117 35 31MB
German Pages 347 Year 1990
HORST REINHARDT
Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung: Kredittheorie und Marktpraxis
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung A: Wirtschaftswissenschaft Herausgegeben von G. Ashauer, W. Ehrlicher, H.-J. Krümmet, F. Voigt
Band 142
Internationale Kreditvergabe Verschuldung und Restrukturierung: Kredittheorie und Marktpraxis
Von
Dr. Horst Reinhardt
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Reinhardt, Horst:
Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung: Kredittheorie und Marktpraxis I von Horst Reinhardt. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen: Abt. A, Wirtschaftswissenschft; Bd. 142) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-07037-2 NE: Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen I A
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7336 ISBN 3-428-07037-2
Meinen Eltern
Inhaltsverzeichnis Einleitung Anlaß, Gegenstand und Vorgehensweise der Untersuchung
Erstes Kapitel Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen I.
II.
Theoretische Konzepte zur Analyse souveräner Risiken
7
1. Die Sichtweise der neueren Finanzierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . .
9
2. Dynamische Kontrakttheorie als Erklärungsrahmen internationaler Finanzmarktbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
3. Typologie relevanter Kontraktarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
4. Kriterien für den Verzug des Kreditnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Kreditrationierung auf internationalen Finanzmärkten . . . . . . . . . . . . . . .
17
1. Die Kreditnachfrage souveräner Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2. Kreditrationierung als optimierendes Kreditgeberverhalten . . . . . . .
21
a) Das Modell von Jaffee und Russell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
b) Das Modell von Stiglitz und Weiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
3. Kreditrationierung souveräner Schuldner in langfristigen Finanzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
a) Das Modell von Eaton und Gersovitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
b) Das Modell von Sachs und Cohen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
1/J. Kontrakttheoretische Diskussion internationaler Finanzmarktbeziehungen
40
1. Unsicherheit und asymmetrische Informationsverteilung als grundlegende Ursachen von Problemen adverser Selektion in internationalen Finanzbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
2. Solvenz und Liquidität souveräner Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
VIII
IV.
Inhaltsverzeichnis a) Die allgemeine Solvenzbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
b) Handelbare Güter als Voraussetzung für den Schuldendienst: das Transferproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
c) Fähigkeit und Willen zur Steuererhebung: das Aufbringungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
d) Importbereitschaft der Kreditgeberländer: das Akzeptanzproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
e) Liquidität ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
3. Kreditnehmer-moral hazard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
a) Zur Relevanz asymmetrischer Informationsverteilung in Finanzbeziehungen mit souveränen Schuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
b) Wirksamkeit von Anreizeffekten der Zinssatzhöhe auf das Verhalten von Kreditnehmerländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
c) Endogene Kalkulation des Kreditnehmerländerverhaltens . . . . .
50
4. Rechtliche Durchsetzbarkeil von Kreditverträgen mit souveränen Schuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
a) Souveräne Immunität ausländischer Kreditnehmerstaaten . . . . .
51
b) Vollstreckbarkeit von Rechtstiteln gegen souveräne Schuldner und taktische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
5. Durchsetzbarkeil von Kreditverträgen aus kontrakttheoretischer Sicht: Zeitinkonsistentes Kreditgeberverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
Konstruktionsschll'ächen internationaler Finanzbeziehungen . . . . . . . . . . .
61
1. Ineffizienzen als Folge von Marktunvollkommenheiten . . . . . . . . . .
62
2. Vernachlässigung externer Effekte internationaler Verschuldung durch Kreditnehmerländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
3. Unzureichende Projektbindung internationaler Kredite und ineffiziente Verlustteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
4. Bankregulierung und ihre Bedeutung für die internationale Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
a) Bankenaufsicht, Lender of Last Resort und Bankenverhalten . .
68
b) Die moral- hazard-These des Kreditgeberverhaltens . . . . . . . . .
69
5. Institutionelle Aspekte der Bankkreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
6. Ansteckungseffekte auf internationalen Kreditmärkten . . . . . . . . . .
74
a) Ansteckungseffekte auslösende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
b) Wirkungen auf die Risikoprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
c) Rationierungswirkungen von Ansteckungseffekten . . . . . . . . . . .
79
Inhaltsverzeichnis
V.
IX
d) Kreditgeberpanik und Ansteckungseffekte
81
e) Free riding in Krisensituationen .......................... .
83
Instrumente zur Handhabung der auf allgemeine Kreditmarktunvollkommenheiten und auf spezifische Merkmale internationaler Finanzbeziehungen zurückzuführenden Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
1. Vereinbarungen in Kreditkontrakten zur Beeinflussung des Kreditnehmerverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
2. Kreditnehmerreputation und Signaling bei mangelnder Beobachtbarkeit von Kreditnehmerverhalten und Durchsetzbarkeit von Kreditkontrakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
a) Kreditnehmerreputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Agency Signaling und internatinale Kreditvergabe . . . . . . . . . . .
88
c) Beobachtbarkeit von Kreditnehmermerkmalen . . . . . . . . . . . . . .
89
3. Androhung von Kreditgebersanktionen als Mittel zur Durchsetzung von Verträgen mit souveränen Schuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
a) Kreditnehmervorteile bei Zahlungseinstellung durch entfallende Schuldendienstzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
b) Voraussetzungen für wirksame Kreditgegbersanktionen . . . . . . .
91
c) Sanktionskosten und Wachstumschancen im Kreditnehmerkalkül
95
4. Kreditgeberreputation und Glaubwürdigkeit angedrohter Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
5. Ansatzpunkte zu erhöhter Effizienz internationaler Finanzbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
Zweites Kapitel Die Praxis internationaler Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung I.
Operationa/ität und empirischer Test theoretischer Konzepte
102
1. Probleme empirischer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102
2. Bestimmungsfaktoren der Auslandsverschuldung souveräner Staaten
103
3. Prognose von Verschuldungsproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
4. Konditionen der Auslandskreditaufnahme souveräner Staaten . . . .
108
a) Spread als Risikoprämie in Kreditverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
b) Ökonomische Funktion der Spreads angesichtsvon Kreditmarktunvollkommenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
X
ll.
Inhaltsverzeichnis 5. Empirische Analyse der Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
Bankverhalten und internationale Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
l. Ökonomische Anreize für die internationale Kreditvergabe . . . . . . .
119
a) Makroökonomische Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
b) Ungleichgewichtige Bankenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120
c) Strukturelle Veränderungen der Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . . . .
121
d) Dynamik internationaler Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
e) Wettbewerbsvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
2. Risikopolitische Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
a) Portfoliodiversifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124
b) Laufzeitenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
c) Subjektive Wahrscheinlichkeit ökonomischer Schocks . . . . . . . .
128
3. Politische Ökonomie internationaler Kreditbeziehungen . . . . . . . . .
130
a) Politische Ökonomie des Bankenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
b) Politische Ökonomie des Kreditnehmerländerverhaltens . . . . . . .
131
4. Bankenverhalten vor Eintritt der Verschuldungskrise . . . . . . . . . . . .
132
a) Konsens über Kreditwürdigkeitskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
132
b) Nettokapitalfluß zwischen Banken und Schuldnerländern . . . . .
134
c) Die Liquiditätsposition der Schuldnerländer
139
5. Bankenreaktion auf die Verschuldungsprobleme
143
III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen . . . . . . . . . .
145
l. Restrukturierung von Krediten öffentlicher Gläubiger . . . . . . . . . . .
148
a) Entwicklung des institutionellen Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
b) Die Arbeitsweise der Gläubigerclubs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
c) Ablauf und Vereinbarungen multilateraler Umschuldungsverhandlungen . ..... . ............ -·..... . ........ . .. . .....
155
d) Bilaterale Umschuldungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156
e) Art und Umfang gewährter Krediterleichterungen . . . . . . . . . . . .
157
f) Mehrjährige Umschuldungen öffentlicher Kredite (MYRA) . . . .
163
2. Umschuldung bilateraler Kredite der Bundesrepublik Deutschland
165
a) Methoden der Erfassung der Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
b) Form und Inhalt der Umschuldungsabkommen . . . . . . . . . . . . . .
166
Inhaltsverzeichnis
XI
c) Konsolidierungszinssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167
3. Umschuldung internationaler Bankkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
a) Anbahnung von Umschuldungsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . .
169
b) Verhandlungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
c) Überbrückungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
d) Koordination der Gläubigerbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
4. Merkmale und Konditionen internationaler Bankkreditumschuldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
a) Bestimmung der umzuschuldenden Kredite (affected debt) . . . .
179
b) Zwangsweise Quotenallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
c) Bindung an IWF-Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
d) Laufzeiten, Spread, Tilgungsfreizeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
e) Mehrjährige Umschuldungsabkommen der Banken (MYRA) . .
184
f) Währungskonversion und Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
5. Gleichbehandlung von Gläubigerpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
a) Öffentliche Kreditgeber und Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
b) Lieferkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190
6. Techniken und Terminologie mehrjähriger Bankkreditumschuldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
a) Auswahl umzuschuldender Finanzierungsklassen . . . . . . . . . . . .
192
b) Technische Grundtypen der Tilgungsstreckung . . . . . . . . . . . . . .
194
aa) "Carve out"-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) "Pick up"-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Serial Carve out-Technik . . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . .
194 195 197
c) Preispolitische Alternativen bei mehrjährigen Umschuldungen .
199
d) Liquiditätswirkungen von Umschuldungsmaßnahmen . . . . . . . .
202
e) Die Struktur des Mexiko-MYRAs (1984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204
Drittes Kapitel Strategie und Taktik internationaler Restrukturierungen
I.
Die bisherige Strategie und Strategieoptionen zur Handhabung internationaler Verschuldungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
I. Divergierende und gemeinsame Interessen im Rahmen der bisherigen Restrukturierungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206
XII
Inhaltsverzeichnis 2. Rolle und Verhalten der Banken in der Verschuldungskrise a) Reakktion der Banken bei Kriseneintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210
b) Strategische Aspekte des Bankenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
aa) Hypothesen über die Gründe zögerlicher Abschreibung und des Drucks auf kleinere Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Implikationen nicht eindeutig bestimmbarer Kreditnehmerverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kooperation als Voraussetzung für eine funktionierende Umschuldungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
!I.
210
212 213 215
3. Strategische Aspekte des Kreditnehmerverhaltens . . . . . . . . . . . . . . .
216
a) Strategieoptionen von Kreditnehmerländern . . . . . . . . . . . . . . . .
217
b) Quantitative Aspekte alternativer Kreditnehmerstrategien . . . . .
219
aa) Das Nettofinanztransferkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedeutung quantitativer Kosten-Nutzen-Rechnungen im Kreditnehmerkalkül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219 226
4. Bestandsaufnahme und Bewertung der bisherigen Resultate der Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228
5. Der Beitrag finanzwirtschaftlicher Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . .
230
6. Realwirtschaftliche Anpassung der Schuldnerländer und der BakerPlan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
a) Verminderte Anreize zur Zahlungseinstellung durch höheres Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
b) Weltwirtschaftliche Voraussetzungen für den Erfolg des BakerPlans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240
Bankenaufsicht, Bilanzierung und steuerliche Behandlung internationaler Kreditrestrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
l. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
242
a) Publizitätspflicht und Information der Aufsichtsbehörden . . . . .
244
aa) Federal Accounting Standards Board (FASB) . . . . . . . . . . . bb) Securities and Exchange Commission (SEC) . . . . . . . . . . . . cc) Bankaufsichtsbehörden auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . .
244 244 245
b) Diversifikations- und Eigenkapitalregelungen . . . . . . . . . . . . . . .
246
c) Bilanzierungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
d) Steuerliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
2. Bankaufsichtliche Regelungen anderer Kreditgeberländer . . . . . . . .
251
a) Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251
Inhaltsverzeichnis
XIII
b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253
c) Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254
d) Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255
e) Kanada
257
f) Schweiz
g) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258 259
3. Internationaler Vergleich der Kredite an souveräne Schuldner betreffenden Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
lll. Interpretation, spieltheoretische Abbildung und Lösungskonzepte internationaler Restrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264
Die spieltheoretische Sicht internationaler Restrukturierungen . . . .
264
a) Begründung der spieltheoretischen Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . .
264
b) Spieltheoretische Struktur internationaler Restrukturierungen .
266
2. Alternative Interpretationen internationaler Restrukturierungen . .
268
3. Zur Bedeutung der Höhe von Kreditnehmereinkommen und Kreditnehmerkosten bei Zahlungseinstellung für die Restrukturierungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
270
4. Formulierung von Kreditnehmer-und Kreditgeberstrategien . . . . . .
272
a) Reine Gläubigerstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
b) Reine Schuldnerstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
c) Strategiepräferenzen von Kreditgebern und Kreditnehmern . . . .
274
5. Spieltheoretische Lösungen des Verhandlungsproblems internationaler Restrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
a) Restrukturierungslösung mit reinen Strategien . . . . . . . . . . . . . . .
277
b) Restrukturierungslösungen mit gemischen Strategien . . . . . . . . .
278
c) Restrukturierungsvereinbarungen als Verhandlungslösungen . . .
279
aa) Lösungen mit Seitenzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nash-Lösung des Verhandlungsproblems . . . . . . . . . . . . . . .
279 280
6. Bedeutung veränderter Verhandlungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . .
282
7. Taktische Konzepte im Rahmen internationaler Kreditrestrukturierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284
a) Versteckte Drohungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
b) .,Bereitschaft zu begrenzter Kriegführung" . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
c) .,Kritische Masse" als verhandlungstaktisches Mittel der Gläubigerkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
XIV
Inhaltsverzeichnis d) Das "Prinzip der kleinen Mittel" als taktisches Prinzip bei internationalen Restrukturierungsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusammenfassung, Ergebnisse und Schlußfolgerungen
289
291
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
300
Resurne
301
Literaturverzeichnis
302
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9:
Tab. 10: Tab. 11:
Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17: Tab. 18: Tab. 19:
Übersicht statistisch signifikanter Verschuldungsindikatoren Bestimmungsfaktoren internationaler Kreditvergabe . . . . . . . . . . Ergebnisse der statistischen Analyse internationaler Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilitätsbedingungen des Verhältnisses von Verschuldung zu Export . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netto-Kapitalabfluß vor Eintritt der Verschuldungskrise . . . . . . Netto-Kapitalabfluß- 6 Monate vor Eintritt der Verschuldungskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netto-Kapitalzufluß- 6 Monate vor Eintritt der Verschuldungskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalzufluß vom IWF und den Banken nach der Verschuldungskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzfristige Kredite (bis zu I Jahr) in Prozent der gesamten BIZgemeldeten Bankverschuldung einzelner Ländergruppen (19781984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freie Kreditlinien in Prozent der BIZ-gemeldeten Bankverschuldung einzelner Ländergruppen (1978-1984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurzfristige Kredite (bis zu I Jahr) in Prozent der gesamten von BIZ-Banken gemeldeten Einlagen einzelner Ländergruppen (1978-1984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreditrestrukturierungen und sonstige Finanzierungsbeiträge der Banken (1978-1985) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Restrukturierung öffentlicher Kredite (1955-1974) . . . . . . . . . . . . Restrukturierung öffentlicher Kredite (1975-1985) . . . . . . . . . . . . Beteiligung der Deutschen Bundesbank an kurzfristigen Überbrückungsfazilitätender BIZ zugunsten zahlungsbilanzschwacher Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertragswirkungen und Zinskonzessionen bei Problemländerkrediten für US-Banken ....... ·......... . .. . ................. RollOver kurzfristiger Kredite bzw. Umwandlung in mittelfristige Kredite 1983-1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mexiko: Verschuldungs- und Fälligkeitsstruktur des öffentlichen Sektors vor der Restrukturierung 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liquiditätssaldo der Zahlungsbilanz aus Finanzmitelaufkommen und Finanzmittelverwendung , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I06 113 116 120 135 136 137 138
140 141
142 147 150 152
174 180 182 193 203
XVI Tab. 20: Tab. 21:
Tab. 22:
Tabellenverzeichnis IWF-Baseline Szenario, 1977-91 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalimportierende Länder: Gesamtverschuldung, Netto-Kapitaltransfer, Zinszahlungen, Netto-Finanztransfer, durchschnittliche Zinsbelastung (1979-91) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht der Alternativen zur Handhabung internationaler Verschuldungsproblerne und ihre Wertung aus Sicht von Kreditnehmerländern und Banken sowie unter dem Aspekt bankaufsichtlicher, bilanzieller Regulierung und ihrer Wirkungen auf das internationale Finanzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1:
Leistungsbilanzdefizit und Nettoerhöhung der Auslandsverschuldung (1978-1987): Kapitalimportierende Länder . . . . . . . . . . . . . Abb. 2: Leistungsbilanzdefizit und Nettoerhöhung der Auslandsverschuldung (1978-1987): Nichtölentwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 3: Kreditrationierung vom Typ I im Modell von Jaffee und Russe! (1976) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 4: Kreditrationierung vom Typ li im Modell von Stiglitz und Weiss (1981) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 5: Kreditmarkt ohne Rationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 6: Kreditmarkt mit Rationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 7: Verteilungsstruktur der Investitionsrendite von Projekten unterschiedlicher Risikograde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 8: Vergleich der Spread-Entwicklung zwischen OECD-Ländern und Newly-Industrialized-Countries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 9: Vergleich der Spread-Entwicklung zwischen OECD-Ländern und COMECON-Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 10: Vergleich der Spread-Entwicklung zwischen OECD-Ländern und Nicht-OPEC-Entwicklungsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 11: Vergleich der Spread-Entwicklung zwischen OECD- und OPECLändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 12: Kreditrationierungswirkungen von Ansteckungseffekten . . . . . . Abb. 13: Differenzierte Kreditrationierungswirkungen von Ansteckungseffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 14: Kreditmarktgleichgewicht bei Kreditrationierung . . . . . . . . . . . . Abb. 15: Durchschnittliche Tilgungsstruktur bei Umschuldungen öffentlicher multilateraler Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 16: Durchschnittliche Tilgungsstruktur bei Umschuldungen von Ländern mit wiederholten Umschuldungen und sonstigen Umschuldungsländer (1983-1984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 17: Struktur des Advisory Committees für Mexiko (1982-1984) . . . . Abb. 18: Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 19: Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 20: Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und nach "carve out" . .
19 20 26 28 28 29 49 75 76 76 77 81 81 90 161 162 176 192 194 195
XVIII Abb. 21:
Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34: Abb. 35: Abb. 36:
Abbildungsverzeichnis Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und nach "pick up" nach 1 Jahr ... . . ... ..... . . . . ............. . ................. . Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und nach "pick up" nach 2 Jahren ........ . ... . ............ . .. .. ................ . Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und bei sequential pick up Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung ................... . . Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und bei serial carve out 1 Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und bei serial carve out 2 Fälligkeitsstruktur der Bankverschuldung des öffentlichen Sektors Mexikos vor der Restrukturierung und bei serial carve out 3 Kurz- und langfristige Auslandsverschuldung einzelner Ländergruppen in Prozent der Exporterlöse ( 1978-1987) .......... . . . Nettofinanztransfer einzelner Ländergruppen (1978-1987) .. . . . Anfälligkeitskennziffer einzelner Ländergruppen ( 1978-1987) . . Kreditnehmerentscheidung über Schuldendienstzahlungen in Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum im Zwei-PeriodenModell .... . . ... ... . . . ...... .. . . ... . ...... ... . .... .. . . . Struktur der Bankenaufsicht in den USA .. . .. .. . ..... .. . . . . Internationaler Vergleich der Praxis der Länderrisikovorsorge Beispiel einer Auszahlungsmatrix bei Umschuldungsverhandlungen ......... . ...... . . . . .... .. . .. .. . . ... . . ...... . .. . . .. . Graphische Darstellung der Auszahlungsmatrix alternativer Restrukturierungslösungen ............ . ................. . Taktisches Konzept "kritische Masse" .. . .................. .
196
197 198 199
200 200 201 209 216
220 239 243 262 275
277 288
Abkürzungsverzeichnis AFB BIZ CB CCB CNB CR DRI FASB FDIC FFIEC FRB ICERC IIF ILSA IRS NBER
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Association Francaises des Banques Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Commission Banquaire Commission de Contröle des Banques Conseil National du Cn!dit Commitel: de La Reglementation Data Resources International Federal Accounting Standards Board Federal Deposit Insurance Corporation Federal Financial Institutions Examination Council Federal Reserve Board Interagency Country Exposure Review Committee Institute of International Finance International Lending Supervision Act International Revenue Service National Bureau of Economic Research Office of the Camptroller of the Currency Structural Adjustment Loan Securities and Exchange Commission
Einleitung Anlaß, Gegenstand und Vorgehensweise der Untersuchung Seit Mitte 1982 bedroht die Weltwirtschaft die sicherlich schwierigste Finanzkrise seit der großen Depression der dreißiger Jahre. Sie hat in dieser Zeit mehr als 50 Schuldnerländer - einschließlich nahezu aller Länder des lateinamerikanischen Kontinents'- zur Restrukturierung ihrer Auslandsverschuldung gezwungen. Dabei haben die Umschuldungsländer große ökonomische Lasten übernommen, um ihren- durch Restrukturierungen zum Teil allerdings erheblich verringerten Schuldendienst - zu leisten. Als Hauptgläubiger gegenüber den Schuldnerländern sind die internationalen Geschäftsbanken mit der signifikanten Verminderung des Marktwertes ihrer Kredite konfrontiert. Diese dürfte sich bei fortschreitender internationaler Verschuldung noch verstärken. Obgleich sich die dramatische Krisenatmosphäre von 1982/83 in einigen Fällen entschärft hat, verbleiben - wie die Entwicklung in Mexiko 1986 und in Brasilien Anfang 1987 zeigen- nach wie vor bedeutende Risiken. Das erfolgreiche Management dieser Verschuldungskrise ist eine politische und intellektuelle Leistung erster Ordnung. Die internationalen Finanzmärkte sind trotz enormer Spannungen nicht zusammengebrochen. Bisher hat kein Land seine Schulden einseitig in Abrede gestellt und nur wenige Regierungen haben sich der Konditionalität von IWF-Programmen im Gegenzug für Schuldendiensterleichterungen entzogen. Diese Konstellation hat den drohenden Zusammenbruch großer internationaler Finanzistitute vermeiden helfen. Ihr Erfolg wäre aber ohne das intensive und koordinierte Zusammenwirken von Kreditgebern, ihren Regierungen und der Regierungen der Kreditnehmerländer sowie internationaler Organisationen unmöglich gewesen. Sie alle haben ganz offensichtlich aus Erfahrungen mit Finanzkrisen- insbesondere während der dreißiger Jahre- gelernt. Diese haben nämlich deutlich gezeigt, daß Finanzkrisen sich nicht selbst überlassen werden dürfen, und ohne international koordiniertes wirtschafts- und währungspolitisches Management nicht beherrschbar sind. Dennoch bleibt, auch nach dem erfolgreichen Krisenmanagement mittels Restrukturierungen, die Schuldendienstlast auf annähernd 1.000 Mrd. US1 Kolumbien war aufgrundseiner besonderen außenwirtschaftliehen Situation hiervon ausgenommen.
l Reinhardt
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Einleitung
Dollar2 • Die außenwirtschaftliche Situation der Hauptschuldnerländer hatte sich zwar zunächst teilweise verbessert. Dabei sollten die hierfür notwendigen erheblichen Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten und des Lebensstandards in den meisten Schuldnerländern nicht übersehen werden. Sollte es allerdings nicht gelingen, die Wachstumsperspektiven der Kreditnehmerländer zu verbessern, bliebe ihre zur Zeit noch gegebene Schuldendienstbereitschaft sicherlich zweifelhaft. Als Auslöser der Verschuldungskrise erkennen wir heute die weltweite, hohe Inflation - besonders der siebziger Jahre - mit ihren vielfachen Verstößen gegen die marktwirtschaftliche Ordnung. Elementare Ordnungsmängel, wie finanz- und geldpolitische Fehlsteuerungen haben in den Schuldnerländern zu inflationären Entwicklungen geführt, aus denen sich ihre Wirtschaftspolitik nicht durch immer neu es "fresh money", sondern zusätzlich durch ordnungspolitische Reformen befreien kann. So entwickelt sich in vielen Schuldnerländern eine Kombination weltweiter ökonomischer Schocks- insbesondere der Anstieg des Weltzinsniveaus nach 1980 und die tiefe Rezession von 1981/82 - mit einem dieser Situation nicht angemessenen Wirtschaftsmanagement. Diese globalen Schocks lösen zu Beginn der achtziger Jahre in mehr als 50 Ländern nahezu gleichzeitig Schuldendienstproblerne aus. Dabei zeigt sich die Relevanz guten makroökonomischen Managements in der Überwindung dieser globalen Schocks durch einige Schuldnerländer wie beispielsweise Südkorea. Andererseits können sich andere Länder- darunter die meisten lateinamerikanischen- der verschlechterten weltwirtschaftliehen Situation jedoch nicht entziehen. Jüngste Untersuchungen deuten ebenfalls darauf hin, daß Erfolg oder Mißerfolg einzelner Volkswirtschaften ganz wesentlich von deren makroökonomischem Management beeinflußt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei ganz offensichtlich der Wechselkurs- und Geldpolitik sowie der Finanz- und Außenwirtschaftspolitik zu 3 • Angesichts der immensen Schwierigkeiten der Schuldnerländer, ihre Zah-. Iungen gegenüber dem Ausland zu leisten, erscheint es angebracht, nach den Gründen zu fragen, die sie bewegen, ihren Schuldnerdienst im Rahmen von Restrukturierungen aufrechtzuerhalten, anstatt die Zahlungen einzustellen. Ein Grund dafür ist ganz offensichtlich, daß das bisherige Restrukturierungsmanagement kaum Liquiditätsprobleme aufkommen läßt, die eine Zahlungseinstellung unvermeidlich machten. Ein weiterer Grund sind sicherlich die dem Kreditnehmerland andernfalls drohenden Kosten durch die Pfändung seiner Auslandsaktiva, die Unterbrechung oder Störung seiner 2 Die Gesamtverschuldung kapitalimportierender Länder lag Ende 1986 nach IWFSchätzungen (World Economic Outlook, Revised Projections, October 1986, Tabelle A 47) bei 967.3 Mrd. US-Dollar. 3 Edwards (1985) und Sachs (1985).
Anlaß, Gegenstand und Vorgehensweise der Untersuchung
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Transaktionen und Transfers mit dem Ausland sowie ein in der Zukunft drohendes Kreditembargo. Gegenwärtig rückt allerdings ein sogar noch wesentlich bedeutenderer Aspekt in den Vordergrund. Eine Zahlungseinstellung droht nämlich unmittelbar in noch schwerer wiegende inländische Instabilität umzuschlagen. Die ohnehin hohe Kapitalflucht bekäme unter diesen Umständen sicherlich noch stärkeres Gewicht. Die Regierung eines Schuldnerlandes liefe dann Gefahr, auch die Kontrolle über die Inflationsentwicklung und die politische Stabilität völlig zu verlieren. Darüber hinaus ist es von der Repudiation -also der vollständigen und dauerhaften Zurückweisung internationaler Kreditverpflichtungen- bis zur Zahlungseinstellung auch auf die inländischen Staatsschulden- und damit einer signifikanten Veränderung der Einkommensverteilung in einem Schuldnerland - nur noch ein kurzer Schritt. Derartige Strategien sind ganz offensichtlich mit weitreichenden Unsicherheiten verbunden. Die vom argentinischen Präsidenten Alfonsin 1985 realisierten strukturellen Reformen zeigen den Wandel der strategischen Überlegungen von Kreditnehmerländerregierungen mit aller Deutlichkeit. Im Jahre 1984 weigert er sich, die Auslandsschulden seines Landes mit dem "Blut und den Tränen" der Bevölkerung zu bezahlen. Aber schon im August 1985 erklärte er die Bereitschaft Argentiniens, seine Auslandsverschuldung mit "Anstand" zu bedienen. Diese strategische Umorientierung verdeutlicht die Einsicht der Schuldnerländer, aus dem Weltwirtschaftssystem nicht ohne hohe Kosten ausbrechen zu können. Andererseits drohen naturgemäß auch den Kreditgeberländern bei einer Konfrontationsstrategie hohe Kosten. Hieraus folgt wiederum die zwingende Notwendigkeit, die Verschuldungsprobleme kooperativ zu lösen. Eine solche Strategie muß darauf gerichtet sein, insbesondere das Verhältnis von Verschuldung zu Exporterlösen als Maßgröße der Schuldendienstlast und der Kreditwürdigkeit der Länder zu begrenzen und möglichst zu vermindern. Nun sind die Verschuldungskrisen der vergangeneo Jahre keineswegs ein Ereignis, das die beteiligten Kreditgeber und Kreditnehmer völlig unvorbereitet getroffen hätte. Frühere Finanzkrisen liefern - wenn auch nicht im gegenwärtigen Ausmaß- hinreichend Anschauungsmaterial für Phasenabläufe. Das Problem liegt im Grundsatz bei der Aufbringung, der Übertragung und dem Empfang der Schuldendienstzahlungen. Im Mittelpunkt steht dabei das Problem, inländische Kaufkraft in die ausländische Vertragswährung zu transferieren. Das nicht weniger wichtige Aufbringungsproblem ist real - ohne ökonomische Verzerrungen - nur lösbar, wenn die zum Schuldnerdienst benötigten Mittel bei gegebener Sparquote nicht durch zusätzliche Kreditschöpfung der Zentralbanken in den Schuldnerländern, sondern aus der dafür meist noch unzureichenden volkswirtschaftlichen ErJ•
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Einleitung
sparnis über einen Handelsbilanzüberschuß in konvertibler Währung aufgebracht werden. Der-ex definitione - stets gegebene Ausgleich der Zahlungsbilanzen der Schuldnerländer müßte also durch Handelsbilanzdefizite der Industrieländer aus entsprechenden Importen gesichert sein. Erschwerend für die Handhabung der Verschuldungsprobleme kommt hinzu, daß die Kreditnehmerländer gegenwärtig nicht über himeichende Devisenreserven verfügen. Sie sind im übrigen heute nur eingeschränkt kreditfähig, zumal sich an den internationalen Finanzmärkten noch keine allgemein anerkannten Kreditwürdigkeitskriterien herausgebildet haben. Verpfändung oder gar Verkauf staatlicher Immobilien und Bodenschätze an die Gläubigerbaken sind aus innenpolitischen Gründen nur im Ausnahmefall möglich. Ins Gewicht fallende Steuererhöhungen verbieten sich meist wegen der zu geringen Belastbarkeit der Bevölkerung und ihrer negativen Wachstumseffekte. So haben die von den Regierungen meist weisungsgebundenen Währungsbehörden - auch nach zwischenzeitliehen Stabilisierungsmaßnahmen - die fast überall mehr oder weniger hohe Inflation finanziert. Real muß jedoch die Bevölkerung im Umfang des Schuldendiensttransfers über die Entwertung ihrer Sparguthaben und Kassenbestände auf Konsum verzichten. Die Aufbringung des Schuldendienstes macht dann mehr oder weniger schnell aufeinander folgende Abwertungen notwendig. Sie können die überschüssige Nachfrage abschöpfen und die Wettbewerbsfähigkeit des exportorientierten Sektors zusammen mit restriktiven wirtschafts-und währungspolitischen Maßnahmen sichern. Dies ist jedoch bei den heutigen Problemländern überwiegend nicht der Fall gewesen und hat so zur Kapitalflucht angeregt. Die Tatsache, daß hiervon in der Regel nur kleine gesellschaftliche Gruppen profitieren, weist einmal mehr darauf hin, daß strukturelle Reformen in den Entwicklungsländern z. T. durch einflußreiche Interessengruppen verhindert werden. Brasiliens und Argentiniens Währungsreformen- 1985/86 haben jedoch - zumindest vorübergehend - die inflationären Aufbringungsmethoden aufgegeben, weil sie die Bevölkerung härter treffen als eine alternative restriktive Geldpolitik. Kurzsichtige, innenpolitische Erwägungen haben diesen Stabilisierungsstrategien Ende 1986/87 ein vorläufiges Ende bereitet. Das Transferproblem ist insbesondere in Lateinamerika ungelöst geblieben, weil viele Länder den geforderten Realtransfer nicht durch Exportsteigerungen, sondern durch umfangreiche Importkürzungen erbracht haben. Die größten Schwierigkeiten bereitet die Lösung des Transferproblems jedoch den hochverschuldeten Rohstoffländern. Sie müßten durch direkte Finanzhilfen in die Lage versetzt werden, ihre Rohstoffproduktion einzuschränken, um damit ihr Angebot zu verringern, gleichzeitig notwendige Preiserhöhungen durchzusetzen und eine diversifizierte Exportproduktion aufbauen zu können.
