810, 9783428116812

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RAPHAEL OEN Internationale Streitbeilegung im Kontext gemischter Verträge der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten

Rechtsfragen der G l o b a l i s i e r u n g Herausgegeben von Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, Erlangen-Nürnberg Band 9

Internationale Streitbeilegung im Kontext gemischter Verträge der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten Von

Raphael Oen

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-0890 ISBN 3-428-11681-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern in Dankbarkeit

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2004 von der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Sie befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von März 2004, später erschienene Rechtsprechung und Literatur konnten teilweise noch berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Helmut Lecheler, für die intensive Betreuung der Dissertation und die vielfältige Förderung, die ich während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl erfahren habe. Danken möchte ich auch Frau Prof. Dr. Beate Rudolf für wichtige Hinweise und Anregungen im Rahmen des Zweitgutachtens. Der Konrad-Adenauer-Stiftung danke ich für die ideelle und finanzielle Förderung während meines Studiums und der Promotionszeit. Schließlich gilt mein Dank dem Herausgeber, Herrn Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Berlin, im November 2004

Raphael Oen

Inhaltsverzeichnis

Einführung

15

1. Kapitel Die praktische Bedeutung gemischter Abkommen und ihre rechtliche Begründung A. Typisierung gemischter Verträge I. Bilaterale gemischte Abkommen II. Multilaterale gemischte Abkommen

19 19 21 22

1. Das WTO-Übereinkommen

22

2. Das Seerechtsübereinkommen

24

3. Der Energiecharta-Vertrag

26

4. Umweltschutzabkommen

27

5. Die FAO-Verfassung

28

III. Zwischenergebnis

29

B. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

29

I. Gründe außerhalb der Gemeinschaftsgruppe

30

II. Gründe innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

32

1. Die generell begrenzte Vertragsschlusskompetenz der Gemeinschaft

32

2. Das Verhältnis bestehender Gemeinschaftskompetenzen zu Kompetenzen der Mitgliedstaaten

33

a) „Konkurrenzmodelle"

33

b) EuGH-Rechtsprechung zu ausschließlichen Kompetenzen

34

c) Schlussfolgerungen

36

3. Die Bestrebungen der Mitgliedstaaten

37

6

nsverzeichnis 4. Ausgewählte Beispiele

40

a) WTO-Übereinkommen

40

b) Assoziationsabkommen

43

c) Umweltschutzabkommen

45

d) Open Skies-Abkommen

46

C. Ergebnis des ersten Kapitels

48

2. Kapitel Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit bei gemischten Abkommen A. Regelungen zur Frage der Bindungswirkung in gemischten Abkommen

50 52

I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln

52

II. Gemischte Abkommen mit allgemeinen Kompetenzklauseln

54

III. Gemischte Abkommen ohne Kompetenzklauseln B. Gründe für die uneinheitliche Regelungspraxis I. Die Ausgangslage: Die Interessen der Gemeinschaftsgruppe

55 56 56

II. Zustandekommen von gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln

57

III. Zustandekommen von gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln

58

IV. Zwischenergebnis

60

C. Ein Überblick über den Meinungsstand zur Bindungswirkungsproblematik ...

60

I. „Die klassische Konstellation": Fragen der völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten an Bestimmungen gemischter Abkommen im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien

61

1. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln

61

2. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln

63

a) Uneingeschränkte Bindungswirkung

63

b) Eingeschränkte Β indungsWirkung

64

nsverzeichnis c) Die Rechtsprechung des EuGH

66

aa) Das Urteil Demirel

66

bb) Das Urteil Parlament/Rat-Lomé

67

cc) Das Urteil Hermès

68

dd) Das Gutachten 2/00 zum Protokoll von Cartagena

70

II. „Neuartige Konstellation": Fragen der ΒindungsWirkung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe D. Ergebnis des zweiten Kapitels

70 73

3. Kapitel Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen A. Streitigkeiten der Gemeinschaftsgruppe mit dritten Vertragsparteien I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln

75 76 76

1. Das System der SRÜ-Streitbeilegung

77

2. Bisher aufgetretene Streitfälle im Rahmen des SRÜ

78

a) Der Schwertfisch-Fall

78

b) Die Rechtssachen Camouco und Monte Confurco

80

3. Prozessuale Regelungen des SRÜ

81

4. Zusammenfassung

82

II. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln

82

1. Das WTO-Streitbeilegungssystem

83

2. Bisher im Rahmen der WTO aufgetretene Streitfälle

84

a) Fallkonstellationen, in denen die interne Kompetenzverteilung beachtet wurde

85

aa) Beispiele aus dem Bereich des GATT-Abkommens

85

bb) Beispiele aus dem Bereich der TRIPS- und GATS-Abkommen

87

b) Hinsichtlich der Β indungs Wirkungsfrage problematische Konstellationen

88

aa) Beispiele aus dem Bereich des GATT-Abkommens

88

bb) Beispiele aus dem Bereich der GATS- und TRIPS-Abkommen

92

c) Zusammenfassung

95

8

nsverzeichnis 3. Die Mitteilung der Gemeinschaft zur Streitschlichtung beim EnergiechartaVertrag 4. Zwischenergebnis

96 100

B. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln 1. Der MOX Plant-Fall im Rahmen der Seerechtskonvention

101 102 102

a) Das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem ISGH

102

b) Das Hauptsacheverfahren vor einem SRÜ-Schiedsgericht

104

aa) Das Vorbringen Irlands

104

bb) Das Vorbringen Großbritanniens

106

cc) Der Beschluss des Schiedsgerichts

108

2. Zusammenfassung

109

II. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklausel

111

1. Der MOX Plant-Fall vor einem OSPAR-Schiedsgericht

111

2. Die Entscheidung des Schiedsgerichts

112

3. Fazit

113

C. Ergebnis des 3. Kapitels

114

4. Kapitel Streitschlichtung bei gemischten Abkommen - abschließende Bewertung aufgeworfener Rechtsprobleme A. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenverhältnis gegenüber dritten Vertragsparteien I. Gemischte Abkommen ohne Kompetenzklauseln 1. Zur Frage der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit

117

117 120 120

a) Die dritten Vertragsparteien und das Bedürfnis nach Rechtssicherheit

120

b) Absicherung des Entscheidungsmonopols des EuGH

121

c) Die Unvereinbarkeit der Annnahme eingeschränkter Bindungswirkung mit dem Regime der Gegenmaßnahmen bei gemischten Abkommen

125

aa) Gegenmaßnahmen und gemischte Abkommen

125

bb) Auswirkungen der Annahme eingeschränkter Bindungswirkung d) Schlussfolgerungen

126 128

nsverzeichnis 2. Zur Frage der Anwendung von Verfahrensregeln

129

a) Der innergemeinschaftlich geteilte Status gemischter Abkommen

131

b) Die Möglichkeit der cross-retaliation als Gegenargument?

134

3. Zwischenergebnis

136

II. Gemischte Abkommen mit allgemeinen Kompetenzklauseln

137

III. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln

138

1. Zur Frage der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit

138

a) Die bisherige Praxis der Kompetenzerklärungen

139

b) Interne Klärung der ZuständigkeitsVerteilung durch den EuGH

141

aa) Das Gutachten verfahren nach Art. 300 V I EG

141

bb) Die Nichtigkeitsklage nach Art. 2301 EG

143

(1) Die Rechtssache Kommission / Rat-nukleare Sicherheit als praktisches Anschauungsbeispiel 143 (2) Zur Zulässigkeit der Kommissionsklage

145

(3) Zur Begründetheit der Kommissionsklage

146

(4) Schlussfolgerungen

148

2. Zur Beachtung von Verfahrensregeln IV. Zwischenergebnis

149 152

B. Die Gemeinschaftsgruppe im Innenverhältnis - Streitschlichtung zwischen EGMitgliedstaaten 152 I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln

153

1. Zur Frage der völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten untereinander .

153

2. Zu den Konsequenzen für die Durchführung von Streitschlichtungsverfahren

154

a) Spezielle Bestimmungen in gemischten Abkommen: Die Regelung des Art. 282 SRÜ

155

aa) Unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten des Art. 282 SRÜ ...

156

bb) Stellungnahme

156

b) Prozessuale Hindemisse bei mitgliedstaatlichen Streitigkeiten nach allgemeinem Völkerrecht? 160 aa) Beeinträchtigung der Gemeinschaftsrechtsordnung?

160

bb) Kollisionsregeln im allgemeinen Völkerrecht?

162

nsverzeichnis

10

3. Ansätze zur Vermeidung divergierender Entscheidungen von internationalem Gericht und EuGH 166 a) Konfliktvermeidung aus der Perspektive des EuGH

166

b) Konfliktvermeidung aus der Perspektive des internationalen Gerichts ...

168

4. Zwischenergebnis

170

II. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln

170

1. Zur Problematik der völkerrechtlichen Bindungswirkung und zu den Konsequenzen für die Durchführung von Streitbeilegungsverfahren 170 2. Bewertung der Entscheidung des OSPAR-Schiedsgerichts im MOX PlantFall 174 C. Ergebnis des 4. Kapitels

177

5. Kapitel Zusammenfassung

179

Literaturverzeichnis

182

Stichwortverzeichnis

201

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

AB

WTO-Appellate Body

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

AETR

Accord européen sur les transports routiers

AJIL

American Journal of International Law

AKP-Staaten

afrikanische, karibische und pazifische Staaten

Anm.

Anmerkung

Art., Artt.

Artikel, Artikel (Plural)

AVR

Archiv des Volkerrechts

Aufl.

Auflage

BayVBl.

Bayrische Verwaltungsblätter

Bd.

Band

bspw.

beispielsweise

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

bzw.

beziehungsweise

CDE

Cahiers de droit européen

CE

Communauté européenne

CMLRev.

Common Market Law Review

CONV

Dokumente des Europäischen Verfassungskonvents

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe/n

Diss.

Dissertation

DSB

WTO-Dispute Settlement Body

DSU

WTO-Dispute Settlement Understanding

EA (früher EAGV)

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft

EAG

Europäische Atomgemeinschaft

EFARev.

European Foreign Affairs Review

EFTA

European Free Trade Association

EG

Europäische Gemeinschaft

EG (früher EGV)

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJIL

European Journal of International Law

ELRev.

European Law Review

Abkürzungsverzeichnis

12 EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Grundfreiheiten und Menschenrechte

EnCV

Energiecharta-Vertrag

EU

Europäische Union

EU (früher EUV)

Vertrag über die Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuR

Europarecht

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EWS

Europäisches Wirtschaftsrecht

FAO

Food and Agriculture Organization

Fn.

Fußnote

f. / ff.

folgende / fort folgende

GA

General Assembly of the United Nations

GA

Generalanwalt

GASP

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

GATS

General Agreement on Trade in Services

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GRURInt.

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International

h.M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

ICJ

International Court of Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

ICSID

International Center for the Settlement of Investment Disputes be-

i.d.R.

in der Regel

IGH

Internationaler Gerichtshof

tween States and Nationals of other States

ILC

International Law Commission

ILM

International Legal Materials

IJMCL

International Journal of Marine and Coastal Law

IPRax

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

ISGH

Internationaler Seegerichtshof

i.S.v.

im Sinne von

ITLOS

International Tribunal for the Law of the Sea

i.V.m.

in Verbindung mit

JENRL

Journal for Energy and Natural Resources Law

JIEL

Journal of International Economic Law

JuS

Juristische Schulung

JWT

Journal of World Trade

JZ

Juristen Zeitung

Abkürzungsverzeichnis KOM

Kommission der EG

LAN

Local Area Network

LeidenJIL

Leiden Journal of International Law

LIEI

Legal Issues of European Integration

MOE-Staaten

mittel- und osteuropäische Staaten

MPUNYB

Max Planck Yearbook on United Nations Law

m.w.Nw.

mit weiteren Nachweisen

NJIL

Nordic Journal of International Law

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

No.

Number

Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

ODIL

Ocean Development and International Law

OSPAR

Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantik

PCA

Permanent Court of Arbitration

RdE RECIEL

Recht der Energiewirtschaft Review of European Community and International Environmental Law

Rep.

Reports

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

RMCUE

Revue du Marché commun et de l'Union européenne

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

RTDE

Revue Trimestrielle de Droit Européen

s.

siehe

SBT

Southern Bluefin Tuna

SCM

Subsidizes and Countervailing Measures

Slg.

Sammlung

s. o. / s. u.

siehe oben / unten

SRÜ

Seerechtsübereinkommen

st.

ständige

TBT

Technical Barriers to Trade

TRIPS

Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights

u. a.

unter anderem

UAbs.

Unterabsatz

UNCLOS

United Nations Convention on the Law of the Sea

USA

United States of America

v.

von

vgl.

vergleiche

VN

Vereinte Nationen

VO

Verordnung

2 Oen

14

Abkürzungsverzeichnis

Vol.

Volume

WTO

World Trade Organisation

WVK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten

WVKIO

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen Yearbook of European Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für öffentliches Recht zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht

YEL ZaöRV z.B. ZEuS ZöR z.T. ZUR

Einführung Das Phänomen gemischter Verträge begleitet die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten nahezu von Beginn des Integrationsprozesses an. Die praktische Bedeutung dieser Übereinkommen hat allerdings gerade in den letzten Jahren zugenommen. So wurden in den 1990er Jahren mehr gemischte Abkommen ratifiziert als in vergleichbaren Zeiträumen zuvor. 1 Ein Rückgang dieser Entwicklung ist dabei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. 2 Die Gründe für die Entstehung gemischter Verträge lassen sich in Kürze dahingehend zusammenfassen, dass Regelungsmaterien völkerrechtlicher Abkommen häufig sowohl in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft als auch in denjenigen der Mitgliedstaaten fallen. Die sich auf diese Weise ergebende innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung führt dazu, dass die Gemeinschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten als einheitliche Vertragspartei dritten Völkerrechtssubjekten gegenübertritt. 3 Der gemeinsame Vertragsschluss hat vielfältige Auswirkungen auf gemeinschaftsinterner und auf völkerrechtlicher Ebene. Die vorliegende Untersuchung setzt sich zum Ziel, insbesondere letztere im Zusammenhang mit der internationalen Streitbeilegung eingehender zu beleuchten. Es geht dabei im Kern um die Frage, wie sich Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in die im Rahmen gemischter Abkommen vorgesehenen Verfahren friedlicher Streitbeilegung einordnen. Ausgangspunkt bildet insofern die Feststellung, dass „die Durchführung von Schiedsgerichtsverfahren ... in gemischten Verträgen besondere rechtliche Gestaltungsprobleme auf[wirft]". 4 Problematisch ist, dass die „Gemeinschaftsgruppe" 5 zwar formal nach außen als einheitliche Vertragspartei in Erscheinung tritt, die EG und ihre Mitgliedstaaten jedoch voneinander getrennte, eigenständig handelnde Subjekte des Völkerrechts bleiben. Aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts nehmen sie dabei nur im Rahmen der durch den EG-Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen oder bei den Mitgliedstaaten verbliebenen Kompetenzen am ge1

Vgl. die Zusammenstellung gemischter Abkommen (bis einschließlich 31. 12. 2000) bei Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 252 ff. Eine Darstellung der bis in die Mitte der 1980er Jahre geschlossenen gemischten Verträge findet sich auch bei Stein, Der gemischte Vertrag, 220 ff. und Feenstra, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 207 ff. 2 s. hierzu Pitschas, EuZW 2003, 92, 93. 3 Vgl. Gilsdorf, EuR 1996, 145, 160; Garzón Clariana, in: Bourgeois/Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 15; Stein, Der gemischte Vertrag, 59. 4 Hilf, in: Festschrift Mosler, 387,423. 5

2*

Der Begriff geht zurück auf Stein, Der gemischte Vertrag, 61.

16

Einführung

mischten Abkommen teil. Daher stellt sich die Frage, ob diese innergemeinschaftliche Vorgabe auch völkerrechtlich wirkt und Einfluss auf die völkerrechtliche Bindung nimmt, oder ob Gemeinschaft und beteiligte Mitgliedstaaten - unabhängig von der internen Kompetenz Verteilung - auf völkerrechtlicher Ebene jeweils uneingeschränkt an sämtliche Bestimmungen eines gemischten Abkommens gebunden sind. Die Frage der Bindungswirkung ist für die Einordnung der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in Streitschlichtungsverfahren deswegen bedeutsam, da hiervon im Grundsatz abhängt, wer innerhalb der Gemeinschaftsgruppe als Kläger oder als Beklagter gegenüber einer dritten Vertragspartei aufzutreten hat. Grundsätzlich kann nämlich davon ausgegangen werden, dass nur derjenige Rechte aus einem völkerrechtlichen Vertrag geltend machen bzw. nur derjenige wegen Verletzung der Bestimmungen völkerrechtlicher Abkommen mit Erfolg verklagt werden kann, der an die in Streit stehende Bestimmung auch völkerrechtlich gebunden ist. Nach Art. 2 der (insofern Volkergewohnheitsrecht kodifizierenden) International Law Commission's Articles on State Responsibility trifft nur denjenigen Staat eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit, der einer ihm obliegenden völkerrechtlichen Verpflichtung nicht nachkommt. Entsprechendes ist völkergewohnheitsrechtlich auch für internationale Organisationen - wie die EG - anerkannt.6 Neben der soeben skizzierten Problematik der völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien ist in jüngerer Zeit die Problematik hinzugetreten, dass dieser Frage bei gemischten Abkommen auch innerhalb der Gemeinschaftsgruppe, namentlich im Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander, Bedeutung zukommt. Diesbezüglich geht es vor allem darum, ob und wenn ja in welchem Umfang auch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im Verhältnis zueinander völkerrechtlichen Bindungen bei gemischten Abkommen unterliegen, und daher auch untereinander für die Nichterfüllung von Vertragsverpflichtungen in einem völkerrechtlichen Streitbeilegungsverfahren verantwortlich gemacht werden können. Der zuletzt erwähnte Aspekt der Bindungswirkungsproblematik hat in der Literatur bisher wenig Beachtung gefunden. Demgegenüber findet sich zur Frage der völkerrechtlichen Bindung im Verhältnis zu Drittstaaten eine lebhafte Diskussion, deren Ende keineswegs erreicht sein dürfte, zumal gerade in neuerer Zeit eine bisher als relativ gefestigt geltende Auffassung zunehmend in Zweifel gezogen wird. Hierauf soll im zweiten Kapitel näher eingegangen werden, während sich das Eingangskapitel mit den bereits skizzierten Gründen für die Entstehung gemischter Übereinkommen beschäftigt. Im dritten Kapitel erfolgt sodann eine detaillierte Untersuchung der Praxis internationaler Streitschlichtung bei gemischten Abkommen. Die Analyse konzentriert sich dabei auf den Bereich der Welthandelsorganisation, der Seerechtskonvention und einiger Umweltschutzübereinkommen: Im Rahmen dieser Abkommen ist es 6 Hierzu eingehend Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 26 ff.; Tomuschat, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 177 ff.

Einführung

bisher am häufigsten zur Durchführung von justizförmigen völkerrechtlichen Streitschlichtungsverfahren unter Beteiligung der Gemeinschaft bzw. ihrer Mitgliedstaaten gekommen. Ausgehend von der oben erwähnten Zweiteilung unterscheidet die Untersuchung zwischen Streitschlichtungsverfahren, die die Gemeinschaftsgruppe mit Drittstaaten führt und solchen, die innerhalb der Gemeinschaftsgruppe auftreten. Soweit es Streitschlichtungsverfahren mit dritten Vertragsparteien betrifft, ist Gegenstand der Untersuchung, welche Auffassungen zur Bindungswirkungsfrage in der Praxis von der Gemeinschaftsgruppe und den jeweils betroffenen Drittstaaten vertreten werden. Insofern wird zu zeigen sein, dass dem dogmatischen Streit durchaus praktische Relevanz zukommt, wenn er auch bisher noch nicht die herausgehobene Bedeutung einnimmt, die er in der literarischen Diskussion genießt. Es gibt aber Situationen, in denen die Gemeinschaftsgruppe auf einer eingeschränkten Bindungswirkung und Verantwortlichkeit nach Maßgabe der gemeinschaftsinternen Kompetenzverteilung bestand, während Drittstaaten eine uneingeschränkte Einstandspflicht sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten geltend machten. Streitigkeiten über die Frage der Verteilung der Bindungswirkung und Verantwortlichkeit im Rahmen eines Streitschlichtungsverfahrens zwischen der Gemeinschaftsgruppe und dritten Vertragspartnern sind daher bereits offen zu Tage getreten. Die Analyse wird aber auch zeigen, dass sich der Streit um die Bindungswirkungsfrage in der Praxis zumindest teilweise durch die konsequente Anwendung verfahrensrechtlicher Regeln bei der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren entschärfen ließ. Bei Streitschlichtungsverfahren, die innerhalb der Gemeinschaftsgruppe geführt werden, geht die Untersuchung der Frage nach, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der Praxis akzeptiert wird, dass zwischen EG-Mitgliedstaaten bei gemischten Abkommen völkerrechtliche Bindungen und Verantwortlichkeiten entstehen, und ob diese dann auch im Rahmen von völkerrechtlichen Streitbeilegungsverfahren eingeklagt werden können. Während es insofern bisher an praktischen Anschauungsbeispielen mangelte, hat sich die Situation durch den so genannten MOX Plant-Fall zwischen Irland und Großbritannien geändert. Dieser wurde sowohl im Rahmen der Seerechts- als auch der OSPAR-Konvention anhängig gemacht und wird hier im Mittelpunkt der Analyse der Streitschlichtung zwischen EG-Mitgliedstaaten stehen. Während das Schiedsgericht im Rahmen der OSPARKonvention Anfang Juli 2003 eine Entscheidung getroffen hat,7 steht das Urteil des Schiedsgerichts der Seerechtskonvention noch aus. Hier fanden zwar umfangreiche Anhörungen der Parteien statt, das Verfahren wurde aber einstweilen ausgesetzt, um die Entscheidung des in einem Parallelverfahren angerufenen Europäischen Gerichtshofes abzuwarten.8 Zu diesem Parallelverfahren ist es deswegen gekommen, weil die EG-Kommission Ende Oktober 2003 eine Vertragsverletzungs7 Vgl. 42 I L M (2003), 1118 ff. s Vgl. 42 ILM (2003), 1187 ff.

18

Einführung

klage nach Art. 226 EG mit dem Vorwurf erhoben hat, Irland habe durch die Einleitung des Verfahrens vor dem Schiedsgericht im Rahmen der Seerechtskonvention gegen seine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen aus Art. 292 i.V.m. Art. 10 EG sowie Art. 192 und Art. 193 EA verstoßen.9 Der Fall hätte, so die Argumentation der Kommission, ausschließlich auf gemeinschaftsinterner Ebene, namentlich vor dem EuGH, geklärt werden müssen. Beim MOX Plant-Fall geht es damit im Kern um die den EG-Mitgliedstaaten verbliebenen völkerrechtlichen Litigationsmöglichkeiten. Der Konflikt spitzt sich letztlich auf die Frage zu, ob die Mitgliedstaaten gänzlich oder zumindest weitgehend aufgrund des immer weiter fortschreitenden europäischen Integrationsprozesses ihre Befugnisse verloren haben, untereinander auftretende Streitigkeiten auf völkerrechtlicher Ebene beizulegen. Diese und die übrigen hier skizzierten Streitfragen sollen im vierten Kapitel einer abschließenden Bewertung unterzogen werden. Dabei wird einerseits zu zeigen sein, dass auch die EG-Mitgliedstaaten untereinander durchaus völkerrechtliche Bindungen eingegangen sind. Aus diesem Grund müssen sie grundsätzlich auch die Möglichkeit erhalten, diese Verpflichtungen im Verhältnis zueinander in einem (obligatorischen) Streitbeilegungsverfahren einzuklagen. Allerdings stellt sich insofern das Problem eines möglicherweise drohenden - von der EG-Kommission im MOX Plant-Fall konkret behaupteten - Jurisdiktionskonfliktes mit dem EuGH. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte soll aufgezeigt werden, wie ein möglichst schonender Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen zu erreichen ist. Andererseits wird im abschließenden Bewertungskapitel auch aufgezeigt, dass die Lösung der Bindungswirkungsproblematik im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien zwar im geltenden Völkervertragsrecht gefunden werden muss, dass aber gleichzeitig auf dieser Basis eine Rechtspflicht zur konsequenten Anwendung der bereits angedeuteten prozessualen Regelungen bei der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren besteht. Auf der Grundlage einer konsequenten Differenzierung zwischen der prozessualen Frage der Beteiligung am Streitverfahren und der materiell-rechtlichen Problematik der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit ist es in aller Regel möglich, zu einem für sämtliche Beteiligte interessengerechten Ergebnis zu gelangen.

9 s. AB1.EG 2004 C-7/24; Rechtssache C-459/03 (Kommission/Irland).

1. Kapitel

Die praktische Bedeutung gemischter Abkommen und ihre rechtliche Begründung A. T^pisierung gemischter Verträge Will man eine Systematisierung der bisher geschlossenen gemischten Abkommen vornehmen, so bietet sich zunächst die im Völkerrecht bekannte Einteilung nach dem Kriterium „Anzahl der Vertragsparteien" in bilaterale und multilaterale Verträge an. Dabei kann jedoch nicht die gängige Definition zugrundegelegt werden, nach der bilaterale Abkommen solche völkerrechtlichen Verträge sind, die von zwei Völkerrechtssubjekten geschlossen werden, wohingegen es sich bei multilateralen Abkommen um jene handelt, bei dessen Zustandekommen drei oder mehr Vertragsparteien beteiligt sind.1 Würde man diese Maßstäbe auf gemischte Abkommen anwenden, so wären gemischte Übereinkommen ausnahmslos als multilaterale Abkommen anzusehen.2 Bei diesen Verträgen sind naturgemäß immer mehrere Völkerrechtssubjekte beteiligt: Neben der EG 3 auch ihre Mitgliedstaaten sowie zumindest eine dritte Vertragspartei. Da durchgehend eine Unterscheidung auch gemischter Abkommen in solche bilateraler und multilateraler Art zu finden ist, 4 kann diese Unterteilung in diesem ι Ipsen, Völkerrecht, § 9 Rn. 7; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, § 13 Rn. 198. Stein, Der gemischte Vertrag, 195. 3 Die Völkerrechtssubjektivität der EG ergibt sich aus ihrer Stellung als internationaler Organisation: Sie wurde mittels eines völkerrechtlichen Vertrages gegründet, besitzt eigene Organe und - aufgrund der im EG-Vertrag vorgesehenen Möglichkeit zur Mehrheitsentscheidung - auch die Eigenschaft zur autonomen, von den Mitgliedstaaten unabhängigen Willensbildung. Soweit man die Stellung als internationale Organisation im Verhältnis zu Drittstaaten zur Begründung der Völkerrechtssubjektivität nicht für ausreichend ansieht, ergibt sich die Völkerrechtsfähigkeit in diesem Verhältnis jedenfalls daraus, dass die EG mittlerweile in der internationalen Staatengemeinschaft als Rechtssubjekt anerkannt wird, s. hierzu eingehend Lecheler, 32 AVR (1994), 1, 7 f.; Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 103 ff. Sollten die im Entwurf des Verfassungskonvents niedergelegten Absichten rechtliche Verbindlichkeit erhalten, so wird zukünftig nur noch einheitlich die EU und nicht mehr die EG völkerrechtliches Zurechnungssubjekt für die gemeinschaftlichen Außenbeziehungen sein, vgl. Art. 6 des Verfassungsentwurfs (CONV 850/03; hierzu Cremona , 40 CMLRev. (2003), 1349, 1350; Kokott/Rüth, 40 CMLRev. (2003), 1315, 1323; Lecheler, Einführung in das Europarecht, 331). 2

20

1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

Zusammenhang nur auf einem differenzierteren Verständnis der Begriffe „bilateraler Vertrag" und „multilateraler Vertrag" basieren. Danach lässt sich ein „bilateraler Vertrag" als ein Abkommen definieren, bei dem Rechte und Pflichten zwischen zwei „Seiten" entstehen, unabhängig von der Anzahl der Vertragsparteien, die sich auf der einen oder der anderen „Seite" befinden. 5 Unter einem „multilateralen Vertrag" ist dagegen ein Abkommen zu verstehen, dass zwischen drei oder mehr „Seiten" in der Weise Rechte und Pflichten festlegt, dass jede „Seite" mit der jeweils anderen vertraglich verbunden ist, wobei auch hier auf einer oder allen „Seiten" Vertragsparteiengruppen auftreten können.6 Bilaterale gemischte Verträge sind danach Abkommen, bei denen die EG und ihre Mitgliedstaaten einerseits, einem oder einer Gruppe von Vertragspartnern gegenübertreten. Entscheidend für die Klassifizierung als bilaterales gemischtes Abkommen ist nur, dass innerhalb der jeweiligen Vertragsgruppen (also der Gemeinschaftsgruppe bzw. der Gruppe der dritten Vertragsparteien) keine Vertragsbeziehungen entstehen. So sind beispielsweise die „Lomé-Abkommen" bzw. deren Nachfolgeabkommen, das im April 2003 in Kraft getretene „Abkommen von Cotonou" 7 , als bilaterale gemischte Verträge zu klassifizieren, obwohl hieran eine Vielzahl von Völkerrechtssubjekten beteiligt sind (die EG und alle ihre Mitgliedstaaten einerseits, sowie eine Vielzahl von AKP-Staaten andererseits). Beim Cotonou-Abkommen entstehen aber keine Rechte und Pflichten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe oder innerhalb der Gruppe der AKP-Staaten. Vertragspflichten und Rechte entstehen vielmehr ausschließlich zwischen der „Seite" der EG / Mitgliedstaaten und der „Seite" der AKP-Staaten. Dies wird in Art. 1 des Cotonou-Abkommens ausdrücklich klargestellt: „Die Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten einerseits und die AKP-Staaten andererseits (im folgenden die „Vertragsparteien" genannt) schließen dieses Abkommen .. Λ 8

Hieraus ergibt sich somit die bipolare Struktur des Cotonou-Abkommens. Bei multilateralen gemischten Abkommen sind demgegenüber neben der Gemeinschaftsgruppe mehrere Vertragspartner beteiligt, zwischen denen aber auch jeweils vertragliche Rechte und Pflichten begründet werden. Die Vertragsauslegung kann hier zudem ergeben, dass auch innerhalb der Gemeinschaftsgruppe selbst Rechte und Pflichten entstehen sollen.9

4 Vgl. Rosas, in: Dashwood / Hillion, The General Law of EC External Relations, 206; Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 239; Stein, Der gemischte Vertrag, 24 ff. und 195 ff.; s. auch Hilf, in: Festschrift für Mosler, 387, 397 ff. 5 Stein, Der gemischte Vertrag, 199; s. auch Groux/Manin, Die EGen in der Völkerrechtsordnung, 62. 6 Stein, Der gemischte Vertrag, 199. 7 AB1.EG 2000, L 317/3 ff., Zustimmung des Rates ABl. 2003 L 65/27.

8 AB1.EG 2000 L 317 /3, 6 [Hervorhebung nicht im Original]. 9 Ausführlich hierzu 2. Kap. C. II.

Α. Typisierung gemischter Verträge

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Ausgehend von dieser Unterscheidung gemischter Abkommen in bilaterale und multilaterale Verträge, werden im Folgenden die Sachbereiche dargestellt, die von gemischten Abkommen geregelt werden.

I. Bilaterale gemischte Abkommen Bei der Mehrzahl bilateraler gemischter Abkommen handelt es sich um sogenannte „Assoziierungs"-, „Kooperations"- und „Partnerschaftsabkommen". Nach rechtlichen Kriterien kann eine Zweiteilung erfolgen und zwischen „Assoziationsabkommen" einerseits und „Kooperations- und Partnerschaftsabkommen" andererseits unterschieden werden. Während Assoziationsabkommen im rechtlichen Sinne formal auf Art. 310 EG gestützt werden, ist die Rechtsgrundlage für Partnerschafts- und Kooperationsabkommen vor allem in Artt. 133 und/oder 308 EG zu finden. 10 Die in der Praxis verwendete Terminologie folgt dieser rechtlichen Unterscheidung allerdings nicht durchgehend. Zwar sind solche Abkommen, die in der Praxis als Assoziationsabkommen bezeichnet werden, stets auch im rechtlichen Sinne dieser Kategorie zuzuordnen; es finden sich aber auch Assoziationsabkommen im rechtlichen Sinne, die mit „Kooperations- oder Partnerschaftsabkommen" überschrieben werden. 11 Die formale Bezeichnung als „Assoziationsabkommen" wird in diesen Fällen aus politischen Gründen vermieden, um keine Zweifel an der souveränen Gleichheit der Vertragspartner aufkommen zu lassen.12 Soweit es den materiellen Regelungsinhalt von Assoziationsabkommen einerseits und Kooperations- und Partnerschaftsabkommen andererseits betrifft, zielen beide Abkommensarten auf eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit ab. Sie enthalten daher Regelungen über den freien Warenverkehr und den Dienstleistungsverkehr, sowie Verpflichtungen zur Kooperation in unterschiedlichen Bereichen (Investitionsförderung, Landwirtschaft, Energie, Verkehr, Fremdenverkehr, Kultur, Naturschutz). Bei Assoziationsabkommen finden sich darüber hinaus auch Bestimmungen über die Freizügigkeit von Arbeitnehmern sowie die Niederlassungsfreiheit. Ein grundlegender Unterschied beider Abkommensarten ergibt sich hinsichtlich der institutionellen Ausgestaltung der durch die jeweiligen Verträge geschaffenen 10 Eingehend hierzu Peers, in: Dashwood / Hillion, The General Law of EC External Relations, 160, 164 f. 11 Als Beispiel sei auf das bereits erwähnte „Partnerschaftsabkommen" von Cotonou" [AB1.EG 2000 L 317/3 ff.] verwiesen. Assoziationsabkommen im rechtlichen Sinne sind auch die als „Europaabkommen" bezeichneten Verträge mit den ehemaligen Ost-Block-Staaten, vgl. etwa das „Europaabkommen" mit Rumänien (AB1.EG 1994 L 357/2 ff.) oder mit Bulgarien (AB1.EG 1994 L 358/3 ff.). 12 Schmalenbach, in: Calliess / Ruffert, EG/EU-Kommentar, Art. 310 Rn. 2.

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

Organe. 13 Wahrend Kooperationsabkommen nur Organe zur Überwachung der Einhaltung der Vertragsbestimmungen besitzen, weisen die Organe der Assoziationsabkommen durchgehend die Fähigkeit auf, bindende Beschlüsse zu fassen und damit verbindlich die Regelungen des jeweiligen Abkommens - insbesondere die Vorschriften, die zur Zusammenarbeit der Vertragspartner verpflichten - näher auszugestalten. Mit Ausnahme der Assoziationsabkommen mit Malta 14 und Zypern 15 , die allein die EG ratifizierte, wurden bisher alle Partnerschafts-, Kooperations- und Assoziationsabkommen als gemischte Verträge geschlossen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht erkennbar. Dies belegt der Abschluss von gemischten Assoziations- und Kooperationsabkommen der neueren Zeit. 16

IL Multilaterale gemischte Abkommen 1. Das WTO-Übereinkommen Die 1994 gegründete Welthandelsorganisation (WTO) stellt eine Fortentwicklung des „General Agreement on Tariffs and Trade 1947" (GATT 1947) dar. Bereits die Rechtsordnung des GATT 1947 war auf eine progressive Liberalisierung des Welthandels gerichtet, die durch eine wesentliche Verringerung von Zöllen und anderen Handelsschranken,17 sowie die Beseitigung von Diskriminierungen im internationalen Warenhandel18 erreicht werden sollte. Die Bestimmungen des GATT 1947 finden sich auch in Teilen des neuen GATT 1994, welches in das WTO-Übereinkommen integriert wurde. Daneben enthält das WTO-Übereinkommen in seinen Anhängen noch zahlreiche weitere Verträge: Von größter Bedeutung für den Dienstleistungssektor ist das „General Agreement on Trade in Services" (GATS), welches - mit gewissen Einschränkungen - Grundprinzipien des GATT auf den Dienstleistungsbereich überträgt. Zu weiteren Verträgen im Rahmen des WTO-Systems gehört auch das Übereinkommen über handels-

13 Vgl. Weber, in: Groeben / Schwarze, Art. 310 Rn. 8, der davon ausgeht, dass die unterschiedliche organisatorische Ausgestaltung das „einzige konkrete Kriterium" der Abgrenzung von Assoziations- und Kooperationsabkommen sei. S. auch Richter, die Assoziierung osteuropäischer Staaten, 98. 14 AB1.EG 1971161/2 ff. 15 AB1.EG 1973 L 133/2 ff. 16 s. etwa das kürzlich als gemischtes Abkommen in Kraft getretene „Europa-MittelmeerAbkommen" mit Jordanien, AB1.EG 2002, L 129/3 ff. Zu den rechtlichen Hintergründen dieser Entwicklung, eingehend unten Β. II. 4. b). 17 Vgl. Art. I I des GATT 1947.

ι 8 Hierzu wurde in Art. I des GATT 1947 der „Grundsatz der Meistbegünstigung" normiert, s. Kramer, RIW 1989, 473 ff. m. w. N.

Α. Typisierung gemischter Verträge

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bezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS), welches den Schutz von Patenten, Marken, Urheberrechten und von Rechten an Computersoftware deutlich verbessert. Die Welthandelsorganisation bildet den gemeinsamen organisatorischen Rahmen aller in den Anhängen des Übereinkommens befindlichen Abkommen. 19 Hierdurch wird sichergestellt, dass sämtliche Verträge durch gemeinsame Organe verwaltet werden und somit der innere Zusammenhang zwischen allen Regelungsbereichen gewahrt bleibt. Zudem sind alle in den Anhängen aufgeführten Abkommen für sämtliche Mitglieder der WTO verbindlich und bilden daher auch materiell betrachtet eine Einheit. Vertragsparteien des GATT 1947 waren offiziell nur die EG-Mitgliedstaaten. Der Gemeinschaft selbst wurde ein förmlicher Beitritt verwehrt, da dieser allein Staaten vorbehalten war. 20 Aufgrund der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten im Bereich des internationalen Handelsverkehrs weitreichende Befugnisse an die Gemeinschaft abgetreten hatten, wurde es der EG allerdings ermöglicht, die Stellung einer de facto Vertragspartei im Rahmen des GATT 1947 einzunehmen.21 Dies hatte zur Folge, dass sie Rechte und Pflichten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fielen, im eigenen Namen geltend machen konnte. In diesen Fällen vertrat die EGKommission in den GATT-Gremien die Mitgliedstaaten.22 Im Vorfeld der Verhandlungen zum neuen WTO-Abkommen wurde bereits deutlich, dass dieses Übereinkommen - anders als das GATT 1947 - auch der Beteiligung internationaler Organisationen zugänglich gemacht werden sollte, wobei man - vor dem Hintergrund der bereits geübten GATT-Praxis - vor allem an die Europäische Gemeinschaft dachte. Daher wurde die EG-Kommission im Rahmen der „Uruguay Runde" als offizieller Verhandlungspartner akzeptiert. Beachtlich ist hierbei, dass die EG-Mitgliedstaaten daneben nicht selbst bei den Verhandlungen in Erscheinung traten, vielmehr wurde die Kommission ermächtigt, auch im Namen der Mitgliedstaaten zu verhandeln. 23 19

Neben den genannten TRIPS- und GATS-Abkommen zählen hierzu auch u. a. das „Übereinkommen über die Landwirtschaft"; das „Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen"; das „Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung; das „Übereinkommen über technische Handelshemmnisse"; das „Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen". 20 Vgl. Art. XXXII GATT 1947. 21 Zu diesem Sonderstatus der EG eingehend Berrisch, Der völkerrechtliche Status der EWG im GATT, 227 ff.; s. auch Schermers, in: Bernhardt, Festschrift für Mosler, 823, 833 ff.; Petersmann, in: Hilf / Petersmann, GATT und EG, 119, 130; Frid, The Relations between the EC and International Organizations, 181; v. Bogdandy, in: Grabitz/v. Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, 9, 64 f.; Sack , 4 ZEuS (2001), 267, 275; Siebold, Die WTO und die EG, 236 ff. 22 Weiß/Herrmann, WTO-Recht, § 8 Rn. 114. 23 Vgl. Paemen/Bensch, From GATT to the WTO, 56.

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

Ausgehend von dieser alleinigen Außenvertretungsbefugnis war die Kommission nach dem Ende der Verhandlungsrunde der Auffassung, die Gemeinschaft müsse das WTO-Abkommen allein abschließen. Dies ergebe sich aufgrund ihrer ausschließlichen Kompetenzen24 für sämtliche Regelungsbereiche des Abkommens, die eine separate Beteiligung der Mitgliedstaaten nicht zulasse.25 Hiergegen richtete sich heftiger Widerstand der Mitgliedstaaten, die bereits bei der Erteilung des Verhandlungsmandats an die Kommission ausdrücklich klargestellt hatten, dass diese Ermächtigung zur Verhandlungsführung keine Rückschlüsse über die Kompetenzverteilung für den Abschluss des späteren Abkommens zulasse.26 Die Mitgliedstaaten bestanden vielmehr darauf, als eigenständige Vertragspartner an dem WTO-Übereinkommen teilzunehmen. Als man sich auf keine Kompromisslösung einigen konnte, entschied sich die Kommission, die Streitfrage durch den EuGH im Rahmen des Gutachtenverfahrens nach Art. 300 V I EG 2 7 klären zu lassen. In seinem Gutachten 1/94 entschied der Gerichtshof schließlich, dass das Gemeinschaftsrecht einer Beteiligung der Mitgliedstaaten am WTO-Übereinkommen nicht entgegenstehe.28 Daraufhin wurde das Abkommen nicht nur von der Gemeinschaft, sondern auch von sämtlichen Mitgliedstaaten ratifiziert.

2. Das Seerechtsübereinkommen Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) vom 10. 12. 1982 regelt nahezu umfassend alle Bereiche des Seevölkerrechts. Ausgehend von der Kodifizierung bereits zuvor völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Bestimmungen, wie sie schon in den vier Genfer Seerechtskonventionen von 1958 zu finden waren, gehen die Regelungen des SRÜ über diesen Rahmen hinaus und entwickeln das bis dahin geltende Seevölkerrecht fort. 24

Zum Begriff der „ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz", s. u. Β. II. 2. a), b). 5 Tridimas/Eeckhout, 14 YEL (1994), 143, 159; Cascante , Rechtsschutz von Privatrechtssubjekten gegen WTO-widrige Maßnahmen, 212. 2

26 Vgl. hierzu Paemen/Bensch, From GATT to the WTO, 56. In der Ermächtigung zur Verhandlungsführung hieß es: „ The decision does not prejudge the question of the competence of the Community or the Member States on particular issues. " 27 Das Gutachtenverfahren nach Art. 300 V I EG dient dazu, die Vereinbarkeit eines von der EG geplanten Abkommens mit dem Gemeinschaftsrecht zu klären, um so zu verhindern, dass ein gemeinschaftsrechtswidrig zustande gekommenes Abkommen völkerrechtliche Bindungswirkung erlangt und dem Grundsatz des „pacta sunt servanda" unterliegt, s. Rengeling / Middeke / Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 16 Α., Rn. 1 ff.; Lecheler, Einführung in das Europarecht, 215; Schwarz, 6 ZEuS (2003), 51,53 f. 2 « s. EuGH, Slg. 1994 1-5276 (Gutachten 1/94); hierzu umfassend Taraschka, Die Kompetenzen der EG im Bereich der Handelspolitik, 16 ff.; Hilpold, Die EU im GATT/WTOSystem, 103 ff.; s. auch noch unten Β. II. 4. a).

Α. Typisierung gemischter Verträge

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Zu den Kernbestimmungen des Übereinkommens 29 gehören Regelungen über die Abgrenzung der einzelnen Meereszonen, sowie die Festschreibung der Rechtsund Nutzungsverhältnisse in diesen Zonen (Teil I I - V I I ) . Ferner regelt die Konvention den Schutz der Meeresumwelt in allen Seegebieten (Teil XII) und das Recht der Meeresforschung (Teil XIII). Außerdem finden sich Regelungen über die Nutzung der Tiefsee durch Meeresbergbau (Teil XI) und die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten (Teil XV). Gerade die zuletzt genannten Normkomplexe sind Ausdruck der Fortentwicklung der bis dahin geltenden Bestimmungen der Genfer Konventionen, da diese hierzu keinerlei bzw. nur rudimentäre Regelungen vorsahen. Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten waren sich frühzeitig einig, dass aufgrund des materiellen Regelungsumfangs eine gemeinsame Beteiligung am Seerechtsübereinkommen unausweichlich sei. Allerdings stießen diese Bestrebungen auf der Seerechtskonferenz auf heftigen Widerstand einiger dritter Vertragsparteien (vor allem der Sowjetunion), die die Beteiligung von Internationalen Organisationen im Allgemeinen und der EG im Besonderen verhindern wollten. 30 Hintergrund dieser Ablehnung war die Befürchtung, die Mitgliedstaaten der EG oder anderer Internationaler Organisationen könnten durch eine Beteiligung „ihrer" Organisation im Verhältnis zu anderen Vertragsparteien unangemessene Vorteile erlangen. 31 Schließlich einigte man sich dahingehend, dass die Beteiligung internationaler Organisationen zwar grundsätzlich zugelassen, allerdings an die Einhaltung zweier Bedingungen geknüpft wurde: Zum einen muss die Mehrheit der Mitgliedstaaten der jeweils teilnehmenden Organisation ebenfalls das Übereinkommen ratifizieren (Art. 2 I von Anhang IX des SRÜ), zum anderen muss die Organisation offen legen, für welche Bereiche des SRÜ ihr von den Mitgliedstaaten Kompetenzen übertragen wurden (Art. 5 I von Anhang IX des SRÜ). Diese Vorgaben wurden von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten erfüllt: Bis heute hat die ganz überwiegende Mehrheit der EG-Mitgliedstaaten die Konvention ratifiziert, 32 und als die Gemeinschaft am 1. April 1998 offiziell dem SRÜ beitrat, hat sie eine „Erklärung zur Zuständigkeit... für die durch das Seerechtsübereinkommen ... geregelten Angelegenheiten " 3 3 abgegeben.

29 Ausführlich Jaenicke, NJW 1983, 1936 ff.; Herber, RIW 1984, 337 ff. 30 Simmonds, in: O'Keeffe/Schermers, Essays on European Law and Integration, 179, 185; Treves, in: Cannizarro, The EU as an Actor in International Relations, 279; Nordquist/ Nandan/Rosenne/Grandy, UN Convention on the Law of the Sea - A Commentary, Art. 305, Rn. 305.14; Stein, in: Collected Courses of the Academy of European Law, 127, 161; Oxman, 74 AJIL (1980), 1,41; Buhl, 11 ODIL (1982), 181, 188. 31 Zu den Einzelheiten, s. u. Β. I. 32 Nur Dänemark hat das Übereinkommen noch nicht ratifiziert, allerdings bereits unterzeichnet. 33

ABl.EG 1998, L 179/129 ff.

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

3. Der Energiecharta-Vertrag Der Energiecharta-Vertrag 34 (im Folgenden EnCV) vom 17. 12. 1994 ist als Reaktion auf die politischen Umbrüche (Anfang der 1990er Jahre) in Mittel- und Osteuropa zu sehen. Er soll die rechtliche Grundlage schaffen, die Energieressourcen in diesen Regionen zur Deckung des westlichen Energiebedarfs nutzbar machen zu können.35 Insofern verfolgt das Abkommen das Ziel der Erleichterung des internationalen Energiehandels und der Förderung von Investitionen in den Energiesektor. Ausgehend von dieser Zielsetzung umfasst der EnCV im Grundsatz zwei Teile: Zum einen liegt ein multilaterales Investitionsschutzabkommen vor (vgl. Art. ΙΟΙ 7 EnCV), in dem Schutzmechanismen vorgesehen sind, die sowohl für die Vertragsparteien als auch für private Investoren gelten.36 Zum anderen enthält er ein internationales Handelsabkommen in Anlehnung an die GATT/WTO-Regeln. Danach wird zunächst klargestellt, dass die für den Energiesektor relevanten Bestimmungen des GATT im Verhältnis der GATT-Vertragsparteien zueinander weiterhin anwendbar bleiben (Art. 4 EnCV). Diese GATT-Regeln erlangen ferner auch für jene Staaten Verbindlichkeit, die noch keine WTO-Mitglieder sind (Art. 29 II EnCV). Der Energiecharta-Vertrag ist am 16. 4. 1998 in Kraft getreten. Er wurde von der Gemeinschaft und sämtlichen Mitgliedstaaten ratifiziert. Während die Zuständigkeit der EG für den Abschluss der Handelsregelungen nicht bestritten wurde, gestaltete sich die Rechtslage in Bezug auf die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im Bereich der Investitionsschutzregelungen nicht eindeutig, was vor allem auf die Weite und Unbestimmtheit der Bestimmungen in diesem Sektor zurückzuführen ist. 37 Wohl um eine langwierige Streitigkeit über die exakten Kompetenzabgrenzungen zu vermeiden, erklärte sich die Kommission bereit, einer Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem Vertrag zuzustimmen.

34 Vgl. AB1.EG 1998, L 69/26 ff. 35 Zur Entstehungsgeschichte des Abkommens eingehend Lukes, EuZW 1992, 401 ff.; Paasivirta, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, 197 ff. 36 Zu den Einzelheiten der jeweiligen Bestimmungen Gundel, in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 1260, 1265 ff.; Paasivirta, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, 197, 203 ff. 37 So wird der im EnCV verwendete Investitionsbegriff sehr weit gefasst. Nach Art. 1 V I EnCV gilt als Investition jeder Vermögenswert, der dem Investor mittelbar oder unmittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird, einschließlich Ansprüche unter Verträgen, Gewinne sowie jedes durch Vertrag, Lizenz oder Gesetz gegebene Recht, im Energiesektor eine wirtschaftliche Tätigkeit zu unternehmen; s. hierzu Happ, RdE 2002, 39,42; Wälde, in: ders., The Energy Charter Treaty, 270-274; Stevenson, 19 JENRL (2001), 113, 116.

Α. Typisierung gemischter Verträge

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4. Umweltschutzabkommen Im Umwelt- und Naturschutzbereich wurden bisher nahezu alle von der Gemeinschaft ratifizierten völkerrechtlichen Abkommen als gemischte Verträge geschlossen. Bedeutsame Beispiele sind etwa das „Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht"38 vom 22. 3. 1985 und das ihm folgende „Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen" 39 vom 16. 9. 1987.40 Ein gemischtes Abkommen stellt auch das „Übereinkommen über die Biologische Vielfalt" 41 dar. Ziel des Vertrages ist die Sicherung der nachhaltigen Nutzung biologischer Ressourcen und die Verhinderung bzw. Begrenzung von Schäden an der biologischen Vielfalt. Das Übereinkommen ist eine Rahmenkonvention und erfordert daher die Konkretisierung der allgemein gehaltenen Vereinbarungen durch speziellere Folgeabkommen.42 Geschehen ist dies u. a. durch die Ausarbeitung des „Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit" 43, welches die Beschränkung des internationalen Handels mit gentechnisch veränderten Lebewesen erlaubt, die eine schädliche Auswirkung auf die Bewahrung oder nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben können. Im Kontext gemischter Umweltschutzabkommen dürfte das „Cartagena-Protokoll" insofern eine herausgehobene Stellung einnehmen, als es das erste Abkommen darstellt, bei dem die Frage der Zulässigkeit des Abschlusses als gemischtes Abkommen dem EuGH unterbreitet wurde. 44 Obwohl die Kommission sich schon vorher häufig gegen die Beteiligung der Mitgliedstaaten an verschiedenen Umweltschutzabkommen ausgesprochen hatte, ist es zu einer Klärung der Streitfrage im Wege des Gutachtenverfahrens bisher nur in diesem Fall gekommen. Der Gerichtshof gelangte in seiner Stellungnahme allerdings nicht zu dem von der Kommission erhofften Ergebnis und billigte den Abschluss des „Protokolls" als gemischten Vertrag unter Beteiligung der Mitgliedstaaten.45

38 AB1.EG 1988 L 297/10 ff. 39 AB1.EG 1988 L 297/21 ff. 40 Für eine ausführliche Darstellung der einzelnen Regelungen der Übereinkommen, s. Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 168 ff. 41 AB1.EG 1993 L 3 0 9 / I f f . 42

Hierzu Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 187 ff. 3 Der Text des Protokolls findet sich in: 39 I L M (2000), 1027 ff.

4

44 EuGH Slg. 2001,1-9717 (Gutachten 2/00) = EuZW 2002, 113 ff. (m. Anm. Pitschas). Vgl. hierzu auch Herrmann, NVwZ 2002, 1168 ff.; Schwarz, 6 ZEuS (2003), 51 ff. 45 Zu den Einzelheiten der Kompetenzäbgrenzung zwischen EG und Mitgliedstaaten im Umweltbereich, s. u. Β. II. 4. c).

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

5. Die FAO-Verfassung Auch die Verfassung der „Food and Agriculture Organization" (FAO) 46 stellt einen gemischten Vertrag unter Beteiligung der Gemeinschaft und sämtlicher Mitgliedstaaten dar. Die FAO ist eine Fachorganisation der Vereinten Nationen und beschäftigt sich - wie ihr Name besagt - mit Fragen der Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik (wobei der Begriff der „Landwirtschaft" auch Fischerei und Forstwirtschaft einschließt). Als Ziele der Organisation nennt deren Satzung u. a. die Hebung des Ernährungs- und Lebensstandards der Völker und die Sicherstellung einer Effizienzsteigerung bei der Erzeugung und Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Um diese Ziele zu verwirklichen, nimmt die FAO unterschiedliche Aufgaben wahr: Sie empfiehlt etwa internationale Richtlinien über Abkommen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, welche dann in ihrem Rahmen geschlossen werden. 47 Der FAO gehörten ursprünglich als Vollmitglieder nur die EG-Mitgliedstaaten an. Nach der FAO-Verfassung war eine Teilnahme internationaler Organisationen nicht zulässig. Der Gemeinschaft kam daher nur ein Beobachterstatus zu. Dies hatte zur Folge, dass sie zwar an den Sitzungen der FAO-Organe durch eigene Vertreter teilnehmen und dort auch ihren Standpunkt artikulieren durfte, allerdings wurde ihr auf diesen Sitzungen kein eigenes Stimmrecht eingeräumt. 48 Diese Situation war aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht deswegen problematisch, weil wesentliche Aufgabenfelder der FAO der (teilweise ausschließlichen) EG-Kompetenz unterfallen. 49 In Bereichen ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 10 II EG jedoch grundsätzlich untersagt, international tätig zu werden. 50 In diesen Bereichen dürfen an sich nur Vertreter der Gemeinschaft auf internationaler Ebene in Erscheinung treten. Den Mitgliedstaaten oblag daher nach Art. 10 I EG die Pflicht, alle ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mittel einzusetzen, um es der EG durch Aufnahme als vollwertiges Mitglied zu ermöglichen, in Bereichen ihrer Zuständigkeit eigenständig im Rah46 s. Basic Texts of the Food and Agriculture Organization of the United Nations, vols. I / I I . 47 Eingehend zu Zielen und Aufgaben der FAO Reimann, Ernährungssicherung im Völkerrecht, 327 ff. 48 Zur Stellung der EG als Beobachter im Rahmen der FAO, eingehend Frid, The Relations between the EC and International Organizations, 230 ff. 49 So bspw. weite Bereiche der Landwirtschaftspolitik, vgl. speziell für den Bereich der Fischerei, EuGH Slg.1996,1-1469 (FAO) Rn. 41 f. 50 EuGH Slg. 1971, 263 (AETR) Rn. 20/22; nur ausnahmsweise (wenn ein Tätigwerden aufgrund der Vorgaben dritter Vertragspartner nicht zulässig ist und dennoch ein dringender Regelungsbedarf besteht) dürfen die Mitgliedstaaten auch in Bereichen ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz als „Sachwalter des gemeinsamen Interesses" auftreten und ein internationales Abkommen schließen, s. Kahl, in: Calliess / Ruffert, EU/EG-Kommentar, Art. 10 Rn. 38; Pechstein, Die Mitgliedstaaten der EG als Sachwalter des gemeinsamen Interesses,

220.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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men der FAO handlungsfähig zu werden und vor allem ein eigenes Stimmrecht in den Sitzungen der FAO-Organe zu erhalten. 51 In Ausübung dieser Verpflichtung erreichten die Mitgliedstaaten schließlich am 18. 11. 1991 eine Änderung der FAO-Verfassung, durch die auch eine Aufnahme von „regional economic integration organizations" 52 zugelassen wurde. Wenige Tage später wurde sodann der Beitritt der EG (damals noch EWG) zur Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation beschlossen. Die Gemeinschaft ist damit die erste - und bisher auch einzige - Internationale Organisation, die als Mitglied einer VNSonderorganisation akzeptiert wurde. 53

III. Zwischenergebnis Bei einer Typisierung gemischter Abkommen kann - unter leichter Modifikation der gängigen Definitionen - eine Zweiteilung in bilaterale und multilaterale Verträge vorgenommen werden. Bei den bilateralen gemischten Abkommen handelt es sich überwiegend um Assoziations- und Kooperationsverträge. Unter den multilateralen gemischten Verträgen nehmen vor allem das Seerechtsübereinkommen und das Übereinkommen zur Gründung der Welthandelsorganisation eine herausgehobene Stellung ein. Daneben stellen auch die FAO-Verfassung und der Energiecharta-Vertrag, sowie zahlreiche Umweltschutzübereinkommen multilaterale gemischte Abkommen dar. Schließlich werden auch die Mehrzahl internationaler Rohstoffabkommen 54 als gemischte Verträge geschlossen.

B. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen Die Motive, die für das häufige Auftreten gemischter Abkommen diskutiert werden, sind vielfältig. 55 Insofern lässt sich zwischen denjenigen Gründen unterschei-

51 Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 302 Rn. 3. 52 Vgl. Art. II 3 der FAO-Verfassung. 53 Zu den Einzelheiten des derzeitigen Status der EG in der FAO, s. Marchisio, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 231, 238 ff.; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Volkerrechts, 236 ff.; Lenaerts/de Smijter, 19 YEL (1999/2000), 95, 135 f.; Frid, The Relations between the EC and International Organizations, 261 ff. 54 Hier nicht eigens aufgeführt, vgl. aber „Internationales Kaffee-Übereinkommen von 2001" (AB1.EG 2001 L 326/23); „Internationales Naturkautschuk-Übereinkommen" (AB1.EG 1996 L 324/1); „Internationales Tropenholz-Übereinkommen" (AB1.EG 1996 L 21/49). 55 s. die ausführliche Diskussion bei Bourgeois, in: Bourgeois /Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 83 f. 3 Oen

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

den, die ihren Ursprung außerhalb der Gemeinschaftsgruppe, also bei den dritten Vertragsparteien haben und solchen Gründen, die innerhalb der Gemeinschaftsgruppe selbst zu finden sind.

I. Gründe außerhalb der Gemeinschaftsgruppe Anfangs wurde überwiegend darauf abgestellt, dass das Zustandekommen eines gemischten Abkommens vor allem auf die Initiative der jeweiligen Vertragspartner der Gemeinschaftsgruppe zurückzuführen sei. 56 Die Drittstaaten wollten durch den Abschluss eines solchen Abkommens die ordnungsgemäße Durchführung des jeweiligen Vertrages sicherstellen. Aus ihrer Sicht sollten die Mitgliedstaaten gleichsam als Garanten für die Einhaltung der völkerrechtlichen Pflichten auf Seiten der EG dienen, indem man die Mitgliedstaaten notfalls auch hinsichtlich der Erfüllung der gemeinschaftlichen Pflichten in Anspruch nehmen konnte. 57 Wie die neuere Vertragspraxis zeigt, können diese Erwägungen jedoch zumindest heute nicht mehr als Erklärung für das Auftreten gemischter Verträge herangezogen werden. Es gibt nunmehr zahlreiche Abkommen, die sogenannte „spezifische Kompetenzklauseln" enthalten. Auf den genauen Inhalt dieser Klauseln wird später noch ausführlich einzugehen sein. 58 In diesem Zusammenhang genügt es festzuhalten, dass beim Vorhandensein spezifischer Kompetenzklauseln heute ganz überwiegend 59 von einer geteilten Bindungswirkung und damit einhergehend von einer geteilten Verantwortlichkeit innerhalb der Gemeinschaftsgruppe ausgegangen wird: Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sollen nur insoweit für die Nichterfüllung bestimmter Verpflichtungen verantwortlich gemacht werden können, als sie für die Übernahme dieser Pflichten auch - nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung - die Zuständigkeit besitzen. Käme es den dritten Vertragspartnern nun aber darauf an, in jedem Fall die Mitgliedstaaten neben der Gemeinschaft völkerrechtlich in Haftung nehmen zu können, hätten sie der Aufnahme spezifischer Kompetenzklauseln nicht zugestimmt. Denn auf diese Weise wird ja die völkerrechtliche Bindung und damit auch die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten ausdrücklich beschränkt. Es hätte vielmehr im Interesse der dritten Vertragspartner liegen müssen, Klauseln aufzunehmen, die eine gemeinsame Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der 56

Balekjian, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 141, 143, ders., in: Schreuer, Autorität und internationale Ordnung, 155; Bleckmann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 155. 57 Bleckmann, EuR 1976, 302; ders., in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 155. Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 4; vgl. auch Bourgeois, in: Bourgeois/Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 84. 58 s. u. 2. Kap. A. I. 59 Vgl. die Nachweise im 2. Kap. C. I. 1.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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Mitgliedstaaten für alle Vertragsbestimmungen explizit vorsehen. Eine solche Klausel findet sich aber bisher in keinem einzigen gemischten Vertrag. 60 Die Tatsache, dass stattdessen zunehmend - gerade auf Veranlassung von Drittstaaten ausdrückliche Kompetenzklauseln in gemischte Abkommen aufgenommen werden, spricht somit dafür, dass es den dritten Vertragsparteien zumindest nicht mehr auf eine Garantieübernahme seitens der Mitgliedstaaten ankommt. Die Gemeinschaft wird vielmehr als eigenständiges Völkerrechtssubjekt und verlässlicher Vertragspartner akzeptiert. Dennoch kann nicht bestritten werden, dass auch heute noch dritte Vertragspartner teilweise auf einer Beteiligung der Mitgliedstaaten an einem von der EG geschlossenen Abkommen bestehen. Insofern sei darauf verwiesen, dass einige Verträge Bestimmungen enthalten, nach denen die Gemeinschaft nur gemeinsam mit einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten Partei eines internationalen Abkommens werden kann (sogenannte „Beteiligungsklauseln " 6 1 ) . Der Grund hierfür liegt aber nicht darin, dass die EG nicht als selbständiger und verlässlicher Vertragspartner anerkannt wird. Der Grund ist vielmehr in der Tatsache zu sehen, dass die Gemeinschaft als internationale Organisation dem „Prinzip der begrenzten Ermächtigung" unterliegt: Danach stehen ihr nur diejenigen Befugnisse zu, die ihr von ihren Mitgliedstaaten ausdrücklich oder implizit verliehen wurden. 62 Wegen dieses begrenzten Handlungsspielraums haben Drittstaaten häufig Bedenken, ob die EG nach der internen Zuständigkeitsverteilung - zur Erfüllung sämtlicher Vertragspflichten kompetent ist. 63 Ist dies nämlich nicht der Fall, und übernimmt die Gemeinschaft daher ausdrücklich nicht alle Vertragspflichten eines Abkommens, kann sich folgende - für die Drittstaaten missliche - Situation ergeben: Die EG und damit indirekt deren Mitgliedstaaten wären nur an einige Vertragsbestimmungen gebunden, während die dritten Vertragsparteien die Einhaltung sämtlicher Vertragspflichten garantieren müssten. Drittstaaten sind aber häufig (besonders im sensiblen Bereich des Umweltschutzes64) nicht bereit, eine solche Besserstellung der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zu akzeptieren. Zwar bestehen sie nicht mehr auf einer Beteiligung aller Mitgliedstaaten, weil dies politisch kaum mehr durchsetzbar ist, wollen aber doch im Wege der „Beteiligungsklausel" zumindest einige Mitgliedstaaten als Vertragspartner in das Abkommen miteinbeziehen, um durch diese zusätzliche Aufnahme das Kompetenzdefizit auf Seiten der Gemeinschaft abzugleichen. 65 60

Vgl. Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 150. Als Beispiel sei auf Art. 2 S. 1 von Anhang IX des Seerechtsübereinkommens verwiesen. Dort heißt es: „Eine internationale Organisation kann dieses Übereinkommen unterzeichnen, wenn die Mehrheit ihrer Mitgliedstaaten Unterzeichner des Übereinkommens ist." 62 Vgl. Art. 5 I EG; eingehend zu diesem Problemkreis: Kraußer, Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht, 20 ff. 63 Vgl. Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 130 ff. 64 Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 145. 61

3!

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

Gleichzeitig ist damit aber auch gesagt, dass für dritte Vertragsparteien - sollte die Gemeinschaft bereit und in der Lage sein, alle Pflichten eines Abkommens zu übernehmen - kein Grund mehr besteht, auf dem Abschluss eines gemischten Abkommens zu bestehen.66 Nach dieser Maßgabe ziehen dritte Vertragspartner sogar häufig den Abschluss reiner Gemeinschaftsabkommen gegenüber gemischten Verträgen vor, 67 was nicht verwundert, wenn man sich die vielfältigen - im Einzelnen noch zu behandelnden - praktischen und rechtlichen Probleme vergegenwärtigt, die der Abschluss gemischter Verträge mit sich bringt. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass das Auftreten gemischter Abkommen zumindest nicht ausschließlich mit den Bestrebungen dritter Vertragspartner erklärt werden kann. Die Gründe für den Abschluss gemischter Abkommen sind vielmehr inzwischen überwiegend innerhalb der Gemeinschaftsgruppe selbst zu suchen.68

II. Gründe innerhalb der Gemeinschaftsgruppe Nach der anschließend näher zu erläuternden These sind - gemeinschaftsintern betrachtet - im Wesentlichen drei Faktoren für die Entstehung des Phänomens des gemischten Vertrages verantwortlich. Im Folgenden werden diese Faktoren zunächst abstrakt dargestellt. Im Anschluss soll anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht werden, wie sich diese Elemente zumeist gegenseitig bedingen und daher im Zusammenspiel als Erklärung für den Abschluss gemischter Abkommen dienen.