Anlaß, Gegenstand und Vorgehensweise der Untersuchung
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Der Finanztransfer vermindert die Kaufkraft der Schuldnerländer und erhöht die der Gläubigerländer. Eine marktwirtschaftliche Lösung setzt dann die Umsetzung dieses Kaufkraftgewinns der Industrieländer in wirksame Nachfrage gegenüber den Schuldnerländern voraus. Zu fordern sind deshalb entsprechend angemessene Defizite in den Handelsbilanzen der Industrielände.r gegenüber den Entwicklungsländern. Solange die Industrieländer dieses Akzeptanzproblem nicht lösen, verhindern sie die einzig mögliche marktwirtschaftliche Lösung des Aufbringungs- und Transferproblems der Schuldnerländer. Damit entwerten sie aber auch den Wert der Auslandsforderungen ihrer Banken, an deren Stabilität sie wiederum ein ausgeprägtes Interesse haben. Direkte protektionistische Maßnahmen, nichttarifare Importhemmnisse oder öffentliche Subventionen verringernjedoch die Exporterlöse der Schuldnerländer und damit auch deren Schuldendienstfähigkeit. Die Gläubigerländer vermindern damit ihre eigenen Exportchancen. Sie verhindern gleichzeitig eine wachstumsorientierte Anpassung der Schuldnerländer, die langfristig die Voraussetzung für die Lösung der Verschuldungsprobleme ist. Die Hauptrolle bei der Lösung des internationalen Schuldenproblems fällt aber den Schuldnerländern selbst zu. Sie müssen- vielleicht unter Anleitung des IWF, der Weltbank oder anderer multilateraler Organisationen- stabile makroökonomische Rahmenbedingungen durch strukturelle Reformen ihrer Volkswirtschaften schaffen. Höhere und produktivere Investitionen, rasch wachsende Exporte und höhere Inlandsersparnisse böten dann auch dem privaten Sektor Anreize zur Kapitalinvestition und insbesondere für die Rückkehr der durch die Kapitalflucht verlorengegangenen FinanzmitteL Dann könnte sich -wie in einigen südostasiatischen Ländern- genügend Auslandskapital nicht nur für die Bedienung der Altschulden, sondern auch für neues Wachstum finden. Auf Cash Flow-Basis sind die Verschuldungsprobleme zwar mehr oder weniger unter Kontrolle. Demgegenüber zeigt sich jedoch auch in den Entwicklungsländern, in denen die außenwirtschaftliehen Probleme nicht im Mittelpunkt des Geschehens stehen, zunehmend "Schuldendienstmüdigkeit''. Diese Länder machen für ihre schlechte volkswirtschaftliche Entwicklung zu Recht den aufgrundexogener Faktoren stark erhöhten und kurzfristig zu leistenden Schuldendienst verantwortlich. Von seiten der Banken kann sicherlich nicht der erste Schritt zu einer Anpassung des Schuldendienstes getan werden. Für die Stabilität des internationalen Finanzsystems kommt es vielmehr darauf an, den Entwicklungsländern eine Perspektive aufzuzeigen, die ihnen in der Zukunft nicht nur einen hohen Schuldendienst, sondern auch höhere Wachstumsziele verspricht. Mit dem Baker-Plan, einem gleichgewichtigen Wachtstum in den Industrieländern und einer ausgeprägten Zinssenkungstendenz auf den Weltfinanzmärkten sind erste Schritte getan, die diesen strategischen Überlegungen folgen.
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Einleitung
Aus Sicht der beteiligten Parteien- Schuldnerländer, Banken, Regierungen der Kreditgeberländer und internationalen Organisationen sehen wir fünf Fragenkomplexe, die es im Zusammenhang mit den internationalen Verschuldungsproblemen anzugehen gilt: Analyse und Interpretation der Verschuldungsprobleme Einsicht in die dynamische Natur und die möglichen Ineffizienzen der Kreditnehmer-Kreditgeber-Beziehungen zwischen privaten Gläubigern und souveränen Schuldnern prozeßtechnische Fragen und Bedingungen internationaler Restrukturierungen strategische und taktische Aspekte internationaler Kreditrestrukturierungen und die Weiterentwicklung der bisherigen Lösungsstrategie. Wir legen zunächst die technisch-prozeduralen Aspekte beiseite und befassen uns im ersten Kapitel mit den theoretischen Konzepten internationaler Kreditvergabe und Verschuldung. Diese geben uns Hinweise auf Konstruktionsschwächen internationaler Finanzbeziehungen, aber auch Anhaltspunkte für Alternativen zu ihrer Verbesserung. Im zweiten Abschnitt befassen wir uns zunächst mit dem empirischen Test der theoretischen Modelle und formulieren daraus einige Thesen zum Bankenverhalten in internationalen Finanzbeziehungen. Hieran schließt sich die Untersuchung prozeßtechnischer Fragen und der Bedingungen internationaler Restrukturierungen an. Das dritte Kapitel skizziert eingangs die bisherige Strategie zur Handhabung internationaler Verschuldungsprobleme und geht dabei insbesondere auf strategische und taktische Aspekte des Kreditgeber- und Kreditnehmerver::. haltens ein. Es folgt eine Bestandsaufnahme der für das internationale Kreditgeschäft relevanten bankaufsichtlichen, bilanziellen und steuerlichen Bestimmungen, die wir für die Entstehung der Verschuldungsprobleme aber auch ihre Handhabung für relevant halten. Schließlich zeigen wir Möglichkeiten auf, internationale Restrukturierungen mittels spieltheoretischer Konzepte und Techniken zu analysieren.
Erstes Kapitel
Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen I. Theoretische Konzepte zur Analyse souveräner Risiken Länder tauschen untereinander Finanztitel aus den gleichen Gründen, wie dies Wirtschaftssubjekte innerhalb einer Volkswirtschaft tun. Sie wollen dadurch Unterschiede in folgenden Bereichen zum gegenseitigen Vorteil nutzen, und zwar bezüglich ihrer Investitionschancen, zeitlichen Einkommensstrukturen, der spezifischen, umweltbedingten Risiken, ihrer Aktivitäten sowie ihrer individuellen Risikoeinstellung. Streben wir effiziente Finanzbeziehungen an und akzeptieren hierfür das Paretakriterium als Maßgröße, ist der gemeinsame wirtschaftliche Nutzen dann maximal, wenn es keine weitere den Nutzen einer Partei verbessernde Alternative gibt, die nicht einer anderen Kosten verursacht. Der maximale gemeinsame Nutzen aus einer internationalen Finanzbeziehung ist allerdings nicht erreichbar, wenn Finanztitel nur unvollständig oder nur mit unnötigen, hohen einseitigen Kosten austauschbar sind, ohne der anderen Seite gleichzeitig Vorteile zu verschaffen. Ein globales Wohlfahrtskriterium weltweiter Nutzenmaximierung muß daher die Verteilung von Nutzen und Kosten innerhalb einzelner Länder sowie zwischen ihnen umfassen. Nutzenmaximierung ist theoretisch im wesentlichen durch drei Vorteile internationaler Finanzbeziehungen vorstellbar 1• Sie bieten einmal die Möglichkeit zu zeitlicher Konsumverlagerung. Die Höhe der dadurch möglichen Erträge und Vorteile bestimmt das Ausmaß, in dem sich die zeitlichen Profile der erwarteten Einkommen in den beteiligten Ländern unterscheiden. Weitere Vorteile internationaler Finanzbeziehungen liegen in der internationalen Risikoallokation und Risikodiversifikation. Unter Portfoliorisikoaspekten kommt es dabei wesentlich auf die unvollständige Korrelation nichtantizipierter Einkommensschwankungen an. Ganz offensichtlich begrenzen jedoch endogene, länderspezifische Risiken- wie beispielsweise die Art und Weise des volkswirtschaftlichen Managements eines Landes- die Vorteile internationaler Finanzbeziehungen. Hinzu kommen exogene Risiken in Form von Naturkatastrophen, Schwankungen von Terms of Trade und Zinssätze sowie der Aufnahmebereitschaft der Hauptabsatzmärkte. 1
Lessard und Williamson ( 1985).
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
Die effiziente und erfolgreiche Handhabung internationaler Verschuldungsproblerne setzt zunächst ein Verständnis der langfristigen Finanzbeziehungen zwischen international exponierten Banken oder Bankengruppen und ihren souveränen Schuldnern voraus. Die theoretische Abbildung dieser Beziehungen zeigt zwar den gegenseitigen Vorteil der beteiligten Parteien aus langfristigsten Kreditvereinbarungen. Mögliche Ineffizienzen rühren allerdings aus den folgenden Merkmalen internationaler Finanzierungsmärkte her: Kreditkontrakte mit souveränen Schuldnern sind juristisch nur schwer oder gar nicht durchsetzbar Informationsasymmetrien können die Wirksamkeit anderer Techniken zur Durchsetzung von Kontrakten verhindern strategisches und taktisches Verhalten der Beteiligten. Diese Merkmale internationaler Finanzbeziehungen weisen ·auf ihren spieltheoretischen und dynamischen Charakter hin. Dieser ist typisch für die dynamische Kontrakttheorie. Sie erlaubt überzeugendere Verhaltserklärungen bei langfristigen Kreditbeziehungen als dies Modelle bei vollständiger Konkurrenz, die vollständige und durchsetzbare langfristige Kontrakte unterstellen, leisten können 2 • Wir erläutern zunächst das der dynamischen Kontrakttheorie zugrundeliegende spieltheoretische Verhaltensmodell und benutzen es, um verschiedene, auf internationalen Finanzierungsmärkten anzutreffende Phänomene zu erklären 3 • Dies sind insbesondere: Kreditrationierung Restrukturierungen internationaler Kredite der hohe Anteil kurz- und mittelfristiger im Vergleich zu langfristigen Krediten. Die dynamische Kontrakttheorie erlaubt geschlossene und relativ einfache Erklärungen dieser Phänomene. Sie gibt dabei Hinweise auf mögliche Ursachen ineffizienter Kapitalallokation innerhalb bestimmter Beziehungen oder zwischen einzelnen Ländern im Marktgleichgewicht. Hieran erkennen wir die Bedeutung von Interventionen internationaler Institutionen, wie beispielswiese IWF oder Weltbank, für die verbesserte Leistungsfähigkeit der internationalen Kreditmärkte.
2 3
Crawford (1987). Wir folgen in unserer Analyse Crawford (1984).
I. Theoretische Konzepte zur Analyse souveräner Risiken
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1. Die Sichtweise der neueren Finanzierungstheorie Neuere finanzierungstheoretische Ansätze nutzen kontrakttheoretische Konzepte4 • Sie interpretieren Kredite als vertragliche Vereinbarungen zwischen Kapitalanbietern und Kapitalnachfragern. Der Kreditnehmer verpflichtet sich, dem Kreditgeber einen bestimmten Betrag an einem oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Analog zu diesem Zahlungsversprechen kann ein Kredit auch als kaufvertragliche Vereinbarung über ein Forderungsrecht angesehen werden. Die optionspreistheoretische Sichtweise von Kreditbeziehungen sieht im Kreditgeber den Stillhalter und im Kreditnehmer den Optionshalter. Dieser hat gegen Zahlung der Optionsprämie (die Zinzzahlung) das Recht erworben, entsprechend seinem spezifischen Kalkül, indem er Vor- und Nachteile seines Handeins gegenüberstellt und bewertet, den Kredit zurückzuzahlen oder in Verzug zu geraten5 • Bartransaktionen kennzeichnet ein unmittelbares quid pro quo. Die ihnen zugrundeliegenden Kontrakte sind damit "self-enforcing", d. h. sie stellen die Vertragserfüllung aus sich heraus sicher. Die Durchsetzbarkeif der Kontrakte ist per se gegeben. Kredittransaktionen zerfallen demgegenüber in die zeitlich voneinander getrennte Überlassung des Kreditbetrages gegen Zahlungsversprechen und seine Rückzahlung. Bei der Vertragsgestaltung steht deshalb die Überlegung im Vordergrund, der Kreditnehmer könnte zur Kreditrückzahlung möglicherweise nicht in der Lage oder dazu nicht willens sein. Die Verlustgefahr spiegelt sich dabei aus Sicht des Kreditgebers nicht nur in der Höhe des Zinssatzes, sondern auch in den sonstigen kreditvertraglichen Vereinbarungen. Diese sollen die Kreditgeberposition dadurch sichern, daß sie den Kreditnehmer von bestimmten Handlungen abhalten, ihn zu anderen jedoch verpflichten. Der Kreditvertrag legt weiterhin die Bedingungen fest, unter denen ein Kreditgeber zum Schutz seiner Vermögensrecht in die Aktivitäten des Kreditnehmers eingreifen kann 6 - beispielsweise im Falle von Schuldendienstproblemen eines Kreditnehmers bei anderen Krediten (cross default clause). 4 Einen problemorientierten Überblick zur Kontrakttheorie geben Crawford und Guasch (198 3). 5 Saunders (1986a). 6 Smith und Warner (1979) und in jüngster Zeit auch Drukarczyk (1986) geben einen Überblick über Vereinbarungen in inländischen Kreditverträgen, die ein effizientes Verschuldungs- und Investitionsverhalten von Kreditnehmern direkt oder indirekt sicherstellen sollen. Ryan ( 1982) und Bosch ( 1985) untersuchen die Leistungsfähigkeit kreditvertraglicher Vereinbarungen im Hinblick auf Beeinflussungsmöglichkeiten des ökonomischen Verhaltens souveräner Staaten. Sie erläutern unter anderem Vertragsklauseln, die Interventionsrechte von Kreditgebern (default clauses) und das Verhalten von Kreditnehmern (covenants) festlegen. Sie kommen allerdings zu dem Ergebnis, daß derartige Vereinbarungen überwiegend eine Absicherung gegenüber den Forderungen weiterer Gläubiger verfolgen. Zum Problem der Durchsetzbarkeit von Kreditverträgen mit souveränen Staaten verweisen wir auf unsere Ausführungen aufS. 51 ff.
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
Solchen Vereinbarungen liegen Überlegungen zugrunde, nach denen das Kreditrisiko nicht ausschließlich exogen, also durch widrige Umweltzustände bedingt ist. Es wird vielmehr als endogene Funktion der Kreditbedingungen angesehen -also des Zinses, des Volumens, der Sicherheiten, der Laufzeit und sonstiger vertraglicher Bestimmungen. Kreditverträge zielen somit darauf ab, die Anreiz- und Kontrollprobleme zu handhaben, denen sich Kreditgeber hinsichtlich des Kreditnehmerverhaltens bei Unsicherheit und asymmetrisch verteilten Informationen gegenübersehen7 • Unter diesen Bedingungen kennzeichnen spieltheoretische und strategische Komponenten die Formulierung von Kreditverträgen und auch das Verhältnis von Kreditnehmern zu Kreditgebern. Sie machen es notwendig, bereits bei der Formulierung der Verträge zu berücksichtigen, daß diese selbst schon Verhaltensänderungen der Kreditnehmer induzieren. Gelingt dies, spricht man von "a nreizkompa tiblen Verträgen" 8• 2. Dynamische Kontrakttheorie als Erklärungsrahmen internationaler Finanzmarktbeziehungen Eine realistische, theoretische Abbildung langfristiger Kreditbeziehungen setzt eine detaillierte Untersuchung der Merkmale heutiger internationaler Finanzmärkte voraus. Die hieraus abzuleitenden Erklärungsmodelle gehen von vollständiger Rationalität der involvierten Parteien aus. Im wesentlichen kennzeichnen fünf Merkmale die Struktur der heutigen internationalen Finanzmarktbeziehungen9 : I. Effiziente Kapitalallokation setzt einen komplexen intertemporalen Entscheidungsprozeß voraus. Insbesondere Entwicklungsläder benötigen für Planungszwecke eine Vorstellung darüber, wieviel und zu welchen Bedingungen sie in der Zukunft Kredite aufnehmen können. 2. Der Kreditnehmer kann nicht auf seine ausschließliche Entscheidungskompetenz über einen Zahlungsverzug verzichten. Ein Zahlungsverzug legt dem Kreditgeber im übrigen Kosten auf, die für den Kreditnehmer nicht automatisch und in voller Höhe zu Erträgen werden. Wie wir im folgenden sehen werden, kontrolliert ein Kreditgeber das Kreditnehmerverhalten typischerweise durch andere Instrumente als den Zinssatz- beispielsweise durch Kreditlimite. Das Marktgleichgewicht ist deshalb kontraktbestimmt. Die 1 Die Probleme asymmetrischer Information behandelt einführend Arrow ( 1963); vgl. auch Pauly (1969); im Zusammenhang von Warenmärkten vgl. Akerlof (1970), für Kreditmärkte Keeton (1979) sowie Stiglitz und Weiss (1981, 1983). 8 Gale und Hellwig (1985). 9 Crawford (1984, 1987).
I. Theoretische Konzepte zur Analyse souveräner Risiken
ll
Markträumung ergibt sich auf der Basis von Kreditverträgen und nicht- wie im neoklassischen Marktmodell - nur durch Kreditpreise. 3. Kreditverträge sind zwar notwendig, ihre juristische Durchsetzung ist auf internationalen Finanzierungsmärkten aber nahezu unmöglich. Es gibt keine Institution, die in der Lage wäre und die Macht dazu hätte, internationale Vertragsstreitigkeiten beizulegen. 4. Hinsichtlich der Fähigkeit eines typischen Kreditnehmers, seine zukünftigen Kreditverpflichtungen zu erfüllen, herrscht beträchtliche Unsicherheit. Eine wichtige Quelle möglicher Vorteile aus einer Kreditvergabe und Verschuldung liegt so in der Möglichkeit zur Risikoteilung. Deshalb ist es im allgemeinen keineswegs optimal, einen Vertrag so zu strukturieren, daß ein Zahlungsverzug oder eine Umschuldung unter allen vorhersehbaren Umständen nicht eintreten kann. Viele Finanzbeziehungen mit beiderseitig vorteilhaften Kreditverträgen und positiver Wahrscheinlichkeit des Vertragsverzugs oder der Umschuldung können die Verzugswahrscheinlichkeit nur dann aufNull reduzieren, wenn aufKreditvergabe insgesamt verzichtet wird. 5.Wettbewerbskräfte sind auf internationalen Finanzierungsmärkten nur begrenzt wirksam. Kreditnehmer sind höchst heterogen strukturiert; für Kreditgeber gilt dies in geringerem Maße. Damit ist der Marktwettbewerb ein nur unzureichender Ersatz für die juristische Durchsetzbarkeit von Kontrakten. Denn Kreditverträge können im Zeitverlauf Monopolmacht schaffen, auch wenn ex ante vollständiger Wettbewerb geherrscht hat, weil engagierte Kreditgeber gegenüber neuen Finanziers den Vorteil haben, daß weitere Kredite die Rückzahlungswahrscheinlichkeit früherer Kredite erhöhen 10 • Generell kennzeichnet eine Kreditbeziehung, daß sie während eines Teils oder ihrer gesamten Dauer signifikante Überschüsse im Vergleich zur nächstbesten Alternative der Parteien schafft. Strategisches Verhalten beeinflußt dabei die Höhe dieses Überschusses und seine Aufteilung auf die involvierten Parteien. Dynamische Kontraktmodelle mit den genannten institutionellen Merkmalen internationaler Kreditmärkte gehen von der Standardannahme rationalen Verhaltens- also perfektem Nash-Gleichgewicht- in Situationen aus, in denen die Parteien vorteilhafte Vereinbarungen oder Kontrakte schließen kö nnen. Ineffiziente Kreditmarktergebnisse erklären sich dann aus realen Grenzen der Fähigkeit der Parteien, Allokations- oder Anreizprobleme durch Vereinbarungen oder Kontrakte zu handhabenll. Wesentliches Unterscheidungskriterium dynamischer Kontraktmodelle ist die Art und Weise, in der die Parteien ihre Vereinbarungen durchsetzen können. Hier sind in Abhängigkeit von der Umwelt drei Durchsetzungsmethoden möglich. Alle drei finden sich in der Literatur über Kreditmärkte, in 10
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Hellwig (1977). Crawford (1984, 1987).
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
einigen Fällen sogar innerhalb desselben Modells. Hier kommt es auf die Art des Erinnerungsvermögens an, das bei den Parteien unterstellt wird. Dabei können ihre Aktionen Wirkungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der untersuchten Beziehung haben. Ihre Handlungsmotive beeinflußt also, ob auf sie Reputationseffekte außerhalb der Beziehung wirken. 3. Typologie relevanter Kontraktarten
Kreditbeziehungen sind durch explizite und implizite Kontrakte gekennzeichnet. Ein formal kurzfristiger Kredit dient beispielsweise der Finanzierung einer langfristigen Investition. Schuldner und Gläubiger haben dabei stillschweigend ein implizites Übereinkommen darüber getroffen, die Kreditlaufzeit- abgesehen von außergewöhnlichen Umständen- zu verlängern. Ein solcher kurzfristiger Kontrakt ist für den Kreditgeber vorteilhaft, denn er eröffnet ihm im Prolongationsfall zusätzliche Einflußmöglichkeiten auf den Kreditnehmer 12 • Bei der Finanzierung langfristiger Investitionen durch kurzfristige Kreditmittel ist der Kreditnehmer vor unfairer Vorteilnahme des Kreditgebers, zum Beispiel durch Kreditkündigung zur Unzeit, geschützt. Den Kreditgeber hindern hieran sein Interesse an der Aufrechterhaltung seiner Reputation als verläßlicher Geschäftspartner, der Wettbewerb durch andere Kreditgeber sowie - allerdings in geringerem Maße -auch rechtliche Bestimmungen. Die negative Signalwirkung einer Kreditverweigerung bereits engagierter Kreditgeber begrenztjedoch den Wettbewerb durch andere Kreditgeber, weil bereits engagierte Gläubiger erwartungsgemäß über einen besseren Informationsstand als Außenstehende verfügen 13 • In gleicher Weise wirken die Kosten des Wechsels einer Bankverbindung 14 • Sie entstehen dem Kreditnehmer 1 ~ Derartige Einflußmöglichkeiten betonen Rudolph ( 1981 b) für den allgemeinen Kreditmarktfall, Guttentag und Herring (1983a, b) im internationalen Kreditzusammenhang. Grassmann und van Huyck ( 1985) sehen im Zahlungsverzug eines souveränen Schuldners im Falle für ihn ungewöhnlich adverser Umweltzustände ein implizites Übereinkommen zwischen Schuldnern und Gläubiger, mit einer Umschuldung unter diesen Umständen die Schuldendienstverpflichtungen anzupassen. · 13 Die Wirksamkeit derartiger "Signaleffekte" ist auf internationalen Kreditmärkten bereits vor Eintritt von Verschuldungsproblemen einzelner Länder beobachtbar. Der Markteintritt neuer Kreditgeber ist dann kaum mehr gegeben. Allerdings sind Überlegungen vorstellbar und in der Realität auch festzustellen, die neue Wettbewerber auch bei sich vermindernder Bonität eines souveränen Schuldners zur Kreditvergabe veranlassen. Diese können strategisch-politischen Charakter haben, durch ein Portfoliokalkül oder aber Überlegungen bezüglich der Sicherung des Zugangs zu langfristig attraktiven Absatzmärkten bestimmt sein. So ließe sich beispielsweise die extrem starke Erhöhung der Kreditvergabe japanischer Banken vor Eintritt der Verschuldungsprobleme Mexikos 1982 erklären. Vgl. auch unsere Ausführungen aufS. 124 ff. und 130 f. 14 Die Bedeutung der Kosten des Wechsels einer Bankverbindung für die Preissensitivität von Kreditnehmern untersucht Krümme! (1964).
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unter anderem durch die von ihm einem neuen Kreditgeber zu stellenden Informationen. Weiterhin können wir feststellen, daß sich in der Realität die Formulierung vollständiger Verträge unter Effizienzgesichtspunkten verbietet. Die dadurch verursachten Kosten, alle in der Zukunft vorstellbaren Entwicklungen vorherzusehen und optimale Reaktionen der beteiligten Parteien auf alle denkbaren hypothetischen Umweltzustände festzulegen, wäre prohibitiv. Sicherlich ist es unmöglich, alle denkbaren Umweltzustände zu erfassen. Außerdem sind viele hypothetische Zustände höchst unwahrscheinlich und ökonomisch weitgehend irrelevant 15 • Bedingte vertragliche Vereinbarungen haben allerdings den Vorteil, für zukünftige Umweltzustände bereits optimale Reaktionen der beteiligten Parteien festzulegen. Geeignet sind hierzu nur Faktoren, die auch beobachtbar sind. Asymmetrische Informationsverteilung in Kreditbeziehungen - also die bessere Kenntnis kreditrisikorelevanter Faktoren durch den Schuldnererschwert einen Vertragsabschluß erheblich. Nur von einer Partei beobachtbare Eigenschaften oder Leistungen können naturgemäß nicht Bestandteile "expliziter Verträge" sein. Unter diesen Umständen wäre die Vertragserfüllung nicht kontrollierbar 16 •
Für die theoretische Abbildung internationaler Finanzbeziehungen sind damit Annahmen im Hinblick auf die Beobachtbarkeit vertraglich zu fixierender Eigenschaften oder Leistungen wesentlich. Kreditnehmer können zwar Probleme aus asymmetrisch verteilten Informationen durch Aussendung glaubwürdiger, positiver "Signale" in Form bestimmter Verhaltensweisen mildern. Diese werden aber nur dann für den Kreditgeber nützliche Informationen enthalten, wenn falsche Signale hinreichend hohe Kosten verursachen 17• Die Parteien eines Vertrages können dessen Durchsetzung am einfachsten ganz offensichtlich dadurch sicherstellen 18 , daß sie die direkt entstehenden Kosten und Vorteile ihrer künftigen Handlungen beeinflussen. Ein rechtlich bindender Kontrakt, der für Verstöße gegen explizite Vereinbarungen Strafen festlegt, ist ein gutes Beispiel für derartige Durchsetzungsmechanismen. Entsprechend sind auch andere Maßnahmen, beispielsweise irreversible Investitionen, zu interpretieren, die zu einer Verminderung der Wahrscheinlichkeit der Zahlungseinstellung führen . Hierbei handelt es sich um explizite 15 Klein (1985) erläutert die Gründe für die Existenz unvollständiger Kontrakte angesichts hoher Kosten vollständiger, vertraglicher Formulierung und wirksamer, impliziter, vertraglicher Durchsetzungsmechanismen. 16 Als Standardreferenz Akerlof (1970). 17 Ross (1977), Stiglitz und Weiss (1981). 18 Zur Durchsetzung von Verträgen im folgenden vgl. unsere Ausführungen aufS. 11 f. und Crawford (1984, 1987).