1. Die generell begrenzte Vertragsschlusskompetenz der Gemeinschaft Der erste Faktor durch den der Abschluss gemischter Verträge auch gemeinschaftsintern bedingt wird, ist in der bereits angesprochenen generell begrenzten Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft als internationaler Organisation zu sehen. Wie dargelegt, 69 ergibt sich hieraus für den Bereich der Außenbeziehungen, dass die EG - anders als ein souveräner Staat - nicht berechtigt ist, alle denkbaren Ma65 Tavares de Pinho, RMCUE 1993, 656, 665. 66

Bourgeois, in: Bourgeois / Dewost / Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 84. Vgl. Rosas, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, 143, der insofern von seinen Erfahrungen als damaliges Mitglied der Rechtsabteilung der EG-Kommission berichtet; s. auch Siebold, Die WTO und die EG, 245. 68 Vgl. Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 5: „ . . . mixed agreements owe their existence to reasons internal to the Community." s. auch Bourgeois, in: Bourgeois / Dewost / Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 84-85; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, 212. 69 s. o. I. 67

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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terien völkervertraglich zwischen sich und einem anderen Völkerrechtssubjekt zu regeln. Eine entsprechende Berechtigung muss sich vielmehr aus dem EG-Vertrag selbst ergeben. Daraus folgt von vornherein eine Begrenzung der gemeinschaftlichen Handlungsfähigkeit, da der Gemeinschaft gewisse Kompetenzen von Beginn an nicht zustehen. Die Möglichkeit, gemischte Abkommen abzuschließen, wird somit eröffnet, wenn ein völkerrechtliches Übereinkommen Vertragsmaterien enthält, die diesen begrenzten Handlungsspielraum überschreiten. 70 Dies hat der EuGH erstmals ausdrücklich im Beschluss 1/78 anerkannt, als er ausführte, dass auf die Rechtsfigur gemischter Abkommen dann zurückgegriffen werden könne, wenn „der Gegenstand eines Vertrages oder einer Vereinbarung teilweise in die Zuständigkeit Gemeinschaft und teilweise in die der Mitgliedstaaten fällt. " 71

2. Das Verhältnis bestehender Gemeinschaftskompetenzen zu Kompetenzen der Mitgliedstaaten Ein weiterer Faktor, durch den der Abschluss gemischter Abkommen begünstigt wird, betrifft das Verhältnis einer bestehenden völkerrechtlichen Abschlusskompetenz der Gemeinschaft zu entsprechenden Kompetenzen der Mitgliedstaaten. Der EG-Vertrag trifft hierzu - zumindest bislang 72 - keine eindeutigen Aussagen. Mittlerweile sind zur Lösung der angesprochenen Konkurrenzfrage allerdings drei verschiedene Modelle anerkannt: 73 a) „Konkurrenzmodelle" Das erste Konkurrenzmodell kann als „kumulative Konkurrenz" bezeichnet werden. In einer solchen Konkurrenz stehen diejenigen Kompetenzen, die parallel ver70

Garzón Clariana, in: Bourgeois/Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 15,16. 71 EuGH Slg. 1978, 11-2151 (Beschluss 1/78) Rn. 34. Der EuGH bezieht sich hier zwar ausdrücklich nur auf den Sonderfall des Art. 102 EA, in dem der Abschluss gemischter Abkommen ausdrücklich vorgesehen ist. Die Ausführungen lassen sich aber gleichermaßen auf die Bereiche des EG-Vertrages übertragen; s. hierzu: Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 5; Dolmans, Problems of Mixed Agreements, 95; Bourgeois, in: Bourgeois/Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 83 ff. 72 Nach den Vorstellungen des EU-Verfassungskonvents soll sich diese Situation in Zukunft ändern. Geplant ist eine ausdrückliche Festschreibung der verschiedenen Kompetenzarten und die Zuordnung der jeweiligen Regelungsbereiche unter diese Kompetenzen. Dabei wird im Wesentlichen die im Folgenden dargestellte Aufteilung kodifiziert (hierzu Schwarze, EuR 2003, 535, 542 ff.). 73 Vgl. zu der folgenden Kategorienbildung allgemein: v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001, 441, 447 ff.; Jarass, 121 AöR (1996), 173, 185 ff.; Neuwahl, 33 CMLRev. (1996), 667, 669 ff.; O'Keejfe, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 179, 180 ff.; Triie, Das System der Rechtssetzungskompetenzen, 360 ff.

der

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

laufen, die also gleichzeitig und nebeneinander sowohl von der Gemeinschaft als auch von den Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden können.74 Das zweite Modell betrifft die alternative Konkurrenz, die immer dann vorkommt, wenn konkurrierende Kompetenzen in Frage stehen. Hier haben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten die Kompetenz sich in bestimmten Sachbereichen durch völkerrechtliche Verträge zu binden.75 Sobald jedoch die Gemeinschaft von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht hat, steht diese Befugnis ihr allein zu, schließt also die zuvor bestehenden mitgliedstaatlichen Befugnisse aus.76 Schließlich betrifft das letzte Konkurrenzmodell die Ausschließlichkeit der Gemeinschaftskompetenzen. Danach sind alle der Gemeinschaft übertragenen Außenkompetenzen in dem Sinne exklusiv, als daneben für die jeweiligen Sachbereiche keine mitgliedstaatliche Kompetenz mehr in Betracht kommt, unabhängig davon, ob die Gemeinschaft diese Kompetenzen tatsächlich in Anspruch nimmt. 77 Nur in dem zuletzt genannten Fall ist eine Beteiligung der Mitgliedstaaten also von vornherein ausgeschlossen. In den zuerst genannten Fallgruppen kommt dagegen eine Beteiligung der Mitgliedstaaten und damit einhergehend der Abschluss gemischter Abkommen in Betracht.

b) EuGH-Rechtsprechung zu ausschließlichen Kompetenzen Der Gerichtshof hat eine ausschließliche Gemeinschaftskompetenz im Außenbereich jedoch nur selten bejaht, nämlich dann, wenn die Ausschließlichkeit zur wirksamen Ausübung und Erreichung des Ziels der Kompetenznorm zwingend 74 Streinz, in: ders., EUV/EGV, Art. 5 Rn. 26; v. Bogdandy/Bast, 75

EuGRZ 2001, 441, 450.

Vedder, in: Götz/Matinez Soria, Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten, 9, 18; v. Bogdandy /Bast, EuGRZ 2001, 441, 448. 76 Nach dem Entwurf des Verfassungskonvents soll nicht ausdrücklich zwischen den Kategorien der parallelen und konkurrierenden Zuständigkeit getrennt werden. Vielmehr kennt der Entwurf neben dem Begriff der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit nur „geteilte Zuständigkeiten", vgl. Art. 13 des Verfassungsentwurfs, CONV 850/03. Innerhalb dieser Kategorie erfolgt dann aber - zumindest der Sache nach - eine Unterscheidung zwischen parallelen und konkurrierenden Kompetenzen. So heißt es in Absatz 5 des Art. 13 in Bezug auf die Bereiche Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt, dass die Union zuständig ist, „ohne dass die Ausübung dieser Zuständigkeit zur Folge haben könnte, dass den Mitgliedstaaten die Ausübung ihrer Zuständigkeiten verwehrt ist"). Hier handelt es sich also - nach der oben verwendeten Terminologie - um „parallele Kompetenzen". Die Absätze 1 - 4 enthalten dagegen „konkurrierende Zuständigkeiten", da die Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen in diesen Bereichen „dann ausüben, wenn die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat oder nicht mehr ausübt"; s. zum Ganzen eingehend Lecheler, Einführung in das Europarecht, 46; Fischer, Konvent zur Zukunft Europas, 133 ff. 77 O'Keeffe, 4 EFARev. (1999), 7, 10; Craig/ de Burca, EU Law, 133; v. Bogdandy/Bast, EuGRZ 2001,441,447.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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notwendig ist. 7 8 Dies gilt sowohl für i m EG-Vertrag ausdrücklich festgeschriebene Außenkompetenzen, als auch für die impliziten gemeinschaftlichen Außenkompetenzen. 79 Ersteres hat der Gerichtshof vor allem für den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 133 EG angenommen, 80 letzteres hat der EuGH für den Fall anerkannt, dass die interne Zuständigkeit nur effektiv ausgeübt werden kann, wenn auf dieser Grundlage auch ein völkerrechtliches Abkommen geschlossen w i r d . 8 1 Bei impliziten Kompetenzen ist darüber hinaus auch dann von einer ausschließlichen Kompetenz auszugehen, wenn die Gemeinschaft ihre jeweilige Binnenkompetenz ausgeübt hat und ihr auf dieser Basis eine ungeschriebene Außenkompetenz zuerkannt w i r d . 8 2 Allerdings ist hier auch wiederum eine Einschränkung zu sehen, wie der Gerichtshof gerade in seinen neueren Urteilen zu impliziten Kompetenzen i m Bereich der bilateralen Luftverkehrsabkommen mit den USA (Open Skies-Abkommen) 8 3 erneut unterstrichen hat. Danach kommt es für den Einzelfall entscheidend darauf an, wieweit die jeweilige Binnenkompetenz tatsächlich ausgeübt wurde. 8 4 Deckt nämlich eine sekundärrechtliche Regelung nur partiell einen Politikbereich ab, so erlangt die Gemeinschaft auch nur i m Rahmen dieser partiellen Rechtsetzung eine ausschließliche Außenkompetenz. Erst eine vollständige oder ganz überwiegende Gebietsbesetzung führt zur Erlangung ei78 Eine ausführliche Analyse der diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung findet sich bei Ditteri, Die ausschließlichen Kompetenzen der EG, 62 ff.; Lecheler, Subsidiaritätsprinzip, 104. 79 Ungeschriebene Außenkompetenzen leitet der EuGH seit seinem viel diskutierten AETR-Urteil [EuGH Slg. 1971, 263] nach der „implied powers' ' Lehre aus im EG-Vertrag ausdrücklich niedergelegten Binnenkompetenzen her. Voraussetzung für ihre Entstehung ist neben der Existenz einer entsprechenden Binnenkompetenz aber zusätzlich, dass der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages auf der Grundlage dieser Binnenkompetenz erforderlich ist, um eines der Ziele der EG zu erreichen oder dass die Binnenkompetenz durch den Erlass sekundärrechtlicher Regelungen bereits ausgeübt wurde, vgl. Lecheler, 32 AVR (1994), 1, 11; ders., Einführung in das Europarecht, 349 ff.; Louis, in: Colneric/Edward/ Puissochet/Colomer, Festschrift für Rodriguez Iglesias, 315 ff.; Nakanishi, Entwicklung der Außenkompetenzen, 30 ff.; Dörr, EuZW 1996, 39 ff.; Craig/de Burca, EU Law, 129 f.; s. hierzu auch unten 4. a).

so St. Rspr. seit EuGH Slg. 1975, 1355 (Gutachten 1/75); hierzu v. Bogdandy/Nettesheim, EuZW 1993, 465 ff.; Dashwood, 21 ELRev. (1996), 113 ff.; Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 166 ff. si EuGH Slg. 1994, 1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 89; EuGH Slg. 2002, 1-9855 (Open Skies) Rn. 83. 82 In diesem Fall fordert der EuGH zusätzlich noch, dass von den Mitgliedstaaten eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen das bestehende Sekundärrecht beeinträchtigen würden. Allerdings offenbaren gerade neueste Urteile des Gerichtshofes, dass das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung in der Regel schon allein aufgrund des Bestehens von Sekundärrecht angenommen werden kann. Insofern reicht also bereits eine bloß potenzielle Beeinträchtigung aus, die so gut wie nie ausgeschlossen werden kann; vgl. hierzu EuGH Slg. 2002, 1-9855 (Open Skies) Rn. 108 ff.; Pitschas, EuZW 2003, 92, 93; Thym, EuR 2003, 277, 279 f. 83 Hierzu noch eingehender unten 4. d). 84 EuGH Slg. 2002,1-9855 (Open Skies) Rn. 107 ff.; hierzu Pitschas, EuZW 2003, 92, 93; Thym, EuR 2003, 277, 278 f.; Holdgaard, 8 EFARev. (2003), 365, 387.

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

ner ausschließlichen ungeschriebenen Kompetenz für den Gesamtbereich.85 Eine solche Situation ist allerdings der Ausnahme- und nicht der Regelfall, wie insbesondere das erwähnte Urteil zu den Open Skies-Abkommen86 oder auch das Gutachten 2/00 sl zum Protokoll von Cartagena belegen. Hier hatte der EuGH für den Bereich des Luftverkehrs bzw. für den Bereich der grenzüberschreitenden Verbringung biotechnologisch veränderter lebender Organismen festgestellt, dass die von der Gemeinschaft durchgeführten Harmonisierungsmaßnahmen die genannten Bereiche jedenfalls nur partiell abdeckten, somit für den von den Open Skies-Abkommen bzw. vom Cartagena-Protokoll geregelten Gesamtbereich keine ausschließliche (ungeschriebene) Gemeinschaftskompetenz gegeben sei. 88

c) Schlussfolgerungen Nach der Rechtsprechung sind die meisten gemeinschaftlichen Außenkompetenzen nicht in dem oben genannten Sinne ausschließlicher Natur. Daher kann zumeist lediglich ein Teilbereich eines geplanten Abkommens der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz zugeordnet werden. Auf diese Weise wird der Abschluss gemischter Abkommen auch dadurch bedingt, dass - trotz bestehender Gemeinschaftskompetenz für die in Rede stehende Vertragsmaterie - eine Beteiligung der Mitgliedstaaten an dem jeweiligen Abkommen nicht verhindert werden kann, weil die Mitgliedstaaten nach dem EG-Vertrag weiterhin berechtigt sind, die ihnen verbliebenen konkurrierenden oder parallelen Außenkompetenzen auszuüben.89 Teilweise wird allerdings vertreten, der Abschluss gemischter Abkommen sei in den genannten Fällen gemeinschaftsrechtswidrig. Er sei vielmehr nur zulässig, „ soweit die Beteiligung der Mitgliedstaaten notwendig ist, um ein Kompetenzdefizit der Gemeinschaft abzugleichen", also ausschließlich in dem oben beschriebenen Fall der von vornherein mangelnden gemeinschaftlichen Abschlusskompetenz 90 Dieser Argumentation ist der EuGH allerdings nicht gefolgt. Im Zusam85 EuGH Slg. 2002,1-9855 (Open Skies) Rn. 108. 86 EUGH Slg. 2002,1-9855 (Open Skies). 87 EuGH Slg. 2001,1-9713 (Gutachten 2/00). 88 Vgl. EuGH Slg. 2002,1-9855 (Open Skies) Rn. 114 ff., m. Anm. Pitschas (EuZW 2003, 92 ff.), und EuGH Slg. 2001,1-9717 (Gutachten 2/00) Rn. 45 f., m. Anm. Pitschas (EuZW 2002, 117 ff.). 89 Gilsdorf, EuR 1996, 160; Hüwelmeier, Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, 390; MacLeod/Hendry /Hyett, The External Relations of the ECs, 143; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 36 f.; Neuwahl, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 139, 151; Cremona, in: Craig/de Burca, Evolution, 158. 90 Geiger, JZ 1995, 973, 977, Henze, EuR 1995, 76, 81 f.; begründet wird diese Ansicht damit, dass durch gemischte Abkommen die Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten verschleiert werde und daher die Gefahr einer Aushöhlung der Gemeinschaftskompetenzen bestehe.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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menhang mit der Frage, ob das vierte Lomé-Abkommen als gemischter Vertrag geschlossen werden durfte, führte der Gerichtshof vielmehr aus: „Die Zuständigkeit auf diesem Gebiet [der Entwicklungshilfe] ist keine ausschließliche. Die Mitgliedstaaten sind deshalb berechtigt, selbst Verpflichtungen gegenüber den Drittländern, kollektiv oder individuell und sogar zusammen mit der Gemeinschaft einzugehen." 91

Auch in seinem WTO-Gutachten 92 und dem Urteil zu den Open Skies-Abkommen 93 hat der EuGH festgehalten, dass bei mangelnder Ausschließlichkeit bestehender Gemeinschaftskompetenzen der gemeinsame Vertragsabschluss rechtlich zulässig ist. Diese Feststellung verdient deswegen Zustimmung, weil die Gegenauffassung im Text des EG-Vertrags keinen Rückhalt findet. Im Gegenteil, es kann den Mitgliedstaaten rechtlich nicht untersagt sein, von (konkurrierenden oder parallelen) Kompetenzen Gebrauch zu machen, die ihnen nach dem Vertrag gerade eingeräumt werden. 94 Der zweite, den Abschluss gemischter Abkommen begünstigende Faktor liegt demnach in der häufig mangelnden Ausschließlichkeit bereits bestehender Gemeinschaftskompetenzen und der durch den EuGH bestätigten gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit eines gemeinsamen Vertragsschlusses in diesen Fällen. 3. Die Bestrebungen der Mitgliedstaaten Die beiden bisher behandelten Faktoren (beschränkte Vertragsschlussfähigkeit der EG und häufig mangelnde Ausschließlichkeit bestehender Gemeinschaftskompetenzen) lassen - für sich betrachtet - den Abschluss gemischter Verträge zwar möglich, nicht aber in jedem Fall zwingend erscheinen.95 Es bleibt durchaus denk91 EuGH Slg. 1994,1-625 (Parlament/Rat-Lomé) Rn. 26 [Hervorhebung nicht im Original]. 92

s. eingehender hierzu noch unten 4. a). s. eingehender hierzu noch unten 4. d). 94 MacLeod/Hendry/Hyett, The External Relations of the ECs, 143; Rosas, in: Dashwood / Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 203 ff. 95 Anders dagegen G A La Pergola in seinen Schlussanträgen im Fall Portugal /Rat, der den Abschluss eines gemischten Abkommens bei Vorliegen einer der genannten Faktoren als grundsätzlich zwingend ansieht: „Es trifft zu, dass die Gemeinschaft nach diesem Gutachten nicht über eine ausschließliche Zuständigkeit auf dem Gebiet des geistigen Eigentums verfügt, dass vielmehr eine mitwirkende Zuständigkeit der Mitgliedstaaten anzunehmen ist. Damit ist gesagt, dass die Form des gemischten Abkommens zu wählen ist, wenn eine externe Regelung über diese Materie getroffen werden soll." [EuGH Slg. 1996 1-6177 (Portugal / Rat) Rn. 41; Hervorhebung nicht im Original]. Diese Ansicht wird allerdings nicht näher begründet und eine Begründung für eine zwingende Notwendigkeit des Abschlusses gemischter Abkommen bei fehlender Ausschließlich93

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

bar, dass es auch bei Vorliegen der genannten Faktoren nicht zum Abschluss gemischter Verträge kommt. Einerseits könnten die Mitgliedstaaten davon absehen, bei mangelnder Ausschließlichkeit einer Gemeinschaftskompetenz von ihren (parallelen bzw. konkurrierenden) Befugnissen Gebrauch zu machen. Andererseits erscheint es auch möglich, dass nur Materien völkervertraglich zwischen der Gemeinschaft und dritten Vertragspartnern geregelt werden, die in die Kompetenz der Gemeinschaft fallen. Eine Ausnahme hiervon liegt freilich immer dann vor, wenn der Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens allein mit der Gemeinschaft unter Aussparung derjenigen Vertragsbestimmungen, die der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterliegen, nicht möglich ist, ohne den Sinn des gesamten Vertrages in Frage zu stellen. Eine solche Situation war beispielsweise beim Seerechtsübereinkommen gegeben: Das Übereinkommen erfasst sowohl Bereiche der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz (ζ. B. Erhaltung und Bewirtschaftung der Seefischerei in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten und auf Hoher See nach den Art. 116 ff. SRÜ 96 ), als auch Regelungsmaterien, die der ausschließlichen mitgliedstaatlichen Kompetenz unterfallen (beispielweise Bestimmungen, die die Ausübung von Hoheitsrechten in den Meereszonen betreffen, vgl. u. a. Art. 25 des SRÜ). Da es aber Anliegen des Abkommens war, umfassend das gesamte Seevölkerrecht in Form eines package deal in einem einheitlichen Vertragswerk neu zu ordnen, hätte eine Aufteilung in verschiedene Verträge, je nach Zuständigkeiten der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten, dieser Zielsetzung von Beginn an widersprochen. In einem solchen Fall erscheint der Abschluss eines gemischten Abkommens - einzig aufgrund der beschränkten Völkerrechtsfähigkeit der Gemeinschaft - als zwingend notwendig.97 Die Tatsache, dass es aber auch dann, wenn die gerade beschriebene Ausnahmesituation nicht vorliegt, häufig zum Abschluss gemischter Abkommen kommt, muss somit noch durch einen dritten Faktor bedingt sein. Dieser dritte Faktor ist in den politisch motivierten Bestrebungen der Mitgliedstaaten zu sehen, die möglichst den Abschluss reiner Gemeinschaftsabkommen verhindern wollen, um selbst als Akteure auf internationaler Ebene präsent zu bleiben und ihre Bedeutung als souveräne Staaten in den internationalen Beziehungen zu wahren. 98 Die Mitgliedkeit einer Gemeinschaftskompetenz ist auch nicht erkennbar. In dem hier vertretenen Sinne auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 42: „the fact that the Community's competence to conclude a given agreement is non-exclusive by no means implies that the participation of the Member States would be legally necessary, as is sometimes believed." 96 Vgl. diesbezüglich die Kompetenzabgrenzungserklärung der Gemeinschaft zum Seerechtsübereinkommen, AB1.EG 1998 L 179/130. 97 Ehlermann (in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 6) und Leal-Arcas (6 EFARev. (2001), 483, 494) sprechen in diesem Fall von „obligatory mixity". s. auch Mogele, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 300 Rn. 35. 98 Tomuschat, in: Hilf/ Tomuschat, EG und Drittlandsbeziehungen, 139, 146; Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 7; Bourgeois, in: Bourgeois/Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 83, 85; Lorenz, Die EG in der WTO, 102; Mögele, in:

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Staaten sehen somit im Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens neben der verbindlichen Regelung eines Sachverhalts auf internationaler Ebene, gerade auch einen Ausdruck ihrer nationalen Eigenständigkeit." Die Ablehnung reiner Gemeinschaftsabkommen auf Seiten der Mitgliedstaaten beruht aber nicht nur auf ihrem Bestreben nach Wahrung ihrer Souveränität auf internationaler Ebene. Daneben fürchten sie auch, dass die Gemeinschaft mit dem Vertragsschluss den gesamten von dem jeweiligen Abkommen geregelten Bereich insofern an sich zieht, als sie eine ausschließliche Zuständigkeit für dessen Umsetzung reklamiert. 100 Schließlich wird noch darauf verwiesen, dass der alleinige Abschluss eines völkerrechtlichen Abkommens durch die Gemeinschaft auch für diese selbst Nachteile mit sich bringe, da er zum Verlust von Stimmrechten in den durch die jeweiligen Verträge geschaffenen Organen führe. Hintergrund dieser Annahme bildet dabei die Tatsache, dass die Gemeinschaft bei gemischten Abkommen regelmäßig über die Anzahl der Stimmen der beteiligten Mitgliedstaaten verfügt, während ihr bei alleiniger Teilnahme nur eine Stimme zugestanden wird. 1 0 1 Aus den genannten Gründen versuchen die Mitgliedstaaten entweder Materien in einen Vertrag einzubeziehen, die außerhalb der Gemeinschaftskompetenz liegen, 102 oder sie berufen sich auf das Fehlen einer (ausschließlichen) Zuständigkeit der Gemeinschaft für gewisse Bereiche eines Abkommens. Letzteres wird häufig dadurch erleichtert, dass sich eine eindeutige Zuordnung von Vertragsmaterien in die Zuständigkeit der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten als schwierig gestalStreinz, EUV/EGV, Art. 300 Rn. 36; Timmermans, in: Dashwood / Hillion, The General Law of EC External Relations, 239, 240; Weiler, in: O'Keeffe/ Schermers, Mixed Agreements, 35, 75; Louis, in: Colneric / Edward / Puissochet / Colomer, Festschrift für Rodriguez Iglesias, 315, 326. 99 Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzabkommen, 127. 100 Zu diesem so genannten „umgekehrten AETR-Effekt" s. Dashwood, in: Bourgeois/ Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 93, 96; Zampini, in: Bourgeois/Dewost/ Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 27, 42; Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzabkommen, 128; die Befürchtungen der Mitgliedstaaten vor dem „umgekehrten AETR-Effekt" wurden auch auf den Beratungen des Verfassungskonvents artikuliert, als es um die Neufassung des Art. 133 EG ging. Hieraus erklärt sich schließlich, dass der neue Art. 133 (Art. III-217 des Verfassungsentwurfs, CONV 850/03), der eine Ausweitung der gemeinschaftlichen Außenkompetenz im Bereich der Handelspolitik vorsieht, ausdrücklich klarstellt: „Die Ausübung der in diesem Artikel übertragenen handelspolitischen Befugnisse keine Auswirkungen hat auf die Kompetenzabgrenzung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten (vgl. Art. III-217 V des Verfassungsentwurfs, CONV 850/03). ιοί Vgl. hierzu mit Beispielen Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 302 Rn. 40; s. auch Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzabkommen, 128; Weiler, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 35, 75; Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 13. 102 Mögele, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 300 Rn. 36.

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tet, so dass sich die EG - zur Vermeidung einer langwierigen Streitigkeit vor dem EuGH - zunehmend als Kompromisslösung auf den Abschluss eines gemischten Vertrages einlässt. 103 In der Regel sind es somit die Bestrebungen der Mitgliedstaaten, die im Zusammenspiel mit den beiden zuerst genannten Faktoren (der begrenzten Völkerrechtssubjektivität und der mangelnden Ausschließlichkeit gemeinschaftlicher Kompetenzen) den Abschluss gemischter Abkommen bedingen. Die Bedeutung dieser drei Elemente für das Zustandekommen gemischter Verträge soll nunmehr unter Bezugnahme auf einige in der Vergangenheit geschlossene Abkommen verdeutlicht werden. 4. Ausgewählte Beispiele a) Das WTO-Übereinkommen In seinem Gutachten 1/94 hatte der Gerichtshof die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 300 V I EG vorgebrachte Frage zu klären, ob die EG allein berechtigt sei, die Abkommen zur Errichtung der neu zu gründenden Welthandelsorganisation abzuschließen oder ob es der zusätzlichen Beteiligung der Mitgliedstaaten bedürfe. 104 Problematisch war dabei vor allem die Kompetenz der EG zum Abschluss der in das WTO-Abkommen integrierten GATS- und TRIPS-Übereinkommen. 105 Im Ergebnis entschied der EuGH, dass das Gemeinschaftsrecht einer separaten Beteiligung der Mitgliedstaaten am WTO-Abkommen nicht entgegenstehe. Das WTO-Übereinkommen wurde daraufhin als gemischter Vertrag geschlossen, wobei sich in dieser Tatsache das Zusammenspiel derjenigen Faktoren wiederspiegelt, die nach den obigen Ausführungen für die Entstehung gemischter Verträge verantwortlich sind: Begünstigt wurde der Abschluss des WTO-Abkommens als gemischtes Abkommen zunächst durch die generell begrenzte Völkerrechtsfähigkeit der EG, die sich in der restriktiven Interpretation der Kompetenz nach Art. 133 EG zeigte. 106 Denn wäre der Gemeinschaft auf dieser Basis eine Kompetenz zuerkannt worden, so hät103 Groux/Martin, Die EGen in der Völkerrechtsordnung, 61; Oppermann, Europarecht, Rn. 1710; Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 8; Tomuschat, in: Hilf/Tomuschat, EG und Drittlandsbeziehungen, 139, 146. 104 EUGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94); s. auch schon oben Α. II. 1.

•05 Zum Regelungsinhalt der GATS- und TRIPS-Übereinkommen, s. ο. Α. II. 1. 106 Der Gerichtshof hatte entschieden, dass weite Bereiche der GATS- und TRIPS-Abkommen nicht der Kompetenznorm des Art. 133 EG unterfielen, s. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94), Rn. 44 ff. Hierzu eingehend mit z.T. sehr kritischen Anmerkungen Bourgeois, 32 CMLRev. (1995), 763; Cremona, in: Weiler, The EU, the WTO and NAFTA, 5; Flory/ Martin, 32 CDE (1996), 379, 381 ff.; Hilf, 6 EJIL (1995), 245 ff.; Krenzier/da Fonseca-Wollheim, EuR 1998, 223; Auvret-Finck, 31 RTDE (1995), 322, 326 f.; Pescatore, 36 CMLRev. (1999), 387 ff.; Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 139 f.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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te das WTO-Abkommen - aufgrund der vom EuGH angenommenen Ausschließlichkeit der Kompetenz nach Art. 133 E G 1 0 7 - von vornherein nicht als gemischtes Abkommen geschlossen werden dürfen. Letztlich hat es im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen aber nicht entscheidend an der begrenzten Völkerrechtsfähigkeit der Gemeinschaft gemangelt. Ausschlaggebend dürfte vielmehr die fehlende Ausschließlichkeit von außerhalb des Art. 133 EG liegenden gemeinschaftlichen Zuständigkeiten gewesen sein und die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten die sich hieraus ergebende Möglichkeit der (an sich nicht zwingend notwendigen) Beteiligung am Übereinkommen genutzt haben: Die mangelnde Ausschließlichkeit bestehender gemeinschaftlicher Zuständigkeiten zeigte sich im Bereich der Diskussion um implizite Gemeinschaftskompetenzen zum Abschluss der GATS- und TRIPS-Abkommen. 108 Der EuGH hat auf der Grundlage solcher impliziter Kompetenzen nämlich eine (a priori bestehende) ausschließliche Gemeinschaftskompetenz für den Abschluss des gesamten WTOAbkommens ausdrücklich abgelehnt.109 Gleichzeitig lassen sich die Äußerungen des Gerichtshofes allerdings dahingehend deuten, dass zumindest eine konkurrierende (ungeschriebene) Kompetenz der Gemeinschaft gegeben war. Grundsätzlich muss zwischen den Anforderungen an die (von vornherein bestehende) Ausschließlichkeit einer impliziten Kompetenz und einer zunächst konkurrierenden ungeschriebenen Kompetenz unterschieden werden. Dabei sind an das Vorliegen einer (a priori) ausschließlichen impliziten Außenkompetenz strengere Anforderungen zu stellen, als an das Bestehen solcher ungeschriebener Kompetenzen, die zunächst konkurrierender Natur sind und erst durch das Hinzutreten weiterer Voraussetzungen zu ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen werden können. 110 Diese Interpretation der EuGH-Rechtsprechung scheint auch vom Europäischen Verfassungskonvent geteilt zu werden. In der Absicht die bisherige Rechtsprechung zu impliziten Kompetenzen festzuschreiben 111, finden sich im Verfassungsentwurf sowohl Bestimmungen zur Frage des Bestehens, als auch zur Frage der (a priori bestehenden) Ausschließlichkeit impliziter Kompetenzen. Auffällig hierbei sind die jeweils unterschiedlich gewählten Formulierungen: Soweit es das Bestehen einer (dann zunächst konkurrierenden) impliziten Kompetenz betrifft, so soll dies u. a. gegeben sein,

107 St. Rspr. seit EuGH Slg. 1975,1355 (Gutachten 1/75). los EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1 /94) Rn. 72 ff. 109 EuGH, Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1 /94) Rn. 72 ff. no Lecheler, Einführung in das Europarecht, 350 ff.; s. auch Lorenz, Die EG in der WTO, 96 ff. m Vgl. den Bericht der Arbeitsgruppe „Rechtspersönlichkeit" des Verfassungskonvents (CONV 459/02, Rn. 18); s. hierzu auch Louis, in: Colneric/Edward/Puissochet/Colomer, Festschrift für Rodriguez Iglesias, 315, 324.

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung „wenn der Abschluss einer Übereinkunft im Rahmen der Politik der Union zur Verwirklichung eines der in der Verfassung festgesetzten Ziele erforderlich ist.. ,". 112

Geht es hingegen um die Frage der (von Beginn an bestehenden) Ausschließlichkeit einer solchen Kompetenz, findet sich im Entwurf folgender Vorschlag: „Die Union verfügt über eine ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss eines internationalen Übereinkommens, wenn dieser Abschluss ... notwendig ist, um der Union die Ausübung ihrer Zuständigkeit auf interner Ebene zu ermöglichen .. .". 113

Aus diesen unterschiedlichen Formulierungen, die im Übrigen nahezu wörtlich Aussagen aus Urteilen des Gerichtshofes entnommen sind, 114 lässt sich Folgendes schließen: Für die Annahme des Bestehens einer (im Grundsatz konkurrierenden) impliziten Kompetenz reicht es aus, wenn der Vertragsschluss durch die Gemeinschaft auf der Grundlage einer Binnenkompetenz deswegen erforderlich erscheint, weil dadurch ein Vertragsziel gefördert wird. Im zweiten Fall (Annahme einer a priori bestehenden Ausschließlichkeit) muss der Vertragsschluss dagegen auf der Basis einer Innenkompetenz deswegen notwendig sein, weil ohne den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages mit Drittstaaten die Gemeinschaft auch ihre Binnenkompetenz in diesem Bereich nicht effektiv ausüben könnte. Ein Tätigwerden der Gemeinschaft auf internationaler Ebene muss also zwingend geboten sein. 115 Im WTO-Gutachten hat der EuGH nunmehr zwar keine zwingende Erforderlichkeit des Abschlusses des WTO-Übereinkommens allein durch die Gemeinschaft angenommen, da die Effektivität der Ausübung der gemeinschaftlichen Kompetenzen im Bereich der GATS- und TRIPS-Abkommen nicht von vornherein vom Abschluss eines Abkommens mit Drittstaaten abhänge.116 Daher verneinte der Gerichtshof eine (a priori bestehende) Ausschließlichkeit der ungeschriebenen Kompetenzen zum Abschluss des Übereinkommens. Dass der Abschluss des gesamten WTO-Abkommens auf der Basis impliziter Kompetenzen aber gleichsam möglich gewesen, weil das Vertragsziel der Vollendung des Binnenmarktes durch fortschreitende Harmonisierung hierdurch gefördert worden wäre, lässt sich folgender Aussage entnehmen: 112 Vgl. Art. III-225 I Hs. 2 des Verfassungsentwurfs (CONV 850/03; Hervorhebung nicht im Original). 113 Vgl. Art. 12 II des Verfassungsentwurfs (CONV 850/03; Hervorhebung nicht im Original). 114 Wobei der Gerichtshof - allerdings anders als der Verfassungsentwurf - bei Verwendung dieser Formulierungen nicht ausdrücklich, wohl aber aus dem Zusammenhang ersichtlich, zwischen den Kategorien des „Bestehen" und der „Ausschließlichkeit" impliziter Kompetenzen trennt, vgl. EuGH Slg. 1994, 1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 89, wodurch die Aussagen des Gerichtshofes im Gutachten 1/76 (EuGH, Slg. 1977, 741) konkretisiert werden; s. auch EuGH Slg. 2002, 1-9855 (Open Skies) Rn. 82-83, hierzu eingehend Thym, EuR 2003, 277, 286 f. 115 Lecheler, Einführung in das Europarecht, 352; Dashwood, 41 CMLRev. (2004), 355, 372; s. zum Ganzen auch Fassbender, 42 AVR (2004), 26, 33 ff. 116 EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 86 bzw. 100.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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„Sollte dieses Argument so zu verstehen sein, dass all diese Fragen in eine Art den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Bereich gehören, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Gemeinschaft hat mit Sicherheit eine Zuständigkeit für die Harmonisierung der nationalen Vorschriften in diesen Bereichen, soweit sich diese, wie es in Artikel 100 EG-Vertrag heißt, »unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken'." 117

Hieraus kann geschlossen werden, dass nach Ansicht des Gerichtshofes nicht nur für den Bereich des GATT, sondern auch für weitere Bereiche des WTO-Abkommens eine (im letzteren Fall ungeschriebene) Außenkompetenz bestand, die im Grundsatz aber eben nicht ausschließlich, sondern nur konkurrierend war. 118 Folgt man dieser - zugegebenermaßen nicht unumstrittenen 119 - Interpretation, so hätten die Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat von den entsprechenden Binnenkompetenzen der Gemeinschaft (Artt. 95 und 308 EG) Gebrauch machen können und auf diese Weise den Abschluss des WTO-Abkommens als reines Gemeinschaftsabkommen ermöglicht. Die Mitgliedstaaten hatten aber gerade im für den internationalen Wirtschaftsverkehr so bedeutsamen Bereich der Welthandelsorganisation ein besonderes Bedürfnis, als eigenständige Völkerrechtssubjekte international präsent zu bleiben.

b) Assoziationsabkommen Zur Verdeutlichung des Zusammenspiels der für die Entstehung gemischter Abkommen verantwortlichen Faktoren lässt sich auch die Tatsache anführen, dass im Bereich von Assoziationsabkommen bis auf zwei Ausnahmen 120 sämtliche Verträge als gemischte Abkommen geschlossen wurden. Dieser fast standardisierte Abschluss von Assoziationsabkommen als gemischte Verträge wäre - rein rechtlich betrachtet - durchaus vermeidbar gewesen. Denn der materielle Regelungsgehalt von Art. 310 EG, der der Gemeinschaft nach seinem Wortlaut die Befugnis einräumt, mit dritten Staaten oder internationalen Organisationen Abkommen zu schließen, die eine Assoziierung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, gemeinsamem Vorgehen und besonderen Verfahren herstellen, wird seit jeher vom Ge117 EUGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 104. us So ausdrücklich Gilsdorf, EuR 1996, 145, 156-157; Koutrakos, 1 EFARev. (2002), 25, 27; ähnlich auch Rosas, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, Mixed Agreements as a Technique, 125, 132, 140; Tridimas / Eeckhout, 14 YEL (1994), 143, 174; Leal-Areas, 6 EFARev. (2001), 483, 495. 119 Zur Gegenansicht, s. Dashwood, in: Bourgeois/Dewost/Gaiffe, La CE et les accords mixtes, 93, 95, der davon ausgeht, dass der Abschluss des WTO-Abkommens nicht vom politischen Willen der Mitgliedstaaten abhing, sondern - aufgrund der begrenzten Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft - zwingend erforderlich war; s. auch Neuwahl, in: Dashwood/ Hillion, The General Law of EC External Relations, 139, 142 ff.; Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 146-147. 120 Vgl. die Nachweise unter Α. I.

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

richtshof weit verstanden. Assoziierung bedeutet danach weitgehende Annäherung an den Integrationsprozess der EG, ohne jedoch Mitglied in der Gemeinschaft zu sein und in deren Organen mitzuwirken. Es darf daher durch einen Assoziationsvertrag alles geregelt werden, was auch innerhalb der Gemeinschaft geregelt werden kann. 121 Die Bestrebungen der Mitgliedstaaten haben jedoch zur Aufnahme von Klauseln geführt, die auch von diesem weiten Assoziationsbegriff nicht mehr erfasst werden und der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterfallen. So wurde beispielsweise das bereits angesprochene Cotonou-Abkommen mit den AKP-Staaten um die Vereinbarung eines politischen Dialogs ergänzt, und so dem Bereich der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit entzogen.122 Ähnliches gilt für die neue Generation der Assoziationsabkommen mit den Mittelmeerländern. 123 Die Verpflichtung zu einem solchen politischen Dialog hätte jedoch auch in einem getrennten Protokoll vereinbart werden können, was zur Folge gehabt hätte, dass das „Hauptabkommen" allein von der Gemeinschaft ratifiziert worden wäre. 124 Die Bestrebungen der Mitgliedstaaten haben aber eine beschränkte Abschlussfähigkeit der Gemeinschaft im Bereich der genannten Assoziationsabkommen herbeigeführt und daher den Abschluss als gemischtes Abkommen unausweichlich gemacht. Auch konnten die Mitgliedstaaten die Tatsache zu ihren Gunsten nutzen, dass bis heute ungeklärt ist, ob es sich bei der Gemeinschaftskompetenz nach Art. 310 EG um eine ausschließliche Kompetenz handelt. 125 Der EuGH hat sich hierzu bisher noch nicht eindeutig geäußert. Es war den Mitgliedstaaten somit auch möglich, darauf zu verweisen, die Kompetenz nach Art. 310 EG verlaufe parallel und schließe eine mitgliedstaatliche Beteiligung an Assoziationsabkommen von vornherein nicht aus.

121 EuGH Slg. 1987, IV-3719 (Demirel) Rn. 9. Eine entgegengesetzte Auffassung wird teilweise in der Literatur vertreten, wonach Art. 310 EG entweder keine materielle Abschlusskompetenz darstellen, oder Art. 310 nur für so genannte „Beitrittsassoziationen" taugliche Rechtsgrundlage sein soll, zum Streitstand ausführlich Lecheler ! Gundel, Übungen im Europarecht, Fall 16, 248 f.; Richter, Die Assoziierung osteuropäischer Staaten, 90 ff.; Schön, Der rechtliche Rahmen für Assoziierungen, 14 ff.; Hirsch, BayVB1.1997,449. 122 Vgl. Art. 8 des „Cotonou-Abkommen" (AB1.EG 2000, L 317/3, 8), hierzu Martenczuk, 5 EFARev. (2000), 461,484. 123 Vgl. u. a. Artt. 3 - 5 des „Europa-Mittelmeer-Abkommens" mit Marokko (AB1.EG 2000 L 70/2, 4); Artt. 3 - 5 des „Europa-Mittelmeer-Abkommens" mit Israel (AB1.EG 2000 L 147/3,4). 124 Hierzu Krenzler/da Fonseca-Wollheim, EuR 1998, 223, 229; Krenzier/Pitschas, EuR 2001, 442, 447; Hahn, in: Calliess/Ruffert, EG/EU-Kommentar, Art. 133 Rn. 16; s. auch Fischer, Das Assoziationsrecht der EG, 186. 125 Vgl. Ott, in: Kronenberger, The EU and the International Legal Order, 95, 104; Gasparon, 10 EJIL (1999), 605, 611.

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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c) Umweltschutzabkommen Die Kompetenz zum Abschluss von völkerrechtlichen Abkommen im Umweltbereich ergibt sich aus Art. 175 I EG i.V.m. der AETR - Doktrin. Insofern handelt es sich um eine implizite Außenkompetenz.126 Art. 174 IV S. 2 EG, der vorsieht, dass die Gemeinschaft Einzelheiten der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten im Umweltbereich zum Gegenstand von völkerrechtlichen Abkommen machen darf, kommt dabei nur rein deklaratorische Bedeutung zu, wie sich aus Art. 174IV S. 1 EG ergibt, wonach der Gemeinschaft die Zusammenarbeit mit dritten Völkerrechtssubjekten nur „im Rahmen ihrer Befugnisse" gestattet ist. 1 2 7 Die Tatsache, dass gemischte Abkommen im Umweltbereich so zahlreich abgeschlossen werden, wird nun zunächst dadurch bedingt, dass die Gemeinschaft auf diesem Gebiet noch nicht alle ihre Binnenkompetenzen durch den Erlass von Sekundärrechtsakten aktualisiert hat. Deswegen stehen ihr in vielen Bereichen des Umweltschutzes bisher zumindest keine ausschließlichen Kompetenzen zu, wodurch den Mitgliedstaaten eine Beteiligung an den jeweiligen Abkommen ermöglicht wird. 1 2 8 Daneben haben die im Rat versammelten Vertreter der Mitgliedstaaten bei Abkommen, die sowohl Bereiche der Handels- als auch der Umweltpolitik betrafen, überwiegend darauf bestanden, dass der Abschluss dieser Verträge auf Gemeinschaftsseite auf Art. 1751 EG und nicht auf Art. 1331 EG gestützt wird. 1 2 9 Auf diese Weise wurden solche Abkommen der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit nach Art. 133 I EG entzogen und konnten als gemischte Abkommen geschlossen werden. 130 Insofern zeigen sich auch hier die politischen Bestrebungen der im Rat vertretenen Mitgliedstaaten, denen daran gelegen ist, die Kompetenz zum Abschluss dieser Abkommen nicht der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz zuzuord126 Calliess, ZUR 2003, 129, 132; Jahns-Böhm, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 174 Rn. 30; Breier/Vygen, in: Lenz, EU/EG-Kommentar, Art. 174 Rn. 23; Breier, EuR 1993, 347 f.; Epiney, Umweltrecht in der EU, 10 ff. und 79 ff.; Schwer, Die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Umweltschutzes, 128 ff. 127 Thiel, Umweltrechtliche Kompetenzen in der EU, 190; v. Horstig, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzabkommen, 32.; Kahl, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 174 Rn. 108; a.A. Eberle (Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 49), die Art. 174IV EG als Kompetenz- und nicht als bloße Aufgabennorm versteht. 128 So hat der EuGH kürzlich genau mit dieser Begründung eine ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft für den Abschluss des gesamten Protokolls von Cartagena auf der Grundlage von Art. 175 I EG abgelehnt, vgl. EuGH Slg. 2001, I- 9717 (Gutachten 2/00) Rn. 46; kritisch Schwarz, 6 ZEuS (2003), 51, 70 f.; Herrmann, NVwZ 2002, 1168, 1174. 129 Vgl. Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltabkommen, 55 f.

1 30 So hat der Rat beispielsweise - entgegen der Auffassung der Kommission (vgl. KOM (90) 362) - den Abschluss des „Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Baseler Übereinkommen)", ABl.EG 1993 L 39/3 ff., auf Art. 175 I EG gestützt; s. Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltabkommen, 56. 4 Oen

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

nen. Denn gerade im sensiblen Umweltschutzbereich ist es für die Mitgliedstaaten bedeutsam, weiterhin an den einschlägigen Verträgen beteiligt zu sein. Diese vom Rat vertretene Auffassung hinsichtlich der Wahl der richtigen Rechtsgrundlage (ob Art. 133 oder Art. 175 EG) wurde bislang vom EuGH überwiegend akzeptiert, 131 obwohl ihr durchgreifende rechtliche Bedenken zumindest dann entgegenstehen, wenn ein Abkommen überwiegend handelsrechtlichen Charakter hat und umweltschutzrechtliche Aspekte lediglich als Begleiterscheinung miteinbezogen werden. 132 Mittlerweile hat daher auch der Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall eine Einschlägigkeit von Art. 133 EG und nicht von Art. 175 EG bejaht, womit gleichzeitig eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit für den Abschluss des in Frage stehenden „ Energy Star-Abkommens " angenommen werden konnte. 133 Bleibt der EuGH bei dieser Linie, so dürfte sich die Zahl gemischter Umweltschutzabkommen zukünftig verringern.

d) Open Skie s-Abkommen Mehrere Mitgliedstaaten haben 1996 bilaterale Luftverkehrsabkommen mit den USA geschlossen.134 Die Kommission sah im Abschluss dieser sogenannten „Open Skies-Abkommen" einen Verstoß gegen den EG-Vertrag, da sie für die von den Abkommen geregelten Bereichen von einer ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit ausging. Der daraufhin angerufene Gerichtshof gab im November 2002 der Klage allerdings nur teilweise statt, da er nur für Teilbereiche der Open Skies-Abkommen eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit annahm.135 Im Anschluss entschied sich die Kommission, dem Rat den Vorschlag zu unterbreiten, zukünftig ein Luftverkehrsabkommen mit den USA als gemischten Vertrag unter Mitwirkung sowohl der Gemeinschaft als auch der teilnahmewilligen Mitgliedstaaten abzuschließen.136 131 Vgl. etwa EuGH Slg. 2001,1- 9717 (Gutachten 2/00) = EuZW 2002,113 ff. 132 s. die scharfe Kritik an dem Gutachten 2/00 zum Protokoll von Cartagena von Herrmann (NVwZ 2002, 1168, 1174), der von einem „schleichenden Bedeutungsverlust" des Art. 133 EG ausgeht, der nicht zuletzt deswegen bedenklich sei, weil der Umweltschutz auf Grund der Querschnittsklausel des Art. 6 EG im Rahmen der Art. 131 ff. mitverfolgt werden müsse. Ähnlich auch Schwarz, 6 ZEuS (2003), 69 f. 133 Vgl. EuGH Slg. 2002 1-11221 (Energy Star) Rn. 33 ff.; hierzu Nef rami, RMCUE 2003, 461 ff. 134 Bilaterale Luftverkehrsabkommen mit den USA wurden von Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Schweden, Finnland, Belgien, Luxemburg und Österreich geschlossen. Zur Vorgeschichte eingehend Stadlmeier, ZÖR 2003, 165 ff.; Gassner/Deichstätter, EWS 2003, 265, 267; Slot/Dutheil de la Rochère, 40 CMLRev. (2003), 697, 700 f.; Hejfernan/McAuliffe, 28 ELRev. (2003), 601, 603 ff. 135 Vgl. EuGH Slg. 2002,1-9855 (Open Skies). 136 s. die „Mitteilung der Kommission über die Luftverkehrsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten" vom 26. 2. 2003, KOM (2003) 94 endgültig, Rn. 27 ff.; mitt-

Β. Motive für den Abschluss gemischter Abkommen

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In der Literatur wurde daraufhin angenommen, diese Entscheidung sei unumgänglich gewesen, da eine zwingende rechtliche Notwendigkeit bestanden hätte, ein Luftverkehrsabkommen mit den USA als bilaterales gemischtes Abkommen zu schließen.137 Demnach läge hier eine ähnliche Situation wie bei der Seerechtskonvention vor, bei der der Abschluss als gemischtes Abkommen ebenfalls rechtlich zwingend war. 138 Diese Ansicht erscheint jedoch vor dem Hintergrund der Aussagen des EuGH in seinem oben skizzierten Urteil zweifelhaft. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gerichtshof - wie auch im Gutachten 1/94 für das WTO-Übereinkommen der Gemeinschaft die konkurrierende (ungeschriebene) Außenkompetenz für sämtliche Bereiche der bilateralen Luftverkehrsabkommen zusprach und nur eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit für das gesamte Luftverkehrsabkommen verneinte. Denn letztendlich ging es bei der Klage der Kommission nur um diese Frage (Bestehen einer ausschließlichen Kompetenz). Bei Bestehen konkurrierender Kompetenzen und deren Ausübung durch die Mitgliedstaaten hätte keine Vertragsverletzung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 226 EG festgestellt werden können. Für die Annahme einer konkurrierenden Kompetenz für den Gesamtbereich der Open Skies-Abkommen spricht insbesondere die Tatsache, dass der Gerichtshof ausdrücklich hervorhob, Art. 80 II EG könne „ vom Rat als Rechtsgrundlage verwendet werden, um der Gemeinschaft im Einzelfall die Befugnis zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages über den Luftverkehr zuzuerkennen... " 1 3 9 Auf der Grundlage des Art. 80 II EG wäre es dem Rat demnach im konkreten Fall rechtlich möglich gewesen, der Kommission die Ermächtigung zu erteilen, ein Luftverkehrsabkommen mit den USA - nur im Namen der Gemeinschaft - auszuhandeln.140 Dass es hierzu nicht gekommen ist, bedingt somit die Entscheidung der Mitgliedstaaten, selbst entsprechende (konkurrierende) Kompetenzen auszuüben und dies nicht der Gemeinschaft zu überlassen. Eine sich aus dem EG-Vertrag ergebende rechtlich zwingende Notwendigkeit für den Abschluss gemischter bilateraler Open Skies-Abkommen mit den USA besteht demnach allerdings nicht. 141 lerweile wurden entsprechende Verhandlungen mit den USA auch aufgenommen, s. hierzu Hoffmeister, 98 AJIL (2004), 567, 571. 137 Vgl. Lavranos (LIEI 2003, 81, 90): „ . . . it is for the reasons set out in this note, inevitable that a future „open skies" agreement with the USA will be concluded by both the EC and the Member States." [Hervorhebung nicht im Original]. 138 s. ο. Β. II. 3. 139 EuGH Slg. 2002,1-9855 (Open Skies) Rn. 80-81. 140 Eingehend hierzu Thym (EuR 2003, 277, 285 ff.). 141 s. auch Thym (EuR 2003, 277, 287): „Unabhängig von der vorherigen Ausübung der Binnenmarktkompetenz kann die Gemeinschaft umfassende Luftverkehrsabkommen schließen, soweit der politische Entscheidungsprozess nach Maßgabe des Verfahrens des Art. 300 EGV dies unterstützt." Ähnlich auch Gassner/Deichstätter, EWS 2003, 265, 270. 4*

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1. Kap.: Bedeutung gemischter Abkommen und rechtliche Begründung

C. Ergebnis des ersten Kapitels Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass gemischten Verträgen erhebliche praktische Bedeutung zukommt, da die bedeutendsten von der EG ratifizierten völkerrechtlichen Abkommen (vor allem das WTO- und das Seerechtsübereinkommen) in dieser Rechtsform geschlossen wurden. Erklären lässt sich diese Bedeutung im Wesentlichen dadurch, dass Regelungsmaterien völkerrechtlicher Verträge häufig in ihrer Gesamtheit nicht in die (generell begrenzte) Abschlusskompetenz der Gemeinschaft, zumindest aber nicht in deren ausschließliche fallen. Regelmäßig verbleiben Teile eines völkerrechtlichen Vertrages - nach der gemeinschaftsinternen Kompetenzaufteilung - im zumindest konkurrierenden Kompetenzbereich der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten. In diesen Fällen werden die entsprechenden Kompetenzen dann allerdings nicht von der EG, sondern den Mitgliedstaaten ausgeübt, womit diese sicherstellen, als eigenständige Akteure auf internationaler Bühne präsent zu bleiben. Der zuletzt genannte Befund, dass der Abschluss gemischter Abkommen zumeist keine unausweichliche rechtliche Notwendigkeit darstellt, sondern von der politischen Entscheidung der Mitgliedstaaten häufig entscheidend beeinflusst wird, gewinnt ganz besonders vor dem Hintergrund der bevorstehenden EU-Osterweiterung auf 25 und mehr Mitgliedstaaten an Bedeutung. Probleme werden insofern vor allem die Ratifikationserfordernisse bei gemischten Abkommen bereiten, die schon jetzt erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen. Da an gemischten Abkommen sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten als eigenständige Völkerrechtssubjekte beteiligt sind, bedarf es jeweils separater Ratifikationen, damit der jeweilige Vertrag in Kraft treten kann. 142 Dies hat schon in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass gemischte Verträge erst nach vielen Jahren Wirksamkeit erlangten, weil zumindest einer der fünfzehn Mitgliedstaaten seinen Ratifikationsverpflichtungen nicht rechtzeitig nachkam. 143 Insofern ist es unschwer vorstellbar, 142 Völkerrechtliche Ratifikationen (die zumeist durch den Austausch oder die Hinterlegung von Ratifikationsurkunden vollzogen werden) sind zum Wirksamwerden solcher Abkommen erforderlich, die im sogenannten „zusammengesetzten" Vertragsschlussverfahren geschlossen werden. Auf diese Weise will man bei besonders bedeutsamen völkerrechtlichen Verträgen den innerstaatlichen Parlamenten die Möglichkeit der Mitbestimmung einräumen, die ihnen im „einfachen" Vertragsschlussverfahren nicht zukommt, da hier die Bindungswirkung an das jeweilige Übereinkommen bereits mit der Unterzeichnung der Vertragsurkunde eintritt (zu den Einzelheiten dieser Verfahren, s. Vitzthum, Völkerrecht, 64 ff.; Wünschmann, Geltung und gerichtliche Geltendmachung völkerrechtlicher Verträge, 38). Gemischte Abkommen werden nahezu ausschließlich in zusammengesetzten Verfahren geschlossen, was ihre besondere rechtliche und politische Bedeutung unterstreicht; eingehend Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 86 ff. 143 s. hierzu Rosas, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 208 ff. und Mögele, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 300 Rn. 66, die als anschauliches Beispiel auf ein (gemischtes) Zollabkommen mit San Marino verweisen, das mehr als zehn Jahre nach seiner Unterzeichnung in Kraft getreten ist.

C. Ergebnis des ersten Kapitels

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welche Verzögerungen eintreten werden, wenn die Union um zehn weitere Mitgliedstaaten anwächst. Abzuwarten bleibt freilich, ob sich die Mitgliedstaaten davon überzeugen lassen, tatsächlich weniger gemischte Abkommen abzuschließen. Die kürzlich erfolgte Neufassung des Art. 133 EG durch den Vertrag von Nizza deutet eher darauf hin, dass die Mitgliedstaaten auch in Zukunft an der Figur des gemischten Abkommens in der derzeit praktizierten Weise festhalten wollen, 144 zumal die Tatsache, dass unter gewissen Voraussetzungen ein völkerrechtliches Abkommen „gemeinsam von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geschlossen [wird]" nunmehr erstmals ausdrücklich im Vertragstext seinen Niederschlag gefunden hat. 145 Letztlich dürfte wahrscheinlich gerade die Erweiterung die Bestrebungen der Mitgliedstaaten nach Bewahrung ihrer Eigenständigkeit neben der Gemeinschaft noch weiter vorantreiben, könnten sie doch fürchten, anderenfalls in einem wachsenden Europa als Einzelstaaten immer weniger wahrgenommen zu werden.

144

In diesem Sinne auch die Prognose von Hahn, in: Calliess / Ruffert, EU/EG-Kommentar Art. 133 Rn. 123; Krenzier/Pitschas, EuR 2001, 442, 460 und Herrmann, EuZW 2001, 269, 274. Zu beachten sind allerdings die Vorschläge des Verfassungskonvents zu einer erneuten Änderung von Art. 133 EG, durch die insbesondere die vielen und komplizierten Ausnahmeregelungen des Art. 133 V EG abgeschafft werden sollen (vgl. Art. III-217 des Verfassungsentwurfs, CONV 850/03; s. hierzu auch Cremona, 40 CMLRev. (2003), 1347, 1363). Entsprechende Vorschläge wurden jedoch auch in Nizza von der Kommission unterbreitet (hierzu ausführlich Krenzier/Pitschas, EuR 2001, 442, 444). Damals wurden sie - vor allem unter dem Einfluss der französischen Ratspräsidentschaft - abgelehnt, so dass abermals zweifelhaft ist, ob die Pläne des Verfassungskonvents in diesem heiklen Punkt übernommen werden. 145 Vgl. Art. 133 V I UAbs. 2 S. 3 EG.

2. Kapitel

Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit bei gemischten Abkommen Im vorangegangenen Kapitel wurde aufgezeigt, dass der gemischte Vertrag regelmäßig auf einer gemeinschaftsinternen Kompetenzaufteilung beruht.1 Dabei kann die Regelungsmaterie teilweise der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit und teilweise der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterfallen, was allerdings eher den Ausnahmefall darstellt. Häufiger kommt es dazu, dass Teile eines gemischten Abkommens der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen sind, andere Bereiche jedoch lediglich von konkurrierenden Gemeinschaftskompetenzen abgedeckt werden und in diesen Bereichen die Mitgliedstaaten anstelle der Gemeinschaft die jeweiligen Kompetenzen ausüben. Es stellt sich nun die Frage, ob die sich so ergebende interne Kompetenzaufteilung auch insofern Auswirkungen hat, als Gemeinschaft und Mitgliedstaaten völkerrechtlich nur jeweils im Umfang ihrer internen Zuständigkeiten an die Bestimmungen eines gemischten Abkommens gebunden sind. Wie bereits in der Einführung erwähnt, soll die Problematik der völkerrechtlichen Bindungswirkung bei gemischten Abkommen deshalb in den Zusammenhang mit der Rolle der Gemeinschaftsgruppe in Streitschlichtungsverfahren gestellt werden, weil hiervon abhängt, wer innerhalb dieser Gruppe als Beklagter bzw. als Kläger aufzutreten hat. Grundsätzlich kann nämlich davon ausgegangen werden, dass nur derjenige Rechte geltend machen bzw. nur derjenige mit Erfolg verklagt werden kann, der an die in Streit stehenden Bestimmungen völkerrechtlich gebunden ist. Denn nach Art. 2 der International Law Commission's Articles on State Responsibility 2 trifft nur jene Staaten eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit, die einer ihnen obliegenden völkerrechtlichen Verpflichtung nicht nachkommen. Entsprechendes ist völkergewohnheitsrechtlich auch für internationale Organisationen anerkannt.3 1 Eine - in der Praxis allerdings inzwischen wenig bedeutsame - Ausnahme liegt nur dann vor, wenn sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten für alle Materien des gemischten Abkommens die parallele Zuständigkeit besitzen. 2 Der Text der Articles findet sich im Anhang zu GA-Resolution 56/83. 3 Eingehend Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 26 ff.; Tomuschat, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 177 ff.; s. auch die bereits veröffentlichten ersten Entwürfe der ILC unter Leitung von Special Rapporteur Giorgio Gaja zur völ-

2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

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Besteht also für gewisse Bestimmungen eines gemischten Vertrages entweder auf Seiten der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten keine Bindungswirkung, kann insofern in einem Streitschlichtungsverfahren auch keine völkerrechtliche Verantwortlichkeit erfolgreich geltend gemacht werden. Nach Völkergewohnheitsrecht hängt die Feststellung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit (sei es eines Staates oder einer Internationalen Organisation) allerdings nicht nur von der Bejahung der Bindungswirkung ab. Daneben ist auch Voraussetzung, dass die vorgeworfene Vertragsverletzung dem jeweiligen Völkerrechtssubjekt zugerechnet werden kann.4 Zugerechnet wird einem Völkerrechtssubjekt dabei grundsätzlich nur das Verhalten seiner eigenen Organe.5 Auch insofern ergeben sich im Zusammenhang mit gemischten Abkommen Schwierigkeiten. Dies wird dadurch bedingt, dass der Vollzug von Europarecht grundsätzlich den Mitgliedstaaten obliegt und zwar auch in Bereichen ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeit. 6 Daher kann es zu Situationen, wie beispielsweise im Zollrecht, kommen, in denen mitgliedstaatliche Stellen in Bereichen tätig werden bzw. ein Tätigwerden in Bereichen unterlassen, in denen man die Bindungswirkung für die jeweils als verletzt gerügte Bestimmung (zumindest auch) der Gemeinschaft zuweisen würde. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Gemeinschaft - trotz bestehender Bindungswirkung - für das Verhalten mitgliedstaatlicher Organe verantwortlich gemacht werden kann, ob sie sich dieses Verhalten gegebenenfalls als eigenes zurechnen lassen muss. Diese Problematik wurde in der Literatur bisher kaum behandelt.7 Es scheint als würde eine Zurechnung von Handlungen mitgliedstaatlicher Organe zur Gemeinschaft bzw. auch umgekehrt von Handlungen der Gemeinschaftsorgane zu den Mitgliedstaaten schlicht vorausgesetzt, wenn die Bindungswirkung an die in Streit stehende Vertragsverpflichtung (seitens der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten) bejaht werden kann.8 Die Diskussion konzentriert sich daher allein auf die Problematik der Bindungswirkung. Im Folgenden wird sich deshalb auch zunächst entsprechend der Zielsetzung dieses Kapitels (Darstellung des Meinungsstandes) ausschließlich hierauf beschränkt. Die Zurechnungsfrage wird anschließend im Zusammenhang mit der Darstellung der Praxis der Streitschlichtung erneut aufgegriffen 9 kerrechtlichen Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, abrufbar unter www.un. org /law/ile/. 4 Vgl. Art. 2 (a) der ILC's Articles on State Responsibility, sowie Art. 3 (a) des ersten Entwurfs der ILC zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen (s. www.un.org/law/ ile/). 5 s. Artt. 5 ff. der ILC's Articles on State Responsibility. 6 Hierzu eingehend Lecheler, Einführung in das Europarecht, 166 ff.; Nicolay sen, Europarecht 1,171 ff. m. w. N. 7 Soweit ersichtlich, wird die Frage nur von Neframi (in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 202) ausdrücklich angesprochen. 8 s. etwa Stein, in: Collected Courses of the Academy of European Law, 127, 178.

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

Die Diskussion um die Bindungswirkungsproblematik lässt sich im Grundsatz als eine Diskussion um die „richtige" (völkervertragliche) Auslegung gemischter Abkommen verstehen. Ihren Nährboden findet die Debatte in der Tatsache, dass gemischte Abkommen zur Verteilung der Bindung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten keine einheitlichen und häufig auch keine eindeutigen Regelungen vorsehen.

A. Regelungen zur Frage der Bindungswirkung in gemischten Abkommen I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln Bei den sogenannten spezifischen Kompetenzklauseln10 handelt es sich um Vertragsbestimmungen eines gemischten Abkommens, durch die der Gemeinschaft bzw. ihren Mitgliedstaaten aufgegeben wird, bezogen auf die jeweiligen Vertragsmaterien, sämtliche diesbezüglichen Kompetenzen offen zu legen. Zu diesem Zweck werden sie verpflichtet, eine Kompetenzabgrenzungserklärung 11 abzugeben. Die bis heute detailliertesten Regelungen in dieser Hinsicht enthält das Seerechtsübereinkommen: In Anhang IX des Übereinkommens wurden Bestimmungen normiert, nach denen sowohl die Gemeinschaft (Art. 2) als auch die Mitgliedstaaten (Art. 5 II) bekannt geben müssen, in welchen Bereichen der Konvention, die Mitgliedstaaten Kompetenzen auf die Gemeinschaft übertragen haben und welches Ausmaß diese Kompetenzen besitzen (Art. 2 S. 2 und Art. 5 VI). Haben weder die Gemeinschaft noch die Mitgliedstaaten für einen Teilbereich ihre Kompetenz offengelegt, so gelten in diesem Fall allein die Mitgliedstaaten als zuständig (Art. 5 III). Ändert sich die Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Laufe der Zeit, so sind diese Änderungen dem Depositar der Seerechtskonvention mitzuteilen (Art. 5 IV). Gemäß Art. 4 II des Anhang IX sind die Gemeinschaft als Internationale Organisation und nach Art. 5 II auch die Mitgliedstaaten 9

s. u. 3. Kap. Α. II. 2. a) aa).

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Die Bezeichnung „ Kompetenzklausel ", die in dieser Arbeit verwendet werden soll, wird in der Literatur nicht durchgehend gebraucht. Es finden sich auch die Begriffe „Bindungsklausel" (so etwa Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 239) oder „Trennungsklausel" (so etwa Stein, Der gemischte Vertrag, 94; Wünschmann, Geltung und gerichtliche Geltendmachung völkerrechtlicher Verträge, 62). Die Bedeutung ist dabei letztlich aber immer dieselbe, s. Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, 218. 11 Auch hier ist die Terminologie in der Literatur nicht einheitlich. Im Folgenden werden die Begriffe „Kompetenzabgrenzungserklärung" und „Kompetenzerklärung" synonym verwendet.

Α. Regelungen zur Frage der Bindungswirkung

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jeweils nur nach Maßgabe ihrer mitgeteilten Kompetenzen an die jeweiligen Bestimmungen der Konvention völkerrechtlich gebunden. Als Konsequenz dieser Aufteilung der Bindungswirkung legt Art. 6 I des Anhang IX ausdrücklich fest, dass die Gemeinschaft bzw. die Mitgliedstaaten nur jeweils für die Nichterfüllung derjenigen Verpflichtungen völkerrechtlich verantwortlich gemacht werden können, für die sie ihre Zuständigkeit mitgeteilt haben. Zurückführen lässt sich die Aufnahme der soeben skizzierten Regelungen des Anhang IX auf folgende Vorgeschichte: Auf der Konferenz zur Aushandlung der Seerechtskonvention gab es Bestrebungen einiger dritter Vertragsparteien aus Gründen der Rechtssicherheit eine Klausel über die uneingeschränkte völkerrechtliche Bindung und Verantwortlichkeit sowohl der EG als auch ihrer Mitgliedstaaten für die Einhaltung aller Bestimmungen der Konvention im Vertragstext festzuschreiben. 12 Diese Versuche wurden allerdings von den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zurückgewiesen. Es wurde argumentiert, dass die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für etwaige Verstöße gegen die Konvention nur bei dem liegen sollte, der nach dem Innenrecht der Organisation materiell zuständig ist. 13 Als Kompromiss einigte man sich dann auf die detaillierten Regelungen des Anhang IX, wobei Art. 6 zwar im Grundsatz von einer eingeschränkten Bindungswirkung und Verantwortlichkeit ausgeht, aber - unter gewissen in Abs. 2 festgelegten Voraussetzungen - auch die von den Drittstaaten ursprünglich geforderte uneingeschränkte Einstandspflicht zumindest in letzter Konsequenz ebenfalls nicht gänzlich ausschließt.14 Im Gegensatz zur Seerechtskonvention, weisen die in sonstigen gemischten Verträgen enthaltenen spezifischen Kompetenzklauseln15 weit weniger detaillierte Bestimmungen auf. Sie enthalten regelmäßig lediglich folgende Formulierung: 12

So unterbreitete die Sowjetunion am 10. April 1981 folgenden Formulierungsvorschlag für eine solche Vertragsbestimmung: „An International Organization and the Member States of this Organization shall be jointly and severally responsible with respect to the obligations arising for that organization under this Convention." [abgedruckt bei Ederer, Die EWG und die Seerechtskonvention, 203]. 13 Vgl. hierzu Simmonds, in: O'Keeffe/ Schermers, Essays on European Law and Integration, 188 ff.; Ederer, Die EWG und die Seerechtskonvention, 203-206. 14 Hierzu noch eingehender 3. Kap. Α. I. 3. 15 Vgl. hierzu: „Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht", AB1.EG 1988 L 297/10 (Art. 13); „Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen", AB1.EG 1988 L 297/21 (Art. 14 i.V.m. Art. 13 des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht); „Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen", AB1.EG 1994, L 33/13 (Art. 22); „Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen", AB1.EG 2002, L 130/4 (Art. 24); „Übereinkommen über die biologische Vielfalt", AB1.EG 1993, L 309/3 (Art. 34); „Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen und ihrer Entsorgung (Baseler Übereinkommen)", AB1.EG 1993 L 39/3 (Art. 22); „Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen", AB1.EG 1995 L 186/44 (Art. 25); „Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung", AB1.EG 1993 L 130/4 (Art. 24); „Übereinkommen der Vereinten Nationen

2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

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„ . . . In ihren Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden erklären die in Abs. 1 bezeichneten Organisationen den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen oder das betreffende Protokoll erfassten Angelegenheiten. Diese Organisationen teilen dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit."

Zwar werden die Organisation und ihre Mitgliedstaaten auch hier ausdrücklich verpflichtet, ihre jeweiligen Kompetenzen offen zulegen. Anders als in Art. 61 von Anhang IX des SRÜ werden die Konsequenzen einer solchen Kompetenzoffenlegung (eingeschränkte Bindungswirkung und eingeschränkte Verantwortlichkeit nach Maßgabe der offengelegten Kompetenzen) allerdings nicht ausdrücklich angesprochen. Wie noch zu zeigen sein wird, ist diese Frage daher auch zumindest für diese Fälle nach wie vor umstritten. 16

II. Gemischte Abkommen mit allgemeinen Kompetenzklauseln Die sogenannten allgemeinen Kompetenzklauseln sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zwar einen ausdrücklichen Hinweis auf die Kompetenzteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe beinhalten, die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten allerdings nicht zu detaillierten Auskünften über die genaue Beschaffenheit der Kompetenzaufteilung verpflichten. 17 Allgemeine Kompetenzklauseln haben in der Vergangenheit vor allem bei bilateralen gemischten Abkommen Verwendung gefunden. Dies dürfte daran liegen, dass durch die Aufnahme dieser Klauseln der eigentlich bilaterale Charakter der Übereinkommen deutlich herausgestellt werden kann. 18

zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika", AB1.EG 1998 L 83/3 (Art. 34); „Übereinkommen über die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Industrieunfällen", AB1.EG 1998 L 326/5 (Art. 29); s. auch Art. 19 der von der EG und einigen Mitgliedstaaten zwar bereits unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten „UN / ECE-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten" (der Text dieser sogenannten „Aarhus-Konvention" ist abgedruckt in der Beilage Nr. III/2001 zu Heft 3/2001 der NVwZ). Schließlich enthält auch die Verfassung der FAO in Art. I I Nr. 5 eine spezifische Kompetenzklausel. Bei der FAO ist allerdings die Besonderheit zu beachten, dass Gemeinschaft und Mitgliedstaaten vor jeder Sitzung der FAO-Organe nochmals ihre jeweiligen Kompetenzen für die gerade konkret auf der Tagesordnung stehende Materie offen legen müssen (vgl. Rule X L I (2)/(3) der „General Rules" der FAO); s. weitergehend zur gemeinschaftsinternen Durchführung dieser Regel, EuGH Slg. 1996 1-1469 (FAO); Rudolf, 91 AJIL (1997), 349 ff.; Heliskoski, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 79 ff.

16 s. U.C. I. 1. 17 Mögele, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 310 Rn. 20; Stein, Der gemischte Vertrag, 95 ff. is Vgl. oben 1. Kap. Α. I.

Α. Regelungen zur Frage der Bindungswirkung

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Als Beispiel für eine allgemeine Kompetenzklausel kann auf Art. 55 des Partnerschaftsabkommens mit Mexiko verwiesen werden. Dort heißt unter der Überschrift „Definition der Vertragsparteien „Im Sinne dieses Abkommens sind Vertragsparteien die Gemeinschaft oder ihre Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten gemäß ihren Befugnissen aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft einerseits und Mexiko andererseits." 19

Im Gegensatz zu dieser Klausel, die auf entsprechende Regelungen in den ersten gemischten Assoziationsabkommen mit Griechenland 20 und der Türkei 21 zurückgeht, ist nunmehr überwiegend die Verwendung einer leicht modifizierten allgemeinen Kompetenzklausel gängig: So heißt es etwa in Art. 81 des Europa-Mittelmeer-Abkommens mit Israel, 22 dass die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten Vertragsparteien „ im Rahmen ihrer Befugnisse " sind. Die konkrete Bezugnahme auf den EG-Vertrag fehlt demnach.23

III. Gemischte Abkommen ohne Kompetenzklauseln Schließlich weist die Mehrzahl gemischter Abkommen weder spezifische noch allgemeine Kompetenzklauseln auf. Diese Abkommen enthalten vielmehr keinerlei Angaben zum Problem der Verteilung der ΒindungsWirkung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe. Die Tatsache, dass eine gewisse Verbindung zwischen Gemeinschaft und EG-Mitgliedstaaten besteht, wird lediglich dadurch deutlich, dass eine alternative Stimmrechtsausübung vorgeschrieben wird. So dürfen Stimmrechte in den durch das gemischte Abkommen geschaffenen Organen entweder nur von der Gemeinschaft oder von den Mitgliedstaaten (je nach dem, wer jeweils intern zuständig ist) ausgeübt werden. Eine gleichzeitige Stimmrechtsausübung ist dagegen i. d. R. ausgeschlossen. 19 AB1.EG 2000, L 276/54. 20

s. Anhang I I Nr. 5 der Schlussakte zu diesem Abkommen („Auslegende Erklärung zur Auslegung des Begriffs „Vertragsparteien" im Assoziationsabkommen"), AB1.EG 1963, 294/63, 346/63. 21 s. Anhang I Nr. 3 der Schlussakte zu diesem Abkommen („Auslegende Erklärung zur Auslegung des Begriffs ,Vertragsparteien' im Assoziationsabkommen"), AB1.EG 1964, 3687/64, 3700/64. 22 AB1.EG 2000 L 147/3. 23 s. auch Art. 103 des Europa-Mitteleer-Abkommens mit Jordanien (ABl. 2002 L 129/3); Art. 92 des Europa-Mittelmeer-Abkommens mit Marokko (AB1.EG 2000 L 70/2) und Art. 81 des Europa-Mittelmeer-Abkommens mit Israel (AB1.EG 2000 L 147/3); Art. 104 des Partnerschaftsabkommens mit Russland (AB1.EG 1997 L 327/3); Art. 90 des Partnerschaftsabkommens mit Kasachstan (AB1.EG 1999 L 196/1); Art. 89 des Partnerschaftsabkommens mit der Kirgisischen Republik (AB1.EG 1999 L 196/48); Art. 95 des Partnerschaftsabkommens mit Georgien (AB1.EG 1999 L 205/3); Art. 92 des Partnerschaftsabkommens mit Usbekistan (ABl.EG 1999 L 229/3).

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

Beispiele für solche gemischten Verträge sind der Energiecharta-Vertrag 24 und das WTO-Abkommen 2 5 Aber auch einige Umweltschutzübereinkommen und die als „Europaabkommen" bezeichneten Assoziationsabkommen mit den MOE-Staaten 26 beinhalten keine Vertragsbestimmungen mit Aussagen zu einer Kompetenzverteilung.

B. Gründe für die uneinheitliche Regelungspraxis I. Die Ausgangslage: Die Interessen der Gemeinschaftsgruppe Der Gemeinschaftsgruppe ist im Grunde stets daran gelegen, die Verpflichtung zu einer detaillierten Kompetenzoffenlegung und damit die Aufnahme von spezifischen Kompetenzklauseln zu verhindern. 27 Dies erklärt sich daraus, dass zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten regelmäßig Uneinigkeit über die exakte Zuständigkeitsverteilung in Bezug auf die Vertragsmaterien eines geplanten Abkommens besteht. Der Abschluss eines gemischten Vertrages wird daher als Instrument angesehen, diese Frage nicht abschließend klären zu müssen.28 Zudem hegt vor allem die EG-Kommission deswegen Bedenken gegen die Verwendung spezifischer Kompetenzklauseln, weil die Möglichkeit besteht, dass spätere Kompetenzverschiebungen zugunsten der Gemeinschaft nicht oder zumindest nicht rechtzeitig dem dritten Vertragspartner mitgeteilt werden. Dies hat nach der in den spezifischen Kompetenzklauseln getroffenen Regelung zur Folge, dass sich die Gemeinschaft gegenüber dem Drittstaat nicht auf jene internen Kompetenzverschiebungen berufen kann. 29 Auf diese Weise kann es gewissermaßen zu einer „Erstarrung" der Gemeinschaftskompetenzen auf internationaler Ebene kommen, was dem Gedanken der Dynamik des Gemeinschaftsrechts zuwiderliefe. 30 Die Frage, ob Bestimmungen zur Kompetenzabgrenzung in ein gemischtes Abkommen aufgenommen werden, hängt deshalb regelmäßig davon ab, ob sich die 24

Zu den Stimmrechtsregelungen, s. Art. 36 VII EnCV Zu den Stimmrechtsregelungen, s. Art. IX WTO-Abkommen. 26 Vgl. die Nachweise im 1. Kap. Α. I. 27 Dies gilt nur für spezifische, nicht für allgemeine Kompetenzklauseln, da bei letzteren eben keine Verpflichtung zur detaillierten Offenlegung der Zuständigkeitsverteilung besteht. Es wird vielmehr nur ausdrücklich ausgesprochen, was den Vertragspartnern beim Abschluss des gemischten Vertrages ohnehin bewusst ist: Die Tatsache, dass überhaupt eine Kompetenzteilung vorliegt. 28 Klabbers, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 151, 157; Vedder, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV, Art. 133 Rn. 22; Temple Lang, 23 CMLRev. (1986), 157, 161; s. auch die Nw. im 1. Kap. B. II. 3. 29 Vgl. etwa die Regelung in Art. 5 von Anhang IX des SRÜ. 30 Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 145. 25

Β. Gründe für die uneinheitliche Regelungspraxis

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soeben skizzierten Bestrebungen der Gemeinschaftsgruppe bei den jeweiligen Vertragsverhandlungen durchsetzen können.

II. Zustandekommen von gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln Die Vertragspraxis zeigt, dass dritte Vertragspartner den genannten Bestrebungen vor allem dann entgegentreten und auf einer detaillierten Kompetenzoffenlegung bestehen, wenn die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten bei den Vertragsaushandlungen nicht als Einheit auftreten. 31 Zu einer solchen Situation kommt es regelmäßig, wenn verschiedene Verhandlungsdelegationen auf Seiten der Gemeinschaftsgruppe nach außen jeweils ihre eigenen Standpunkte artikulieren. In diesen Fällen scheinen die Drittstaaten zu befürchten, dass die bei den Vertragsverhandlungen gezeigte Uneinheitlichkeit auch dann auftreten wird, wenn es zu Streitigkeiten um die Erfüllung übernommener Vertragspflichten kommt. Um daher von vornherein Gewissheit zu haben, wer innerhalb der „Gruppe" letztendlich für welche Materien die Zuständigkeit besitzt, bestehen die Drittstaaten in diesen Fallen von Anfang an auf einer Offenlegung der Kompetenzverteilung. Eine solche Situation des uneinheitlichen Auftretens der Gemeinschaftsgruppe bei Vertragsverhandlungen liegt beispielsweise bei internationalen Konferenzen zur Aushandlung von Übereinkommen im Rahmen des VN-Systems vor, weshalb nahezu alle gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln in diesem Kontext geschlossen wurden. 32 Die Gemeinschaft wird bei Vertragsverhandlungen im Rahmen des VN-Systems nicht als vollwertiger Verhandlungspartner akzeptiert, sondern erhält nur einen Beobachterstatus. Dies wird wiederum dadurch bedingt, dass die EG nicht vollwertiges Mitglied der VN selbst ist, sondern dort ebenfalls nur „Beobachterin". 33 Die 31

s. hierzu auch Stein, Der gemischte Vertrag, 167. Vgl. etwa das „Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen", AB1.EG 1994, L 33/13 (Art. 22), das „Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen", AB1.EG 2002, L 130/4 (Art. 24), das Übereinkommen über die biologische Vielfalt", AB1.EG 1993, L 309/3 (Art. 34) oder das „Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika", AB1.EG 1998, L 83/3 (Art. 34). 33 Nach der VN-Charter (Art. 4 I) können nur Staaten förmliches Mitglied der Vereinten Nationen werden. Durch die Resolution 3208 (XIX) vom 11. 10. 1974 hat die Generalversammlung der EG aber den angesprochenen Beobachterstatus in der GV eingeräumt. Danach ist es Vertretern der EG erlaubt, an den Sitzungen der Generalversammlung teilzunehmen, dort das Wort zu ergreifen und alle offiziellen Dokumente zu erhalten. Bedingt durch ihren Beobachterstatus hat die EG allerdings kein Stimmrecht und darf ebenfalls nicht an informellen Sitzungen der GV teilnehmen. Beobachterstatus genießt die Gemeinschaft auch in einer Reihe anderer UN-Organisationen wie der ILO, WHO und WIPO, vgl. hierzu Marchisio , 32

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

Gemeinschaft kann daher zwar an den Vertragsverhandlungen eines geplanten VNAbkommens teilnehmen, sie erhält allerdings kein Stimmrecht in Bezug auf die verbindliche Annahme des Vertragstextes. Deshalb übernehmen hier im Wesentlichen die Mitgliedstaaten die Verhandlungsführung, die dabei in der Regel jeweils mit einer eigenen Delegation auftreten. Bei der Aushandlung der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen sind beispielsweise zehn unterschiedliche mitgliedstaatliche Delegationen den Vertragspartnern gegenüber getreten. Daneben hat auch die Gemeinschaft in Wahrnehmung ihres Beobachterstatus eine eigene Delegation gestellt.34 Die Tatsache, dass somit insgesamt elf verschiedene Verhandlungsdelegationen auf Seiten der Gemeinschaftsgruppe präsent waren, dürfte entscheidend dazu beigetragen haben, dass die Vertragspartner die Forderung nach detaillierter Aufklärung über die innergemeinschaftliche Zuständigkeitsverteilung stellten und die Beteiligung der Gemeinschaft am Seerechtsübereinkommen hiervon abhängig machten.35

III. Zustandekommen von gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln Demgegenüber kann sich die Gemeinschaft mit ihren Bestrebungen gegen die Aufnahme spezifischer Kompetenzklauseln in der Regel durchsetzen, wenn eine einheitliche Repräsentation bei den Vertragsverhandlungen sichergestellt wird. Eine solche Einheitlichkeit wird dabei dadurch erreicht, dass bei den Vertragsaushandlungen eine rein gemeinschaftliche Verhandlungsdelegation auftritt. Diese setzt sich zumeist aus Vertretern der Kommission und der jeweiligen Ratspräsidentschaft zusammen. Die Sprecherrolle wird aber ganz überwiegend allein von der Kommission wahrgenommen 36, die aufgrund vorheriger mitgliedstaatlicher Ermächtigung auch in Bereichen ausschließlicher mitgliedstaatlicher Kompetenz verhandeln darf. 37 in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 255; Frid, The Relations between the EC and International Organizations, 171 f.; Winkelmann , 60 ZaöRV (2000), 413, 425. 34 Vgl. zu den Vertragsverhandlungen der Seerechtskonvention ausführlich Ederer, Die EWG und die Seerechtskonvention, 83 ff. 35

Stein, Der gemischte Vertrag, 167. Bei der Aushandlung einiger Umweltschutzabkommen oblag die Verhandlungsführung auch allein oder überwiegend der Ratspräsidentschaft. Solange über Bereiche mitgliedstaatlicher Zuständigkeit verhandelt wird, ist ein solches Vorgehen rechtlich unproblematisch. Bedenklich im Hinblick auf die Regelung des Art. 30012 EG wird es allerdings dann, wenn die Ratspräsidentschaft auch in Bereichen rein gemeinschaftlicher Zuständigkeit verhandelt. In der Literatur wird ein solches Vorgehen für noch vereinbar mit der Regelung des Art. 300 I 2 EG gehalten, solange die Kommission an den jeweiligen Koordinierungssitzungen beteiligt ist, vgl. hierzu Breier, EuZW 1999, 11, 14; ihm folgend Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 170. 36

Β. Gründe für die uneinheitliche Regelungspraxis

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Neben der angesprochenen rein gemeinschaftlichen Delegation wurde in der Praxis auch von der Möglichkeit der Bildung einer gemeinsamen Verhandlungsdelegation aus Vertretern der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten (ROM-Form e l ) 3 8 Gebrauch gemacht. Berühmtes Beispiel in diesem Zusammenhang ist ein Beschluss des Rates vom 30. März 1981 („PROBA 2 0 " ) . 3 9 Aber auch bei einer solchen gemeinschaftlichen Delegation überlassen die Mitgliedstaaten ganz überwiegend der Kommission die Sprecherrolle und zwar auch in Bereichen mitgliedstaatlicher Zuständigkeit. 4 0 So sieht bereits „ P R O B A 20" vor, dass normalerweise allein die Kommission gegenüber den dritten Vertragspartnern als Sprecherin auftreten soll. 4 1 A u f diese Weise wird eine einheitliche Repräsentation dritten Vertragspartnern gegenüber auch bei einer gemeinsamen Verhandlungsdelegation sichergestellt. Aufgrund dieser einheitlichen Präsentation nach außen, wird die Frage der Kompetenzverteilung häufig gar nicht erst i m Rahmen der Vertragsverhandlungen wie beispielsweise während der Uruguay-Runde zur Aushandlung des WTO-Übereinkommens 4 2 - eingehender problematisiert. Die dritten Vertragsparteien scheinen aufgrund der positiven Erfahrungen hinsichtlich der einheitlichen Vertragsverhandlungen keine Notwendigkeit zu sehen, auf einer detaillierten Kompetenzauf-

37 So wurden nahezu alle Assoziations- und Partnerschaftsabkommen allein von der Kommission ausgehandelt. Auch die Verhandlungsführung bei der Uruguay Runde zur Aushandlung der WTO-Abkommen oblag ausschließlich der Kommission, die stellvertretend für die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten tätig wurde. In der jeweiligen Ermächtigung wird allerdings stets von den Mitgliedstaaten ausdrücklich klargestellt, dass der Übertragungsakt keine Rückschlüsse auf die Anerkennung etwaiger ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen für das spätere Abkommen beinhalte (vgl. Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 80). Für die Mitgliedstaaten ist eine solche klarstellende Erklärung von großer Bedeutung, fürchten sie doch, eine Übertragung der Verhandlungsführung an die Kommission könne als Anerkennung gemeinschaftlicher Kompetenzen für alle der jeweiligen durch das gemischte Abkommen abgedeckten Materien missverstanden werden. 38 Der Name „ROM-Formel" erklärt sich daher, dass diese Formel erstmalig 1967 bei Verhandlungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten im Rahmen der Kennedy-Runde, die in Rom stattfanden, angewandt wurde, s. hierzu Groux, in: O'Keeffe/ Schermers, Mixed Agreements, 87, 93. 39 Verhandlungen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung sämtlicher Übereinkünfte über Grundstoffe, die unter das „integrierte Programm" der UNCTAD fallen, sollen danach von einer einzigen Delegation aus Vertretern der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten geführt werden. Der Text von „PROBA 20" findet sich bei Völker/Steenbergen, Leading Cases and Materials, 48. 40

Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 82 f.; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU / EG-Vertrag, Art. 300, Rn. 35. 41 Damit verbunden ist dann aber wiederum eine klarstellende Erklärung dahingehend, dass dies nicht bedeute, diese Bereiche unterfielen der ausschließlich gemeinschaftlichen Zuständigkeit (vgl. Paragraph A von „PROBA 20"). 42 Die Verhandlungen der „Uruguay-Runde" wurden einheitlich von der Kommission geführt, eingehend hierzu Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 228.

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

teilung zu bestehen. Da die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten als Einheit auftreten, gehen die Drittstaaten wohl davon aus, dass sich diese Einheitlichkeit und Einvernehmlichkeit auch dann fortsetzt, wenn Fragen der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit in Rede stehen.43

IV. Zwischenergebnis Während die „Gemeinschafsgruppe" der Aufnahme spezifischer Kompetenzklauseln eher ablehnend begegnet, wird sie von dritten Vertragsparteien insbesondere dann verlangt, wenn die EG und ihre Mitgliedstaaten bei den Vertragsverhandlungen nicht als formal einheitliche Vertragspartei auftreten. Wird allerdings wie in der Praxis weitgehend üblich - eine einheitliche Repräsentation sichergestellt, können sich regelmäßig die Bestrebungen der Gemeinschaftsgruppe gegen die Festschreibung einer Pflicht zur detaillierten Kompetenzoffenlegung durchsetzen. Dies erklärt zum einen die Uneinheitlichkeit der Regelungspraxis, zum anderen aber auch die Tatsache, dass gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln insgesamt eher die Ausnahme bilden.

C. Ein Überblick über den Meinungsstand zur Bindungswirkungsproblematik Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass gemischte Abkommen die Frage der Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten keiner einheitlichen Regelung zuführen, ist es nicht verwunderlich, dass diese Problematik in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert wird und zwar sowohl für gemischte Abkommen mit als auch für solche ohne spezifische Kompetenzklauseln. Im Folgenden wird ein Überblick über den Meinungsstand zur Bindungswirkungsproblematik gegeben. Eine Bewertung der zu skizzierenden Grundsatzpositionen erfolgt im 4. Kapitel. Der Überblick über den Meinungsstand dient daher zunächst dazu, eine Untersuchungsgrundlage für die sich im 3. Kapitel anschließende Analyse der Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen herauszuarbeiten. Bei der Darstellung des Meinungsstandes wird zunächst ausschließlich auf die „klassische Streitfrage" Bezug genommen, die die Bindungswirkungsproblematik im Verhältnis zu Drittstaaten betrifft (I.). Wie dargelegt, 44 ist allein diese Problematik auch ausdrücklich Gegenstand der bisher skizzierten Regelungen der spezifischen und allgemeinen Kompetenzklauseln. 43 44

Ähnlich Stein, Der gemischte Vertrag, 167. s. o. in der Einführung zu diesem Kap.

C. Ein Überblick zur Bindungswirkungsproblematik

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I m Anschluss an die Erörterung dieser klassischen Streitfrage wird auf den Meinungsstand hinsichtlich der Bindungswirkungsproblematik innerhalb der Gemeinschaftsgruppe eingegangen (II.).

I. Die „klassische Konstellation46: Fragen der völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten an Bestimmungen gemischter Abkommen im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien 1. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln Die herrschende Meinung in der Literatur geht bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln von einer getrennten völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten an den gemischten Vertrag aus. 4 5 Dabei wird überwiegend darauf abgestellt, dass sich die Bindungswirkung in diesem Fall nach der Kompetenzverteilung richtet, wie sie sich aus der von der Gemeinschaftsgruppe abzugebenden Kompetenzabgrenzungserklärung entnehmen lässt. 4 6 Dogmatisch wird dies zuweilen damit begründet, dass die Kompetenzerklärung einen Vorbehalt i. S. d. Art. 19 ff. W V K 4 7 darstelle, dessen Zulässigkeit sich

45 Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 195 f.; Stein, Der gemischte Vertrag, 94 f.; Flemisch, Umfang der Berechtigungen und Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen, 29; Arnold, 19 AVR (1980/81), 419, 451; Tomuschat, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 177, 185; ders., in: O'Keeffe/ Schermers, Mixed Agreements, 125, 127 f.; Hirsch, The Responsiblity of International Organizations, 24, 190; Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 157; Streinz, Europarecht, Rn. 429; Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht,71; Granvik, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, 262; Wuermeling, Kooperatives Gemeinschaftsrecht, 235. 46

So etwa Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 157. Hiervon abweichend wird teilweise allein die tatsächliche Kompetenzverteilung für maßgeblich gehalten, wie sie sich - notfalls nach verbindlicher Interpretation durch den EuGH - aus dem EG-Vertrag ergibt; nur diese soll die ΒindungsWirkung bestimmen, unabhängig davon, welche Kompetenzverteilung aus der Kompetenzerklärung hervorgeht. So ausdrücklich für die Seerechtskonvention Ederer, Die EWG und die Seerechtskonvention, S. 158; s. auch Heliskoski (Mixed Agreements as a Technique, 194 ff.), der bei allen gemischten Abkommen (unabhängig davon, ob sie eine spezifische Kompetenzklausel enthalten oder nicht) davon ausgeht, dass sich die Bindungswirkung nach der „wahren" Kompetenzverteilung richten sollte. 47 Im Folgenden wird auch im Zusammenhang mit der EG - obwohl es sich um eine Internationale Organisation handelt - nur von der WVK, nicht aber von der WVKIO die Rede sein. Grund hierfür ist nicht nur, dass die WVKIO bisher nicht in Kraft getreten ist, vielmehr bezieht sich auch der EuGH in seinen Urteilen allein auf die WVK und anerkennt hierdurch, dass dessen Aussagen jedenfalls mittelbar (als Völkergewohnheitsrecht) auch für die Gemeinschaft Verbindlichkeit besitzen, s. etwa EuGH Slg. 1994, 1-3116 (Anastasiou) Rn. 43; Slg. 1998,1-3655 (Racke) Rn. 46.

5 Oen

2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

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aus der Existenz der spezifische Kompetenzklausel ergebe. 48 Die spezifische Kompetenzklausel wird insofern als die ausdrückliche Erlaubnis zum Anbringen eines Vorbehalts i.S.v. Art. 201WVK angesehen.49 Nach einer vereinzelt vertretenen Gegenauffassung sollen demgegenüber sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten - unabhängig vom Vorhandenseins einer spezifischen Kompetenzklausel - an sämtliche Vertragsbestimmungen des gemischten Vertrages gebunden sein. 50 Begründet wird dies damit, dass nur eine solche Regelung dem Interesse dritter Vertragspartner nach Rechtssicherheit ausreichend Rechnung trage. Schließlich könne der Drittstaat die genaue Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten häufig nur schwierig durchschauen und auch eine Erklärung über die Offenlegung der Kompetenzen gebe der dritten Vertragspartei nur unzureichende Auskunft über die Kompetenzabgrenzung, da diese Erklärung naturgemäß unvollständig und ungenau gehalten werde. 51 Der EuGH hat sich zwischenzeitlich explizit der herrschenden Literaturansicht angeschlossen. Im Gutachten 2/00 zum Protokoll von Cartagena verwies er darauf, „dass der Umfang der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in den Bereichen, auf die sich das Protokoll erstreckt, den Umfang ihrer jeweiligen Verantwortung für die Erfüllung der dem Protokoll zu entnehmenden Verpflichtungen bestimmt." 52

Art. 34 II und III des Cartagena Protokolls trage genau dieser Erwägung Rechnung, indem namentlich die Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei des Übereinkommens oder eines Protokolls sind, aufgefordert werden, in ihren Genehmigungsurkunden den Umfang ihrer Zuständigkeiten zu erklären und dem Verwahrer jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mitzuteilen.

48 Eingehend hierzu Spiliopoulou-Akermark, X FYBIL (1999), 351, 358 ff.; Dolmans, Problems with mixed agreements, 55; s. auch Temple-Lang, 23 CMLRev (1986), 157, 163. 49 Spiliopoulou-Akermark, X FYBIL (1999), 351, 360, zu einer Bewertung dieser Konstruktion, s. u. 4. Kap. A. III. 1. 50 Bleckmann, in: O'Keeffe/Schermers: Mixed Agreements, 155, 161; ähnlich auch, allerdings mit gewissen Einschränkungen MacLeod / Hendry /Hyett, The External Relations of the ECs, 159, 161. 51

MacLeod/Hendry/Hyett, The External Relations of the ECs, 159; Bleckmann (in: O'Keffee/Schermers, Mixed Agreements, 155, 161) weist zudem auf Folgendes hin: „And even if the distribution of competences of the EEC Treaty may be fully opposed to third States, they nevertheless have a legitimate interest in an obligation of the Member States as well, because they have a legitimate interest in the cooperation of the EEC and its Member States in the execution of the agreement. " [Hervorhebung nicht im Original]. 52 EuGH Slg. 2001 1-9717 (Gutachten 2/00) Rn. 16.

C. Ein Überblick zur Bindungswirkungsproblematik

63

Demnach stellt auch die Rechtsprechung jedenfalls bei solchen gemischten Abkommen, die spezifische Kompetenzklauseln enthalten, ausdrücklich auf eine geteilte völkerrechtliche Bindungswirkung ab.

2. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln a) Uneingeschränkte

Bindungswirkung

Fehlen spezifische Kompetenzklauseln geht die bis heute herrschende Ansicht in der Literatur 5 3 von einer uneingeschränkten Bindung sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten an sämtliche Vertragsbestimmungen aus. Die Bindungswirkung soll also nicht an die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung gekoppelt sein. 5 4 Dieses Ergebnis wird zunächst damit begründet, dass die sich aus dem EG-Vertrag ergebende Kompetenzverteilung res inter alios acta, also interne Angelegenheit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten sei. 5 5 Nach Art. 27 W V K sei es der Gemeinschaftsgruppe daher nicht gestattet, sich hierauf zu berufen. Auch eine stillschweigend vereinbarte Abweichung von dieser Grundregel komme nicht in Betracht: Zentrales Argument ist dabei der Verweis auf die Bedürfnisse dritter Ver53 Nef rami, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 198 f.; Krück, Völkerrechtliche Verträge im Recht der EGen, 141; Arnold, 19 AVR (1980/81), 451; ders., in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts Bd. 2, K.I, 31 f.; Tomuschat, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 177, 185; ders., in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 125, 127 f.; Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht, 212; Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht, 71; ders., EuR 2001, 253, 258; Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 157; Granvik, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, 262; Bourgeois, in: Weiler: The EU, the WTO and NAFTA, 71, 86; Schmalenbach, in: Calliess / Ruffert, EG / EU-Kommentar, Art. 300, Rn. 26; Neuwahl, 28 CMLRev. (1991), s. 717, 734; Epiney, EuZW 1999, 5, 7; Lecheler/Gundel, Übungen im Europarecht, Fall 16, 251; Leal-Arcas, 6 EFARev. (2001), 483, 497 ff.; Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 281, Rn. 41; Marchisio, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 231, 244; Royla, EuR 2001, 495, 514; Streinz, Europarecht, Rn. 429; E. Stein, in: Collected Courses of the Academy of European Law, 127, 179; Κ Stein, Der gemischte Vertrag, 94 f.; Oehmichen, Die unmittelbare Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Verträge der EG, 103; Lorenz, Die EG in der WTO, 115 ff.; Kellerbauer, Von Maastricht bis Nizza, 118; Kreibich, Das TRIPs-Abkommen in der Gemeinschaftsordnung, 60; Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 310 Rn. 16; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, 216 f.; Wuermeling, Kooperatives Gemeinschaftsrecht, 233 ff. 54 Dies soll unabhängig davon gelten, ob ein gemischtes Abkommen überhaupt keine Kompetenzklausel enthält oder zumindest eine allgemeine Klausel aufweisen kann; so ausdrücklich Stein, Der gemischte Vertrag, 95 f.; Nef rami, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 204; Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 195 ff.; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, 219; zur Gegenauffassung s. Tomuschat, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 125,129. 55 Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 198.

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

tragsparteien. 56 Drittstaaten könnten nur dann auf eine eingeschränkte Bindung verwiesen werden, wenn die Gemeinschaftsgruppe - wie bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln - die interne Kompetenzverteilung im Voraus offen lege. Unterbliebe allerdings eine solche Offenlegung und würde dennoch von einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung ausgegangen, so müsste der Drittstaat, bevor er die Erfüllung einer Vertragsverpflichtung einfordern könnte, zunächst klären, wer innerhalb der Gemeinschaftsgruppe die Kompetenz zur Übernahme dieser Verpflichtung besitze.57 Nur wenn der Drittstaat den innergemeinschaftlich Zuständigen in Anspruch nehme, habe sein Verlangen überhaupt Aussicht auf Erfolg. Ansonsten könnten sich sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten im Falle ihrer Unzuständigkeit dem Begehren des Dritten mit dieser Begründung widersetzen. Auf diese Weise würde der dritte Vertragspartner aber erheblichen Verunsicherungen ausgesetzt, da die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für Außenstehende nur schwer durchschaubar sei. 58 Zudem liefe der Drittstaat für den Fall, dass die Kompetenzaufteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten umstritten sei, Gefahr, seine Ansprüche überhaupt nicht durchsetzen zu können, da innerhalb der Gemeinschaftsgruppe der eine auf den jeweils anderen als zuständigen Erfüllungspartner verweisen könnte.59

b) Eingeschränkte Bindungswirkung Im neueren Schrifttum wird zunehmend eine entgegengesetzte Auffassung vertreten: Auch bei gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln müsse eine eingeschränkte völkerrechtliche Bindungswirkung nach Maßgabe der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung gelten. 60 Dieses Ergebnis ergebe 56

Tomuschat, in: O'Keeffe/ Schermers, Mixed Agreements, 130; Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht, 72; Stein, Der gemischte Vertrag, 97; Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139,157. 57 Stein, Der gemischte Vertrag, 97. 58 Tomuschat, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 125, 130; Stein, Der gemischte Vertrag, 97. 59 Stein, Der gemischte Vertrag, 97. 60 Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 240 f.; Björklund, 70 NJIL (2001), 373, 401; Hirsch, The Responsibility of International Organizations, 24 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, § 1758; zu früheren, vergleichbaren Ansätzen, s. Balekjian, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 141, 143 f.; Schermers, in: Festschrift für Mosler, 823, 829 f.; Conze, Die völkerrechtliche Haftung der EG, 82. Ausdrücklich gegen eine Regel der a priori bestehenden gemeinsamen Verantwortlichkeit spricht sich auch Heliskoski (in: Mixed Agreements as a Technique, 151 f.) aus. Heliskoski will das Problem allerdings nicht durch „substantive rules attributing responsiblity to either to the Community or its Member States " lösen, sondern allein durch die Anwendung von Verfahrensregeln. In die gleiche Richtung geht letztlich auch Hirsch, The Responsibility of International Organizations, 25.

C. Ein Überblick zur Bindungswirkungsproblematik

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die Vertragsauslegung. Schließlich entspreche nur eine solche Auslegung den Interessen der Gemeinschaftsgruppe. 61 Insbesondere für die Mitgliedstaaten sei eine gemeinsame Bindung an alle Bestimmungen eines gemischten Vertrages unter Missachtung der internen Kompetenzverteilung nicht akzeptabel, da es zu einer Ausdehnung der gemeinschaftlichen Außenkompetenzen führen würde, welcher die Mitgliedstaaten als „Herren der Gemeinschaft" nicht zugestimmt hätten.62 Zudem müssten die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft bei Annahme einer uneingeschränkten Bindungswirkung Verantwortung für Maßnahmen übernehmen, über die sie keinerlei Kontrollmöglichkeiten hätten, weil sie - nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzaufteilung - in den Kompetenzbereich des jeweils anderen fielen. 63 Dem Interesse der Gemeinschaftsgruppe könne daher allein dadurch gerecht werden, dass die gemeinschaftsinterne Kompetenzverteilung auch auf die völkerrechtliche Ebene gehoben werde, was bedeute, dass eine Bindungswirkung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten jeweils nur im Rahmen ihrer internen Kompetenzen in Betracht komme. 64 Indem sich die dritten Vertragsparteien mit dem gemischten Vertragsschluss - in Kenntnis der Kompetenzteilung - einverstanden erklärten, hätten sie gleichzeitig auch die unterschiedlichen Bindungswirkungen akzeptiert. Von einer entgegenstehenden Schutzwürdigkeit der dritten Vertragsparteien könne dagegen nicht ausgegangen werden. Schließlich müssten die dritten Vertragsparteien schon aufgrund des gemeinsamen Abschlusses durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten damit rechnen, dass sich diese nur im Rahmen ihrer internen Kompetenzen binden wollten. 65 Bemerkenswert ist, dass diese Auffassung nunmehr auch von einem Generalanwalt geteilt wird und damit erstmals direkt vor dem Gerichtshof vorgetragen wurde. Zuvor hatten Generalanwälte stets Gegenteiliges angenommen und waren von einer gemeinsamen Verantwortlichkeit ausgegangen.66 GA Mischo führte in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Irland 1 hingegen aus: Auf die dort angesprochenen verfahrensrechtlichen Regeln wird im Zusammenhang mit der Analyse der Praxis der Streitschlichtung noch ausführlicher eingegangen (s. u. im 3. Kap. Α.). Zu einer Bewertung des Ansatzes von Heliskoski, s. u. 4. Kap. Α. I. 1. a), b). 61 Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 240. 62 Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 241; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 151; s. auch Björklund, 70 NJIL (2001), 395 ff. 63 Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 151-152. 64 Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 241; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 206. 65 Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 241. 66 So erstmals ausdrücklich GA Jacobs im Fall Parlament /Rat-Lomé (EuGH Slg. 1994 1-625, Rn. 69): „Aus einer gemischten Übereinkunft sind die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten gemeinsam verpflichtet, sofern in der Übereinkunft nichts Gegenteiliges bestimmt ist."

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung „Es scheint mir jedoch nicht sicher, dass die bloße Tatsache, dass die jeweiligen Verpflichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gegenüber den anderen Vertragsparteien nicht festgelegt worden sind, es diesen Vertragsparteien erlaubt, daraus zu schließen, dass die Gemeinschaft die Verantwortung für die Beachtung des gesamten Abkommens einschließlich derjenigen Bestimmungen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen, trägt. Vielmehr zeigt schon der Umstand, dass sich die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten für den Begriff eines gemischten Abkommens entschieden haben, den Drittstaaten, dass dieses Abkommen nicht vollständig in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt und dass die Gemeinschaft demzufolge grundsätzlich nur die Verantwortung für diejenigen Teile des Abkommens trägt, die in ihre Zuständigkeit fallen/' 68

c) Die Rechtsprechung des EuGH Der EuGH ist in der Rechtssache Kommission/Irland auf diese Ausführungen des G A Mischo allerdings nicht eingegangen. Er hat sie in seinem anschließenden Urteil weder bestätigt noch widerlegt. Nach seinen Ausführungen kam es auf Fragen der uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindungswirkung und Verantwortlichkeit i m konkreten Fall nicht an. 6 9

aa) Das Urteil Demirel Demgegenüber führte der Gerichtshof in der Rechtssache Demirel, 70 die ebenfalls ein gemischtes Abkommen ohne spezifische Kompetenzklausel betraf, aus, Daneben bejahte auch G A Tesauro in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Hermès eine gemeinsame Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten bei gemischten Abkommen, vgl. Slg. 1998,1-3603 (Hermès) Rn. 14 und unten c) cc). 67 EuGH Slg. 2002, 1-2943 (Kommission/Irland); hier warf die Kommission Irland im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG vor, ihrer Verpflichtung aus dem EWR-Abkommen zum Beitritt zur „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst" nicht nachgekommen zu sein. Da die in Frage stehenden Verpflichtungen nicht eindeutig dem Kompetenzbereich der Gemeinschaft zugeordnet werden konnten, berief sich die Kommission darauf, dass ein Vertragsverletzungsverfahren zumindest deswegen erfolgreich sein müsse, weil die Gemeinschaft für die Einhaltung aller Verpflichtungen des als gemischten Vertrag geschlossenen EWR-Abkommens gleichermaßen völkerrechtlich verantwortlich sei, unabhängig davon, ob sie in den Kompetenzbereich der EG oder der Mitgliedstaaten fielen. Die Kommission ging hier also für das EWR-Abkommen, welches einen gemischten Vertrag ohne spezifische Kompetenzklauseln darstellt, von einer gemeinsamen Verantwortlichkeit der EG und ihrer Mitgliedstaaten aus 68 Schlussanträge von GA Mischo, Slg. 2002,1-2943, 2950 (Kommission/Irland). 69 Im Urteil erfolgte lediglich der Hinweis, dass die in Frage stehenden Bestimmungen des EWR-Abkommens jedenfalls „weitgehend" der Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen und der EuGH daher berechtigt sei, die Einhaltung der fraglichen Bestimmung wegen Art. 300 VII EG zu überprüfen, vgl. EuGH Slg. 2002,1-2943 (Kommission / Irland) Rn. 16; s. hierzu auch noch 4. Kap. Α. I. 2. a). 70 EuGH Slg. 1987, IV-3719 (Demirel).

C. Ein Überblick zur Bindungswirkungsproblematik

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dass „ die Gemeinschaft, die ... Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Abkommens übernommen [habe]." 71 Da der EuGH insofern nicht zwischen einer Haftung der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten für die Bereiche ihrer jeweiligen (internen) Zuständigkeit unterschied, ist gefolgert worden, der Gerichtshof ginge von einer uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten an alle Vertragsbestimmungen eines gemischten Abkommens ohne spezifische Kompetenzaufteilung aus.72 Diese Einschätzung erscheint allerdings zweifelhaft. Im Urteil Demirel ging es um die Einhaltung von Verpflichtungen des Assoziationsabkommens mit der Türkei, konkret standen Bestimmungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Streit. 73 Somit liegt es nahe, dass sich die vom Gerichtshof proklamierte Verantwortlichkeit der Gemeinschaft auch nur auf diesen Bereich des Abkommens beziehen sollte. Der EuGH hatte in diesem Zusammenhang keinen Grund, eine generelle Aussage zu treffen. Den Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit hatte der Gerichtshof allerdings zuvor der Abschlusskompetenz der Gemeinschaft zugeordnet. 74 Letztlich wurde daher die völkerrechtliche Verantwortlichkeit nur für solche Bestimmungen festgestellt, für die auch die Abschlusskompetenz vorlag. 75 Nach dieser Interpretation liegt dem Urteil Demirel keine Entscheidung für eine uneingeschränkte völkerrechtliche Bindung sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten an sämtliche Bestimmungen eines gemischten Abkommens unabhängig von der konkreten Kompetenzverteilung zugrunde.

bb) Das Urteil Parlament /Rat-Lomé Auch aus den Ausführungen in der Rechtssache Parlament/ Rat-Lomé 76 ist die Schlussfolgerung gezogen worden, dass der Gerichtshof bei gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln von einer uneingeschränkten Bindungswirkung und damit Verantwortlichkeit sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten ausginge. Problematisch in der Rechtssache Parlament /Rat-Lomé war die Auslegungszuständigkeit des Gerichtshofes für das vierte Lomé-Abkommen, einen gemischten 71 EuGH Slg. 1987, IV-3719 (Demirel) Rn. 10. 72 Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht, 71. 73 EuGH Slg. 1987, IV-3719 (Demirel) Rn. 1. 74 EuGH Slg. 1987, IV-3719 (Demirel), Rn. 9. 75 Anderson, References to the European Court, Rn. 3-037; Leal-Areas, 72 NJIL (2003), 215, 229; Bourgeois, in: Weiler, The EU, the WTO, and the NAFTA, 71, 83; Mögele, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 300 Rn. 90. 76 EuGH Slg. 1994,1-625 (Parlament/Rat-Lomé).

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

Vertrag, der keine spezifische Aufteilung der Bindungswirkung vornimmt. In diesem Zusammenhang führte der EuGH u. a. aus, dass „die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten als Partner der AKP-Staaten gemeinsam gegenüber diesen Staaten für die Erfüllung aller eingegangenen Verpflichtungen ... verantwortlich seien."77

Insoweit wurde gefolgert, die Formulierung, die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten seien zur Erfüllung aller Verpflichtungen verantwortlich, sei dahingehend zu deuten, dass sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten jeweils unabhängig voneinander für die Erfüllung aller Vertragspflichten eines gemischten Abkommens einstehen müssten.78 Allerdings erscheint es auch hier fraglich, ob sich diese Aussagen dahingehend verallgemeinern lassen, dass eine gemeinsame Verantwortlichkeit bei sämtlichen gemischten Abkommen (ohne spezifische Kompetenzklausel) unabhängig von der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsverteilung gelten soll. Vielmehr wurde das Urteil in der Literatur auch dahingehend gedeutet, dass die Aussagen des Gerichtshofes zu einer gemeinsamen Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten nur auf den speziellen Fall des 4. Lomé-Abkommens begrenzt seien. Dort sei es um die Entwicklungszusammenarbeit gegangen, einen Bereich der der parallelen Gemeinschaftskompetenz unterfalle, so dass hier sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten jeweils für das gesamte Abkommen die Kompetenz besäßen und daher auch gemeinsam für alle Verpflichtungen des Abkommens die Bindungswirkung übernehmen könnten, ohne dass es zu einem Widerspruch zur internen Zuständigkeitsverteilung käme. 79 Folgt man dieser Deutung, so finden sich auch im Urteil Parlament/ Rat-Lomé wiederum keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen zur Frage der Bindungswirkung der Gemeinschaftsgruppe an gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln.

cc) Das Urteil Hermès Diskutiert wird in dem hier behandelten Zusammenhang auch das Urteil Hermès International gegen FHT Marketing Choice BV. S0 Das Urteil Hermès war die erste von insgesamt drei Entscheidungen zur Auslegung von Art. 50 V I TRIPS. Ausgangspunkt in diesem Verfahren war eine Vor77 EuGH Slg. 1994,1-625 (Parlament/Rat-Lomé) Rn. 29. 78 Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht, 72. 79 s. hierzu Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 241-242; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 48 und 149. so EuGH Slg. 1998,1-3603 (Hermès).

8i Zum Sachverhalt und zu den Entscheidungsgründen eingehend v. Bogdandy, 36 CMLRev. (1999), 663 ff.; ders., NJW 1999, 2088 ff.; Gagliardi, 24 ELRev. (1999), 276, 281 ff.; Leal-Arcas, 72 NJIL (2003), 215, 245 ff.

C. Ein Überblick zur Bindungswirkungsproblematik

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läge der Arrondissementsrechtbank Amsterdam, die sich in einem markenrechtlichen Streit zwischen der französischen Gesellschaft Hermès International und niederländischen Firma FHT Marketing Choice BV stellte.81 Auf den Einwand der niederländischen und französischen Regierung, dass der Gerichtshof für die Beantwortung dieser Frage nicht zuständig sei, da Artikel 50 des TRIPS - wegen mangelnder Zuständigkeit der Gemeinschaft - nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts falle, antwortete der EuGH: „ Jedoch wurde das WTO-Übereinkommen von der Gemeinschaft geschlossen und von deren Mitgliedstaaten ratifiziert; dabei wurden die jeweiligen Verpflichtungen gegenüber den anderen Vertragsparteien nicht zwischen ihnen aufgeteilt." 82

Hieraus lässt sich schließen, dass selbst wenn dem Einwand der Regierungen Frankreichs und der Niederlande gefolgt werden sollte, also die in Frage stehende Bestimmung - nach der innergemeinschaftlichen Aufgabenverteilung - tatsächlich nicht der Gemeinschaftszuständigkeit unterfiele, eine Auslegungszuständigkeit des EuGH dennoch gegeben sei. Als Begründung wird die uneingeschränkte Bindungswirkung und damit einhergehend die gemeinsame Haftung sowohl der Gemeinschaft als auch ihrer Mitgliedstaaten an alle Bestimmungen eines gemischten Abkommens zumindest angedeutet, indem darauf verwiesen wird, dass beide (Gemeinschaft und Mitgliedstaaten) das Abkommen ratifiziert hätten, ohne dass eine Aufteilung der Kompetenzen erfolgt sei. 83 Allerdings lässt der Gerichtshof - anders als GA Tesauro in seinem Schlussantrag 84 - letztendlich die Frage der (uneingeschränkten) Bindungswirkung ausdrücklich offen. Da nach seiner Auffassung die in Rede stehende Bestimmung des Art. 50 TRIPS zumindest auch der Zuständigkeit der Gemeinschaft unterfalle, könne die Auslegungszuständigkeit bejaht werden, ohne weiter auf die Frage der gemeinsamen Haftung eingehen zu müssen.85 Festzustellen bleibt demnach, dass sich auch im Urteil Hermès jedenfalls keine eindeutige Aussage des EuGH zum Problemkreis der völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten bei gemischten Abkommen ohne spezi82 EuGH Slg. 1998,1-3603 (Hermès) Rn. 23 [Hervorhebung nicht im Original]. 83

Rosas, in: Dashwood/ Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 213; s. auch Dashwood, in: O'Keeffe/Bavasso, Judicial Review in EU Law, 167, 172. 84 Nach GA Tesauro: „ . . . muss davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten eine einzige Vertragspartei oder zumindest Vertragsparteien sind, die für etwaige Vertragsverletzungen in gleicher Weise verantwortlich sind. Die offensichtliche Konsequenz ist, dass in solchen Fällen die Aufteilung der Zuständigkeiten lediglich interne Bedeutung hat." [Slg. 1998 1-3603 (Hermès) Rn. 14]. 85 EuGH Slg. 1998,1-3603 (Hermès) Rn. 25: „Welche Verpflichtungen die Gemeinschaft durch den Abschluss des Übereinkommens eingegangen ist, braucht nicht bestimmt zu werden; jedenfalls war die Verordnung Nr. 40/94 bei der Unterzeichnung der Schlussakte und des WTO-Übereinkommens ... seit einem Monat in Kraft."

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

fische Kompetenzklausel findet, wenn der Gerichtshof auch in der Tendenz eine uneingeschränkte Bindung zu bejahen scheint.86

dd) Das Gutachten 2/00 zum Protokoll von Cartagena Schließlich sollen noch die Aussagen des Gerichtshofes im Gutachten 2/00 zum Cartagena-Protokoll erörtert werden. Wie bereits erwähnt, betonte der EuGH dort, dass „der Umfang der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in den Bereichen, auf die sich das Protokoll erstreckt, den Umfang ihrer jeweiligen Verantwortung für die Erfüllung der dem Protokoll zu entnehmenden Verpflichtungen [bestimme]." 87

Im Gutachten 2/00 ging es allerdings bei dem dort behandelten Protokoll von Cartagena um ein gemischtes Abkommen mit einer spezifischen Kompetenzklausel. Die Ausführungen zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit und damit zur Bindungswirkung bei gemischten Abkommen könnten daher auf diese Fallgruppe begrenzt sein. Es könnte sich aber auch um eine generelle Aussage handeln. Dafür spräche, dass der Gerichtshof seine Ausführungen zur Β indungs Wirkung allgemein formuliert und erst im Anschluss hieran die Bezugnahme auf die spezifische Kompetenzklausel des Art. 34 III erfolgt. 88 Folgt man dieser Auslegung, hätte sich der EuGH erstmals - entgegen seinen vorhergehenden anderweitigen Andeutungen für eine getrennte Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten bei sämtlichen gemischten Abkommen entschieden. Ausdrücklich ausgesprochen wird diese Konsequenz allerdings nicht. Es bleibt daher die Feststellung, dass der Gerichtshof bisher noch in keinem Urteil zu der hier erörterten Problematik eindeutig Stellung bezogen hat. Während frühere Urteile eher die Befürwortung einer uneingeschränkten Verantwortlichkeit erkennen lassen, deuten jüngste Aussagen in die gegenteilige Richtung.

II. „Neuartige Konstellation'4: Fragen der Bindungswirkung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe Von den soeben erörterten Fragen der Β indungs Wirkung im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien ist die nunmehr zu behandelnde Fallgruppe zu unterscheiden, bei der Fragen hinsichtlich der völkerrechtlichen Bindung innerhalb der Gemein86 A.A. Epiney, EuZW 1999, 5, 7; Lorenz, Die EG in der WTO, 133; Nettesheim/Duvigneau, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 133 Rn. 32. 87 EuGH, Slg. 2001,1-9717 (Gutachten 2/00) Rn. 16. 88 Vgl. EuGH, Slg. 2001,1-9717 (Gutachten 2/00) Rn. 16.

C. Ein Überblick zur Bindungswirkungsproblematik

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schaftsgruppe im Mittelpunkt stehen. Diese Fallgestaltung wird hier als „neuartige Konstellation" bezeichnet, da eine solche Problematik bis vor kurzem in der Praxis noch nicht aufgetreten und auch in der Literatur weitgehend unbeachtet geblieben ist. Diese Situation hat sich erst durch die Eröffnung eines Streitschlichtungsverfahrens im sogenannten MOX Plant-Fall geändert. Der Fall wird an späterer Stelle noch eingehender erörtert. 89 Hier geht es nun - wie oben im Zusammenhang mit der Bindungswirkungsproblematik im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien - allein darum, Grundsatzpositionen abstrakt herauszuarbeiten. Aus völkerrechtlicher Sicht stellt sich zunächst die Frage, ob bei einem gemischten Vertrag überhaupt Rechte und Pflichten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe als solcher entstehen können. Zumindest im Grundsatz wird dies in der Literatur bejaht. 90 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die EG und ihre Mitgliedstaaten - trotz der formellen Einheitlichkeit, die die Gemeinschaftsgruppe grundsätzlich bei gemischten Abkommen nach außen hin vermittele - jeweils voneinander getrennte, eigenständige Subjekte des Völkerrechts blieben. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass sie grundsätzlich auch untereinander im Rahmen eines gemischten Abkommens Vertragsbeziehungen eingehen könnten und auch tatsächlich eingingen,91 soweit nicht im Einzelfall ausdrücklich oder stillschweigend eine anderweitige Regelung getroffen werde. Ein stillschweigender Ausschluss der Bindungswirkung wird überwiegend von vornherein für das Verhältnis der EG zu ihren Mitgliedstaaten angenommen.92 Insofern wird argumentiert, die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten regelten ihre Rechtsbeziehungen allein im Gemeinschaftsrecht und im Rahmen eines gemischten Abkommens sollten darüber hinaus keine zusätzlichen Rechtsbeziehungen entstehen.93 89 S. u. 3. Kap. B. 90 Vgl. Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 228; Rosas, in: Dashwood/ Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 216; Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159. 91 So auch Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 228: „It is clear as a matter of international law that a mixed Community agreement, concluded simultaneously between the Community, its Member States and third States, is in principle capable of creating rights and obligations between all the parties and hence also between the Member States inter se." s. auch Rosas, in: Dashwood / Hillion, The General Law of EC External Relations, 200,

216.

92 Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193; Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159. 93 So ausdrücklich Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193: „Due to this vertical division of powers, legal ties are not created between the European Community and the Member States." s. auch Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159: „Auch wenn beide [Gemeinschaft und Mitgliedstaaten] Dritten gegenüber gemeinsam haften, so haften sie sich doch völkerrechtlich nicht gegenseitig."

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

Ein solcher Ausschluss der Bindungswirkung wird allerdings nicht automatisch auf das Rechtsverhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander übertragen. Hier könne nicht von Beginn an ausgeschlossen werden, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen eines gemischten Abkommens auch untereinander Bindungen entstehen lassen wollten. 94 Ausgenommen hiervon werden nur bilaterale gemischte Abkommen, da die in diesen Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen bereits vollständig vom Gemeinschaftsrecht erfasst würden. 95 Ausgenommen werden zudem auch solche Abkommen, bei denen ein Ausschluss der Bindung zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ausdrücklich erklärt wird. 96 Wie sich bei den verbleibenden gemischten Verträgen der exakte Umfang der Bindungswirkung ermitteln lässt, ist in der Literatur allerdings wenig diskutiert worden. Festgehalten wurde bisher nur, dass eine völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten zueinander jedenfalls in Bereichen ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeit ausscheide. Die Bindung komme nur für solche Bestimmungen in Betracht, die der (ausschließlichen oder konkurrierenden) mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfielen. 97 Somit wird auf eine eingeschränkte Bindungswirkung nach Maßgabe der internen Zuständigkeitsverteilung abgestellt. Eine Unterscheidung nach gemischten Abkommen mit und solchen ohne spezifische Kompetenzklauseln, wie sie für das Verhältnis zu Drittstaaten (zumindest von der herrschenden Meinung) vorgenommen wird, erfolgt dabei jedoch nicht. Dies mag 94 s. Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159; Rosas, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 216; Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 228. 95 Hierzu vor allem Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 228; s. auch Rosas, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 216. 96 Hierzu Rosas, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 216 und Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 228. Letzterer verweist als Beispiel für eine solche „disconnection clause" auf Art. 27 I der im Rahmen des Europarates geschlossenen „European Convention on Transfrontier Television " (ETS No. 132) verweist. Dort heißt es: „In their mutual relations, Parties which are members of the European Community shall apply Community rules and shall not therefore apply the rules arising from this Convention except in so far as there is no Community rule governing the particular subject concerned." Auch beim WTO-Übereinkommen wurde die Aufnahme einer ähnlichen Vertragsbestimmung erwogen. So unterbreitete die Kommission den Vorschlag, in das Übereinkommen eine Bestimmung aufzunehmen, wonach ausdrücklich klargestellt werden sollte, dass keinerlei völkerrechtliche Bindungswirkungen zwischen den EG-Mitgliedstaaten bestünden. Die Mitgliedstaaten haben diesen Vorschlag allerdings zurückgewiesen; s. Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 227 f. 97 Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159: „Soweit die Kompetenzen auf die EG übertragen worden sind, kann ein gemischtes Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten wohl keine Verpflichtungen begründen. Was gilt aber für die Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten eigene Kompetenzen ausgeübt haben? Soweit die Gemeinschaftsverträge keine Regelungen treffen bleiben die Mitgliedstaaten völkerrechtlich souverän. Ihre Teilnahme an einem multilateralen Vertrag oder einer internationalen Organisation begründet daher auch völkerrechtliche Rechtsbeziehungen nicht nur gegenüber Drittstaaten, sondern auch untereinander."

D. Ergebnis des zweiten Kapitels

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auf den ersten Blick nicht verwundern, da die Kompetenzklauseln zumindest nicht ausdrücklich spezielle Bestimmungen für das Binnenverhältnis der Gemeinschaftsgruppe enthalten. Wie noch zu zeigen sein wird, ist die Unterscheidung zwischen gemischten Abkommen mit und ohne spezifische Kompetenzklauseln aber auch für die Bindungswirkungsfrage im Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander durchaus von praktischer Relevanz98 und dürfte schließlich Auswirkungen auf die dogmatische Grundentscheidung für bzw. gegen die Annahme einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung haben.99

D. Ergebnis des zweiten Kapitels Bei der Zusammenfassung des Meinungsstands zur Problematik der Bindungswirkung kann folgendermaßen unterschieden werden: Soweit es das Außenverhältnis (also die Frage der BindungsWirkung seitens der Gemeinschaftsgruppe gegenüber dritten Vertragspartnern) betrifft, stehen sich zwei entgegengesetzte rechtspolitische Interessenlagen gegenüber: Danach werden entweder die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten oder diejenigen dritter Vertragsparteien in den Vordergrund gerückt. So wird zum einen herausgestellt, einem Drittstaat dürfe dadurch, dass er sich auf die Rechtsfigur des gemischten Vertrages einlasse, keine Nachteile entstehen. Um die für dritte Vertragsparteien vor allem bedeutsame Rechtssicherheit zu erreichen, böten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Einerseits die Aufnahme spezifischer Kompetenzklauseln, andererseits die Festschreibung der Regel einer uneingeschränkten Verantwortlichkeit. Existierten spezifische Kompetenzklauseln, so sei dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit insofern ausreichend Rechnung getragen, als Drittstaaten wüssten, wer innerhalb der Gemeinschaftsgruppe hinsichtlich der Erfüllung einer Vertragspflicht zuständig sei. In diesem Fall richte sich die völkerrechtliche Bindung und Verantwortlichkeit daher nach der sich aus der Kompetenzerklärung ergebenden ZuständigkeitsVerteilung. Existierten allerdings keine (spezifischen) Kompetenzklauseln, so sei den Drittstaaten die Zuständigkeitsverteilung gerade nicht bekannt. In diesen Konstellationen müsse daher von einer uneingeschränkten Bindung und Verantwortlichkeit ausgegangen werden. Auf der anderen Seite stehen diejenigen Vertreter, die die Interessen der Gemeinschaftsgruppe betonen. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten hätten ein berechtigtes Interesse, die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung auch nach außen wirken zu lassen. Drittstaaten seien demgegenüber nicht schutzbedürftig, da ihnen bei Vertragsschluss die Tatsache der Kompetenzteilung bekannt sei. Daher soll ei98 s. u. 3. Kap. B. 99 Hierzu eingehender im 4. Kap. B.

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2. Kap.: Die Problematik der völkerrechtlichen Bindung

ne getrennte Bindungswirkung und Verantwortlichkeit nicht nur bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln bestehen, sondern grundsätzlich bei sämtlichen gemischten Abkommen, also auch bei jenen, die solche Klauseln nicht aufweisen. Soweit es das Binnenverhältnis (also das Rechtsverhältnis innerhalb der Gemeinschaftsgruppe) betrifft, wird allgemein davon ausgegangen, dass zumindest zwischen den EG-Mitgliedstaaten grundsätzlich auch völkerrechtliche Bindungen an Vertragsbestimmungen eines gemischten Abkommens bestehen. Allerdings soll diese Bindungswirkung auf Bereiche mitgliedstaatlicher Kompetenz begrenzt bleiben. Eine ausführliche Diskussion hat insofern aber noch nicht stattgefunden. Insbesondere ist bisher in diesem Zusammenhang - anders als beim Verhältnis zu Drittstaaten - noch nicht auf die Unterscheidung zwischen gemischten Abkommen mit und solchen ohne spezifische Kompetenzklauseln eingegangen worden.