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Kontrakte. Deren rechtliche Durchsetzbarkeit ist bei den von uns betrachteten internationalen Finanzbeziehungen zwar nicht möglich. Andererseits existieren jedoch weitere, in diesem Zusammenhang relevante, alternative Instrumente zur Durchsetzung expliziter Kontrakte. Ein weiteres Mittel zur Durchsetzung von Verträgen kann die Drohung einer Partei bieten, bei Vertragsverletzung eine gegebene Beziehung zu beenden. Sie kann einen Anreiz bieten, Vereinbarungen einzuhalten, in denen für jede Partei die kurzfristigen Vorteile aus einem .,Betrug" zu keiner Zeit die erwarteten, diskontierten, künftigen Vorteile aus der Beziehung übersteigen. Dies gilt auch dann, wenn der jeweils anderen Partei bei Vertragsverletzung keine direkten Kosten auferlegt werden können 19• Eine derartige Durchsetzung basiert auf einem internen impliziten Kontrakt. Implizit, weil diese Vereinbarung nicht schriftlich niederzulegen ist, sondern von der Art der Handlungen abhängt, die beide Parteien veranlassen, ihre Drohungen wahrzumachen. Intern ist der Kontrakt, weil die zur Durchsetzung der Vereinbarung angedrohten Strafen ausschließlich das Innenverhältnis beider Parteien betreffen. Schließlich könnten die Parteien die Vertragsdurchsetzung dadurch bewirken, daß sie ihre Reputation mit der Vertragserfüllung verbinden. Damit dieser Mechanismus wirksam ist, muß die Vertragserfüllung von anderen Parteien beobachtbar sein. Außerdem muß die Reputation für die Vertragserfüllung in den Beziehungen mit ihnen einen gewissen gegenwärtigen oder zukünftigen Wert darstellen. Auch bei dieser Vereinbarung ist es ebenfalls nicht notwendig, sie auszusprechen. Die Vertragseinhaltung bewirkende Kosten sind hier allerdings im wesentlichen außerhalb der Beziehung zu suchen. Deshalb sprechen wir in diesem Fall von externen impliziten Kontrakten. Die Möglichkeit, explizite Kontrakte zu verwenden, hängt von institutionellen Bedingungen und anderen physischen Merkmalen der Umwelt abeinschließlich der Präferenzen der beteiligten Parteien. Die Durchsetzung expliziter Verträge erfolgt typischerweise in Verbindung mit physischen Aktiva, wie investiertem Kapital, hinterlegten Anleihen oder, bei rechtlich durchsetzbaren Verträgen, mit Urkunden. Die rechtliche Durchsetzbarkeit verlangt die Verifizierbarkeit der Kontraktbedingungen gegenüber einer dritten Partei. Dies ist eine stringentere Bedingung als die Beobachtbarkeit der Vertragserfüllung, die in der Theorie für die Durchsetzung impliziter Kontrakte hinreichend ist20 • 19 Eine typische Vertragsbeziehung bleibt möglicherweise unbegrenzt vorteilhaft. Deshalb könnte man argumentieren, daß die Drohung einer Partei, die Beziehung bei Vertragsverletzungdes Partners zu beenden, nicht glaubhaft ist, weil er sich zur Ausführung der Drohung ex ante nicht verpflichten kann und ihm als auch seinem Kontrahenten dadurch Kosten entstünden. Trotzdem können derartige Drohungen mit der unterstellten Rationalität der Akteure bei Anwendung der richtigen Strategien kompatibel sein. 20 Bull (1983).
I. Theoretische Konzepte zur Analyse souveräner Risiken
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Ein vollständiger, langfristiger, juristisch durchsetzbarer, expliziter Kontrakt macht es prinzipiell möglich, alle Anreizeffekte von Vertragsverletzungen zu handhaben. Sonstige Arten expliziter Kontrakte mögen allerdings bedeutend schwächere Verpflichtungen zulassen, die bei näherer Spezifikation der Umwelt leicht kalkulierbar sind. Sobald die Parteien ihre Beziehungen mit potentiellen Partnern hoch bewerten und ihr Verhalten innerhalb des gegebenen Beziehungsverhältnisses leicht beobachtbar ist, nähern sich die Durchsetzungsmöglichkeiten externer impliziter Kontrakte denen juristisch durchsetzbarer, expliziter Kontrakte an. Die Vorteile aus vertragswidrigem Verhalten in der gegenwärtigen Beziehung sind dann mit dem Wert künftiger Beziehungen zu vergleichen; vertragswidrige Handlungen sind dabei für die Parteien außerhalb der gegebenen Beziehungen nur schwer mit Sicherheit feststellbar. Reputationen eignen sich zur Durchsetzung impliziter Vereinbarungen allerdings nur wenig. Ein interner, impliziter Kontrakt ist auch nur in dem Maße wirksam, in dem die antizipierten, künftigen Erträge bei Vertragstreue die kurzfristigen Vorteile einer Vertragsverletzung aufwiegen. Daraus ergeben sich recht enge Grenzen für durchsetzbare Verträge dieser Art. 4. Kriterien für den Verzug des Kreditnehmers Wesentlicher Bestandteil eines Kreditvertrages ist die Formulierung derjenigen Tatbestände, die den Tatbestand des Kreditnehmerverzugs (default) spezifizieren. Hieran knüpfen sich Eingriffs- und Sanktionsrechte des Kreditgebers. Finanzierungstheoretisch fallt die begriffliche Definition in einem Zwei-Perioden-Modell leicht. Ein Verzug ist immer dann gegeben, wenn der Kreditnehmer weniger als den vertraglich vereinbarten Betrag im Zahlungszeitpunkt leistet. Bei mehrperiodiger Modellstruktur ist ein Verzug erst dann gegeben, wenn der Kreditgeber formal feststellt, daß der Kreditnehmer bestimmte Vertragsvereinbarungen verletzt hat. Der Kreditgeber erklärt die Vertragsverletzung allerdings nicht automatisch; der Kontrakt gibt ihm nur das Recht dazu 21 • Der Verzug eines Kreditnehmers ist deshalb meist das Ergebnis einer Abfolge von Entscheidungen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn er sich dazu entschließt, den Schuldendienst ganz oder teilweise einzustellen. Diese Entscheidung ist wiederum häufig auf den Entschluß des Kreditgebers zurückzuführen, keinen weiteren Kredit zu gewähren. 21 ZurFormulierung internationaler Kreditverträge vgl. Ryan ( 1982), Bosch ( 1985) und die dort angegebene Literatur.
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
Kann die Beziehung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer prinzipiell über die Entscheidungsperiode hinweg andauern, dann ist die Verletzung der Schuldendienstvereinbarung - mit oder ohne "Verzugserklärung" - für den Kreditgeber weder eine notwendige noch eine hinreichende Voraussetzung dafür, einen Kredit niedriger als mit seinem Kapitalwert zu bewerten. Weil die vereinbarten Zahlungen nicht erfolgen, müssen nicht notwendigerweise auch künftige Zahlungen ausbleiben und umgekehrt. Teilnehmer und Beobachter eines derartig abgebildeten Kreditmarktes können deshalb für den Status dieser Kredite kein eindeutiges Merkmal erwarten 22 • Große Teile der jüngeren Literatur berücksichtigen die genannten Argumente nicht. Einige Autoren setzen Verzug mit Insolvenz gleich. Letztere sei gegeben, wenn die Überschuldung des Kreditnehmers eingetreten ist. Diese Bedingung ist jedoch für eine Verzugserklärung weder notwendig noch hinreichend. Denn für gewöhnlich bringt sie hohe Kosten mit sich, so daß ein arbeitendes Unternehmen (mit dem sog. Fortführungswert) oft mehr wert ist als der für seine Aktiva im Konkursfall erlösbare Liquidationswert 23 • Auf der Ebene internationaler Finanzbeziehungen droht eine Verzugserklärung darüber hinaus, Maßnahmen der Bankenaufsicht auszulösen 24 , die zunächst den Kreditgebern Kosten verursachen, danach jedoch auf ihre Kreditnehmer überwälzt zu werden drohen. Es geht damit um mehr als die Aufteilung ausstehender Forderungen bzw. eingetretener Verluste zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern. Es sind vielmehr die "externen Effekte" einer Verzugserklärung zu berücksichtigen. Denn darüber hinaus drohen Kreditgeber- und Kreditnehmerländer und dem gesamten internationalen Finanz- und Wirtschaftssystem hohe Kosten bei kurzfristig festgestellten, möglicherweise bereits eingetretenen realwirtschaftlichen Verlusten. Zahlungsverzug könnte auch durch Illiquidität des Kreditnehmers bedingt sein. Unter diesen Umständen gelingt es einem Kreditnehmer mit positivem Kapitalwert seines Vermögens nicht, den zum Schuldendienst notwendigen Teil in Zahlungsmittel umzuwandeln. Fraglich ist dabei allerdings, warum Kreditgeber nicht zu einem entsprechenden Angebot bereit sind, wenn der Kapitalwert der Aktiva eindeutig bestimmbar ist. Schließlich führt häufig 22 Hierin liegt auch ein wesentlicher Unterschied zwischen 2-Perioden- und endlichen Mehr-Perioden-Modellen. Wir meinen, solche Überlegungen in den rechtlichen Bestimmungen und der Praxis der Bankaufsicht und Bilanzierung US-amerikanischer Banken feststellen zu können. Vgl. unsere Ausführungen aufS. 241 ff. 23 Für den inländischen Kreditmarkt diskutiert van Horne ( 1976) die optimale Verzugserklärung aus Kreditgebersicht. Wir befassen uns im folgenden jedoch mit der Entscheidung aus Kreditnehmersicht angesichtsfehlender Instrumente zur Durchsetzung internationaler Kreditverträge. 24 In diesem Zusammenhang sind insbesondere höhere Eigenkapitalanforderungen, Wertberichtigungen, Abschreibungen sowie restriktivere Diversifikationsvorschriften zu nennen. Vgl. unsere Ausführungen aufS. 241 ff.
II. Kreditrationierung auf internationalen Finanzmärkten
17
erst die Kündigung von Kreditlinien zur Illiquidität des Kreditnehmers. Eine aussagefähige Theorie sollte aber gerade diese Entscheidung erklären.
II. Kreditrationierung auf internationalen Finanzmärkten Die grundlegenden Vorteile internationaler Finanzbeziehungen haben wir dargelegt 25 • Offen bleibt nunmehr die Frage nach den spezifischen Gründen und Motiven souveräner Schuldner bei ihrer Entscheidung über Volumen und Zeitpunkt ihrer internationalen Kreditnachfrage. Ungeklärt sind auch jene die Konditionen des Kreditangebots der Banken an souveräne Schuldner- insbesondere Volumen, Zins und Laufzeit- bestimmenden Faktoren. Wir leiten deshalb zunächst die Kreditnachfrage eines souveränen Schuldners aus einem einfachen makroökonomischen Modell ab. Dann skizzieren wir die möglichen Quellen internationaler Finanzangebote und untersuchen schließlich Kreditrationierungsmodelle sowohl für den allgemeinen Kreditmarktfan als auch für internationale Kreditmärkte. 1. Die Kreditnachfrage souveräner Schuldner Im allgemeinen veranlassen vier Motive ein Land, auf den internationalen Finanzierungsmärkten Kredit nachzufragen 26• Durch eine internationale Kreditaufnahme kann es zunächst einmal seine Konsumausgaben verstetigen. Bei einem im Verhältnis zu seinem erwarteten Einkommen gegenwärtig niedrigerem Einkommensniveau wird es sich möglicherweise zur Verschuldung entschließen, um das gegebene Niveau seiner Konsumausgaben beibehalten zu können. Länder mit hohen Schwankungen ihres Bruttoinlandsprodukts neigen deshalb stärker dazu, sich international zu verschulden. Andere Länder sehen einen Anlaß zu internationaler Kreditaufnahme darin, ihren Kapitalstock auf diesem Wege durch Investitionen erhöhen zu können. Die internationale Kreditaufnahme erscheint insbesondere vorteilhaft, wenn ein Land eine Differenz zwischen der marginalen inländischen Kapitalproduktivität und dem Zinsniveau auf internationalen Finanzierungsmärkten feststellt. Deshalb ist eine besonders hohe Kreditnachfrage aus Ländern mit niedriger Kapitalausstattung zu erwarten. In den siebziger Jahren hat internationale Kreditaufnahme es manchem Land darüber hinaus ermöglicht, seinen Anpassungsprozeß nach exogenen Schocks - z. B. durch Ölpreiserhöhungen- zu verstetigen. Dies erleichtert 25 26
Vgl. unsere Ausführungen aufS. 7. Eaton und Gersovitz (198lb).
2 Reinhardt
18
l. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
den Übergang zu einem niedrigeren Niveau der Konsum- und Investitionsausgaben, ohne die ansonsten, beispielsweise bei Abbruch von Investitionsprojekten, drohenden Kosten zu verursachen. Schließlich ist das Transaktionsmotiv internationaler Verschuldung zu nennen. Der Außenhandel eines Landes ist unter diesen Umständen wesentlich effizienter und kostengünstiger abzuwickeln. Die internationale Kreditnachfrage eines Landes leiten wir aus einem einfachen makroökonomischen Modell ab27 und definieren Bruttosozialprodukt (BSP) und Bruttoinlandsprodukt (BIP) dann folgendermaßen:
+
(I)
BSP
BIP
(2)
BIP
C+l+G+X-M
(3)
BSP
C
F
+ Sp + T
Dabei sind: F C I G
X
=
M
= =
Sp
T
Nettofaktorzahlungen an das Ausland inländischer Konsum inländische Investitionen Staatsausgaben Exporte von Gütern und Dienstleistungen Importe von Gütern und Dienstleistungen private Ersparnis Steuern
Bestehen die Nettofaktorzahlungen an das Ausland (F) ausschließlich aus Zinszahlungen auf die ausstehende Verschuldung und sind einseitige Transfers nicht gegeben, dann kennzeichnet Schuldnerländer ein negatives, Gläubigerländer dagegen ein positives F X und M enthalten keine Zinszahlungen. Der Leistungsbilanzsaldo (LB) ergibt sich dann als: (4)
LB=X-M+F
Den Zusammenhang zwischen Leistungsbilanz auf der einen Seite sowie Investition und Ersparnis auf der anderen bestimmen wir durch Substitution der Gleichungen (1) bis (4) und durch die Definition der Staatsersparnis (Sg) als T- G folgendermaßen (5)
LB
= (Sr + S~)
- I
Der Leistungsbilanzsaldo ist dann zweifach interpretierbar und zwar einmal als Differenz zwischen Exporten und Importen vermindert um die Zins27
Die Analyse folgt dem einperiodigen Leistungsbilanzmodell von Sachs (1981).
II. Kreditrationierung auf internationalen Finanzmärkten
19
zahlungen (Gleichung 4). Ein Leistungsbilanzdefizit impliziert danach eine ungleichgewichtige Handelsbilanz. Gleichung (5) zeigt andererseits, daß die Leistungsbilanz zur Ergänzung der inländischen Ersparnis genutzt wird, um so das gegebene Niveau inländischer Investition oder aber der Staatsausgaben aufrechtzuerhalten. Das Leistungsbilanzdefizit entspricht in diesem Modell dem internationalen Finanzierungssaldo. Die Kreditnachfrage eines Landes ist damit von den Faktoren beeinflußt, die auch die Leistungsbilanz bestimmen. Gleichung (4) beeinflussen dann die folgenden Faktoren: Terms of trade-Veränderungen, Wetterbedingungen, Exportnachfrage, Weltrohstoffpreise, Ölpreise und Importbedarf. Zinssätze und Verschuldungshöhe beeinflussen demgegenüber die Nettofaktorzahlungen an das Ausland (F) und damit den Leistungsbilanzsaldo. Bei variabler Verzinsung der gegebenen Verschuldung schwanken die Zinszahlungen entsprechend den Zinssatzänderungen und steigen mit der Verschuldung. Empirische Anhaltspunkte bieten Abbildungen I und 2. Sie zeigen das enge Verhältnis zwischen Leistungsbilanzentwicklung und Veränderung der Gesamtverschuldung einzelner Ländergruppen. Beide Größen entwickeln Abbildung 1: Leistungsbilanzdefizit und Nettoerhöhung der Auslandsverschuldung (1978- 1987) Kapitalimportierende Länder 120,---------------------------------------------, 110 100
... I
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-:? :::
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go 80
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70 60 50 40
30 1978 D
Hl79
1g8o
LB-Defizit
1981
1982 -t
1983
1984
1985
1g8s
Wachet. Auel.versch
Quelle: IWF, World Econornic Outlook, Revised Projections, Oktober 1986.
1g87
20
I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
sich offenbar weitgehend parallel zueinander. Insbesondere seit Anfang 1982 und wieder 1985liegen die Leistungsbilanzdefizite über dem Nettoverschuldungszuwachs. Es erweist sich, daß die Länder ihre Leistungsbilanzdefizite nicht mehr durch Neuverschuldung finanzieren können. Viele "finanzieren" entstehende Lücken durch auflaufende Zahlungsrückstände. Sie erklären Moratorien und streben schließlich die Restrukturierung ihrer Schulden an. Abbildung 2: Leistungsbilanzdefizit und Nettoerhöhung der Auslandsverschuldung (1978- 1987) Nichtölentwicklunqslärider 110,---------------~------------------------------·
10 Zmin ist. Den erwarteten Ertrag des Kreditgebers mit i als Zinssatz für risikofreie Anlagealternativen definieren wir dann so 34 :
(14)
rr =(I+ r) L /..((I+ r) L)- (I+ i) L
Bei Zugrundelegung vollständigen Wettbewerbs mit kostenfreiem und unmittelbarem Marktzutritt gilt rr = 0, die Kreditangebotsfunktion lautet dann: (15)
(I + r) /..((I + r) L) = I + i
Für L~Zminl (l + r) istp" = l und r= i. Für L> Zmin/(l + r)giltp" < l und > i. Der Verlauf der Kreditangebotsfunktion LA ist allerdings nicht eindeutig definiert. Bekannt ist lediglich: für L~ Zmin/ ( 1 + r) gilt r = i und für L > Zmin/ ( 1 + r) gilt r > i. Für die Kreditangebotsfunktion gilt LA = LA (r, i). r
Die Nachfrage- und Angebotskurven finden sich in Abb. 3. Der Schnittpunkt der Nachfrage- und Angebotskurven liegt bei L > Zmin (1 + r), wenn A < 1 und 33 Y2 (I + rf 1 ist gleichzeitig der größte von einem ehrlichen Kreditnehmer nachgefragte Kredit. 34 Hier sei unterstellt, daß dem Kreditgeber kein Vorteil aus der Ausübung der Strafkosten erwächst.
li. Kreditrationierung auf internationalen Finanzmärkten
25
r > i ist. Der Kreditzins liegt im Gleichgewicht über den marginalen Kapitalkosten der Kreditgeber. Ehrliche Kreditnehmer zahlen damit eine zusätzliche Prämie zu den Opportunitätskosten des Kapitals ( 1 + i), die zur Deckung der Verluste aus Krediten an ex ante nicht identifizierbare unehrliche Kreditnehmer dient. Bei vollständigem Wettbewerb ist zu erwarten, daß die vorhandenen Marktkräfte ein Gleichgewicht im Schnittpunkt von Angebot- und Nachfragekurve (E) sicherstellen. Ehrliche Kreditnehmer präferierten jedoch einen rationierten Kreditkontrakt in E' auf der Indifferenzkurve I •. Das imitierende Verhalten unehrlicher Kreditnehmer führt dann zu I1 als dem höchsten von ehrlichen und unehrlichen Kreditnehmern erreichbaren Nutzenniveau. Unehrliche Kreditnehmer bevorzugen zwar eine Kreditaufnahme in Höhe von LJ zum Zinssatz r2, ehrliche Kreditnehmer dagegen einen Kontrakt (L1, r2) im Vergleich zum nichtrationierten Kreditvertrag (L1, r.). Unehrliche Kreditnehmer präferieren regelmäßig das höhere Kreditvolumen; ihre Präferenzen werden hier allerdings nicht wirksam, weil sie sich nicht offenbaren. In E' ergibt sich somit keine beobachtbare Überschußnachfrage, obgleich sich ein Marktgleichgewicht bei einem rationierten Kreditvertrag einstellt, denn unehrlichen Kreditnehmern droht bei Entdeckung ihrer Präferenzen die Verweigerung der Kreditaufnahme. Das Modell von J affee und Russell ( 1976) geht ganz offensichtlich von zwei wesentlichen Annahmen aus. Kreditnehmer seien in sogenannte "ehrliche" und "unehrliche" zu unterteilen. Kreditgeber hättenjedoch nicht die Fähigkeit diese voneinander zu unterscheiden. Diese Argumentation übersieht zwei auf internationalen Finanzierungsmärkten feststellbare Verhaltensweisen von Schuldnern und Gläubigern. Gläubiger haben zunächst die Möglichkeit, und nutzen diese auch, Länderrisikonanalysen durchzuführen 35 • Sie haben so die Möglichkeit, "unehrliche" Kreditnachfrager zu identifizieren. "Ehrliche" Kreditnachfrager werden demgegenüber bemüht sein, ihre Bonität zu signalisieren36 , um so nicht die von Gläubigern im Modell von Jaffee und Russell (1976) geforderte Risikoprämie zur Deckung von Verlusten aus Kreditengagements mit "unehrlichen" Kreditnehmern zahlen zu müssen. Zusammenfassend meinen wir also eine übermäßig pessimistische Sicht der Autoren hinsichtlich der Fähigkeit der Banken, "ehrliche" von "unehrlichen" Kreditnehmern zu unterscheiden und hinsichtlich der Fähigkeit "ehrlicher" Kreditnehmer, ihre Bonität signalisieren zu können, feststellen zu müssen. 35 Hier sei jedoch auf unsere Kritik der Länderrisikoanalysen von Banken in Reinhardt ( 1985) verwiesen. 36 Zum "Signaling" auf internationalen Finanzierungsmärkten vgl. unsere Ausführungen aufS. 108 ff.
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
Abbildung 3: Kreditrationierung vom Typ I im Modell von Jaffee und Russell (1976)
(Zinssatz) r
0
L
(KreditvolUIIIen)
b) Das Modell von Stiglitz und Weiss
Stiglitz und Weiss ( 1981) untersuchen Kreditrationierung bei vollständigem Wettbewerb und komplexere Probleme mit adverser Selektion und moral hazard. Kreditnehmer können in diesem Modell zwischen Investitionsprojekten mit unterschiedlichem Risiko wählen. Hinreichend hohe, exogen festgelegte Kosten bei Zahlungsverzug sichern die Kredittilgung, wenn sie aufgrundder Investitionsrendite möglich ist. Bei Gate und Hellwig ( 1985) wird dies durch Übernahme der Kreditnehmergeschäfte bei Verzug sichergestellt. Das Risiko der Investitionsprojekte bestimmt also das Risiko des Zahlungsverzugs. Die Kreditgeber können es allerdings nicht beobachten und somit auch nicht zum Vertragsgegenstand machen. Unter diesen Umständen können Zinssätze Kreditgebern als Selektionsinstrument für die Auswahl von Kreditnehmern dienen, die Investitionsprojekte mit hinreichend niedrigem Risiko verfolgen. Steigende Kreditzinssätze implizieren offensichtlich höhere Kapitalkosten und führen zu niedrigeren Investitionsrenditen. Höhere Zinssätze werden nun einige Kreditnehmer davon abhalten, bestimmte Investitionen zu tätigen. Vorstellbar sind dann aber andere Kreditnehmertypen, die zwar Projekte mit geringer Erfolgswahrscheinlichkeit aber potentiell höheren Erträgen durchführen wollen. Im Durchschnitt ist zu erwarten, daß Kreditnehmer, die bereit sind, höhere
II. Kreditrationierung auf internationalen Finanzmärkten
27
Zinssätze zu zahlen, sich auch für riskantere Projekte entscheiden. Ansteigende Kreditzinsen lassen also- ceteris paribus- ein Ansteigen des durchschnittlichen Risikos des Kreditgeberportefeuilles befürchten. Kreditgeber können die unterschiedlichen Kreditnehmertypen wegen der asymmetrischen Informationsverteilung nicht unterscheiden. Die deshalb drohende adverse Selektion führt optimierende Kreditgeber zur Begrenzung des Volumens ihrer Kreditvergabe. Stiglitz und Weiss gehen von einem Zinssatz r* aus, der den erwarteten Ertrag aus einer Kreditbeziehung maximiert. Mit ansteigendem Zinssatz in Richtung r* erhöht sich der erwartete Ertrag des Kreditportefeuilles einer Bank - allerdings mit abnehmendem Zuwachs, weil höhere Zinssätze zugleich höhere Verlustwahrscheinlichkeiten implizieren. Zinssätze oberhalb des optimalen Satzes r* führen zu einer höheren Wahrscheinlichkeit der Zahlungseinstellung des Kreditnehmers und vermindern so den erwarteten Ertrag der Bank. Mit einem auf r* verminderten Zinssatz können Kreditgeber aufgrundder dann geringeren Wahrscheinlichkeit der Zahlungseinstellung ihren erwarteten Ertrag erhöhen. Stiglitz und Weiss erläutern den Kreditrationierungsprozeß im Rahmen einer graphischen Darstellung (Abbildung 4). Der Quadrant IV zeigt den Zusammenhang zwischen erwartetem Ertrag der Kredite und dem Zinssatz. Der konkave Funktionsverlauf erreicht sein Maximum bei r*. Das Kreditangebot als Funktion· des erwarteten Kreditertrags erscheint im Quadranten III. Die 45-Grad-Linie im Quadranten II spiegelt die Kreditangebotsfunktion. Angebots- und Nachfragekurven finden sich im Quadranten I. Die Kreditangebotskurve ergibt sich aus dem erwarteten Ertrag und dem Kreditvolumen. Sie ist rückwärts geneigt und erreicht ihr Maximum in r*. Die Nachfragekurve ist exogen gegeben und verläuft nach unten gerichtet. Nachfrage- und Angebotskurve schneiden sich in diesem Fall in r1 . Die sich ergebende Lücke (Z) weist auf eine über dem Angebot liegende Kreditnachfrage hin. Bei r1 ergibt sich zwar eine Markträumung- allerdings bei einem niedrigeren erwarteten Ertrag der Bank. Die Kreditgeber können ihren Ertrag allerdings erhöhen, wenn sie ein Kreditvolumen L * zum Zinssatz r* anbieten. Dies ist das Kreditrationierungsgleichgewicht. Erhöht sich allerdings das Kreditangebot oder verschiebt sich die Nachfragekurve nach innen zu einem Schnittpunkt von Nachfrage- und Angebotskurven unterhalb von r*, liegt keine Kreditrationierung vor. Der Kreditmarkt verhält sich dann entsprechend der neoklassischen Wachstumstheorie. Unter Normalbedingungen erhält ein Kreditnehmer auf durch Wettbewerb gekennzeichneten Märkten die von ihm benötigten Kapitalmittel (Abbildung 5). Unter diesen Umständen liegt der Schnittpunkt von Angebot-und Nachfragekurve unterhalb von r*; es gibt also keine Kreditrationierung. Ein plötzlicher exogener Schock führt zu einem Schnittpunkt der beiden Kurven oberhalb von r* (Abbildung 6). Der Kreditnehmer erhält dann Kredite in
28
I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
Abbildung 4: Kreditrationierung vom Typ li im Modell von Stiglitz und Weiss (1981) (l gv, ist ein höheres Wachstum bei Schuldendienstzahlung erreichbar. Für das Bruttosozialprodukt im Zeitpunkt t gelte jedoch: (52)
Y,
= Yi >~mit Yi = BIP,
da der Schuldendienst in Höhe von (1 + i,) L, entfällt. Damit erwächst dem Kreditnehmerland bei Zahlungseinstellung durch ein höheres inländisches Einkommen ein einmaliger Vorteil, weil der Ressourcentransfer ans Ausland unter diesen Umständen nicht zu leisten ist. Dieser Vorteil ist nun jedoch gegen die Nachteile aus der - nach unserer bisherigen Annahme - wegen der erzwungenen finanziellen Autarkie geringer ausfallenden künftigen Wachstumsrate (gv) abzuwägen. Damit gilt: (53)
V. Instrumente zur Handhabung der Probleme
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Die Kosten eines Landes bei Zahlungseinstellung- also die aus Kreditgebersicht indirekt verfügbaren Sicherheiten - ergeben sich dann als: (54)
Sie entsprechen damit der Differenz der Kapitalwerte der Bruttosozialproduktströme bei Zahlungseinstellung bzw. Aufrechterhaltung des Schuldendienstes. In diesem stark vereinfachten Beispiel ist der Kreditgebern verfügbare Schutz vor Zahlungseinstellung ihrer Kreditnehmer ganz wesentlich von der Differenz gR- gv, also den volkswirtschaftlichen Wachstumsraten, abhängig. Die Analyse lateinamerikanischer Problemschuldner zeigt jedoch, daß gR- gv nicht automatisch größer als Null ist. Denn bei zunehmender Schuldendiensthöhe drohtgRimmer geringer auszufallen, weil der Realtransfer ins Ausland dem inländischen Wachstumsprozeß die Grundlage entzieht. Ebenso vermindern sich mit zunehmender Höhe der Tilgungszahlungen offensichtlich auch die volkswirtschaftlichen Wachstumsaussichten. Natürlich hängen die volkswirtschaftlichen Wachstumsraten in den beiden von uns betrachteten Fällen wesentlich von den makroökonomischen Strukturen der einzelnen Schuldnerländer ab. Eine Rolle spielen hierbei die potentiell verfügbaren, gewinnbringenden Investitionen, der Anteil der mit ausländischen Krediten finanzierten Investitionen im Verhältnis zu denen mit inländischer Ersparnis finanzierten sowie das angestrebte Verhältnis von Investitition und Konsum·in einem kreditnehmenden Land.