3. Kapitel

Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen Ausgehend von den soeben im zweiten Kapitel beschriebenen unterschiedlichen Grundsatzpositionen zur völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten, soll nunmehr die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen untersucht werden. Hierbei wird es vor allem darum gehen, herauszustellen, wie im Rahmen von Streitschlichtungsverfahren mit der Besonderheit der innergemeinschaftlichen Kompetenzteilung im Einzelfall umgegangen wird. Die Bedeutung der Streitbeilegung hat bei gemischten Abkommen in den letzten Jahren erheblichen Auftrieb erfahren. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass bedeutsame gemischte Verträge nunmehr einen obligatorischen Streitschlichtungsmechanismus vorsehen, demzufolge Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien zwingend einem gerichtlichen bzw. schiedsgerichtlichen Verfahren 1 zugeführt werden müssen. Als Beispiele lassen sich die Regelungen über die Streitschlichtung bei der Seerechtskonvention und beim WTO-Abkommen anführen. Daneben enthalten aber auch der Energiecharta-Vertrag, sowie einige gemischte Umweltschutzübereinkommen justizförmige obligatorische Streitschlichtungsmechanismen. Schließlich zeichnet sich selbst bei Assoziations- und Kooperationsabkommen, die traditionell diplomatische und damit unverbindliche Methoden der friedlichen Streitbeilegung vorsehen, ein Trend zu einer gewissen „Verrechtlichung" der Streitschlichtung ab. So normiert ein bedeutendes Assoziationsabkommen aus neuerer Zeit, das „Cotonou-Abkommen" mit den AKP-Staaten2, ein Streitbeilegungssystem, bei dem die Durchführung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens auch ohne Zustimmung des Streitgegners sichergestellt werden kann.3

1

Zu den Unterschieden zwischen internationalen Gerichten und Schiedsgerichten, eingehend Amerasinghe, Jurisidiction of International Tribunals, 18; Jäger, Streitbeilegung und Überwachung als Mittel zur Durchführung des GATT, 29 ff.; Schneider, Internationale Gerichtsbarkeit, 68 ff. 2 AB1.EG 2000 L 317/3 ff. 3 Vgl. Art. 98 des Cotonou-Abkommens (AB1.EG 2000 L 317, 3/40-41); hierzu Rosas, in: Boisson de Chazoumes / Romano / Mackenzie, International Organizations and International Dispute Settlement, 49, 62.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Bei der nachfolgenden Analyse wird unterschieden zwischen Streitschlichtungsverfahren, die die Gemeinschaftsgruppe mit Drittstaaten führt und solchen die innerhalb dieser Gruppe auftreten. Bei letzteren ist die Frage relevant, in welchem Umfang die EG-Mitgliedstaaten akzeptieren, dass zwischen ihnen bei gemischten Abkommen völkerrechtliche Bindungen und Verantwortlichkeiten entstehen, und ob diese dann auch im Rahmen von Streitschlichtungsverfahren einklagbar sein sollen. Soweit es die nunmehr zuerst zu untersuchenden Streitschlichtungsverfahren mit dritten Vertragspartnern betrifft, ist vor allem von Interesse, ob sich die dritte Vertragspartei bei der Wahl des Klagegegners an der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung orientiert oder diese für unbeachtlich hält; mit anderen Worten, ob der Drittstaat von vornherein eine uneingeschränkte Bindung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten annimmt, oder vielmehr anerkennt, dass die völkerrechtliche Bindung an die Bestimmungen eines gemischten Abkommens von der internen Aufgabenverteilung abhängt. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, sind die praktischen Erfahrungen insofern unterschiedlich, wobei es häufig entscheidend darauf ankommt, ob der jeweilige gemischte Vertrag spezifische Kompetenzklauseln enthält oder auf solche Klauseln verzichtet. Daher erfolgt bei der nachfolgenden Darstellung eine entsprechende Unterscheidung.

A. Streitigkeiten der Gemeinschaftsgruppe mit dritten Vertragsparteien I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln Bei gemischten Abkommen, die die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten durch spezifische Kompetenzklauseln zu einer detaillierten Kompetenzoffenlegung verpflichten, konzentriert sich die Praxis der Streitbeilegung bisher ausschließlich auf den Bereich der Seerechtskonvention. Der Grund für diese herausgehobene Bedeutung des SRÜ-Streitschlichtungsmechanismus dürfte zum einen in der Regelungsdichte der Konvention,4 zum anderen in der Tatsache liegen, dass das SRÜ ein umfassendes Streitschlichtungssystem5 mit einer a priori bestehenden obligatorischen Streitschlichtung geschaffen hat.6 Die Vertragsparteien der Konvention 4 Vgl. 1. Kap. Α. II. 2. 5 s. hierzu ausführlich Gomes-Rocha, The International Tribunal for the Law of the Sea, 56 ff.; Eiriksson, The International Tribunal for the Law of the Sea, 11 ff.; Treves , in: Scheiber, Law of the Sea, 61 ff.; Churchill/Lowe, The Law of the Sea, 447 ff. 6 Vgl. Nordquist/Nandan/Rosenne/Grandy, UN Convention on the Law of the Sea - A Commentary, Part XV, Rn. XV. 1: „One of the significant achievements of the Third United Nations Law of the Sea Conference was the development of a comprehensive system for the settlement of the disputes

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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haben auf diese Weise im Grundsatz keine Möglichkeit, sich der Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens zu entziehen.

1. Das System der SRÜ-Streitbeilegung Trotz der Verpflichtung zur Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens haben die Vertragsparteien aber zumindest die Möglichkeit, Einfluss auf die Art des durchzuführenden Verfahrens zu nehmen. Nach Art. 287 I SRÜ besteht grundsätzlich eine Wahlmöglichkeit zwischen vier unterschiedlichen Verfahrensarten (sogenannte „Montreux Formel" 1): Es kann ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH), dem Internationalen Seegerichtshof (ISGH), einem Schiedsgericht (welches in Übereinstimmung mit Anlage VII des SRÜ gebildet werden muss) oder einem nach den im SRÜ niedergelegten Regeln (Anlage VIII) zu bildenden besonderen Schiedsgericht gewählt werden.8 Bei Unterzeichnung, Ratifikation, Beitritt oder zu jedem späteren Zeitpunkt können die Staaten durch eine schriftliche Erklärung bestimmen, welches dieser Verfahren im Streitfall für sie gelten soll. Haben die Streitparteien vorab keines dieser Verfahren oder jeweils unterschiedliche Verfahren gewählt, so ist die Streitigkeit zwingend - sofern die Parteien nicht ad hoc etwas anderes vereinbaren - einem Schiedsgericht zu unterbreiten, das in Übereinstimmung mit Anhang VII des SRÜ zu bilden ist (Art. 287 V SRÜ). Der Grund dafür, dass „im Zweifel" ein Schiedsgericht zuständig ist, dürfte in der Tatsache liegen, dass Staaten internationale Schiedsgerichte einem ständigen Spruchkörper wie dem IGH oder dem ISGH vorziehen. Denn bei einem Schiedsverfahren können sie Einfluss auf die Zusammensetzung der Richterbank, das anzuwendende Verfahren, sowie das anzuwendende Recht nehmen.9 Von der grundsätzlichen Regelung des Art. 287 V SRÜ gibt es allerdings eine bedeutsame Ausnahme, für die die ausschließliche Zuständigkeit des Internationalen Seegerichtshofes gegeben ist: Der Erlass von vorläufigen Maßnahmen unterfällt - bevor ein Schiedsgericht gebildet wurde und vorbehaltlich einer andethat may arise with respect to the interpretation or application of the 1982 UN Convention on the Law of the Sea. Previous attempts to deal with this problem had proven to be less successful." 7 Die Bezeichnung „Montreux Formel " erklärt sich daher, dass der Vorschlag, den Parteien verschiedene Möglichkeiten zur Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens zur Wahl zu stellen, auf einem Treffen der Informal Working Group on Settlement of Disputes unter der Leitung von Riphagen ausgearbeitet wurde und dieses Treffen in Montreux stattfand, s. Ohlhoff, Methoden der Konfliktbewältigung, 102. 8 Eine Zuständigkeit eines der in Art. 287 SRÜ erwähnten Streitschlichtungsinstanzen kann allerdings durch die Regelungen der Artt. 281 und 282 SRÜ ausgeschlossen sein. Hierauf wird im Zusammenhang mit dem MOX Plant-Fall noch näher eingegangen, vgl. unten Β. I. 1. und 4. Kap. Β. I. 2. a). 9 Merrils, International Dispute Settlement, 88. 6 Oen

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

ren Vereinbarung der Parteien - der Zuständigkeit des ISGH (Art. 290 V SRÜ). 10 Im Gegensatz zu einer Reihe ihrer Mitgliedstaaten,11 hat die Europäische Gemeinschaft bis heute keine Erklärung über die Wahl eines der in Art. 287 I SRÜ genannten Verfahren abgegeben. Folglich greift für die EG im Konfliktfall mit anderen Vertragspartnern - unbeschadet einer einvernehmlichen Abänderung im konkreten Fall - die Regelung des Art. 287 V SRÜ ein, wonach die Streitigkeit einem Schiedsgericht zu unterbreiten ist. Etwas anderes gilt nach Art. 7 III des Anhangs IX des SRÜ jedoch dann, wenn die EG zusammen mit einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten eine „gemeinsame Streitpartei oder eine Streitgenossenschaft " bildet. In diesem Fall wird angenommen, dass die Gemeinschaft denselben Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zugestimmt hat wie die beteiligten Mitgliedstaa. „ 12 ten. 2. Bisher aufgetretene Streitfälle im Rahmen des SRÜ Die bisher in der Praxis der Seerechtskonvention aufgetretenen Streitfälle haben die Frage der völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten an die jeweiligen Bestimmungen des SRÜ nicht ausdrücklich problematisiert. Wie zu zeigen sein wird, scheinen die dritten Vertragsparteien und die Gemeinschaftsgruppe bisher jedoch eine ein vernehmliche Auffassung zu dieser Problematik zu vertreten. a) Der Schwertfisch-Fall Als praktisches Anschauungsbeispiel kann in diesem Zusammenhang zunächst auf den sogenannten Schwertfisch-Fall verwiesen werden. Er stellt die bisher einzige Rechtssache dar, bei der die EG als Streitpartei im Rahmen eines SRÜ Streitschlichtungsverfahrens aufgetreten ist. Da der Fall auch noch an anderen Stellen dieser Arbeit von Relevanz sein wird, 13 soll der Sachverhalt bereits hier umfassend erläutert werden: 10 Hierzu Mensah, 62 ZaöRV (2002), 43, 44; Brown, 17 IJMCL (2002), 267, 275-276. 11

So haben etwa Österreich, Deutschland, Griechenland und Portugal den ISGH gewählt, während sich die Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien für den IGH entschieden haben; ausführlich hierzu Treves, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 279, 292. 12 Dabei ist freilich zu beachten, dass diese Regelung in dieser Form nicht greift, wenn ein Mitgliedstaat den Internationalen Gerichtshof als Streitschlichtungsgremium gewählt hat, da die EG als Internationale Organisation - wie bereits dargelegt - nicht Partei vor dem IGH sein kann. Deshalb wird in einem solchen Fall angenommen, „dass die Organisation und der betreffende Mitgliedstaat dem Schiedsverfahren in Übereinstimmung mit Anlage VII zugestimmt haben " (Art. 7 III 2. Hs. Anhang IX des SRÜ). 13 s. u. 4. Kap. A. III. 1. a) und Β. I. 2. b) bb).

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

79

Ausgangspunkt des Streitverfahrens bildet eine Bestimmung des chilenischen Fischereigesetzes, die es ausländischen wie chilenischen Schiffen verbietet, auf Hoher See gefangene Schwertfische in chilenischen Häfen anzuladen. Intention der Regelung ist es, zu verhindern, dass ausländische Schiffe auf Hoher See Schwertfische in einem rechtswidrigen Maße fangen und dadurch die Schwertfischbestände in Chiles Ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ) dezimieren und deren Erhaltung bedrohen. Durch die Bestimmung werden vor allem spanische Fischer betroffen: Sie betreiben Schwertfisch-Fang im Bereich der Hohen See - nahe der AWZ Chiles. Die gefangenen Schwertfische werden sodann in chilenischen Häfen zwischengelagert, um sie von dort aus nach Europa zu exportieren. Diese Exportbestrebungen werden durch das chilenische Landungsverbot weitgehend zunichte gemacht. Die EG beschuldigte daraufhin Chile durch das Landungsverbot verschiedene Bestimmungen des GATT zu verletzen (die durch Art. V Abs. 1 - 3 GATT garantierte Transitfreiheit, sowie die in Art. X I Abs. 1 GATT enthaltenen Importrechte). Nach dem Scheitern diplomatischer Verhandlungen bewirkte die Gemeinschaft im Dezember 2000 die Einsetzung eines WTO-Panels.14 In Reaktion auf die Anrufung des WTO-Streitschlichtungsgremiums, verklagte Chile seinerseits die EG vor einer speziellen Kammer des ISGH. 15 Dabei wurde zweierlei gerügt: Zum einen habe die Gemeinschaft durch die Anrufung des WTOStreitschlichtungsverfahrens gegen das SRÜ verstoßen, da der Fall aufgrund seines seerechtlichen Bezugs ausschließlich vor einem SRÜ-Streitschlichtungsgremium hätte ausgetragen werden müssen. Zum anderen verletze auch das Verhalten der spanischen Fischer Bestimmungen der Konvention. Durch ihre - wie Chile unterstellte - rechtswidrigen Fangmethoden auf der Hohen See verstießen die spanischen Fischer namentlich gegen Artt. 116-119 SRÜ, nach denen das Recht zum Fischfang auf Hoher See mit der Pflicht zur Erhaltung lebender Ressourcen verbunden ist. Hervorzuheben in dem hier behandelten Zusammenhang ist die Tatsache, dass eben nur die Gemeinschaft, nicht aber Spanien von Chile vor dem ISGH verklagt wurde, obwohl bezüglich des zuletzt genannten Punktes (der geltend gemachten Verletzung der Artt. 116-119 SRÜ) ein Verhalten spanischer Bürger in Streit stand. Die Tatsache, dass diesbezüglich dennoch nicht Spanien, sondern allein die EG formelle Streitpartei wurde, erklärt sich nunmehr wohl daraus, dass die in Streit stehenden Bestimmungen der Artt. 64, 116-119 SRÜ einen Bereich betreffen, der der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen ist. Dies bringt die von der Gemeinschaft anlässlich des Beitritts zum Seerechtsüberein14

Chile-Measures Affecting the Transit and Importation ofSwordfìsh , WT/DS 193. Einzelheiten sind abrufbar unter www.itlos.org; das Verfahren wurde mittlerweile auf übereinstimmenden Antrag der Parteien mit Beschluss vom 16. 12. 2003 bis zum 1.1. 2006 ausgesetzt. 15

6*

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

kommen abgegebene Kompetenzabgrenzungserklärung auch eindeutig zum Ausdruck: „Die Gemeinschaft erklärt, dass ihre Mitgliedstaaten ihr die Zuständigkeit für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen der Seefischerei übertragen haben."16

Unter dem Strich wurde die EG somit als förmliche Streitpartei in einen Konflikt verwickelt, dessen streitentscheidende Bestimmungen - nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung - der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen. Im Schwertfisch-Fall wurde folglich die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung auch „nach außen hin" gewahrt.

b) Die Rechtssachen Camouco und Monte Confurco Gleiches gilt auch für die Rechtssachen „Camouco" 11 und „Monte Confurco", 18 die vor dem ISGH verhandelt wurden. Die Fälle betrafen die sofortige Freigabe von Schiffen und ihrer Besatzung, die unter Verletzung von Bestimmungen der Konvention (namentlich von Art. 73 SRÜ) zurückgehalten wurden. Hier wurde nicht die Gemeinschaft als Streitgegner benannt, sondern ein einzelner Mitgliedstaat (in beiden Fällen Frankreich) nach Art. 292 SRÜ in Anspruch genommen. Auch dieses Vorgehen steht - wie beim Schwertfisch-Fall - im Einklang mit den Vorgaben der EG-Kompetenzerklärung. Aus der Erklärung ergibt sich eindeutig, dass die in den Rechtssachen „Camouco" und „Monte Confurco" strittigen Verpflichtungen aus Art. 73 SRÜ der ausschließlichen mitgliedstaatlichen Kompetenz zuzuordnen sind. Insofern heißt es in der Erklärung: „Die Ausübung der Hoheitsgewalt über die Schiffe ... und die Verhängung straf- und verwaltungsrechtlicher Sanktionen bleibt jedoch in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten « 19

Folglich wurde der Klage zumindest nicht mit Argument widersprochen, Frankreich habe keine Zuständigkeit für die strittigen Verpflichtungen übernommen und schon aus diesem Grund keine Vertragsverletzung begangen.

16 Vgl. Nr. 1 1. Spiegelstrich 1. Hs. der „Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zur Zuständigkeit für die durch das Seerechtsübereinkommen ... geregelten Angelegenheiten" (AB1.EG 1998 L 179/129, 130). Zur Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe im Bezug auf den Schwertfisch-Fall auch Rosas, in: Boisson de Chazournes / Romano/Mackenzie, International Organizations and International Dispute Settlement, 49, 60. 17 The „Camouco" Case (Panama v. France) - Application for Prompt Release - Case No. 5. Abrufbar unter http://www.itlos.org. 18 The „Monte Confurco" Case (Sychelles v. France) - Application for Prompt Release Case No. 6. Abrufbar unter http://www.itlos.org. 19 Vgl. Nr. 1 1. Spiegelstrich 3. Hs. der „Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zur Zuständigkeit für die durch das Seerechtsübereinkommen ... geregelten Angelegenheiten" (AB1.EG 1998 L 179/129, 130).

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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3. Prozessuale Regelungen des SRÜ Obwohl in der Praxis des SRÜ bisher noch keine Streitigkeit mit einer dritten Vertragspartei aufgetreten ist, bei welcher die (intern) geteilten Kompetenzen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten problematisiert wurden, etwa weil Unsicherheiten dritter Vertragspartner über die innergemeinschaftliche Zuständigkeitsverteilung bestanden, ist eine solche Situation freilich nicht auszuschließen. Unsicherheiten hinsichtlich der Kompetenzverteilung können dabei vor allem in Fällen auftreten, in denen die von der Gemeinschaft abgegebene Kompetenzerklärung keine eindeutigen Aussagen enthält.20 Für eine solche Situation sieht die Konvention eine ausdrückliche prozessuale Regelung vor: Gemäß Art. 5 V S. 1 von Anhang IX kann „jeder Vertragsstaat ..eine internationale Organisation und ihre Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, um Auskunft ersuchen, wer - die Organisation oder ihre Mitgliedstaaten - Zuständigkeit für eine bestimmte Frage besitzt, die aufgetreten ist."

Nach Art. 5 V S. 2 des Anhangs IX sind die Organisation und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, die vom Drittstaat verlangte Auskunft bezüglich der Kompetenzverteilung „innerhalb einer angemessenen Frist" zu erteilen. 21 Daneben wird auch dem Internationalen Seegerichtshof ein solches Nachfragerecht zugestanden. In Art. 57 II der „Rules of the International Tribunal for the Law of the Sea" 22 heißt es hierzu: „In a dispute to which an international organization is a party, the Tribunal may, at the request of any other party or proprio motu, request the international organization to provide, within a reasonable time, information as to which, as between the organization and its member States, has competence as to any specific question which has arisen. If the Tribunal considers it necessary, it may suspend the proceedings until it receives such information."

Damit enthält die Konvention ein detailliertes System zur Regelung der Problematik der Kompetenzteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe. Auf diese Weise bleibt es letztendlich der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten selbst überlassen, die genaue Kompetenzaufteilung auch für den Fall vorzunehmen, dass die 20 Zu den diesbezüglichen Einzelheiten, vgl. als Beispiel die Meinungsverschiedenheiten zwischen Großbritannien und Irland im MOX Plant-Fall (s. u. Β. I. 1.). 21 Hingewiesen sei darauf, dass das Nachfragerecht allerdings dann nicht notwendig (aber auch nicht ausgeschlossen) ist, wenn Gemeinschaft und Mitgliedstaaten für einen Teilbereich des SRÜ ihre jeweiligen Kompetenzen überhaupt nicht offengelegt haben. Hier greift der bereits erwähnte Art. 5 III von Anhang IX ein (s. o. 2. Kap. Α. I.). Danach wird in dieser Konstellation eine Zuständigkeit und damit auch Bindung allein der Mitgliedstaaten fingiert. Richtiger Anspruchsgegner sind demnach nur die Mitgliedstaaten. 22 Doc. ITLOS/8 (Oktober 1997); abgedruckt bei Lörcher, Neue Verfahren der internationalen Streiterledigung in Wirtschaftssachen, 553.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Kompetenzerklärung ungenaue Aussagen enthält. Diese Frage muss nicht durch die dritte Vertragspartei oder ein internationales Gericht entschieden werden. 23 Sollte die Gemeinschaftsgruppe allerdings auch die Nachfrage der dritten Vertragspartei hinsichtlich der Kompetenzverteilung unzureichend beantworten, haften Gemeinschaft und Mitgliedstaaten „gesamtschuldnerisch" (vgl. Art. 6 II des Anhang IX). In diesen Fällen kann ein Streitbeilegungsverfahren also beliebig gegen die Gemeinschaft oder gegen die Mitgliedstaaten oder auch gegen beide gleichermaßen gerichtet werden.

4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Gemeinschaftsgruppe und dritte Vertragsparteien bei Streitigkeiten im Rahmen der Seerechtskonvention bisher wohl - ohne dies allerdings ausdrücklich klarzustellen - von einer eingeschränkten Bindungswirkung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft bzw. der betroffenen Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer internen Zuständigkeitsverteilung ausgehen. Die Abgrenzung zwischen den jeweiligen Kompetenzbereichen erfolgt dabei auf der Grundlage der von der Gemeinschaft abgegebenen Kompetenzerklärung. Sollte diese Erklärung in einem konkreten Fall (zu dem es in der Praxis allerdings bisher nicht gekommen ist) keine zuverlässige Kompetenzzuweisung ermöglichen, so räumt die Konvention der dritten Vertragspartei bzw. dem Internationalen Seegerichtshof die Möglichkeit ein, die Gemeinschaftsgruppe über die exakte Zuständigkeitsverteilung zu befragen. Auf diese Weise erhalten Gemeinschaft und Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Erklärung zumindest für den Einzelfall nachzubessern.

II. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln Während sich bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln die Praxis der Streitschlichtung auf den Bereich der Seerechtskonvention konzentriert, findet eine solche Konzentration bei den übrigen gemischten Verträgen im Rahmen der Welthandelsorganisation statt. Zum besseren Verständnis der dort aufgetretenen Streitfälle soll zunächst dessen Streitschlichtungsmechanismus kurz skizziert werden:

23 So im Ergebnis auch die Einschätzung von Heliskoski, nique, 166.

Mixed Agreements as a Tech-

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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1. Das WTO-Streitbeilegungssystem Das WTO-Streitbeilegungssystem - wie es im WTO-Streitbeilegungsabkommen („ Understanding on Rules and Procedure Governing the Settlement of Disputes", im Folgenden DSU) niedergelegt wurde - stellt eine Fortentwicklung des bis dahin geltenden GATT-Streitbeilegungsverfahrens dar. 24 Der Verfahrensablauf nach dem neuen DSU ist dabei folgender: Zunächst sind die WTO-Mitglieder verpflichtet, ihren Streit durch gegenseitige Konsultationen, Vermittlung oder Mediation beizulegen. Erst wenn die Streitparteien ihren Konflikt auf diese Weise nicht beilegen können, haben sie die Möglichkeit, die Einsetzung eines „Panels" zu beantragen (Art. 6 DSU). Dieses Panel wird sodann vom Dispute Settlement Body (DSB), der sich aus den Vertretern der WTO-Vertragsparteien zusammensetzt, eingesetzt, es sei denn der DSB entscheidet durch Konsens die Nichteinsetzung (Art. 6 I DSU). Hinsichtlich seines Prüfungsumfangs und des Untersuchungsgegenstandes ist das Panel an diejenigen Vorschriften gebunden, auf die sich die Streitparteien beziehen. Der mit einem konkreten Entscheidungsvorschlag schließende Bericht des Panels bedarf der Annahme durch den DSB, um Rechtswirkungen zu entfalten. Diese Annahme erfolgt allerdings nur dann nicht, wenn der DSB einstimmig den Bericht ablehnt (Art. 16 IV DSU) oder eine Streitpartei förmlich ihre Entscheidung anzeigt, Rechtsmittel einzulegen. Ist letzteres der Fall, wird das ständige Revisionsgremium, der Appellate Body (AB), mit der Streitigkeit befasst. Der AB kann die Rechtsfindung des Panels aufrechterhalten, abändern oder aufheben. Der Bericht des AB wird sodann vom DSB angenommen, es sei denn der DSB beschließt durch Konsens, die Nichtannahme des vorgelegten Berichts (Art. 17 IV DSU). Im Bericht des Panel bzw. des AB kann für den Fall der Feststellung einer Verletzung des WTO-Abkommens auch festgelegt werden, wie der Verstoß zu beheben ist. 25 Mit der Annahme des jeweiligen Berichts durch den DSB sind die Streitparteien zur umgehenden Beachtung dieser Entscheidung verpflichtet (Art. 19 I DSU). Für die Umsetzung wird dem betreffenden Mitglied ein angemessener Zeitraum eingeräumt, wobei dieser Zeitraum auch durch eine gemeinsame Vereinbarung der Streitparteien festgelegt werden kann (Art. 21 III DSU). Wird die Umsetzungsfrist nicht eingehalten, so können die Beteiligten für eine Übergangszeit 24

Zum früheren GATT-Streitbeilegungsverfahren eingehend Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO, 130 ff.; Petersmann, in: Hilf/Petersmann, GATT und EG, 119, 144; ders., in: Emiliou / O'Keeffe, The EU and World Trade Law, 253 ff. Zum neuen WTO-Streitbeilegungsmechanismus, s. u. a. Kuijper, 29 JWT (1995), 49 ff.; Cottier, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 179 ff.; Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System; Vermulst/Driessen, 29 JWT (1995), 131 ff.; Herrmann, 4 ZEuS (2001), 454, 493; Flory, L'organisation du commerce, 21 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 140 ff.; Feliciano/van den Bossche, in: Blokker/Schermers, Proliferation of International Organizations, 297 ff.; MatsushitaISchoenbaum/Mavroidis, The WTO, 17 ff.; Ohlhoff, in: Prieß/Benisch, WTO-Handbuch, 677 ff. 2 5 Hierzu Rosas, 4 JIEL (2001), 129, 134.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

eine Entschädigung vereinbaren. Daneben kann der DSB die Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Pflichten gegenüber dem unterlegenen Mitglied genehmigen (Art. 22 DSU). Das neue WTO-Streitschlichtungsverfahren hat gegenüber dem alten Streitbeilegungsmechanismus des GATT 1947 insgesamt erhebliche Verbesserungen gebracht. Der entscheidende Fortschritt liegt darin, dass Berichte der Panel bzw. des Appellate Body nur dann nicht als verbindlich vom DSB angenommen werden können, wenn alle Vertragsparteien dies einstimmig beschließen (negativer Konsens).26 Unter dem alten GATT 1947 hingegen erforderte bereits die Annahme der Panel-Berichte Einstimmigkeit, 27 was dazu führte, dass zumeist die nachteilig betroffene Streitpartei gegen die Annahme des jeweiligen Berichts votierte und so eine verbindliche Entscheidungsfindung blockierte. Unter dem alten GATT 1947 war das Streitbeilegungsverfahren daher mehr ein politisches als ein rechtliches Instrument. 28 Es ist demnach die Einführung des negativen Konsensprinzips, welches dem neuen WTO-Streitbeilegungsverfahren seine Justizförmigkeit verleiht. 29 Zudem verbindet der neue WTO-Streitschlichtungsmechanismus Elemente diplomatischer, schiedsgerichtlicher und gerichtlicher Verfahren in einer bisher im internationalen Recht nicht gekannten Weise.30 Da die Parteien zunächst verpflichtet sind, ihre Streitigkeit durch Konsultation, Verhandlung oder Mediation beizulegen, wird ein diplomatisches Verfahren als vorgeschaltetes „Vorverfahren" zwingend vorgeschrieben. Daneben können die Streitparteien - im Rahmen des PanelVerfahrens - auf die Auswahl des anzuwenden Rechts und die Zusammensetzung der (ad hoc einzusetzenden) Panel Einfluss nehmen, so dass das WTO-Streitschlichtungsverfahren auch schiedsgerichtsähnliche Züge trägt. Schließlich sind durch die Einführung einer ständigen Berufungsinstanz auch Elemente eines internationalen Gerichtsverfahrens verwirklicht. 31

2. Bisher im Rahmen der WTO aufgetretene Streitfälle Vor allem vor dem Hintergrund der gerade beschriebenen Stärkung des Streitbeilegungssystems, hat sich in den vergangenen Jahren eine reichhaltige Praxis der 26 Vgl. Art. 16 IV DSU. Hierzu Lavranos, EuR 1999, 289, 294; Becker-Celik, EWS 1997, 12, 14. 27 Vgl. Artt. XXII-XXIII GATT 1947. 28 Jackson, The World Trading System, 107 ff.; Stoll, 54 ZaöRV (1994), 241, 267 f. 29 Beise, WTO, 220; Lavranos, EuR 1999, 289, 294; Beneyto, EuZW 1996, 295, 298; Meier, EuZW 1997, 566. 30

Dahm/Delbrück/Wolf rum, Völkerrecht Bd. 1/3, 843; Emmerich-Fritsche, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 123, 184 ff. 31 Rosas, in: Boisson de Chazournes / Romano / Mackenzie, International Organizations and International Dispute Settlement, 49, 55.

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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WTO-Streitschlichtung herausgebildet. In deren Rahmen sind auch zahlreiche Fälle aufgetreten, an denen die Gemeinschaft oder ihre Mitgliedstaaten bzw. sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten beteiligt waren. Auf einige von diesen soll nunmehr exemplarisch eingegangen werden. Dabei wird zu zeigen sein, dass sich der Umgang mit der Bindungswirkungsproblematik im Rahmen der Streitschlichtung beim WTO-Übereinkommen (als gemischtes Abkommen ohne Kompetenzklauseln) in den meisten Fällen nicht gravierend von demjenigen im Rahmen der Streitschlichtung bei der Seerechtskonvention (als gemischtes Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln) unterscheidet. Auch beim WTOÜbereinkommen gehen die Gemeinschaftsgruppe und die dritten Vertragsparteien überwiegend einvernehmlich - ohne dies allerdings ausdrücklich klarzustellen von einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung aus, indem die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten nur im Rahmen ihrer internen Zuständigkeiten in einem Streitschlichtungsverfahren in Anspruch genommen werden. Anders als bei der Seerechtskonvention finden sich allerdings beim WTO-Übereinkommen auch Fallkonstellationen, in denen die Frage der Bindungswirkung problematisiert wurde und deren Bewertung zwischen der Gemeinschaftsgruppe und den dritten Vertragsparteien umstritten war. Eine einheitliche Behandlung der Problematik - wie sie bei der SRÜ-Streitschlichtung festgestellt wurde - findet sich daher bei der WTOStreitbeilegung nicht.

a) Fallkonstellationen,

in denen die interne Kompetenzverteilung beachtet wurde

aa) Beispiele aus dem Bereich des GATT-Abkommens Für den Bereich des GATT 1994 kann zunächst auf den Hormon-Fall 32 verwiesen werden. Er steht exemplarisch für eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, in denen nur gegen die Gemeinschaft ein Panel-Verfahren in Bezug auf die vermeintliche Verletzung von WTO-Bestimmungen eingeleitet wurde, die evident der Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen. 33 So hatten im Hormon-Fall alle gerügten Bestimmungen Bezug zum klassischen Warenverkehr, einem Bereich, den der EuGH in seinem WTO-Gutachten der ausschließlichen Gemeinschaftszuständig32

European Communities - Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26; WT/DS48. 33 Vgl. aus neuerer Zeit (2003) u. a. European Communities - Countervailing Measures on Dynamic Random Access Memory Chips from Korea, WT/DS299; European Communities Protection of Trademarks and Geographical Indications for Agricultaral Products and Foodstuffs, WT / DS290; European Communities - Customs Classification of Frozen Boneless Chicken Cuts , WT/DS286; zu älteren Fällen s. etwa European Communities - Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT/DS27; European Communities - Anti-Dumping Duties of Imports of Cotton-Type Bed Linen from India, WT/DS141; European Communities - Measures Affecting Importation of Certain Poultry Products, WT/DS69; European Communities - Trade Description of Sardines, WT/DS231.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

keit zugeschrieben hat. 34 Zudem beruhte das gerügte Verhalten auch auf einer Handlung eines Gemeinschaftsorgans (Erlass einer Richtlinie), so dass sich auch keine Schwierigkeiten hinsichtlich der Zurechnung des gerügten Verhaltens zur EG ergeben konnten.35 Im Bezug auf den zuletzt genannten Punkt der Zurechnung des gerügten Verhaltens zur EG war die Situation dagegen im sogenannten Asbest-Fall 36 problematischer. Hier hatte kein Gemeinschaftsorgan, sondern ein Organ eines Mitgliedstaats gehandelt: Die französische Regierung hatte 1996 eine Verordnung erlassen, nach welcher der Handel mit Asbestfasern sowie daraus hergestellten Produkten unter Androhung von Strafe verboten wurde. Kanada als der weltweit zweitgrößte Asbest-Hersteller, sah die Interessen seiner Industrie durch die französische Verordnung bedroht und verlangte die Einsetzung eines Panels. Die kanadische Regierung machte geltend, dass die französische Verordnung nicht nur eine Reihe von Bestimmungen des TBT-Übereinkommens (insbesondere die Art. 2 Abs. 1 - 4 und Art. 2 Abs. 8), sondern auch die Artikel III Abs. 4 und X I Abs. 1 des GATT-Übereinkommens verletzte. Interessant im hier behandelten Zusammenhang ist die Tatsache, dass die kanadische Regierung in ihrem Antrag auf Einsetzung des Panels nicht Frankreich als Streitgegner anführte, sondern allein die Europäische Gemeinschaft. Dies geschah wohl in Anerkennung der ausschließlichen Zuständigkeiten der EG für die in Streit stehenden, den klassischen Warenverkehr betreffenden Normen des TBT-, sowie des GATT-Abkommens. Auch die EG selbst wandte sich nicht gegen dieses Verhalten. Zurechnungsprobleme wurden nicht angesprochen. Auch das Panel, sowie der AB entschieden den Fall der Sache nach und gingen daher wohl stillschweigend von der grundsätzlich gegebenen Zurechnung des Verhaltens zur Gemeinschaft aus. In der Praxis der Streitschlichtung beim WTO-Abkommen scheint danach anerkannt, dass sich die Gemeinschaft in Bereichen ihrer ausschließlichen Zuständigkeit bei gemischten Verträgen das Verhalten der mitgliedstaatlichen Organe als eigenes Handeln zurechnen lassen muss. Dies ist insofern verständlich, als Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht von der EG selbst, sondern von ihren Mitgliedstaaten ausgeführt wird, die Gemeinschaft diese Ausführung aber gewissermaßen 34 Vgl. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 36; Weiß/Herrmann, § 8 Rn. 118.

WTO-Recht,

35 Wie oben festgestellt, setzt die Feststellung völkerrechtlicher Verantwortlichkeit voraus, dass der Bruch einer völkerrechtlichen Verpflichtung dem Verpflichteten auch zugerechnet werden kann, was unproblematisch immer dann anzunehmen ist, wenn eigene Organe des verpflichteten Völkerrechtssubjekts gehandelt haben; s. hierzu bereits oben in der Einleitung zum 2. Kap. 36 European Communities - Measures Affecting Asbestos and Products Containing Asbestos, WT/DS135. 37 s. hierzu auch Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 202.

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„veranlasst" und dessen Durchführung auch - gegebenenfalls durch Vertragsverletzungsklagen vor dem EuGH - kontrollieren kann. 37 Es bleibt danach für den Bereich des GATT-Abkommens festzuhalten, dass häufig in einem Streitschlichtungsverfahren allein derjenige innerhalb der Gemeinschaftsgruppe in Anspruch genommen wird, der die innergemeinschaftliche Kompetenz besitzt. Dies ist beim GATT-Übereinkommen grundsätzlich die Gemeinschaft. Dabei ist es unerheblich, ob die als Vertragsverletzung gerügte Handlung von einem Gemeinschaftsorgan oder von einem mitgliedstaatlichen Organ vorgenommen wurde. Im letzteren Fall wird das Verhalten des mitgliedstaatlichen Organs der Gemeinschaft zugerechnet.

bb) Beispiele aus dem Bereich der TRIPS- und GATS-Abkommen Während die im GATT-Übereinkommen getroffenen Regelungen der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen, hat der EuGH in seinem WTO-Gutachten für weite Bereiche der GATS- und TRIPS-Abkommen eine (zumindest konkurrierende) Zuständigkeit der Mitgliedstaaten anerkannt, die diese beim Abschluss des WTO-Abkommens ausgeübt haben.38 Auch diese interne Kompetenzverteilung im Rahmen von GATS- und TRIPSAbkommen wurde in Streitschlichtungsverfahren zumindest teilweise von dritten Vertragsparteien beachtet: So nahmen die Vereinigten Staaten beispielsweise 1996 Konsultationen allein mit einem EG-Mitgliedstaat (Portugal) und nicht mit der Gemeinschaft auf, wobei sie Verstöße gegen die Patentschutzvorschriften der Artt. 33, 65 und 70 des TRIPS-Abkommens rügten. 39 Der Bereich des Schutzes von Patenten fällt dabei - wie der EuGH in seinem WTO-Gutachten ausdrücklich klargestellt hat 40 - in die mitgliedstaatliche Zuständigkeit. Somit wurde ein Mitgliedstaat der Gemeinschaft in einem Bereich in Anspruch genommen, der auch nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung seinem Aufgabenfeld zuzuordnen ist. Weitere Beispiele im Bereich des TRIPS-Abkommens, in denen die interne Kompetenzverteilung beachtet wurde, sind die Rechtssachen Denmark - Measures Affecting the Enforcement of Intellectual Property Rights 41 und Sweden Measures Affecting the Enforcement of Intellectual Property Rights 42. Auch hier wurden die Anträge auf Durchführung von Konsultationen nicht an die Gemeinschaft, sondern ausschließlich an die betroffenen Mitgliedstaaten gerichtet, wobei die in Streit stehenden urheberrechtlichen Bestimmungen des TRIPS - nach der 38 Vgl. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 71 ff.; s. 1. Kap. Β. II. 4. a). 39 Portugal - Patent Protection under the Industrial Property Act , WT / DS37 /1. 40 Vgl. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 103. 41 WT/DS83. 42 WT/DS86.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Rechtsprechung des EuGH 43 - der Zuständigkeit dieser Mitgliedstaaten unterfielen. 44

b) Hinsichtlich der Bindungswirkungsfrage problematische Konstellationen aa) Beispiele aus dem Bereich des GATT-Abkommens Probleme hinsichtlich der Frage der getrennten bzw. gemeinsamen Haftung auf Seiten der Gemeinschaftsgruppe im Rahmen des GATT 1994 entstanden im so genannten LAN-Fall. 45 Dieser wurde im Rahmen der WTO-Streitbeilegungsgremien verhandelt und am 22. Juni 1998 mit Annahme des Berichts des AB durch den DSB verbindlich entschieden. Ausgangspunkt des Verfahrens waren zwei Verordnungen der Gemeinschaft (EG-VO 1638/94 und EG-VO 1165/95) mit denen bestimmte Arten von Computerausrüstungen 46 einseitig neu klassifiziert wurden. Als Ergebnis musste bei Einfuhren dieser Produkte in die Gemeinschaft ein höherer Zollsatz gezahlt werden als zuvor. Die USA exportierten solche Computerausrüstungen insbesondere nach Irland und Großbritannien. Die Zollbehörden dieser Mitgliedstaaten erhoben nunmehr anlässlich der Einfuhr der amerikanischen Computerprodukte den sich aus den Vorgaben der EG-Verordnungen ergebenden höheren Zollsatz. Die USA leiteten daraufhin - nach erfolglos gebliebenen Konsultationen - ein Panel-Verfahren gegen die EG sowie gegen Großbritannien und Irland ein. Sie sahen in der Erhebung des höheren Zollsatzes einen Verstoß gegen Art. II des GATT 199447 i.V.m. der Zugeständnisliste LXXX 4 8 43 Vgl. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1 /94) Rn. 104. 44 Für „Normalfälle" unter Beteiligung der Gemeinschaft und nicht der Mitgliedstaaten im Rahmen des TRIPS- Abkommens, s. European Communities - Protection of Trademarks and Geographical Indications for Agricultural Products and Foodstuffs ((WT/DS174) bzw. (WT/DS290)). In diesen Fällen haben die USA bzw. Australien nunmehr die Einrichtung eines Panels ausschließlich gegenüber der EG beantragt. Streitgegenstand ist eine Gemeinschaftsmaßnahme (Richtlinie Nr. 2081/92) in einem Bereich des Markenrechtsschutzes, der der Gemeinschafts- und nicht der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfällt. Für einen „Normalfall" unter Beteiligung eines EG-Mitgliedstaates im Rahmen des GATSAbkommens, s. Belgium - Measures Affecting Commercial Telephone Directory Services, WT/DS80. 45 European Communities - Customs Classification of Certain Computer Equipment, WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R (Panel Report); WT/DS62/AB/R, WT / DS67 / AB / R, WT / DS68 / R (Report of Appellate Body). 46 Es handelte sich um Vorrichtungen, die innerhalb lokaler Computernetzwerke (so genannte local area networks, LAN) für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Computern sowie für die Datenverarbeitung notwendig sind.

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Auf die Einzelheiten, ob ein solcher Verstoß gegen die genannten GATT-Normen tatsächlich vorlag, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Allein interessant in dem vorliegend behandelten Kontext ist die Tatsache, dass die USA ein Streitschlichtungsverfahren sowohl gegen die EG als auch gegen zwei ihrer Mitgliedstaaten richtete. Problematisch ist dieses Verhalten deshalb, weil die gerügte Verletzung des Art. II GATT 1994 eine Bestimmung betrifft, die der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz unterfällt. 49 Daher wurde die in diesem Fall strittige Neuklassifizierung auch durch zwei Gemeinschafts-Verordnungen vorgenommen. Die ebenfalls verklagten Mitgliedstaaten hatten dabei diese Verordnungen lediglich umgesetzt. Geht man demnach davon aus, dass die innergemeinschaftliche Aufgabenverteilung auch nach außen gegenüber dem dritten Vertragspartner wirkt, so konnte es von vornherein nicht zu einem Verstoß gegen Art. I I GATT 1994 auf Seiten der Mitgliedstaaten, sondern nur der Gemeinschaft gekommen sein. Die dann allein verantwortliche Gemeinschaft müsste sich - wie im Asbest-Fall 50 - das Verhalten der mitgliedstaatlichen Zollbehörden als eigenes Handeln zurechnen lassen. In diese Richtung ging auch die Argumentation der Gemeinschaftsgruppe. Die EG war bereit, sich das Verhalten der irischen und britischen Zollbehörden zurechnen zu lassen und für mögliche hierdurch verursachte Verstöße gegen das GATTÜbereinkommen einzustehen.51 Die Gemeinschaft akzeptierte allerdings nicht ebenso wenig wie Großbritannien und Irland - , dass neben der EG auch noch diese beiden Mitgliedstaaten in ein Streitschlichtungsverfahren miteinbezogen werden sollten: Seit den späten fünfziger und beginnenden sechziger Jahren habe es - gerade im hier interessierenden Bereich der Zolltarife - Souveränitätsübertragungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft gegeben, mit der Folge der ausschließlichen Zuständigkeit der Gemeinschaft für diese Bereiche. Diese Souveränitätsübertragungen seien auch für dritte Vertragsparteien dadurch erkennbar geworden, dass die Liste der Zollklassifizierung nur mit „Europäische Gemeinschaftnicht aber - wie beispielsweise entsprechende Zugeständnislisten im Bereich der Dienstleistungen - mit „Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten" überschrieben wurde. 52 Der Streit habe daher ausschließlich an die Gemeinschaft gerichtet werden müssen.53

47 Art. I I des GATT 1994 lautet: „Jede Partei gewährt dem Handel der anderen Vertragspartei eine nicht weniger günstige Behandlung als in dem betreffenden Teil der entsprechenden Liste zu diesem Abkommen vorgesehen ist." 48 WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 3.1. 49 Vgl. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1/94) Rn. 22 ff. 50

s. o. a) aa). si WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 4.15. 52 WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 4.10. 53 WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 4.15.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Die Vereinigten Staaten zeigten sich jedoch hiervon unbeeindruckt und hielten daran fest, dass als förmliche Streitpartei sowohl die Gemeinschaft als auch die genannten Mitgliedstaaten auftreten müssten. Die USA wiesen darauf hin, dass neben der Gemeinschaft auch Irland und das Vereinigte Königreich eigenständige Mitglieder der WTO seien, die sich nicht hinter anderen Mitgliedern der WTO, wie der Gemeinschaft verstecken könnten.54 Im Text des GATT 1994 sei keine Beschränkung der Β indungs Wirkung nur auf die Gemeinschaft erkennbar. 55 Hintergrund dieser Argumentation war die Absicht der USA, die aus ihrer Sicht eigentlichen „Urheber" der Rechtsverletzung, nämlich die mitgliedstaatlichen Organe, die die neuen Zollsätze erhoben hatten, eigenständig haftbar zu machen, um sicher zu gehen, dass sie dieses Verhalten in Zukunft tatsächlich unterließen. 56 Man befürchtete wohl, dass die EG - auch bei einer Verurteilung - nicht in der Lage sein würde, intern effektiv auf die Einhaltung der GATT-Standards durch die Mitgliedstaaten hinwirken zu können. Die letztendlich ergangenen Entscheidungen des Panel und später des Appellate Body im LAN-Fall nahmen zu den von den Parteien diskutierten Fragen der Bindungswirkung nur indirekt Stellung. Nach dem Panel-Bericht schien - jedoch ohne nähere Begründung - eine Verletzung der gerügten GATT-Vorschriften durch die Mitgliedstaaten Irland und Großbritannien durchaus möglich, im Ergebnis wurde allerdings nur ein Fehl verhalten der Gemeinschaft festgestellt. 57 Der AB wiederum hob diese Entscheidung auf und fand auch auf Seiten der Gemeinschaft keine Vertragsverletzung. Seinen Ausführungen kann zudem entnommen werden, dass eine Verletzung von GATT-Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten auch von vornherein (mangels Übernahme einer entsprechenden Bindungswirkung) nicht in Betracht gekommen wäre. 58 Insofern betonte der AB: ... the European Communities constitutes a customs union, and as such, once goods are imported into any Member State, they circulate freely within the territory of the entire customs union. The export market, therefore, is the European Communities, not an individual Member State." 59

54 WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 4.13. 55 WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 4.13. 56 WT / DS62 / R, WT / DS67 / R, WT / DS68 / R, Rn. 4.12. 57 Vgl. WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 8.5; s. hierzu auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 182. 58 So die Deutung von Rosas, in: Boisson de Chazournes / Romano / Mackenzie, International Organisations and International Dispute Settlement, 49, 58; ders ., in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 212. 59 Vgl. WT/DS62/AB/R, WT / DS67 / AB / R, WT/DS68/AB/R, Rn. 96. Hierzu N i Chathàin, 5 ELJ (1999), 461, 473; Rosas, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 212; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 182; s. auch Weiß/ Herrmann, WTO-Recht, § 8 Rn. 118, die allerdings davon ausgehen, dass aus diesen Äußerungen des AB nicht auf eine Anerkennung der Ausschließlichkeit der EG-Kompetenz für Zollfragen mit völkerrechtlicher Wirkung geschlossen werden könne.

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Dessen ungeachtet hat es aber auch in neuerer Zeit wiederum Fälle gegeben, in denen die USA Konsultationen mit einzelnen EG-Mitgliedstaaten aufgenommen haben, obwohl erneut ausschließlich die Verletzung von GATT-Bestimmungen gerügt wurde. 60 Anders als im LAN-Fall kam es hier allerdings nicht zu einer Entscheidung eines Panel bzw. des AB, da sich die Parteien zuvor gütlich einigen konnten.61 Daneben sei auch auf die Rechtssache Measures Affecting Trade in Commercial Vessels 62 verwiesen. Korea rügt in diesem noch laufenden Verfahren die Unvereinbarkeit von EG-Richtlinien und von in Umsetzung dieser Richtlinien erlassenen mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften mit Bestimmungen des GATT- bzw. des SCM-Abkommens63. Obwohl auch hier Bereiche in Streit stehen, die in die ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit fallen, beantragte Korea am 11. September 2003 die Aufnahme von Konsultationen „ with the European Communities („EC") and with the EC Member States referred to below ", 64 Die Tatsache, dass sowohl die Gemeinschaft als auch einige ihrer Mitgliedstaaten in den Streit miteinbezogen werden sollen, wird dabei von Korea damit begründet „ that the EC and Member State measures in question are in breach of obligations of the EC and the Member States under provisions of the SCM Agreement, GATT 1994. " 65 Zumindest bei der Einleitung der Konsultationen ist Korea daher davon ausgegangen, dass die strittigen Verpflichtungen die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten gleichermaßen völkerrechtlich binden und damit dessen Nichtbeachtung eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit beider auslösen kann. 66 Es sind somit durchaus im Rahmen des GATT-Abkommens Fallbeispiele vorhanden, in denen die interne Kompetenzverteilung seitens dritter Vertragsparteien als irrelevant angesehen und - entgegen der Auffassung der Gemeinschaftsgruppe - eine uneingeschränkte völkerrechtliche Bindung und Verantwortlichkeit geltend gemacht wird. 67 Dies ist vor allem in Konstellationen der Fall, in denen eine von der Gemeinschaft erlassene Rechtsvorschrift vermeintlich gegen GATT-Recht verstößt und die Umsetzung dieser Vorschrift von den Mitgliedstaaten vorgenommen wird. 60

Belgium - Administration DS210. 61 Vgl. WT/DS210/6. 62 WT/DS301.

of Measures Establishing

Customs Duties for Rice, WT/

63 „Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen". 64 Vgl. WT/DS301 / 1 [Hervorhebung nicht im Original]. 65 Vgl. WT/DS301 / 1 [Hervorhebung nicht im Original]. 66 Ob diese Haltung auch in dem mittlerweile eingeleiteten Panel-Verfahren beibehalten wird, bleibt freilich abzuwarten, da bisher „offizielle" Streitpartei allein die Gemeinschaft ist; hierzu WT/DS301/3. 67

Klabbers, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 151, 174; s. auch Cottier, 35 CMLRev. (1998), 325, 355.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

bb) Beispiele aus dem Bereich der GATS- und TRIPS-Abkommen Auch im Rahmen der GATS- und TRIPS-Abkommen wurden Streitigkeiten vorbehaltlich der oben erwähnten Rechtssachen - sowohl gegen einzelne EG-Mitgliedstaaten als auch gegen die Gemeinschaft gerichtet. So wurde beispielsweise im Verfahren Measures Affecting the Grant of Copyrights and Neighbouring Rights seitens der USA auf die Einrichtung eines einheitlichen Panels gegen Irland 68 und die EG 6 9 bestanden, obwohl allein über irische Gesetze gestritten wurde und ein Bereich betroffen war (Urheberrechte), der - nach der Rechtsprechung des EuGH 70 - der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit zuzuweisen ist. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Gemeinschaftsgruppe dieses Vorgehen widerspruchslos akzeptierte und nicht etwa - wie im LAN-Fall - hiergegen protestierte. 71 Es wurde also nicht darauf verwiesen, dass nur der vermeintlich innergemeinschaftlich Zuständige - in diesem Fall der Mitgliedstaat Irland - am Verfahren beteiligt werden sollte. In einigen der oben genannten Fallkonstellationen, in denen dritte Vertragspartner im Rahmen des TRIPS-Abkommens Streitigkeiten nur gegen EG-Mitgliedstaaten gerichtet hatten, bestand die EG-Kommission im Anschluss sogar auf einer gesonderten Teilnahme der Gemeinschaft an den jeweiligen Konsultationen.72 Auch wenn die Gemeinschaftsgruppe von sich aus ein Streitschlichtungsverfahren wegen vermeintlicher Verletzungen von GATS- oder TRIPS-Bestimmungen durchführt, treten offiziell i.d.R. sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten in Erscheinung, wobei die Kommission die Sprecherrolle übernimmt und stellvertretend auch für die Mitgliedstaaten handelt.73 68 WT/DS82. 69 WT/DS115. 70 Vgl. EuGH Slg. 1994,1-5267 (Gutachten 1 /94) Rn. 104. 71 Gleiches gilt auch für das ähnlich gelagerte Verfahren Enforcement of Intellectual Property Rights for Motion Pictures and Television Programs, bei dem die USA ebenfalls eine TRIPS-Streitigkeit sowohl an den EG-Mitgliedstaat Griechenland (vgl. WT/DS125), als auch an die Gemeinschaft selbst (vgl. WT/DS124) richtete, s. hierzu auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 184 ff. 72 Vgl. Sweden - Measures Affecting the Enforcement of Intellectual Property Rights, WT/DS86/2; Denmark - Measures Affecting the Enforcement of Intellectual Property Rights, WT/DS83/2; s. auch Ni Chathain, 5 ELJ (1999), 461, 473 f. 73 Als Beispiel kann zunächst auf die Rechtssache United States - the Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (WT/DS38/1) verwiesen werden: Der Fall betraf den so genannten „Helms-Burton Act " mit dem die USA Sanktionen gegenüber Cuba verhängten. Weitere Beispiele sind: India-Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products (WT/DS79/1); Canada - Patent Protection of Pharmaceutical Products (WT/ DS114/1); Canada - Measures Affecting Film Distribution Services (WT/DS117/1); s. zum Ganzen auch Rosas, in: Dashwood/Hillion, The General Law of EC External Relations, 200, 213; ders ., in: Boisson de Chazournes/Romano/Mackenzie, International Organisations and International Dispute Settlement, 49, 67; NiChathàin, 5 ELJ (1999), 471 ff.; Petersmann, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 321, 334.

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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Dieses Verhalten des beabsichtigten gemeinsamen Auftretens in einem Streitbeilegungsverfahren verwundert zunächst, wenn man bedenkt, dass der EuGH ausdrücklich klar gestellt hat, dass die Tatsache der geteilten Kompetenzen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im Rahmen eines gemischten Vertrages, wie im konkreten Fall des TRIPS, auch zu einem geteilten innergemeinschaftlichem Status dieses Abkommens führt. Dies unterstrich der Gerichtshof im DiorUrteil 74, indem er erstmals ausdrücklich zwischen einem „Gemeinschaftsteil" und einem „Mitgliedstaatenteil" des TRIPS-Abkommens als gemischten Vertrag unterschied.75 Der EuGH hat damit klargestellt, dass nur diejenigen Bestimmungen, für die der EG die Zuständigkeit zukommt, als Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung angesehen werden können und nur insofern die Vorrangwirkung des Art. 300 VII EG eingreift. In Bereichen mitgliedstaatlicher Zuständigkeit bleibt die Anwendung des TRIPS-Abkommens dagegen autonome Angelegenheit der mitgliedstaatlichen Stellen.76 Aufgrund dieses geteilten innergemeinschaftlichen Status des TRIPS müsste es eigentlich dem Interesse der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten entsprechen, die interne Kompetenzteilung auch nach außen wirken zu lassen. Denn aufgrund des geteilten innergemeinschaftlichen Status verbleibt die Umsetzung derjenigen WTO-Verpflichtungen, die nicht der Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen sind, Aufgabe der Mitgliedstaaten. Folglich liegt es nahe, es allein dem zur Umsetzung innergemeinschaftlich Befugten zu überlassen, für mögliche Versäumnisse bei der Umsetzung auch nach außen, dem dritten Vertragspartner gegenüber einzustehen bzw. sich hiergegen in einem Streitschlichtungsverfahren zu verteidigen. 77 Die Tatsache, dass sich - dessen ungeachtet - die Gemeinschaft häufig bei Streitigkeiten im Rahmen des TRIPS- (wie auch des GATS-) Abkommens gemeinsam mit dem jeweiligen Mitgliedstaat an einem Streitbeilegungsverfahren beteiligen will, lässt sich zunächst mit der Erwartung erklären, dass zukünftig wesentliche Bereiche des TRIPS (wie auch des GATS) im Wege fortschreitender Harmonisierung bzw. Ausweitung der ausschließlichen Außenhandelskompetenzen nach Geht die Gemeinschaftsgruppe hingegen gegen einen dritten Vertragsstaat wegen vermeintlicher Verletzungen von GATT-Bestimmungen vor, so tritt nach außen nur die Gemeinschaft auf; s. etwa India-Anti-Dumping Measures on Imports of certain Products WT/DS302/1. 74 EuGH Slg. 2000,1-11307 (Dior und Assco): In dieser Rechtssache hatte der EuGH im Wege der Vorabentscheidung u. a. die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 50 TRIPS zu beantworten; s. zum Sachverhalt und den Entscheidungsgründen im Einzelnen: Gamharter, ecolex 2001, 411, 412 ff.; Bungenberg, in: Festschrift Folz, 13, 16 ff.; Hermes, TRIPS im Gemeinschaftsrecht, 81 ff.; Heliskoski, 39 CMLRev. (2002), 159 ff.; Groh/Wündisch, GRUR Int. 2001,497, 499 ff. 75 EuGH Slg. 2000,1-11307 (Dior und Assco) Rn. 47, 49; hierzu eingehend Koutrakos, 1 EFARev. (2002), 25, 43 f.; Heliskoski, 39 CMLRev. (2002), 159, 169 f.; Stoll/Schorkopf, WTO, Rn. 648; Snyder, 40 CMLRev. (2003), 313, 352. 76 EuGH Slg. 2000,1-11307 (Dior und Assco) Rn. 49; Weiß/Herrmann, WTO-Recht, § 8 Rn. 114; Duggal, IPRax 2002, 101, 106; v. Danwitz, JZ 2001, 721, 729. 77 s. auch noch 4. Kap. Α. I. 2. a). 7 Oen

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Art. 133 EG in die ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit übergehen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es der Kommission wohl sinnvoll, die Gemeinschaft schon frühzeitig auf internationaler Ebene an entsprechenden Streitigkeiten zu beteiligen, soweit sich die betroffenen Mitgliedstaaten - wie in den genannten Verfahren - mit einem solchen Vorgehen einverstanden erklären. 78 Zudem dürfte für die Befürwortung einer gemeinsamen Verfahrensbeteiligung auch die Erwägung eine Rolle spielen, dass sich eine Trennung der Kompetenzen zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft im Rahmen des GATS/TRIPS - wie gerade zahlreiche Urteile des Gerichtshofes aus neuerer Zeit bewiesen haben79 nicht immer eindeutig gestaltet, teilweise die Zuständigkeitsbereiche verschwimmen. Häufig werden in einem Streit im Rahmen des TRIPS / GATS-Abkommens daher auch sowohl Kompetenzbereiche der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten betroffen. 80 Hier erscheint eine gemeinsame Verfahrensbeteiligung - aus innergemeinschaftlicher Sicht - unausweichlich, um sicherzustellen, dass der innergemeinschaftlich Zuständige nicht vom jeweiligen Verfahren ausgeschlossen wird. Bedenkt man die soeben herausgestellten Motive, wird deutlich, dass mit der Bereitschaft zur gemeinsamen Verfahrensbeteiligung nicht notwendig auch ein Zugeständnis für die Akzeptierung einer gemeinsamen materiell-rechtlichen Verantwortlichkeit verbunden ist. Jedenfalls haben Gemeinschaft und Mitgliedstaaten dies bisher in keinem der erwähnten WTO-Verfahren explizit zum Ausdruck gebracht. Die Gemeinschaftsgruppe scheint den Modus vielmehr allein aus den genannten pragmatischen Überlegungen zu wählen.81 Letztlich wird wohl darauf vertraut, dass ein WTO-Panel die Frage der Kompetenzverteilung - sollte tatsächlich eine Vertragsverletzung festgestellt werden - der Gemeinschaftsgruppe überlässt. Auch bei einer gemeinsamen Verfahrensbeteiligung ist es nämlich grundsätzlich denkbar, dass die Frage der Zuständigkeitsverteilung - im Falle einer bevorstehenden Verurteilung - der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. 82 Bisher wurde diese Frage allerdings in der Praxis noch nicht relevant, da es in den Fällen der gemeinsamen Verfahrensbeteiligung im Rahmen von TRIPS- und GATS 78 Ähnlich auch die Einschätzung von Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 185 ff. 7 9 Vgl. etwa EuGH Slg. 2000,1-11307 (Dior und Assco); EuGH Slg. 2001,1-5851 (Groeneveld). 80

s. etwa den bereits erwähnten Streit um den Helms-Burton Act. Hier wurden seitens der Gemeinschaftsgruppe Verstöße einerseits gegen das GATT-Abkommen (Gemeinschaftszuständigkeit) und andererseits gegen das GATS-Abkommen in einem Bereich gerügt, der nach der Rechtsprechung des EuGH der Kompetenzsphäre der Mitgliedstaaten zuzuordnen ist; eingehend hierzu Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 190 f. 81

Diese Vermutung wird durch die Aussagen der Gemeinschaft in der Mitteilung zur Streitschlichtung beim EnCV bestätigt, s. hierzu sogleich 3. 82 Eingehender noch im 4. Kap. Α.; s. auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 198 ff.

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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noch zu keiner abschließenden Panel-Entscheidung gekommen ist. Die Streitigkeiten konnten vielmehr - auch nachdem bereits die Einsetzung eines Panels beantragt wurde - noch im Wege gütlicher Einigung beigelegt werden.

c) Zusammenfassung Eine Analyse der Praxis der WTO-Streitschlichtungsverfahren ergibt für den hier untersuchten Problemkreis (des Umgangs mit der Besonderheit der Kompetenzteilung im Rahmen der Gemeinschaftsgruppe) folgendes Bild: Im Bereich des GATT-Abkommens bestehen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten darauf, dass die innergemeinschaftliche Kompetenzaufteilung auch nach außen hin gewahrt wird und folglich nur die EG (da es sich bei den Regelungen des GATT um Bereiche ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz handelt) an die jeweiligen GATT-Bestimmungen völkerrechtlich gebunden ist. Daher soll nur sie allein vor einem WTO-Streitschlichtungsgremium für vermeintliche Verstöße gegen GATTVorschriften zur Verantwortung gezogen werden können. Diese Forderung zur Respektierung der innergemeinschaftlichen Aufgabenverteilung im Rahmen des GATT wird auch überwiegend von dritten Vertragsstaaten beachtet: So werden die meisten GATT-Fälle ausschließlich gegen die Gemeinschaft gerichtet und zwar unabhängig davon, ob die in Streit stehende Maßnahme auf die Handlung eines Gemeinschaftsorgans oder eines mitgliedstaatlichen Organs zurückzuführen ist. In letzterem Fall wird akzeptiert, dass sich die EG die Handlung der mitgliedstaatlichen Stellen als eigenes Verhalten zurechnen lassen muss. Allerdings besteht gerade in Situationen, in denen mitgliedstaatliche Organe Gemeinschaftsvorschriften vollziehen, auch nach wie vor die Bereitschaft dritter Vertragsparteien, die jeweils handelnden Mitgliedstaaten ebenfalls in ein Streitschlichtungsverfahren zu verwickeln. Es sind dies also zumeist Konstellationen, in denen eine von der Gemeinschaft erlassene Rechtsvorschrift vermeintlich gegen GATTRecht verstößt und deren Umsetzung von den Mitgliedstaaten vorgenommen wird. Hier gehen Drittstaaten zuweilen davon aus, es reiche nicht aus, allein die Gemeinschaftsregelung anzugreifen, vielmehr müssten auch die Mitgliedstaaten, die die eigentliche Ausführung vornähmen, gleichsam zur Verantwortung gezogen werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass auch die eigentliche Praxis tatsächlich unterbunden wird. Offensichtlich trauen es die dritten Vertragsparteien der Gemeinschaft nicht zu, für den Fall, dass die Gemeinschaftsvorschrift als unvereinbar mit WTO-Recht erklärt wird, auf die interne Beachtung dieser Entscheidung durch die Mitgliedstaaten ausreichend hinwirken zu können. In diesen Fällen verweisen die Drittstaaten daher auf eine uneingeschränkte völkerrechtliche Bindung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten. Auch im Bereich der GATS- und TRIPS-Abkommen wird eine solche uneingeschränkte ΒindungsWirkung von Drittstaaten geltend gemacht, während die Ge7*

96

3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

meinschaftsgruppe hier ebenfalls von einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung nach Maßgabe der internen Kompetenzverteilung auszugehen scheint. Konflikte um die Bindungswirkungsfrage, wie sie im Rahmen des GATT entstanden sind, konnten bei Streitigkeiten im Rahmen von GATS und TRIPS allerdings dadurch vermieden werden, dass die Gemeinschaftsgruppe eine gemeinsame Beteiligung von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten quasi im Wege einer „Streitgenossenschaft" am jeweiligen Streitbeilegungsverfahren akzeptierte. Zu einer Verurteilung der Gruppe, bei der die Kompetenzfrage hätte abschließend vom Panel bzw. AB geklärt werden müssen, ist es dabei allerdings bisher noch nicht gekommen. Jene Streitigkeiten konnten vor einer Panel-Entscheidung einvernehmlich beigelegt werden.

3. Die Mitteilung der Gemeinschaft zur Streitschlichtung beim Energiecharta-Vertrag Praktische Anschauungsbeispiele für Streitschlichtungsverfahren mit dritten Vertragsparteien bei gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln finden sich bisher - außer im soeben beschriebenen Bereich der WTO-Streitbeilegung - bei keinem anderen gemischten Vertrag. So ist es etwa in der Praxis gemischter Assoziations- und Kooperationsabkommen noch nie zur Durchführung eines Schiedsverfahrens gekommen. Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien (also der EG und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem dritten Vertragsstaat andererseits) wurden stets im Rahmen des jeweiligen politischen Organs („Assoziationsrat", „Kooperationsrat") auf diplomatischem Wege gelöst.83 Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Zustandekommen von Schiedsgerichtsverfahren bei den meisten Assoziations- und Kooperationsabkommen fakultativ ist und daher von der in Anspruch genommenen Vertragspartei blockiert werden kann. 84 Obligatorisch ist dagegen die Durchführung von gerichtlichen Streitbeilegungsverfahren beim Energiecharta-Vertrag. Hier sind die Vertragsparteien sowohl für den Bereich der handelsrechtlichen Regelungen (vgl. Art. 29 EnCV) 85 als auch bei 83 Vgl. hierzu Hilf, in: Bernhardt, Festschrift für Mosler, 396, 425; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 159; Rosas, in: Boisson de Chazournes/Romano/Mackenzie, International Organizations and International Dispute Settlement, 49, 62. 84 s. hierzu eingehend Rosas, in: Boisson de Chazournes / Romano / Mackenzie, International Organizations and International Dispute Settlement, 49, 62; Hilf, in: Bernhardt, Festschrift für Mosler, 396, 403 ff.; Bachi, Streitschlichtungsmechanismen im Rahmen von Assoziierungsverträgn, 33 ff. sowie 132 ff. 85 Art. 29 IX EnCV i.V.m. Anlage D sieht die Durchführung eines Panel-Verfahrens im Rahmen der Energiecharta-Konferenz vor, was dem WTO-Streitbeilegungsverfahren ähnelt, allerdings zwei wichtige Unterschiede aufweist: Zum einen ist keine Berufungsinstanz i.S.d. „Appellate Body" vorgesehen, zum anderen gilt für die Annahme von Panel-Berichten nicht das „Negative Konsensprinzip", vielmehr müssen die Berichte mit -Mehrheit von den Vertragsparteien angenommen werden.

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

97

Streitigkeiten über die Einhaltung der investitionsschutzrechtlichen Bestimmungen (vgl. Art. 27 EnCV) 86 verpflichtet, auf Antrag der jeweils anderen Vertragspartei schiedsgerichtliche Verfahren durchzuführen. Soweit es Streitigkeiten über Bestimmungen zum Investitionsschutz betrifft, ist daneben noch die Besonderheit normiert, dass auch Privatpersonen - in Form einzelner Investoren - die Möglichkeit haben, eine Vertragspartei vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen (vgl. Art. 26 EnCV) 87 , ohne dass sich die verklagte Partei der Durchführung des Verfahrens widersetzen könnte. Aber auch beim Energiecharta-Vertrag ist bisher noch kein Streitschlichtungsverfahren unter Einbeziehung der Gemeinschaftsgruppe durchgeführt worden. Diese Situation dürfte sich allerdings zukünftig aufgrund der EU-Osterweiterung ändern. Denn vorrangiges Ziel des EnCV ist es, Investitionen in den Energiesektor Osteuropas zu verstärken. 88 Es kann daher gerade in osteuropäischen Ländern vermehrt zu Streitigkeiten über mögliche Eingriffe im Investitionssektor kommen. Beleg hierfür ist die Tatsache, dass ein Verfahren gegen einen EU-Beitrittskandidaten tatsächlich schon eingeleitet wurde: Im Jahre 2001 hat die britische Firma AES Summit Generation Ltd. auf der Grundlage von Art. 26 EnCV vor dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) Schiedsklage gegen Ungarn erhoben mit dem Vorwurf der Verletzung von Investitionsschutzbestimmungen des Energiecharta-Vertrages. 89 Vor diesem Hintergrund ist es demnach nicht auszuschließen, dass die Frage des Umgangs mit der Problematik der Kompetenzteilung auf Seiten der Gemeinschaftsgruppe auch im Rahmen von internationalen Streitschlichtungsverfahren beim Energiecharta-Vertrag in Zukunft praktische Relevanz erhält. Insofern dürfte dann die „Mitteilung der Europäischen Gemeinschaft" von Bedeutung werden, die die EG-Kommission - in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus Art. 26 III b) ii) EnCV 9 0 - an das Sekretariat der Energiecharta gerichtet hat. In der Erklärung, die sich auf jene Streitigkeiten bezieht, die von privaten Investoren nach Art. 26 EnCV initiiert werden können, heißt es:

86 Hierzu Stevenson, 19 JENRL (2001), 118, 124 ff. 87 Durch die Normierung des Art. 26 EnCV wird gleichzeitig deutlich, dass den Investoren durch den EnCV eigene unmittelbare völkerrechtliche Rechte zuerkannt werden, hierzu eingehend Happ, Schiedsverfahren zwischen Staaten und Investoren nach Art. 26 EnergiechartaVertrag, 138 ff. 88 s.o. 1. Kap. A.II. 3. 89 Hierzu ausführlich Happ, RdE 2002, 39 ff. 90 Art. 26 EnCV behandelt - wie erwähnt - die Beilegung von Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor. Art. 26 III b ii EnCV besagt: „Im Interesse der Transparenz teilt jede in Anlage ID aufgeführte Vertragspartei spätestens bei Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde ... dem Sekretariat ihre diesbezüglichen politischen Ausrichtungen, ihre diesbezüglichen Gepflogenheiten und Bedingungen schriftlich mit."

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen „Sowohl die Europäischen Gemeinschaften als auch ihre Mitgliedstaaten sind dem Vertrag über die Energiecharta beigetreten und somit gemäß ihren jeweiligen Befugnissen für die Einhaltung der Verpflichtungen des Vertrags international verantwortlich. Die Gemeinschaften und die betroffenen Mitgliedstaaten werden, sofern erforderlich, festlegen, wer von ihnen in einem durch den Investor einer anderen Vertragspartei angestrengten Schiedsverfahren als Beschwerdegegner auftritt. In einem solchen Fall treffen die Gemeinschaften und die betroffenen Mitgliedstaaten auf Antrag des Investors diese Entscheidung innerhalb von 30 Tagen(*). (*) Das Recht des Investors, Verfahren sowohl gegen die Gemeinschaften als auch gegen ihre Mitgliedstaaten anzustrengen, wird hiervon nicht berührt." 91

Bei der zitierten Passage handelt es sich nicht um eine verbindliche Vertragsbestimmung, sondern um eine einseitige Erklärung der Gemeinschaftsgruppe, die folglich rechtlich nur diese, nicht aber dritte Vertragsparteien bzw. die Investoren bindet. Im Folgenden dient die Erklärung, die sowohl Aussagen zur materiellrechtlichen Problematik der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit, als auch zur Frage der prozessualen Umsetzung dieser Verantwortlichkeit enthält,92 daher allein dazu, die Position der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten nochmals zu verdeutlichen. Soweit es zunächst die materiell-rechtliche Problematik betrifft, soll eine eingeschränkte Verantwortlichkeit der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten nach Maßgabe der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsverteilung gelten. Dessen ungeachtet, soll es dem Streitgegner allerdings gestattet sein, die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten gleichermaßen in einem Streitschlichtungsverfahren quasi als Streitgenossenschaft in Anspruch zu nehmen. Damit bestätigt sich die Analyse der Praxis der WTO-Streitbeilegung: Das Zugeständnis der gemeinsamen Verfahrensbeteiligung ist für die Gemeinschaftsgruppe nicht gleichbedeutend mit der Akzeptierung gemeinsamer, uneingeschränkter Verantwortlichkeit für die in Streit stehenden Bestimmungen. Die Tatsache der Bereitschaft zur gemeinsamen Verfahrensbeteiligung beim Energiecharta-Vertrag erklärt sich vielmehr aus denselben Motiven heraus wie beim WTO-Abkommen. Dort wurde festgehalten, dass die Gemeinschaftsgruppe eine gemeinsame Verfahrensbeteiligung bei Streitigkeiten im Rahmen des TRIPSund GATS-Übereinkommens deshalb befürwortet, weil bei diesen Abkommen eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten häufig nur schwierig zu erreichen ist, vielfach bei einer Streitigkeit auch sowohl Kompetenzbereiche der Gemeinschaft als auch diejenigen ihrer Mitgliedstaaten betroffen sind. 93 91 Vgl. AB1.EG 1998, L 69/115. 92 s. hierzu auch Rosas, in: Boisson de Chazournes/Romano/Mackenzie, International Organizations and International Dispute Settlement, 49, 59; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 173. 93 Vgl. oben 2. b) bb).

Α. Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien

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Die von der Gemeinschaftsgruppe gegenüber dem Sekretariat der Energiecharta abgegebene Erklärung betrifft Streitigkeiten über Bestimmungen des Investitionsschutzes. Der Begriff der Investition wird im Energiecharta-Vertrag allerdings sehr weit definiert. 94 Aufgrund dessen ist auch hier - in Parallele zum GATS und TRIPS - eine klare Abgrenzung der Zuständigkeitssphären häufig kaum möglich, zumal auch hier Streitigkeiten auftreten dürften, bei denen Zuständigkeitsbereiche der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten betroffen sind. Letztlich sind es somit auch beim Energiecharta-Vertrag die aufgezeigten pragmatischen Erwägungen, die die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten dazu bewegen, einer gemeinsamen Verfahrensbeteiligung zuzustimmen, ohne damit gleichzeitig eine uneingeschränkte Bindungswirkung zu akzeptieren. Trotz der Erwähnung der Möglichkeit der gemeinsamen Inanspruchnahme als Streitgenossenschaft, geht die Erklärung aber im Grundsatz davon aus, dass nur derjenige innerhalb der Gemeinschaftsgruppe als Streitgegner in einem Streitschlichtungsverfahren auftreten soll, der auch jeweils die innergemeinschaftliche Zuständigkeit besitzt. Zur Ermittlung des gemeinschaftsintern Zuständigen wird dem klagenden Investor ein Nachfragerecht zugestanden. Daraufhin wollen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten - im Rahmen einer genau festgelegten Frist von 30 Tagen - intern verbindlich die Frage der Kompetenzverteilung klären. Nur dieser so ermittelte innergemeinschaftlich Zuständige soll anschließend Partei in einem Streitschlichtungsverfahren sein. Die in der Erklärung zum Ausdruck kommende Regelung des Nachfragerechts ist in der bisher behandelten Streitschlichtungspraxis der WTO von der Gemeinschaftsgruppe nicht vorgebracht worden. Dennoch war die Möglichkeit des Nachfragerechts aber auch zum Zeitpunkt der Abgabe der EnCV-Erklärung keine neue Erfindung, sondern hatte bereits Vorbilder in entsprechenden Vertragsbestimmungen anderer gemischter Abkommen. So wurde ein solches Nachfragerecht schon in der Seerechtskonvention normiert. 95 Aber auch bei einigen gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln, die also zur Frage der völkerrechtlichen Bindungswirkung keine Aussagen enthalten (wie letztlich auch der EnCV), wurde ein Nachfragerecht bereits als verbindliche Vertragsbestimmung niedergelegt. So enthalten § 8 von Anhang Β des „Übereinkommens zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung" 96 bzw. seines Nachfolgeabkommens von 2000 97 , sowie Art. 18 III des „Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildle94 Nach Art. 1 V I EnCV gilt als Investition jeder Vermögenswert, der dem Investor mittelbar oder unmittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird, einschließlich Ansprüche unter Verträgen, Gewinne sowie jedes durch Vertrag, Lizenz oder Gesetz gegebene Recht, im Energiesektor eine wirtschaftliche Tätigkeit zu unternehmen; s. hierzu auch schon im 1. Kap. A. II. 3. m. w. Nw. 95 Vgl. Art. 5 V von Anhang IX des SRÜ; s. hierzu auch oben I. 3. 96 AB1.EG 1977, L 240/76; hierzu Groux/Manin, Die EGen in der Völkerrechtsordnung, 161; Ohlhoff, Methoden der Konfliktbewältigung, 223. 97 AB1.EG 2000, L 289/36.

100

3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

benden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume" 98 diesbezüglich inhaltsgleiche Regelungen. Nach diesen Vertragsbestimmungen ist ein Drittstaat vor Anrufung eines Streitschlichtungsorgans zunächst verpflichtet, sich an die Gemeinschaftsgruppe zu wenden. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sollen daraufhin bekannt geben, wer von ihnen als Streitpartei in einem Streitschlichtungsverfahren aufzutreten hat. 99 Auf diese Weise bleibt es der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten selbst überlassen, untereinander eine Kompetenzklärung vorzunehmen, ohne dass sich eine dritte Vertragspartei oder ein internationales Gericht in diese Frage einzumischen braucht. 100

4. Zwischenergebnis Fasst man - unter Berücksichtigung der genannten Erwägungen - die in der Erklärung zur Streitschlichtung beim Energiecharta-Vertrag enthaltenen Aussagen zusammen, so dürfte erstmals die umfassende Position der Gemeinschaftsgruppe hinsichtlich der Verantwortlichkeitsproblematik und der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren bei gemischten Abkommen zum Ausdruck kommen: Die Gemeinschaftsgruppe geht von einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindungswirkung und Verantwortlichkeit aus. Deren prozessuale Umsetzung soll entweder durch Nachfrage der dritten Vertragspartei oder durch eine gemeinsame Verfahrensbeteiligung der Gemeinschaft und der betroffenen Mitgliedstaaten erfolgen. Ersteres entspricht der im Bonner Übereinkommen zum Schutz des Rheins ausdrücklich normierten Regelung, letzteres der im Rahmen der WTO geübten Praxis. Nachdem somit die Position der Gemeinschaftsgruppe zur Verantwortlichkeitsproblematik und zur Frage der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren mit dritten Vertragsparteien festzustehen scheint, hat sich auf Seiten der Drittstaaten diesbezüglich bisher noch keine einheitliche Linie durchsetzen können. Dritte Vertragsparteien scheinen zwar überwiegend ebenfalls von einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mit98 AB1.EG 1982, L 38/2, 7. 99 Vgl. § 8 von Anhang Β der „Übereinkommen zum Schutz des Rhein" (AB1.EG 2000, L 289/7, 31 bzw. AB1.EG 1977 L 240/83): „Im Fall von Streitigkeiten zwischen zwei Vertragsparteien, von denen nur eine ein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist - die ihrerseits selbst Vertragspartei ist richtet die andere Partei den entsprechenden Antrag gleichzeitig an diesen Mitgliedstaat und an die Gemeinschaft, die dieser Partei gemeinsam innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Empfang des Antrags mitteilen, ob der Mitgliedstaat, die Gemeinschaft oder der Mitgliedstaat und die Gemeinschaft gemeinsam als Streitpartei auftreten. Ergeht eine solche Mitteilung nicht innerhalb dieser Frist, so gelten der Mitgliedstaat und die Gemeinschaft für die Anwendung dieses Anhangs als ein und dieselbe Streitpartei. Das Gleiche gilt, wenn der Mitgliedstaat und die Gemeinschaft gemeinsam als Streitpartei auftreten." 100 s. hierzu auch Ohlhoff, Methoden der Konfliktbewältigung, 223; Heliskoski, Agreements as a Technique, 167 ff.

Mixed

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

101

gliedstaaten auszugehen, es finden sich aber - im Bereich der WTO-Streitschlichtung - auch Beispiele, in denen eine uneingeschränkte Einstandspflicht geltend gemacht wird und zwar auch unabhängig davon, ob die Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe im konkreten Fall hinreichend offengelegt wurde. Es fehlt somit bei den Vertragsparteien gemischter Abkommen (ohne spezifische Kompetenzklauseln) hinsichtlich der Bindungswirkungs- und Verantwortlichkeitsfrage an einer durchgehend übereinstimmenden Auffassung. Der im zweiten Kapitel aufgezeigte theoretische Streit hat daher durchaus praktische Bedeutung. Zu einer abschließenden Bewertung der Streitfrage wird auf das vierte Kapitel verwie-

B. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe Im Unterschied zu der gerade behandelten Situation (in der es um Streitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten einerseits und dritten Vertragsparteien andererseits ging), hat in der über vierzig jährigen Praxis gemischter Verträge die Problematik um völkerrechtliche Bindungswirkungen innerhalb der Gemeinschaftsgruppe in einem Streitschlichtungsverfahren bisher keine Rolle gespielt. 102 Dies hat sich erstmals Ende des Jahres 2001 verändert, als Irland Großbritannien im sogenannten MOX Plant-Fall zunächst im Rahmen der Seerechtsund später der sogenannten „OSPAR-Konvention" 103 in ein Streitschlichtungsverfahren verwickelte. Irland hat dabei vom bereits beschriebenen obligatorischen Streitschlichtungsmechanismus des Seerechtsübereinkommens, sowie vom ebenfalls obligatorischen Streitbeilegungsmechanismus der OSPAR-Konvention Gebrauch gemacht. Beide Rechtssachen werden nunmehr eingehend erläutert. Da das Seerechtsübereinkommen - im Gegensatz zur OSPAR-Konvention - eine spezifische Kompetenzklausel aufweist, erfolgt eine entsprechende Unterscheidung:

101 s. u. 4. Kap. Α. I. 102 Die Frage wurde lediglich einmal in einem Verfahren im Rahmen des alten GATT 1947 - Streitschlichtungsmechanismus mittelbar relevant, s. hierzu eingehend Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 227-228. 103 „Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantik", AB1.EG 1998, L 104/3, 11.

102

3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

I. Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln 1. Der MOX Plant-Fall im Rahmen der Seerechtskonvention a) Das einstweilige Rechtsschutzverfahren

vordem ISGH

Am 9. November 2001 beantragte Irland vor dem ISGH gegen das Vereinigte Königreich nach Art. 290 V SRÜ den Erlass einer einstweiligen Anordnung. 104 Hintergrund des Antrages war die durch Großbritannien erteilte Genehmigung zum Ausbau der nuklearen Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield (in Form der erweiterten Inbetriebnahme der sogenannten „MOX Plant"). Durch die gesteigerte Inbetriebnahme der MOX Plant befürchtete Irland eine verstärkte radioaktive Verunreinigung der Irischen See und ihrer Umgebung und damit einhergehend eine Bedrohung von Leben und Gesundheit ihrer unmittelbar an der Küste angesiedelten Bevölkerung. In der Erteilung der Ausbaugenehmigung wurde daher ein Verstoß Großbritanniens gegen mehrere Vorschriften der Seerechtskonvention gesehen, vor allem gegen solche, die dem „Schutz und [der] Bewahrung der Meeresumweir dienen (vgl. Artt. 192-194, 206, 207, 211 und 213 SRÜ). 105 Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ging folglich dahin, Großbritannien mit sofortiger Wirkung aufzugeben, die Genehmigung zur Erweiterung der Sellafield-Nuklearanlage zurückzunehmen und sicherzustellen, dass eine solche Erweiterung und die damit einhergehenden Nukleartransporte auch tatsächlich unterblieben. 106 Das Vereinigte Königreich bestritt in seiner Erwiderungsschrift bereits die Zuständigkeit des ISGH zum Erlass der beantragten Maßnahmen. Insofern wurde darauf verwiesen, dass Irland sich in seinem Antrag im Wesentlichen auf die Verletzung solcher Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens berufe, die auch Gegenstand verschiedener EG-Richtlinien und daher Teil des Gemeinschaftsrechts seien. 107 Nach dem EG-Vertrag sei zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts aber nur der EuGH berufen und kein anderes internationales Gericht. 108 Die Seerechtskonvention erkenne in Art. 282 SRÜ 1 0 9 solche Sondervereinbarungen zwischen 104 Vgl. 41 I L M (2002), 405, 406. Zum Sachverhalt des MOX Plant-Falls und zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem ISGH, eingehend Brown, 17 IJMCL (2002), 267, 269 ff.; Kwiatkowska, 18 IJMCL (2003), 1, 6 ff.; Forster, 16 LeidenJIL (2003), 611, 612 ff.; Chandrasekhara-Rao, 6 MPUNYB (2002), 183, 255 ff.; Hallum, 11 RECIEL (2002), 372 ff.; Churchill/Scott, 53 ICLQ (2004), 643 ff. 105 Vgl. 41 I L M (2002), 405, 408, Rn. 26. 106 Vgl. 41 I L M (2002), 405, 410, Rn. 29. 107 Vgl. 41 I L M (2002), 405, 412, Rn. 41. 108 Vgl. 41 ILM (2002), 405,412, Rn. 41. 109 Art. 282 SRÜ hat folgenden Wortlaut: „Haben Vertragsstaaten, die Parteien einer Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens sind, im Rahmen einer allgemeinen, .regionalen oder zwei-

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

103

den Vertragsparteien hinsichtlich der Zuständigkeit eines speziell vereinbarten Gerichts auch ausdrücklich an. Der Seegerichtshof teilte diese Bedenken Großbritanniens gegen seine Gerichtsbarkeit allerdings nicht. Art. 282 SRÜ sei in dem zugrunde liegenden Fall nicht anwendbar. Die Norm beziehe sich nur auf solche Sondervereinbarungen, in denen ausdrücklich niedergelegt werde, dass eine andere als in Art. 287 I SRÜ genannte Streitschlichtungsinstanz die Zuständigkeit besitze „über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens [also des Seerechtsübereinkommens]" verbindlich zu entscheiden.110 Der EuGH habe aber - nach der durch den EG-Vertrag zwischen Irland und Großbritannien getroffenen Sondervereinbarung - nicht über die Auslegung und Anwendung der Seerechtskonvention als solcher zu entscheiden (wie es Art. 282 SRÜ verlange), sondern über die Auslegung und Anwendung von im EG-Vertrag niedergelegten Recht. 111 Dieser Punkt wurde von Richter Wolf rum in seiner „separate opinion" folgendermaßen konkretisiert: „ . . . a dispute under one agreement.. .does not become a dispute under the Convention on the Law of the Sea by the mere fact that both instruments cover the issue. If ... the EC Treaty [was] to set out rights and obligations similar or even identical to those of the Convention on the Law of the Sea, these still arise from rules having a separate existence from the ones of the Convention on the Law of the Sea [ . . . ] . An intention to entrust the settlement of disputes concerning the interpretation and application of the Convention to other institutions must be expressed explicitly in respective agreements." 112

Da somit Art. 282 SRÜ im vorliegenden Fall nicht eingreife, verbleibe es bei der grundsätzlichen Zuständigkeit des ISGH zum Erlass von einstweiligen Anordnungen nach Art. 290 V SRÜ. 113 Der Seegerichtshof hat eine solche einstweilige Anordnung sodann am 3. Dezember 2001 auch tatsächlich erlassen. Anders als von Irland beantragt, beinhaltete die Anordnung allerdings nur die Verpflichtung der Streitparteien beim Austausch von Informationen enger zusammenzuarbeiten und gemeinsam ein Konzept zu entwickeln, um eine möglicherweise auftretende radioaktive Verschmutzung durch die Erweiterung der Sellafield-Nuklearanlage zu vermeiden. 114 Die von Irland gewünschte Auferlegung der Pflicht zur Rücknahme der Genehmigung enthielt die einstweilige Verfügung dagegen nicht. seitigen Übereinkunft oder auf andere Weise vereinbart, eine solche Streitigkeit auf Antrag einer der Streitparteien einem Verfahren zu unterwerfen, das zu einer bindenden Entscheidung führt, so findet dieses Verfahren anstelle der in diesem Teil vorgesehenen Verfahren Anwendung, sofern die Streitparteien nichts anderes vereinbaren." no Vgl. 41 ILM (2002), 405, 412, Rn. 48. m Vgl. 41 I L M (2002), 405, 413, Rn. 49. 112 Vgl. 41 ILM (2002), 405, 427 [Hervorhebung nicht im Original]; s. auch Stoll/Voneky, 62 ZaöRV (2002), 21, 27 f., die der Ansicht von Wolfrum ausdrücklich zustimmen; zur Gegenansicht vgl. Kwiatkowska, 18 IJMCL (2003), 1, 24 ff.; s. auch noch 4. Kap. Β. I. 2. a). 113 Vgl. 41 ILM (2002), 405,413, Rn. 53. 114 Vgl. 41 ILM (2002), 405, 416, Rn. 89.

104

3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

b) Das Hauptsacheverfahren

vor einem SRÜ-Schiedsgericht

Im Anschluss an den Erlass dieser einstweiligen Anordnung durch den ISGH wurde der Fall - nunmehr im Hauptsacheverfahren - im Juni 2003 vor einem im Rahmen des Permanent Court of Arbitration (PCA) 1 1 5 gebildeten Schiedsgerichts verhandelt. 116 Auch hier wurde wieder die grundsätzliche Frage erörtert, ob eine internationale Streitschlichtungsinstanz im Rahmen des SRÜ überhaupt die Zuständigkeit besitzt, über den zugrunde liegenden Fall zu urteilen. Die Parteien machten hierzu - im Gegensatz zu ihren Angaben im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem ISGH - sehr detaillierte Angaben. Dabei standen sich folgende Positionen gegenüber:

aa) Das Vorbringen Irlands Zunächst bekräftigte Irland seine bereits vor dem ISGH vorgetragene Ansicht, dass die Zuständigkeit einer SRÜ-Streitschlichtungsinstitution vorliegend nicht bestritten werden könne; insbesondere sei die Vorschrift des Art. 282 SRÜ, aus der sich eine möglicherweise fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts ergeben könnte, nicht einschlägig. Während aber bisher die - vor dem ISGH geltend gemachte und von diesem auch übernommene - Argumentation darauf hinauslief, dass Art. 282 SRÜ unter keinen Umständen eingreifen könnte, gestanden die Vertreter Irlands nunmehr zu, dass Art. 282 SRÜ einschlägig und damit keine Zuständigkeit des Schiedsgerichtshofes gegeben wäre, falls die in Streit stehenden Bestimmungen der Konvention der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen. 117 In diesem Fall sei allein der EuGH zur Streitschlichtung berufen. 115 Der PCA dient dazu, den jeweiligen Streitparteien die Errichtung von Schiedsgerichten zu erleichtern, indem es als „Informations- und Vermittlungsorgan" fungiert, s. Ipsen, Völkerrecht § 62 Rn. 21; Shaw, International Law, 953. 116 Die Rechtssache musste im Hauptsacheverfahren zwingend nach Art. 287 V SRÜ einem Schiedsgericht unterbreitet werden, da Großbritannien und Irland vorab nicht demselben Verfahren zur Beilegung der Streitigkeit zugestimmt haben (s. Forster, 16 LeidenJIL (2003) 611,62). Die Protokolle aller Verhandlungstage, sowie die Schriftsätze der Parteien und die Beschlüsse des Schiedsgerichts sind im Internet abrufbar unter: http://www.pca-cpa.org. Im Folgenden wird des öfteren auf die Aussagen der Prozessbevollmächtigten Irlands (Sneernan) und Großbritanniens {Bethlehem und Plender) während der mündlichen Verhandlung eingegangen. Insofern wird die exakte Internet-Fundstelle mit der jeweiligen Seitenzahl des Verhandlungsprotokolls angegeben. i n Vgl. http://www.pca-cpa.org/ENGLISH/RPC/STATEMENT%20BY%20THE%20 PRESIDENT.pd f (.Sreenan ), 9: „ . . . if it was a Situation where the European Community had exclusive competence and if the Member States attempted to raise a dispute on such an issue, then ... certainly Art. 282 would kick in as well. But the key to the issue really is exclusive competence."

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

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Ausgehend von dieser Prämisse musste Irland - anders als noch im Verfahren vor dem ISGH - für die in Streit stehenden Bestimmungen eine Qualifizierung vornehmen und entscheiden, welcher Kompetenzsphäre (ob derjenigen der Gemeinschaft oder derjenigen der Mitgliedstaaten) die als verletzt gerügten Verpflichtungen zuzuordnen sind. Insofern wurde auf die Regeln des Anhang IX der Seerechtskonvention in Verbindung mit der hierauf basierenden Kompetenzerklärung der Gemeinschaft zurückgegriffen. Diese Kompetenzerklärung sei in dem behandelten Zusammenhang der „most important legal text " und für die Entscheidung zur Kompetenzabgrenzung durch das Schiedsgericht allein maßgebend, denn: „ An UNCLOS Tribunal cannot be expected to look beyond the declaration. " 118 Im Hinblick auf Bereiche des SRÜ, die der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen, sei der Kompetenzerklärung zu entnehmen, dass die Gemeinschaft im Bereich von Handels- und Fischereipolitik eine ausschließliche Zuständigkeit besitze. In allen anderen Bereichen teile sie sich die entsprechenden Kompetenzen mit den Mitgliedstaaten. In diesen Fällen entstünde eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit nur dort, wo Gemeinschaftsvorschriften existierten und diese durch die Bestimmungen der Seerechtskonvention „berührt" würden." 9 Da es vorliegend nicht um gemeinsame Handelspolitik oder eine Fischereistreitigkeit gehe, müsse geprüft werden, ob durch die in Streit stehenden Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens bestehende gemeinschaftliche Vorschriften berührt würden. Insofern stellte Irland darauf ab, dass die Gemeinschaft für den in Streit stehenden Bereich des SRÜ zwar Rechtsvorschriften in Form von Richtlinien erlassen hätte, deren Bestimmungen würden aber - ausweislich der Aussagen der EG-Kompetenzerklärung - nicht durch SRÜ-Vorschriften berührt. Denn die Richtlinien legten nur Mindeststandards fest und überließen es daher den Mitgliedstaaten im Rahmen internationaler Übereinkünfte strengere Regelungen zu vereinbaren. 120 Dies Π8 Vgl. http: / / www.pca-cpa.org / ENGLISH / RPC / STATEMENT%20BY%20THE%20 PRESIDENT.pd f (Sreenan), 26. Π9 Vgl. http://www.pca-cpa.org/ENGLISH/RPC/STATEMENT%20BY%20THE%20 PRESIDENT.pd f (Sreenan), 18: „So what the European Commmunity is telling the United Nations there is that, in relation to common policies, such as fisheries, we have exclusive competence... In other areas, we share competence. In those circumstances we only have exclusive competence where there are (a) common rules and (b) they are affected. In terms of having to work out that difficult formula, we can tell you that, where Community rules exist, but they establish only minimum standards, then they are not affected." 120 Vgl. http: / / www.pca-cpa.org / ENGLISH / RPC / STATEMENT%20BY%20THE%20 PRESIDENT.pd f (Sreenan), 21: „Thus all Directives referred to by the United Kingdom, are Directives where the Community has laid down minimum standards and where the Member States are free to establish stricter rules. This situation is specifically addressed by the declaration as one in which the Community does not have exclusive competence."

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

sei durch den Abschluss der Seerechtskonvention in den hier betroffenen Bereichen geschehen. Deshalb seien die von Irland als verletzt gerügten Bestimmungen des SRÜ nicht der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen, sondern gehörten vielmehr zu einem in der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit verbliebenen Bereich. In diesem Fall hätte Großbritannien gegenüber Irland als eigenständiges Völkerrechtssubjekt Bindungswirkung und Verantwortlichkeit übernommen, daher sei Art. 282 SRÜ nicht einschlägig. Großbritannien müsse sich vielmehr vor einem internationalen Streitschlichtungsgremium für mögliche Verstöße gegen die hier übernommenen Verpflichtungen verantworten. 121

bb) Das Vorbringen Großbritanniens Großbritannien hielt demgegenüber daran fest, dass bereits die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht gegeben sei. Aber auch die Vertreter Großbritanniens gestanden - erstmals in dieser Deutlichkeit - zu, dass eine Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nicht von vornherein und in jedem Fall allein schon deshalb in Betracht komme, weil die Seerechtskonvention als gemischtes Abkommen auch die Gemeinschaft zu ihren Vertragsparteien zähle. 122 Eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts sei aber - insofern in Übereinstimmung mit den Ausführungen Irlands - jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn für die in Streit stehenden Bereiche eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit angenommen werden könne („ The essential question is whether the provisions of UNCLOS on which Ireland relies are matters relating to which competence has been transferred to the Community. If they are , it must follow that Ireland lacks standing to bring this claim in this Tribunal. " 1 2 3 ) . In diesem Fall sei der EuGH exklusiv zur Streitentscheidung berufen. Anders als Irland kamen die Vertreter Großbritanniens zu dem Ergebnis, dass für die als verletzt gerügten Bestimmungen der Konvention eine solche ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit bestehe. Zur Begründung verwies auch Großbritannien im Ausgangspunkt auf die Regelungen von Anhang IX der SRÜ und die von der Gemeinschaft abgegebene Kompetenzerklärung („the two central docu121 Vgl. http: / / www.pca-cpa.org / ENGLISH / RPC / STATEMENT%20BY%20THE%20 PRESIDENT.pd f (,Sreenan), 23. 122 Vgl. http://www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (Plender), 26: „ . . . the proposition that the Court of Justice has jurisdiction in relation to the whole of a mixed agreement is extreme and indeed so extreme as to be untenable." Vgl. http: / / www.pca-cpa.org / PDF/ MOX%20-%20Day%20Three.pdf CBethlehem ), 42: „ . . . we do not object to jurisdiction and admissiblitiy per se."; „The purely UNCLOS heads of allegation by Ireland, were there to be any, would of course be justiciable before this Tribunal." 123 Vgl. http://www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (Plender), 4.

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

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merits for the Tribunal" 124). Insofern wurde - wiederum in Übereinstimmung mit den Äußerungen Irlands - festgestellt, dass vorliegend nur dann eine ausschließliche Zuständigkeit für den im Streit stehenden Bereich der SRÜ gegeben sei, wenn die Gemeinschaft Rechtsnormen erlassen habe und diese durch Vorschriften der Konvention berührt würden. Im Unterschied zu Irland hielt Großbritannien jedoch fest, dass die in Betracht kommenden EG-Richtlinien sehr wohl durch Bestimmungen der Seerechtskonvention berührt würden. Großbritannien unterstrich unter Hinweis auf die neueren Urteile des EuGH zu den „Open Skies-Abkommen" 1 2 5 , dass ein „Berühren von Gemeinschaftsvorschriften" im Gemeinschaftsrecht dahin ausgelegt werde, dass dies grundsätzlich schon dann anzunehmen sei, wenn Regeln - wie hier die strittigen Verpflichtungen der SRÜ - dem Anwendungsbereich einer Richtlinie unterfielen. 126 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könne - worauf Irland zu Recht hinweise - nur dann bestehen, wenn Richtlinienbestimmungen bloße Mindeststandards enthielten und die strittigen Verpflichtungen der SRÜ über diese Mindeststandards hinausgingen. Anders als Irland dies behaupte, enthielten die in Betracht kommenden EG-Richtlinien allerdings überwiegend keine solchen Mindeststandards; 127 zumindest blieben die in Streit stehenden Bestimmungen des SRÜ unterhalb der Schwelle, die diese Standards festlegten. Die erwähnte Ausnahme sei vorliegend somit nicht einschlägig. Da der Streit daher insgesamt Bereiche der SRÜ beträfe, die der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zugeordnet werden müssten, sei eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht gegeben. Daneben verfolgte Großbritannien aber noch eine zweite Argumentationslinie: Eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts sei nach Art. 282 SRÜ auch schon allein deshalb ausgeschlossen, weil die Frage der Zuordnung der strittigen SRÜ-Bestimmungen zur ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten Irland und Großbritannien umstritten sei. 128 Die Frage der Zuordnung dieser Bestimmungen zur ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit könne aber zugleich auch dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden. Damit bestehe die Gefahr sich widerstreitender Urteile von EuGH und einem SRÜ-Schiedsgericht hinsichtlich der sich stellenden Kompetenzabgrenzungsproblematik. Solche „ inconveniences " zu vermeiden, sei aber gerade eines der Ziele des Art. 282 SRÜ, weswegen Art. 282 SRÜ auch in diesem Fall eingreifen müsse. 129 124 Vgl. http: //www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (.Plender), 4. 125

s. allgemein zu den „Open Skies-Urteilen" des EuGH, 1. Kap. Β. II. 4. d). 126 Vgl. http: / / www.pca-cpa.org/PDF/MOX%20-%20Day%20Three.pdf(Plender ), 12ff. 127 Vgl. http://www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (Plender), 18: „If the ... [EC Directives] are read in extenso they will be found to be very far from being minimum standards. " s. auch 19 ff. 128 Vgl. htttp://www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (Plender), 25: „In the event of a dispute between Ireland and the United Kingdom as to the allocation of competences between the Community and the Member States , the European Court of Justice is again the proper forum. "

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

cc) Der Beschluss des Schiedsgerichts 130 Das Schiedsgericht griff die soeben skizzierte Argumentation der Parteien auf und stellte fest, dass zwischen Großbritannien und Irland zumindest insofern Übereinstimmung bestehe, als Art. 282 SRÜ vorliegend eingreife, falls der EuGH für die Entscheidung des zugrundeliegenden Streits ausschließlich zuständig sei. Die Parteien seien sich weiterhin einig, dass eine solche ausschließliche Zuständigkeit des EuGH jedenfalls dann angenommen werden könne, wenn die strittigen Verpflichtungen der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen. 131 Daraus ergebe sich folgende Konsequenz: „To decide on the jurisdictional issues raised by the United Kingdom in relation to European Community law, this Tribunal would need to determine, inter alia, whether the European Community or its Member States have competence in respect of all or some of the matters raised in the provisions invoked in this case. In other words the Tribunal must decide if, and to what extent, the rights and obligations arising under the provisions are exercisable by the European Community or by its Member States." 132

Diese Frage der exakten Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für die vorliegend strittigen Bestimmungen des SRÜ müsse aber innerhalb der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere vom EuGH entschieden werden und nicht von einem „außenstehenden" internationalen Gericht.133 Zudem bestünde die Gefahr, dass es diesbezüglich zu unterschiedlichen Entscheidungen des EuGH und des Schiedsgerichts komme. Insofern stellte das Gericht fest, dass die EG-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland erwäge und daher die Frage der Kompetenzabgrenzung im konkreten Fall höchst-

129 Vgl. http://www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (Plender), 30: „To the extent that any award of this Tribunal may conflict with a judgment of the Court of Justice, it will not assist in the resolution of the present dispute. It was to avoid inconveniences of just this kind that the framers of UNCLOS inserted into it the provision now found in Article 282." 130 „Order No 3", vgl. 42 I L M (2003), 1187 ff. 131 Vgl. 42 I L M (2003), 1187, 1190, Rn. 22: „The parties agreed in argument that, if this view [that the provisions of the Convention on which Ireland relies are matters relating to which competence has been transferred to the EC] were to be sustained, it would preclude the jurisdiction of the present Tribunal entirely, by virtue of Article 282 of the Convention." 132 s. die der Order No 3 vorausgehende Presseerklärung des Präsidenten des Schiedsgerichts Mensah, Rn. 9. Die Erklärung ist ebenfalls im Internet abrufbar unter: http://www. pca-cpa.org / ENGLISH / RPC / STATEMENT%20BY%20THE%20 PRESIDENT.pdf. 133 Vgl. 42 ILM (2003), 1187, 1191, Rn. 26: „Finally the Tribunal notes that ... the scope and effects of European Community law applicable in the present dispute [is a question] ... to be decided within the institutions of the European Communities, and particularly by the European Court of Justice."

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

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wahrscheinlich auch dem EuGH unterbreitet werden würde. Aus dieser Tatsache zog das Schiedsgericht folgende Konsequenz: „In the circumstances, and bearing in mind considerations of mutual respect and comity which should prevail between judicial instituions both of which may be called upon to determine rights and obligations as between two States, the Tribunal considers that it would be inappropriate for it to proceed further with hearing the Parties on the merits of the dispute in the absence of a resolution of the problems referred to [gemeint sind die Kompetenzabgrenzungsfragen]. Moreover, a procedure that might result in two conflicting decisions on the same issue would not be helpful to the resolution of the dispute between the Parties." 134

Das Schiedsgerichtsverfahren wurde deshalb zunächst bis Dezember 2003 ausgesetzt, um abzuwarten, ob eine Vertragsverletzungsklage beim EuGH anhängig gemacht würde. Nachdem die Kommission kurze Zeit später ihre Ankündigung wahr gemacht und ein Verfahren nach Art. 226 EG tatsächlich eingeleitet hatte 135 , wurde die Aussetzungsentscheidung im November 2003 dementsprechend verlängert „until the European Court of Justice has given judgement. " 136

2. Zusammenfassung Im vorliegend dargestellten Fall wird das Problem der Verteilung der Bindungswirkung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe relevant, weil zwei EG-Mitgliedstaaten gegeneinander ein Streitschlichtungsverfahren im Rahmen eines gemischten Abkommens führen. Hierbei ist zunächst beachtenswert, dass die Parteien grundsätzlich die Möglichkeit akzeptieren, dass eine Bindungswirkung auch zwischen zwei Mitgliedstaaten eintreten kann. Der genaue Umfang dieser Rechte soll sich nach den im gemischten Abkommen vorgesehenen Bestimmungen richten, die auch im Verhältnis zu dritten Vertragspartnern gelten würden. Im Zusammenhang mit der Seerechtskonvention sind diesbezüglich die Regeln des Anhang I X 1 3 7 und die von der Gemeinschaft abgegebene Kompetenzerklärung relevant. Danach kann 134 Vgl. 42 ILM (2003), 1187, 1191, Rn. 28. 135 Rechtssache C-459/03: Gegenstand des Verfahrens ist der Vorwurf der Kommission, Irland habe mit der Eröffnung des Schiedsverfahrens nach der Seerechtskonvention gegen Großbritannien gegen seine Verpflichtungen aus Artt. 10 und 292 EG sowie aus Artt. 192 und 193 EA verstoßen, s. AB1.EG 2004 C-7/39. 136 Vgl. „Order No 4" des Schiedsgerichts vom 14. 11. 2003; abrufbar unter http://www. pca-cpa.org / ENGLISH / RPC / MOX%200rder%20No4.pdf. 137 Mit Ausnahme der oben (Α. I. 3.) ausführlich behandelten Regelung des Art. 5 V von Anhang IX. Das dort normierte Nachfragerecht kann bei einem Streit zwischen zwei EG-Mitgliedstaaten nicht eingreifen, denn es fehlt von vornherein an der für die erfolgreiche Durchführung von prozessualen Regeln erforderlichen Übereinstimmung über die Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe. Es ist nämlich gerade umstritten, ob die in Streit stehenden Bestimmungen des gemischten Abkommens der Gemeinschafts- oder der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfallen. 8 Oen

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

eine Bindungswirkung zwischen den Mitgliedstaaten in den Bereichen nicht entstehen, in denen die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten auf die Gemeinschaft als internationale Organisation „übertragen" haben (Art. 4 III S. 2: „Die Mitgliedstaaten dieser Internationalen Organisation üben keine Zuständigkeit aus, die sie ihr übertragen haben. "). In der Sprache der gemeinschaftsrechtlichen Terminologie sind hiermit Bereiche gemeint, die der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen, denn „übertragen" i. S. d. Art. 4 III S. 2 bedeutet, dass die Mitgliedstaaten ihre völkerrechtliche Handlungsbefugnis verlieren. Obwohl diese Grundsätze von den Parteien im MOX Plant-Fall so akzeptiert werden, besteht freilich Streit darüber, ob die in Rede stehenden Verpflichtungen tatsächlich der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen. Während Großbritannien diese Frage bejaht, wird sie von Irland bestritten. Bemerkenswert ist nunmehr die Tatsache, dass die soeben dargestellte Problematik von den Parteien - und auch vom Schiedsgericht - im Rahmen der Zuständigkeit des internationalen Gerichts (also prozessual bei Art. 282 SRÜ) diskutiert wird, obwohl man die Frage der Bindungswirkung an sich als eine rein materiell-rechtliche Problematik einstufen könnte. Insofern würde man zunächst mit der von Richter Wolfrum im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem ISGH herausgestellten Begründung ein Eingreifen von Art. 282 SRÜ verneinen und damit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ohne weiteres bejahen. Anschließend, bei der Frage der materiellen Bindungswirkung (also ob Großbritannien die Erfüllung der als verletzt gerügten Bestimmungen tatsächlich schuldet), wäre dann darauf abzustellen, ob die von Irland als verletzt gerügten Bestimmungen der SRÜ der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen sind. Denn in diesem Fall hätte Großbritannien keine Kompetenz für die strittigen Bestimmungen mit der Folge, dass die Regelung des Art. 6 I des Anhangs der SRÜ eingreifen würde, wonach eine Internationale Organisation und ihre Mitgliedstaaten' jeweils nur im Rahmen ihrer offengelegten Kompetenzen Verantwortlichkeit übernehmen. Das SRÜ-Schiedsgericht im Hauptsacheverfahren interpretiert Art. 282 SRÜ allerdings anders als zuvor der Seegerichtshof im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Das Schiedsgericht gelangt zu dem Ergebnis, dass Art. 282 SRÜ schon dann eingreife, wenn der EuGH - nach Gemeinschaftsrecht - für die Entscheidung des vorliegenden Streitfalles ausschließlich zuständig sei. 138 138 Insofern führte Schiedsrichter Crawford während der mündlichen Verhandlung aus: „All that Article 282 requires is that these two states before us, which are the same states as they would be if they are in the European Court of Justice, have agreed something. If they have agreed it in a form which is binding on them - 1 would say for myself under any legal order - then Article 282 applies. In other words we do not have to classify European law as international law or not for the purposes of Article 282; if it is the case that Ireland and the United Kingdom are bound under European law, whether it emanates from the treaty or some other European obligation, to submit this dispute to the ECJ, then Article 282 applies."

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

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Die Beantwortung dieser Frage will das Schiedsgericht allerdings nicht selbst vornehmen, sondern dem Gerichtshof überlassen. 139

II. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklausel Die durch den MOX Plant-Fall aufgeworfenen Rechtsprobleme hinsichtlich der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren zwischen EG-Mitgliedstaaten wurden nicht nur - wie bereits angedeutet - bei dem soeben skizzierten Verfahren im Rahmen der Seerechtskonvention relevant, sondern auch im Rahmen der OSPARKonvention 140 diskutiert. Denn Irland machte den Streit um die Inbetriebnahme der MOX Plant auch vor einem Schiedsgericht im Rahmen dieser Konvention anhängig. Insofern konnte auf den obligatorischen Streitschlichtungsmechanismus des Art. 32 der OSPAR-Konvention zurückgegriffen werden. 141 Bei der OSPAR-Konvention handelt es sich, anders als beim Seerechtsübereinkommen, um einen gemischten Vertrag ohne spezifische Kompetenzklausel.

1. Der MOX Plant-Fall vor einem OSPAR-Schiedsgericht Ging es bei der Klage Irlands vor den Streitschlichtungsorganen des SRÜ in erster Linie darum, Großbritannien zur Rücknahme der Genehmigung zur Inbetriebnahme der MOX Plant verurteilen zu lassen, wollte Irland vor dem OSPARSchiedsgericht ausschließlich die Herausgabe von bisher geheimgehaltenen Gutachten über mögliche ökologische Folgen einer solchen Inbetriebnahme erwir[vgl. http://www.pca-cpa.org/PDF/M0X%20-%20Day%20Three.pdf (Richter Crawford ), 31]. 139 Ungeachtet des noch ausstehenden Urteils des EuGH und der im Anschluss daran zu erwartenden abschließenden Entscheidung des Schiedsgerichts, wird später eine Bewertung der sich im MOX Plant-Fall ganz grundsätzlich stellenden Problematik vorgenommen; s. u. 4. Kap. Β. I. 140 „Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantik", AB1.EG 1998, L 104/3, 11; der Name „OSPAR" entstammt aus einer Kombination der Anfangsbuchstaben der Städte, in denen die beiden Vorgängerabkommen, die Übereinkommen von Oslo und Paris (s. Art. 31 I der OSPAR-Konvention), unterzeichnet wurden (vgl. Forster, 16 LeidenJIL (2003), 611, 615); zu den Regelungsmaterien der Konvention im Einzelnen: Beyerlin, Umweltvölkerrecht, 147 f. 141 Weitere obligatorische Streitschlichtungsmechanismen sind bei gemischten Umweltschutzabkommen u. a. normiert in Art. 24 des „Übereinkommens über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau" (AB1.EG 1997, L 342/19, 31), in Art. 15 des „Übereinkommen zum Schutz des Rheins gegen chemische Verunreinigung" von 1977 (AB1.EG 1977, L 240/76) bzw. seines Nachfolgeabkommens von 2000 (AB1.EG 2000, L 289/36), sowie in Art. 18 des „Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume" (AB1.EG 1982, L 38/2).

8*

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

ken. 1 4 2 Gestützt wurde die Klage auf Art. 9 der OSPAR-Konvention, wonach die Vertragsparteien Informationen „ über den Zustand des Meeresgebietes, [sowie] über Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen können. .. " 1 4 3 den jeweils anderen Vertragspartnern zur Verfügung stellen müssen. Obwohl die OSPAR-Konvention keine Art. 282 SRÜ vergleichbare Bestimmung enthält, machte Großbritannien - wie im Verfahren vor den Streitschlichtungsorganen der Seerechtskonvention - auch vor dem OSPAR-Schiedsgericht den Einwand der Unzuständigkeit geltend. 144 Die von Irland als verletzt gerügte Verpflichtung des Art. 9 der Konvention sei nahezu wortgleich in der EG-Richtlinie 90/313 1 4 5 enthalten. Irland müsse daher den Streit auf eine Verletzung der Richtlinienbestimmungen stützen und im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 227 EG vor dem EuGH gegen Großbritannien vorgehen. Ein OSPAR-Schiedsgericht sei dagegen nicht zur Streitentscheidung berufen.

2. Die Entscheidung des Schiedsgerichts146 Das OSPAR-Schiedsgericht setzte sich mit dieser Argumentation auseinander, gelangte jedoch - im Wesentlichen unter Berufung auf die Ausführungen des ISGH im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Rahmen der Seerechtskonventio n 1 4 7 - zu einem entgegengesetzten Ergebnis: „Each of the OSPAR Convention and Directive 90/313 is an independent legal source that establishes a distinct legal regime and provides for different legal remedies. The United Kingdom recognizes Ireland's right as an EU Member State to challenge the implementation of the Directive in the United Kingdom's domestic legal system before the ECJ. Similarly, a Contracting Party to the OSPAR Convention, with its elaborate dispute settlement mechanism, should be able to question the implementation of a distinct legal obligation imposed by the OSPAR Convention in the arbitral forum, namely this designated Tribunal." 1 4 8

Nach Ansicht des Schiedsgerichts schließt somit die zu Art. 9 der OSPAR-Konvention parallele Regelung der EG-Richtlinie 90/313 und damit die parallele Zuständigkeit des EuGH zur Auslegung dieser Richtlinienbestimmung die Zuständigkeit des OSPAR-Schiedsgerichts zur Auslegung von Art. 9 der OSPAR-Konventi-

1 42 s. hierzu die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten Irlands, http://www.pcacpa.org/PDF/Ireland%20-%20Memorial.pdf (4 ff.). 143 Art. 9 II der OSPAR-Konvention (AB1.EG 1998 L 104/1, 6). 144 Vgl. hierzu die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten Großbritanniens, http: / / www.pca-cpa.org / PDF / UK%20-%20Counter%20Memorial.pdf (29 ff.). 145 146 147 148

AB1.EG 1990 L 158/56 ff. Vgl. 42 I L M (2003), 1118 ff. s.o. I. l.a). Vgl. 42 I L M (2003), 1118, 1144, Rn. 142.

Β. Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe

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on nicht aus, da es sich bei der OSPAR-Konvention einerseits und dem Gemeinschaftsrecht andererseits um zwei voneinander getrennte völkerrechtliche Rechtsordnungen mit eigenständigen Streitschlichtungsmechanismen handele. Allerdings wurde im konkreten Fall eine Verletzung der Bestimmung des Art. 9 der OSPAR-Konvention durch das Vereinigte Königreich zurückgewiesen, da kein Verstoß gegen die dort festgelegten Verpflichtungen festgestellt werden konnte. Bei den von Irland verlangten Auskünften über die ökologischen Auswirkungen der Inbetriebnahme der MOX Plant handele es sich nicht um Informationen über den Zustand des Meeresgebiets oder über Tätigkeiten, die diesen Zustand beeinträchtigen könnten, wie dies Art. 9 II der OSPAR-Konvention verlange. 149 Festzuhalten bleibt aber, dass das Schiedsgericht mit der Feststellung seiner Zuständigkeit gleichzeitig verdeutlichte, dass es grundsätzlich eine Bindungswirkung Großbritanniens an Art. 9 der OSPAR-Konvention bejaht. Zu der Problematik, dass man diese Bestimmung - nach der gemeinschaftsinternen Zuständigkeitsverteilung - aufgrund der identischen Regelung in der EG-Richtlinie 90/313 wohl der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuordnen müsste, nahm das Gericht hingegen nicht Stellung. Es sah keinerlei Bedürfnis für eine Kompetenzabgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für die Bestimmungen der Konvention, sondern hat diese Problematik von vornherein als irrelevant ausgeblendet. Begründet wurde dies damit, dass die gemeinschaftsrechtliche Rechtsordnung von derjenigen, die die OSPAR-Konvention geschaffen habe, strikt zu trennen sei. Die Aussagen lassen sich demnach nur dahin deuten, dass eine uneingeschränkte Bindungswirkung Großbritanniens als EG-Mitgliedstaat an sämtliche Bestimmungen der OSPAR-Konvention angenommen wird, denn nur in diesem Fall können von Beginn an Ausführungen zur Kompetenzabgrenzung unterbleiben.

3. Fazit Somit besteht im Ansatz eine unterschiedliche Vorgehensweisen vom SRÜSchiedsgericht einerseits und vom OSPAR-Schiedsgericht andererseits zur Frage der Relevanz von Gemeinschaftsrechtsfragen (insbesondere der Kompetenzabgrenzungsproblematik) für die Entscheidung des ihnen vorgelegten Streitfalles zwischen den EG-Mitgliedstaaten. Während das SRÜ-Gericht die sich stellenden gemeinschaftsrechtlichen Fragen für so bedeutsam für die Streitentscheidung hielt, dass es deswegen das vor ihm anhängige Verfahren einstweilen ausgesetzt hat, spielte die Kompetenzabgrenzung für das OSPAR-Schiedsgericht keine Rolle. 1 5 0 149 s. hierzu die ausführliche Begründung des Schiedsgerichts, 42 I L M (2003), 1118, 1147, Rn. 159 ff. 150 Eingehender zu diesen Unterschieden mit entsprechender Bewertung noch im 4. Kap. B.

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Das OSPAR-Schiedsgericht hat unabhängig von Fragen des Gemeinschaftsrechts eine Sachentscheidung getroffen, wobei allein geprüft wurde, ob seitens Großbritanniens eine Verletzung der in Streit stehenden Verpflichtung der OSPAR-Konvention vorlag.

C. Ergebnis des 3. Kapitels Die vorstehende Analyse hat aufgezeigt, dass praktische Anschauungsbeispiele für den Umgang mit der Besonderheit der innergemeinschaftlichen Kompetenzteilung bei Streitschlichtungsverfahren im Rahmen gemischter Abkommen sowohl hinsichtlich Streitigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten, als auch für Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe vorhanden sind. Soweit es Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien betrifft, kann folgendes Ergebnis festgehalten werden: Die innergemeinschaftliche Kompetenzaufteilung wird überwiegend dadurch beachtet, dass ein Streitschlichtungsverfahren nur gegen denjenigen innerhalb der Gemeinschaftsgruppe eröffnet wird, dem auch - nach der internen ZuständigkeitsVerteilung - die jeweilige Kompetenz zusteht. Dies gilt zunächst für gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln, wie insbesondere der Schwertfisch-Fall im Rahmen des Seerechtsübereinkommens gezeigt hat. Aber auch bei gemischten Abkommen, die solche spezifischen Kompetenzklauseln nicht enthalten, wie dem WTO-Übereinkommen, wurden Streitschlichtungsverfahren - je nach der Zuständigkeits Verteilung für die in Streit stehende Materie - entweder ausschließlich gegen die Gemeinschaft oder ausschließlich gegen einen oder mehrere Mitgliedstaaten gerichtet. Doch finden sich gerade im Bereich der WTO auch Verfahren der Streitbeilegung, bei denen der klagende Drittstaat die innergemeinschaftliche Kompetenzaufteilung für unbeachtlich hielt und von einer uneingeschränkten ΒindungsWirkung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und betroffenen Mitgliedstaaten ausging. Die Gemeinschaftsgruppe hingegen hat ein solches Vorgehen stets abgelehnt und auf einer Beachtung der internen Kompetenzordnung auch auf völkerrechtlicher Ebene bestanden. Es solle daher eine eingeschränkte völkerrechtliche Β indungs Wirkung und Verantwortlichkeit gelten. Dessen ungeachtet, haben sich Gemeinschaft und Mitgliedstaaten allerdings im Bereich der GATS- und TRIPS-Abkommen damit einverstanden erklärt, dass sowohl die Gemeinschaft als auch der betroffene Mitgliedstaat an dem jeweiligen Streitbeilegungsverfahren quasi als „Streitgenossenschaft" beteiligt werden. Etwas anderes soll hingegen für den Bereich des GATT-Abkommens gelten. Hier sollen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten von vornherein nur im Rahmen ihrer internen Zuständigkeiten in ein Streitschlichtungsverfahren einbezogen werden,

. Ergebnis des

Kapitels

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wobei es ihnen allein überlassen sein soll, die sich stellende Zuständigkeitsfrage zu klären. Entsprechendes soll im Grundsatz nach einer einseitigen Erklärung der Gemeinschaftsgruppe auch für Streitschlichtungsverfahren mit Investoren beim Energiecharta-Vertrag gelten. Dort ist es aber - anders als bei der WTO - noch zu keinem konkreten Streitfall gekommen. Ausdrückliche verfahrensrechtliche Bestimmungen, auf die die Gemeinschaftsgruppe einen Anspruch auf Beachtung ihrer innergemeinschaftlichen Kompetenzordnung bei der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren im Rahmen des GATT-Übereinkommens und des Energiecharta-Vertrages stützen könnte, finden sich allerdings in keinem der beiden Abkommen. Lediglich einige gemischte Umweltschutzverträge sowie die Seerechtskonvention normieren ein sogenanntes „Nachfragerecht" bzw. eine „Nachfragepflicht". Danach müssen sich dritte Vertragsparteien - vor Einleitung eines Streitschlichtungsverfahrens - an die Gemeinschaftsgruppe mit der Aufforderung wenden, bekanntzugeben, wer für die in Streit stehende Bestimmung nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung die Zuständigkeit besitzt und daher im Streitschlichtungsverfahren als Streitpartei auftreten soll. Die Probleme, die Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe aufwerfen, haben jüngst durch den sogenannten MOX Plant-Fall praktische Relevanz erhalten. Der MOX Plant-Fall betrifft eine Streitigkeit zwischen den EG-Mitgliedstaaten Irland und Großbritannien und wurde sowohl vor einem Schiedsgericht im Rahmen der Seerechts- als auch der OSPAR-Konvention verhandelt. Problematisch war dabei vor allem die Tatsache, dass die von Irland als verletzt gerügten Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens bzw. der OSPAR-Konvention möglicherweise - wie dies zumindest Großbritannien geltend machte - der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen. Die Gerichte sind mit dieser Problematik unterschiedlich verfahren: Das SRÜSchiedsgericht hat die Problematik der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung mit der Frage ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung des Streitfalls verbunden und daraufhin das Verfahren ausgesetzt, um einer bevorstehenden Entscheidung des EuGH über die Kompetenzabgrenzungsproblematik nicht vorzugreifen bzw. dieser gegebenenfalls nicht zu widersprechen. Das OSPAR-Schiedsgericht hat dagegen gemeinschaftsrechtliche Fragen der Kompetenzteilung von vornherein mit dem Argument unberücksichtigt gelassen, dass die gemeinschaftsrechtliche Rechtsordnung von derjenigen, die die OSPARKonvention geschaffen habe, zu trennen sei. Deshalb sei das OSPAR-Schiedsgericht ohne weiteres zur Streitentscheidung zuständig, womit das Gericht gleichzeitig anerkannte, dass grundsätzlich eine Β indungs Wirkung an sämtliche Bestimmungen der OSPAR-Konvention auch zwischen EG-Mitgliedstaaten bejaht werden

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3. Kap.: Die Praxis der Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

kann. Im konkreten Fall sah das Schiedsgericht dann allerdings, die von Irland eingeklagten Verpflichtungen nicht als verletzt an. Insgesamt ergibt sich danach, dass internationale Gerichte nur teilweise - wie das OSPAR-Schiedsgericht - bereit sind, auch Streitigkeiten zwischen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen gemischter Abkommen der Sache nach zu entscheiden. Die EG-Mitgliedstaaten selbst haben in beiden Verfahren (also sowohl vor dem SRÜ- als auch vor dem OSPAR-Schiedsgericht) grundsätzlich die Möglichkeit akzeptiert, dass bei gemischten Abkommen völkerrechtliche Bindungswirkungen auch im Verhältnis zueinander bestehen. Eine Verletzung der so übernommenen Verpflichtungen kann daher auch in Streitschlichtungsverfahren vor einer internationalen Streitschlichtungsinstanz im Rahmen dieser Abkommen eingeklagt werden. Ein solcher Streit muss - nach ihrer Ansicht - also nicht in jedem Fall zwingend vor dem EuGH ausgetragen werden. Wo insofern allerdings die Grenzlinie zu ziehen ist, und wann diese überschritten wird, bleibt dabei freilich umstritten.

4. Kapitel

Streitschlichtung bei gemischten Abkommen abschließende Bewertung aufgeworfener Rechtsprobleme Unter Berücksichtigung des im zweiten Kapitel herausgestellten Meinungsstandes und dem Ergebnis der Analyse der Praxis der Streitschlichtung im dritten Kapitel, soll nunmehr eine abschließende Bewertung der aufgeworfenen Streitfragen erfolgen. Dabei wird wiederum zwischen der Konstellation unterschieden, dass die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einem dritten Vertragspartner gegenübertreten und der Situation, dass eine Streitigkeit innerhalb der Gemeinschaftsgruppe geführt wird.

A. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenverhältnis gegenüber dritten Vertragsparteien Die Gemeinschaftsgruppe verfolgt in der Praxis stets die Absicht, selbst intern zu klären, wer eine im Rahmen eines gemischten Abkommens bestehende Vertragsverpflichtung zu erfüllen bzw. als Streitgegner in einem Streitschlichtungsverfahren aufzutreten hat. So verdeutlichten die EG und die betroffenen Mitgliedstaaten insbesondere im LAN-Fall , dass sie hinsichtlich der Erfüllung eines geltend gemachten Anspruchs auf der Respektierung der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung bestehen.1 Daher sollte im konkreten Fall nur die Gemeinschaft als innergemeinschaftlich zuständige Partei im Streitschlichtungsverfahren mit den USA sein. Die Vertreter der Kommission wiesen darauf hin, dass: „The EC was ready to assume its international obligations, but was not ready to allow an attack on its constitution in the WTO." 2

Diese Forderung wird allerdings von dritten Vertragsparteien nicht durchgehend beachtet. Dies beweist ebenfalls der LAN-Fall , da die USA dort ihre Ansprüche ohne Rücksicht auf die interne Kompetenzverteilung verfolgten.

ι Vgl. 3. Kap. Α. II. 2. b) aa). 2 WT / DS62 / R, WT / DS67 / R, WT / DS68 / R, Rn. 4.15.

118

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Fraglich ist somit, ob sich der von der Gemeinschaftsgruppe erhobene Anspruch einen „attack on its constitution " zu verhindern, völkerrechtlich - in einem Streitschlichtungsverfahren - auch im Falle des Widerstandes der dritten Vertragspartei durchsetzen lässt. Dies kann zunächst dann bejaht werden, wenn man - worauf die EG auch im LAN-Fall , entgegen der Argumentation der USA, ausdrücklich hinwies - davon ausgeht, dass gemischte Abkommen grundsätzlich die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten völkerrechtlich nur im Umfang ihrer internen Zuständigkeiten binden. Ist völkerrechtlich nur der innergemeinschaftlich Zuständige gebunden, erlaubt dies der Gemeinschaftsgruppe darauf zu bestehen, dass auch nur dieser sich in einem Streitbeilegungsverfahren hinsichtlich der Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs zu verantworten hat. Bei der sich somit stellenden Frage, ob eine eingeschränkte Bindungswirkung anzunehmen ist, muss eine Entscheidung des im zweiten Kapitel skizzierten Meinungsstreits über die diesbezüglich „richtige" Auslegung gemischter Abkommen erfolgen. Gerade weil die Vertragsparteien gemischter Verträge in der Praxis hinsichtlich der Bindungswirkungsfrage keine durchgehend übereinstimmenden Auffassungen vertreten, ist dieser Streit nicht etwa im Hinblick auf Art. 31 III b) W V K 3 obsolet. Wie nachfolgend noch ausführlicher zu begründen sein wird, 4 kann allerdings der in der Literatur 5 zunehmend vertretenen Auffassung, sämtliche gemischte Abkommen würden die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten in jedem Fall nur im Umfang ihrer internen Kompetenzen völkerrechtlich verpflichten, nicht gefolgt werden. Eine eingeschränkte Β indungs Wirkung gilt zwar im Grundsatz für gemischte Verträge mit spezifischen Kompetenzklauseln, nicht aber für jene, die keine solchen Klauseln enthalten. Hier unterliegen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten vielmehr einer uneingeschränkten Bindung an sämtliche Bestimmungen des gemischten Vertrages. Die zwischen ihnen im EG-Vertrag vereinbarte Kompetenzverteilung ist insofern völkerrechtlich unbeachtlich. Aber selbst bei Annahme einer solchen uneingeschränkten Bindungswirkung und Verantwortlichkeit folgt hieraus nicht zwingend, dass die Gemeinschaftsgruppe ihren Anspruch auf Abwehr eines „Angriffs auf die Gemeinschaftsverfassung" nicht durchsetzen könnte. Wie die Analyse der Praxis der Streitschlichtung gezeigt hat, haben sich bei einigen gemischten Verträgen prozessuale Regeln herausgebildet.6 Diese ermöglichen es der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten - auch bei Zugrundelegung gemeinsamer Β indungs Wirkung und Verantwortlichkeit - zu3

Nach Art. 31 III b) WVK ist für die Auslegung einer völkervertragsrechtlichen Bestimmung „jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht " zu berücksichtigen. 4 s.u.I. 1. 5 Vgl. die Nachweise im 2. Kap. C. I. 2. b). 6

s. hierzu eingehend oben 3. Kap. Α. II. 2. und 3.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenverhältnis

119

nächst im Innenverhältnis eine Klärung der Kompetenzfrage herbeizuführen. Letztlich kann danach derjenige die in Streit stehende Verpflichtung erfüllen bzw. zunächst in einem Streitschlichtungsverfahren als Streitpartei auftreten, dem auch nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung die Zuständigkeit zukommt. Dieser Funktion dient etwa die Nachfragepflicht dritter Vertragsparteien, wie sie in § 8 von Anhang Β des Bonner Übereinkommens zum Schutz des Rheins als verbindliche Vertragsbestimmung niedergelegt ist. Danach muss sich ein Drittstaat vor Einleitung eines Streitschlichtungsverfahrens an die Gemeinschaftsgruppe mit der Aufforderung wenden, bekanntzugeben, wer für die in Streit stehende Bestimmung nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung die Zuständigkeit besitzt und daher als Streitgegner in einem Streitschlichtungsverfahren aufzutreten hat. Nur wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, kann prozessual die uneingeschränkte Β indungs Wirkung durchgesetzt werden, indem beliebig entweder die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten als Streitparteien benannt werden. Eine weitere Verfahrensregelung stellt die gemeinsame Beteiligung der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft an Streitschlichtungsverfahren dar, wie sie verbindlich für Streitbeilegungsverfahren bei einigen Assoziations- und Kooperationsabkommen im Vertrag festgeschrieben ist 7 und im Rahmen der WTO-Streitbeilegung teilweise praktiziert wird. Die gemeinsame Verfahrensbeteiligung kommt in Fällen in Betracht, in denen sowohl Kompetenzbereiche der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten betroffen sind bzw. sich diese vorab nicht eindeutig voneinander trennen lassen. Durch die gemeinsame Verfahrensbeteiligung wird sichergestellt, dass der innergemeinschaftlich Zuständige nicht vom Streitbeilegungsverfahren ausgeschlossen werden kann. Kommt es schließlich zu einer Verurteilung, kann ein Nachfragerecht hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung für die konkret als verletzt angesehene Vertragsbestimmung dem mit dem Streitfall befassten internationalen Streitschlichtungsgremium auferlegt werden.8 Auch unter dieser zusätzlichen Voraussetzung wird es der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten wiederum ermöglicht, den innergemeinschaftlich Zuständigen für die Erfüllung des Anspruchs zu bestimmen. Da die genannten Verfahrensregeln aber nur in einigen gemischten Abkommen ausdrücklich als verbindliche Vertragsbestimmungen niedergelegt sind, stellt sich die Frage, ob dessen Beachtung bei sämtlichen gemischten Verträgen obligatorisch ist. Sollte dies der Fall sein, kann die Gemeinschaftsgruppe unter der Voraussetzung, dass sie sich intern über die Kompetenzverteilung einigt, „an attack on its constitution " auch bei Annahme uneingeschränkter völkerrechtlicher Bindungswirkung abwehren.