4. Kreditgeberreputation und Glaubwürdigkeit angedrohter Sanktionen Nachdem die Höhe der von uns untersuchten Sanktionen zunächst als exogen angenommen war, haben wir die Charakteristika von Kreditnehmern herausgearbeitet, die auf eine hohe Wirksamkeit der von Kreditgebern angedrohten Sanktionen schließen lassen. Die theoretisch geschlossene Abbildung des Länderrisikos macht es aber auch erforderlich, die Entschlossenheit der Kreditgeber zu prüfen, die von ihnen angedrohten Sanktionen auch tatsächlich wahrzumachen. Ex ante können Kreditgeber zwar umfassende Sanktionen androhen. Sie können sich jedoch auf deren Realisierung bei Zahlungseinstellung eines Kreditnehmerlandes offensichtlich nicht bindend festlegen. Darüber hinaus dürfte es ihnen situationsbedingt hohe Kosten verursachen, vertragsbrüchige Kreditnehmerländer zu bestrafen. Schließlich ist zu bedenken: Eine Sanktionsausübung führt nicht notwendigerweise dazu, daß ein Land seinen Schuldendienst wieder aufnimmt. Eine Strafandrohung wird Kreditnehmern somit nicht glaubwürdig erscheinen, wenn eine 7 Reinhardt
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
Sanktionsausübung nicht im Interesse der Kreditgeber liegt. Unter diesen Umständen wird aber auch ein Kreditmarktgleichgewicht mit positiver Kreditvergabe nicht realisierbar sein. In einigen Fällen werden angedrohte Sanktionen- ohne daß sich Kreditgeber hierauf festlegen müssen - weitgehend automatisch wirksam. So werden Banken einem Land nach dessen Zahlungseinstellung ganz offensichtlich nicht bei der Abwicklung von Handes- und Finanztransaktionen behilflich sein. Sie werden vielmehr seine Guthaben gegen ausstehende Forderungen- soweit dies rechtlich zulässig ist- aufrechnen. Zur Abwicklung seiner Transaktionen wird sich ein Land dann alternativer Mittel und Wege bedienen müssen, die ihm wahrscheinlich höhere Kosten verursachen. Die Drohung mit einem Kreditembargo ist nur dann eine glaubwürdige Sanktion, wenn die Kreditverweigerung im Interesse der gegenwärtigen Kreditgeber liegt. Darüber hinaus wird sie nur wirksam sein, wenn auch keine anderen potentiellen Kreditgeber an einer Kreditvergabe interessiert sind 181 • Nun muß ein die Zahlungen einstellendes Land in der Zukunft allerdings nicht unbedingt vollständig von internationalen Kreditmärkten ausgeschlossen sein. Denkbar sind vielmehr neue Kreditgeber, denen z. B. durch Verpfandung bestimmter Exporterlöse aus einem Enklaveprojekt ein bevorzugter Gläubigerstatus eingeräumt werden könnte. Unter diesen Umständen wären die zu erwartenden höheren Zinssätze auf spätere Kredite die Kosten der Zahlungseinstellung 182 • Je höher das Volumen künftig erwarteter Kredite ist, um so größer sind auch hier die Kosten der Zahlungseinstellung. Vorstellbar ist aber auch ein nicht dauerhaftes, allerdings über Jahre oder Jahrzehnte wirksames Kreditembargo. Die Kosten der Zahlungseinstellung wären auch dann in den wegen des fehlenden Auslandskapitals entgangenen Wachstumschancen zu sehen 183 • Die relativ geringe Anzahl internationaler Banken ermöglicht wahrscheinlich ein kooperatives Zusammenspiel, bei dem sie - gemeinsames Handeln vorausgesetzt - nicht kooperative Kreditnehmer bestrafen können. Dabei sind sie jedoch wahrscheinlich auf die Unterstützung oder aber die Tolerierung der Kreditgeberregierungen angewiesen 184 • Nicht kooperationsbereiten 181 Stiglitz und Weiss (1983) heben die Bedeutung dieser Annahme unter den genannten Umständen hervor. 182 Kosten der Zahlungseinstellung in Form höherer künftiger Kreditzinsen unterstellt beispielsweise Freeman (1979) in seinem Ansatz optimaler internationaler Verschuldung aus Kreditnehmersicht. In seinem neoklassischen Ein-sektoren-Wachstumsmodell ist die Entscheidung über eine Zahlungseinstellung eng mit der Höhe der einem Kreditnehmerland dadurch entstehenden Kosten verbunden, daß es nach einer Repudiation von seinem angestrebten Wachstumspfad abgedrängt würde. 183 Hinzukommen möglicherweise auch Wachstumsverluste aufgrund des dann nicht gegebenen Zugangs zu ausländischer Technologie und Ersatzteillieferungen. 184 Vgl. unsere Ausführungen aufS. 51 ff.
V. Instrumente zur Handhabung der Probleme
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Banken drohen aus ihren Geschäftsverbindungen mit den übrigen Kreditgebern Nachteile. Für den Zusammenhalt der Bankengruppe im Hinblick auf die Ausübung von Sanktionen kommt es - neben der Höhe der aus den Geschäftsverbindungen zu den übrigen Banken erwarteten Nettoerträge -darauf an. ob sie über einen endlichen oder aber unendlichen Zeithorizont interagieren. Potentielle Kreditgeber eines Landes werden schließlich gegenüber bereits engagierten Banken über weniger Informationen verfügen. Ein Kreditembargo der gegenwärtigen Kreditgeber eines Landes wird dann Signalcharakter für alle übrigen haben und dazu führen, daß sie sich ebenfalls von neuer Kreditvergabe distanzieren 185 • Im übrigen spricht für die Abstinenz neuer Kreditgeber, daß die bereits engagierten von weiterer Kreditvergabe stärker profitieren, weil sich dadurch möglicherweise die Qualität ihrer bereits ausstehenden Engagements verbessert 186 • Schießlieh können alte Kreditgeber gegenüber neuen potentiellen Kreditgebern vor den Gerichten in deren Heimatländern vereinbarte Rangvorrechte durchsetzen und sie auch dadurch abschrecken. Derartige Klauseln sind besonders attraktiv, weil sie nicht mit den Problemen eines Verfahrens gegen souveräne Schuldner belastet sind. Die Kreditverweigerung besonders engagierter Kreditgeber bewirkt so bei Rangvorrechten bestehender Kredite gleiches Verhalten anderer 187 • Einzelnen Wirtschaftssubjekten fehlt möglicherweise aufgrund ihres naturgemäß endlichen Planungshorizonts der Anreiz, angedrohte Strafen wahrzumachen. Ein solches Verhalten kann unter Umständen die Entstehung von Kreditbeziehungen verhindern. Banken können als Organisationen mit unendlichem Planungshorizont ihren Kreditnehmern demgegenüber glaubwürdig mit der Ausführung von Sanktionen drohen, zumal die Aufrechterhaltungihrer Reputation als Kreditgeber hiervon abhängt 188 • Bankaktionäre, aber auch Einleger, haben ein besonderes Interesse an der Bestrafung vertragsbrüchiger Kreditnehmer. Dies sichert den Wert ihrer Einlagen und Anteile, die im Extremfall wertlos zu werden drohen. Den Managern amerikanischer Banken drohen darüber hinaus beispielsweise bei weitergehenden Zugeständnissen im Rahmen von Umschuldungen (Forderungsverzicht, Zinszugeständnisse, etc.) Aktionärsklagen (stockholder suits). Damit die angedrohten Kreditgebersanktionen glaubwürdig sind, müssen aber auch zumindest die haftenden Mittel der Banken die ihnen bei Strafaus18 l Greenwald, Stiglitz und Weiss (1984) sehen diese Signalwirkung im allgemeinen inländischen KreditfalL 186 Hellwig (1977), Rudolph (1981 a, b). 187 Hierauf weisen Stiglitz und Weiss (1983) hin. 188 Zur Entstehung und Bedeutung sowie dem Interesse von Spielern an der Aufrechterhaltung ihrer Reputation vgl. Wilson (1985).
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I. Kap.: Theoretische Analyse internationaler Finanzbeziehungen
übung entstehenden Kosten übersteigen. Dies trifft aber bei den großen amerikanischen Money Center Banks, die im US-Finanzsystem eine Schlüsselrolle innehaben, keineswegs zu 189 • Da Banken aus bankaufsichtliehen und anderen Gründen jedoch über hinreichende haftende Mittel verfügen müssen, stehen ihnen bei einer Konfrontationsstrategie mit Kreditnehmerländern zur Verlustkompensation eigentlich nur ihr Jahresüberschuß und die stillen Reserven zur Verfügung 190• Aber gerade sie dürften nach amerikanischem Bilanzierungsrecht bei weitem nicht im erforderlichen Maße gebildet werden 191 • 5. Ansatzpunkte zu erhöhter Effizienz internationaler Finanzbeziehungen Konstruktionsschwächen internationaler Finanzbeziehungen, die ihren theoretisch möglichen Vorteilen entgegenstehen, hatten wir insbesondere in den gegebenen Kreditmarktunvollkommenheiten sowie in der Vernachlässigung externer Effekte internationaler Verschuldung durch die Kreditnehmerländer gesehen. Unerwünschte Folge ihres Souveränitätsstatus ist die Konzentration der Kreditvergabe auf die jeweilige Regierung. Dies führt jedoch im Vergleich zu einer Lösung durch den Marktmechanismus zu ineffizienter Projektauswahl, übermäßiger Verschuldung, mangelnder Projektbindung der vergebenen Kredite sowie ineffizienter Verlustteilung. Die moral-hazardThese des Kreditgeberverhaltens bietet unseres Erachtens auch einen Erklärungsansatz für die übermäßig hohe Bankkreditvergabe an souveräne Schuldner, die Konzentration dieser Kredite aufrelativ wenige ausländische Staaten sowie ihre hohe Konzentration auf nur wenige großen Banken. Hieraus folgt unsere skeptische Beurteilung der Fähigkeit von Banken in der Vergangenheit: für ihre internationalen Kredite relevante ökonomische und politische Entwicklungen hinreichend präzise einzuschätzen das Kontrollproblem des Kreditnehmerverhaltens auf internationaler Ebene zu beherrschen und dem institutionell bedingten moral bazard-Anreiz zu widerstehen. Folgende Maßnahmen erscheinen uns daher zu einer Erhöhung der Effizienz inernationaler Finanzbeziehungen beitragen zu können: -
weiter verbesserte Publizitätsanforderungen hinsichtlich des Länderrisikoexposure der Banken
Vgl. Tabelle I im Anhang. Mertin (1983) hebt diese Restriktion - allerdings im Zusammenhang mit dem maximalen Wertberichtigungsspielraum von Banken - hervor. 191 Zum im amerikanischen Bilanzrecht vorherrschenden "true and fair view" vgl. unsere Ausführungen aufS. 248 ff. 189
190
V. Instrumente zur Handhabung der Probleme
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schrittweise verringerte relative Bedeutung der Länderrisikoexposure durch verstärkte Aktivitäten in anderen Geschäftsfeldern sukzessive Verringerung des Eindrucks, implizite Staatsgarantien würden den Zusammenbruch zumindest großer Banken verhindern Korrektur bankinterner Anreizmechanismen verbesserte Möglichkeiten zu steuerlich begünstigter Länderrisikovorsorge sowie günstigere Rahmenbedingungen für Direktinvestitionen in den Schuldnerländern. Unsere kontrakttheoretische Analyse internationaler Finanzbeziehugnen legt es schließlich nahe, bedingte Kreditverträge zu formulieren, die die systematischen Komponenten des Länderrisikos auf die internationalen Finanzierungsmärkte überwälzen. Bedingte Verträge setzen naturgemäß die Beobachtbarkeit der vertraglich fixierten Bedingungen voraus. Geeignet hierfür wären beispielsweise wesentliche exogene Determinanten eines Kreditnehmerlandes (terms of trade, Rohstoffpreisentwicklung, Zinsentwicklung, Ölpreis etc. ). Bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte dieser Kriterien hätten die Banken neue Kreditmittel verfügbar zu machen und die Kreditnehmerländer sich im Gegenzug ihrerseits zu wirtschaftspolitischen Anpassungsmaßnahmen zu verpflichten. Effizienzerhöhend würde sich ebenfalls die Überwälzung der genannten systematischen Risikokomponenten des Länderrisikos auf die internationalen Finanzierungsmärkte auswirken. Hierfür hätten die Kreditnehmerländer allerdings entsprechende Risikoprämien zu entrichten. Als Instrumente sind die diversen Optionsinstrumente vorstellbar 192 • Fraglich ist hierbei allerdings, ob die internationalen Finanzmärkte für die Schuldnerländer hinreichende Volumina zu tragfähigen Preisen verfügbar machen können.
192 Einen Überblick über die hierfür einsetzbaren Finanzinnovationen gibt Krümme! ( 1986). Hubbes ( 1987) behandelt Zinsoptionen, Ebertz ( 1986) Devisenoptionen. Darüber hinaus könnten Optionen und Futures auf Rohstoffe zum Einsatz gebracht werden.
Zweites Kapitel
Die Praxis internationaler Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung Bisher haben wir uns mit theoretischen Konzepten internationaler Kreditvergabe und Verschuldung kritisch auseinandergesetzt. Wir untersuchen nun ihre empirische Relevanz und Operationalität sowie ihre Tauglichkeit angesichts der Praxis internationaler Finanzierungsmärkte. Dazu prüfen wir zunächst, ob die von uns behandelten Konzepte jüngste Entwicklungen auf internationalen Finanzierungsmärkten erklären, inwieweit sie zuverlässige Prognosen stellen, normative Handlungsanweisungen geben und künftige Problemfelder aufzeigen können. Unser Ziel ist es also, Theorie, emprische Forschung und institutionelle Faktoren der Marktpraxis miteinander zu verbinden. Dazu müssen wir uns auch mit den Prinzipien der Praxis und den Techniken internationaler Restrukturierungen befassen.
I. Operationalität und empirischer Test theoretischer Konzepte 1. Probleme empirischer Forschung
Zur empirischen Prüfung unserer theoretischen Ansätze ermitteln wir zunächst einmal die dafür wesentlichen Fakten und Daten, um daraus das Verhalten von Kreditgebern und Kreditnehmern auf internationalen Kreditmärkten zu verstehen. Hier stellen sich Fragen nach den die Kreditvergabebereitschaft der Banken und die Kreditnachfrage der Länder sowie das Volumen und die Konditionen der Verschuldung bestimmenden Faktoren. Schließlich interessieren die Umschuldungsbedingungen privater und öffentlicher Kredite sowie die Struktur der IWF-Anpassungsprogramme. Wir müssen uns aber auch mit den Motiven von Kreditgebern und Kreditnehmern auseinandersetzen und Schlußfolgerungen aus ihrem Verhalten ziehen. Ökonometrische Methoden sind hierfür zwar grundsätzlich geeignet. Sie gehen allerdings davon aus, Kreditgeber und Kreditnehmer wüßten, wie sie zu entscheiden hätten und verhielten sich auch entsprechend. Dies ist eine problematische Annahme, weil dies beide Parteien im Zeitverlauf nicht immer unter gleichen Bedingungen tun. Schließlich entscheiden Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit ökonomischer Daten darüber, ob eine ökonornetrisehe Untersuchung überhaupt sinnvoll ist.
I. Operationalität und empirischer Test theoretischer Konzepte
103
Empirische Studien untersuchen die Höhe und die Bedingungen der die Auslandsverschuldung bestimmenden Faktoren und versuchen, Anhaltspunkte zur Identifikation von Verschuldungsproblemfcillen zu liefern. Mit eigenen empirischen Untersuchen wollen wir die aus der Analyse theoretischer Konzepte abgeleiteten Determinanten der Kreditvergabe der Banken verifizieren und so die in der Literatur gefundenen Untersuchungen ergänzen. Diese dienen uns als Ausgangspunkt für die Gegenüberstellung theoretischer Modellansätze mit der Marktrealität. 2. Bestimmungsfaktoren der Auslandsverschuldung souveräner Staaten
Empirische Schätzungen der Einflußfaktoren internationaler Kapitalströme sind sowohl auf das Gesamtvolumen der Bankkredite an Schuldnerländer als auch auf die Verschuldung einzelner Länder gerichtet. Heller und Frenkel (1982) wählen als erklärende Variable für die Gesamtverschuldung ihrer untersuchten 43 Entwicklungsländer deren Bruttoinlandsprodukt (BIP), ihre Devisenreserven und den Risikoindex des "Institutional Investor". Querschnittsanalysen der Verschuldungsdaten dieser Länder aus Statistiken von Weltbank, BIZ und Federal Financial Examinations Council kommen zu relativ hohen Erklärungswerten mit überwiegend signifikanten Koeffizienten. Der IWF (1981) versucht, die Wachstumsrate internationaler Bankkredite durch die Wachstumsraten der weltweiten Importe, Welthandelsbilanzungleichgewichte und das Wachstum des volkswirtschaftlichen Vermögens zu erklären. Er findet für diese Koeffizienten ebenfalls statistisch signifikante Werte. Schätzungen der Bestimmungsfaktoren der Auslandsverschuldung einzelner Länder bereiten im Gegensatz zu Querschnittanalysen größere Schwierigkeiten. Läßt man die Problemfcille- also die Umschuldungsländer- aus der Analyse heraus, dann entspricht das beobachtbare Kreditvolumen dem Minimum entweder der von den Kreditgebern gezogenen Kreditobergrenze oder der von den Schuldnerländern ausgehenden Kreditnachfrage. Damit sind zwei Verschuldungsstadien zu unterscheiden: kreditrationierte und nicht kreditrationierte. Adäquate statistische Techniken sollten neben Koeffizientenwerten auch Wahrscheinlichkeitswerte für die Zugehörigkeit einzelner Fälle zu diesen Stadien liefern. Die mittlerweile häufiger auftretenden internationalen Verschuldungsproblemfälle machen es darüber hinaus notwendig, freiwillige und erzwungene Kreditvergabe innerhalb eines einheitlichen, geschlossenen Ansatzes zu untersuchen. Gegenwärtig berücksichtigt die Literatur 1 nur die oben genannten Stadien. Allerdings sind während des dort untersuchten Zeitraums (1970 bis 1974) sowohl die Bankkreditvergabe 1
Eaton und Gersovitz (1980, 1981a).
104 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
als auch die Problemfalle von nur geringer Bedeutung. Gleichwohl stellen Eaton und Gersovitz bei den meisten von ihnen untersuchten Ländern Kreditrationierung fest. Bei der Analyse der Volumina und der Problemfälle der internationalen Verschuldung kommt es wesentlich auf die Unterscheidung zwischen den langfristigen Charakteristika einzelner Länder - beispielsweise der Standardabweichung der TermsofTrade gegenüber ihrem Trend- und den auf sie wirkenden vorübergehenden Schocks an, d. h. der tatsächlichen jährlichen Trendabweichung der Terms of Trade. Gersovitz (1985) weist mittels graphischer Darstellung nach, daß der Verschuldungsanstieg eines Landes in der Regel mit einer Verbesserung seiner TermsofTrade verbunden ist. Ist dies tatsächlich der Fall, dann hätten diese Länder ihre Kreditaufnahme nicht zur Verstetigung ihres Konsums nutzen können, obwohl dies aufgrund theoretischer Überlegungen für Kreditnehmer attraktiv und- falls die Gesamtverschuldung unterhalb der Kreditobergrenze liegt- auch aus Kreditgebersicht wünschenswert ist. Dieses Ergebnis bestätigt zwar zunächst den Vorwurf prozyklischer Bankkreditvergabe, es bedarf aber weiterer empirischer Überprüfung.
3. Prognose von Verschuldungsproblemen Kritiker der Kreditvergabe der Banken an ausländische Staaten haben bereits frühzeitig auf die von den Banken fälschlicherweise aus dem inländischen Kreditgeschäft übertragene "cash flow-Analyse" hingewiesen, die die ökonomischen Kriterien eines Landes gegenüber den relevanten politischen Faktoren überertont 2• Besonders weit verbreitet ist dieser Analyseansatz nach dem Anstieg der Rohstoffpreise zu Beginn der siebziger Jahre. Mehrfach hat man danach versucht, Verfahren der Kreditwürdigkeitsanalyse für Unternehmen auf die Länderrisikoanalyse zu übertragen 3 • Die Übersicht statistisch signifikanter Verschuldungsindikatoren (Tabelle 1) macht die zum Teil stark unterschiedlichen Ergebnisse empirischer Untersuchungen deutlich. Zweifel hinsichtlich eines konsistenten Zusammenhangs zwischen ökonomischen Indikatoren und dem Länderrisiko drängen sich mithin auf. Fisk und Rimlinger (1979) bestätigen diese Zweifel mit ihrem Test intuitiver Prognosemethoden verschiedener Autoren. Bei der Bestimmung der Signifikanz traditioneller Variablen kommen nichtparametrische Tests hinsichtlich tatsächlich eingetretener Zahlungseinstellungen souveräner Schuldner nicht zu überzeugenden Ergebnissen. Mit ihrer Auswahl vonjeweils fünfbis zehn 2 Yassukovich (1976). Diese Kritik findet sich auch bei Wallich (1943) und bei Mintz (1951) im Hinblick auf die Anleihekreditvergabe an lateinamerikanische Länder in den
dreißiger Jahren. 3 Versuche finden sich bei Müller (1985) und Fuchs (1986).
I. Operationalität und empirischer Test theoretischer Konzepte
105
erklärenden Variablen zeigen sie vielmehr die Manipulierbarkeil von Länderrisikoanalysen in bezug auf ihr positives oder negatives Urteil über die Schuldendienstfahigkeit eines Landes. Die meisten ökonometrischen Studien internationaler Verschuldung versuchen, sogenannte Problemschuldner zu identifizieren. McDonald ( 1982) und Saini und Bates (1984) bieten ausführliche Übersichten überdie verwendeten Variablen, Schätzmethoden, Koeffizientenwerte und Prognoseerfolge dieser Ansätze. Edwards ( 1984), Taffler und Abassi (1984), Hefferman ( 1985) Kugler (1984) und McFadden (1985) sind die jüngsten Veröffentlichungen dieser Literaturrichtung. Grundlegendes Problem von Kennzahlensystemen zur Länderrisikoprognose ist die zutreffende Definition der abhängigen Variable, also der Eintritt eines Verschuldungsproblems. Frank und Cline (1971) wählen in der ältesten derartigen Studie multilaterale Kreditumschuldung entweder im Rahmen des Pariser Clubs oder unter vergleichbaren institutionellen Bedingungen. Dies ist ein ex post eindeutig definiertes und unmittelbar einleuchtendes Merkmal. Es trifft aber nicht den Kern der Diskussion über die Kreditvergabe an ausländische Staaten. Denn Banken interessiert vielmehr, wie ihre Kreditvergabe in der Vergangenheit zu bewerten bzw. in der Zukunft zu gestalten ist. Keins der in diesen ökonometrischen Studien analysierten beobachtbaren Ereignisse - wie Zahlungsrückstände, Umschuldungen oder IWF-Programme - beantwortet diese Frage. Innerhalb der durch diese Faktoren gekennzeichneten Ländergruppe befinden sich sowohl gute als auch schlechte Kreditrisiken. Mit einer ausschließlich auf bestimmte Ereignisse konzentrierten Analyse ist man nicht in der Lage, den schließlich zurückgezahlten Kreditbetrag zu ermitteln. Sogar nach einer Repudiation wird die Unterbrechung der Kreditnehmer-Kreditgeber-Beziehungen nicht unwiderruflich sein. Schließlich kann auch in sehr kritischen Situationen (ohne Repudiation) aus Kreditgeber- oder Kreditnehmersicht ein Anreiz bestehen, Verzugserklärungen bzw. Repudiationen zu vermeiden. Denn beide Schritte lösen Maßnahmen der Bankenaufsicht und anderer Behörden aus, die zunächst den Kreditgebern, dann aber auch ihren Kreditnehmern Kosten verursachen. Verschuldungsprobleme sind daher für ökonometrische Zwecke mit dem Auftreten kritischer Ereignisse nicht eindeutig definierbar. Die Wahl der effektiven Kapitalströme zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern bietet sich als Alternative zur Wahl bestimmter Ereignisse als abhängige Variable bei Verschuldungsanalysen an. Die kritische Frage ist dabei, ob ein Land mit bestimmten Merkmalen und einer bestimmten Verschuldung unter bestimmten vertraglichen Vereinbarungen seinen Schuldendienst leistet oder weitere Kredite von seinen durch bestimmte Merkmale charakterisierten Gläubigern erhält. Damit ist dann im Prinzip sowohl der
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2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Kapitalwert der Schuldendienstzahlungen an die Kreditgeber als auch die Aussicht der Kreditnehmerauf weitereFinanzierungsmittel-analog zu den Kreditangebots- und Kreditnachfragefunktionen im Ansatz von Eaton und Gersovitz (1980, l98la)- allerdings mit mehr Stadien zu schätzen. Ein weiteres Problem von Kennzahlen ist das überwiegend veraltete Datenmaterial. Dieser Mangelließe sich zwar durch Einfügen von Prognosewerten für unabhängige Variable verringern. Trotzdem versperrt die für statistische Analysen noch immer zu geringe Anzahl von Umschuldungen nach dem zweiten Weltkrieg die Anwendung von Zeitreihenanalysen. Deshalb wendet man Querschnittsanalysen auf Gruppen unterschiedlich strukturierter Länder an. Diese gehen implizit von der Gültigkeit struktureller Parameter für unterschiedliche Länder und auch von deren Stabilität im Zeitverlauf aus. Theoretisch ist dies ganz offensichtlich nur schwer vertretbar. Im übrigen finden sich bisher kaum Überprüfungen der Ergebnisse von Kennzahlenanalysen des Länderrisikos außerhalb der jeweiligen statistischen Grundgesamtheiten4. Damit müssen wir aber die Prognosegüte von Länderrisikokennzahlen äußerst kritisch beurteilen. 4. Konditionen der Auslandskreditaufnahme souveräner Staaten
Kreditverträge mit souveränen Schuldnern spezifizieren in der Regel einen aus zwei Komponenten bestehenden Zinssatz: einen Referenzzinssatz eines internationalen Finanzzentrums (LIBOR, Primerate) und zuzüglich eine Zinsmarge (Spread). Der Referenzzinssatz wird in bestimmten Zeitabständen der Marktentwicklung angepaßt. Der Spread bleibt dagegen für die Laufzeit des Kredites konstant; er kann aber auch entsprechend einer Übereinkunft bei der Kreditvergabe ändern 5 • Neben Zinssatz und Spread enthalten internationale Kreditverträge Vereinbarungen über Laufzeit, Gebühren und sonstige Abmachungen. Diese sind Gegenstand ökonometrischer Untersuchungen. Von einer Untersuchung der Konditionenbildung auf internationalen Finanzierungsmärkten verspricht man sich Rückschlüsse auf das Kreditvergabeverhalten internationaler Banken. Dabei steht im Vordergrund des Interesses die Frage, ob und in welchem Ausmaß Banken vorhandene Länderrisiken bei der Bestimmung ihrer Kreditkonditionen berücksichtigen. Eine Ausnahme bildet Hefferman (1985). Oft wird aus optischen Gründen ein zu Beginn niedrigerer Spread vereinbart, der dann über die Kreditlaufzeit jedoch zunimmt. Donaldson (1983) Kapitel 4 zur Praxis internationaler kreditvertraglicher Regelungen. 4
5
I. Operationalität und empirischer Test theoretischer Konzepte
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a) Spread als Risikoprämie in Kreditverträgen
Obgleich wir der modernen Finanzierugstheorie bereits vielfaltige Einblicke in die Preisbildung verschiedener Finanztitel verdanken, wissen wir noch relativ wenig über die Preisbildung auf internationalen Finanzierungsmärkten. Für den Eurobondmarkt qualifizieren sich nur wenige erstklassige Kreditnehmer. Am Eurokreditmarkt hingegen partizipieren - neben den Industrieländern- relativ viele Entwicklungs- und Schwellenländer. Während es methodisch leicht ist, Risikoprämien für die an Sekundärmärkten gehandelten Aktiva zu definieren und zu berechnen, ist dies für revolvierende Kredite jedoch relativ schwierig. Es gibt zwei Gruppen von Untersuchungen: Die erste Gruppe (Sargen 1976, Britain und Cleveland 1977, Feder und Just 1977, Westemeld 1978, Angelini 1979, Haegele 1980, Goodman 1980, Davies 1982) interpretiert Spreads auf Eurokredite ausschließlich als Risikoprämien. Diese Ansätze versuchen, die Struktur der Spreads entweder durch intuitiv oder aus vorangegangenen Untersuchungen ausgewählte, unabhängige, ökonomische Variable zu erklären. Die zweite Gruppe interpretiert die Spreads ebenfalls als Risikoprämien. Ihre Autoren versuchen aber aus der Höhe der Spreads, zusätzlich den aus Kreditgebersicht erwarteten Verlust abzuleiten (Angeloni und Short 1980, Feder und Ross 1982, Edwards 1984, Fetherston 1985, Vedadi 1985). Als exemplarisch für diese Modelle skizzieren wir im folgenden drei typische Ansätze: 1. Feder und Just (1977) analysieren das Verhältnis von Spread zu Länderrisikoindikatoren. Ihr Modell des Euromarktes geht von monopolistischem Wettbewerb aus und entwickelt eine Kreditpreisfunktion, die abhängig ist von den Refinanzierungskosten der Bank, der Laufzeit des Kredites, der Elastizität der Kreditnachfrage, der Wahrscheinlichkeit von Schuldendienstproblernen und dem erwarteten Verlustprozentsatz bei Zahlungsschwierigkeiten. Beim empirischen Test dieser Gleichung gehen die Autoren von einem für alle Länder gleichen, oder aber zumindest nicht mit anderen Erklärungsvariablen korrelierten, erwarteten Verlustprozentsatz aus. Sie finden eine signifikante Korrelation der Spreads mit der Schuldendienstquote, einem Index von Exporterlösschwankungen, dem Verhältnis von Importen zu Devisenreserven, dem Verhältnis von Importen zu Bruttosozialprodukt, dem Pro-Kopf-Einkommen sowie der prognostizierten Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts. 2. Feder und Ross (1982) gehen der Frage nach, inwieweit die Preispolitik internationaler Banken mit ihren Risikobewertungen konsistent ist. Sie gehen davon aus, die Spread sei durch die Risikoeinschätzung der Banken - repräsentiert durch den Risikoindikator des ,.lnstitutional Investor" -,
110 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
die Kreditlaufzeit sowie die vereinbarte tilgungsfreie Periode bestimmt. Die Kreditpreise auf internationalen Finanzierungsmärkten sind nach dem Ergebnis dieser Studie mit der zugrunde gelegten Risikoeinschätzung der Kreditgeber konsistent. Damit ist die angemessene Höhe der Spreads hingegen noch nicht geklärt. Angesichts des mittlerweile wesentlich erhöhten Wertberichtigungsbedarfs der in Problemländer exponierten Banken6 scheint dies aus heutiger Sicht nicht der Fall zu sein. 3. Edwards ( 1984) untersucht ebenfalls, inwieweit Banken bei ihrer Kreditvergabe potentielle Verlusteaufgrund von Länderrisiken berücksichtigten. Zunächst verweist er auf ökonomische Indikatoren, die die Spreadhöhe "in gewissem Maße" beeinflussen. Aus der Spreadhöhe schließt Edwards weiter auf die zugrunde liegende Wahrscheinlichkeit der Zahlungseinstellung aus Bankensicht. Er findet schließlich, daß bis Ende 1980 die Zahlungsprobleme -zumindest von Argentinien, Mexiko und Uruguay- nicht aus den von diesen Ländern geforderten Spreads abzulesen sind. Kritisch ist zu diesen Ansätzen anzumerken, daß nicht die Umschuldungswahrscheinlichkeitdie Spread bestimmen dürfte, sondern vielmehr der erwartete Kapitalwert eines hieraus zu erwartenden Verlustes. Dieser hängt jedoch ganz offensichtlich vom Zeitpunkt des Eintritts einer Umschulung und von deren Bedingungen ab 7 • Bei den theoretischen Modellen, die dem Zusammenhang von erwartetem Verlust und Kreditwürdigkeitsindikatoren nachgehen, bleibt weiterhin unklar, in welchem Verhältnis beide zueinander stehen. Wir halten deshalb kritisch fest, daß die Ergebnisse dieser Untersuchungen zumindest Interpretationsprobleme aufwerfen. Die Wahl der statistischen Grundgesamtheit ist ein weiterer kritischer Punkt der betrachteten Modelle. Die fehlende Unterscheidung zwischen Krediten an private und öffentliche Kreditnehmer und solchen mit unterschiedlichen Laufzeiten, aber auch Krediten für bestimmte Projekte und in unterschiedlichen Währungen wirft dabei Probleme auf. Wie bei den Ansätzen zur Problemprognose von Verschuldungsländern mittels Querschnittanalysen kritisieren wir auch hier die Annahme der strukturellen und zeitlichen Stabilität der Parameter. b) Ökonomische Funktion der Spreads angesichts von Kreditmarktunvollkommenheiten
Bisher haben wir uns mit den Bestimmungsfaktoren der Spreads als Risikoprämien befaßt und auf die Frage abgehoben, ob und inwieweit Banken 6 AufS. 251 ff. untersuchen wir bankaufsichtliche und bilanzrechtliche Anforderungen an Wertberichtigungen für Länderrisiken in den wichtigsten Kreditgeberländern. 7 Folkerts-Landau (1985).