7 Vgl. u. a. Art. 109 IV S. 2 des „Europa-Abkommens" mit Rumänien [AB1.EG 1994 L 357/2, 29]. 8

In diesem Sinne auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 198 ff.

120

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Im Folgenden erfolgt deshalb neben der bereits angesprochenen Bewertung der Bindungswirkungsproblematik, auch eine Stellungnahme zur Frage der Rechtsverbindlichkeit der Beachtung von Verfahrensregeln. Dabei wird unterschieden zwischen gemischten Abkommen ohne (I.), mit allgemeinen (II.) und solchen mit spezifischen Kompetenzklauseln (III.).

I. Gemischte Abkommen ohne Kompetenzklauseln 1. Zur Frage der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit Ausgangspunkt einer Bewertung der Bindungswirkung der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien muss Art. 26 WVK bilden.9 Danach ist jede Vertragspartei grundsätzlich an sämtliche Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages gebunden. Anderes kann nur gelten, wenn der Vertrag ausdrücklich oder stillschweigend eine gegenteilige Regelung erkennen lässt.10 Eine ausdrückliche Vereinbarung, dass die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten nur an die, ihrer internen Kompetenz unterfallenden Bestimmungen gebunden sein sollen, kann gemischten Abkommen ohne Kompetenzklauseln aber nicht entnommen werden. Diese enthalten gerade hinsichtlich der Kompetenzverteilungsfrage keinerlei Aussagen. Bei solchen Abkommen könnte daher höchstens stillschweigend vereinbart sein, dass sich die Bindungswirkung nach der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung richten soll. Hiervon ist dann auszugehen, wenn die Annahme einer solchen eingeschränkten Bindungswirkung dem Willen aller am gemischten Abkommen beteiligten Vertragspartner entspricht.

a) Die dritten Vertragsparteien

und das Bedürfnis nach Rechtssicherheit

Allerdings sprechen bereits die Interessen dritter Vertragsparteien gegen die Annahme einer stillschweigend vereinbarten eingeschränkten Bindungswirkung. 11 Aufgrund der komplizierten innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung sind dritte Vertragsstaaten häufig kaum in der Lage, den jeweils innergemeinschaftlich Zuständigen verlässlich zu ermitteln. Zwar stellt sich das Problem der Ermittlung einer zuverlässigen Kompetenzaufteilung nicht, wenn zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten hinsichtlich der Kompetenzverteilung Einigkeit besteht und sie daher von sich aus den innergemeinschaftlich Zuständigen benennen. Es ist aber durchaus denkbar, dass die Gemeinschaftsgruppe sich eben nicht über die 9 Art. 26 WVK lautet: „Ist ein Vertrag in Kraft, so bindet er die Vertragsparteien von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen. " 10 Hierzu Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 191. u Zu entsprechenden Argumenten in der Literatur, s. o. 2. Kap. C. I. 2. a) m. Nw.

und ist

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

121

jeweilige Zuständigkeitsfrage einvernehmlich verständigen kann. In diesem Fall steht zu erwarten, dass keine einheitliche Erklärung über die Zuständigkeitsverteilung abgegeben wird. Kommt es hierzu, läuft der dritte Vertragsstaat Gefahr, seine Ansprüche nicht durchsetzen zu können: Denn sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten hätten die Möglichkeit darauf zu verweisen, dass der jeweils andere als völkerrechtlich Verantwortlicher in Anspruch genommen werden müsse. 12 Dass ein solches Szenario nicht gänzlich unrealistisch ist, zeigen die Kompetenzquerelen der EG-Mitgliedstaaten vor internationalen Streitschlichtungsgremien im MOX Plant-Fall. 13 Hier haben Teile der Gemeinschaftsgruppe ihre Absicht verdeutlicht, Kompetenzstreitigkeiten nicht nur gemeinschaftsintern zu klären, sondern gegebenenfalls auch auf internationaler Ebene. Allein die Möglichkeit des Eintritts einer solchen Situation kann aber einem Drittstaat, der sich aus Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten auf die ungewöhnliche Konstruktion des gemischten Vertrages einlässt, nicht zugemutet werden. Der dritte Vertragspartner hat vielmehr ein legitimes Interesse nach Rechtssicherheit, dem durch die Annahme einer uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten an sämtliche Bestimmungen eines gemischten Abkommens Rechnung getragen werden muss.

b) Absicherung des Entscheidungsmonopols des EuGH Nun ließe sich gegen das Rechtssicherheitsargument einwenden, dass sich bei Uneinigkeit der Gemeinschaftsgruppe über die Kompetenzabgrenzung in letzter Konsequenz dann eben ein internationales Streitschlichtungsgremium mit der Fra12 Heliskoski will nur in diesem Fall (also wenn die Gemeinschaftsgruppe keine oder eine sich widersprechende Auskunft hinsichtlich der Kompetenzverteilung erteilt) quasi als ultima ratio die Zuerkennung gemeinsamer Verantwortlichkeit zulassen (vgl. Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 206). Es ist allerdings nicht ersichtlich, wie sich dies dogmatisch schlüssig begründen ließe. Denn geht man im Grundsatz davon aus, dass eine geteilte Bindungswirkung (stillschweigend) vereinbart wurde, so kann hieraus nicht automatisch eine gemeinsame Bindung und Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten erwachsen, wenn das Auskunftsverlangen der dritten Vertragspartei seitens der Gemeinschaftsgruppe unbefriedigend beantwortet wird. Ansonsten ergäbe sich folgende Situation: Zunächst würde darauf abgestellt, dass die Parteien in Abweichung von der Regel des Art. 26 WVK eine eingeschränkte Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten stillschweigend vereinbart hätten. Stillschweigend vereinbart wäre aber gleichzeitig, dass diese Beschränkung nur greifen soll, wenn das (ebenfalls stillschweigend vereinbarte) Nachfragerecht dritter Vertragspartner über die innergemeinschaftliche Zuständigkeitsverteilung ordnungsgemäß beantwortet wird. Wird die Nachfrage aber unzureichend beantwortet, so wäre wiederum stillschweigend vereinbart, dass in diesem Fall von einer uneingeschränkten Β indungs Wirkung ausgegangen werden müsste. Letztlich erhielte man auf diese Weise eine ganze „Kette stillschweigender Vereinbarungen", was die Grenzen zulässiger Auslegung sprengen würde. Wie noch zu zeigen sein wird, lässt sich die Anwendung prozessualer Regelungen nur auf der Grundlage einer im Grundsatz bestehenden gemeinsamen Verantwortlichkeit schlüssig lösen.

13 s. o. 3. Kap. Β. I. 1.

122

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

ge der Zuordnung der jeweiligen Zuständigkeiten beschäftigen müsste. Das internationale Gericht hätte in diesem Fall zu entscheiden, ob die Gemeinschaft oder der jeweils betroffene Mitgliedstaat die (innergemeinschaftliche) Kompetenz besitzt und daher die Bindungswirkung übernommen hat. Eine solche Konsequenz kann nun aber wiederum nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprechen. In diesem Fall stehen die Interessen der Gemeinschaftsgruppe entgegen. Denn die Entscheidung über die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten obliegt nach den Artt. 220, 292 EG allein dem EuGH. Würde die Frage daher von einem internationalen Gericht entschieden, käme es zu einer Einmischung in das innergemeinschaftliche Zuständigkeitssystem.14 Im EWR-Gutachten (Gutachten 1/91) 15 hat der Gerichtshof selbst zu dieser Problematik Stellung bezogen. Der EuGH äußerte sich dort zu der Frage, ob das System der gerichtlichen Kontrolle, wie es im Entwurf des EWR-Abkommens16 vorgesehen war, mit dem EG-Vertrag im Einklang stand. Dabei ging es um die Zulässigkeit der Errichtung eines EWR-Gerichtshofes, dem die Aufgabe zugedacht war, über Streitigkeiten zwischen den „Vertragsparteien" zu entscheiden. Nach Ansicht des EuGH hätte der EWR-Gerichtshof im Rahmen einer Streitigkeit der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten mit einem Drittstaat den Begriff der „Vertragspartei" auslegen müssen.17 Bei dieser Auslegung wäre eine Entscheidung darüber, ob mit „Vertragspartei" in dem jeweiligen Kontext nur die Gemeinschaft, nur die Mitgliedstaaten oder beide gleichermaßen gemeint seien, unumgänglich gewesen. Der EWR-Gerichtshof hätte damit die Zuständigkeit erhalten „ über die jeweiligen Befugnisse der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten auf den durch die Bestimmungen des Abkommens geregelten Gebieten" zu befinden, eine Aufgabe, die aber nach Art. 116 EGV (jetzt Art. 220 EG) exklusiv dem EuGH obliege. Deshalb seien die dem EWR-Gerichtshof eingeräumten Befugnisse geeignet, „die [im EG-Vertrag] festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft zu beeinträchtigen was mit der Regelung des Art. 219 EGV (jetzt Art. 292 EG) nicht im Einklang stehe. „Die Übertragung dieser Zuständigkeit auf den EWR-Gerichtshof [sei] daher mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. " 18 14

So vor allem auch Stein, Der gemischte Vertrag, 98 f., 180; Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 197 f.; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, 219. 15 EuGH Slg. 1991,1-6079 (Gutachten 1/91) Rn. 30-36. 16 Mit dem nunmehr als gemischtes Abkommen in Kraft getretenen EWR-Abkommen (vgl. AB1.EG 1994 L 149/16 f.) wird die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraums angestrebt, der sich auf die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und auf diejenigen der EFTA-Länder erstreckt. 17 EuGH Slg. 1991,1-6079 (Gutachten 1 /91) Rn. 33. is EuGH Slg. 1991, 1-6079 (Gutachten 1/91) Rn. 34-35. Vgl. hierzu auch Brandtner, 3 EJIL (1992), 300, 309 ff. Wiederholt hat der Gerichtshof diese Grundsätze jüngst in seinem

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außen Verhältnis

123

Damit hat der EuGH festgelegt, dass die Zuerkennung der Befugnis an ein internationales Gericht über die Kompetenzverteilung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten in Bezug auf eine bestimmte Vertragsbestimmung eines gemischten Abkommens entscheiden zu dürfen, von Beginn an gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt. Nach dieser Maßgabe könnte man geneigt sein, sämtliche gemischte Abkommen ohne Kompetenzklauseln für unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht zu erklären. Denn kommt es hier zu einem Streitschlichtungsverfahren unter Einbeziehung der Gemeinschaftsgruppe, so besteht zumindest die Möglichkeit, dass ein internationales Gericht, eine Kompetenztrennung zwischen Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten vornimmt. Eine dahingehende Verallgemeinerung der Aussagen des Gerichtshofes im EWR-Gutachten dürfte allerdings zu weit gehen. Zu beachten ist nämlich die Besonderheit, dass in dem, dem EuGH vorgelegten Entwurf des EWR-Abkommens in Art. 2 c) normiert wurde, dass der Begriff der „Vertragspartei" im Falle der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten entweder die Gemeinschaft oder die EG-Mitgliedstaaten oder aber sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten bezeichne. Die jeweilige Bedeutung des Begriffs sei im Einzelfall abzuleiten aus den sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Zuständigkeiten der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten.19 Daneben wurde im EWR-Abkommensentwurf auch die Zuerkennung einer obligatorischen Zuständigkeit eines EWR-Gerichtshofes vorgesehen. 20 Aufgrund dieser Regelungen ging der EuGH zu Recht davon aus, dass der obligatorisch zuständige EWR-Gerichtshof verpflichtet sei, eine Trennung der Kompetenzen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten vorzunehmen. 21 Per se unzulässig ist demnach derjenige gemischte Vertrag, dessen Streitschlichtungssystem darauf angelegt ist, dass durch ein internationales Gericht eine Kompetenzabgrenzung erfolgen muss, weil das Abkommen eine Art. 2 c) Gutachten zur Frage der Vereinbarkeit des Entwurfs eines Übereinkommens über die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums (GELR-Abkommen) mit dem EGVertrag, vgl. EuGH Slg. 2002,1-3493 (Gutachten 1 /00) Rn. 5. Im Fall des geplanten GELRAbkommens wurde eine Verletzung von Artt. 220, 292 EG allerdings von vornherein ausgeschlossen, da es sich bei dem geplanten Übereinkommen nicht um ein gemischtes Abkommen handeln sollte, da eine Beteiligung der EG-Mitgliedstaaten nicht vorgesehen war, vgl. EuGH Slg. 2002,1- 3493 (Gutachten 1 /00) Rn. 15-16. 19 s. zum Inhalt von Art. 2 c) des Entwurfs zum EWR-Abkommen, EuGH Slg. 1991, 1-6079 (Gutachten 1 /91) Rn. 33. 20 Vgl. hierzu Art. 96 i.V.m. Art. 117 des Entwurfs zum EWR-Abkommen, abgedruckt in Slg. 1991,1-6079, 6087 (Gutachten 1/91). 21 Vgl. EuGH Slg. 1991,1-6079 (Gutachten 1 /91) Rn. 31: „[Die] Prüfung erstreckt sich zunächst auf die Auslegung des Begriffs der Vertragspartei, die der EWR-Gerichtshof bei der Auslegung seiner Zuständigkeiten wird vornehmen müssen. " [Hervorhebung nicht im Original].

124

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

vergleichbare Klausel enthält und zudem ein System obligatorischer Streitschlichtung aufweist. 22 In allen anderen Fällen ist ein gemischter Vertrag jedenfalls dann gemeinschaftsrechtskonform, wenn eine Kompetenzabgrenzung durch ein internationales Streitschlichtungsgremium vermieden werden kann und auch tatsächlich vermieden wird. Verlässlich kann eine solche Situation nur dadurch erreicht werden, dass sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten im Grundsatz eine gemeinsame Bindung und Verantwortlichkeit an alle Bestimmungen des gemischten Abkommens akzeptieren, denn nur unter dieser Voraussetzung stellt sich von vornherein nicht das Problem der Kompetenzabgrenzung. In der Literatur wird hingegen davon ausgegangen, dass auch bei Annahme einer getrennten Bindungswirkung und Verantwortlichkeit eine Aushöhlung der Rechtsprechungsbefugnisse des EuGH vermeidbar sei. 23 Insofern soll letztlich dem jeweiligen internationalen Gericht die Pflicht auferlegt werden, die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten hinsichtlich der exakten Kompetenzaufteilung zu befragen. So soll die in Art. 57 der Verfahrensregeln des Internationalen Seegerichtshofes ausdrücklich festgeschriebene Regelung auch für die Streitschlichtung bei allen übrigen gemischten Abkommen gelten.24 Aber selbst wenn man eine solche Verpflichtung für ein internationales Streitbeilegungsgremium generell bei gemischten Abkommen annimmt,25 bleibt wiederum die Frage, was in dem Fall geschehen soll, in dem sich die Gemeinschaftsgruppe nicht über die konkrete Kompetenzverteilung einigen kann und daher die Erklärung über die Kompetenzverteilung entweder gar nicht erfolgt oder diese unvollständig bzw. widersprüchlich ist. Hier kann man aus den bereits im Zusammenhang mit dem Fall der unbefriedigenden Auskunftserteilung gegenüber dritten

22 In der Tatsache der obligatorischen Gerichtsbarkeit des EWR-Gerichtshofes dürfte der Unterschied zu den übrigen gemischten Abkommen, die eine Art. 2 c) vergleichbare Klausel aufweisen, bestehen. Bei letzteren (bei denen die Durchführung der Streitschlichtung fakultativ ist) kann die Gemeinschaftsgruppe die Eröffnung eines Streitschlichtungsverfahrens verweigern, wenn nicht der Bedingung zugestimmt wird, dass das angerufene Gericht keine

K o m p e t e n z a u f t e i l u n g v o r n i m m t , i n d e m es v o n e i n e r u n e i n g e s c h r ä n k t e n Β i n d u n g s W i r k u n g

der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ausgeht. Im Übrigen enthält auch die modifizierte und vom EuGH gebilligte Fassung des EWR-Abkommens keine zwingende Streitschlichtung durch ein internationales Gericht. 23

Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 204 f. In Art. 57 der Verfahrensregeln heißt es: „In a dispute to which an international organization is a party, the Tribunal may, at the request of any other party or proprio motu, request the international organization to provide, within a reasonable time, information as to which, as between the organization and its member States, has competence as to any specific question which has arisen. If the Tribunal considers it necessary, it may suspend the proceedings until it receives such information." [Doc. ITLOS/8]. 25 Wovon hier im Grundsatz im Übrigen auch ausgegangen wird, s. o. in der Einleitung zu diesem Kap. 24

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

125

Vertragsparteien genannten Gründen 26 nicht auf eine dann bestehende gemeinsame Verantwortlichkeit schließen, wenn zuvor von einer nur eingeschränkten Bindung ausgegangen wird. In einem solchen Fall muss also wiederum das internationale Gericht über die Kompetenzverteilung entscheiden. Die in der Literatur hervorgehobene Verfahrenslösung kann dies somit in letzter Konsequenz nicht verhindern. Auch bei Anwendung dieser Regel kommt es schlussendlich zu der aufgezeigten Kompetenzaushöhlung.

c) Die Unvereinbarkeit der Annahme eingeschränkter Bindungswirkung mit dem Regime der Gegenmaßnahmen bei gemischten Abkommen Schließlich spricht gegen die Annahme einer eingeschränkten Β indungs Wirkung auch die Tatsache, dass sich das System der Gegenmaßnahmen bei gemischten Verträgen mit einer derartigen Konzeption nicht vereinbaren lässt.

aa) Gegenmaßnahmen und gemischte Abkommen Kommt es bei einem gemischten Abkommen zu einer Rechtsverletzung durch den Bruch von Vertragsbestimmungen - die regelmäßig durch ein internationales Streitschlichtungsgremium festgestellt werden muss - ist die hiervon betroffene Vertragspartei, sollte die Rechtsverletzung nicht abgestellt werden, grundsätzlich zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen berechtigt. Die Gegenmaßnahme kann dabei in der Suspendierung von Vertragsbestimmungen liegen. 27 Die Suspendierung muss sich - und dies ist in dem hier behandelten Zusammenhang entscheidend nicht zwingend auf diejenigen Bestimmungen beschränken, die verletzt wurden. Der betroffene Vertragspartner ist vielmehr weitgehend frei, zu wählen, welche Bestimmung des jeweiligen Abkommens er aussetzen möchte, was regelmäßig davon abhängen wird, welche Suspendierung die wirkungsvollste ist. Zur Veranschaulichung des Gesagten kann auf den Sanktionsmechanismus der Welthandelsorganisation verwiesen werden: Hat ein WTO-Streitschlichtungsgremium verbindlich eine Vertragsverletzung festgestellt und kommt die unterlegene Streitpartei ihrer Umsetzungsverpflichtung nicht fristgerecht nach, so sieht Art. 22 II, III DSU vor, dass die obsiegende Streitpartei ermächtigt werden kann, ihrerseits Vertragspflichten unbeachtet zu lassen, indem im WTO-Übereinkommen vereinbarte Zugeständnisse vorübergehend ausgesetzt werden. Dabei ist die obsiegende Partei allerdings nicht allein darauf beschränkt, Zugeständnisse aus demjenigen Sektor des WTO-Übereinkommens zu suspendieren, in dem auch die Rechtsverlet26

s. o. a). Vgl. hierzu allgemein Artt. 44 I I / I I I , 60 WVK (diese Bestimmungen normieren einen „Sonderfair der Gegenmaßnahme im Rahmen gegenseitiger Verträge, vgl. Vitzthum, Volkerrecht, 597). 27

9 Oen

126

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

zung festgestellt wurde. Vielmehr ist es ihr - wenn die Effektivität es gebietet28 ebenfalls gestattet, auch Zugeständnisse aus anderen WTO-Übereinkommen auszusetzen (so genanntes cross-retaliation ).29 So kann beispielsweise als Reaktion auf eine festgestellte Verletzung des GATT, eine Bestimmung aus dem TRIPS suspendiert werden. Auf diese Weise kann die Möglichkeit der cross-retaliation dazu führen, dass eine ursprünglich im Kompetenzbereich der Gemeinschaft begangene Vertragsverletzung zur Aussetzung von Zugeständnissen in Bereichen führt, die der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfallen und umgekehrt. 30 Derartige Fallkonstellationen sind nicht bloß akademische Theorie, sondern in der Praxis schon aufgetreten: Im langjährigen Streit um die europäische Bananenmarktordnung stellte zunächst ein Panel und später der Appellate Body eine Verletzung von GATT- und GATSVerpflichtungen durch die Gemeinschaft fest. 31 Die als verletzt gerügten Bestimmungen betrafen dabei ausschließlich den Kompetenzbereich der EG. Nachdem die Entscheidung des AB von der Gemeinschaft nicht fristgerecht umgesetzt worden war, wurde Ecuador nach Art. 22 DSU dazu ermächtigt, als Sanktionsmaßnahme Zugeständnisse auszusetzen. Die Erlaubnis zur Aussetzung dieser Zugeständnisse betraf dabei allerdings keine GATT- oder GATS-Bestimmungen, sondern Regelungen des TRIPS-Übereinkommens, in einem Bereich, der eindeutig der Zuständigkeit der EG-Mitgliedstaaten unterfiel. 32

bb) Auswirkungen der Annahme eingeschränkter Β indungs Wirkung Geht man nunmehr davon aus, dass nur eine eingeschränkte völkerrechtliche Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten je nach internen Zuständigkeitsbereichen vorliegt, hätte Ecuador nicht zu der beschriebenen cross-retaliation ermächtigt werden dürfen. Bei Annahme einer eingeschränkten Bindungswirkung wären nämlich genaugenommen die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten nur im Umfang ihrer Zuständigkeiten als Vertragsparteien des jeweiligen gemischten Abkommens, in diesem Fall des WTO-Übereinkommens, anzusehen. Diese Konsequenz legen denn auch die meisten gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln, bei denen ja von einer solchen eingeschränkten Β indungs wir28 V g l . Art. 22 III c) DSU. 29 Hierzu Weiß/Herrmann, WTO-Recht, § 10 Rn. 319; Stoll/Schorkopf, Meng, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 63, 75. 30

WTO, Rn. 499;

Vgl. hierzu auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 209 ff. Vgl. European Communities - Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT/DS/27. Offizielle Streitparteien waren die EG einerseits und die USA, Ecuador, Guatemala, Honduras und Mexiko andererseits, s. zu den Einzelheiten des „Bananenstreits" Vranes, in: Breuss/Griller/Vranes, The Banana Dispute, 1 ff.; Siebold, in: Schachtschneider, Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 211 ff. 32 Vgl. European Communities - Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas (recourse to Art. 22.2 by Ecuador), WT/DS27/52. 31

. Die Gemeinschaftsgruppe im

enerhältnis

127

kung ausgegangen wird, 33 ausdrücklich fest: So heißt es etwa in Art. 4 II von Anhang IX des SRÜ, dass eine internationale Organisation nur „ in dem Umfang Vertragspartei dieses Übereinkommens ist", in dem sie in Übereinstimmung mit der abzugebenden Zuständigkeitserklärung die Kompetenz besitzt.34 Wenn aber Gemeinschaft und Mitgliedstaaten nur im Rahmen ihrer Kompetenzen Vertragsparteien sind, dann darf eine Aussetzung von Zugeständnissen auch nur in dessen Zuständigkeitsbereichen des gemischten Abkommens erfolgen. Verletzt etwa die Gemeinschaft eine Vertragsbestimmung in ihrem Zuständigkeitsbereich, dann dürfte als Gegenmaßnahme ebenfalls nur eine Bestimmung im gemeinschaftlichen Kompetenzbereich ausgesetzt werden. Würde nämlich in diesem Fall eine Vertragsverpflichtung als Gegenmaßnahme suspendiert, die der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfällt, würden Rechte anderer, am Verfahren unbeteiligter Vertragsparteien (in diesem Fall der EG-Mitgliedstaaten) verletzt. 35 Die Durchführung einer Gegenmaßnahme gegen eine außenstehende, an der Vertragsverletzung nicht beteiligte Vertragspartei ist aber generell unzulässig.36 Übertragen auf das genannte Beispiel des „Bananenstreits" würde das soeben Ausgeführte bedeuten, dass Ecuador nur dazu hätte ermächtigt werden dürfen, Zugeständnisse in Bereichen des Abkommens auszusetzen, die der Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen. Diese Konzeption ist aber selbst von der Gemeinschaft nicht geltend gemacht worden. Die EG hat sich nicht darauf berufen, eine Aussetzung von TRIPS-Bestimmungen komme allein deshalb nicht in Betracht, weil die interne Zuständigkeit in diesem Bereich nicht bei der Gemeinschaft, sondern den Mitgliedstaaten liege. Eine solche Argumentation wäre auch mit der Systematik der WTO-Übereinkommen nicht zu vereinbaren. Die bei den Vertragsverhandlungen besonders betonte materielle Einheitlichkeit des WTO-Rechts, der so genannte „single undertaking approach ",37 wonach eine Mitgliedschaft in der WTO nur möglich ist, wenn sämtliche in den Anhängen des WTO-Übereinkommens enthaltenen Abkommen als verbindlich anerkannt werden (vgl. Art. X I Abs. 1 WTO-Abkommen), wäre auf diese Weise nicht mehr gewährleistet. 38 Letztlich wird auch die Wirksamkeit des WTO-Streitschlichtungsmechanismus selbst, der gerade durch die Möglichkeit der cross-retaliaton gestärkt werden sollte, in Frage gestellt, wenn die Durchführung solcher Maßnahmen für einen sehr bedeutsamen Handelspartner wie die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten schlicht unterlaufen werden könnte. 39 33

So die ganz h. M. (s. o. 2. Kap. C. I. 1.); vgl. hierzu auch noch eingehender unten III. 1. s. hierzu auch Ohlhoff, Methoden der Konfliktbewältigung, 73. 35 So im Grundsatz auch Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 222 f. 36 Dahm /Delbrück / Wolf rum, Völkerrecht Bd. 1/3, 984. 34

37 38

s. etwa Meng, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 63, 70.

Meng, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 63, 77; Heliskoski, a Technique, 224. 59 Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 302 Rn. 62. *

Mixed Agreements as

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Aus den genannten Gründen muss das Konzept der cross-retaliation i.S.v. Art. 22 II, III b) DSU vollumfänglich auf die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten anwendbar sein. Entsprechendes muss auch allgemein für das System von Gegenmaßnahmen bei allen sonstigen gemischten Abkommen gelten. Auch bei den übrigen gemischten Abkommen muss eine Gegenmaßnahme über interne Kompetenzgrenzen hinweg ergriffen werden können. Ansonsten würde auch hier - wie beim WTO-Übereinkommen - die Effektivität des Systems der Gegenmaßnahmen in Frage gestellt. Für die Zulassung der Ergreifung von Gegenmaßnahmen über die Kompetenzgrenzen hinweg, lässt sich zudem auch erneut das Argument des Rechtssicherheitsbedürfnisses der dritten Vertragsparteien anführen. Denn Drittstaaten müssten um die „richtige" Gegenmaßnahme ergreifen zu können - zuverlässig ermitteln, wo die exakten Kompetenzgrenzen verlaufen. Eine Aufgabe, zu deren Bewältigung sie aber regelmäßig nicht in der Lage sind. Das Ergreifen von Gegenmaßnahmen in Form der Suspendierung von Vertragsbestimmungen ist bei gemischten Abkommen daher auch in einem Bereich zulässig, der nicht in die (interne) Zuständigkeit desjenigen (entweder der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten) fällt, der die ursprüngliche Vertragsverletzung begangen hat. Dieses (bisher auch unbestrittene) Ergebnis lässt sich schlüssig aber nur erklären, wenn von einer uneingeschränkten Bindungswirkung an sämtliche Bestimmungen des jeweiligen gemischten Abkommens ausgegangen wird. Anderenfalls wäre ein solches Vorgehen dogmatisch nicht zu rechtfertigen. Es würden vielmehr Rechte von am Streitverfahren unbeteiligten Vertragsparteien berührt.

d) Schlussfolgerungen Nach allem erscheint die Gewährleistung von Rechtssicherheit für die übrigen Vertragspartner unter gleichzeitiger Vermeidung einer Einmischung Dritter in das innergemeinschaftliche Kompetenzsystem nur durch die Annahme einer uneingeschränkten Bindungswirkung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten erreicht werden zu können. Nur so lässt sich auch das Regime von Gegenmaßnahmen bei gemischten Abkommen dogmatisch schlüssig erklären. Eine Auslegung der Intentionen der Vertragsparteien des gemischten Abkommens muss danach ergeben, dass eine eingeschränkte Bindungswirkung und damit ein Abweichen von der Grundregel des Art. 26 WVK nicht als stillschweigend vereinbart angesehen werden kann. Viel diskutiert wurde die Frage, ob sich das so gefundene Ergebnis der uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindung mit Art. 46 WVK vereinbaren lässt oder ob nicht vielmehr eine Unwirksamkeit des gesamten gemischten Vertrages auf der Grundlage dieser Vorschrift geltend gemacht werden kann. 40 Teilweise wurde an-

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

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geregt, diese Vorschrift zumindest in Form der Berufung auf eine Art „Teilnichtigkeit" nutzbar zu machen.41 So soll über Art. 46 sowohl der Gemeinschaft als auch den Mitgliedstaaten jeweils die Möglichkeit eingeräumt werden, sich einer Bindung an solche Vertragsbestimmungen zu entziehen, die - nach der innergemeinschaftlichen Aufgabenverteilung - nicht ihrer Zuständigkeit unterfallen 4 2 In den allermeisten Fällen dürften allerdings bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 46 WVK nicht vorliegen. Aufgrund des komplizierten innergemeinschaftlichen Kompetenzsystems wird eine Kompetenzüberschreitung der Gemeinschaft nur selten tatsächlich „offenkundig " für dritte Vertragsparteien sein. Aber selbst in diesen Fällen scheint ein Rückgriff auf Art. 46 WVK beim gemischten Vertrag nicht der richtige Weg. Art. 46 WVK normiert eine relative Unwirksamkeit, d. h. die Gemeinschaft bzw. die Mitgliedstaaten müssten sich im Einzelfall auf die Nichtigkeit (bzw. Teilnichtigkeit) des Abkommens berufen. Die Geltendmachung eines solchen Nichtigkeitseinwandes würde das Vertrauen in die Gemeinschaftsgruppe als verlässlichen Vertragspartner nachhaltig erschüttern und kann daher nicht in ihrem Interesse liegen 4 3 Der Nichtigkeitseinwand wurde auch in der Praxis in einem Streitschlichtungsverfahren noch nie - auch nicht im kontrovers diskutierten LAN-Fall - von der Gemeinschaftsgruppe vorgebracht. 44

2. Zur Frage der Anwendung von Verfahrensregeln Wie bereits in der Einführung zu diesem Kapitel dargelegt, ist mit der soeben getroffenen Feststellung der uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindung noch nicht gesagt, dass dritte Vertragsparteien die innergemeinschaftliche Kompetenz40 Hierzu eingehend Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 199 ff.; Wuermeling, Kooperatives Gemeinschaftsrecht, 237 ff.; Dolmans, Problems with mixed agreements, 85; Gaja, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 133, 137 f.; Arnold, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. 2, K.I, Rn. 83 ff.; Stein, Der gemischte Vertrag, 109 ff. 41 Björklund, 70 NJIL (2001), 373, 390. [Vgl. allgemein zu Überlegungen hinsichtlich der Möglichkeit der Geltendmachung einer Teilnichtigkeit eines völkerrechtlichen Vertrages durch eine Internationale Organisation bereits: Berber, Völkerrecht Bd. 1,467]. 42 Björklund, 70 NJIL (2001), 373, 390. 43

s. zu weiteren Argumenten Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 199 ff.; s. auch Wormuth (Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, 216), der davon ausgeht, dass die Vertragsparteien stillschweigend eine Abweichung von der Nichtigkeitsregel des Art. 46 WVK vereinbart hätten. 44 Die Tatsache, dass Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bei Annahme einer uneingeschränkten Β indungs Wirkung ihre jeweiligen gemeinschaftsinternen Kompetenzen überschreiten, ist auch aus gemeinschaftsinterner Sicht hinzunehmen. Der EG-Vertrag erkennt nunmehr ausdrücklich in Art. 133 V I UAbs. 2 EG die Rechtsfigur des gemischten Vertrages an. Damit müssen aber gleichzeitig auch dessen völkerrechtliche Implikationen akzeptiert werden. Zu einer ausführlicheren Begründung mit Bezugnahme auf Art. 10 EG, s. Stein, Der gemischte Vertrag, 139 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 430.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

aufteilung von vornherein ignorieren und nach ihrem Belieben die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten in einem Streitschlichtungsverfahren in Anspruch nehmen können. Trotz Annahme einer uneingeschränkten Bindungswirkung ist es nämlich möglich, zunächst demjenigen die Erfüllung des in Streit stehenden Anspruchs zu überlassen, der die innergemeinschaftliche Zuständigkeit besitzt. Insofern haben sich in der Praxis bei einigen gemischten Abkommen unterschiedliche prozessuale Regeln herausgebildet, die es der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten ermöglichen, inter se zu klären, wer den jeweiligen Anspruch erfüllen bzw. als Streitgegner in einem Streitschlichtungsverfahren auftreten soll. 45 Fraglich ist allerdings, ob dritte Vertragsparteien zur Beachtung solcher Verfahrensregeln grundsätzlich bei sämtlichen gemischten Abkommen rechtlich verpflichtet sind, ob also entweder - vor Eröffnung eines Streitverfahrens - eine Pflicht zur Nachfrage über die Kompetenzverteilung besteht oder in gewissen Konstellationen auch die Akzeptierung der gemeinsamen Beteiligung an einem Streitverfahren von der Gemeinschaftsgruppe verlangt werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage ist erneut auf Art. 26 WVK abzustellen, wonach die Vertragsparteien einen völkerrechtlichen Vertrag nach Treu und Glauben zu erfüllen haben. Da es im vorliegenden Kontext (Eröffnung eines Streitschlichtungsverfahrens) aber nicht um die Erfüllung von Vertragspflichten, sondern vielmehr um die Geltendmachung von vertraglichen Rechten (wegen angeblicher Verletzung von Pflichten durch die Gemeinschaftsgruppe) geht, könnte nach dem Wortlaut des Art. 26 WVK dessen Anwendung hier bezweifelt werden. Es ist allerdings anerkannt, dass auch vertragliche Rechte nicht missbräuchlich ausgeübt werden dürfen. 46 Zwar ist eine Vertragspartei im Grundsatz berechtigt, auf der Erfüllung des Vertrages zu bestehen, allerdings ist hierbei - soweit zumutbar - auf die berechtigten Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen.47 Insofern erscheint es gerechtfertigt, eine weite Auslegung des Art. 26 WVK vorzunehmen, die eine solche Rücksichtnahmepflicht in den Grenzen der Zumutbarkeit auch bei der Geltendmachung von Vertrags rechten mitumfasst. Es bleibt demnach zu untersuchen, ob sich ein Drittstaat nach dieser Maßgabe tatsächlich treu widrig i. S. d. Art. 26 WVK verhält, wenn er der Gemeinschaftsgruppe nicht zunächst die Möglichkeit einräumt, selbst zu bestimmen, wer in einem Streitbeilegungsverfahren als möglicher Erfüllungsverpflichteter auftreten soll. Hierbei ist zunächst zu bedenken, dass die Beachtung der innergemeinschaftlichen Kompetenzordnung durch eine dritte Vertragspartei für die Gemeinschaftsgruppe von erheblicher Bedeutung ist. 45

s. zusammenfassend oben in der Einführung zu diesem Kap.; s. auch die Diskussion um die Anwendung von Verfahrensregeln in der Literatur: Stein, Der gemischte Vertrag, 180 f.; Schermers, in: Festschrift Mosler, 823, 830; Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 142; Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 158 f.; Hirsch, Responsibility of International Organisations, 26. 4 6 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht 1/3, 603. 47 Dahm/Delbrück/Wolf rum, Völkerrecht 1/3, 603.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

a) Der innergemeinschaftlich

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geteilte Status gemischter Abkommen

Die Beachtung der innergemeinschaftlichen Kompetenzordnung ist insbesondere deswegen bedeutsam, weil der EuGH den innergemeinschaftlich geteilten Status gemischter Abkommen ausdrücklich anerkennt. So hat der Gerichtshof im DiorUrteil 48 erstmals explizit zwischen einem „Gemeinschafts-" und einem „Mitgliedstaatenteil" eines gemischten Vertrages unterschieden. Der EuGH hat damit klargestellt, dass nur diejenigen Bestimmungen, für die der Gemeinschaft die (Außen-)Kompetenz zukommt und bei denen sie diese auch tatsächlich ausgeübt hat, als Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung angesehen werden können. Nur insofern kann die Vorrangwirkung des Art. 300 V I I EG eingreifen. Damit wurde gleichzeitig verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten in Bereichen ihrer Zuständigkeiten über die Wirkungen des Abkommens in der internen Rechtsordnung selbst entscheiden können. Die Gemeinschaft kann ihnen in diesen Bereichen also keine verbindlichen Vorgaben machen.49 Etwas anderes gilt nur für solche Vorschriften gemischter Verträge, die zwar unter die mitgliedstaatliche Zuständigkeit fallen, die aber gleichzeitig auch für gemeinschaftsrechtlich geregelte Sachverhalte Relevanz haben. In diesen Fällen beansprucht der EuGH im Interesse einer einheitlichen Anwendung der betreffenden Bestimmungen das Auslegungsmonopol.50 In die gleiche Richtung geht eine weitere vom Gerichtshof in der Rechtssache Kommission gegen Irland 51 beschriebene Ausnahmesituation: Der Fall betraf ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG. In diesem rügte die Kommission, dass Irland seiner Verpflichtung aus dem EWR-Abkommen (namentlich aus Art. 5 des Protokolls 28 zu diesem Abkommen) nicht nachgekommen sei, wonach die Vertragsparteien der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst beitreten müssen. Da die Berner Übereinkunft nicht in ihrer Gesamtheit, sondern nur - wie der EuGH ausdrücklich feststellte - „weitgehend in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt", 52 hätte die Kommission an sich auch nur im Umfang der so bestehenden Gemeinschafts48 EuGH Slg. 2000,1-11307 (Dior und Assco); s. hierzu auch 3. Kap. Α. II. 2. b) bb). 49 Weiß/Herrmann, WTO-Recht, § 8 Rn. 137 f.; Bungenberg, in: Festschrift Folz, 13, 23; Kreibich, Das TRIPs-Abkommen in der Gemeinschaftsrechtsordnung, 88 ff.; Stoll/Schorkopf WTO, Rn. 684; Ritgen, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 117, 123; Wünschmann, Geltung und gerichtliche Geltendmachung völkerrechtlicher Verträge, 75 f.; Schermers/ Waelbroeck, Judicial Protection in the EU, § 608; Gaja, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 117, 119; so auch schon vor dem Dior-Urteil Schermers, in: O'Keeffe/Schermers, Essays in European Law and Integration, 167, 176-177; Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 310 Rn. 16; Strauss, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 157, 165-166. 50 EUGH Slg. 2000,1-11307 (Dior und Assco) Rn. 33-40; im konkreten Fall ging es um die Auslegung von Art. 50 V I TRIPS, der als Verfahrensregel sowohl auf die mitgliedstaatliche Zuständigkeit unterfallende Sachverhalte anwendbar ist, als auch auf solche Sachverhalte, die in die gemeinschaftliche Kompetenz fallen. 51 EuGH Slg. 2002,1-2943 (Kommission/Irland). 52 Vgl. EUGH Slg. 2002,1-2943 (Kommission / Irland) Rn. 16.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Zuständigkeit die Durchsetzung der Verpflichtung aus Art. 5 verlangen können.53 Da aber eine solche Verpflichtung zum Beitritt zu einem internationalen Übereinkommen nicht teilbar ist, 54 hat der Gerichtshof Irland zur Beachtung der Verpflichtung in ihrer Gesamtheit verurteilt, da „ ein Gemeinschaftsinteresse [besteht] . . . , dass alle Vertragsparteien des EWR-Abkommens dieser Übereinkunft beitreten. " 55 Unter der genannten Voraussetzung ist es demnach der Gemeinschaft ausnahmsweise möglich, auch Verpflichtungen in Bereichen mitgliedstaatlicher Zuständigkeit einzuklagen. Trotz der Zulassung dieser Ausnahme hat der EuGH aber auch im Urteil Kommission/Irland gleichzeitig das Prinzip als solches ausdrücklich bestätigt: „Der Gerichtshof hat entschieden, dass gemischte Abkommen, die von der Gemeinschaft, ihren Mitgliedstaaten und Drittländern abgeschlossen wurden, in der Gemeinschaftsrechtsordnung denselben Status wie rein gemeinschaftsrechtliche Abkommen haben, soweit es um Bestimmungen geht, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. " 56

Im Grundsatz bleibt es also dabei, dass in Bereichen mitgliedstaatlicher Kompetenz die Umsetzung von Bestimmungen eines gemischten Abkommens allein Sache der Mitgliedstaaten ist. Der EuGH ist nicht berechtigt, dabei möglicherweise bestehende Versäumnisse zu überprüfen. Daraus ergibt sich, dass die Gemeinschaft (namentlich die Kommission) grundsätzlich keine Möglichkeit hat, die Beachtung derjenigen Verpflichtungen gemischter Verträge einzuklagen, die der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfallen. 57 Geht man nun aber davon aus, dass dritte Vertragsparteien frei wählen könnten, ob sie in Bereichen mitgliedstaatlicher Kompetenzen die Mitgliedstaaten oder die 53

So die Argumentation Großbritanniens, das Irland als Streithelfer beigetreten war, vgl. EuGH, Slg. 2002,1-2943 (Kommission / Irland) Rn. 2. 54 Hierauf wies GA Mischo in Rn. 48 seines Schlussantrags [Slg. 2002 1-2943] explizit hin: „ . . . die Berner Übereinkunft [ist] nicht teilbar... Ein Staat [kann] ihr demnach nicht teilweise beitreten. Sein Beitritt setzt vielmehr die Annahme aller in der Übereinkunft vorgesehenen Verpflichtungen voraus." 55 EuGH Slg. 2002, 1-2943 (Kommission/Irland) Rn. 19 (Hervorhebung nicht im Original). 56 EuGH Slg. 2002, 1-2943 (Kommission/Irland) Rn. 14 (Hervorhebung nicht im Original). 57 Die Begrenzung der internen Wirkung gemischter Abkommen auf diejenigen Bereiche, die der jeweiligen Zuständigkeit unterfallen, steht auch nicht im Widerspruch zu der hier vertretenen Auffassung der uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit. Die eingeschränkte innergemeinschaftliche Wirkung wird vielmehr durch den eindeutigen Wortlaut von Art. 300 VII i.V.m. I EG vorgezeichnet, wonach ein von der Gemeinschaft geschlossenes völkerrechtliches Abkommen nur soweit verbindlich ist „soweit dieser Vertrag den Abschluss von Abkommen ... vorsieht". Die innergemeinschaftliche und die völkerrechtliche Seite gemischter Abkommen sind somit strikt voneinander zu trennen; hierzu eingehend Wünschmann, Geltung und gerichtliche Geltendmachung völkerrechtlicher Verträge, 77-78; Epiney, EuZW 1999, 5, 8 f.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

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Gemeinschaft in Anspruch nähmen, hätte dies für die Gemeinschaft zur Konsequenz, dass sie für eine Vertragsverletzung völkerrechtlich einstehen müsste, ohne zugleich intern auf deren Beseitigung (durch Klage gegen den verletzenden Mitgliedstaat beim EuGH) hinwirken zu können. Umgekehrt könnte sich eine solche Situation auch für die Mitgliedstaaten in Bereichen gemeinschaftlicher Zuständigkeiten ergeben. Zwar können die Mitgliedstaaten grundsätzlich die Beachtung völkerrechtlicher Verträge durch die Gemeinschaft über Art. 300 V I I EG einklagen. Dies gilt nach gefestigter EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht ausnahmslos: So spricht der Gerichtshof beispielsweise den Bestimmungen der WTO-Übereinkommen die unmittelbare Anwendbarkeit ab. 58 Der Gerichtshof misst somit grundsätzlich Gemeinschaftsrechtsakte nicht am Maßstab des WTO-Rechts. Auch in dieser Situation besteht daher ein Bedürfnis für die Mitgliedstaaten, dass nicht sie, sondern dass sich die Gemeinschaft in einem WTO-Streitschlichtungsverfahren für mögliche Verstöße gegen das WTO-Abkommen verantworten muss.59 Zudem ist es eines der vorrangigen Ziele der Mitgliedstaaten, welches sie zu einer Beteiligung an gemischten Abkommen bewegt, selbst als eigenständige Subjekte völkerrechtlich präsent zu bleiben. 60 Genau dieses Ziel würde aber vereitelt werden, wenn die Mitgliedstaaten in Bereichen ihrer Zuständigkeit keinen Anspruch hätten, eigenständig nach außen in einem Streitbeilegungsverfahren in Erscheinung zu treten. Insgesamt ergibt sich - aus Sicht der Gemeinschaftsgruppe - ein berechtigtes Interesse, den innergemeinschaftlich Zuständigen im Rahmen eines internationalen Streitschlichtungsverfahrens als Streitgegner auftreten zu lassen.61 Für den dritten Vertragspartner ist dieses Interesse auch regelmäßig erkennbar. Schließlich weiß der Drittstaat bei Vertragsschluss um die geteilten Kompetenzen innerhalb der Gemeinschaftsgruppe, da die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten ihr gemeinsames Auftreten mit der unter ihnen aufgeteilten Β indungs Wirkung be58 Vgl. etwa EuGH, Slg. 1999,1-8395 (Portugal/Rat) Rn. 36 ff.; s. zu dieser sehr kontrovers diskutierten Rechtsprechung Ott, EuR 2003, 504 ff.; Zonnekeyn, 26 ELRev. (2001), 293 ff.; Cremona, 38 CMLRev. (2001), 359, 371 ff.; Weiß/Herrmann, WTO-Recht, § 8 Rn. 134; Prieß/Berrisch, in: dies., WTO-Handbuch, s. 751 ff., 761 ff.; Schroeder/Selmayr, JZ 1998, 344, 348; Cascante , Rechtsschutz von Privatrechtssubjekten, 204 ff.; Siebold, Die WTO und die EG, 262 ff.; Hilf/Schorkopf, EuR 2000, 74 ff.; Peers, 26 ELRev. (2001), 605 ff.; Petersmann, EuZW 1997, 325, 327; ders., in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 81, 83. 59 So auch V. Bogdandy/Makatsch (EuZW 2000, 261, 267 bzw. in: de Burca/Scott, The EU and the WTO, 131, 144 f.), Epping (Die Außenwirtschaftsfreiheit, 618) und Sander (in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 95, 112), die aus diesem Grund aber dafür plädieren, dass der EuGH bei Klagen von Mitgliedstaaten die unmittelbare Anwendbarkeit des WTO-Rechts zulassen sollte, worauf sich der Gerichtshof bisher aber eben nicht eingelassen hat. 60 s. o. 1. Kap. Β. II. 3. 6· Oder alternativ die Beteiligung beider am Streitschlichtungsverfahren zuzulassen, wenn die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten dies, wie beispielsweise im Fall der GATS- und TRIPS-Abkommen, für praktikabeler halten (s. hierzu im 3. Kap. Α. II. 2. b) bb)).

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

gründen. 62 Zudem enthält die überwiegende Mehrheit gemischter Abkommen Vertragsbestimmungen, nach denen Stimmrechte in den durch das jeweilige Abkommen geschaffenen Organen nur alternativ entweder von der Gemeinschaft oder den Mitgliedstaaten ausgeübt werden dürfen. 63 Auch aufgrund dieser Regelung wird deutlich, dass den Drittstaaten die Tatsache einer - wie auch immer gearteten internen Zuständigkeitsaufteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bekannt ist. Ein dritter Vertragspartner verhält sich daher treu widrig i. S. d. Art. 26 WVK, sollte er der Gemeinschaftsgruppe vor Eröffnung eines Streitschlichtungsverfahrens nicht die Möglichkeit zur internen Kompetenzklärung einräumen. Dieses Ergebnis wird auch dadurch unterstrichen, dass dem Drittstaat auf diese Weise keinerlei Nachteile entstehen. Denn als Sanktionsmechanismus kann sich der Dritte letztendlich stets auf eine gemeinsame Verantwortlichkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten berufen. Versagt wird ihm lediglich eine pauschale „doppelte Absicherung" dergestalt, dass er nicht von vornherein beliebig Gemeinschaft oder Mitgliedstaaten bzw. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten verklagen kann.

b) Die Möglichkeit der cross-retaliation

als Gegenargument?

Gegen das bisher Ausgeführte könnte nunmehr aber argumentiert werden, dass es letztlich doch gleichgültig wäre, ob nun die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten in einem Streitschlichtungsverfahren als Streitparteien aufträten, weil die damit bezweckte Wahrung der internen Kompetenzverteilung auf internationaler Ebene im Endeffekt nicht durchgehalten werden könnte. Aufgrund der Möglichkeit zur cross-retaliation im WTO-Abkommen bzw. generell der Befugnis zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen über Kompetenzgrenzen hinweg, könnte es schlussendlich dazu kommen, dass eine Inanspruchnahme für eine Rechtsverletzung entweder die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten trifft, unabhängig davon, wer für die ursprüngliche Rechtsverletzung die Zuständigkeit besaß. Diese Feststellung ist zwar richtig und die Anwendung der Grundsätze der cross-retaliation ist auch bei gemischten Abkommen - wegen der letztlich gegebenen uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindungswirkung von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten und aus Gründen der Wahrung der Effektivität dieser Sanktionsmechanismen - prinzipiell nicht zu beanstanden.64 Allerdings lässt sich hieraus nicht die Konsequenz ableiten, dass es unerheblich wäre, wer in einem Streitschlichtungsverfahren auftritt: Gemeinschaftsrechtlich gesehen, verbleibt die Umsetzung einer Vertragsbestimmung auch nach einer, der Ergreifung der Gegenmaß62 Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 5; Temple-Lang, 23 CMLRev. 1986, 157, 174; Stein, Der gemischte Vertrag, 126; Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 241; Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 193, 200. 63 s. etwa Art. 36 VII EnCV.

64 S.O. l . c ) .

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

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nähme vorausgehenden, verbindlichen Feststellung einer Vertragsverletzung durch ein Streitschlichtungsgremium weiterhin Sache des innergemeinschaftlich Zuständigen. Aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts, kann nur der Zuständige die festgestellte Vertragsverletzung beheben. Deshalb ist es richtig, ihm zuvor die Möglichkeit einzuräumen, an einem Streitschlichtungsverfahren beteiligt zu werden und somit Einfluss auf die Entscheidungsfindung zu nehmen, deren Ergebnis er umzusetzen hat. Kommt allerdings der innergemeinschaftlich Zuständige dem Richterspruch etwa eines WTO-Panels nicht nach, ist es in der Tat misslich, wenn der innergemeinschaftlich [/«zuständige durch das Ergreifen einer Gegenmaßnahme letztlich doch „bestraft" wird, weil Vertragsbestimmungen des gemischten Abkommens suspendiert werden, die allein seinem Zuständigkeitsbereich unterfallen. Eine solche Situation kann aber nicht auf völkerrechtlicher, sondern nur auf gemeinschaftsinterner Ebene verhindert werden. Deshalb muss dem Betroffenen zumindest in diesem Fall eine Klagemöglichkeit beim EuGH eingeräumt werden, die es ihm ermöglicht, intern auf eine Beachtung des Urteils des internationalen Streitschlichtungsgremiums hinzuwirken oder zumindest im Nachhinein Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Auch wenn der EuGH beispielsweise Bestimmungen des WTO-Übereinkommens als solche nicht als unmittelbar anwendbar ansieht, so muss er zumindest eine unmittelbare Anwendbarkeit von Entscheidungen der WTO-Streitschlichtungsorgane bejahen und Gemeinschaftsmaßnahmen anlässlich einer Klage eines EG-Mitgliedstaates hieran messen.65 Ansonsten würde sich der Mitgliedstaat in seinem Zuständigkeitsbereich (gegebenenfalls) einer Gegenmaßnahme ausgesetzt sehen, ohne auf die Abstellung der ursprünglichen Vertragsverletzung hinwirken zu können. Der EuGH hat sich zu der hier aufgeworfenen Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von (verbindlichen) Entscheidungen der WTO-Streitbeilegungsorgane bisher nicht abschließend geäußert. Zwar hat ihn GA Alber jüngst in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Biret International 66 dazu aufgefordert, die unmittelbare Anwendbarkeit von WTO-Panel-Entscheidungen zu bejahen. Doch der Gerichtshof befand, dass die dort angestrengte Klage eines Einzelnen gegen die Gemeinschaft auf Schadensersatz wegen Nichtbeachtung einer WTO-Streitschlichtungsentscheidung schon am Vorliegen eines Schadens scheitere, so dass es auf die 65 Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit einer konkreten WTO-Entscheidung lässt sich auch widerspruchslos von der - vom Gerichtshof verneinten - Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des WTO-Abkommens im Allgemeinen trennen, eingehend hierzu Kreibich, Das TRIPs-Abkommen in der Gemeinschaftsrechtsordnung, 265; Flemisch, Umfang der Berechtigungen und Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen, 222 f. Zur Beachtung von WTO-Streitschlichtungsentscheidungen durch innergemeinschaftliche Gerichte, s. auch Cottier, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 179, 186; Weber/Moos, EuZW 1999, 229 ff.; Weiss, in: Müller-Graff, Die EG in der WTO, 189, 199 f. 66 GA Alber, Schlussanträge vom 15. 5. 2003 in der Rs. C-93/02 Ρ (Biret International) Rn. 71 ff.; s. auch Hörmann/Göttsche, RIW 2003, 689, 692 ff.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der WTO-Entscheidung nicht entscheidend ankomme.67 Auch wenn der Vorstoß des Generalanwalts im konkreten Fall somit nicht zum Tragen kam, wird sich der Gerichtshof wohl - früher oder später - doch mit den dort vorgebrachten Argumenten auseinandersetzen müssen. Sollte es dabei - anders als im Fall Biret - nicht um die Klage eines Einzelnen, sondern um diejenige eines Mitgliedstaats gegen die Gemeinschaft wegen Nichtbeachtung einer WTOStreitschlichtungsentscheidung gehen, so wäre die Argumentation Albers um das hier vorgebrachte, spezifisch auf das WTO-Abkommen als gemischten Vertrag gemünzte Argument zu ergänzen.

3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten bei gemischten Abkommen ohne Kompetenzklauseln im Grundsatz an sämtliche Bestimmungen völkerrechtlich gebunden sind. Sie haben aber stets einen Anspruch darauf, zunächst selbst zu entscheiden, wer eine als verletzt gerügte Vertragspflicht zu erfüllen bzw. als Streitgegner in einem Streitschlichtungsverfahren aufzutreten hat. Hiergegen lässt sich insbesondere nicht einwenden, dass es aufgrund der Möglichkeit der sogenannten cross-retaliation bzw. generell der Möglichkeit des Ergreifens von Gegenmaßnahmen über Kompetenzgrenzen hinweg, unerheblich sei, wer innerhalb der Gemeinschaftsgruppe letztlich in einem Streitschlichtungsverfahren auftrete. Sollte sich die Gemeinschaftsgruppe intern allerdings nicht über die Kompetenzverteilung einigen und daher keine (eindeutige) Zuständigkeitserklärung abgeben, können beliebig entweder die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden. Vor diesem Hintergrund kann eine Bewertung des eingangs erwähnten LANFalls erfolgen: Hier hatte die Gemeinschaftsgruppe hinsichtlich der dort strittigen Verpflichtung des Art. II GATT die interne Kompetenzverteilung eindeutig offengelegt und allein die Gemeinschaft als Zuständige benannt.68 Trotz der im Grundsatz bestehenden völkerrechtlichen Bindung auch der Mitgliedstaaten an Art. II GATT, hätte deshalb aus verfahrensrechtlicher Sicht nur die EG, nicht aber die Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden dürfen. Der Argumentation der USA, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die die eigentliche Ausführung der von der 67 EuGH, EuZW 2003, 758, 761 = EuR 2003, 1067 ff.; hierzu Pitschas, EuZW 2003, 761 ff.; s. auch Bartelt (EuR 2003, 1077 ff.), die davon ausgeht, der EuGH habe zumindest indirekt die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendbarkeit von WTO-Streitschlichtungsentscheidungen bejaht. Diese Einschätzung dürfte allerdings im Text des Urteils nicht genügend Anhaltspunkte finden. 68 S. o. 3. Kap. Α. II. 2. b) aa).

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

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Gemeinschaft erlassenen Rechtsvorschriften übernommen hatten, eigenständig zur Verantwortung gezogen werden müssten, um sicherzustellen, dass auch die eigentliche Praxis tatsächlich unterbunden wird, kann indessen nicht gefolgt werden. Im LAN-Fall hat die Gemeinschaft nämlich ausdrücklich zugesichert (wie sie dies bislang in solchen Konstellationen stets getan und auch tatsächlich eingehalten hat 69 ), für das Verhalten der mitgliedstaatlichen Organe einzustehen und bei einer Verurteilung die von diesen geübte Praxis zu unterbinden. 70 Mit einer solchen Zusicherung müssen sich Drittstaaten begnügen. Letztlich ergibt sich in diesem Punkt keine andere Situation, als wenn der Vertragspartner ein föderaler Staat wäre. Auch hier können ja die „ausführenden Untergliederungen" (in Deutschland etwa die Bundesländer) nicht separat auf internationaler Ebene verklagt werden. Der in diese Richtung gehenden abschließenden Entscheidung des Appellate Body 71 ist demnach zuzustimmen, wobei es der AB allerdings versäumt hat, zwischen der materiell-rechtlichen und der verfahrensrechtlichen Komponente der sich stellenden Problematik eindeutig zu unterscheiden.

I I . Gemischte Abkommen mit allgemeinen Kompetenzklauseln Im Gegensatz zu den soeben behandelten gemischten Abkommen ohne Kompetenzklauseln könnte sich eine Beschränkung der Bindungswirkung bei jenen gemischten Verträgen ergeben, die die bereits erwähnten allgemeinen Kompetenzklauseln72 aufweisen. Dagegen spricht allerdings, dass diese Klauseln nur pauschal eine Kompetenzteilung proklamieren, ohne zu den Einzelheiten der Kompetenzaufteilung nähere Angaben zu machen. Es wird damit im Grunde nur abstrakt das nachgezeichnet, was den dritten Vertragsparteien beim Abschluss des gemischten Abkommens ohnehin bewusst gewesen ist, nämlich die Tatsache der Kompetenzteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe bezogen auf die Regelungsmaterien des jeweiligen Abkommens.73 Die dritten Vertragsparteien erfahren also nicht mehr als beim vollständigen Fehlen solcher Klauseln. Die gegen die Annahme eingeschränkter Bindungswirkung im Zusammenhang mit gemischten Abkommen ohne Kompetenzklauseln vorgebrachten Argumente greifen daher in gleicher Weise auch bei gemischten Abkommen mit allgemeinen Kompetenzklauseln ein. Deshalb ist im Ergebnis derjenigen Interpretation allgemeiner Kompetenzklauseln zuzustimmen, die davon ausgeht, dass durch diese Klauseln nicht die Frage der völkerrechtlichen Bindungswirkung, sondern nur diejenige nach der Erfüllungszustän69 Vgl. etwa den Asbest-Fall (3. Kap. Α. II. 2. a) aa)). 70 Vgl. WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, Rn. 4.15. 71 s. o. 3. Kap. Α. II. 2. b) aa). 72 Zur Begriffsbestimmung, s. o. 2. Kap. Α. II. 73 Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, 244; Wuermeling, meinschaftsrecht, 235.

Kooperatives Ge-

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

digkeit geregelt werden sollte. 74 Völkerrechtlich sollen sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten an sämtliche Vertragsbestimmungen gebunden sein, allerdings haben die dritten Vertragsparteien durch die Aufnahme der allgemeinen Kompetenzklausel ausdrücklich anerkannt, dass die Auswahl des Erfüllungszuständigen der Gemeinschaftsgruppe überlassen bleibt, falls sie sich insofern einigen kann. 75 Damit schreiben allgemeine Kompetenzklauseln jenes Ergebnis explizit fest, welches im Grundsatz auch bei gemischten Abkommen ohne Kompetenzklauseln gilt und aus Art. 26 WVK abgeleitet wurde.

I I I . Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln 1. Zur Frage der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit Aus dem Wortlaut spezifischer Kompetenzklausel76 ergibt sich ausdrücklich, dass die Vertragsparteien die völkerrechtliche Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten auf jene Bereiche beschränken wollen, die innergemeinschaftlich ihren jeweiligen Kompetenzen zuzuordnen sind. Allerdings wird diese Beschränkung durch die Verpflichtung zur Abgabe einer Kompetenzabgrenzungserklärung an die detaillierte Offenlegung der jeweiligen Zuständigkeiten gekoppelt.77 Hieraus wird deutlich, dass eine Beschränkung der Bindungswirkung nur unter der Bedingung einer eindeutigen Kompetenzoffenlegung erfolgen soll. 78

74 Stein, Der gemischte Vertrag, 95 ff.; Neframi, in: Cannizzaro, The EU as an Actor in International Relations, 19, 204. 75 Stein, Der gemischte Vertrag, 102; Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 198.

™ s. o. 2. Kap. Α. I. 77 Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 202. 78 Dogmatisch wird die spezifische Kompetenzklausel teilweise auch als ausdrückliche Erlaubnis zum Anbringen eines Vorbehalts i.s.d. Artt. 19 ff. WVK angesehen (so ausdrücklich Spiliopoulou-Akermark, X FYBIL (1999), 351, 358 ff.; s. hierzu auch oben 2. Kap. C. I. 1.). Diese Konstruktion vermag indes nicht zu überzeugen: Die spezifische Kompetenzklausel verpflichtet die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten zwar zur Kompetenzoffenlegung; die Einzelheiten der Zuständigkeitsverteilung soll dabei aber gerade interne Angelegenheit der Gemeinschaftsgruppe bleiben, die dritten Vertragsparteien sollen sich hierin grundsätzlich nicht einmischen dürfen. Qualifiziert man die Kompetenzerklärung allerdings als Vorbehalt, so könnte jeder Drittstaat die Kompetenzerklärung ohne nähere Begründung ablehnen (vgl. Artt. 20, 21 WVK), was es ihm letztlich doch ermöglichen würde, auf die konkrete Ausgestaltung der Kompetenzerklärung Einfluss zu nehmen.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

139

a) Die bisherige Praxis der Kompetenzerklärungen Die von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bisher abgegebenen Kompetenzerklärungen sind überwiegend relativ pauschal gehalten. So begnügen sich beispielsweise die Kompetenzerklärungen im Rahmen von gemischten Umweltschutzübereinkommen damit, diejenigen Gemeinschaftsrechtsakte aufzuzählen, die die Gemeinschaft im Regelungsbereich der Übereinkommen bereits erlassen hat und hinsichtlich deren Anwendungsbereich sie die ausschließliche Zuständigkeit besitzt.79 Eine eindeutige Kompetenzzuordnung ist auf dieser Basis aus Sicht einer dritten Vertragspartei schwierig, da sie sehr genaue Kenntnisse des innergemeinschaftlichen Kompetenzsystems und gegebenenfalls der Rechtsprechung des EuGH voraussetzt, über die Drittstaaten jedoch regelmäßig nicht verfügen dürften. 80 Auch die Kompetenzerklärung der Gemeinschaft anlässlich des Beitritts zur Seerechtskonvention,81 die gemeinhin als detaillierteste Erklärung dieser Art angesehen wird, ermöglicht zwar teilweise eine recht genaue Kompetenzzuordnung, wie beispielsweise der Schwertfisch-Fall gezeigt hat: Dort gab die EG-Kompetenzerklärung eindeutig darüber Aufschluss, dass die von Chile als verletzt gerügten Bestimmungen der Konvention der (ausschließlichen) EG-Kompetenz unterfielen. 82 Aber selbst diese Kompetenzerklärung enthält nicht durchgehend eindeutige Aussagen, sondern ist in einigen Bereichen durchaus unterschiedlichen Interpretationen zugänglich. Dies belegen vor allem die im MOX Plant-Fall vorgetragenen entgegengesetzten Ansichten der Vertreter Irlands und des Vereinigten Königreiches zur Auslegung der EG-Kompetenzabgrenzungserklärung im Hinblick auf die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die in den Art. 192 ff. SRÜ enthaltenen Verpflichtungen. 83 Der Grund für das Zustandekommen ungenauer bzw. unvollständiger Kompetenzerklärungen seitens der Gemeinschaftsgruppe liegt auf der Hand: Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten können sich häufig beim Abfassen der Erklärung nicht über die konkrete Kompetenzverteilung einigen. Die Uneinigkeit führt dann zu dem Kompromiss der ungenauen und offenen Formulierungen, um so eine definitive Festlegung nicht treffen zu müssen.84 In diesen Fällen kommt die Gemeinschaftsgruppe ihrer - sich aus der spezifischen Kompetenzklausel ergebenden - Verpflichtung zur präzisen Offenlegung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten nicht nach. Die Bedingung, unter welcher die 79 Vgl. die Zuständigkeitserklärung zum Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (AB1.EG 1988, L 297/28). 80 s. Eberle , Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 205.