I. Operationalität und empirischer Test theoretische: Konzepte
111
diese konsistent berücksichtigt haben. Wir diskutierten außerdem, inwieweit erwartete Verluste sich aus Kreditgebersicht konsistent in den vereinbarten Spreads widerspiegeln oder- anders ausgedrückt- auf welche erwarteten Verluste die Spreadhöhe schließen läßt. Unbeantwortet blieb die Frage nach den aus Kreditgebersicht optimalen Risikoprämien. Traditionelle Risikoprämienansätze8 lassen es intuitiv vernünftig erscheinen, Kreditnehmer mit höherem erwartetem Risiko auch höhere Risikoprämien im Zins zu belasten. Ist p die Wahrscheinlichkeit eines vollständigen Kapitalverlustes des ausstehenden Kredits, i der risikofreie Zinssatz und s die Spread, dann gilt: (1)
(1 - p) (1
+ i + s)
= (1
+ r).
Soweit Zahlungseinstellungen souveräner Schuldner exogen bestimmte Ereignisse sind - also auf solche, von den Kreditnehmerländern nicht zu beeinflussende Ereignisse, wie abrupte Zinssatzerhöhungen, Terms ofTradeVerminderung, etc. zurückzuführen ist -, ist dies sicherlich der richtige Ansatz zum Verständnis der ökonomischen Funktion der Spread9 • Unsere Diskussion theoretischer Modelle internationaler Kreditvergabe und Verschuldung hat jedoch gezeigt, daß diese Sichtweise den besonderen Merkmalen des Verhältnisses privater Kreditgeber mit souveränen Schuldnern nicht Rechnung trägt. Eine Zahlungseinstellung ist- wie wir sahen auf eine Abfolge von Entscheidungen sowohl der Kreditnehmer als auch der Kreditgeber zurückzuführen. Unter diesen Umständen erscheint es wenig sinnvoll, höhere Risikoprämien zur Kompensation höherer Kreditrisiken zu verlangen. Von ihnen geht nämlich ein negativer Anreizeffekt aus. Überdies können die höheren Risikoprämien die Zahlungseinstellung nicht verhindern. Daher ist auch die Kreditgeberdrohung mit höheren Zinssätzen bei erneuter Inanspruchnahme des Kreditmarktes nach einer Zahlungseinstellung (Freeman 1979) nicht dazu geeignet, Zahlungseinstellungen abzuwenden. Unter diesen Umständen würde das Kreditnehmerland nämlich zur weiteren Kreditaufnahme verleitet, deren spätere Bedienung es bei rationalem Kalkül jedoch wahrscheinlich verweigert. Weitere Determinanten der Spread sind denkbar. So können bei einer Kredithergabe an bestimmte Länder beispielsweise höhere Kosten entstehen. Hier hat die steuerliche Behandlung von Kapitaleinkünften von Ausländern in bestimmten Kreditnehmerländern Einfluß auf die Spreads 10 • In Mexiko übernehmen in der Regel die Kreditnehmer die mexikanische Quellensteuer. Beispielsweise Fisher (1959), Yawitz (1977). Dies entspräche dem sogenannten "bald luck"-Risiko im Ansatz von Jaffee und Russe! (1976). Weiterhin müßten die Standardannahmen Risikoneutralität, Portfoliodiversifikationsmöglichkeiten und Unabhängigkeit der Portfoliorisiken erfüllt sein. 10 Vedadi (1985). 8
9
112
2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Dadurch entsteht aber gleichzeitig ein Steuerguthaben für Kreditgeber in den USA. Andere Bestandteile des Kreditvertrages -wie beispielsweise Gebühren, günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten im Interbankenmarkt zu Sätzen unter LI BOR oder aber auch sogenannte "soft returns" aufgrundweiterer Geschäfte von Kreditgebern mit dem Schuldnerland - können den Ertrag einer Kreditvergabe erhöhen 11 • Problematisch erscheint bei Risikoprämienmodellen insgesamt, daß die verwandten unabhängigen Variablen nicht aus einem theoretischen Modell abgeleitet, sondern intuitiv ausgewählt werden. Darüber hinaus kritisieren wir die fehlende Berücksichtigung weiterer kreditvertraglicher Bedingungen als erklärende Variable, denn diese Faktoren stehen auch in Märkten ohne Kreditrisiko mit der Zinshöhe in Zusammenhang. Dies gilt beispielsweise für Zinsstruktureffekte am Rentenmarkt. Allerdings könnten diese Kreditcharakteristika gerade im Zusammenhang mit intenationaler Kreditvergabe eine besondere Rolle spielen. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß Kredite mit kurzen Laufzeiten den Kreditgebern eine häufigere und effektivere Überwachung ihrer souveränen Kreditnehmer ermöglichen. Andererseits sind statistische Informationen über diese kurzfristigen Kredite nur lückenhaft. Oft ist zu befürchten, Kreditnehmer könnten bei Antizipation von Verschuldungsproblemen oder aber geringerer Kreditvergabebereitschaft internationaler Finanzierungsmärkte gerade diese kurzfristige Verschuldung ausweiten 12 • Ökonometrischen Studien (z. B. die von Feder und Ross 1982) berücksichtigen schließlich erklärende Variable, die ihrerseits bereits von Kreditgebern und Kreditnehmern unter Risikogesichtspunkten endogen bestimmt wurden. Zusammenfassend halten wir fest, daß die besonderen Charakteristika internationaler Finanzbeziehungen zwischen privaten Kreditgebern und souveränen Schuldnern es äußerst schwierig machen, Modelle zu entwickeln, die eine unzweideutige Bestimmung der Spreads für internationale Kredite ermöglichen. Bisher vorliegende Ergebnisse empirischer Untersuchungen sind deshalb mit Zurückhaltung zu beurteilen.
Wellons (1977). Dies hat beispielsweise Mexiko vor seiner Moratoriumserklärung im August 1982 getan, indem es hohe kurzfristige Kredite von japanischen Banken aufnahm. Diese waren insbesondere deshalb dazu bereit, weil sie einerseits strategischen Erwägungen ihrer Regierung Rechnung trugen, die auf die langfristige Sicherung von Erdöllieferungen sowie des Absatzmarktes Mexiko abzielten. Andererseits bot sich ihnen so eine Möglichkeit, bankaufsichtliche Beschränkungen der Kreditvergabe an souveräne Schuldner im mittel- und langfristigen Laufzeitenbereich durch die kurzfristigen Kredite zu umgehen. Vgl. unsere Ausführungen aufS. 255 ff. sowie Spindler (1984). 11
12
I. Operationalität und empirischer Test theoretischer Konzepte
113
5. Empirische Analyse der Kreditvergabe Trotz aller solcher Probleme haben wir selbst versucht, die Bestimmungsfaktoren des Kreditvergabevolumens an eine Gruppe von 23 Länder und ihre geographischen Untergruppen (Lateinamerika, Afrika, Asien) empirisch zu ermitteln. Aus der Übersicht möglicher Variable in Tabelle 2 wählen wir als abhängige Variable die Nettokreditaufnahme von privaten und öffentlichen Kreditgebern, jeweils gewichtet mit dem nominellen Bruttoinlandsprodukt ( Y.). Wir berücksichtigen dabei nur den Saldo der Kreditaufnahme im Ausland, weil er unter Risikoaspekten die relevante Größe ist. Aus dem gleichen Grund fassen wir die Kreditaufnahme von privaten und öffentlichen Kreditgebern zusammen. Wir gewichten sie schließlich mit dem nominellen Bruttoinlandsprodukt, um so der unterschiedlichen relativen Bedeutung einer Krediteinheit im Verhältnis zur Wirtschaftskraft einer sich verschuldenden Volkswirtschaft Rechnung zu tragen.
Tabelle 2: Bestimmungsfaktoren internationaler Kreditvergabe: Untersuchte Länder und Variablen I.
Untersuchte Länder: Ägypten, Algerien, Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Indien, Indonesien, Jamaika, Kenia, Kolumbien, Korea, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Philippinen, Taiwan, Thailand, Tunesien, Türkei, Ungarn, Uruguay, Venezuela
II.
Abhängige Variable: 1. Nettokreditaufnahme von: a) Banken (B431) b) Nichtbanken (B432) c) Privaten insgesamt (B430) d) Öffentlichen (B420) 2. Y 1 = Nettokreditaufnahme von privaten und öffentlichen Kreditgebem, gewichtet mit dem nominellen Bruttoinlandsprodukt ((B420 + B430) /E420) 3. Y2 Nettokreditvergabe internationaler Banken, gewichtet mit nominellen Bruttoinlandsprodukt (B431/E420)
=
III. Unabhängige Variable: 1. Exogene Variable: a) Terms of Trade (T300) b) Zinsbelastung - durchschnittlicher Zins auf Auslandskredite (P500) - realer Durchschnittszins auf Auslandskredite (P510) - Libor (LIBOR) c) OECD-Wachstum (OECD) 8 Reinhardt
114 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung 2. Politikvariable: a) - Exporte/BIP (F3l0) - lmporte/BIP (Fl80) b) - Bruttoinlandsinvestitionen/BSP (F3l0) - Inländische Ersparnis/BSP (F320) - Finanzierungslücke (F320- F3l0 = F330) - inländischer Realzins (kurzfristig) (M7l0) c) Wettbewerbsindex (T600) d) - inländische Kreditaufnahme des öffentlichen Sektors/BIP (Gl02) - Inländisches Kreditvolumen/BIP (Ml00/E400 =G202) 3. Ergebnisvariable: a) BIP-Wachstum (real) (ElOl) b) Wachstum der Exporte von Gütern und Dienstleistungen (E300) c) Änderung des Konsumpreisindex (M800) d) Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens (F5ll) e) - Gesamtverschuldung/BIP (Dl02) - Gesamtverschuldung/Exporte von Gütern und Dienstleistungen (Dl04) f) Devisenreserven/Importe von Gütern und Dienstleistungen (A505) g) - Gesamtschuldendienst/Exporte von Gütern und Dienstleistungen (P300) - Zinszahlungen/Exporte von Gütern und Dienstleistungen (P3l0) - Tilgungszahlungen/Exporte von Gütern und Dienstleistungen (P320)
Als unabhängige Variable wählen wir gängige Länderrisikoindikatoren. Dies sind exogene Variable (Terms ofTrade, Zinsbelastung, OECD-Wachstum), Politikvariable (beispielsweise Export/BIP, Bruttoinlandsinvestitionen/BSP) sowie sogenannte Ergebnisvariable (Bruttoinlandsproduktwachstum, Devisenreserven/Importe von Gütern und Dienstleistungen, Gesamtverschuldung/BIP, Gesamtverschuldung/Exporte von Gütern und Dienstleistungen). Dabei können wir uns auf die Datenbasis des Institute of International Finance (IIF) 13 stützen. Wir unterstellen, daß das Kreditgeberverhalten gegenüber Schuldnerländern von einer Kombination dieser Faktoren beeinflußt sein sollte, weil Länderrisikomanagementsysteme von Banken, die wir an anderer Stelle ausführlich untersucht haben 14, Kombinationen dieser Kennzahlen enthalten. Insbesondere interessiert uns, ob in Diskussionen mit Praktikern häufig angesprochene Verschuldungsgrenzen-repräsentiert durch das Verhältnis von Gesamtverschuldung zu BIP oder das Verhältnis der Gesamtverschuldung zu Export von Gütern und Dienstleistungen - für das Kreditvergabe13 Die Datenbasis des Institute of International Finance (IIF) hat uns entgegenkommenderweise Dr. Horst Schulmann, Managing Director, zu Zwecken dieser Untersuchung zugänglich gemacht. 14 Reinhardt ( 1985).
I. Operationalität und empirischer Test theoretischer Konzepte
115
volumenvon Bedeutung waren. Außerdem prüfen wir, ob in der Diskussion theoretischer Modelle internationaler Verschuldung gefundene positive "Signale", wie Exporte zu BIP oder Investitionen zu BSP einen statistisch signifikanten Einfluß auf das Kreditvergabevolumen an souveräne Schuldner hatten. Als Untersuchungszeitraum wählen wir die "Vor-Krisenperioden" 1979/81 und 1980/81 und die Nach-Krisenperiode 1983/84. Die Ergebnisse verschiedener Indikatorenkombinationen in Tabelle 3 machen folgendes deutlich: 1. Von den gängigen Länderrisikoindikatoren ist im Zeitraum 1979/81 für alle Länder nur das Verhältnis von Gesamtverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt (D 102) statistisch signifikant- allerdings mit falschem Vorzeichen. 2. In 1980/81 ist das Verhältnis von Gesamtverschuldung zu BIP (D 102) ebenfalls - allerdings wiederum mit falschem Vorzeichen - hoch signifikant. 3. 1983/84, also in der "Nach-Krisenperiode", ist das Verhältnis von Gesamtverschuldung zu Bruttoinlandsprodukt wiederum - allerdings mit falschem Vorzeichen- hoch signifikant. Außerdem ist das Verhältnis von Tilgungszahlungen zu Exporten von Gütern und Dienstleistungen (P 320) signifikant, und zwar mit dem erwarteten Vorzeichen. Ebenso ist das Verhältnis von Devisenreserven zu Importen von Gütern und Dienstleistungen (A 505) hoch signifikant- allerdings mit falschem Vorzeichen. 4. Bei der Analyse der Determinanten des Kreditvergabevolumens an einzelne geographische Untergruppen zeigt sich, daß Libor 1979/81 mit korrektem Vorzeichen statistisch signifikant ist. Der Durban Watson-Koeffizient liegt bei Gleichung (2) im optimalen Bereich, bei Gleichungen (I) sowie (3) und (4) am oberen bzw. unteren Toleranzbereich. Wir schließen aus diesen Ergebnissen, daß bis auf die zeitweilige Bedeutung von Libor, sowie des Verhältnisses von Verschuldung zu Exporten von Gütern und Dienstleistungen die gängigen, von Banken in ihrem Länderrisikomanagement genutzten Länderrisikoindikatoren ohne Einfluß auf das Kreditvergabevolumen an souveräne Schuldner während der untersuchten Zeitperioden waren. Aus diesem Grunde suchen wir im folgenden Abschnitt nach anderen Argumenten, die diese Vernachlässigung der Länderrisikoindikatoren durch die Gläubiger souveränder Schuldner erklären können.
( 2)
11)
=
0 0 408
Oo350
=
=
=
= =
0.162
0.387
Du rbin-\~a tson:
R'
R~
2o010
30
+
*
Oo316E-3 (-Oo 747)
E300
+
Oo522E-3 ( -1,4 2 7)
* F310
-
2o384
61
-
Oo151E-6 (- 0 0 81 1)
Oo125E-2 (-0 0 868)
Oo169E-1 ( 0 0 161)
F::eiheitsgrade:
yl
Du rbin-\\a tson:
Al
Rl
-
Oo114E-6 * ~\800 (-00497)
Oo446E-2 ( 0 0 294)
Freiheitsgrade:
y 1
.
-
Oo111E-2 ( 3 0 2 4 4)
Oo351E-3 (0 0 361)
* TJOO
0.607:::-7 (-0.288)
* P300
•
D102 +
+
(-1 0036)
+
0.10~E-1
E300
• '1'600
•
Oo249E-3 ( i . i 2 2) +
Oo940E-4 (0o241)
OoJSOE-1 (0 0 857)
-
Oo77JE-3 (00727)
;o505
* OECD
•
G202 ASOS
*
-
+
Oo252E-3 (-00437)
:: i 0 1
*
*
Ooi26E-2 (5 0 -138)
Tabelle 3: Ergebnisse der statistischen Analyse internationaler Kreditvergabe
Oo194E-4 (-Oo025)
0 o i 31 E- 2 (0 0 709)
* F 1 30
* D102
E101
* P310
*
~
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1
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0.662E-1 (4. 34 2)
0.399
0.3S6
•
"'
•
+
+
• •
-
0.487
0.769
*
E300
Berücksichtigte Länder:
+
+
0.306E-3 , ... 0. 448)
2.394
9
0.368E-4 (0.036)
:Jurbin-Watson:
F.•
R'
0.199E-2 (-3.310)
1.644
42
-
0.311E-2 * F310 (1.470)
0.451E-1 (0.496)
Freiheitsgrade:
y1
Ourbin-Watson:
R•
R'
Freiheitsgrade:
'l
*
*
( 1)
-
-
0.260E-2 * 0102 (1.238)
-
+
0 . 278E-1 (-3.272)
0.881E-3 (-3.792)
0.299E-2 * T600 (2. 874)
T300
P320
Alle Llnder, 1979 ohne Türkei (2) Alle Llnder, ohne Ägypten und Korea ( 3) Alle Llnder (4) Lateinamerika, ohne Brasilien
( 4)
( 3) +
* G202
1979 1980 1983 1979
-
1981 1981 1984 1981
(ohne (ohne (ohne (ohne
+
*
*
0 . 312E-2 * P310 (1.174)
0.448E-2 • E101 (-1.638)
F130
0102
Lag) Lag) Lag) Lag)
-
- 0.313E-2 (-0.826)
0.443E-3 (2.912)
0.188E-2 *ASOS (-1.606)
0. 148E-O ( 1. 902)
LIBOR
ASOS
Zeitraum:
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118 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung Die Verschuldungskrise rückt seit August 1982 verstärkt politische Fragen in den Mittelpunkt des internationalen Interesses. Konflikt und Kooperation entwickelten sich zwischen drei Gruppen: Banken, Kreditnehmerregierungen und Kreditgeberregierungen. Sie sind die entscheidenden Akteure bei der Steuerung der internationalen Verschuldungsprobleme. Es erscheint uns deshalb wichtig, ihr wechselseitiges Verhalten zu analysieren. Eine ausschließlich auf die Krisenperiode gerichtete Analyse läuft allerdings Gefahr, dabei einen wesentlichen Aspekt zu übersehen. Mit dem Schuldenmoratorium Mexikos im August 1982 erreichen die internationalen Verschuldungsprobleme zwar ihren Höhepunkt. Nun ergreifen endlich Kreditgeberregierungen, Notenbanken und multilaterale Institutionen die Initiative bei der Handhabung der Krise. Daß heißt allerdings nicht, sie hätten bisher keinen Einfluß ausgeübt. Tatsächlich war nämlich das internationale Bankgeschäft auch zuvor nie frei von exogenen Faktoren. Zur Erklärung des Gläubiger- und Schuldnerverhaltens auf internationalen Finanzmärkten untersuchen wir einen wesentlichen, bisher jedoch nur wenig beachteten Aspekt der internationalen Kreditvergabe. Gemeint ist das Verhältnis zwischen den großen Banken einzelner Länder, die den überwiegenden Teil der internationalen Kreditvergabe bestreiten, und ihren Heimatregierungen in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland. Im Mittelpunkt steht hier also die Frage, in welcher Weise das politische Umfeld die großen Banken bei ihrer internationalen Kreditvergabe beeinflußt hat. Der weitaus überwiegende Teil der Literatur zu internationalen Verschuldungsproblernen geht vom Primat ökonomischer Faktoren aus und berücksichtigt die politische Dimension des internationalen Bankgeschäfts nur am Rande. Im Kern heißt dies, die Existenz weltweiter ökonomischer Effizienz implizit zu unterstellen. Unsere Frage ist deshalb, warum Banken trotzdem in dem allgemein als überhöht angesehenen Ausmaß Kredite an Entwicklungsländer vergeben haben. Oftmals ist der Ölschock 1973174 Ausgangspunkt der Erklärungsansätze 15 • Darüber hinaus gibt es fünf weitere ökonomische Ansätze für die internationale Bankkreditvergabe: Makroökonomische Anreize, Marktungleichgewichte, strukturelle Veränderungen der Weltwirtschaft, die Dynamik der Finanzintermediation und strukturelle Marktungleichgewichte 16 •
15
16
Cohen (1981), Dale und Mattione (1983), Cline (1984a), Friedman (1983). Wellons (1986).
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
119
1. Ökonomische Anreize für die internationale Kreditvergabe a) Makroökonomische Anreize
Auf makroökonomischen Entwicklungen basierende Erklärungsansätze sehen die Bankkreditvergabe an Entwicklungsländer durch die Wirtschaftsund Währungspolitik der Industrieländer nach dem ersten Ölschock bestimmt. Eine expansive Politik der OECD-Regierungen führte danach zu weltweiter Inflation und zum Zusammenbruch des weltweiten Anpassungsprozesses. Folgen dieser wirtschaftspolitischen Strategien waren u. a. niedrige reale Zinssätze und hohe Rohstoffpreise. Die Banken schloßen hieraus auf eine gute Kreditwürdigkeit der Entwicklungsländer. Gleichzeitig mit dem Wachstum der OECD-Länder und des Welthandels sahen sie auch größere Exportmöglichkeiten der kreditnehmenden Länder. Hinzu kam, daß die hohe Liquidität an den internationalen Finanzierungsmärkten- insbesondere aufgrund des Anlagebedarfs der Ölgelder - die Refinanzierung der hohen Kreditvolumina ohne Schwierigkeiten ermöglichte 17 • Die von den kreditnehmenden Ländern verfolgte Strategie, ihr Wirtschaftswachstum wesentlich durch internationale Kredite zu finanzieren, war nun sicherlich rational, solange die Realzinssätze sehr niedrig oder sogar negativ waren. Ausgenommen 1975 war dies während der siebziger Jahre überwiegend der Fall gewesen, so daß das Verhältnis von Verschuldung zu Exporten - wie Tabelle 4 zeigt - annähernd stabil geblieben ist: Die reale Wachstumsrate der Exporte lag über dem Realzins. Diese Bedingung änderte sich dramatisch nach 1980. Die Realzinssätze nahmen stark zu, während das Exportvolumen der Entwicklungsländer sank. In dieser Situation hätten die Entwicklungsländer große Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaften müssen, um das Anwachsen ihrer Verschuldung zu vermindern. Dazu wäre eine starke Einschränkung der Importe oder eine starke Ausweitung der Exporte notwendig gewesen, um so den notwendigen Nettofinanztransfer zu den Industrieländern realleisten zu können. Unter der Annahme, diese ökonomischen Eckdaten würden fortbestehen, haben Banken ihre Kredite an die Entwicklungsländer vergeben 18 • Heute erkennen sie den Fehler, der darin lag, günstige Umweltfaktoren zu extrapolieren, statt in Sensitivitätsanalysen die gleichzeitige Verschlechterung mehrerer Faktoren zu berücksichtigen. Kritiker beschuldigen sie deshalb der Fehlkalkulation und Inkompetenz 19 • Eigene Erkenntnis und das Kritikerurteil verweisen auf Anreize im ökonomischen Umfeld der Kreditgeber. Sie lassen jedoch die Frage nach den 17 18
19
Bei Aliber (1984) finden sich hierzu umfangreiche Literaturverweise. Oe Vries (1984) ist eine-expost-kritische Stimme aus Bankenkreisen. Hanke! (1984).
120 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung Tabelle 4: Stabilitätsbedingungen des Verhältnisses von Verschuldung zu Export (Realzins minus Wachstumsrate des Exportvolumens•1 in Prozent)
21 größte kreditnehmende EntwicklungsIänder 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983
10,7 - 14,8 - 13,8 - 7,4 -25,8 -20,1 6,2 18,3 8,4
Lateinamerika
Asien
Mittlerer Osten und Afrika
13,8 7,6 -10,2 - 4,2 -27,3 -22,1 2,1 23,2 11,0
8,4 -29,3 - 19,1 - 16,6 -20,8 - 15,4 1,6 11,7 3,3
7,6 - 9,9 - 12,7 - 0,3 -32,0 -24,6 16,0 17,7 10,0
-
"1 Das Verhältnis von Verschuldung zu Exporten bleibt konstant, wenn der Realzins kleiner oder gleich der Wachstumsrate des Exportvolumens ist. Ein negativer Wert zeigt an, daß die Stabilitätsbedingung erfüllt ist. Der Realzins wurde aus dem Nominalzins auf der Basis der Veränderung der Exportpreise der Entwicklungsländer ermittelt. (Die Stabilitätsbedingung kann auch so formuliert werden, daß der Nominalzins kleiner oder gleich dem nominalen Wachstum der Exporterlöse ist). Quelle: de Vries ( 1984).
Ursachen für das Bankenverhalten unbeantwortet. Für das kreditnehmende Land war es auf den ersten Blick sicherlich rational, sich unter den geschilderten Umständen international zu verschulden. Warum aber haben Banken ihre Kreditvergabe an die größeren Entwicklungsländer seit Mitte der siebziger Jahre um durchschnittlich 25 Prozent p.a. anwachsen lassen? Das Tempo der Kreditvergabe verringerte sich zwar zu Beginn der achtziger Jahre; Mexiko und Argenlinien haben allerdings noch 1980 und 1981 durchschnittlieh 35 Prozent p.a. mehr Kredite erhalten20 • b) Ungleichgewichtige Bankenmärkte
Ähnlich steht es mit der Erklärung, Ungleichgewichte auf den Hauptmärkten der Banken - insbesondere hinsichtlich Nachfrage, Leistungsfähigkeit und Rentabilität - seien für das Bankenverhalten bestimmend. Internationale Banken fanden nämlich in den größeren Entwicklungsländern, anders als in den Industrieländern, die teilweise stagnierten oder aber den Banken aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht in vollem Umfang zugänglich waren, weitaus höhere Erträge und ein hohes volkswirtschaftliches, durch 20
IIF-Länderberichte.
Il. Bankverhalten und internationale Verschuldung
121
Exporte von Gütern und Dienstleistungen getragenes Wachstum 21 • Weitere ertragreiche Geschäftsmöglichkeiten neben der reinen Kreditvergabe boten sich im Leistungsverbund der Kredite mit Dienstleistungen, Einlagen, Korrespondenzbankgeschäften, lokalen Filialgründungen und der Industriefinanzierung22. Für die Kreditvergabe amerikanischer Banken an Spanien 1976 war beispielsweise die Aussicht auf eine Lizenz zur Gründung von Filialen bzw. Tochtergesellschaften bestimmend. Ähnliches gilt für die Kreditvergabe der Bank of America an Argentinien. Der Zugang zu wachsenden Bankmärkten ist jedoch nicht nur geographisch zu interpretieren. Die Kreditvergabe an bestimmte Staaten eröffnete vielmehr die Aussicht auf ein Mandat zur Emission von Anleihen und für andere Geschäfte. Aussichten auf Absatzmöglichkeiten anderer Bankprodukte, also Komplementäreffekte der internationalen Kreditvergabe, bezeichnet man als "soft returns" 23 • Dieses positive Umfeld bot also den Banken vielfache Anreize zur Kreditvergabe. Überdies war es für sie auch interessant, ihre Bilanzwachstumziele relativ einfach durch Vergabe meist großer, syndizierter, internationaler Kredite zu erreichen, anstatt mühsam am Binnenmarkt oder auf dem Wege über Projektfinanzierungen mit längerer Bearbeitungszeit, höheren Personalinvestitionen und finanztechnischem Know-How Geschäftsvolumen zu akquirieren. c) Strukturelle Veränderungen der Weltwirtschaft
Ein dritter Erklärungsansatz sieht in den strukturellen Veränderungen der Weltwirtschaft im Jahrzehnt bis 1973 die wesentliche Determinante des Bankenverhaltens. Der Trend zur Internationalisierung ihrer großen Unternehmenskunden brachte einige Banken dazu, ihnen ins Ausland zu folgen. Um den Einbruch von international orientierten Wettbewerbern in ihre Kundenbasis abzuwehren, und gleichzeitig neue Kunden hinzuzugewinnen, schloßen sich andere diesem Trend an 24 • Diese neu in den Markt eingetretenen Banken trafen bei ihrer Suche nach neuen Kunden auf Entwicklungsländer, die sich im Zuge einer langfristigen Umstrukturierung der Weltwirtschaft an der Schwelle zum Industrieland befanden25 • Nachdem viele Länder ihre Devisenregulierungen lockerten und 21 Group ofThirty (1982b) betont den Ertragsaspekt, Frieden (1981) den Wachstumsaspekt. 22 O'Brien (1981). 23 Wellons (1977) untersucht ökonomische Bestimmungsfaktoren der Bankkreditvergabe an souveräne Schuldner ausführlich. 24 Pecchioli (1983), Grube! (1977), Fieleke (1977), Walter (1985). 25 Frieden (1981 ).
122 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
den Marktzugang ausländischer Banken erleichterten, öffneten sich ihnen zunehmend die Weltfinanzmärkte26 • Allgemein wurde zudem die verstärkte Rolle des Internationalen Währungsfonds als Indiz für ein verringertes Risiko der Kreditvergabe an Entwicklungsländer gewertet2 7 • Es gab auch bankinterne Entwicklungen. Einige Autoren betonen die Veränderungen der Kreditvergabetechnik, die es den Banken ermöglichten, Interessen von Kapitalanlegern mit den Bedürfnissen der Entwicklungsländer in Einklang zu bringen. Weiterhin gelang ihnen eine weitgehende Risikoteilung der von ihnen übernommenen Risiken 28 , u. a. durch die Syndizierung internationaler Kredite sowie die sogenannten cross default-Klauseln. Neue Technologien (verbesserte Computer und Telekommunikationsverbindungenf9 ermöglichten es den Banken, ihre potentiellen Kunden direkt anzusprechen, ohne auf Korrespondenzbanken angewiesen zu sein. Folge dieser Entwicklungen ist schließlich ein weniger "sauberer" Markt 30 • Einfluß, Führungskraft und Kontrolle der relativ kleinen Zahl großer, internationaler Banken nimmtangesichtszunehmender Bedeutung und Aggressivität kleinerer und mittlerer Banken ab 31 • d) Dynamik internationaler Kreditvergabe
Die Dynamik der internationalen Kreditvergabe als Erklärungskonzept für das Bankenverhalten beruht ebenfalls auf der Vorstellung weltweiter, ökonomischer Effizienz. Danach erklären die von den Banken verfolgten Strategien selbst ihr Verhalten. So weisen einige Autoren darauf hin, daß nach dem Ölschock von 1973 allein die internationalen Finanzmärkte das Recycling der Ölgelder ermöglichen konnten 32 • Diese Ansätze sehen für die Führungsbanken internationaler Kreditsyndikate einen Anreiz zur fortgesetzten Kreditvergabe bzw. Bildung von Konsortien, weil sie von den anfallenden Gebühren wesentlich profitierten. Mit zunehmender Kreditvergabe gewann naturgemäß auch das Bestreben an Bedeutung, einmal erreichte Marktanteile zu halten 33 • Pecchioli (1983), Gerrnidis und Michalet (1984). Lipson (1981). 28 Bei unserer Diskussion der Konstruktionsschwächen internationaler Finanzbeziehungen aufS. 79 f. haben wir bereits auf die unserer Auffassung nach ineffiziente Risikoteilung zwischen Kreditnehmerländern und ihren internationalen Kreditgebern hingewiesen. 29 Date und Mattione (1983). 10 Mendelsohn ( 1980). 11 Die auf den Marktzutritt neuer Wettbewerber zurückzuführende höhere Wettbewerbsintensität und den von ihr ausgehenden Druck auf die im Konsortialgeschäft mit souveränen Schuldnern erzielbaren Spreads untersuchen Reich ( 1978), Dizard ( 1978). 12 Moffitt (1983) und die dort angeführte Literatur. n Aliber (1984), Mendelsohn (1980). 26
27
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
123
Die offensichtliche Leichtigkeit, mit der internationale Schuldner auch große Beträge an den Euromärkten erhielten, ließ schließlich den Zugang kreditnehmender Länder zu den Finanzmärkten aus Bankensicht zunehmend als Kriterium für die Kreditwürdigkeit an Bedeutung gewinnen. Die Bewertung des Marktzugangs als wesentliche Determinante der Kreditwürdigkeit ausländischer Staaten führte zwangsläufig zu folgendem fatalen Zirkelschluß: Kreditwürdig ist das Land, das Zugang zu internationalen Finanzmitteln hat; dieser Zugang ist dann gegeben, wenn ein Land kreditwürdig ist34 • Diese Auffassung verwässerte gewisse Faustregelkonventionen über die Kreditwürdigkeit souveräner Staaten - wie beispielsweise eine Schuldendienstrate von 15-20 Prozent oder Devisenreserven in Höhe von 3 Monatsimporten. Zwar wurden noch weitere qualitative und quantitative Indikatoren zur Bestimmung der Kreditwürdigkeit herangezogen. Über ihre Bedeutung bestand jedoch keine Übereinstimmung. Gilt die Zirkelschlußthese, dann folgt, daß die Schuldendienstfähigkeit kreditnehmender Länder überschätzt wurde. Sie konnten die steigende Schuldenlast offenbar nur noch aufgrund ihres ungerechtfertigt leichten Marktzugangs tragen. Wie in einem Ponzi-SpieJ3 5 - also der Finanzierung fälliger Zinszahlungen durch neue Kredite - , erhöhte die zunehmende, revolvierende Finanzierung der Zins- und Tilgungszahlungen durch neue Kredite die Anfälligkeit der Kreditnehmerländer gegenüber Änderungen in der Markteinschätzung ihrer Kreditwürdigkeit und damit auch gegenüber Ansteckungswirkungen. Bei einer solchen Finanzierung lag die Wachstumsrate der Verschuldung über der der Eigenkapitalbasis der engagierten Banken, es verschlechterte sich also das Verhältnis von Exposure zu Eigenkapital. Bei einigen amerikanischen Money Center Banks lag es bei über 80 Prozent 36 • Auch diese Eigenkapitalprobleme veranlaßten die Banken schließlich zu einer vorsichtigeren Kreditvergabe. Insgesamt haben die Banken keineswegs alle die Entwicklungen auf den internationalen Finanzierungsmärkten stets und vollständig falsch eingeschätzt; vielmehr haben ihre Regierungen sie zum Teil zur Kreditvergabe gedrängt 37 • Die Bankenaufsichtsbehörden haben es darüber hinaus versäumt, dem Länderrisikoproblem gerecht werdende Diversifikationsregeln für das internationale Bankgeschäft vorzugeben 38 • De Vries (1984). Zur Interpretation spekulativer Finanzierungsstrukturen souveräner Schuldner vgl. Weizsäcker (1979). Minsky (1982) untersucht solches Finanzierungsverhalten im allgemeinen; ähnlich Engels (1984). 36 Tabelle I im Anhang belegt dies deutlich. 37 De Vries (1984), Mertin (1984). 38 Dieses Versäumnis der Bankaufsichtsbehörden untersuchen wir ausführlich auf s. 241 ff. 34
35
124 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Die bekannteste Erklärung für übermäßiges Bankkreditvergabeverhalten stammt von Kindleberger ( 1978). Seiner Auffassung nach ist die euphorische Kreditvergabe der Mitte der siebziger Jahre sogar typisch für das internationale Bankgeschäft. Danach kommt es aufgrund überschätzter wirtschaftlicher Entwicklungschancen zu übermäßiger Kreditvergabe. Ohne internationalen Lender of Last Resort folgt der Euphorie der Kreditvergabe zwangsläufig der Zusammenbruch. Kindleberger weist darauf hin, daß sich das Muster aus Boom und Zusammenbruch im Verlauf der Jahrhunderte im internationalen Bankgeschäft vielfach wiederholt hat. So ist die Situation an den internationalen Finanzmärkten Mitte der siebziger Jahre nur eine in einer langen Reihe. e) Wettbewerbsvorteile Internationale Bankkreditvergabe läßt sich bei unterstellter Tendenz der Märkte zu weltweiter Effizienz auch mit Wettbewerbsvorteilen einiger Banken gegenüber ihren Konkurrenten erklären. Theorien der "Industrial Organisation" und des internationalen Handels 39 führen diese Wettbewerbsvorteile auf strukturelle Marktungleichgewichte zurück. Ansätze auf Basis der "Industrial Organisation" meinen, Banken aus Ländern mit wettbewerbsintensiven Märkten und geringen Margen seien effizienter im Vergleich zu solchen aus weniger wettbewerbsintensiven Märkten und hätten deshalb bessere Chancen, im internationalen Geschäft zu wachsen40 • Die Theorie des internationalen Handels sieht demgegenüber einen Wettbewerbsvorteil größerer Banken mit besserer Technologie, mit überlegenem Informationszugang oder mit niedrigeren Kapitalkosten, beispielsweise aufgrund weniger stringenter bankaufsichtlicher Regelungen.
2. Risikopolitische Strategie a) Portfoliodiversifikation Verhalten von Wirtschaftssubjekten nach den Regeln der Portfoliotheorie wird oft als höchste Form rationalen Handeins angesehen. Ziel der Kreditgeber ist dann Gewinnmaximierung bei einem bestimmten Risikoniveau. Strategisches Ziel von Banken ist es aber, eine möglichst stetige und positive Entwicklung ihrer Eigenkapitalrendite zu erreichen. Daher bemühen sich Kreditgeber um Aktiva, deren Erträge und Risiken miteinander wenig korre39
40
Park und Zwick (1985), Walter (1985). Giddy (1983), Crane und Hayes (1981).
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
125
lieren- also unsystematischer Natur und damit diversifizierbar sind 41 • Die Relevanz solcher Überlegungen für das Kreditgeberverhalten zeigt sich in der Praxis des Länderrisikomanagements internationaler Banken42 • Dort bestehen Limite für einzelne Länder, Ländergruppen, Wirtschaftssektoren etc. Diese Praxis unterstellt, daß die benutzten Kriterien tatsächlich weitgehend unsystematische Risiken auswählen. Indessen hat sich gezeigt, daß zunehmende weltwirtschaftliche Integration und Interdependenz von Industrieländern und Entwicklungsländern im finanz- und realwirtschaftlichen Bereich einen höheren als den erwarteten Anteil des systematischen, also nicht diversifizierbaren Risikos in den Portefeuilles der internationalen Kreditgeber ergeben hat. Portfoliotheoretische Regeln implizieren als Zielsetzung des Bankmanagements eine möglichst stetige Ertragsentwicklung. Hier ließe sich einwenden, Aktionäre könnten das unsystematische Risiko durch eigene Diversifikationsanstrengungen eliminieren. Daher müßte dem Bankmanagement eigentlich empfohlen werden, sich hauptsächlich mit den systematischen oder Marktrisiken zu befassen. Denn unter portfoliotheoretischen Gesichtspunkten bewerten Investoren solche Aktiva höher, die das Marktrisiko ihres Portefeuilles reduzieren und gleichzeitig einen vergleichbaren oder höheren Ertrag bieten. In dem Maße, in dem Bankrisiken systematischer Natur sind, kann eine effiziente, das Marktrisiko vermindernde Politik des Managments den Anteilswert der Aktionäre erhöhen. Banken sollten also versuchen, ihr Marktrisiko durch Diversifikation ihrer Kreditvergabe in verschiedene Länder zu reduzieren. Mit zunehmender Internationalisierung der Kreditvergabe gelang ihnen dies in der Tat zeitweilig, in idealer Weise höhere Erträge bei gleichzeitiger Verminderung des inländischen Marktrisikos zu erreichen. Während die höheren internationalen Krediterträge aus heutiger Sicht auf höhere Risiken zurückzuführen sind, resultieren sie doch teilweile auch aus der für Banken bestimmter Länder geringeren Kostenbelastung bankaufsichtlich vorgeschriebenen Eigenkapitals43. Nun ließe sich wiederum einwenden, die internationale Diversifikation reiche allein nicht aus, da die inländischen Anleger selbst in unterschiedlichen Ländern investieren können; der Marktwert der Aktien dürfte sich aus dieser Perspektive betrachtet nicht erhöhen. Hieraus folgern wir, daß sich eine Bank auf Gebiete konzentrieren sollte, auf denen sie komparative Vorteile bei der 41 Portfoliotheoretische Aspekte internationaler Kreditvergabe haben wir im Zusammenhang mit Ansteckungseffekten aufinternationalen Finanzierungsmärkten aufS. 74 ff. diskutiert. 42 Strategische Planung und Länderrisikomanagement internationaler Banken haben wir an anderer Stelle ausführlich untersucht, Reinhardt (1985). 43 Zecher ( 1983).
126 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Risikoanalyse und dem Risikomanagement hat oder aber höhere Erträge bei gleichem Risiko erzielt. Bessere Risikomanagementmöglichkeiten der Banken gegenüber atomistischen Investoren bei der Kreditvergabe an souveräne Schuldner haben wir bereits auf Aspekte ihrer Reputation und ihre Fähigkeit zu glaubwürdigen Drohungen gegenüber möglicherweise zahlungsunwilligen Ländern zurückgeführt. Darüber hinaus haben wir bereits gezeigt 44, daß Banken wegen möglicherweise wirksamer impliziter Regierungsgarantien bei der Kreditvergabe an ausländische Staaten, komparative Vorteile gegenüber atomistischen Investoren haben. Empirische Beobachtungen unterstreichen die Relevanz des portfoliotheoretisch bestimmten Verhaltens internationaler Banken. So ist beispielsweise die internationale Kreditvergabe der Banken in den USA 1974 und in den späten siebziger Jahren auch in Japan und Frankreich unmittelbar nach Aufhebung von Portfolioregulierungen wesentlich angestiegen. Die Banken versuchten so, den angestrebten Anteil internationaler Aktiva an ihrem Gesamtportfolio zu erreichen; auf den internationalen Kreditmärkten bewirkte dies unter anderem auch Druck auf die Margen. Nichtsynchronisierte Portfoliozielsetzungen der etablierten bzw. der neu hinzukommenden Banken verursachten so diesen Ertragsdruck. Neu hinzukomii,lende Banken hatten gegenüber bereits etablierten Instituten den Vortei( des größeren Diversifikationsbeitrags ihrer internationalen Kredite, da sie ihre Portfolioziele noch nicht erreicht sahen. Zusätzlich versuchten sie, mit aggressiven Preisangeboten aufgrund längerfristig orientierter Strategien Kundenbeziehungen zu etablieren, die dann weitere Geschäfte bringen sollten45 • Weiter hat sich ein gewisser Wettbewerb zwischen inländischem und internationalem Kreditgeschäft gezeigt. Die Kapitallokation richtet sich - von grundsätzlichen geschäftspolitischen Erwägungen einmal abgesehen - im wesentliche nach den erwarteten Erträgen in den beiden Bereichen46 • So sind die Banken insbesondere bei geringer inländischer Kreditnachfrage im internationalen Kreditgeschäft in der Regel aggressiver. Wir sehen darin eine Linksverschiebung der inländischen Kreditnachfragekurve, die wiederum eine Rechtsverschiebung der internationalen Kreditangebotskurve verursacht. Analog erklärt sich das Kreditvergabeverhalten in den Fällen, in denen die internationalen Erträge über denen des inländischen Kreditgeschäfts liegen. Portfolioüberlegungen können aber auch das Kreditgeberverhalten auf internationalen Kreditmärkten erklären, wenn die Erträge internationaler Kredite unter denen im inländischen Geschäft erzielbaren liegen. In diesem Falle wirken die positiven Diversifikationsbeiträge internationaler Kredite für das Gesamtportfolio der Banken als Anreiz. 44 45 46
Vgl. unsere Ausflihrungen aufS. 69 ff. Llewellyn ( 1982). Johnston (1980, 1983).
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
127
Nun können statische Portfoliomodelle das negative Verhältnis zwischen Volumen und Kreditmarge- also höheres Kreditvolumen bei niedrigeren Erträgen - auf internationalen Kreditmärkten kaum erklären. Dazu sind dynamische Elemente der Marktentwicklung heranzuziehen, wie beispielsweise die Bereitschaft der Banken, ihre internationale Kreditvergabe in den siebziger Jahren schneller als ihr Gesamtportfolio auszuweiten. In diesem Falle versuchten sie beispielsweise, ein aus ihrer Sicht gegebenes relatives Portfolioungleichgewicht zwischen inländischen zu internationalen Risiken und Erträgen zu beseitigen. Statistischen Analysen 47 zeigen, daß auch die Bereitschaft der Wirtschaftssubjekte, Finanzierungsmittel an den Euromärkten anzulegen, diesen Prozeß in gewissem Maße beeinflußte. Das rapide Anwachsen der internationalen Kreditvergabe wird so zu einem "Aufholprozeß", der sich verlangsamt, sobald Banken und Nichtbanken sich den ihren Zielsetzungen entsprechenden, ausgeglichenen Portfolios annähern oder aber bei veränderten Zielsetzungen sogar umkehrt. b) Laufzeitenpolitik
Bei ihrer internationalen Kreditvergabe gehen die Banken zunächst implizit von der Annahme aus, die kreditnehmenden Länder verfolgten eine Wirtschaftspolitik, die den Schuldendienst ermöglicht. Nur in Ausnahmen -beispielsweise in jüngster Zeit in den "Restructuring Principles" - ist diese Annahme expliziter Bestandteil des Kreditvertrages48 ; meist bleibt sie jedoch unberücksichtigt. Statt dessen versuchen die Banken, das Kr6ditnehmerverhalten durch Kredite mit nur relativ kurzen Laufzeiten zu beeinflussen, so daß Neuverhandlungen in relativ kurzen Abständen zu führen sind. Die Begrenzung von Kreditlaufzeiten ist traditionell ein risikopolitisches Mittel zur Risikobegrenzung. In dem Maße nämlich, in dem ein Kreditgeber die nähere Zukunft mit naturgemäß größerer Sicherheit prognostiziert als langfristige Entwicklungen, begrenzt eine kürzere Laufzeit die Gefahrdung durch negative wirtschaftliche Entwicklungen. Bei der internationalen Kreditvergabe dienen kürzere Laufzeiten darüber hinaus der Begrenzung des Kreditnehmer-moral hazard 49 • Sie können souveräne Kreditnehmer von kreditrisikoerhöhenden Handlungen abhalten. Denn die Kreditlinien sind dann zu einem Zeitpunt neu zu verhandeln, zu dem Kreditgeber das Kreditnehmerverhalten bereits beobachten konnten, die Kreditnehmer allerdings noch nicht in voller Höhe Zugriff auf die Investitionserträge haben 50 • Johnston (1980). Exemplarisch sei hier auf die Financing Principles der Mexican States (Anlage 1) verwiesen. 49 Vgl. unsere Diskussion der Probleme asymmetrischer Informationen bei internationalen Finanzbeziehungen aufS. 40 ff. 47
48
128 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Die Strategie, mittels kurzer Kreditlaufzeiten das Kreditnehmerverhalten zu beeinflussen, schwächtjedoch das internationale Bankensystem. Es kann sich nämlich ein falsches Vertrauen in die Sicherheit der Kreditposition einstellen. Für eine einzelne Bank kann diese Strategie sicherlich ein effektives Risikomanagementinstrument sein. Für die Banken insgesamt ist es jedoch unwirksam. Banken wird häufig der Vorwurf gemacht, sie richteten sich am Verhalten der Marktführer aus und handelten so gleichgerichtet51 • Oft tendieren sie bei ihren Entscheidungen dazu, das Verhalten anderer Banken zu vernachlässigen, weil sie meist davon ausgehen, selbst bessere Informationen zu besitzen. Kurze Laufzeiten schützen zwar den Kreditgeber mit den besseren Informationen, weil er im Krisenfall seinen Kredit abbauen kann, bevor andere Kreditgeber die veränderte Situation bemerken. Dies ist aber nur einzelnen Banken möglich. Wenn alle so handeln, wird die gesamte Kreditbeziehung zwischen Banken und Schuldnerländern krisenanfälliger. Die Laufzeitvereinbarungen sind damit zwangsläufig weniger an der Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers orientiert als vielmehr an der Notwendigkeit, das Kreditnehmerverhalten kontrollieren zu können. Die Kreditlaufzeiten sind dann zwangsläufig kürzer, als sie es aus Sicht der Schuldendienstfähigkeit sein müßten. c) Subjektive Wahrscheinlichkeit ökonomischer Schocks
Eine Erklärung, warum die Banken Risiken und Interdependenzen der internationalen Kreditbeziehungen so gering einschätzten, eröffnet die These der ,.Desasterkurzsichtigkeit" 52 • In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg sind die Verluste bei internationalen Krediten noch relativ gering. Internationale Finanzierungsprobleme treten viel weniger häufig auf als Zahlungsprobleme im inländischen Kreditgeschäft. Strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft seit den dreißiger Jahren, wie beispielsweise die Gründung internationaler Finanz- und Währungsinstitutionen, legen darüber hinaus den Schluß nahe, Erfahrungen der Vergangenheit wären für die Einschätzung künftiger Schuldendienstprobleme von nur geringer Bedeutung. Zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Zahlungseinstellung eines Landes ist keine objektive Häufigkeitsverteilung verfügbar. Sie wird wesentlich von subjektiven Einschätzungen bestimmt. Nun verringert eine zuneh5° Citicorp ( 1981) bietet Anhaltspunkte für die Relevanz solcher Fristigkeitsüberlegungen von Banken. 51 Lee ( 1981) untersucht Kreditvergabestrategien von OS-amerikanischen Banken empirisch. Er meint, ein Erklärungsgrund im Imitationsverhalten kleinerer und mittlerer Banken entdeckt zu haben. Er spricht dann von einer "follow the leader"-Strategie. 52 Guttentag und Herring (1983c).
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
129
mende zeitliche Distanz von der letzten internationalen Verschuldungskrise diese subjektive Wahrscheinlichkeit einer Krise und läßt sie im Zeitverlauf vernachlässigbar gering erscheinen53. So erklärt sich auch die These," Staaten können nicht in Konkurs gehen" 54 und ihre bisherige weitgehende Akzeptanz auf den internationalen Finanzierungsmärkten. Andererseits charakterisiert die Annahme rationaler Erwartungen den normativen Entscheidungsansatz. Danach stellen zutreffende Erwartungen der Entscheidungsträger die Marktdisziplin sicher. Wer systematisch Fehler begeht und Verluste erleidet, scheidet aus dem Geschäft aus. Dieses Argument hat jedoch hinsichtlich der Erwartungen von Ereignissen mit geringer Wahrscheinlichkeit, die dazu noch äußerst selten auftreten, wenig Bedeutung55 • Entscheidungsträger mit zutreffenden Erwartungen würden unter diesen Umständen Marktanteile verlieren. Im übrigen verstärken bankinterne Anreize, beispielsweise kurzfristig und volumenorientierte Entlohnungssysteme, hohe Mobilität und Dominanz expansionsorientierter Kreditmanager ohne Krisenerfahrung, die Tendenzen zur Desasterkurzsichtigkeit56 • Unglücklicherweise sind alle bisher untersuchten Erklärungskonzepte des Verhaltens internationaler Banken zu allgemein gehalten, um erklären zu können, warum sie während der siebziger Jahre im bekannten Ausmaß Kredite an Entwicklungsländer vergeben haben. Allen Ansätzen ist die Auffassung gemeinsam, daß - abgesehen von kreditmarkttypischen Marktunvollkommenheiten - grundsätzlich die von der Politik des jeweiligen Ursprungslandes unabhängigen Marktkräfte das Bankenverhalten beeinflussen.
53 Kunreuther (1978) sieht ähnliches Verhalten von Versicherungsnehmern beim Kauf von Versicherungen für selten eintretende Katastrophen, wie Erdbeben und Sturmfluten. Tversky und Kahneman (1973) untersuchen den Zusammenhang zwischen Häufigkeit und auf der Basis heuristischer Urteilsbestimmung gefundener Wahrscheinlichkeit. Sie bestätigen die These, daß Ereignisse mit niedriger Häufigkeit subjektiv mit niedriger Wahrscheinlichkeit erwartet werden, die - sobald sie einen gewissen Schwellenwert unterschreitet - in weitere Entscheidungen mit dem Wahrscheinlichkeitswert Null eingeht. 54 Staaten können zwar nicht in Konkurs, wohl aber bankrott gehen. Ein in internationalen Bankerkreisen sarkastisch kolportierter Spruch besagt: "Die Russen sind todsicher -entweder sie zahlen, oder sie kommen selber". Diskussionen und Quellennachweise für diese These finden sich in o. V., Why the major players allowed it to happen, in: International Currency Review, May 1984, und Löschner (1983). 55 Zur ökonomischen Bedeutung der dieses Verhalten kennzeichnenden "kognitiven Dissonanz" vgl. Akerlof und Dickens (1982). 56 Prinzipiell handelt es sich hierbei wiederum um ein Agency-Problem, vgl. unsere Ausführungen aufS. 88 f. Anhaltspunkte für negative bankinterne Anreizeffekte finden sich bei Aliber (1977) und Lombardi (1985). Zur Situation bei der Citicorp gibt o. V., Citibank's pervasive influence on internationallending, in: Business Week, May 16, 1983, anschauliche Hinweise.
9 Reinhardt
130 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
3. Politische Ökonomie internationaler Kreditbeziehungen
a) Politische Ökonomie des Bankenverhaltens
Eine alternative Erklärung des Verhaltens internationaler Banken bezieht sowohl ökonomische als auch politische Ziele ihrer Ursprungsländer in die Analyse ein. Gisselquist ( 1981) konstatiert den Wettbewerb großer Nationen um Leistungsbilanzüberschüsse. Er verbindet allerdings nicht explizit Maßnahmen der Regierungen zur Erreichung solcher Überschüsse mit der Kreditvergabe von Banken. Dies tut hingegen Spindler (1984) in seiner Untersuchung des Zusammenhangs von Außenpolitik und internationaler Kreditvergabe, wenn er auf den Einfluß übergeordneter strategischer Ziele Japans auf das Kreditvergabeverhalten japanischer Banken eingeht. Zwar besteht auch innerhalb ihrer Ursprungsländer ein gewisser Regierungsdruck auf Banken, z. B. Staatsanleihen zu kaufen oder aber volkswirtschaftlich wichtige Großunternehmen unter Kapitalverlust und Zinszuggeständnissen auch in kritischen Zeiten zu finanzieren (AEG, ARBED/ Saarstahl). Dennoch hat der politische Druck auf Banken zur Kreditvergabe an bestimmte Staaten (Jugoslawien, Polen, Mexiko) eine andere, größere Dimension erreicht57 • Die Deutsche Bank hat mit dem Hinweis auf ihre Abkehr von derartigen Entscheidungsgründen deren zeitweilige Bedeutung indirekt bestätigt58 • Zwar folgen die Banken oft Anregungen ihrer Regierungen. Deren Politik beeinträchtigt jedoch zugleich -wie so oft- die Bonität der ausländischen Kreditnehmer aufverschiedenste Weise. So gefahrdeten vor allem Hochzinspolitik und protektionistische Maßnahmen den Schuldendienst. Diese starke Abhängigkeit der Bonität einzelner Kreditnehmerländer von der Politik der Kreditgeberregierungen hat das Kreditrisiko souveräner Staaten weitgehend unkalkulierbar gemacht. Daraus erklärt sich auch die Abstinenz potentieller Anleiheinvestoren bei der Entwicklungsfinanzierung. Banken betrifft dieses Problem - wie wir bereits ausgeführt haben59 - aufgrund institutioneller Besonderheiten in geringerem Maße. Giddy( 1985) behauptet, es gäbe zwischen den großen Industrieländern auch einen Wettbewerb um Bankmarktanteile auf der Ebene bankaufsichtlieber Regelungen. Seiner Auffassung nach sind einzelne Staaten an einem möglichst großen Anteil an der unter ihrer Aufsicht erfolgenden internationalen Kreditvergabe interessiert. Es ist auch bekannt, daß Banken im Aus51 0. V., Rückkehr der Ostblockadressen, in: Börsen-Zeitung vom 17.5.1984; o. V., Brasilien - Der Rüstungsvertrag soll alten Ballast abwerfen, in: Handelsblatt vom 8.2.1984. 58 Mertin, zitiert in von Stein (1983). 59 Vgl. unsere Überlegungen zum Kreditgeber-moral hazard aufS. 69 ff.