81 Vgl. AB1.EG 1997, C-155/126-131. S2 s. o. 3. Kap. Α. I. 2. a). 83 s. o. 3. Kap. Β. I. 1. b) aa) und bb). 84 Ehlermann, in: O'Keeffe/Schermers, Mixed Agreements, 3, 8.

140

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

dritte Vertragspartei einer getrennten Bindungswirkung zugestimmt hat, tritt daher nicht ein. Sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten sind deshalb uneingeschränkt an all jene Bestimmungen des gemischten Abkommens gebunden, deren Zuordnung zum Kompetenzbereich der Gemeinschaft bzw. der Mitgliedstaaten nach der Kompetenzerklärung nicht eindeutig ist. In diesen Fällen gilt einhergehend mit der uneingeschränkten Bindungswirkung auch eine uneingeschränkte völkerrechtliche Verantwortlichkeit. 85 Lediglich die Seerechtskonvention enthält insofern eine differenziertere Lösung. Danach wird zumindest für den Fall, dass die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten für einen Teilbereich ihre jeweiligen Kompetenzen überhaupt nicht offengelegt haben, im Zweifel eine Zuständigkeit und damit Bindung allein der Mitgliedstaaten vermutet (vgl. Art. 5 III von Anhang IX). In diesem Fall kann daher beim Seerechtsübereinkommen keine uneingeschränkte Bindungswirkung geltend gemacht werden. Das Seerechtsübereinkommen regelt hingegen nicht die Konstellation, in der widersprüchliche oder ungenaue Kompetenzerklärungen von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten abgegeben werden. Hier gilt daher auch beim SRÜ die oben genannte Regel der in diesen Fällen geltenden uneingeschränkten Bindungswirkung und Verantwortlichkeit. 86 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht vor Abschluss eines gemischten Abkommens, welches die Gemeinschaftsgruppe zu einer Offenlegung ihrer Kompetenzen verpflichtet, eine Klärung von Kompetenzstreitigkeiten durch den EuGH herbeigeführt werden kann. Auf diese Weise könnte die Abgabe unpräziser Kompetenzerklärungen von vornherein vermieden werden, was letztlich wie Schermers es formuliert - von der Gemeinschaftsgruppe auch erwartet werden kann: „The obligation to make a clear declaration on the division of competences between the Community and its Members may be a burden for the Community especially when that division is flexible. But for the sake of legal certainty for national parliaments, the individuals concerned and other parties to the Convention, the burden seems a reasonable one." 87

Daneben dürfte für die Abgabe einer exakten Kompetenzerklärung auch die Tatsache streiten, dass dritte Vertragsparteien - wie die praktischen Erfahrungen im Rahmen der Seerechtskonvention belegen88 - regelmäßig bereit sind, sich an die gemachten Vorgaben - wenn sie eindeutig sind - zu halten. In diesen Fällen akzeptieren die Drittstaaten eine eingeschränkte Β indungs Wirkung und Verantwortlichkeit.

85 In Fällen, in denen die Kompetenzerklärung hingegen eine eindeutige Kompetenzzuordnung ermöglicht, bleibt es dabei, dass nur eine eingeschränkte Bindungswirkung und Verantwortlichkeit besteht. 86 So auch Eberle, Die EG als Partei internationaler Umweltschutzübereinkommen, 203. 87 Schermers, in: O'Keeffe/Schermers, Essays in European Law and Integration, 167, 178. 88 s. o. 3. Kap. Α. I. 2.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

b) Interne Klärung der Zuständigkeitsverteilung

141

durch den EuGH

Um anlässlich der Abgabe einer Kompetenzerklärung bei gemischten Abkommen eine Entscheidung des Gerichtshofes über Fragen der Kompetenzabgrenzung herbeizuführen, kommen im Wesentlichen zwei Verfahrensarten in Betracht: Das Gutachtenverfahren nach Art. 300 V I EG und die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 I EG.

aa) Das Gutachtenverfahren nach Art. 300 V I EG Im Gutachtenverfahren zum Protokoll von Cartagena! 89 beantragte die Kommission, der Gerichtshof möge auch zur Frage der Verteilung der Außenkompetenzen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten in den durch das CartagenaProtokoll erfassten Sachbereichen Stellung beziehen. Diese Problematik stellte sich deshalb, weil das Protokoll die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten zu einer detaillierten Offenlegung ihrer jeweiligen Kompetenzen verpflichtet. Durch den Antrag der Kommission wurde der Gerichtshof erstmals explizit mit der Frage befasst, ob das Gutachtenverfahren als taugliches Instrument zur Klärung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bei gemischten Verträgen angesehen werden kann. Hierzu führte der EuGH aus, dass das Verfahren nach Art. 300 V I EG dazu diene, diejenigen Komplikationen zu verhindern, die sowohl auf internationaler als auch auf Gemeinschaftsebene entstehen könnten, wenn sich nach Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages durch die Gemeinschaft herausstellte, dass dieser mit den Vorgaben des EG-Vertrages unvereinbar sei. Die Frage des Umfangs der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten als solche habe aber keine Auswirkungen im Hinblick auf die materielle Vereinbarkeit eines gemischten Abkommens mit Gemeinschaftsrecht. 90 Mit der vorstehenden Begründung hat es der Gerichtshof abgelehnt, zur Verteilung der Kompetenzen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten detailliert Stellung zu beziehen. Er sieht das Gutachtenverfahren damit nicht als Instrument zur Klärung einer solchen Frage an. Diese Antwort des Gerichtshofes ist in der Literatur kritisiert worden. 91 Die Begründung sei nicht tragfähig, da der EuGH zu Unrecht verneine, dass es bei der Durchführung des Protokolls zu Verwicklungen in der Völkerrechtsordnung kommen könne. 92 Vielmehr sei nicht auszuschließen, dass es zu Streitigkeiten der Gemeinschaftsgruppe mit anderen Vertragspartnern darüber komme, wen die völker89 EuGH, Slg. 2001,1-9717 (Gutachten 2/00), s. hierzu auch 1. Kap. Α. II. 4. 90 EuGH, Slg. 2001,1-9717 (Gutachten 2/00) Rn. 15. 91 Vgl. Pitschas, EuZW 2002, 117, 118; Herrmann, NVwZ 2002, 1168, 1173; angedeutet auch bei Schwarz, 6 ZEuS (2003), 51, 68. 92 Pitschas, EuZW 2002, 117, 118. 10 Oen

142

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

rechtliche Verantwortlichkeit (ob die EG oder die Mitgliedstaaten) für eine mit dem Protokoll unvereinbare Maßnahme treffe, wenn seitens der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten eine unzutreffende - weil mit der Kompetenzverteilung nach dem EG-Vertrag nicht zu vereinbarende - Erklärung hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten abgegeben werde. 93 Um einer solchen Situation vorzubeugen, müsse ein Gutachtenantrag zur Klärung der Kompetenzfrage zugelassen werden. Dieser Kritik kann indessen nicht gefolgt werden. Das Gutachtenverfahren dient nach seinem eindeutigen Wortlaut dem Zweck, „die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens mit diesem Vertrag " überprüfen zu lassen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass ein gemeinschaftsrechtswidrig zustande gekommener Vertrag völkerrechtliche Β indungs Wirkung erlangt und dem Grundsatz des „pacta sunt servanda " unterliegt. Es kann also beim Verfahren nach Art. 300 V I EG nur um die Frage gehen, ob ein Vertragsschluss in der geplanten Form gegen Bestimmungen des EG-Vertrages verstoßen würde. Im Kontext des gemischten Vertrages kommt es insofern regelmäßig nur darauf an, ob eine Beteiligung der Mitgliedstaaten neben der Gemeinschaft zulässig ist oder ob nicht vielmehr das gesamte Abkommen von ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen abgedeckt wird. Gelangt man danach zu dem Ergebnis, dass das geplante Abkommen teilweise der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und teilweise der Kompetenz der Gemeinschaft unterfällt, ist die Klärung der exakten Reichweite der jeweiligen Kompetenzen zwar sehr hilfreich. Denn dadurch kann eine weitgehend präzise Kompetenzerklärung der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten abgegeben und auf diese Weise möglichen Streitigkeiten mit dritten Vertragsparteien über diese Frage von Beginn an vorgebeugt werden. Die Klärung der exakten Reichweite der jeweiligen Kompetenzen hat allerdings für die Zulässigkeit des Abschlusses eines Abkommens als gemischten Vertrag keinerlei Auswirkungen. Der Vertragsschluss bei einem gemischten Abkommen ist unabhängig davon mit dem EG-Vertrag vereinbar, ob die Kompetenzverteilung für die einzelnen Regelungsbereiche des Abkommens zuvor in concreto feststeht. 94 Dem EuGH folgend, ist das Gutachtenverfahren somit nicht das geeignete Mittel, vor dem Abschluss eines gemischten Abkommens eine konkrete Kompetenz93 Pitschas, EuZW 2002, 117, 118; Herrmann, NVwZ 2002,1168, 1173. 94 So auch Dashwood, 39 CMLRev. (2002), 353, 366, der ingesamt vier Punkte herausstellt, auf die sich ein Gutachtenantrag zulässigerweise beziehen darf: „the substantive provisions of the agreement (if these would commit the Community to actions not authorized by the Treaty); the competence of the Community to conclude the agreement (if it is contended that competence in some or all of the matters to which it relates belongs exclusively to the Member States); the possibility of the Member States' concluding the agreement as a mixed agreement, or even without the participation of the Community (if it is contended that competence in the matters to which the agreement relates belongs exclusively to the Community); the procedure for the adoption of the decision concluding the agreement on behalf of the Community (if there is disagreement as to the relevant legal basis in the EC Treaty, and the different possible Treaty Articles provide for different procedures)".

. Die Gemeinschaftsgruppe im

enerhältnis

143

Verteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten für die jeweiligen Regelungsbereiche des Vertrages herbeizuführen.

bb) Die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 I EG Ausgehend von der soeben gemachten Feststellung, bleibt fraglich, auf welche Weise eine Kompetenzklärung durch den Gerichtshof erreicht werden kann. Insofern ist zu berücksichtigen, dass in der Auseinandersetzung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten über die genaue Kompetenzverteilung für die Regelungsmaterien eines geplanten Abkommens regelmäßig die Mitgliedstaaten in der überlegeneren Position sind. Sie können im Rat den Abschluss eines Abkommens beschließen und diesem Beschluss eine Erklärung über die Zuständigkeitsverteilung beifügen, die allein ihrem Verständnis entspricht. Zu denken ist nunmehr daran, dass der Kommission als Vertreterin der Gemeinschaft in einer solchen Situation die Möglichkeit verbleibt, diesen Beschluss vor dem EuGH mit der Begründung anzufechten, die Kompetenzverteilung sei unrichtig wiedergegeben. Damit wäre letztlich die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 I EG das in Betracht kommende Instrument zur Klärung der Kompetenzabgrenzungen. Eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 I EG gegen eine vom Rat abgegebene Kompetenzerklärung wirft jedoch sowohl in der Zulässigkeits- als auch in der Begründetheitsstation rechtliche Schwierigkeiten auf. Hierauf soll im Folgenden im Zusammenhang mit einem kürzlich ergangenen Urteil des EuGH in der Rechtssache Kommission/Rat-nukleare Sicherheit 95 eingegangen werden: (1) Die Rechtssache Kommission /Rat-nukleare als praktisches Anschauungsbeispiel

Sicherheit

Einige Monate nach Abschluss des Gutachtenverfahrens zum Protokoll von Cartagena nahm der EuGH am 10. Dezember 2002 anlässlich der Rechtssache Kommission gegen Rat 96 auch zu der Frage Stellung, ob die Nichtigkeitsklage das geeignete Mittel zur Klärung von Kompetenzabgrenzungsfragen darstellt. Die Rechtssache betraf zwar den EAG-Vertrag und die Klage der Kommission wurde deshalb auch auf Art. 146 I EA und nicht auf Art. 230 I EG gestützt, seine Aussagen lassen sich aber wohl in gleicher Weise auf den EG-Vertrag und mithin auf die Nichtigkeitsklage nach Art. 2301 EG übertragen. Der Entscheidung des Gerichtshofes lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aufgrund ihrer Kompetenzen im Nuklearbereich sollte die Europäische Atomgemein-

95 EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) m. Anm. Koutrakos, 41 CMLRev. (2004), 191 ff. 96 EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit). 1*

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

schaft (EAG) Mitglied des Übereinkommens über nukleare Sicherheit werden, dem bisher nur ihre Mitgliedstaaten angehörten. Beim internen Verfahren zur Vorbereitung dieses Beitritts, gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommission und Rat über den Umfang der Zuständigkeiten der Gemeinschaft für einige Bereiche des Abkommens (vor allem den Bereich der Sicherheit der Nuklearanlagen der Mitgliedstaaten). Eine Klärung dieser Kompetenzproblematik war deshalb erforderlich geworden, weil das Übereinkommen über nukleare Sicherheit in Art. 30 Abs. 4 iii) eine spezifische Kompetenzklausel enthält, wonach die Gemeinschaft als Internationale Organisation nur unter der Voraussetzung dem Übereinkommen beitreten darf, dass sie angibt, „welche Artikel des Übereinkommens auf sie anwendbar sind und welches der Umfang ihrer Zuständigkeiten in dem von diesen Artikeln geregelten Bereich darstellt. " In Erfüllung dieser Verpflichtung wurde dem vom Rat verabschiedeten Beschluss zum Beitritt der Gemeinschaft eine Kompetenzerklärung beigefügt, die sich allerdings von dem ursprünglich von der Kommission unterbreiteten Vorschlag in wesentlichen Punkten unterschied. Die vom Rat abgegebene Kompetenzerklärung wies folgenden Wortlaut auf: „[Absatz 2]: Die Gemeinschaft erklärt, dass Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens für sie gelten. Auch Artikel 1 bis 5, Artikel 7 Absatz 1, Artikel 14 Ziffer ii und Artikel 20 bis 35 gelten für sie, jedoch nur insofern, als die in Artikel 15 und 16 Absatz 2 erfassten Bereiche betroffen sind. [Absatz 3]: Die Gemeinschaft ist aufgrund von Artikel 2 Buchstabe b und der einschlägigen Artikel des Titels II Kapitel 3 ,Der Gesundheitsschutz' des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft zusammen mit den genannten Mitgliedstaaten für die unter Artikel 15 und Artikel 16 Absatz 2 des Übereinkommens fallenden Bereiche zuständig.- 9 7

Die Kommission beantragte daraufhin beim EuGH die Nichtigerklärung des dritten Absatzes dieser Erklärung, weil der Rat zu Unrecht festzulegen versuche, dass sich die Zuständigkeit der Gemeinschaft auf die Artikel 15 und 16 beschränke und nicht auf die unter die Artikel 1 bis 5, 7, 14, 16 sowie 17 bis 19 des Übereinkommens fallenden Bereiche erstrecke. 98

97 Vgl. EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 34. Dagegen lautete der von der Kommission unterbreitete Vorschlag: „Die Gemeinschaft erklärt, dass die folgenden Artikel für sie gelten: Artikel 1 bis 5, Artikel 7, Artikel 14 bis 35. Die Gemeinschaft ist zuständig für die unter Artikel 1 bis 5, Artikel 7, Artikel 14 bis 19 fallenden Bereiche, wie es in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft und den nachstehend aufgeführten gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Liste der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ..." [s. Rn. 28 der Schlussanträge des GA, Slg. 2002,1-11221 (Kommission/Rat-nukleare Sicherheit)]. 98 EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 2.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

145

(2) Zur Zulässigkeit der Kommissionsklage Der Rat bestritt zunächst die Zulässigkeit der Klage, weil die Kommission nur den dritten Absatz der Ratserklärung angefochten habe. Der dritte Absatz enthalte aber keine Aussagen zum Bestehen gemeinschaftlicher Kompetenzen, sondern lediglich Angaben zum Umfang dieser Kompetenzen im Verhältnis zu Befugnissen der Mitgliedstaaten. Der Kommission ginge es aber darum, dass die Ratserklärung nicht sämtliche Zuständigkeiten, die die Gemeinschaft für die Bereiche des Übereinkommens besitze, aufgeführt habe. Somit mache die Kommission geltend, dass das Bestehen gemeinschaftlicher Kompetenzen unrichtig widergegeben werde. Diesbezügliche Aussagen seien aber allein im zweiten Absatz enthalten, so dass der EuGH - folgte er der Argumentation der Kommission - diesen Absatz für nichtig erklären müsste. Dies habe die Kommission allerdings nicht beantragt und könne daher vom Gerichtshof nur ultra petita entschieden werden." Der EuGH folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Absatz 3 sei isoliert anfechtbar, denn sollte „die vorliegende Klage ergeben, dass es der Rat unterlassen hat, im dritten Absatz der Erklärung bestimmte Artikel zu nennen, die auch in deren zweiten Absatz nicht genannt sind, würde dies bedeuten, dass auch dieser zweite Absatz unvollständig wäre." 1 0 0

Dennoch hätte es wohl - um jegliche diesbezügliche Diskussionen von Beginn an zu vermeiden - im Interesse der Kommission gelegen, zumindest auch Absatz 2 der Ratserklärung anzufechten, zumal keinerlei Nachteile eines solchen Vorgehens erkennbar sind. Zusätzlich bezog der Rat die Unzulässigkeit der Klage auch darauf, dass die Kommission in Wirklichkeit keine echte Nichtigerklärung eines Teils der Kompetenzerklärung beantrage, sondern versuche, ein Gutachten des Gerichtshofes zum Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft im Zusammenhang mit deren Beitritt zum Übereinkommen zu erwirken. 101 Deshalb sei an sich das Gutachtenverfahren die richtige Verfahrensart, welches der EAG-Vertrag allerdings nicht vorsehe. Dieser Einwand ließe sich auch auf einen Fall im Rahmen des EG-Vertrages übertragen. So könnte man hier in gleicher Weise argumentieren, dass es bei einem Streit über die Aussagen einer vom Rat abgegebenen Kompetenzerklärung in Wahrheit um die Erstattung eines Gutachtens durch den Gerichtshof ginge und deshalb das Gutachtenverfahren des Art. 300 V I EG, nicht aber die Nichtigkeitsklage zu wählen sei. Der EuGH wies jedoch auch diesen zweiten Unzulässigkeitsein wand zurück: Der Umstand, 99 EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 44. 100 EUGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 50. ιοί EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 52.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

„dass im EAG-Vertrag nicht vorgesehen ist, dass sich der Gerichtshof im Wege eines Gutachtens zur Vereinbarkeit eines Abkommens, dessen Abschluss die Gemeinschaft plant, mit diesem Vertrag äußern kann, [schließe] nicht aus, dass der Gerichtshof im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 146 EAG-Vertrag mit einem Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts befasst werden kann, mit dem ein Beschluss über den Beitritt zu einem internationalen Übereinkommen genehmigt wird." 1 0 2

In gleicher Weise müsste der EuGH auch eine Nichtigkeitsklage im Rahmen des EG-Vertrages zulassen. Hier den Kläger auf das Gutachtenverfahren zu verweisen, würde eine Rechtsschutzlücke für die Kommission eröffnen. Denn das Verfahren nach Art. 300 V I EG hat der EuGH im Gutachten (2/00) zum Cartagena-Protokoll - wie oben dargelegt 103 - ebenfalls nicht als das zulässige Rechtsmittel zur Klärung der Kompetenzabgrenzungsfrage angesehen. Letztendlich deutet also alles darauf hin, dass der Gerichtshof die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage zur Kompetenzklärung anlässlich der Abgabe einer Kompetenzerklärung auch im Rahmen des EG-Vertrages als grundsätzlich zulässig erachten wird. (3) Zur Begründetheit der Kommissionsklage Im Rahmen der Begründetheitsprüfung wurde zunächst die Frage aufgeworfen, ob die Abgabe einer möglicherweise unrichtigen Erklärung des Rates über die Zuständigkeitsverteilung überhaupt eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Art. 146 I I EA darstellen konnte 104 (eine Frage, die sich in gleicher Weise bei der Nichtigkeitsklage nach Art. 2301 EG stellen würde). Insofern verwies der Gerichtshof zunächst darauf, dass im Rahmen des EAGVertrages der eigentliche Abschluss des jeweiligen völkerrechtlichen Abkommens durch Hinterlegung der Genehmigungsurkunde und damit auch die Abgabe der Kompetenzerklärung gegenüber den dritten Vertragspartnern, der Kommission überlassen bliebe (vgl. Art. 101 II EA). Der angefochtene Beschluss des Rates sei aber die interne Ermächtigung an die Kommission zur Vornahme dieser Hinterlegung und die Kommission müsse sich folglich an diese Vorgaben halten. Deshalb ergebe sich aus der gegenseitigen Pflicht der Organe zu redlicher Zusammenarbeit, 105 dass eine vom Rat abgegebene (interne) Kompetenzerklärung die Kompetenzverteilung richtig und vollständig wiedergeben müsse, da die Kommission ansonsten gezwungen sei, gegen internationales Recht zu verstoßen. 106 102 EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 54. 103 s. o. aa). 104 Vgl. EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 67 ff. 105 s. zur Rechtsverbindlichkeit dieser aus Art. 10 EG hergeleiteten „Pflicht zur Zusammenarbeit" bei gemischten Abkommen eingehend EuGH Slg. 1996 1-1469 (FAO) Rn. 48; Rudolf, 91 AJIL (1997), 349, 353; Heliskoski, in: Koskenniemi, International Law Aspects of the EU, 273, 279 ff.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

147

Denn nach dem jeweiligen völkerrechtlichen Abkommen sei sie zur Abgabe einer vollständigen und richtigen Kompetenzerklärung gegenüber den dritten Vertragsparteien verpflichtet. Somit kann - nach Ansicht des EuGH - die Abgabe einer unrichtigen/unvollständigen Kompetenzerklärung des Rates zumindest grundsätzlich gegen den EAG-Vertrag verstoßen. Diese Argumentation lässt sich auch auf den Fall der Nichtigkeitsklage beim EG-Vertrag übertragen. Zwar wird beim EG-Vertrag im Gegensatz zum EAG-Vertrag auch der externe Beschluss zum Abschluss eines internationalen Abkommens vom Rat selbst getroffen (vgl. Art. 300 I I EG). Insofern lässt sich dann nicht argumentieren, die Kommission werde bereits beim Abschluss des Abkommens gezwungen, gegen internationales Recht zu verstoßen. Allerdings obliegt die weitere Durchführung eines völkerrechtlichen Abkommens der Kommission. 107 Wenn die Kommission nun diese Durchführung des jeweiligen Abkommens auf der Basis einer unrichtigen bzw. unvollständigen Kompetenzerklärung vornehmen muss, so sieht sie sich zu diesem Zeitpunkt veranlasst, sich in Widerspruch zu den Vorgaben des jeweiligen Abkommens zu setzen und somit gegen internationales Recht zu verstoßen. Es läge damit auch im Rahmen des EG-Vertrages durch die Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen Kompetenzerklärung durch den Rat ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, namentlich gegen die sich aus Art. 10 EG ergebende Pflicht der EG-Organe zur redlichen Zusammenarbeit vor. Nachdem der Gerichtshof die generelle Möglichkeit der Verletzung von Gemeinschaftsrecht durch die Abgabe einer unrichtigen Kompetenzerklärung bejaht hatte, prüfte er sodann, ob die in Streit stehende Ratserklärung tatsächlich - wie die Kommission dies behauptete - die Zuständigkeitsverteilung unrichtig wiedergab: 108 Der EuGH analysierte eingehend die Kompetenzabgrenzung für die in Streit stehenden Bereiche des Übereinkommens über nukleare Sicherheit und gelangte zu dem Ergebnis, dass das Übereinkommen weitere, in der Kompetenzerklärung des Rates nicht genannte, Artikel aufweise, die der Gemeinschaftszuständigkeit nach dem EAG-Vertrag unterfreien. Deshalb sei „der dritte Absatz der Erklärungfür nichtig zu erklären, soweit die Artikel 7, 14, 16 Absätze 1 und 3 sowie 17 bis 19 des Übereinkommens darin nicht genannt sind. " 109 Diese so festgestellte Nichtigkeit der vom Rat abgegebenen Kompetenzerklärung beinhaltet de facto eine positive Befolgungspflicht. Der Rat sieht sich gezwungen, die Kompetenzerklärung dahingehend zu ergänzen, dass die vom Gerichtshof aufgezählten, der Gemeinschaftszuständigkeit unterfallenden, Artikel des 106 EuGH Slg. 2002, 1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 69; s. hierzu auch Koutrakos, 41 CMLRev. (2004), 191, 200. 107 s. Kugelmann, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 211 Rn. 33. io« EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 72 ff. 109 EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 107.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Übereinkommens hierin genannt werden. Ansonsten könnte die Kommission nach Art. 146 II E A die Erklärung immer wieder unter Bezugnahme auf das hier ergangene Urteil für nichtig erklären lassen. (4) Schlussfolgerungen Der vorliegende Fall zeigt, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln hinsichtlich des genauen Wortlauts der abzugebenden Kompetenzerklärung eine Beilegung dieses Streits durch den EuGH im Wege der Nichtigkeitsklage (Art. 230 I EG bzw. Art. 146 I EA) erreicht werden kann. Die Nichtigkeitsklage ist demnach das taugliche Instrument, um eine zumindest weitgehend präzise Kompetenzerklärung zu ermöglichen. Damit ist allerdings gleichzeitig einzugestehen, dass der vorliegende Fall ebenfalls beweist, dass eine vollständig detaillierte Erklärung auch in diesem Verfahren häufig schwierig herbeizuführen ist. So wurden im zugrunde liegenden Fall vom EuGH zwar diejenigen Artikel des „Übereinkommens über nukleare Sicherheit" benannt, für die die Kompetenzen bei der Gemeinschaft liegen. 110 Insofern wurde sicherlich im Vergleich zu anderen in der Vergangenheit abgegebenen Kompetenzerklärungen ein Fortschritt erzielt. 111 Gleichzeitig wurde aber nur pauschal deklariert, dass diese Kompetenzen „zusammen mit " den Mitgliedstaaten ausgeübt werden, 112 nicht aber wie die ganz exakte Verteilung der Pflichten auf Gemeinschaft und Mitgliedstaaten innerhalb der einzelnen Artikel zu erfolgen hat. Eine solch detaillierte Aussage lässt sich jedoch ex ante, aufgrund der vielfältigen Verknüpfungen der jeweiligen Ansprüche, 113 kaum leisten. Sie ist jedoch auch nicht notwendig, denn bereits die hier vom EuGH getroffenen Aussagen sorgen für ausreichend Rechtssicherheit: Eindeutig offengelegt wurden diejenigen Bereiche, in denen nur die Mitgliedstaaten kompetent und daher nur diese in Anspruch zu nehmen sind. In anderen Bereichen sind dann nach der Erklärung Gemeinschaft und Mitgliedstaaten gemeinsam für die Einhaltung der jeweiligen Vertragsbestimmungen in der Pflicht und können zumindest nicht beliebig getrennt in Anspruch genommen werden. 114 Jedenfalls insofern ermöglicht der Weg über die Nichtigkeitsklage also eine ausreichende Kompetenzoffenlegung. 110 s. o. (3). m s.o. a). i i 2 Denn diese Formulierung in der vom Rat abgegebenen Kompetenzerklärung ist vom EuGH nicht aufgehoben oder verändert worden, s. o. (3). U3 s. hierzu beispielhaft die Ausführungen des EuGH zu Art. 7 des „Übereinkommens über nukleare Sicherheit", EuGH Slg. 2002,1-11221 (Kommission / Rat-nukleare Sicherheit) Rn. 88 ff. 114 Hieran können sich dann auch noch weitere (prozessuale) Konsequenzen knüpfen, s. eingehend unten 2.

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außen Verhältnis

149

Letztlich könnte aber noch eingewandt werden, dass zumindest die Nichtigkeitsklage im Rahmen des EG-Vertrages regelmäßig „zu spät komme", um Einfluss auf den Inhalt der jeweiligen Kompetenzabgrenzungserklärung zu nehmen und daher keine adäquate Alternative zum Gutachtenverfahren nach Art. 300 V I EG darstelle. Insofern ließe sich argumentieren, dass beim EG-Vertrag (anders als beim EAGVertrag) die Klage gegen die Kompetenzerklärung erst zu einem Zeitpunkt erhoben werde könne, in dem der Rat die Erklärung schon dem Vertragspartner gegenüber mitgeteilt und diese daher völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt habe. 115 Die Gemeinschaft sei daher an die Erklärung völkerrechtlich in jedem Fall gebunden und könne diese, unabhängig von der Entscheidung des EuGH, nachträglich nicht mehr ändern. Eine solche Argumentation vermag indessen nicht zu überzeugen: Den dritten Vertragsparteien geht es darum, eine präzise und den Tatsachen entsprechende Offenlegung der innergemeinschaftlichen Kompetenz Verteilung zu erhalten. Stellt daher die Gemeinschaftsgruppe im Nachhinein Fehler oder Unvollständigkeiten in der von ihr zuvor abgegebenen Kompetenzerklärung fest oder ändert sich die Kompetenzverteilung später, so liegt es im Interesse der dritten Vertragspartner, der Gemeinschaftsgruppe zu gestatten, die abgegebene Erklärung zurückzuziehen und durch eine richtige bzw. vollständige zu ersetzen. Nach einigen gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln sind Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zu einer solchen, späteren Anpassung der Erklärung sogar ausdrücklich verpflichtet. So heißt es etwa in Art. 5 IV von Anhang IX des SRÜ: „Die internationale Organisation und ihre Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien sind, notifizieren dem Verwahrer des Übereinkommens umgehend alle Änderungen in der Verteilung der Zuständigkeiten, die in den Erklärungen ... im einzelnen aufgeführt sind, einschließlich neuer Übertragungen von Zuständigkeiten."

Aus dem genannten Grund kann die vom Rat abgegebene Kompetenzerklärung somit auch nachträglich (also im Anschluss an die Abgabe gegenüber der dritten Vertragspartei) noch verändert werden. Insofern kommt es nicht darauf an, ob im Vorfeld des völkerrechtlichen Vertragsschlusses oder danach die Kontrolle durch den Gerichtshof erfolgt. Bereits jahrelang abgegebene Kompetenzerklärung können dem EuGH zur Überprüfung vorgelegt und im Anschluss gegebenenfalls auch dem dritten Vertragspartner gegenüber angepasst werden.

2. Zur Beachtung von Verfahrensregeln Doch auch wenn Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in Zukunft vermehrt das Instrument der Nichtigkeitsklage nutzen sollten, um ihre Kompetenzkonflikte bei ge115

Anders dagegen beim EAG-Vertrag. Dort wird - wie dargelegt - noch eine Stufe dazwischengeschaltet. Es erfolgt zunächst die interne Ermächtigung an die Kommission Dieses Problem stellt sich dort daher nicht.

150

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

mischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln beizulegen, werden sich Ungenauigkeiten bzw. Unvollständigkeiten auch in künftigen Kompetenzerklärungen - trotz eines klärenden Urteils des Gerichtshofes - nicht kategorisch ausschließen lassen, bedenkt man insbesondere die Dynamik der gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung. 116 Kommt es danach zu ungenauen Kompetenzabgrenzungserklärungen, sind allerdings sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten in jenen Bereichen, in denen die Erklärung keine eindeutige Zuordnung der Zuständigkeiten ermöglicht, jeweils an sämtliche Bestimmungen des gemischten Abkommens gebunden.117 Aber auch bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln bedeutet die Annahme einer uneingeschränkten Bindungswirkung nicht automatisch, dass die gemeinschaftsinterne Aufgabenverteilung nicht doch auch nach außen hin gewahrt werden könnte. Wie aus der im 3. Kapitel vorgenommenen Analyse ersichtlich, 118 ist es wiederum das Seerechtsübereinkommen, das eine spezielle Regelung bereit hält und für den Fall der ungenauen oder zu pauschal formulierten Kompetenzerklärung eine entsprechende prozessuale Regelung normiert: Nach Art. 5 V S. 1 bzw. Art. 6 II S. 1 von Anhang IX der Konvention wird jedem Vertragsstaat das Recht zuerkannt, eine internationale Organisation und ihre Mitgliedstaaten um Auskunft zu ersuchen, wer die (interne) Zuständigkeit bzw. die Verantwortlichkeit für eine in Streit stehende Frage besitzt. Die Organisation und ihre Mitgliedstaaten sind daraufhin verpflichtet, eine entsprechende Auskunft zu erteilen. 119 Die dritten Vertragspartner haben schon bei der Aushandlung der Konvention vorhergesehen, dass eine exakte Aufteilung der Kompetenzverteilung für alle Bereiche des Seerechtsübereinkommens zu erheblichen Schwierigkeiten und Konflikten innerhalb der Gemeinschaftsgruppe führen würde. Hierauf hatte die Gemeinschaft mehrfach hingewiesen, weshalb sie sich anfangs vollends gegen die Aufnahme solcher Klauseln sträubte. Schließlich konnte die EG die Aufnahme einer spezifischen Kompetenzklausel zwar nicht vollständig verhindern, es gelang ihr aber gegenüber der ursprünglichen Fassung eine (bedeutsame) Modifikation durchzusetzen. Ursprünglich sollte einer Internationalen Organisation und ihren Mit-

116

s. hierzu auch Simmonds, in: O'Keeffe/ Schermers, Mixed Agreements, 199, 201 f. s. o. 1.; beachte dort auch die Sonderregelung für die Seerechtskonvention (Art. 5 III von Anhang IX). "8 s. o. 3. Kap. Α. I. 3. 119 Eine entsprechende Regelung findet sich auch in den „General Rules" der FAO. Dort heißt es in „Regel X L I " unter (1): „Jeder Mitgliedstaat der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation kann von einer Mitgliedsorganisation und deren Mitgliedstaaten Auskunft darüber verlangen, ob die Mitgliedsorganisation oder deren Mitgliedstaaten für eine spezielle Frage zuständig sind. Die betreffende Mitgliedsorganisation oder die betreffenden Mitgliedstaaten haben diese Auskünfte zu erteilen." 117

Α. Die Gemeinschaftsgruppe im Außenerhältnis

151

gliedstaaten nämlich die Verpflichtung auferlegt werden, neben Art und Umfang ihrer jeweiligen Kompetenzen auch die davon berührten Bestimmungen der Konvention anzugeben.120 Dieser Zusatz wurde auf Betreiben der Gemeinschaft gestrichen. Durch das Weglassen dieses Zusatzes wurde den Vertragspartnern der Gemeinschaftsgruppe jedoch bewusst, dass die Kompetenzerklärungen zumindest in Teilen Ungenauigkeiten aufweisen würden, sich aus ihnen also nicht für alle Einzelfälle eine eindeutige und verlässliche Kompetenzzuordnung ergeben würde. Hieraus erklärt sich schließlich die Aufnahme der beschriebenen Art. 5 V und Art. 6 II von Anhang IX SRÜ. Fraglich ist nun, ob dieses in Art. 5 V und Art. 6 II ausdrücklich niedergelegte Nachfragerecht bei sämtlichen gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln als rechtsverbindliches Prinzip gilt. Insofern könnte sich aus der Regelung der spezifischen Kompetenzklausel eine entsprechende stillschweigende Vereinbarung ergeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten durch eine Nachfrage seitens dritter Vertragsparteien ermöglicht wird, eine „Nachbesserung" der ursprünglich abgegebenen Kompetenzerklärung vorzunehmen. In diesem Fall muss die Gemeinschaftsgruppe allerdings anders als zuvor bei der Abgabe der Kompetenzerklärung - nicht mehr die schwierigen Abgrenzungsfragen abstrakt für alle Bestimmungen des Abkommens beantworten, sondern nur noch für den gerade konkret in Streit stehenden Bereich. Die Problematik der Kompetenzabgrenzung wird somit auf den Einzelfall verlagert, wodurch die Wahrscheinlichkeit einvernehmlicher Lösungen deutlich erhöht wird. 1 2 1 Dem Bedürfnis dritter Vertragsparteien nach Herstellung von Rechtssicherheit wird auf diese Weise ebenfalls Rechnung getragen, denn sie erhalten - bei ordnungsgemäßer Beantwortung der Nachfrage - in jedem Fall einen Schuldner für die Erfüllung des von ihnen geltend gemachten Anspruchs bzw. einen Streitgegner für die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens. Wird die Nachfrage dagegen unzureichend beantwortet, bleibt der Rückgriff auf die in diesen Fällen ohnehin bestehende uneingeschränkte völkerrechtliche Verantwortlichkeit. Daher erscheint ein zunächst gegebenes Nachfragerecht - nach dem Vorbild der Seerechtskonvention - als Ergänzung zur ausdrücklich festgelegten Pflicht der (ex ante) Kompetenzoffenlegung interessengerecht. Es kann daher als stillschweigend vereinbart angesehen werden.

120 121

s. die Nachweise bei Ederen Die EWG und die Seerechtskonvention, 164-165. Heliskoski, Mixed Agreements as a Technique, 166.

152

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

IV. Zwischenergebnis Bei gemischten Abkommen, die keine spezifischen Kompetenzklauseln aufweisen, sind Gemeinschaft und Mitgliedstaaten nach der Grundregel des Art. 26 WVK an sämtliche Bestimmungen des Übereinkommens gebunden. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses lässt sich der insofern geführte Meinungsstreit allerdings in der Praxis der Streitschlichtung häufig durch die konsequente Anwendung unterschiedlicher prozessualer Regelungen (wie etwa das Nachfragerecht dritter Vertragsparteien) entschärfen. Durch die Anwendung der Verfahrensregeln bleibt es nämlich der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten überlassen, zunächst intern zu klären, wer die als verletzt gerügte Verpflichtung zu erfüllen hat bzw. als Gegner in einem Streitschlichtungsverfahren auftreten soll. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass - trotz Annahme uneingeschränkter Β indungs Wirkung - letztlich die gemeinschaftsintern vereinbarte Zuständigkeitsverteilung auch nach außen hin gewahrt wird. Bei gemischten Abkommen, die spezifische Kompetenzklauseln enthalten, ist ein Rückgriff auf solche prozessualen Regelungen nur dann erforderlich, wenn die von der Gemeinschaftsgruppe abzugebende Kompetenzabgrenzungserklärung keine eindeutigen Aussagen über die gemeinschaftsinterne Zuständigkeitsverteilung enthält. Anderenfalls gilt nämlich bereits eine nur eingeschränkte völkerrechtliche Verantwortlichkeit nach Maßgabe der Kompetenzerklärung.

B. Die Gemeinschaftsgruppe im Innenverhältnis Streitschlichtung zwischen EG-Mitgliedstaaten Im Folgenden wird es darum gehen, die Problematik der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit innerhalb der Gemeinschaftsgruppe zu bewerten und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Durchführung von Streitbeilegungsverfahren herauszuarbeiten. Zur Frage der Bindung und Verantwortlichkeit sei vorab daran erinnert, dass nach überwiegender Ansicht zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten im Rahmen eines gemischten Abkommens keine völkerrechtlichen Bindungen entstehen. 122 Das Rechtsverhältnis soll sich vielmehr allein nach Gemeinschaftsrecht richten. Dieser Ansicht wird hier gefolgt: Die Bestimmungen eines gemischten Abkommens unterfallen regelmäßig aufgrund der parallelen Verpflichtungsstruktur alternativ entweder dem Kompetenzbereich der Gemeinschaft oder demjenigen der Mitgliedstaaten.123 Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sind daher nach ihrem Binnenrecht nicht befähigt, sich gegenseitig auf völkerrechtlicher Ebene zu binden 122 s. o. 2. Kap. C. II. 123 So auch Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159.

. Die Gemeinschaftsgruppe im n e r h ä l t n i s

153

und es ist nicht ersichtlich, warum diese intern getroffene Vereinbarung durch den Abschluss eines gemischten Übereinkommens umgangen werden sollte. Nachfolgend wird deshalb ausschließlich die Frage der völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander behandelt. Insofern wird die generelle Möglichkeit der Entstehung völkerrechtlicher Bindungen allgemein anerkannt. 124 Von vornherein ausgenommen werden nur bilaterale gemischte Verträge und solche Abkommen, bei denen ein Ausschluss der Bindung zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ausdrücklich erklärt wird. 1 2 5 Weitgehend ungeklärt geblieben ist allerdings der exakte Umfang der jeweils von den Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander übernommenen Verpflichtungen. Ungeklärt geblieben sind auch die Konsequenzen, die sich aus der grundsätzlichen Bejahung der völkerrechtlichen Bindung für die Durchführung von Streitbeilegungsverfahren ergeben. Auf der Grundlage der im 3. Kapitel vorgenommenen Analyse der beiden MOX Plant-Fälle soll auf diese beiden Punkte näher eingegangen werden. Es wird dabei zwischen gemischten Abkommen mit bzw. ohne spezifische Kompetenzklauseln differenziert.

I . Gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln 1. Zur Frage der völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten untereinander Weist ein gemischtes Abkommen eine spezifische Kompetenzklausel auf, ist im Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander von einer eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung nach Maßgabe der Kompetenzerklärung auszugehen. Mit der Abgabe der Kompetenzerklärung hat die Gemeinschaftsgruppe ihre interne Zuständigkeitsaufteilung völkerrechtlich bindend nach außen gestellt und die Mitgliedstaaten haben die Bereiche ihrer Zuständigkeit offengelegt. Auch wenn diese Offenlegung in erster Linie - aufgrund der Verpflichtung der spezifischen Kompetenzklausel - im Hinblick auf das Verhältnis zu dritten Vertragsparteien geschieht, entspricht es dabei aber zudem dem Willen der Mitgliedstaaten, eine Bindungswirkung auch inter se in den Bereichen herbeizuführen, die nach den Aussagen der Kompetenzerklärung nicht exklusiv vom Gemeinschaftsrecht geregelt werden, sondern in der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit verblieben sind. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang auf die Regelungen der Seerechtskonvention hinsichtlich der Abgrenzung der einzelnen Meereszonen (Küstenmeer, ausschließliche Wirtschaftszone, Festlandssockelregime etc.) verwiesen, die der ausschließlichen mitgliedstaatlichen Kompetenz zuzuordnen sind. Aufgrund vorangegange-

124 s. o. 2. Kap. C. II. 125 s. o. 2. Kap. C. II.

154

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

ner internationaler Streitigkeiten über die Abgrenzung der Meereszonen 126 bestand beim Abschluss der Konvention ein offensichtliches Interesse der EG-Mitgliedstaaten, auch untereinander diese Problematik verbindlich zu klären. Die Aussagen der Prozessbevollmächtigten Großbritanniens und Irlands im MOX Plant-Fall belegen überdies, dass sich die Mitgliedstaaten auch in anderen Bereichen des Seerechtsübereinkommens, sowie bei sonstigen gemischten Abkommen, im Grundsatz einig sind, dass eine Bindungswirkung im Verhältnis zueinander besteht, sollte es sich nicht um Bereiche ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeit handeln. 127

2. Zu den Konsequenzen für die Durchführung von Streitschlichtungsverfahren Mit der Feststellung der eingeschränkten völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten zueinander ist die Konsequenz verbunden, dass im Streitfall eine Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der Gemeinschaft und denjenigen der Mitgliedstaaten vorgenommen werden muss. Fällt die als verletzt gerügte Vertragsbestimmung nicht in den Kompetenzbereich des angegriffenen Mitgliedstaates, kann von vornherein mangels völkerrechtlicher Bindung keine völkerrechtliche Verantwortlichkeit bestehen. Anders gewendet: Bei mangelnder Kompetenz fehlt dem klagenden Mitgliedstaat die Aktivlegitimation, da er nicht geltend machen kann, er klage ein ihm zustehendes materielles Recht ein. Soweit es Streitigkeiten der Gemeinschaftsgruppe mit dritten Vertragsparteien betrifft, lässt sich die Problematik der Kompetenzabgrenzung in der Regel durch die Anwendung von Verfahrensregeln entschärfen, etwa indem das jeweils angerufene internationale Streitbeilegungsgremium die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten über die Kompetenzverteilung befragt. 128 Bei Streitigkeiten innerhalb der Gruppe stellt sich die Situation allerdings anders dar: Hier fehlt es von vornherein an der für die erfolgreiche Durchführung von prozessualen Regeln erforderlichen Übereinstimmung über die Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinschaftsgruppe. Denn es ist gerade umstritten, ob die in Streit stehenden Bestimmungen des gemischten Abkommens der gemeinschaftlichen- oder der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfallen. Auf eine Anwendung von Verfahrensregeln kann in diesem Zusammenhang daher nicht verwiesen werden. 129

126

s. bspw. die Nordsee-Festlandssockel-Fälle (ICJ Rep. 1963, 3). Streitgegenstand war die Abgrenzung des Festlandssockels in der Nordsee zwischen der Bundesrepublik Deutschland und ihren Nachbarstaaten Dänemark und den Niederlanden. Eingehend hierzu Friedmann, 64 AHL (1970), 229 ff.; Münch, 29 ZaöRV (1969), 455 ff. 127 Strittig war im konkreten Fall freilich, ob dies bei den in Rede stehenden Verpflichtungen tatsächlich zutraf; s. o. 3. Kap. Β. I. 1. b) aa) und bb). I 2 « s. ο. Α. I. 2. ™ s. hierzu auch Churchill/Scott, 53 ICLQ (2004), 643, 662-663.

. Die Gemeinschaftsgruppe im

n Verhältnis

155

Aufgrund der Notwendigkeit zur Kompetenzabgrenzung wurde im MOX PlantFall von Großbritannien bereits die generelle Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestritten. 130 Die Befugnis eines internationalen Streitschlichtungsgremiums zur Entscheidung einer zwischen zwei EG-Mitgliedstaaten bestehenden Streitigkeit könne negative Konsequenzen nach sich ziehen: Der EuGH könnte in einem Parallelverfahren (etwa in einem von der Kommission nach Art. 226 EG eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen den klagenden Mitgliedstaat 131 ) hinsichtlich der vom internationalen Gericht zu entscheidenden Kompetenzabgrenzungsfrage eine gegenteilige Auffassung vertreten. 132 Damit bestünde die Gefahr sich widersprechender Urteile von Europäischem Gerichtshof und einem SRÜ-Schiedsgericht. Aus diesem Grund sei das Schiedsgericht nicht befugt, den Streit zu entscheiden. Letztlich wurde damit die Frage aufgeworfen, ob eine Streitigkeit zwischen zwei EG-Mitgliedstaaten - aus völkerrechtlicher Sicht - überhaupt im Rahmen eines gemischten Abkommens vor einem internationalen Streitschlichtungsgremium ausgetragen werden darf, oder ob das Völkerrecht diese Aufgabe allein dem EuGH zuschreibt.

a) Spezielle Bestimmungen in gemischten Abkommen: Die Regelung des Art. 282 SRÜ Im MOX Plant-Fall wurde auf die spezielle Vorschrift des Art. 282 SRÜ verwiesen. Diese stehe einer Zuständigkeit eines internationalen Streitschlichtungsgremiums - namentlich des Internationalen Seegerichtshofs (ISGH) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bzw. des Schiedsgerichts im Hauptsacheverfahren - zu Gunsten des EuGH entgegen.133 Nach Art. 282 SRÜ ist eine der in Art. 287 SRÜ genannten SRÜ-Streitschlichtungsinstanzen für die Entscheidung eines Streitfalles unzuständig, wenn die „Vertragsstaaten, die Parteien einer Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens sind, im Rahmen einer allgemeinen, regionalen oder zweiseitigen Übereinkunft oder auf andere Weise vereinbart [haben], eine solche Streitigkeit auf Antrag der Streitparteien einem Verfahren zu unterwerfen, das zu einer bindenden Entscheidung führt."

130 s. o. 3. Kap. Β. I. l.b)bb). 131 Ein Vertragsverletzungsverfahren kann in diesen Fällen mit der Begründung eingeleitet werden, dass die Durchführung des Streitschlichtungsverfahrens vor dem internationalen Gericht - weil Bereiche gemeinschaftlicher Zuständigkeit betroffen sind - gegen Gemeinschaftsrecht, namentlich gegen Art. 292 EG verstoße. So hat die EG-Kommission im MOX Plant-Fall mit dieser Begründung Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG gegen Irland erhoben, s. AB1.EG 2004 C-7/24. 132 s. o. 3. Kap. Β. I. l.b)bb). 133 s. o. 3. Kap. Β. I. 1. b) bb).

156

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

aa) Unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten des Art. 282 SRÜ Die Vorschrift des Art. 282 SRÜ wurde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom Seegerichtshof anders interpretiert als im Hauptsacheverfahren vom Schiedsgericht. Der ISGH deutete Art. 282 SRÜ dahingehend, dass die Regelung nur eingreife, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart hätten, ein regionales Gericht sei für die Auslegung von Bestimmungen der Seerechtskonvention zuständig.134 Eine solche Situation lag im MOX Plant-Fall jedoch nicht vor, da der EuGH zumindest nicht explizit zur Auslegung der Konvention als solcher berufen ist. Vom Schiedsgericht wurde Art. 282 SRÜ dagegen weiter verstanden: Die Vorschrift greife bereits dann ein, wenn nach Gemeinschaftsrecht eine exklusive Zuständigkeit des EuGH für den Streitfall bestehe, auch wenn dies nicht ausdrücklich niedergelegt sei. 135

bb) Stellungnahme Eine Interpretation des Art. 282 SRÜ, wie sie das Schiedsgericht vorgenommen hat, beinhaltet die Konsequenz, dass das angerufene Streitschlichtungsorgan mit der Frage der exklusiven EuGH-Zuständigkeit eine rein gemeinschaftsrechtliche Fragestellung klären muss. Anders als bei der Klärung der exakten Kompetenzabgrenzung zwischen Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten, kann das Gericht dabei allerdings nicht auf eine von der Gemeinschaftsgruppe abgegebene Erklärung (wie die Kompetenzabgrenzungserklärung) zurückgreifen. Grundlage der Entscheidung ist vielmehr allein der EG-Vertrag. Danach sind jedoch mehrere Alternativen denkbar, bei denen im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen EG-Mitgliedstaaten über Rechte und Pflichten eines gemischten Vertrages eine ausschließliche EuGH-Zuständigkeit im Verhältnis zu einem internationalen Streitschlichtungsgremium angenommen werden kann: Zum einen ist dies die Konstellation, in der die strittigen Bestimmungen des gemischten Abkommens der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen. Zum anderen könnte eine exklusive Zuständigkeit des Gerichtshofes auch schon bestehen, wenn die strittigen Regelungen zwar nicht in Gänze, wohl aber teilweise der ausschließlichen oder auch nur der parallelen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen sind, die gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Bestimmungen dabei allerdings in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang stehen. In dieser Konstellation ließe sich unter Bezugnahme auf die Aussagen des EuGH in den 134 s. o. 3. Kap. Β. I. 1. a); s. auch Colson/Hoyle, 34 ODIL (2003), 59, 73. 135 s. o. 3. Kap. Β. I. 1. b) cc); in diesem Sinne auch die Auslegung des Art. 282 SRÜ von Kwiatkowska, 18 IJMCL (2003), 1, 30; dies., 34 ODIL (2003), 369, 372.

. Die Gemeinschaftsgruppe im n e r h ä l t n i s

157

Urteilen Dior 136 und Kommission/Irland 131 argumentieren, es bestünde ein Gemeinschaftsbedürfnis nach einheitlicher Auslegung, die allein vom Gerichtshof sichergestellt werden könne. Einem internationalen Gericht stehe in diesen Fällen keine eigene Sachentscheidungsbefugnis zu. Schließlich ist es auch vorstellbar, eine exklusive EuGH-Zuständigkeit bereits allein deshalb zu bejahen, weil die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen zwei EG-Mitgliedstaaten - wie im MOX Plant-Fall zwischen Großbritannien und Irland - umstritten ist. Die Zuerkennung der Befugnis an das internationale Gericht zu einer solchen Entscheidung über gemeinschaftsrechtliche Fragestellungen im Rahmen des Art. 282 SRÜ kann nunmehr allerdings zu folgendem misslichen Ergebnis führen: Das SRÜ-Gericht erklärt den EuGH für exklusiv zuständig und weist daher die Klage wegen Unzuständigkeit nach Art. 282 SRÜ ab. Gleichzeitig gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, eine exklusive Zuständigkeit seinerseits sei nicht gegeben, er sei vielmehr überhaupt nicht zur Streitentscheidung berufen, da Bereiche in Streit stünden, die der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfielen. In einem solchen Fall entsteht die Situation, dass den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft Rechte durch ein internationales Abkommen eingeräumt werden, sie aber - obwohl der Vertrag selbst ein ausgefeiltes obligatorisches Streitschlichtungssystem vorsieht - keine Möglichkeit erhalten, die Beachtung dieser Rechte einzuklagen. Die Tatsache, dass die vom Schiedsgericht gewählte Interpretation des Art. 282 SRÜ die Möglichkeit der Erzielung dieses Ergebnisses beinhaltet, spricht somit entscheidend gegen die genannte Deutung. Denn Art. 282 SRÜ verfolgt - wie bereits aus seiner systematischen Stellung ersichtlich 138 - nicht die Absicht, zusätzliche Hindernisse für die Durchführung der im Grundsatz obligatorischen Streitschlichtung im Rahmen der Seerechtskonvention zu errichten. 139 Es geht vielmehr darum, den Parteien die Gelegenheit zu eröffnen, ihre Streitigkeit durch ein anderes als in Art. 287 SRÜ genanntes Streitschlichtungsgremium klären zu lassen. Es soll dabei aber in jedem Fall sichergestellt sein, dass der Streit einem obligatorischen Schlichtungsverfahren zugeführt wird. 1 4 0 Der in Teil XV des SRÜ nieder136 s. ο. Α. I. 2. a). 137 s. ο. Α. I. 2. a). 138 Art. 282 SRÜ steht nicht im 3. Abschnitt des Teils XV der SRÜ, der mit „Grenzen und Ausnahmen der Anwendbarkeit" überschrieben ist; vgl. hierzu Colson/Hoyle, 34 ODIL (2003), 59, 67 m. w. N. 139 Ausnahmen vom obligatorischen Streitschlichtungsmechanismus sind allein in Abschnitt 3 von Teil XV des SRÜ (Artt. 297 und 298) niedergelegt. 140 Vgl. Oxman, 95 AJIL (2001), 277, 280: „Article 282 of the LOS Convention entails no exception to the principle of compulsory and binding third-party settlement set forth in Article 286. It deals with the choice of forum [ . . . ] the end result, compulsory and binding third-party settlement, is the essence; the forum is secondary." s. auch Colson/Hoyle, 34 ODIL (2003), 59, 69. 11 Oen

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

158

gelegte obligatorische Streitschlichtungsmechanismus soll durch die Regelung des Art. 282 SRÜ nicht unterlaufen werden können. Art. 282 SRÜ regelt also nicht das „Ob", sondern nur das „Wie" der Streitschlichtung. Deshalb ist im Wortlaut des Art. 282 SRÜ auch explizit klargestellt, dass die Streitparteien vereinbart haben müssen, die Entscheidung einer Streitigkeit über Rechte und Pflichten der Seerechtskonvention als solcher einem anderen obligatorisch zuständigen Gericht zu übertragen. Diese Vereinbarung muss also ausdrücklich und unzweideutig sein, worauf Richter Wolf rum 141 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu Recht hin1

142

gewiesen hat. Welche Verwicklungen entstehen können, wenn das genannte Erfordernis der ausdrücklichen Vereinbarung anderweitiger Zuständigkeitszuweisung nicht beachtet wird, zeigt auch der kürzlich entschiedene Southern Bluefin Tuna-Fall zwischen Australien/Neu Seeland und Japan. In diesem Fall ging es zwar um die Auslegung des Art. 281 SRÜ, diese ist aber eine Art. 282 SRÜ verwandte Vorschrift. 143 Anders als zuvor im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der ISGH 1 4 4 entschied hier das Schiedsgericht in der Hauptsache,145 Art. 281 SRÜ schließe die Zuständigkeit eines SRÜ-Gerichtes aus, falls ein parallel zum SRÜ anwendbares Abkommen (in diesem Fall die Konvention über Southern Bluefin Tuna, SBT-Abkommen) eine obligatorische Streitbeilegung ablehne. Hierzu sei es nicht erforderlich, dass die Zulässigkeit der SRÜ-Verfahren in dem auf den Streitfall parallel anwendbaren Abkommen ausdrücklich ausgeschlossen sei, vielmehr ergebe sich dies implizit aus dem SBT-Abkommen (Art. 16), da es dem Willen der Vertragsparteien entspreche. Diese Auslegung des Art. 16 SBT-Abkommen sieht sich hingegen erheblichen Bedenken ausgesetzt, da zwei der Vertragsstaaten des SBT-Abkommens (Neuseeland und Australien) einer solchen Deutung widersprachen und Art. 16 SBT-Abkommen auch ansonsten keinerlei Anhaltspunkte in diese Richtung bietet. 146 Auch im Southern Bluefin Tuna-Fall hätte die zweifelhafte 141 Vgl. 41 I L M (2002), 427, s. hierzu auch 3. Kap. B. I. 1. a) und Stoll/Vòneky, 62 ZaöRV (2002), 25, 28. 142 Zustimmend auch Roben, 62 ZaöRV (2002), 61, 70: „But Part XV is meant primarily to vest the institutions referred to in article 287 UNCLOS with the function to decide disputes on the interpretation and the application of the Convention unless parties to a dispute have agreed otherwise. If the objective of Part XV of the Convention is taken into account such agreement must be expressed explicitly in the respective agreements." 143 Art. 2811 SRÜ lautet: „Haben Vertragsstaaten, die Parteien einer Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens sind, vereinbart, deren Beilegung durch ein friedliches Mittel eigener Wahl anzustreben, so finden die in diesem Teil vorgesehenen Verfahren nur Anwendung, wenn eine Beilegung durch dieses Mittel nicht erzielt worden ist und wenn die Vereinbarung zwischen den Parteien ein weiteres Verfahren nicht ausschließt." 144 Vgl. 38 I L M (1999), 1624 ff. 145 Vgl. 39 ILM (2000), 1359 ff. 146 Hierzu Colson/Hoyle, 34 ODIL (2003), 59, 63; Roben, 62 ZaöRV (2002), 61, 66; Carstensen, 62 ZaöRV (2002), 73 ff.; Shany, The Competing Jurisdictions, 203, 236-237;

Β. Die Gemeinschaftsgruppe im Innen Verhältnis

159

Interpretation einer anderen, SRÜ-fremden Rechtsordnung (des SBT-Abkommens) von vornherein verhindert werden können, wenn das in Art. 281 SRÜ ebenfalls explizit niedergelegte Erfordernis der ausdrücklichen Vereinbarung anderweitiger Zuständigkeitszuweisung beachtet worden wäre. 147 Danach hätte eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts ohne weiteres bejaht werden müssen, da das SBT-Abkommen eben nicht explizit die Zuständigkeit eines Verfahrens im Rahmen der Seerechtskonvention als solcher ausschließt. Aus den genannten Gründen ist eine Interpretation abzulehnen, die einem SRÜGericht im Rahmen des Art. 282 bzw. des Art. 281 SRÜ die Aufgabe zuerkennt, über Fragen einer anderen Rechtsordnung - im MOX Plant-Fall des Gemeinschaftsrechts bzw. im Southern Bluefin Tuna-Fall des SBT-Abkommens - verbindlich entscheiden zu müssen. Die Artt. 282, 281 SRÜ sind vielmehr dahingehend zu deuten, dass diese Bestimmungen in einem Streitschlichtungsverfahren nur dann eingreifen, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, ein anderes als eines der in Art. 287 I SRÜ genannten Gerichte solle über die Auslegung der Seerechtskonvention entscheiden. Übertragen auf Streitigkeiten zwischen zwei EG-Mitgliedstaaten bedeutet dies, dass eine Zuständigkeit eines SRÜ-Gerichts nur dann von vornherein ausscheidet, wenn die Mitgliedstaaten explizit dem EuGH die Befugnis übertragen haben, über die Auslegung des SRÜ als solchem zu entscheiden. Die Möglichkeit, eine solche Vereinbarung zu treffen, wird durch Art. 239 E G 1 4 8 vorgezeichnet. Solange hiervon allerdings kein Gebrauch gemacht wird, können sich aus Art. 282 SRÜ bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vor einem SRÜ-Streitschlichtungsgremium keine prozessualen Hindernisse ergeben.

Peters, 14 EJIL (2003), 1, 19; Bree, Harmonisation of the Dispute Settlement Mechanisms, 116 f.; a.A. Kwiatkowska, 95 AJIL (2001), 162, 169 ff.; dies., 34 ODIL (2003), 369, 374 ff. 147 Vgl. Röben, 62 ZaöRV (2002), 61, 66: „ . . . the Arbitral Tribunal view seems to ignore the approach underlying Part XV: that there is compulsory third party DS combined with a free choice of procedure for States parties." s. auch die „Dissenting Opinion " von Richter Keith im Southern-Bluefin-Tuna-Fall [abrufbar unter: www.oceanlaw.net/cases/tuna2so.htm]: „The need for clear wording to exclude the obligations to submit to the UNCLOS binding procedure, beyond the wording found in article 16, is further supported by other particular provisions of Part XV and by the pivotal role compulsory and binding peaceful settlement procedures played and play in the preparation and scheme of UNCLOs." 148 Art. 239 EG lautet: „Der Gerichtshof ist für jede mit dem Gegenstand dieses Vertrages in Zusammenhang stehende Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten zuständig, wenn diese bei ihm aufgrund eines Schiedsvertrages anhängig gemacht wird." 1

160

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

b) Prozessuale Hindernisse bei mitgliedstaatlichen nach allgemeinem Völkerrecht?

Streitigkeiten

Eine Art. 282 SRÜ vergleichbare Vertragsbestimmung, die eine exklusive Zuständigkeit des EuGH für Streitigkeiten zwischen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen gemischter Übereinkommen begründen könnte, findet sich - soweit ersichtlich in keinem anderen gemischten Abkommen. Mangels spezieller völkervertraglicher Regelungen bleibt damit fraglich, ob dem Einwand Großbritanniens gegen die Zuständigkeit des internationalen Streitschlichtungsgremiums zumindest aus dem Blickwinkel des Völkergewohnheitsrechts Bedeutung zukommt. Dies setzt zweierlei voraus: Zum einen muss der Einwand Großbritanniens, das gemeinschaftsinterne Rechtssystem werde unangemessen beeinträchtigt, wenn ein internationales Gericht eine Streitigkeit zwischen zwei EG-Mitgliedstaaten entscheide, tatsächlich zutreffen. Zum anderen muss eine völkergewohnheitsrechtliche Norm existieren, wonach die Zuständigkeit des internationalen Streitschlichtungsgremiums in einem solchen Fall zu Gunsten des EuGH ausgeschlossen wird.

aa) Beeinträchtigung der Gemeinschaftsrechtsordnung? Eine Beeinträchtigung der Gemeinschaftsrechtsordnung ließe sich bereits deshalb erwägen, weil das internationale Streitschlichtungsgremium eine Kompetenzabgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten vornehmen muss. Auf diese Weise könnte das sich aus den Artt. 220, 292 EG ergebende Letztentscheidungsmonopol des Gerichtshofes verletzt werden. In seinem Gutachten zum ersten EWR-Abkommen 149 ist der EuGH genau hiervon ausgegangen, und befand, die dem EWR-Gerichtshof zugestandene Befugnis zur Vornahme einer Kompetenzabgrenzung beeinträchtige die „Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft 150 Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das EWR-Abkommen von den hier in Rede stehenden gemischten Verträgen - wie sie auch im MOX Plant-Fall mit der Seerechtskonvention vorliegen - grundlegend unterscheidet. Denn das EWR-Abkommen enthält gerade keine spezifische Kompetenzklausel und es besteht daher auch keine Pflicht zur Abgabe einer Kompetenzabgrenzungserklärung. Nimmt ein internationales Gericht bei einem solchen Abkommen eine Kompetenzabgrenzung vor, bildet die Grundlage für diese Abgrenzung allein der EG-Vertrag. Damit kommt es in diesen Fällen - wie der EuGH im EWR-Gutachten zu Recht festgestellt hat - stets zu einer Verletzung des Letztentscheidungsmonopols. Bei den hier in Frage stehenden gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln ist die Situation hingegen eine andere: In dieser Konstellation ent149 s. zum EWR-Gutachten eingehend Α. I. 1. b). 150 EuGH, Slg. 1991,1-6079 (Gutachten 1 /91) Rn. 36.

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scheiden beide Gerichte (EuGH bzw. internationales Streitschlichtungsgremium) die Kompetenzproblematik auf der Basis unterschiedlicher Rechtsdokumente. Im Fall des EuGH ist dies der EG-Vertrag als gemeinschaftsinternes Binnenrecht, im Fall des internationalen Gerichts ist es die von der Gemeinschaftsgruppe (aufgrund der dazu verpflichtenden Kompetenzklausel) abgegebene Kompetenzabgrenzungserklärung als Völkerrecht. Das internationale Gericht maßt sich also in diesen Fällen keine allein dem EuGH zustehende Aufgabe an, da es keine Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auslegt. Aus diesem Grund kann zudem auch bei einem Widerspruch zwischen den Entscheidungen von EuGH und internationaler Streitschlichtungsinstanz nicht gefolgert werden, das eine Gericht ziehe die Rechtsbeurteilung des anderen in Zweifel. Bei sich widersprechenden Entscheidungen bleibt vielmehr die Feststellung, dass die von der Gemeinschaft abgegebene Kompetenzerklärung und die Aussagen des EG-Vertrages hinsichtlich der Kompetenzabgrenzungsfrage nicht deckungsgleich sind. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ergibt sich hieraus die Notwendigkeit zur Anpassung der Kompetenzerklärung durch die Gemeinschaftsorgane. Das Letztentscheidungsmonopol des EuGH wird aber nicht angetastet. Eine Verletzung des Letztentscheidungsmonopols ist jedoch aufgrund einer anderen Erwägung denkbar: Das internationale Streitschlichtungsgremium gelangt bei der Kompetenzabgrenzung zu dem Ergebnis, die strittigen Bestimmungen seien dem Bereich mitgliedstaatlicher Zuständigkeit zuzuordnen. Folglich wird der Streit anschließend der Sache nach entscheiden. Wird nunmehr der EuGH in einem Parallelverfahren mit derselben Rechtsfrage befasst, so ist nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof hinsichtlich der Kompetenzabgrenzungsproblematik zu einem entgegengesetzten Ergebnis gelangt. Da beide Gerichte die Kompetenzabgrenzung jeweils auf der Grundlage unterschiedlicher Rechtsdokumente vornehmen, ist es durchaus denkbar, dass der EuGH die in Streit stehenden Verpflichtungen auf der Grundlage des EG-Vertrages - anders als zuvor das internationale Gericht auf der Basis der Kompetenzerklärung - der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuweist. In diesem Fall hätte das internationale Streitschlichtungsgremium eine Entscheidung in einem Bereich getroffen, in dem - aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts - allein dem EuGH die Sachentscheidungsbefugnis zustand. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht werden nämlich diejenigen Bestimmungen eines gemischten Abkommens, die der ausschließlichen EG-Zuständigkeit unterfallen über Art. 300 VII EG Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung. 151 Als Gemeinschaftsrecht darf über dessen Anwendung und Auslegung in einem Streit zwischen EG-Mitgliedstaaten dann aber nach Artt. 220, 292 EG nur der EuGH entscheiden. Das in den Artt. 220, 292 EG zum Ausdruck kommende Letztentscheidungsmonopol wäre - bei Zugrundelegung des skizzierten Szenarios - durch die Entscheidung des internationalen Gerichts somit verletzt.