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
131
land Niederlassungen gründen, um so rechtliche Restriktionen ihrer Heimatmärkte-außer aufsichtliehen Regeln beispielsweise auch Steuergesetze oder Devisenkontrollen - zu umgehen. Schließlich sah ein Komitee des US-Senats bereits 1977 einen Anreiz zur internationalen Kreditvergabe für Banken darin, daß diese die Unterstützung ihrer Regierungen bei Zahlungsproblemen ausländischer Staaten erwarten60 • Falls die Rolle der Heimatländer der Banken für ihr Kreditvergabeverhalten tatsächlich so bedeutend ist, müssen auch deren strukturelle und politische Änderungen den internationalen Kapitalfluß beeinflussen. Darüber hinaus bestimmt naturgemäß aber auch das ökonomische Management der Schuldnerländer ihre internationale Kreditaufnahmefahigkeit. Vorausgesetzt ist dabei jedoch eine Politik der Kreditgeberländerregierungen, die beispielsweise durch Marktöffnung entsprechende Anreize bietet. Aufgrund dieser Wechselwirkungen behaupten wir eine enge Verbindung von Politk und Ökonomie im Bankgeschäft. Da alle Bankmärkte innerhalb ihrer nationalen Märkte strikt reguliert sind, kann das Modell des vollkommenen Marktes das Kreditvergabeverhalten nicht erklären. b) Politische Ökonomie des Kreditnehmerländerverhaltens
Bei der Diskussion internationaler Verschuldungsprobleme wird häufig die Vielzahl von Konflikten innerhalb der Kreditnehmerländer übersehen. Sie haben einerseits hinsichtlich der Entstehung der Verschuldungsprobleme einen gewissen Erklärungswert, andererseits verdienen sie bei ihrer Lösung besondere Aufmerksamkeit. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Wechselkurspolitik, die einer für die Machtbasis der Regierungen wichtigen Mittelund Oberschicht in den Schuldnerländern den subventionierten Import ausländischer Konsumgüter ermöglichte61 • Gleichzeitig behinderte diese Strategie den zum Schuldendienst notwendigen forcierten Export, da Wechselkursüberbewertungen einerseits eine höhere Inlandsnachfrage induzieren und damit höhere Preissteigerungen erwarten lassen, andererseits aber auch für die importsubstituierende Produktion und auch für die exportorientierte Produktion Wettbewerbsnachteile bedeutet62 • Subcommittee on Foreign Policy ofthe US Senate (1977). Eine exzellente Darstellung der politischen Ökonomie der Wechselkurspolitik am Beispiel Nigerias gibt o. V., Down with the naira, in: Survey Nigeria, The Economist, May 3, 1986. 62 IWF-Anpassungsprogramme sehen deshalb regelmäßig die Korrektur überbewerteter Wechselkurse und die Beschneidung hoher Budgetdefizite im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt vor. Hierdurch versucht er, über sogenannte expenditure switching bzw. expenditure reducing-Effekte eine Beschränkung der Nachfrage und eine Rückorientierung produktiver Ressourcen im Sektor handelbarer Güter zu erreichen. Eine gute Übersicht der Bestandteile von IWF-Programmen gibt IWF (1986). Zum theoretischen Kon60
61
132 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Den Einfluß machtpolitischer Überlegungen auf die praktische Wirtschaftspolitik in den Schuldnerländern zeigt auch die starke Subventionierung der Agrarpreise. Sie findet ihren Niederschlag in entsprechenden, durch Auslandskredite zu deckenden Budgetdefiziten. Kreditnehmerländerregierungen können so zwar eine Stabilisierung ihrer politischen Basis in den Städten erreichen. Mit einer derartigen Subventionspolitik nehmen sie aber gleichzeitig der ländlichen Bevölkerung jeglichen Anreiz zur Produktion über den eigenen Bedarf hinaus. Dies führt zu einem Verlust von Exporterlösen, erzwingt notwendige Importe und löst so weitere Kreditnachfrage aus. 4. Bankenverhalten vor Eintritt der Verschuldungskrise a) Konsens über Kreditwürdigkeitskriterien
Zur Erklärung des Bankenverhaltens bei der internationalen Kreditvergabe haben wir eine Reihe ökonomischer Argumente untersucht. Dabei stellten wir fest, daß sie zwar notwendige Bedingungen zur Erklärung des Bankenverhaltens sind; sie können aber die Gesamthöhe und den Konzentrationsgrad der internationalen Kreditvergabe nicht hinreichend erklären. Vielmehr lassen - neben den von uns untersuchten Aspekten politischer Ökonomie- die risikopolitischen Maßnahmen interntionaler Banken selbst destabilisierende Wirkungen für die Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehungen erwarten. Die Banken haben zwar teilweise komplexe Systeme zur Länderrisikoanalyse entwickelt63 ; wir beobachten jedoch, daß sie- zumindest in der Vergangenheit - nicht danach gehandelt haben. Möglicherweise haben sie diese Aktivitäten nur entfaltet, um den Erwartungen ihrer Aktionäre, der Bankenaufsicht sowie denen ihrer Einleger und sonstiger Geschäftspartner gerecht zu werden. Prognosen von Verschuldungsproblemen scheinen ihnen zwar auf kurze Sicht relativ gut möglich. Unbekannte Variable ist dabei aber das unsichere Verhalten der übrigen Kreditgeber, das in der Vergangenheit zu plötzlichen Verschlechterungen der Liquiditätssituation einzelner Länder geführt hat. Zurückzuführen ist dieses instabile Bankenverhalten auf das Mißlingen eines Konsens über verläßliche und allgemein gültige Konventionen der Kreditwürdigkeit ausländischer Staaten. zept dieser Programme, dem monetären Zahlungsbilanzansatz, sei hier auf Putnam und Wilford (1986) verwiesen. 63 Kleinere und mittlere Banken verlassen sich mehr auf die von Forschungsinstitutionen angebotenen Dienstleistungen (Frost and Sullivan, BERI etc.). Vorzügliche Arbeit leistet das Institute of International Finance, Inc., (IIF) in Washington, D. C. für die gezielte Auswertung und den Austausch von Länderrisikoinformationen zwischen den Banken.
II. Bankverhalten und internationale Verschuldung
133
Darüber hinaus führen aber auch erfolgreich prognostizierte Verschuldungsproblerne noch nicht zur angestrebten Verminderung des Risiko-Exposures, da in den sich anschließenden Umschuldungsabkommen der für die Berechnung des fresh money-Beitrags entscheidende sogenannte "Cut-offdate" rückwirkend zwischen 3 und 18 Monate festgelegt wird 64 . Extrem exponierten Banken bringt eine erfolgreiche kurzfristige Umschuldungsprognose schließlich deshalb noch keinen Vorteil, weil es ihnen an der notwendigen Portfolioflexibilität mangelt. Im übrigen kann bei ihrer hohen ExposureKonzentration im Verhältnis zum Eigenkapital darüber hinaus auch ein "Versicherungsprämieneffekt" des Spread mit Blick auf die relative Höhe des drohenden Kreditverlustes nicht entscheidungsrelevant sein65 . Aus den vielschichtigen Problemen der Banken, einen Konsens über die für die Bestimmung der Kreditwürdigkeit ausländischer Staaten relevanten Kriterien zu erreichen, und auch das Kreditnehmerverhalten wirksam zu beeinflussen, erscheint es uns zulässig zu folgern, daß Banken das langfristige Länderrisiko nicht abgreifen können. Da sie aber Kredite mit langen Laufzeiten vergeben, folgern wir weiter, daß sie mit den Ländern eine Art "strategisches Spiel" spielen, bei dem die Einhaltung der intertemporalen Budgetrestriktion66 unsicher ist. Bei mangelnder Selbstbindungsfähigkeit der Kreditgeber, nicht hinreichender Kontrolle des Kreditnehmerverhaltens und problematischer Durchsetzbarkeil internationaler Kreditverträge wäre eigentlich die Einstellung der Kreditvergabe zu erwarten. Zumindest das Verhalten der großen internationalen Banken mit stark konzentriertem Exposure ist so offenbar nicht hinreichend erklärbar. Ein Blick auf ihre Exposure-Struktur zeigt die politische und strategische Bedeutung der größten Kreditnehmerländer für die Kreditgeberländer. Da der politisch-strategischen Bedeutung eines Landes allerdings kein expliziter Wert zuzuordnen ist, müssen die Banken versuchen, ihn abzuschätzen. Anhaltspunkt für die Einschätzung der politischen Bedeutung von Kreditnehmerländern für das eigene Land kann sein, daß die Regierung ihre Banken zur Kreditvergabe an bestimmte Länder ermutigt hat 67 . Hieraus und im Bewußtsein ihrer volkswirtschaftlichen Schlüsselposition haben manche Banken möglicherweise auf implizite Garantien ihrer Regierungen oder ihrer Zentralbanken geschlossen. Dieses Argument greift jedoch offenbar zuneh64 Brau ( 1983) sowie unsere Ausführungen zur Technik internationaler Umschuldungen aufS. 181 ff. 65 Vgl. unsere Ausführungen zu den Bestimmungsfaktoren der Spreads bei internationalen Krediten aufS. 108 ff. 66 Zu den unterschiedlichen Formulierungen der intertemporalen Budgetrestriktion vgl. unsere Ausführungen aufS. 42 ff. 67 Zur Ermutigung internationaler Banken durch ihre Regierungen, Kredite an Problemschuldnerländer zu vergeben vgl. zuletzt Agmon ( 1985).
134 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
mend geringerangesichtsder bis Anfang der achtziger Jahre andauernden weltweiten Rezession, des bis 1984 hohen internationalen Zinsniveaus und des Verfalls der TermsofTrade der kreditnehmenden Länder und der bisher nicht direkt wirksam gewordenen impliziten Regierungsgarantien. Der zunehmende Anteil internationaler Kredite am Portfolio der Banken und ihr Verhältnis zum haftenden Eigenkapitalließen die Kreditvergabe mit wenigen Ausnahmen zunehmend restriktiver werden. Insgesamt wuchs die Furcht, die Verschuldung der ausländischen Staaten könnte sich ohne ihre wirtschaftspolitischen Anpassungsmaßnahmen explosiv entwickeln und der Anreiz der Kreditnehmerländer zur Zahlungseinstellung wesentlich ansteigen. Darüber hinaus verstärkten Ansteckungseffekte und Herdeninstinkt die kontraktive Entwicklung. b) Nettokapitalfluß zwischen Banken und Schuldnerländern
Bereits Ende 1980 war für kurze Zeit ein aggregierter Nettofinanztransfer von den Schuldnerländern zu den Banken feststellbar 68 • Bereits 1981 hatte die Hälfte der wichtigsten Schuldnerländer bei Berücksichtigung von Zinszahlungen einen Nettofinanztransfer zu verzeichnen. Hohe Zinssätze verkürzten dabei die effektive Laufzeit der Kredite, weil höhere Zinssätze in der Regel eine Inflationsprämie enthalten, die den realen Wertverlust der ausstehenden Kredite kompensieren soll69 • Damit erfolgte aber gleichzeitig eine beschleunigte Tilgung des realen Kreditwertes. Mit Eintritt der Verschuldungskrise ergibt sich ein Nettokapi t a I abfluß, da die Länder kurzfristige Kredite nicht mehr erneuern bzw. fälligwerdende längerfristige Kredite nicht durch neue ersetzen konnten. So hatten sie neben fälligen Zinszahlungen auch noch einen durch die zu leistenden Tilgungen bedingten Nettokapitalabfluß zu bewältigen. Die Tabellen 5-8 bestätigen, daß die Banken ihre Kreditvergabe bereits vor Kriseneintritt verringert haben. Bei den acht Ländern in Tabelle 5 ging der Einstellung der Kreditvergabe bei Berücksichtigung von Zinszahlungen ein Nettokapitalabfluß von 22 Mrd. Dollar voraus. Die nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien verringerten sich - abgesehen von einem geringen Zuwachs bei Brasilien- um insgesamt 6 Mrd. Dollar; fünf Länder erhöhten ihre kurzfristige Kreditverschuldung um insgesamt 6,7 Mrd. Dollar. Sechs der untersuchten acht Länder steigerten ihre mittelfristige Verschuldung jedoch mit 10,4 Mrd. Dollar vor der Krise noch beträchtlicht. Nur für Jugoslawien zeigte sich in allen Bereichen vor Eintritt der Verschuldungskrise und der Umschuldungen eine Nettoverringerung, die sich möglicher68 69
Amex Bank (1984). Kincaid ( 1981 ).
+ 6. 741 + 5.616
+10.351 + 9.384
-39.630
+17.143
-22.487
Gesamter Kapitalabfluß
Gesamter Kapital zufluß
Nettoänderung
967
- 1 . 125
51 - 5 . 989
+
- 6.040
-
1 . 24 3
-
-
566 848 914
-
249
Zins-
-31.498
-
-31.498
- 3.550
- 3.964 - 2.310
- 1.560 - 2.268
- 1 .063
-12.397
- 4.386
zahlungen
2 Eintritt der Verschuldungskrise für Argenlinien in der zweiten Jahreshälfte 1982, für 1 Vom Eintritt des Netto-Kapitalabflusses gerechnet. Venezuela und Jugoslawien zum Jahreswechsel 1982/83; für die Elfenbeinküste, für Marokko und die Philippinen in der zweiten Jahreshälfte 1983. Quelle: Amex Bank (1984).
-
- 687 - 4 38 -----
+ 467 + 1 . 6 54
- 5.375
664 912 144
572
Jt1qos 1 aw i en
+
+ +
- 2.494 - 2.999
Philippinen Venezuela
0
161
-
+ 602
- 2.059 + 51
Kreditlinien
Kredite
+ 1 .668 + 2.350
offene
kurzfristige
- 1.113 - 1. 795
411
823
+ 7.295 + 212 + 696
-
langfristige Kredite
Elfenbeinküste Marokko
-
- 2.705
Brasilien
Ecuador
- 5.600
Argentinien
volumen
Gesamt-
Tabelle 5: Netto-Kapitalabflu8 1 vor Eintritt der Verschuldungskrise2 (in Millionen US Dollar)
~
VJ VI
-
OQ
::I
c:: 0: c::
(')
"' ::r
C'O ....
"'
.... "'::r
';"
I>' ::l
l:l:l
...... ......
- 1 . 64 2 - 2.831
146
1
siehe Fußnote 2 zu Tabelle 5. Quelle: Amex Bank (1984)
-34.104
+8.868
Nettoänderung
+14.677 -48.781
+8.868
- 1.495
1 . 530
-
- 4.946
0
Gesamter Kapitalsabfluß
Gesamter Kapitalzufluß
Jugoslawien
Venezuela
Türkei
Peru
Mexiko
Ekuador
1 . 1 93
- 3.443 - 1 . 6 54 -12.640
610 214 1.282
- 2.350 - 3.203
Chile
Brasilien
1.119 2.694
NettoKapitalabfluß
Gesamter
Argentinien
Kapitalzufluß
Neuer IWF
463
332
+ 9.261
- 1. 431
+10.692
-
-
+ 1.873
334 + 4.874 + 159 - 302 + 3. 4 84 + 302
- 1 . 28 5
- 5.270
+ 3.985
540 - 1.510 - 1 .006 + 64
-
580 - 168 - 1 . 4 66
-
627 + 3.294
+
- 7 . 961
- 7.961
96
332 - 1 .088
468
376 - 3.315
285 - 1 .031 970
-34.119
-34.1 19
-
- 2.520 900
936 - 2.862
-
808 -11.343
-
- 2.358 -10.340 - 2.052
zahlungen
Kreditlinien
Kredite
Kredite
-
Zins-
offene
kurzfristige
langfristige
Tabelle 8: Kapitalzußuß vom IWF und den Banken nach der Verschuldungskrise 1 (in Millionen US Dollar)
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li. Bankverhalten und internationale Verschuldung
139
weise aus der verstärkten Unsicherheit gegenüber osteuropäischen Risiken erklärt. Eine auf den 6-Monatszeitraum vor Eintritt der Krise beschränkte Analyse akzentuiert das Bild noch stärker. Hier verzeichnen wir den größten Teil der Verringerung neuer mittelfristiger sowie kurzfristiger Kredite. Während dieses Zeitraums schrumpften die freien Kreditlinien hingegen weniger ausgeprägt. Verschlechterte Marktbedingungen eines Landes stellen wir also zuerst fest, wenn neue Kredite nicht mehr zur Deckung der Zinslasten ausreichen und dies zu einem negativen Nettofinanztransfer führt. Während der letzten sechs Monate vor der Krise haben sich die Marktbedingungen am stärksten verschlechtert, weil dann der überwiegende Teil des Exposure-Abbaus eintrat, neue Finanzzuflüsse sich hingegen verzögerten. Auffallend ist der positive Finanztransfer bei Chile, Mexiko und Peru - bis unmittelbar zum Krisenein tritt; weder Kreditlinien noch kurz- oder mittelfristige Positionen verringerten sich dabei. c) Die Liquiditätsposition der Schuldnerländer
Die Liquiditätssituation eines Landes bestimmen sein Schuldendienst, also Zins- und Amortisationszahlungen, sowie jene exzessive kurzfristige Verschuldung, die über das zur Finanzierung kurzfristiger, selbstliquidisierender Handels- und Finanztransaktionen notwendige Maß - also ungefähr drei Monatsimporte- hinaus besteht. Weil sie unter Umständen schwierig zu refinanzieren ist, kann von ihr eine starke liquiditätsbelastende Wirkung ausgehen. Die liquiden Mittel eines Landes setzen sich aus Primärliquidität, das sind Devisenreserven, und Sekundärliquidität, das sind nicht in Anspruch genommene Kreditlinien, zusammen. Tabelle 9 weist den Anteil der kurzfristigen Finanzierungsmittel an der gesamten Bankverschuldung kreditnehmender Länder aus. Hieraus ist die Verschlechterung der Verschuldungsstruktur bis 1982 und die leichte Verbesserung 1983 ersichtlich. Zunehmend verschlechtert haben sich hingegen die freien Kreditlinien in Prozent der gesamten Bankverschuldung der Nicht-Ölentwicklungsländer von 1978 bis 1983 (Tabelle 10}; erst 1984 kommt es zu einer wesentlichen Verbesserung. Bei den Umschuldungsländern dauert die negative Liquiditätsentwicklung bis 1984 an. Ähnlich verläuft der Trend bei der Entwicklung des Verhältnisses von kurzfristigen Bankkrediten zu Einlagen bei den der BIZ-berichtenden Banken (Tabelle 11). Die empirische Untersuchung der Krisenentwicklung der Hauptschuldnerländer erlaubt einige Schlußfolgerungen für eine typische Entwicklung ihrer Liquiditätssituation vor Kriseneintritt. Einem starken Anstieg fälliger Zins-
72
45
45 59
53
62
51
59
45
43
41 54 37 70 48
66
48
57
58
46
39
35 56 36 67 47
1
65
64
69
71
3
44
Der Median ist
69
56
57
50
47 56
35
43
37
45
38 50 41 70 44
45
46 40 55 33 67 44
1 984
1983
47
55
60
46
39
30 50 33 66 47
46
45
1982
Median, soweit nicht besonders gekennzeichnet.- 2 Einschließlich Refinanzierungen zur Behebung von Zahlungsproblemen. nicht bestimmbar, da nur zwei Länder betroffen sind. Quelle: BIZ, Die Fälligkeitsverteilung der internationalen Bankausleihungen.
55
48
Durchschnitt
Sonstige Länder
54
Ölexportierende Länder: 45
50
Sonstige Länder
Umschuldungsländer 31
45
47 54
48 51 39 67 51
46 43 43 72 51
46
46
43
45
44
44
50
49
Afrika Asien Europa Mittlerer Osten Westliche Hemisphäre Umschuldungsländer 21
Nicht-OPEC-Entwicklunqsländer Durchschnitt
1 981
1980
1979
1978
Tabelle 9: Kurzfristige Kredite (bis zu 1 Jahr) in Prozent der gesamten BIZ-gemeldeten Bankverschuldung einzelner Ländergruppen (1978- 1984)1
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Anzahl der
1 Ohne Restrukturierungen durch Unterstützungskonsortien und Umschuldungen von Nicht-IWF-Mitgliedern.- 2 Römische Ziffern geben die Zahl der Umschuldungen seit 1975 an.- 1 Prinzipielle Übereinkunft am 25. März 1985; Paraphierung der Agreed Minutesam 24. Mai 1985. Quelle: Dillon (1985); Prcsscbcrichtc.
Argentinien I Senegal IV Sanalia I Costa Rica II Ecuador II Mauretanien I Jugoslawien II
TCXJO
IV Jamaica I Zambia II Volksrepublik Mozambique I Niger II Liberia IV Philippinen
Peruiii
Elfenbeinküste I Jugoslawien I
Sudan IV
Sierra Leone III Madagaskar III
Zaire VI Senegal III Liberia III
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III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
155
6. Da die Zusammensetzungdes Gläubigerclubs wechselt, hat man sich auf eine fallorientierte Vorgehensweise geeinigt. Die Anzahl der betroffenen kreditgebenden Länder liegt im allgemeinen zwischen 5 und 15, manchmal darüber. Das ermöglicht flexible Verhandlungen nach der Art und dem Ausmaß der Verschuldungsprobleme der betroffenen Länder.
c) Ablauf und Vereinbarungen mulilateraler Umschuldungsverhandlungen Trotz unterschiedlicher Gläubigerclubs und-konsortienhat sich im Laufe der Nachkriegszeit doch ein gewisses Prozedere bei multilateralen Umschuldungsverhandlungen herausgebildet: Die Gläubiger diskutieren zunächst ihre unterschiedlichen Auffassungen zu Krediterleichterungen und umreißen ihre gemeinsame Position. Der Vortrag des Vertreters des Schuldnerlandes geht dann im einzelnen auf dessen wirtschaftliche Situation ein und präzisiert die gewünschten Zahlungserleichterungen. Ein IWF-Vertreter trägt- in der Regel daran anschließend - die Einschätzung des Währungsfonds, insbesondere im Hinblick auf notwendige Anpassungsmaßnahmen vor. Ähnlich ist ein Vortrag des Vertreters der Weltbank ausgerichtet, der von Zeit zu Zeit ebenfalls an den Beratungen teilnimmt. In einem weiteren Treffen antworten Vertreter der Schuldnerländer auf Fragen der Gläubigerländer. Diese einigen sich anschließend auf einen gemeinsamen, dem Schuldnerland übermittelten Vorschlag für die Umschuldungsbedingungen 84 • In einer abschließenden Sitzung fixieren Gläubiger und Schuldner die Bedingungen für Schuldendiensterleichterungen in einer Übereinkunft. Darin sind auch Hinweise auf die von der Regierung des Schuldnerlandes zu verfolgende Wirtschaftspolitik eingeschlossen. Die vereinbarten Umschuldungsregelungen werden in der Form von "agreed minutes" bzw. "proceeverbal agree" - deutsch meist "Pariser Protokoll" genannt - festgehalten. Das Pariser Protokoll ist eine an die Regierungen der Gläubigerländer und des Schuldnerlandes gerichtete Empfehlung, auf dieser Basis bilaterale, völkerrechtlich verpflichtende Umschuldungsabkommen abzuschließen. Das Pariser Protokoll enthält mit Ausnahme des Zinssatzes sämtliche für eine Umschuldung maßgebliche Konditionen85 : Definition dererfaßten Forderungen (affected debt) Laufzeit dererfaßten Forderungen (in der Regel nur Forderungen aus Krediten mit einer Laufzeit von über einem Jahr) Cut-off-date - also das Abschlußdatum von Verträgen, bis zu dem Verbindlichkeiten in die Umschuldung einbezogen werden. Riefet ( 1985). Zum Inhalt des Pariser Protokolls finden sich weitere Ausführungen bei Brau (1983), Riefet ( 1985), Dillon ( 1985). 84 85
156 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Konsoliderungszeitraum - also der von einer Restrukturierung erfaßte Zeitraum, dessen FäHigkeiten umgeschuldet werden. Dies sind in der Regel 12 bis 18 Monate in Anlehnung an die Laufzeit des IWF-Beistandskreditabkommens. Tilgungs- oder Rückzahlungszeitraum- also der Zeitraum, innerhalb dessen -einschließlich der Freijahre-dieRückzahlung erfolgen soll. Dies sind in der Regel zwischen 8 und 10 Jahren bei 4 bis 5 Freijahren. Umschuldungsprozentsatz: in der Regel zwischen 80 und 90 Prozent der innerhalb des Konsolidierungszeitraumes fälligen Tilgungs- und Zinszahlungen. Der nicht umgeschuldete Anteil, die sogenannte Barquote, ist entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt oder verteilt über die Freijahre zu zahlen. Gläubigerländer bestehen, wie bereits erwähnt, nahezu immer auf dem vorherigen Abschluß eines Beistandsabkommens mit dem IWF. Entsprechende wirtschaftspolitische Apassungsmaßnahmen der Schuldnerländer sind so als integraler Bestandteil der Kreditrestrukturierungen zu interpretieren, obgleich derartige Vorstellungen nicht im einzelnen ausformuliert sind. Existiert bereits ein Beistandsabkommen mit dem IWF, so nehmen die ,.agreed minutes" darauf Bezug. Sie enthalten darüber hinaus eine ,.Meistbegünstigungsklausel". Mit ihr verpflichtet sich der Kreditnehmer, mit Gläubigern, die nicht Mitglieder des Clubs sind, keine günstigeren Bedingungen zu vereinbaren. Schuldenregelungen der agreed minutes sind grundsätzlich endgültig. In einigen Fällen findet sichjedoch auch eine sogenannte ,.good will-Klausel". Sie bringt die Bereitschaft der Gläubiger zum Ausdruck, dem Ersuchen eines Landes um Krediterleichterung zu einem späteren Zeitpunkt stattzugeben. Diese good will-Klausei ist oft bereits sehr spezifisch formuliert und bezieht sich meist aufbestimmte Kreditarten. Sie macht die kurzfristige Orientierung der Krediterleichterungen sowie Schwierigkeiten und Unsicherheiten hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Entwicklung des Schuldnerlandes deutlich, mit denen die Umschuldungsparteien konfrontiert sind. Die kurzfristige Orientierung des Abkommens unterstellt zunächst, die Schuldnerländer könnten mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Anpassungsmaßnahmen die für den Schuldendienst notwendigen Devisernerlöse erwirtschaften. Die good will-Klausei ermöglicht jedoch eine flexible Handhabung künftiger, adverser ökonomischer Entwicklungen 86 • d) Bilaterale Umschuldungsabkommen
Multilaterale Abkommen stecken den Rahmen für Krediterleichterungen ab. Damit sind aber bestehende Kreditverträge noch keineswegs restruktu86
Nowzad (1981).
III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
157
riert oder neue geschaffen. Die dem Schuldnerland tatsächlich eingeräumten Krediterleichterungen ergeben sich erst aus den bilateralen Verhandlungen mit einzelnen Gläubigerregierungen. Erst die bilateralen Abkommen bezeichnen die erfaßten Forderungen und die Bedingungen für die neuverhandelten Kredite. Zum Inhalt der Bedingungen gehört, daß sie Zahlungen hinausschieben. Man kann deshalb auch von einem Moratorium sprechen. Der Moratoriumszinssatz ist normalerweise nicht in den agreed minutes bestimmt, vielmehr erst in dem sich anschließenden bilateralen Abkommen. Im allgemeinen werden dabei zugestandene niedrige Zinssätze aus Regierungskrediten beibehalten. Die multilaterale Übereinkunft kannjedoch auch bestimmen, daß der Zinssatz für öffentlich garantierte Exportkredite aus den zur Zeit der bilateralen Verhandlungen gültigen Marktzinssätze abzuleiten ist. Diese Bestimmung spiegelt die Auffassung der Kreditgeber wider, Zahlungserleichterungen auf öffentlich garantierte Exportkredite seien Notmaßnahmen und nicht Entwicklungshilfe zu Vorzugsbedingungen. Zinszahlungen sind normalerweise auch während der sich nur auf Amortisationszahlungen beziehenden Freijahre aufrechtzuerhalten. Dies ist jedoch nicht in allen Fällen möglich. e) Art und Umfang gewährter Krediterleichterungen
Die Ausweitung von Zahlungsproblemen ausländischer Staaten zeigt sich an der sprunghaften Erhöhung der multilateralen Kreditrestrukturierungen. 1983 und 1984 haben 23 Länder in 29 Restrukturierungen öffentlicher Kredite versucht, Zahlungserleichterungen zu erreichen. In den vorhergehenden acht Jahren sind es jahresdurchschnittlich nur 4 Umschuldungen gewesen. Unter den letzten 12 Ländern sind einige Netto-Ölexporteureund mehrere Schwellenländer, die in den vergangeneo 10 Jahren noch nicht umschulden mußten. Die übrigen 11 Kreditnehmerländer haben bereits zwischen 1975 und 1983/84 umgeschuldet. Für vier Länder ist es die dritte, für andere bereits die vierte bis sechste Umschuldung 87 • In der letzten Zeit haben sich bei Umschuldungen öffentlicher Kredite zwei wichtige Entwicklungen ergeben. Die öffentlichen Kreditgeber haben nämlich ihre Umschuldungsbedingungen den spezifischen wirtschaftlichen Umständen der kreditnehmenden Länder angepaßt. Sie haben im Vergleich zur bisherigen Praxis der Gläubigerclubs insbesondere Ländern mit akuten Zahlungsschwierigkeiten und wiederholten Umschuldungen besonders entgegenkommende Bedingungen zugestanden. Dabei haben sie ebenfalls stärker 87
Vgl. Tabelle 14.
158 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung zwischen unterschiedlichen Verbindlichkeiten, wie Zahlungsrückständen und laufenden FäHigkeiten, Amortisationen und Zinszahlungen sowie bisher nicht umgeschuldeten Fälligkeiten unterschieden. Zahlungsrückstände, insbesondere solche aus bereits umgeschuldeten Krediten, werden grundsätzlich mit relativ härteren Bedingungen und kürzeren Rückzahlungsfristen bedacht88. Das Ausmaß der 1983 und 1984 gewährten Krediterleichterungen ist außerordentlich groß. Vier Umschuldungen umfaßtenje 1 Milliarde US-Dollar, fast die Hälfte der Fälle 300 Mio US-Dollar und mehr. Zwischen 1975 und 19821ag dagegen nur ein Viertel89 der Umschuldungen über 300 Mio. US-Dollar. Außer zwei Umschuldungen (Mexiko und Jugoslawien), die innerhalb spezieller Gläubigergruppen behandelt worden sind, diente der Pariser Club allen übrigen als Verhandlungsrahmen. Die beteiligten Gläubigerländer waren überwiegend OECD-Mitglieder; darüber hinaus nahmen Israel sowie Südafrika und erstaunlicherweise auch Mexiko und Argentinien als Gläubigerländer daran teil. Umschuldungen öffentlicher Kredite erstrecken sich gewöhnlich sowohl auf Amortisations- als auch auf Zinszahlungen von mittel- und langfristigen Krediten, die innerhalb der sogenanten Konsolidierungsperiode fällig sind. In vielen Fällen werden auch Zahlungsrückstände umgeschuldet. Kurzfristige Kredite werden hingegen nicht umgeschuldet. Eine solche Maßnahme würde sich unerwünscht negativ auf den Zugang des Landes zu Handelsfinanzierungen auswirken. Zahlungsrückstände aus kurzfristigen Krediten wurdenjedoch bei wenigen Ländern, hauptsächlich solchen mit wiederholten Umschuldungen, umgeschuldet. Darüber hinaus haben sich die öffentlichen Kreditgeber- abgesehen von seltenen Ausnahmen- bis vor zwei Jahren an das Prinzip gehalten, bereits umgeschuldete Kredite nicht ein weiteres Mal umzuschulden. In acht Fällen ist dies 1983/84 jedochtrotzaller Grundsätze geschehen, und zwar hauptsächlich bei Ländern mit bereits mindestens drei Umschuldungen90 . Die Konsolidierungsperiode beträgt nach wie vor überwiegend ein Jahr. In einigen Ausnahmefällen wird sie jedoch parallel zum IWF-Stabilisierungsprogramm bis zu 18 Monate ausgedehnt. Dennoch reicht die kumulative Konsolidierungspeeriode aufeinanderfolgender Umschuldungen für 15 Länder mit mehr als einer Umschuldung in den vergangeneo 10 Jahren von zwei bis zu fünf Jahren 91 . Kreditgeberländer reagieren im allgemeinen auf den Wunsch der Schuldnerländer nach über die üblichen 12 bis 18 Monate hinausgehenden Konsolidierungsperioden in den "agreed minutes" mit einer 88 89
90 91
Dillon (1985). 7 von 28 Umschuldungen. Dillon ( 1985). Dillon ( 1985).