151 St. Rspr., s. etwa EuGH, Slg. 1974, 449 (Haegemann) Rn. 2/6; Slg. 2000, 1-11307 (Dior und Assco) Rn. 47.

162

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Eine Verletzung des Letztentscheidungsmonopols ist auch denkbar, wenn der EuGH die strittigen Bestimmungen zwar nicht in Gänze, sondern nur teilweise der ausschließlichen oder auch nur der parallelen Gemeinschaftszuständigkeit zuordnet. Gleichzeitig befindet der Gerichtshof jedoch, dass zwischen den gemeinschaftlichen und den mitgliedstaatlichen Regelungen ein untrennbarer sachlicher Zusammenhang bestehe.152 In dieser Konstellation ist zu vermuten, dass der EuGH im Einklang mit seinen Aussagen in den Urteilen Dior 153 und Kommission/Irland 154 argumentieren wird, es bestünde ein Gemeinschaftsbedürfnis nach einheitlicher Auslegung, die allein vom Gerichtshof sichergestellt werden könne und die Zuständigkeit eines internationalen Gerichts folglich ausschließe. Nach dem Gesagten kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass durch eine Entscheidung eines internationalen Streitschlichtungsgremiums eine Verletzung des Letztentscheidungsmonopols und damit eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Rechtssystems eintritt.

bb) Kollisionsregeln im allgemeinen Völkerrecht? Hieran anschließend stellt sich nunmehr die Frage, ob ein Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts besagt, dass sich ein internationales Streitschlichtungsorgan bei einer Streitigkeit im Rahmen seiner Ordnung für unzuständig erklären muss, wenn die Gefahr besteht, dass eine andere Völkerrechtsordnung durch die zu erwartende Entscheidung benachteiligt wird. Im neueren völkerrechtlichen Schrifttum wird in diesem Zusammenhang - vor allem als Reaktion auf den Schwertfisch-Fall 155 die Existenz eines „völkerrechtlichen Störungsverbotes" diskutiert. 156 Teilweise wird einem solchen Verbot bereits völkergewohnheitsrechtliche Verbindlichkeit zuerkannt. 157

»52 s. o. a) bb). 153

s. hierzu oben Α. I. 2. a). Α. I. 2. a). 155 s. hierzu 3. Kap. Α. I. 2. a). 154 s. ο .

156 Vgl. Ruffert, 38 AVR (2000), 129, 161; Neumann, 61 ZaöRV (2001), 529, 559 ff.; ders., Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, 609 ff.; Bree, Harmonization of the Dispute Settlement Mechanisms, 149 ff.; GonzEllez-Calatyud/ Marceau, 11 RECIEL (2002), 275, 281 ff.; ähnlich auch Finke (Die Parallelität internationaler Streitbeilegungsmechanismen, 330 ff.), der von einer generellen, für den konkreten Einzelfall näher auszugestaltenden Kooperationsp/Z/c/ii zwischen internationalen Streitschlichtungsgremien ausgeht. 157 So Neumann, 61 ZaöRV (2001), 529, 562; ders., Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, 609; ders., in: Nettesheim/Sander, WTO-Recht und Globalisierung, 8, 22; dagegen geht Ruffert (38 AVR (2000), 129, 162) davon aus, dass sich „eine Regel des Völkerrechts, die in dieser Kollisionslage Abhilfe schafft, ... noch nicht etabliert [hat]."

. Die Gemeinschaftsgruppe im

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Abgeleitet wird das Störungsverbot aus dem Verbot der Einmischung und Intervention (Art. 2 Nr. 1 VN-Charta) und dem Gebot der Zusammenarbeit (Art. 56 VN-Charta). 158 Diese Bestimmungen seien zwar ausdrücklich nur für Staaten formuliert, könnten aber nach ihrem Sinn und Zweck auch im Verhältnis zwischen den von Staaten zur Erfüllung spezieller Aufgaben geschaffenen Völkerrechtssubjekten Geltung beanspruchen. 159 Auch die von Staaten geschaffenen Institutionen könnten die ihnen übertragenen Aufgaben nur dann effektiv erfüllen, wenn sichergestellt sei, dass ihre Tätigkeit nicht durch das Verhalten anderer Völkerrechtssubjekte behindert werde. Konkret auf völkerrechtliche Streitschlichtungsinstanzen bezogen, beinhalte das Störungsverbot, dass es diesen untersagt sei, Entscheidungen zu treffen, durch die die Tätigkeit von Streitbeilegungsorganen anderer völkerrechtlicher Ordnungen unangemessen beeinträchtigt werde. 160 Insbesondere dürften Streitbeilegungsorgane das völkervertragliche Regime einer anderen Organisation nicht in einer Weise interpretieren, die geeignet sei, Störungen im Rahmen dieser anderen Organisation hervorzurufen. 161 Von dieser zuletzt genannten Erwägung wurde auch die vom SRÜ-Schiedsgericht im MOX Plant-Fall getroffene Entscheidung geleitet, im Juni 2003 das vor ihm anhängige Verfahren zunächst für drei Monate auszusetzen, um abzuwarten, ob sich der EuGH mit derselben Rechtsstreitigkeit befassen werde. Da das Gericht davon ausging, Art. 282 SRÜ sei einschlägig, wenn nach Gemeinschaftsrecht eine exklusive EuGH-Zuständigkeit bestehe,162 wäre nämlich eine Interpretation von Normen einer fremden Rechtsordnung (der Gemeinschaftsrechtsordnung) erforderlich gewesen, die möglicherweise Störungen im Rahmen dieser Ordnung hervorgerufen hätte. 163 Nach der hier vertretenen Auffassung kann jedoch bei Streitigkeiten zwischen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen der Seerechtskonvention Art. 282 SRÜ nicht einschlägig sein. 164 Damit besteht bei der Seerechtskonvention keine andere Situation als bei sonstigen gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln. Bei diesen kann der zuletzt angesprochene Aspekt des Verbots der Interpretation einer fremden Rechtsordnung in einer unangemessenen Weise aber von vornherein nicht 158 Neumann, 61 ZaöRV (2001), 529, 560. 159 Neumann, 61 ZaöRV (2001), 529, 560. 160 Ruffert, 38 AVR (2000), 129, 161 \ Neumann, 61 ZaöRV (2001), 529, 559. 161 Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, 402. 162 S. o. 3. K a p . Β . I . l . b ) c c ) .

163 Hingewiesen sei allerdings darauf, dass das Schiedsgericht als Begründung der Aussetzung nicht auf das vermeintlich völkerrechtlich verbindliche „Störungsverbot" verwies, sondern auf die - rechtlich unverbindlichen - „dictates of mutual respect and comity die zwischen völkerrechtlichen Streitbeilegungsinstanzen bestehen sollten. 164 Zur Begründung s. o. 2. a) bb).

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

zum Tragen kommen. Denn das internationale Gericht hat nicht die Frage nach der exklusiven EuGH-Zuständigkeit zu klären, sondern allein zu entscheiden, ob die strittigen Bestimmungen der gemeinschaftlichen oder der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit unterfallen. Insofern muss aber gerade keine fremde Rechtsordnung (wie etwa der EG-Vertrag) herangezogen werden. Eine Entscheidung dieser Problematik hat vielmehr ausschließlich auf der Grundlage der eigenen Ordnung zu erfolgen: Bezugspunkt für die Kompetenzabgrenzung bildet die Kompetenzabgrenzungserklärung, mit deren Abgabe die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten den Einzelheiten ihrer internen Kompetenzverteilung völkerrechtliche Verbindlichkeit verliehen haben. Allerdings ist der Ausgangspunkt des in der Literatur diskutierten Störungsverbotes weit gefasst und dürfte vom Grundsatz her das Verbot jeder unangemessenen Beeinträchtigung einer fremden völkerrechtlichen Ordnung beinhalten. Eine solche kann auch bei der Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen EG-Mitgliedstaaten durch ein internationales Gericht nicht ausgeschlossen werden. Eine Verletzung des gemeinschaftlichen Letztentscheidungsmonopols ist nämlich jedenfalls dann vorstellbar, wenn sich die Aussagen der Kompetenzabgrenzungserklärung nicht mit der anschließenden Rechtsprechung des EuGH decken. 165 Folgt man den Grundsätzen des Störungsverbotes könnte das angerufene internationale Streitbeilegungsgremium aus diesem Grund rechtlich verpflichtet sein, sich für unzuständig zu erklären oder zumindest das vor ihm anhängige Verfahren solange auszusetzen, bis der EuGH in einem Parallelverfahren die Kompetenzabgrenzungsfrage selbst entschieden hat. 1 6 6 Beim derzeitigen Stand des Völkerrechts ist es jedoch zu früh, insofern von einem gefestigten Rechtssatz auszugehen. Es mag zutreffen, dass ein Störungsverbot in Form eines Missbrauchsverbotes für gewisse Fallgruppen anerkannt ist (etwa das angesprochene Verbot, das ein Streitschlichtungsgremium nicht das Vertragsregime einer anderen internationalen Organisation so auslegen darf, dass dies zu Störungen führt). Für die hier vorliegende Konstellation der Streitigkeiten zwischen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen gemischter Abkommen, in der es nicht um die Interpretation von Normen einer fremden, sondern der eigenen Ordnung geht, kann dies allerdings nicht gelten. Diesbezüglich hat sich bisher keine einheitliche Praxis und Rechtsüberzeugung herausgebildet. 167 So gelangte der Internationale Seegerichtshof im einstweiligen Rechtsschutzverfahren des MOX Plant-Falles zu dem Ergebnis, dass mögliche Verwicklungen in der gemeinschaftlichen Rechtsordnung die Zuständigkeit eines Gerichtes im Rahmen der Seerechtskonvention nicht in Frage stellen könnten. Das Gericht wies darauf hin, dass es den Streit allein auf 165

s. o. aa). s. zu einer entsprechenden AussetzungsVerpflichtung in den hier diskutierten Konstellationen die Überlegungen von Finke, Die Parallelität internationaler Streitbeilegungsmechanismen, 354. 167 s. hierzu auch Shany, The Competing Jurisdictions, 229 ff. 166

. Die Gemeinschaftsgruppe im n e r h ä l t n i s

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der Grundlage der Seerechtskonvention entscheide und die Gemeinschaftsrechtsordnung hiervon strikt zu trennen sei. 168 Neben der mangelnden Praxis sprechen gegen eine Rechtspflicht zur Nichtentscheidung einer mitgliedstaatlichen Streitigkeit auf völkerrechtlicher Ebene aber auch materiell-rechtliche Argumente: Die Mitgliedstaaten haben in Bereichen gemischter Abkommen, die in ihre Zuständigkeit fallen, auch im Verhältnis zueinander eigenständig völkerrechtliche Bindungen übernommen. Sehen diese Verträge nunmehr obligatorisch die Durchführung von Streitschlichtungsverfahren vor, müssen die Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte in solchen Verfahren durchzusetzen, es sei denn, sie haben in einem internen Abkommen freiwillig hierauf verzichtet. 169 Wird den Mitgliedstaaten hingegen der Zugang zum obligatorischen Streitschlichtungsmechanismus versperrt, 170 hätte die separate Beteiligung am Übereinkommen und die explizite Offenlegung der Kompetenzen in der Kompetenzabgrenzungserklärung für sie keine eigenständige Bedeutung. Denn sie wären von vornherein nur berechtigt, innergemeinschaftliche Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen. Diese stünden ihnen indes auch zu, hätten sie auf eine eigene Beteiligung am Übereinkommen verzichtet und eine alleinige Teilnahme der Gemeinschaft akzeptiert. Zudem ist der EuGH in Bereichen ausschließlicher mitgliedstaatlicher Zuständigkeit - auch im Rahmen gemischter Abkommen - nicht berechtigt, Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaa-

168 s. o. 3. Kap. Β. I. l.a). Auch wenn die Entscheidung des ISGH wegen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nur prima facie getroffen wurde, so hätte der Seegerichtshof doch - wenn er im konkreten Fall von einem rechtsverbindlichem Störungsverbot ausgegangen wäre - dieses bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen, zumal Großbritannien hierauf in der Sache ausdrücklich hingewiesen hatte. 169 s. als Beispiel Art. 6 des „Internen Abkommens zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten" zum Cotonou-Abkommen: „Streitigkeiten, die sich zwischen den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem AKPEG-Abkommen ... ergeben, werden auf Antrag der betreibenden Partei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Maßgabe des Vertrages und des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes im Anhang zum Vertrag vorgelegt." [AB1.EG 2000 L 317/376, 377]. Freilich kommt dieser Bestimmung beim Cotonou-Abkommen im Grunde nur deklaratorische Bedeutung zu, da bei bilateralen gemischten Abkommen zwischen den EG-Mitgliedstaaten keine völkerrechtlichen Bindungen entstehen (s. ο. B.) und daher die Möglichkeit zur Durchführung eines internationalen Streitschlichtungsverfahrens zulässigerweise nicht besteht. Eine solche Klausel ist vom Prinzip her aber durchaus auch bei multilateralen gemischten Abkommens denkbar. Bei diesen hätte sie dann konstitutive Bedeutung. 1 70 Und eine solche Versperrung des Zugangs zum internationalen Gericht läge zumindest faktisch - angesichts der langen Verfahrensdauern beim EuGH - auch bei einer pauschalen Aussetzungsverpflichtung vor. Zumal es dem auf internationaler Ebene verklagten Mitgliedstaat auf diese Weise ermöglicht würde, durch Einleitung eines VertragsverletzungsVerfahrens nach Art. 227 EG die Streitigkeit im Rahmen des gemischten Abkommens stets zu blockieren. πι So auch Churchill/Scott, 53 ICLQ (2004), 643, 661.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

ten zu entscheiden.171 In diesen Fällen wäre den Mitgliedstaaten dann sogar jeglicher Rechtsschutz versagt. Zusammenfassen lässt sich das Gesagte mit den Worten der Prozessbevollmächtigten Irlands im MOX Plant-Fall Dort wurde - in Reaktion auf das Vorbringen Großbritanniens, dass das Schiedsgericht in jedem Fall unzuständig sei, weil die Kompetenzabgrenzungsfrage zwischen Großbritannien und Irland umstritten sei 1 7 2 - Folgendes ausgeführt: „ . . . the proposition for which the United Kingdom appears to contend, is radical in its effect and contradictory in that it acknowledges that Member States may retain substantive rights i.e. retain competence in respect of an international agreement, but lose the right to enforce those rights. In this respect the declaration of competence becomes meaningless from the Member States' point of view since even in respect of areas where they retain competence they are not entitled to use the dispute resolution procedures of UNCLOS." 173

Aus den genannten Gründen kann die bloße Tatsache, dass sich das internationale Streitschlichtungsgremium und der EuGH gegebenenfalls mit derselben Rechtsfrage (der Problematik der Kompetenzabgrenzung) zu beschäftigen haben, die Zuständigkeit des internationalen Gerichts nicht ausschließen.174 Auch auf der Basis dieses Ergebnisses lassen sich sachgerechte Lösungen bei Streitigkeiten zwischen EG-Mitgliedstaaten finden. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, können insbesondere Konflikte aufgrund in der Sache divergierender Entscheidungen von internationalem Streitbeilegungsgremium und EuGH vermieden werden.

3. Ansätze zur Vermeidung divergierender Entscheidungen von internationalem Gericht und EuGH a) Konfliktvermeidung

aus der Perspektive

des EuGH

Entscheidet das internationale Streitschlichtungsgremium nach der obigen Maßgabe die vor ihm anhängige Streitigkeit zwischen den Mitgliedstaaten, ist nicht auszuschließen, dass das Gericht eine Verletzung von Vertragsbestimmungen des 172

Vgl. zu diesem Vorbringen Großbritanniens oben 3. Kap. Β. I. 1. b) bb). 173 www.pca-cpa.org / ENGLISH / RPC / STATEMENT%20B Y%20THE%20PRESIDENT.pdf (Sreenan), 30. i™ So grundsätzlich auch Oellers-Frahm, 5 MPUNYB (2001), 67, 87: „ . . . there is no obstacle in general international law to decide cases brought before a judicial body if an apparantly identical or similar matter is pending or is brought before another judicial body." s. auch Marceau, JWT 2001, 1081, 1114: „If States have negotiated the possiblity of referring disputes of various fora, it has to be assumed that they want to retain the possibility of using such fora on separate and distinct occasions."

. Die Gemeinschaftsgruppe im

n Verhältnis

167

gemischten Abkommens durch den beklagten Mitgliedstaat feststellt. Wird der EuGH daraufhin zu einem späteren Zeitpunkt noch mit der Rechtssache befasst, ist ebenfalls nicht auszuschließen, dass dieser befindet, die strittigen Bestimmungen des gemischten Abkommens unterfielen der (ausschließlichen) Gemeinschaftszuständigkeit. In diesem Fall kann der Gerichtshof zwar feststellen, der auf internationaler Ebene klagende Mitgliedstaat habe durch die Einleitung dieses Verfahrens gegen seine Pflichten aus Art. 292 EG verstoßen. 175 Es steht dem EuGH allerdings nicht zu, als Rechtsfolge anzuordnen, das Urteil des internationalen Streitschlichtungsgremiums dürfe nicht beachtet werden und der vor dem internationalen Gericht obsiegende Mitgliedstaat dürfe die Entscheidung daher nicht vollstrecken. Zur Begründung lässt sich Folgendes anführen: Stellt der Gerichtshof eine Verletzung von Art. 292 EG fest, weil er der Ansicht ist, er sei - im Verhältnis zum internationalen Gericht - zur Streitentscheidung ausschließlich berufen gewesen, hat der EuGH in der Folge über die Frage zu entscheiden, ob die als verletzt gerügten Regelungen des gemischten Abkommens tatsächlich vom auf internationaler Ebene verklagten Mitgliedstaat nicht beachtet wurden. Denn der auf internationaler Ebene klagende Mitgliedstaat wird den EuGH um eine entsprechende Sachentscheidung ersuchen: 176 Die vom Gerichtshof der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zugeordneten Bestimmungen eines gemischten Abkommens werden nämlich über Art. 300 VII EG Bestandteil des Gemeinschaftsrechts, so dass der EuGH unmittelbar über dessen Einhaltung zu befinden hat. Liegt nunmehr allerdings eine Entscheidung des zuständigen Streitschlichtungsgremiums über die Auslegung der strittigen Normen des jeweiligen gemischten Abkommens vor, so ist der Gerichtshof sowohl völkerrechtlich 177 als auch gemein175 Ein Verstoß gegen Art. 292 EG liegt bei Streitigkeiten zwischen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen gemischter Abkommen neben der genannten Konstellation der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit wohl auch in Situationen vor, in denen die strittigen Bestimmungen sowohl teilweise der (ausschließlichen) Gemeinschaftszuständigkeiten als auch teilweise der mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten zuzuordnen sind und zwischen diesen ein untrennbarer sachlicher Zusammenhang besteht. Dies dürfte die Konsequenz aus den oben (Α. I. 2. a)) erwähnten Aussagen des EuGH in den Rechtssachen Dior und Kommission / Irland sein. Eine Verletzung des Art. 292 EG kann hingegen nicht allein deshalb angenommen werden, weil ein Streitschlichtungsverfahren überhaupt angestrengt wurde. Ansonsten könnte der verklagte Mitgliedstaat - auch in Bereichen evidenter mitgliedstaatlicher Zuständigkeit - ein Streitbeilegungsverfahren im Rahmen eines gemischten Abkommens durch parallele Klage beim EuGH und Ersuchen nach einstweiligem Rechtsschutz stets blockieren. In Bereichen mitgliedstaatlicher Zuständigkeit muss den Mitgliedstaaten aber - aufgrund der übernommenen völkerrechtlichen Β indungs Wirkung - eine Klagemöglichkeit verbleiben. 176

In Betracht kommende Verfahrensart ist ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 EG gegen den bereits international verklagten Mitgliedstaat wegen Nichtbeachtung der Bestimmungen des gemischten Abkommens. 177 Völkerrechtlich folgt dies wohl bereits aus dem Grundsatz res judicata; hierzu eingehend Finke, Die Parallelität internationaler Streitbeilegungsmechanismen, 341 -342; Shany, The Competing Jurisdictions, 245 f.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

schaftsrechtlich an diese gebunden. Anderenfalls würde - dem Sinn und Zweck des jeweiligen Abkommens widersprechend - die Effektivität und Autorität des Streitschlichtungssystems in Frage gestellt, wenn ein „außenstehendes" Gericht wie der EuGH - für die Vertragsparteien verbindlich die Unbeachtlichkeit ergangener Urteile anordnen könnte. Der EuGH hat dies selbst anerkannt. Anlässlich seines EWR-Gutachtens stellte er klar, dass falls „ein internationales Abkommen ein eigenes Gerichtssystem mit einem Gerichtshof vor [sieht], der für die Regelung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien dieses Abkommens und damit für die Auslegung seiner Bestimmungen zuständig ist, ... die Entscheidungen dieses Gerichtshofes für die Organe der Gemeinschaft, einschließlich dieses Gerichtshofes, verbindlich [sind]. Diese Entscheidungen sind auch dann verbindlich, wenn der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung oder im Rahmen einer Klage über die Auslegung des internationalen Abkommens als Bestandteil der Rechtsordnung der Gemeinschaft zu entscheiden hat/' 1 7 8

Es wäre somit missbräuchlich, zunächst eine Unbeachtlichkeit der Entscheidung des internationalen Streitschlichtungsgremiums wegen Verletzung von Art. 292 EG anzuordnen, dann aber das Urteil doch der Sache nach zu bestätigen. Im Ergebnis scheidet die Anordnung der Nichtbeachtung eines in einem Rechtsstreit zwischen EG-Mitgliedstaaten ergangenen Urteils eines internationalen Gerichts durch den EuGH deshalb aus. Letztlich kann es daher in der Sache bei einer zuvor ergangenen Entscheidung eines internationalen Streitschlichtungsgremiums im Rahmen eines gemischten Abkommens zu keiner Divergenz mit einer später ergehenden EuGH-Rechtsprechung kommen.

b) Konfliktvermeidung

aus der Perspektive

des internationalen

Gerichts

Auch wenn es einem internationalen Gericht nach den obigen Ausführungen nicht verwehrt ist, einen Streit zwischen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen eines gemischten Abkommens zu entscheiden, wird man ihm gleichsam - wie letztlich dem SRÜ-Schiedsgericht im MOX Plant-Fall - nicht die Befugnis absprechen können, unter gewissen Voraussetzungen, eine Verfahrensaussetzung zu betreiben, nämlich dann, wenn sie für die Lösung des Rechtsstreits als förderlich anzusehen ist. Eine Verfahrensaussetzung erscheint etwa gerechtfertigt, wenn ein Parallelverfahren beim EuGH bereits anhängig und im Einzelfall gewährleistet ist, dass sich der Rechtsstreit durch die Aussetzung (unter Berücksichtigung eines möglicherweise langwierigen EuGH-Verfahrens) nicht praktisch erledigt. Die Aussetzung des Verfahrens vor dem internationalen Gericht würde in diesen Fällen der Gemeinschaftsgruppe die Möglichkeit eröffnen, ihre Kompetenzstreitigkeiten zunächst intern vom insofern spezielleren Gericht, dem EuGH, klären zu 178 EuGH Slg. 1991,1-6079 (Gutachten 1/91) Rn. 39 (Hervorhebung nicht im Original); hierzu Weber/Moos, EuZW 1999, 229, 231; Hörmann/Göttsche, RIW 2003, 689, 692.

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n Verhältnis

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lassen. Das Urteil des Gerichtshofes determiniert sodann das weitere Vorgehen: Entscheidet der EuGH, bei den strittigen Bestimmungen des gemischten Abkommens handele es sich um Bereiche mitgliedstaatlicher Zuständigkeit, muss das internationale Gericht im Anschluss allein überprüfen, ob die als verletzt gerügten Bestimmungen tatsächlich nicht beachtet wurden. Geht der Gerichtshof hingegen davon aus, die strittigen Regelungen seien der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen, ist das internationale Streitschlichtungsgremium gehalten, die Klage mit dem Hinweis der fehlenden Kompetenz des klagenden Mitgliedstaates (also wegen mangelnder Aktivlegitimation) zurückzuweisen. Die Aussagen des EuGH sind in diesem Fall als Konkretisierung der in der Kompetenzabgrenzungserklärung enthaltenen Vorgaben zu verstehen. 179 Ist ein Verfahren beim EuGH bereits anhängig, ist es im Übrigen auch demjenigen, der die Eröffnung dieses Verfahrens beantragt hat (in Betracht kommen entweder - wie im MOX Plant-Fall - die Kommission nach Art. 226 EG 1 8 0 , oder der vor dem internationalen Streitschlichtungsgremium verklagte Mitgliedstaat nach Art. 227 EG) möglich, seine Vertragsverletzungsklage mit einem Antrag nach Art. 243 EG auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz zu verbinden. 181 Der Gerichtshof könnte daraufhin im Wege einer einstweiligen Anordnung dem vor dem internationalen Gericht klagenden Mitgliedstaat aufgeben, eine Aussetzung dieses Verfahrens bis zum Erlass der Hauptsacheentscheidung des EuGH zu beantragen. Ist ein EuGH-Verfahren eingeleitet worden, wird der auf internationaler Ebene klagende Mitgliedstaat aber wohl in aller Regel auch von alleine eine Unterbrechung des internationalen Verfahrens beantragen. So hat schließlich auch Irland im MOX Plant-Fall die Notwendigkeit zur Aussetzung des vor dem SRÜ-Schiedsgericht anhängigen Verfahrens aufgrund der parallelen Anhängigkeit der Rechtssache beim EuGH anerkannt. Nachdem die Kommission ihre Ankündigung wahr gemacht und im Oktober 2003 ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG eingeleitet hatte, beantragte Irland beim SRÜ-Schiedsgericht, das im Juni zunächst vom Gericht für drei Monate unterbrochene Verfahren weiterhin auszusetzen. In der Begründung hieß es, es sei offenkundig, dass eine Lösung der gemeinschaftsrechtlich relevanten Problemen bis zu einer Entscheidung des EuGH abgewartet werden müsse. 182 179 Allerdings ist der auf internationaler Ebene klagende Mitgliedstaat aufgrund des EuGH-Urteils nach Gemeinschaftsrecht ohnehin verpflichtet, von sich aus eine Klagerücknahme zu betreiben, so dass sich diese Problematik für das internationale Streitschlichtungsgremium regelmäßig nicht stellen dürfte. 180 s. o. I. 2.

181 Der EuGH prüft dann summarisch die Erfolgsaussichten der Hauptsache (vgl. Ehricke, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 243 Rn. 39) und damit insbesondere die Frage, ob eine Verletzung von Art. 292 EG deshalb vorliegt, weil im konkreten Fall ein Streitschlichtungsverfahren vor einem internationalen Gericht im Rahmen eines gemischten Abkommens eröffnet wurde.

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4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

4. Zwischenergebnis Im Rahmen gemischter Abkommen, die spezifische Kompetenzklauseln aufweisen, sind die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im Verhältnis zueinander nur im Rahmen ihrer sich aus der Kompetenzabgrenzungserklärung ergebenden Zuständigkeiten an die jeweiligen Vertragsbestimmungen völkerrechtlich gebunden. Die damit einhergehende Notwendigkeit zur Kompetenzabgrenzung stellt für ein internationales Gericht kein rechtliches Hindernis dar, eine Streitigkeit zwischen zwei Mitgliedstaaten der Sache nach zu entscheiden.

II. Gemischte Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln Auch bei den gemischten Abkommen ohne Offenlegung der Zuständigkeiten soll auf die beiden soeben im Rahmen gemischter Verträge mit spezifischen Kompetenzklauseln erörterten Punkte der Bindungswirkung und der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren eingegangen werden.

1. Zur Problematik der völkerrechtlichen Bindungswirkung und zu den Konsequenzen für die Durchführung von Streitbeilegungsverfahren Geht man zunächst wieder von der Grundsatzregel des Art. 26 W V K aus, sind die Mitgliedstaaten untereinander an sämtliche Bestimmungen eines gemischten Abkommens ohne spezifische Kompetenzklauseln gebunden und müssen daher auch für die Nichteinhaltung sämtlicher Verpflichtungen völkerrechtlich einstehen. Denn sie haben jeweils als eigenständige Völkerrechtssubjekte den gemischten Vertrag ratifiziert und dabei - zumindest ausdrücklich - keine Bindungswirkungsbeschränkung erklärt. 183 Diese Feststellung trifft nun aber in gleicher Weise für gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln zu, da sich ja auch die spezifischen Kompetenzklauseln nicht ausdrücklich auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander beziehen. Dennoch wurde dort von einer eingeschränkten 182 „It is apparant that the resolution of the Community law issues will have to await a decision of the European Court of Justice." s. „Order No 4" des SRÜ-Schiedsgerichts; abrufbar unter: www.pca-cpa-org/ENGLISH/ RPC / M0x%200rder% 20No4.pdf. 183 Nur beim WTO-Übereinkommen wurde eine ausdrückliche Begrenzung der Bindungswirkung zwischen den EG-Mitgliedstaaten - in dem Fall allerdings eine absolute - erwogen. So unterbreitete die Kommission den Vorschlag, in das WTO-Übereinkommen eine Bestimmung aufzunehmen, wonach ausdrücklich klargestellt werden sollte, dass keinerlei völkerrechtliche Bindungswirkungen zwischen den Mitgliedstaaten bestünden. Die Mitgliedstaaten haben diesen Vorschlag allerdings zurückgewiesen, s. hierzu Kuijper, 6 EJIL (1995), 222, 227 f.

. Die Gemeinschaftsgruppe im n e r h ä l t n i s

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Bindungswirkung ausgegangen.184 Die Mitgliedstaaten sollten im Verhältnis zueinander nur in Bereichen ihrer Zuständigkeit gebunden sein. Dieses Ergebnis wurde letztlich als stillschweigend vereinbart aus den Bestimmungen der spezifischen Kompetenzklausel herausgelesen. Auch bei gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln ist daher zu fragen, ob diesen Abkommen möglicherweise ebenfalls eine zwischen den Mitgliedstaaten stillschweigend vereinbarte Beschränkung der Bindungswirkung auf diejenigen Bereiche zu entnehmen ist, die nicht der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen. Dies hängt davon ab, ob eine solche Beschränkung der Bindungen auf völkerrechtlicher Ebene den Interessen der Mitgliedstaaten entspricht. Für eine derartige Beschränkung könnte sprechen, dass grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Mitgliedstaaten in Bereichen ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeit völkerrechtlich binden wollen, 185 da ihnen dies nach Gemeinschaftsrecht zumindest im Grundsatz nicht gestattet ist. Auf der anderen Seite hat die Annahme einer eingeschränkten Bindungswirkung zur Konsequenz, dass ein internationales Streitschlichtungsgremium im Konfliktfall die Frage klären müsste, ob die jeweils strittigen Verpflichtungen der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit oder aber der mitgliedstaatlichen Kompetenz unterfielen. Das internationale Gericht hätte also eine Abgrenzung zwischen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten vorzunehmen. Diese Kompetenzabgrenzung müsste dabei allerdings allein auf der Basis des EGVertrages erfolgen. Bei den hier behandelten gemischten Abkommen (ohne spezifische Kompetenzklauseln) kann nämlich - und hierin liegt der entscheidende Unterschied zu gemischten Verträgen mit spezifischen Kompetenzklauseln - als Grundlage der Entscheidung nicht auf eine Kompetenzerklärung der Gemeinschaftsgruppe zurückgegriffen werden. Die Vornahme einer Kompetenzabgrenzung auf der Basis des Gemeinschaftsvertrages obliegt allerdings nach Artt. 220, 292 EG ausschließlich dem EuGH. Nimmt daher ein anderes internationales Streitschlichtungsgremium diese Aufgabe wahr, wird hierdurch die „Autonomie des Rechtssystems der Gemeinschaft... beeinträchtigt. " 186 Um diese Konsequenz von vornherein zu vermeiden, erscheint es gerade nicht interessengerecht, bei gemischten Verträgen, die keine spezifischen Kompetenzklauseln aufweisen, auf völkerrechtlicher Ebene von einer stillschweigend vereinbarten nur eingeschränkten Bindungswirkung im Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander auszugehen. Es verbleibt vielmehr bei der Grundregel des Art. 26 WVK und damit bei der Annahme einer uneingeschränkten völkerrechtlichen Bindung. 184 s. o. I. 1. 185 Angedeutet ist diese Sichtweise bei Herrmann, in: Bauschke, Pluralität des Rechts, 139, 159. 186 EuGH, Slg. 1991,1-6079 (Gutachten 1 /91) Rn. 36.

172

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten bei Annahme einer uneingeschränkten Β indungs Wirkung gegen die gemeinschaftsinterne Kompetenzverteilung verstoßen, weil sie sich in Kompetenzbereichen des jeweils anderen völkerrechtlich binden, ist dabei wie auch im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien hinzunehmen. Insofern kann auf die dort vorgebrachte Begründung verwiesen werden. 187 Es ist allerdings zu betonen, dass trotz Annahme einer uneingeschränkten Β indungs Wirkung den Mitgliedstaaten die gemeinschaftsinterne Pflicht obliegt, keine Verpflichtungen gegeneinander einzuklagen, die der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen sind. Hierin läge ein Verstoß gegen Art. 292 EG, der im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens sanktioniert werden könnte. Die Annahme der uneingeschränkten Β indungs Wirkung dient also nur dazu, gemeinschaftsrechtliche Fragen auf völkerrechtlicher Ebene von vornherein - etwa in einem Streitschlichtungsverfahren - nicht aufkommen zu lassen, entbindet die Mitgliedstaaten aber nicht von ihren gemeinschaftsinternen Pflichten. Nach dem soeben Ausgeführten hat sich ein internationales Gericht im Rahmen einer Streitigkeit zwischen EG-Mitgliedstaaten nicht mit gemeinschaftsrechtlichen Fragen zu befassen. Es hat vielmehr ausschließlich zu entscheiden, ob die jeweils als verletzt gerügte Bestimmung des gemischten Abkommens tatsächlich nicht beachtet wurde. Anders als bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln, ist eine Abgrenzung zwischen den Kompetenzen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gerade nicht vorzunehmen. Trifft das Streitschlichtungsgremium danach allerdings eine Sachentscheidung und wird der EuGH zu einem späteren Zeitpunkt mit derselben Rechtssache befasst, 188 so ist nicht auszuschließen, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, die in Streit stehenden Verpflichtungen des gemischten Abkommens seien der Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen. 189 In diesem Fall wäre der EuGH zwar an die von dem internationalen Gericht getroffene Auslegung der jeweils strittigen Bestimmung des gemischten Abkommens gebunden, gleichwohl hätte das internationale Streitschlichtungsgremium aber sein Urteil in einem Bereich getroffen, in dem - aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts - nur dem EuGH die Sachentscheidungsbefugnis zusteht. 190 Das in den Artt. 220, 292 EG zum Ausdruck kommende Letztentscheidungsmonopol wäre - bei Zugrundelegung des skizzierten Szenarios - durch die Entscheidung des internationalen Gerichts verletzt.

187 S.o. A . I .

l.d).

188 Etwa im Rahmen eines von der Kommission eingeleiteten Vertrags verletzungsverfahren gegen den vor dem internationalen Streitschlichtungsgremium klagenden Mitgliedstaat, s. zu dieser Möglichkeit auch schon oben I. 2. 189 Entweder der ausschließlichen oder zumindest der überwiegenden Gemeinschaftszuständigkeit. Im letzteren Fall würden die Grundsätze der Dior- bzw. Kommission/IrlandEntscheidung eingreifen (s. ο. Α. I. 2. a)). 190 Das dies kein Widerspruch ist, ergibt sich aus der oben (unter I. 2. b) aa) und I. 3. a)) dargelegten Argumentation.

. Die Gemeinschaftsgruppe im

n Verhältnis

173

Somit kann es auch bei Annahme uneingeschränkter Bindungswirkung zu einer Verletzung von Art. 292 EG und damit der Grundsätze des gemeinschaftlichen Rechtssystems kommen. Durch diesen Befund wird allerdings das oben gewonnene Ergebnis (Begründung der Annahme uneingeschränkter Bindungswirkung mit dem Argument, dass anderenfalls eine Verletzung von Art. 292 EG vorläge) nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Denn beide Fallgruppen (Verletzung des Art. 292 EG bei Annahme einer uneingeschränkten Β indungs Wirkung einerseits und bei Annahme einer eingeschränkten Β indungs Wirkung andererseits) sind graduell nicht miteinander vergleichbar. Bei Annahme einer eingeschränkten Bindungswirkung zwischen den Mitgliedstaaten wäre das gemischte Abkommen gleichsam von vornherein darauf angelegt, dass es zu einer Kompetenzabgrenzung auf der Basis des EG-Vertrages und damit zu einer Verletzung des Letztentscheidungsmonopols kommt. Das angerufene internationale Gericht wäre nämlich in jedem Fall zu einer solchen Kompetenzabgrenzung verpflichtet. Geht man hingegen von einer uneingeschränkten Β indungs Wirkung aus, so ist der jeweilige gemischte Vertrag nicht auf eine Verletzung des gemeinschaftlichen Rechtssystems angelegt; eine solche Verletzung ist vielmehr - sollte sie überhaupt eintreten - eine reflexartige, unvermeidliche Nebenfolge der grundsätzlichen Konstruktion des gemischten Vertrages und der Tatsache, dass im Rahmen dieser Verträge nach dem Willen der Mitgliedstaaten auch Bindungswirkungen zwischen ihnen entstehen sollen. 191 Auch vor diesem Hintergrund scheint es demnach gerechtfertigt, im Grundsatz bei einem gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln auf eine uneingeschränkte Bindungswirkung zwischen den Mitgliedstaaten abzustellen. Allerdings könnte die Tatsache, dass es auch bei Zugrundelegung einer uneingeschränkten Bindungswirkung zu einer Verletzung des Letztentscheidungsmonopols des EuGH kommen kann, nunmehr dazu führen, dem im Rahmen des gemischten Abkommens angerufenen internationalen Gericht gewisse Rücksichtnahmepflichten aufzuerlegen. Wie aber bereits oben festgestellt, 192 ist zumindest bislang eine entsprechende völkergewohnheitsrechtliche Pflicht nicht erkennbar. Im Grundsatz ist es deshalb in erster Linie Aufgabe der EG-Kommission oder des auf internationaler Ebene verklagten Mitgliedstaates durch Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 bzw. Art. 227 EG in Verbindung mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Letztentscheidungsmonopols kommt. 193 Im Wege der einstweiligen Anordnung kann der EuGH nämlich dem auf internationaler Ebene klagenden Mitgliedstaat aufgeben, eine Verfahrensaussetzung beim internationalen Streitschlichtungsgremium bis zu einer 191 Deshalb kann eine Verletzung des Letztentscheidungsmonopols - wie gezeigt (vgl. I. 2. b) aa)) - bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln prinzipiell ebenfalls nicht vermieden werden. 192 s. ο. I. 2. b) bb). 193 s. hierzu bereits oben I. 3. b). 12 Oen

174

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

EuGH-Entscheidung in der Hauptsache zu beantragen. Gelangt der Gerichtshof später im Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis, dass die strittigen Bestimmungen des gemischten Übereinkommens der gemeinschaftlichen Zuständigkeit unterfallen, ist der klagende Mitgliedstaat nach Gemeinschaftsrecht (in Befolgung des Urteilsspruchs) zur Klagerücknahme auf internationaler Ebene verpflichtet. Ist ein Parallelverfahren vor dem EuGH bereits anhängig, bleibt es aber auch dem internationalen Gericht in der Regel unbenommen, von sich aus eine Verfahrensaussetzung zu veranlassen.

2. Bewertung der Entscheidung des OSPAR-Schiedsgerichts im MOX Plant-Fall Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen kann nunmehr die Entscheidung des Schiedsgerichts im Fall der OSPAR-Konvention (einem gemischtem Abkommen ohne spezifische Kompetenzklausel) bewertet werden: Das OSPAR-Schiedsgericht hat sich nicht mit einer Kompetenzabgrenzung zwischen Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und des beklagten Mitgliedstaates beschäftigt. 194 Gemeinschaftsrechtliche Fragen wurden vielmehr von vornherein ausgeklammert, indem von einer uneingeschränkten Bindungswirkung sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten an sämtliche Bestimmungen der OSPAR-Konvention ausgegangen wurde. Hätte sich das Gericht dagegen auf den Einwand Großbritanniens eingelassen, die von Irland als verletzt gerügten Bestimmungen seien nicht der Zuständigkeit Großbritanniens, sondern der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen und Großbritannien habe deswegen keine Bindungswirkung übernommen, so wäre zwingend eine Kompetenzabgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten auf der Grundlage des EG-Vertrages vorzunehmen gewesen. Das OSPAR-Schiedsgericht hätte sich damit unausweichlich in das innergemeinschaftliche Rechtssystem eingemischt und eine dem EuGH obliegende Aufgabe übernommen. Auch eine Aussetzung des Verfahrens kam im Falle der OSPAR-Konvention anders als beim Seerechtsübereinkommen - nicht in Betracht. Im Gegensatz zum MOX Plant-Fall im Rahmen des SRÜ, hatte weder die EG-Kommission noch Großbritannien ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland eingeleitet und auch keine diesbezüglichen Absichten erklärt. Eine Entscheidung des EuGH hinsichtlich der Frage, ob die strittigen Normen der OSPAR-Konvention der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfielen, war daher - in dem Moment als das Schiedsgericht den Rechtsstreit zu entscheiden hatte - auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Nach den Umständen des Falles war es die richtige Entscheidung, das zwischen den Mitgliedstaaten anhängige Verfahren der Sache nach zu entscheiden. 194 s. o. 3. Kap. Β. II. 2.

Β. Die Gemeinschaftsgruppe im Innen Verhältnis

175

Bei näherer Betrachtung der sodann ergangenen Sachentscheidung, drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass das Schiedsgericht letztlich von der Möglichkeit eines Jurisdiktionskonfliktes mit dem EuGH doch nicht unbeeindruckt blieb: Irland hatte sich darauf berufen, dass Art. 9 OSPAR-Konvention das Vereinigte Königreich verpflichte, bisher geheimgehaltene Gutachten über mögliche ökologische Folgen der erweiterten Inbetriebnahme der MOX Plant herauszugeben.195 Das Schiedsgericht befand dagegen, die Tatbestandsvoraussetzungen seien nicht erfüllt, und deswegen könne eine Verletzung der geltend gemachten Konventionsbestimmung nicht bejaht werden. Beachtenswert ist dabei, dass sich das Gericht in seiner Begründung ausführlich mit der EG-Richtlinie 90/313 1 9 6 auseinandersetzte, die in ihren Artt. 2 und 3 „freien Zugang zu Informationen über die Umwelt" garantiert. Das Schiedsgericht war ausdrücklich darum bemüht, die Unterschiede zwischen den Bestimmungen der OSPAR-Konvention und der Richtlinie herauszuarbeiten. So sei der Wortlaut der beiden Rechtsquellen nicht identisch: Art. 9 der OSPAR- Konvention sei vielmehr enger gefasst. Während die Richtlinie allgemeiner davon spreche, dass „umweltbezogene Informationen" zur Verfügung gestellt werden müssten, bestehe nach der Konvention nur eine Verpflichtung solche Informationen herauszugeben, die sich auf den Zustand des Meeresgebiets bezögen. Während es nicht ausgeschlossen werden könne, dass es sich bei den von Irland verlangten Auskünften über die ökologischen Auswirkungen der Inbetriebnahme der MOX Plant um „umweltbezogene Informationen" i. S. d. Richtlinie handele, sei jedenfalls offenkundig, dass diese Auskünfte nicht „Informationen über den Zustand des Meeresgebiets" darstellten. Aufgrund des unterschiedlichen Wortlauts von Artt. 2, 3 der EG-Richtlinie einerseits und Art. 9 der Konvention andererseits seien auch die Ausführungen des EuGH im Fall Mecklenburg 191, auf die sich Irland berufen hatte, im konkreten Fall nicht weiterführend. Der Gerichtshof bezöge sich in diesem Urteil eben nur auf die anders lautende Richtlinie. 198 Diese enge Interpretation des Tatbestandsmerkmals „Informationen über den Zustand des Meeresgebietes" in Art. 9 OSPAR-Konvention im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall ist freilich nicht zwingend. Man hätte mit Bezug auf Artt. 2 und 3 der EG-Richtlinie 90/313, die - wie das Gericht ja auch ausdrücklich feststellte 199 - als Vorlage für die entsprechenden Artikel der OSPAR-Konvention 195 s. die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten Irlands, http://www.pca-cpa.org/ PDF/Ireland%20-%20Memorial.pdf (s. 4 ff.). 196 AB1.EG 1990 L 158/56 ff.

197 Vgl. EuGH Slg. 1998,1-3809 (Mecklenburg). 198 Vgl. 42 ILM (2003), 1118, 1150, Rn. 177-178: „Article 2 (a) of Directive 90/313 ... speaks of »information relating to the environment' ... The decision of the ECJ in Mecklenburg relied upon in this regard by Ireland, is not helpful. The Court was ... concerned with how ... inclusively the term information relating to the environment ' should be construed. In fact, the phrase information relating to the environment ' does not appear in Article 9 (2) of the OSPAR Convention. " 12*

176

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

diente, gerade ein gegenteiliges Ergebnis vertreten können. Hierauf wies Richter Griffith in seiner „dissenting opinion" 200 ausdrücklich hin: Die Bestimmungen der OSPAR-Konvention müßten wegen ihrer Entstehungsgeschichte im Lichte der EGRichtlinie interpretiert und daher weit ausgelegt werden. 201 Die von Irland verlangten Auskünfte könnten dann ohne weiteres unter Art. 9 OSPAR-Konvention subsumiert werden. Eine mögliche Begründung, warum das Schiedsgericht mehrheitlich dieser Ansicht nicht gefolgt ist, könnte darin liegen, dass ein drohender Jurisdiktionskonflikt mit dem EuGH zumindest im Kern vermieden werden sollte: Indem betont wurde, die Bestimmungen der OSPAR-Konvention und die Regelung in der EG-Richtlinie seien nicht deckungsgleich, hat das Gericht gleichzeitig festgestellt, dass eine Entscheidung auf der Grundlage von Art. 9 der OSPAR-Konvention eine Entscheidung über Art. 2, 3 der Richtlinie 90/313 2 0 2 in keinem Fall präjudiziert. Auf diese Weise bleibt es dem EuGH möglich, sollte der Streit bei ihm noch anhängig gemacht werden, über die Regelung der Richtlinie zu entscheiden, ohne an die Vorgaben des Schiedsgerichts gebunden zu sein. Denn die Entscheidung des Schiedsgerichts würde dadurch gerade nicht in Frage gestellt. Vielmehr bliebe bei einer entgegengesetzten EuGH-Rechtsprechung nur die vom Schiedsgericht im Ansatz bereits vorgezeichnete Feststellung, dass die Bestimmungen der Richtlinie weiter reichten als jene der OSPAR-Konvention. Zu divergierenden Entscheidungen der beiden Gerichte käme es nicht. Nach der hier vorgenommenen Deutung wurde die Sachentscheidung des OSPAR-Schiedsgerichts somit von der Tatsache beeinflusst, dass diejenigen Bestimmungen der Konvention, die zwischen Irland und Großbritannien im Streit standen, aufgrund der Existenz der Richtlinie 90/313 wohl der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zuzuordnen sind. Zwar hat das Gericht dennoch, wie zur Vermeidung von Rechtsschutzlücken auch geboten, den Streit der Sache nach entschieden. Um allerdings dem EuGH - sollte dieser in einem späteren Verfahren doch noch mit der Rechtssache befasst werden - ebenfalls einen Entscheidungsspielraum zu belassen, wurde die Sachentscheidung in offensichtlicher Abgrenzung zu den Richtlinienbestimmungen getroffen. Ein solcher Weg kann selbstverständlich nur dort gegangen werden, wo Regelungen des Gemeinschaftsrechts und Bestimmungen eines gemischten Abkommens nicht vollends identisch sind. Sollte in diesen Fällen allerdings das vom 199 Vgl. 42 I L M (2003), 1118, 1150, Rn. 177: „The relevant parts of the travau préparatoires show that Article 9(2) [was drawn] upon Directive 90/313. " 200 Vgl. 42 I L M (2003), 1161 ff. 201 Vgl. 42 ILM (2003), 1161, 1164, Rn. 23 ff. Richter Griffith wollte zudem, um die Absichten der Parteien festzustellen, die kürzlich erschiene Nachfolgerichtlinie 2003/4 [AB1.EG 2003 L 41 / 26] zusätzlich als Indiz für eine weite Auslegung der OSPAR-Konvention heranziehen. Spätestens hier wäre die Auffassung der EG und ihrer Mitgliedstaaten deutlich geworden, die auf die Interpretation der OSPAR-Konvention übertragen werden müsse. 202 Nunmehr ersetzt durch Richtlinie 2003/4, s. AB1.EG 2003, L 41/26.

C. Ergebnis des 4. Kapitels

177

OSPAR-Gericht vorgegebene Beispiel 203 Schule machen, bleibt für den auf internationaler Ebene klagenden Mitgliedstaat der „Wert" eines solchen Vorgehens freilich fraglich. Der Mitgliedstaat wäre in diesen Fällen wohl besser beraten, sich von vornherein an den Gerichtshof zu wenden, zumal er nach Gemeinschaftsrecht in der genannten Konstellation (in der Bestimmungen in Streit stehen, die der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen) zu einem solchen Vorgehen ohnehin verpflichtet wäre. 204

C. Ergebnis des 4. Kapitels Das vierte Kapitel verfolgte den Zweck die bisher aufgeworfenen Rechtsfragen, vor allem diejenigen der völkerrechtlichen Bindung und Verantwortlichkeit, zu bewerten und Konsequenzen herauszuarbeiten, die sich auf dieser Grundlage für die Durchführung von Streitschlichtungsverfahren ergeben. Gefolgt wurde dabei der schon zuvor verwendeten Unterscheidung zwischen dem Verhältnis der Gemeinschaftsgruppe zu dritten Vertragspartnern (Außenverhältnis) und dem Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander (Binnenverhältnis). Für das Außenverhältnis wurden die Ergebnisse dieses Kapitels bereits zusammengefasst, worauf an dieser Stelle verwiesen wird. 2 0 5 Soweit es daneben das Binnenverhältnis betrifft, kann festgehalten werden, dass bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln die Mitgliedstaaten nur im Umfang der ihnen nach der Kompetenzerklärung obliegenden Zuständigkeiten an das gemischte Abkommen gebunden sind. Nach dieser Prämisse kann auch im Rahmen gemischter Abkommen, also auf völkerrechtlicher Ebene, ein Streitschlichtungsverfahren zwischen zwei Mitgliedstaaten geführt werden. Das angerufene internationale Gericht hat dann bei der Prüfung der Begründetheit - auf der Basis der von der Gemeinschaftsgruppe abgegebenen Kompetenzerklärung - eine Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und jenen der Gemeinschaft vorzunehmen. Sollte diese Abgrenzung zugunsten der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit ausfallen, ist im Anschluss zu entscheiden, ob die als verletzt gerügten Bestimmungen tatsächlich verletzt wurden. Um Konflikten mit einer möglicherweise entgegengesetzten Rechtssprechung des EuGH zur Frage der Kompetenzabgrenzung im konkreten Fall von vornherein vorzubeugen, muss das internationale Streitbeilegungsgremium die Kompetenzabgrenzungsfrage dann nicht selbst entscheiden, wenn ein Parallelverfahren beim Gerichtshof anhängig ist. In diesem Fall kann das Verfahren vor dem internationa-

203 (der engen Interpretation von Bestimmungen des gemischten Abkommens in Abgrenzung zu Gemeinschaftsregelungen). 204 s . o . 1. 205 s. o.

A. I. 3.

178

4. Kap.: Streitschlichtung bei gemischten Abkommen

len Gremium vielmehr vorübergehend des EuGH nicht vorzugreifen.

ausgesetzt werden, um der Entscheidung

Bei gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln gilt auch im Verhältnis der EG-Mitgliedstaaten zueinander eine uneingeschränkte Bindungswirkung an sämtliche Vertragsbestimmungen. Die Annahme dieser uneingeschränkten Bindungswirkung hat für die Durchführung von Streitschlichtungsverfahren zwischen EG-Mitgliedstaaten zur Konsequenz, dass - aus völkerrechtlicher Sicht ein internationales Gericht grundsätzlich nur zu entscheiden hat, ob die als verletzt gerügten Bestimmungen des gemischten Abkommens tatsächlich missachtet wurden. Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob die in Streit stehenden Bestimmungen des gemischten Abkommens - nach der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsverteilung - dem Kompetenzbereich der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten zuzuordnen sind. Denn eine Kompetenzabgrenzung hat das internationale Gericht - anders als im Falle eines gemischten Abkommens mit spezifischen Kompetenzklauseln - nicht vorzunehmen.

5. Kapitel

Zusammenfassung

I. Der gemischte Vertrag ist fester Bestandteil in den Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten. Seine bis heute ungebrochene praktische Bedeutung lässt sich vor allem auf die Tatsache zurückführen, dass Regelungsmaterien völkerrechtlicher Verträge häufig - nach der sich aus dem EGVertrag ergebenden Zuständigkeitsverteilung - sowohl in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft als auch in denjenigen der Mitgliedstaaten fallen. Regelmäßig kann dabei nur ein Teilbereich des Abkommens der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit zugeordnet werden, während andere Teile der konkurrierenden Zuständigkeit von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten unterfallen. In diesen Fällen werden die entsprechenden Kompetenzen allerdings nicht von der EG, sondern den Mitgliedstaaten ausgeübt, womit diese sicherstellen, als eigenständige Akteure auf internationaler Bühne präsent zu bleiben. II. Die völkerrechtlichen Auswirkungen der sich auf diese Weise bei gemischten Abkommen ergebenden innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung wurden hier im Zusammenhang mit der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren und dort zunächst im Verhältnis zu dritten Vertragspartnern untersucht. Das Ergebnis variiert danach, ob gemischte Abkommen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten zu einer detaillierten Offenlegung ihrer jeweiligen Kompetenzen verpflichten (gemischte Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln) oder auf solche Vertragsbestimmungen verzichten (gemischte Abkommen ohne Kompetenzklauseln). Bei gemischten Abkommen ohne spezifische Kompetenzklauseln wirkt sich die Tatsache der internen Kompetenzteilung zwar nicht auf die völkerrechtliche Bindung aus. Denn Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sind jeweils an sämtliche Bestimmungen des gemischten Vertrages gebunden. Auf der Grundlage dieser uneingeschränkten BindungsWirkung gebieten es jedoch die Grundsätze von Treu und Glauben nach Art. 26 WVK, dass dritte Vertragsparteien der Gemeinschaftsgruppe (etwa durch gezielte Nachfrage) die Möglichkeit einräumen, zunächst selbst zu bestimmen, wer sich hinsichtlich der Erfüllung des strittigen Anspruchs als Streitpartei in einem Streitschlichtungsverfahren beteiligen soll. Nach dieser Maßgabe hat die dritte Vertragspartei - soweit sie von der Gemeinschaftsgruppe eindeutige Auskunft über die interne Kompetenzverteilung erhält - das Streitschlichtungsverfahren gegen den innergemeinschaftlich Zuständigen zu richten.

180

5. Kap.: Zusammenfassung

Sollte die Gemeinschaftsgruppe nicht bereit bzw. aufgrund interner Uneinigkeit über die Kompetenzverteilung nicht fähig sein, die aufgezeigten prozessualen Regelungen erfolgreich umzusetzen, kann ein Streitschlichtungsverfahren beliebig sowohl gegen die Gemeinschaft als auch gegen die Mitgliedstaaten eröffnet werden. Dies ist die Konsequenz aus der im Ausgangspunkt bestehenden uneingeschränkten Bindung und Verantwortlichkeit. Bei gemischten Abkommen mit spezifischen Kompetenzklauseln ist ein Rückgriff auf die genannten prozessualen Regelungen (wie etwa die Nachfragepflicht) bei der Durchführung von Streitschlichtungsverfahren nur erforderlich, wenn die von der Gemeinschaftsgruppe abzugebende Kompetenzabgrenzungserklärung keine eindeutigen Aussagen über die gemeinschaftsinterne Zuständigkeitsverteilung enthält. Anderenfalls gilt bereits eine eingeschränkte völkerrechtliche Verantwortlichkeit nach Maßgabe der Kompetenzerklärung. Danach sind entweder die Gemeinschaft oder die jeweils betroffenen Mitgliedstaaten in einem Streitschlichtungsverfahren in Anspruch zu nehmen. Wie die Erfahrungen im Rahmen der Seerechtskonvention belegen, werden diese Vorgaben in der Praxis der Streitschlichtung bisher auch beachtet. III. Die Frage nach den völkerrechtlichen Auswirkungen der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung stellt sich nicht nur im Verhältnis zu Drittstaaten, sondern auch innerhalb der Gemeinschaftsgruppe. Denn im Grundsatz kann zumindest zwischen den Mitgliedstaaten der EG auch eine völkerrechtliche Bindung an Bestimmungen eines gemischten Abkommens bestehen. Der exakte Umfang dieser Bindungswirkung richtet sich wiederum danach, ob es sich um ein gemischtes Abkommen mit oder ohne spezifische Kompetenzklausel handelt. Bei gemischten Abkommen, die aufgrund einer spezifischen Kompetenzklausel eine detaillierte Offenlegung der innergemeinschaftlichen Zuständigkeitsverteilung verlangen, besteht eine eingeschränkte völkerrechtliche Bindung und Verantwortlichkeit im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander. Dagegen sind bei den übrigen gemischten Abkommen, da sie gerade keine spezifischen Kompetenzklauseln und damit auch nicht die Abgabe einer Kompetenzabgrenzungserklärung seitens der Gemeinschaftsgruppe vorsehen, die Mitgliedstaaten auch untereinander uneingeschränkt an sämtliche Bestimmungen des gemischten Vertrages gebunden. Kommt es zur Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens zwischen den EG-Mitgliedstaaten, ergeben sich aus der Tatsache der unterschiedlichen Bindungswirkung folgende Konsequenzen: Im Falle eines gemischten Abkommens mit spezifischen Kompetenzklauseln muss das angerufene internationale Streitschlichtungsgremium zunächst eine Kompetenzabgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten vornehmen. Denn eine Verurteilung des verklagten Mitgliedstaates ist nur möglich, wenn dieser a) nach der Kompetenzabgrenzungserklärung die Zuständigkeit für die Übernahme der strittigen Verpflichtung besitzt und b) die strittige Verpflichtung auch tatsächlich verletzt hat.

5. Kap.: Zusammenfassung

Bei einem gemischten Vertrag ohne Kompetenzklausel hat eine Kompetenzabgrenzung hingegen zu unterbleiben. Hier kommt es ausschließlich darauf an, ob die strittige Vertragsbestimmung nicht beachtet wurde. Entscheiden die Streitschlichtungsgremien den jeweiligen Streit der Sache nach, kann es allerdings zu Konflikten mit dem gemeinschaftsinternen Rechtssystem kommen, sollte der EuGH (etwa in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen den auf internationaler Ebene klagenden Mitgliedstaat) mit derselben Rechtssache befasst werden. Entscheidet der Gerichtshof nämlich, dass die jeweils strittigen Bestimmungen des gemischten Abkommens der Gemeinschaftszuständigkeit zugeordnet werden müssen und wurde dennoch von dem internationalen Gericht eine Sachentscheidung getroffen, liegt eine Verletzung des Letztentscheidungsmonopols nach Artt. 220, 292 EG vor. Aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts darf in diesen Bereichen nur der EuGH tätig werden. Das Tätigwerden eines internationalen Schlichtungsgremiums ist dagegen nach Gemeinschaftsrecht nur in Bereichen mitgliedstaatlicher Zuständigkeit zulässig. Um eine derartige Störung der Gemeinschaftsrechtsordnung von Beginn an zu vermeiden, kann (eine Rechtspflicht besteht nicht) das internationale Streitbeilegungsgremium sein eigenes Verfahren vorübergehend aussetzen, falls ein Parallelverfahren vor dem EuGH bereits anhängig und eine Entscheidung des Gerichtshofes in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Wurde ein paralleles EuGH-Verfahren dagegen nicht eingeleitet, muss die mitgliedstaatliche Streitigkeit aus Gründen der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes von vornherein vom internationalen Streitschlichtungsgremium durchentschieden werden, wenn dieses nach den Vertragsbestimmungen obligatorisch zuständig ist. Letztlich bleibt es damit Sache des auf internationaler Ebene verklagten Mitgliedstaates bzw. der EG-Kommission, eine mögliche Verletzung des gemeinschaftlichen Letztentscheidungsmonopols dadurch zu verhindern, dass rechtzeitig (vor einer Entscheidung des internationalen Gerichts) ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 bzw. Art. 226 EG gegen den klagenden Mitgliedstaat eingeleitet wird. In diesem Fall kann dem klagenden Mitgliedstaat im Wege einstweiliger Anordnung auch vom EuGH aufgegeben werden, von sich aus eine Verfahrensunterbrechung zu beantragen.

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trtverzeichnis AKP-Staaten 20, 44, 75 Assoziationsabkommen - Zustandekommen als gemischtes Abkommen 43 - Regelungsinhalt 21 f. - Streitschlichtungsmechanismus 75, 96 Außenkompetenzen - ausschließliche 34 - konkurrierende 34 - parallele 33 - ungeschriebene 35 Beteiligungsklauseln 31 Beschluss 1/78 31 Cotonou-Abkommen 20,75 Cross-retaliation 126, 134 Einstweiliger Rechtsschutz 169 Energiecharta-Vertrag - Regelungsinhalt 26 - Streitschlichtungsmechanismus 96 f. Europäischer Gerichtshof - Beschluss 1/78 33 - Gutachten - 1/91 122 f., 160 f., 168 f. - 1/94 37,40 f. - 2/00 24,36,62,70, 141 f. - Urteile - AETR 35 - Biret International 135 - Demirel 44, 66 f. - Dior 93, 131, 157 - Hermès 68 ff. - Kommission / Rat-nukleare Sicherheit 143 f. - Kommission/Irland 65, 131 f., 157 - Open-Skies 36, 46, 107 - Parlament/Rat-Lomé 67 f. EWR-Abkommen 122

Food and Agricultural Organization 28 f. Gemischte Abkommen - Abschluss 48 - Aushandlung 59 f. - bilaterale (Begriff) 19 f. - Gegenmaßnahmen 125 f. - multilaterale (Begriff) 19 f. - Ratifikation 48 - Stimmrechtsausübung 39 - Unwirksamkeit nach Art. 46 WVK 128 f. - völkerrechtliche Bindung und Verantwortlichkeit - im Verhältnis zu dritten Vertragsparteien 61 f., 120 f., 137 f. - innerhalb der Gemeinschaftsgruppe 70 f., 153 f., 170 f. - Zurechnung 51 Gutachten verfahren 24, 141 f. Implied powers Lehre 35 International Law Commission 50 Internationale Rohstoffabkommen 29 Internationaler Seegerichtshof 77 Kompetenzaufteilung 50 Kompetenzerklärungen 52 f., 105, 106, 139 f., 148 f., 161 Kompetenzklauseln - allgemeine 54 f. - spezifische 30, 52 f. Kooperations- und Partnerschaftsabkommen 21 LAN-Fall 88 f., 117 f., 136 f. Letztentscheidungsmonopol 121, 160, 172 Montreux Formel 77 MOX Plant-Fall - Seerechtsübereinkommen

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- einstweiliges Rechtsschutzverfahren 102 f., 155 f. - Hauptsacheverfahren 104 f., 155 f. - OSPAR-Konvention 111 f., 174 f. Negatives Konsensprinzip 84 Nichtigkeitsklage 143 f. Open Skies-Abkommen 35, 37, 46 f. OSPAR-Konvention 111,174 f. Package deal 38 Pflicht zur Zusammenarbeit 28, 146 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 31 PROBA 20 59 Protokoll von Cartagena 27 ROM-Formel 59 Schwertfisch-Fall 78 f., 139 Seerechtsübereinkommen - Regelungsinhalt 24 f. - Streitschlichtungsmechanismus 77 f. Southern Bluefin Tuna-Fall 158 f.

Störungsverbot 162 f. Streitgenossenschaft 78, 98 Umgekehrter AETR-Effekt 39 Umweltschutzabkommen - Regelungsinhalt 27 - Zustandekommen als gemischtes Abkommen 45 f. Uruguay-Runde 23 Verfahrensregeln - gemeinsame Beteiligung 98 f., 119 - Nachfragerecht 81 f., 98 f., 118 f. - Rechtspflicht zur Beachtung 129 f., 149 f. Verfassungsentwurf 19, 34,41 Verfassungskonvent 19, 34,41 Vertragsverletzungsverfahren 109, 169, 173 Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht 27 WTO-Abkommen - Regelungsinhalt 22 f. - Streitschlichtungsmechanismus 83 f., 127 f. - Zustandekommen als gemischtes Abkommen 40 f.