III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
159
good will-Erklärung. Sie signalisiert ihre prinzipielle Bereitschaft, FäHigkeiten innerhalb eines bestimmten zukünftigen Zeitraums umzuschulden. Good will-Klausein dieser Art sind dabei meist an folgenden vier Bedingungen geknüpft92 : Übereinkunft des Schuldnerlandes mit dem IWF über eine Inanspruchnahme einer Kredittranche mit höherer Konditionalität vergleichbare Krediterleichterungen von bisher noch nicht beteiligten öffentlichen Kreditgebern Abschluß wirksamer Vereinbarungen mit Banken und sonstigen Kreditgebern, die bestimmte Bedingungen erfüllen müssen Einhaltung der vorausgegangenen agreed minutes. Darüber hinaus haben öffentliche Kreditgeber - wie im Falle Ecuadors im April 1985- unter bestimmten Bedingungen auch längere Konsolidierungsperioden zugestanden. Auf nach dem cut-off-date kontrahierte Kredite geleisteter Schuldendienst ist von Umschuldungen ausgeschlossen. Kreditgeber sind nur zögernd bereit, das cut-off-Datum bei nachfolgenden Umschuldungen zu ändern. Hierdurch wollen sie neue Exportkredite und -garantien ermöglichen. Bei Ländern ohne vorherige Umschuldungen dehnte sich der zeitliche Abstand zwischen cutoff-Datum und Beginn der Konsolidierungsperiode während der vergangenen zwei Jahre weiter aus und erreichte in den meisten Fällen 3 bis 9 Monate. Bei Ländern mit mehreren Umschuldungen zeigten sich die öffentlichen Kreditgeber zwischen 1983 und 1984 in zehn Fällen zur Änderung des cutoff-Datums bereit und setzten es unmittelbar auf den Beginn der jüngsten Konsolidierungsperiode oder bis zu 6 Monate davor fest 93 • Der im Ergebnis vereinbarte Tilgungsplan gliedert sich in drei Teile: Der erste Teil ist der formal umgeschuldete, größte Teil der gesamten Fälligkeiten mit mittelfristigen Laufzeiten. Ein weiterer Teil deckt den nicht konsolidierten oder prolongierten Teil ab. Ihn kennzeichnen eine relativ kurze Laufzeit sowie eine geringe Anzahl oder auch keine Freijahre. Der dritte Teil besteht aus der während der Konsolidierungsperiode zu leistenden Abschlagzahlung. Damit entspricht das effektive Umschuldungsvolumen - über die Konsolidierungsperiode hinaus - dem insgesamt fälligen Betrag, vermindert um die Abschlagzahlung94 • Die Rückzahlungsbedingungen umgeschuldeter Kredite hängen meist von der Art des Schuldendienstes ab. Günstigste Bedingungen erhalten typischerweise die laufenden Fälligkeiten mit einem Umschuldungsvolumen von 92 93
94
Dillon (1985). Dillon ( 1985). Dillon ( 1985).
160
2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
meist 85 Prozent der insgesamt fälligen Zahlungen und Laufzeiten von 7 bis 9 Jahren- einschließlich 3 bis 4 Freijahren. Stringentere Bedingungen werden hingegen auf Zahlungsrückstände angewendet. Besonders betroffen sind solche auf kurzfristige Kredite, die häufig umfangreiche Rückzahlungen während der Freijahre der umgeschuldeten laufenden FäHigkeiten erforderlich machen. Die Unterschiede zwischen den Umschuldungsbedingungen für einzelne Schuldnerländer haben sich in den vergangenen zwei Jahren vergrößert. Kreditgeber kommen Ländern mit mehrfachen Umschuldungen weitgehend entgegen. In einigen Fällen gesteht man ihnen wesentlich mehr Freijahre und längere Laufzeiten zu - im Vergleich zur gängigen Praxis des Pariser Clubs95 • Im Durchschnitt sind 90 Prozent der FäHigkeiten ihrer mittelfristigen Verschuldung restrukturiert worden, dagegen nur 80 Prozent bei Ländern, die bisher noch nicht umschulden mußten. Einschließlich der für kürzere Zeiträume aufgeschobenen Beträge macht das effektive Umschuldungsvolumen bei Ländern mit wiederholten Umschulden 98 Prozent aus, im Gegensatz zu 87 Prozent bei den übrigen Ländern. In einigen Fällen werden bereits umgeschuldete Kredite sowie kurzfristige Kredite mit Zahlungsrückständen mitberücksichtigt. Das bei andauernden Zahlungsproblemen gezeigte Entgegenkommen der Kreditgeberländerregierungen hat zur Verminderung der effektiven Schuldendienstbelastung auf einen Bruchteil der ursprünglich vereinbarten Zahlungen geführt. Damit besteht in diesen Fällen auch kaum Spielraum für weitere Schuldendiensterleichterungen von öffentlicher Seite96 • Die zugestandenen Tilgungsstreckungen zeigen sich deutlich an den Tilgungsplänen. Nach Abbildung 15 sind die durchschnittlichen Tilgungspläne der laufenden FäHigkeiten in der Vergangenheit stärker gestreckt worden als die Zahlungsrückstände. Darüber hinaus sind die durchschnittlichen Tilgungspläne für Zahlungsrückstände in 1983/84 im Vergleich zu früheren Jahren durch höhere Belastungen in den Anfangsjahren der Konsolidierungsperiode gekennzeichnet. Abbildung 16 zeigt die durchschnittlichen Tilgungspläne der Kreditnehmerländer mit wiederholten Umschuldungen im Vergleich zu sonstigen Umschuldungsländern. Die Tilgungspläne für Zahlungsrückstände von Ländern mit mehrfacher Umschuldung verlaufen dabei im Vergleich zu denen anderer Schuldnerländer jedoch wesentlich ausgeglichener.
95 96
Riefe! (1985), Milivojevic (1985). Dillon (1985).
III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
161
Abbildung 15: Durchschnittliche Tilgungsstruktur bei Umschuldungen öffentlicher multilateraler Kredite ( 1975 - 1982 und 1983- 1984) in Prozent der gesamten Tilgungen - laufende Fälligkeiten ~r-----------------------------------------~
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Quelle: Agreed Minutes der Umschuldungen: IWF-Schätzungen (Dillon 1985).
II Reinhardt
162 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
Abbildung 16: Durchschnittliche Tilgungsstruktur bei Umschuldungen von Ländern mit wiederholten Umschuldungen und sonstigen Umschuldungsländern (1983- 1984) in Prozent der gesamten Tilgungen - laufende Fälligkelten -
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III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
163
j) Mehrjährige Umschuldungen öffentlicher Kredite (MYRA)
Einige Länder haben in jüngster Zeit Umschuldungen von FäHigkeiten mehrerer Jahre mit Bankberatungsausschüssen ausgehandelt. Hauptziel dieser sogenannten MYRAs (Multi Year Rescheduling Agreements) ist, Schuldnerländern mit erfolgreicher innen- und außenwirtschaftlicher Anpassung die Rückkehr zu normalen Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehungen zu ermöglichen. Nachdem Mexiko im Juni 1984 Gespräche mit seinen Bankkreditgebern über eine mehrjährige Umschuldungsvereinbarung aufgenommen hat, erörterten auch die Regierungen der 1985 auf dem Londoner Gipfeltreffen vertretenen Industrienationen die Vorteile mehrjähriger Vereinbarungen mit den Schuldnerländern97 • Längere Konsolidierungsperioden sind für Verhandlungen im Pariser Club, der bereits in der Vergangenheit bedingte, aufeinanderfolgende Umschuldungen98 vereinbart hat, grundsätzlich nichts Neues. In 8 derartigen Vereinbarungen der vergangeneo 10 Jahren gaben die Kreditgeber ihr Einverständnis, Umschuldungen in darauffolgenden Jahren unter bestimmten Bedingungen automatisch, ohne weitere Abstimmungen unter den Kreditgebern durchzuführen. Dabei werden der Prozentsatz der umzuschuldenden Zahlungen sowie weitere Bedingungen für die gesamte voraussichtliche Konsolidierungsperiode im voraus festgelegt. Zu den Bedingungen gehören meist ein neu es IWF-Programm und die jährliche Billigung der zwei- oder dreijährigen IWF-Programme durch den Exekutivrat des IWF. Eine andere Lösung für mehrjährige Umschuldungen besteht darin, daß sich die Kreditgeber in einer good will-Klausei prinzipiell zu weiteren Umschuldungen unter der Voraussetzung eines laufenden IWF-Programms bereit erklären. Im Umschuldungsabkommen mit Peru 1983 haben die Gläubigerländerregierungen eine Variante des bedingten Umschuldungsansatzes mit einer good will-Klausei verbunden. Sie legte Freijahre und Laufzeiten der bedingten Umschuldungen fest. Der Prozentsatz der umzuschuldenden Verbindlichkeiten und andere Bedingungen wurdenjedoch erst in einem Treffen vor Beginn des zweiten Umschuldungsjahres vereinbart. Variationen dieser verbesserten good will-Klausei ermöglichen längere Konsolidierungsperioden auch innerhalb des traditionellen Procederes des Pariser Club99• Zwar zeigten sich öffentliche Kreditgeber zu längeren Konsolidierungsperioden bereit. Von der Vorbedingung eines IWF-Abkommens im Rahmen einer höheren Kredittranche für die Umschuldung sind sie bisher jedoch nur Milivojevic (1985). Zur Begründung der Effizienzgewinne durch bedingte Verträge vgl. unsere Ausführungen aufS. 12 ff. 99 Dillon ( 1985), Milivojevic ( 1985). 97
98
164 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung in Ausnahmefälle 100 abgerückt. Bei den mehrjährigen Umschuldungen bleibt für die öffentlichen Kreditgeber die Kernfrage bestehen, ob sie von diesem Prinzip abrücken oder ob sie unter diesen Umständen versuchen sollen, auf andere Weise eine vernünftige Wirtschaftspolitik der Kreditnehmerländer sicherzustellen. Für einen Verzicht auf IWF-Programme sprechen- dies zeigt der Fall Brasilien im Januar 1987- politische Argumente. Den Kreditgeberländerregierungen könnte sonst der Vorwurf politischer Einmischung und bei Mißlingen der wirtschaftspolitischen Anpassungsmaßnahmen auch noch die Verantwortung dafür angelastet werden. Sie müssen auch klären, wie für ein MYRA geeignete Kandidaten auszuwählen sind, und wie bei mehrjährigen Umschuldungen durch vertragliche Gestaltung die Rückkehr zu normalen Kreditgeber-Kreditnehmer-Beziehungen ermöglicht werden kann. Mit bedingten sequentiellen Umschuldungen 101 geben die Kreditgeberländerregierungen den Kreditnehmerländern einerseits eine verbesserte PlanungssicherheiL Sie behalten sich andererseits die Kontrolle über die umzuschuldenden Beträge in Abhängigkeit von den Fortschritten bei der ökonomischen Anpassung vor. Ein derartiges Abkommen hat Ecuador im April 1985 mit seinen öffentlichen Kreditgebern vereinbart. Danach werden die gesamten FäHigkeiten des 3-Jahres-Zeitraums bis 1987 umgeschuldet. Berücksichtigt werden ausschließlich Amortisationszahlungen, wobei der umgeschuldete Prozentsatz von 100 Prozent 1985 auf 85 Prozent 1986 und 70 Prozent 1987 sinkt. Bereits vor dem Treffen des Pariser Clubs hatte der Exekutivrat des IWF ein Beistandsabkommen mit Ecuador für 12 Monate bis März 1986 abgeschlossen. Die ecuadorianische Regierung hat darüber hinaus ihren Kreditgebern die Absicht signalisiert, sie werde mit dem IWF ein weiteres einjähriges stand-by-Abkommen schließen. Bemerkenswert ist auch die Abhängigkeit der zweiten Tranche der Pariser Club-Umschuldung von einem weiteren IWF-Arrangement im Rahmen einer höheren Kredittranche zumindest bis März 1987. Die dritte Tranche der Umschuldung wird übrigens nur in Kraft treten, wenn Ecuador ein entsprechendes Abkommen bis Dezember 1987 oder näher spezifizierte Überwachungsprogramme mit dem IWF vereinbart und, wenn die beteiligten Kreditgeber die Konsultatio100 Entgegen den gängigen Spielregeln des Pariser Clubs akzeptierten 16 Kreditgeberländerregierungen die Umschuldung der 1985 und 1986 fälligen Zinsen und Tilgungen Brasiliens in Höhe von 3,3 Mrd. US-Dollar ohne den IWF mit seinen Kontrollen und Auflagen einzuschalten. Hinzu kommen noch die im ersten Halbjahr 1987 fälligen Tilgungen in Höhe von 500 Mio. US-Dollar. Vereinbart wurden weiterhin drei tilgungsfreie Jahre (grace period) im Rahmen einer Gesamtlaufzeit von neun Jahren. Vgl. o. V., Funaro: Ein großer Sieg der Brasilianer, in: FAZ vom 23.01.1987. 101 Die technischen Aspekte bedingter sequentieller Umschuldungen untersuchen wir aufS. 195 ff.
IH. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
165
nen Ecuadors mit dem IWF und die Implementierung eines umfassenden und adäquaten Wirtschaftsprogramms positiv einschätzen 102 • 2. V mschuldung bilateraler Kredite der Bundesrepublik Deutschland a) Methoden der Erfassung der Forderungen
Zur Vorbereitung bilateraler Umschuldungsabkommen sind zunächst die von der Umschuldung zu erfassenden Forderungen festzustellen. Für die Bundesrepublik Deutschland 103 ist dabei zu unterscheiden zwischen: Forderungen aus Krediten der Bundesregierung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ-Forderungen) Forderungen aus privaten Handelsgeschäften für Lieferungen und Leistungen (Handelsschulden) und von der Bundesregierung verbürgte bzw. garantierte (Hermes/Treuarbeit), "gebundene" Finanzkredite zur Finanzierung dieser Handelsgeschäfte. Das Volumen der FZ-Forderungen kann die Kreditanstalt für Wiederaufbau leicht feststellen. Handelsschulden machen hingegen eine sogenannte Exporteurumfrage notwendig. Hermes stimmt dabei mit jedem einzelnen Exporteur - oder bei Finanzkrediten mit den Geschäftsbanken -jede von der Umschuldung betroffene Forderung ab. Dieser Prozeß ist insbesondere bei größeren Umschuldungen zeitraubend. Sein Ergebnis ist bei länger andauernden Umschuldungsvorbereitungen häufig zu korrigieren, da sich der Forderungsbestand zwischenzeitlich durch eingehende Zahlungen verändert. Dem häufig vom Schuldnerland vorgebrachten Wunsch, bald nach seinem Umschuldungsantrag eine detaillierte Forderungsaufstellung zu erhalten, kann deshalb meist nicht entsprochen werden. Die hierfür notwendige Exporteurumfrage wäre im Zeitpunkt des Abschlusses des Pariser Protokolls nicht mehr aktuell. Sie müßte erst durch eine weitere Umfrage auf den neuesten Stand gebracht werden. Der hiermit verbundene administrative, kostenverursachende Aufwand ist jedoch für die Bundesregierung, gemessen an dem vertretbaren Aktualitätsverlust, nicht tragbar. Derartige Anfragen werden deshalb unter Rückgriff auf die bei Hermes geführte Fälligkeitsstatistik beantwortet. Aus dieser Fälligkeitsstatistik kann allerdings nur die Größenordnung des insgesamt umschuldungsfähigen Forderungsvolumens, Dillon ( 1985). Unsere Untersuchung der Umschuldung der bilateralen Kredite der Bundesrepublik Deutschland basiert auf Gesprächen mit Vertretern von BMF, BMWI und BMZ. 102
103
166 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung
nicht aber der Stand der Abwicklung von Einzelgeschäften abgeleitet werden. Nach Abstimmung der Forderungen mit den deutschen Gläubigern erfolgt die Prüfung durch die Schuldnerregierung. Die Aufstellung der Fälligkeiten wird dann dem Abkommen als Anlage beigefügt und damit dessen integraler Bestandteil. b) Form und Inhalt der Umschuldungsabkommen
Umschuldungsabkommen bestehen in der Regel aus einem Rahmenabkommen und einem Handelsschuldenabkommen. Falls bereits früher umgeschuldete Forderungen ebenfalls restrukturiert werden, ist außerdem ein Zusatzabkommen zu dem früheren Umschuldungsabkommen zu vereinbaren. Das Pariser Protokoll sieht entweder die Umschuldung oder die Refinanzierung vor. Letztere ist jedoch in der Bundesrepublik Deutschland haushaltsrechtlich nicht zulässig. Hier bildet das Rahmenabkommen die Grundlage für alle zu schließenden Umschuldungsabkommen. Es regelt darüber hinaus die Umschuldung der FZ-Forderungen entsprechend den Konditionen des Pariser Protokolls und bestimmt den bilateral zu vereinbarenden Konsolidierungszinssatz, mit dem die umgeschuldeten Beträge vom Zeitpunkt der ursprünglichen Fälligkeit bis zu ihrer Tilgung zu verzinsen sind. Darüber hinaus nennt das Rahmenabkommen außer den Gesamtbeträgen in einer Anlage auch die einzelnen Fälligkeiten der FZ-Forderungen. Technische Einzelheiten regelt ein Zusatzvertrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau mit der Regierung des Schuldnerlandes. Dieser Vertrag wird regelmäßig nach Inkrafttreten.des bilateralen Umschuldungsabkommens abgeschlossen. Das sogenannte Handelsschuldenabkommen erfaßt die staatlich verbürgten bzw. garantierten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im Rahmen von Handelsgeschäften und aus Krediten deutscher Banken zur Finanzierung von Handelsgeschäften - sogenannte gebundene Handelskredite. Es wiederholt für diese in der Anlage zum Handelsschuldenabkommen genau bezeichneten Forderungen im einzelnen die Konditionen des Pariser Protokolls, nennt den Konsolidierungszinssatz und regelt technische Fragen von grundsätzlicher Bedeutung 104 • Eine technische Vereinbarung 105 wird zwischen den deutschen Mandataren (Hermes) und ihren ausländischen Partnern meist gleichzeitig mit dem Umschuldungsabkommen geschlossen. Form und 104 Beispielsweise die Einrichtung einer zentralen Stelle, bei der die privaten Schuldner die fälligen Forderungen in inländischer Währung einzahlen können. Für die Konvertierung in Deutsche Mark (DM) und den Transfer auf ein deutsches Konto hat die Regierung des Schuldnerlandes zu sorgen. 105 Beispielsweise Anschriften, Kontonummern, Form der Eingangsanzeigen und Belastungsermächtigungen.
111. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
167
Inhalt der deutschen Umschuldungsabkommen sind in mehrjähriger Praxis entstanden. Varianten ergeben sich insbesondere aufgrund verschiedener Devisengesetze der beteiligten Schuldnerländer. Private Auslandsschuldner sind zwar meist in der Lage, ihr vertraglichen Zahlungsverpflichtungen in eigener Währung zu erfüllen. Sie erhaltenjedoch häufig nicht von ihrer Notenbank die für einen Transfer notwendigen Devisen. Mit den Regierungen der Schuldnerlände werden deswegen Handelsschuldenabkommen in Form sogenannter Transferaufschub-Abkommen geschlossen. Darin verpflichtet sich die Regierung des Schuldnerlandes: eine zentrale Stelle einzurichten- beispielsweise ein Sperrkonto bei der Zentralbank - auf das die von der Umschuldung erfaßten privaten Verbindlichkeiten in Landeswährung einzuzahlen sind über die erfolgten Einzahlungen Eingangsanzeigen und Belastungsermächtigungen an Hermes zu übersenden und den Gegenwert in Devisen zu den im Umschuldungsabkommen vereinbarten Terminen auf das von Hermes in der Bundesrepublik Deutschland benannte Konto zu überweisen. Der deutsche Deckungsnehmer erhält die vertragsgemäße Entschädigung grundsätzlich erst, wenn die Eingangs- und Belastungsermächtigung vorliegt und die Barquote eingegangen ist. Aufgrund seines in der Regel nicht gedeckten Selbstbehalts bleibt er aber meist auch noch nach erfolgter Entschädigung an der Abwicklung des Umschuldungsabkommens beteiligt. Der Selbstbehalt kann nämlich nur aus den unter dem Umschuldungsabkommen von der Schuldnerregierung geleisteten Zahlungen gedeckt werden. Dies spricht auch gegen den Schuldenerlaß von Handelsforderungen, da damit in Forderungen privater Gläubiger eingegriffen würde. Betreffen die Forderungen aus Handelsgeschäften ausschließlich die Regierung des Schuldnerlandes oder eine ihrer Institutionen, bedarf es natürlich keines besonderen Einzahlungssystems. Für gemäß dem Pariser Protokoll umzuschuldende Forderungen wird das bilaterale Abkommen in diesem Fall als sogenanntes Zahlungsaufschub-Abkommen vereinbart.
c) Konsolidierungszinssatz
Der Konsolidierungszinssatz ist nach dem Pariser Protokoll bilateralen Verhandlungen vorbehalten. Dabei soll jedoch grundsätzlich eine Orientierung am angemessenen Marktzins (appropriate market rate) erfolgen, der in den einzelnen Gläubigerländern sehr unterschiedlich hoch ist. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß nach Auffassung und Praxis des Pariser Clubs die Umschuldung nicht kostenlos und grundsätzlich kein Instrument
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der Entwicklungshilfe sein soll. Die Maßnahmen zielen vielmehr auf Erleichterung des Schuldendienstes an Gläubigerländerregierungen ab. Die Umschuldungskosten soll der Schuldner über die Zahlung des Konsolidierungszinses tragen. Die Bundesregierung orientiert sich an den Refinanzierungskosten des Bundeshaushaltes, also den Kosten des Bundes für Kapitalmarkttitel zuzüglich einer Marge zur Deckung des Verwaltungsaufwands. Abweichend von der Praxis des Pariser Protokolls ist die Bundesregierung bereit, FZ-Kredite zu einem Vorzugs-Konsolidierungszinssatz umzuschulden. Dieser orientiert sich am ursprünglichen Vergabezinssatz und enthält in der Regellediglich einen Aufschlag zur Deckung zusätzlicher Verwaltungskosten. Damit verzichtet sie auf einen kostendeckenden Zins, wie ihn das Pariser Protokoll vorsieht. Der Zahlungsaufschub verursacht zwar einen Einnahmeausfall, der ebenso wie die Entschädigung der Deckungsnehmer bei den Handelsforderungen zu einem zusätzlichen Refinanzierungsbedarf des Bundes führt. Mit diesem wesentlich ermäßigten Konsolidierungszinssatz der Umschuldungen von FZ-Forderungen setzt aber die Bundesregierung ihre Entwicklungshilfe faktisch unter zusätzlichem Einsatz von Baushaltsmitteln fort. 3. Umschuldung internationaler Bankkredite Umschuldungen, Reorganisationen und Sanierungen von Kreditnehmern sollten zwar grundsätzlich Ausnahmen von Bank-Kunden-Beziehungen bleiben. Im allgemeinen betrachten Banken sie jedoch als zwar unangenehmen aber natürlichen Bestandteil ihrer Tätigkeit. Einige Institute haben sogar spezielle Abteilungen zur effizienteren Bewältigung dieser besonderen Probleme geschaffen 106 • Bei Umschuldungen von Krediten an ausländische Staaten sind die Erfahrungen der Banken dagegen weniger ausgeprägt. Tabelle 12 zeigt die relativ geringe Zahl und volumenmäßige Bedeutung der Umschuldungsländer bis 1982. Seit 1983 ändert sich dies wesentlich. Internationale Banken konnten zwar auf grundsätzliche Erfahrungen aus zurückliegenden Umschuldungen von Krediten an ausländische Staaten zurückgreifen. Spezifische rechtliche Bestimmungen oder ein vertraglich vereinbartes Procedere haben sie bis dahin (1982) aber noch nicht entwickelt. Denn in internationalen Kreditverträgen finden sich keine Vorkehrungen für möglicherweise notwendige Umschuldungen, weil Kreditvergaben in der Regel nicht schon in der Erwartung von Schuldendienstproblemen erfolgen. 106 Die bankinternen Probleme des Länderrisikomanagements haben wir an anderer Stelle (Reinhardt 1985) ausführlich untersucht. Dabei behandeln wir auch die Arbeit von Sanierungsabteilungen (work out/restructuring groups).
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Sie enthalten jedoch einige Vereinbarungen, die für die technische Abwicklung von Umschuldungen wesentlich sind 107 • Neu ist für die Kreditgeberseite die nunmehr aufrechtzuerhaltende Kommunikation zwischen mehreren hundert betroffenen Banken. Gleichzeitig müssen sie eine gemeinsame Position erarbeiten und die Zusammenarbeit der Kreditgeber koordinieren. Trotz der individuellen Behandlung einzelner souveräner Umschuldungsfälle durch die Banken lassen sich Parallelen in ihrem Ablauf feststellen. Diese wollen wir im folgenden erläutern. a) Anbahnung von Umschuldungsverhandlungen
Rein saldenmechanisch betrachtet löst die abnehmende Kreditvergabebereitschaft der Banken Verschuldungsprobleme und damit auch Umschuldungen aus. Zunächst kann ein Land zwar noch auf liquide Reserven 108 zurückgreifen. Die Zahlungseinstellung erfolgt dann entweder, wenn die liquiden Reserven erschöpft sind. Sie kommt aber auch bei noch vorhandener Liquidität vor, weil es Länder gibt, die sich nicht jeglicher finanzieller Manövriermasse zur Finanzierung essentieller Importe entblößen wollen. Denkbar ist aber auch, daß Banken mit dem Ziel intervenieren, die Verwendung der liquiden Reserven zur Bedienung der Verpflichtungen gegenüber anderen Kreditgebern zu verhindern. Sowohl aus Kreditnehmer- als auch aus Kreditgebersicht stellt sich also die Frage, bis auf welches Niveau sie die Devisenreserven eines Landes abnehmen lassen sollten, bevor Restrukturierungsverhandlungen aufzunehmen sind. Gleichzeitig ist zu klären, in welchem Maße kurzfristige Kreditverpflichtungen des Schuldnerlandes auslaufen sollten. Denn zunehmend verunsicherte Kreditgeber neigen meist dazu, zuerst Interbankeinlagen von den Banken des Problemlandes abzuziehen 109 oder aber Prolongationen bestehender Kredite zu verweigern. Der Beantwortung dieser Frage stehen allerdings große Informationsprobleme entgegen, da die Statistiken über die Liquiditätssituation der Schuldnerländer nur bedingt zuverlässig und nur mit Verzögerung verfügbar sind. 107 In dieser Hinsicht sind u. a. Vereinbarungen von Mehrheitsvoten, sharing clauses und pari passu-Kiauseln von Bedeutung. Ausführliche Diskussionen von kreditvertraglichen Vereinbarungen mit Bedeutung für die Umschuldungsabwicklung finden sich bei Bosch (1985), Brown (1984), Hughes (1983), Brown und Wilson (1983), Cardenas (1983), Wickersham (1982) sowie Wood (1982). 108 Die Entwicklung der Liquiditätspositionen einzelner Länder vor dem Eintritt von Verschuldungsproblemen haben wir aufS. 139 ff. dargelegt. 109 Bei der Brasilien-Umschuldung 1983 erwies es sich als äußerst schwierig, das relativ hohe Volumen der Interbankeinlagen aufrechtzuerhalten. Dieses sogenannte Projekt IV war im Ergebnis schließlich wenig erfolgreich. Ähnliche Versuche unterblieben deshalb bei anderen Umschuldungen.
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Zwangsläufig zeigen sich in solchen Situationen Interessenunterschiede zwischen solchen Banken, die stärker exponiert sind, und solchen mit kleineren Exposures oder aber auch solchen unterschiedlicher Nationalität. Denn je nach Exposurehöhe und Fristigkeit der ausstehenden Kredite sind die Gläubiger an frühzeitiger oder aber verzögerter Aufnahme der Umschuldungsgespräche interessiert. Hohes Exposure und lange Kreditbindungsfristen sprechen dabei für ein Interesse an einem schnellen Verhandlungsbeginn, um nicht nach Abzug kürzerfristiger Forderungen die Umschuldungslasten alleine tragen zu müssen. Gelingt es einem Land nicht, seine Gläubiger zu weiterer Kreditvergabe zu veranlassen oder ist es nicht bereit oder willens, die Hilfe des Internationalen Währungsfonds durch Ziehung auf seine Reservetranche oder frühzeitige Aushandlung eines Anpassungsprogramms in Anspruch zu nehmen, bleiben oft nur die Verkündung eines Moratoriums 110 und interne gesetzliche und administrative Maßnahmen zur Regelung der falligen Auslandsschulden 111 • Technisch sind diese Schritte zweifellos notwendig. Sie können aber keine verbindliche und langfristig tragbare Regelung der Finanzbeziehungen mit den internationalen Gläubigern ersetzen. Gleichwohl haben beispielsweise Brasilien und Mexiko versucht, sie zur einseitigen internationalen Regelung ihrer Verschuldung zu nutzen 112 • Entschließt sich ein Schuldnerland, seine Auslandsschulden neuzuverhandeln, und verzichtet es - möglicherweise nur vorübergehend unter dem Druck der Krisensituation - auf einseitige Maßnahmen, leiten Regierung und Zentralbank entsprechende Verhandlungen ein. Inländische Kreditnehmer des Schuldnerlandes sind nur indirekt an den Verhandlungen beteiligt. Sie haben in der Regel keinen Zugang zu seinen Devisenreserven. Zudem drängen die Gläubiger in der Regel auf wirtschaftspolitische Anpassungsmaßnahmen, die nur von der Regierung zu realisieren sind. b) Verhandlungsziele
Die Regierung eines Schuldnerlandes muß darauf bedacht sein, auf kurze Sicht wenigstens ein Minimum an Devisenreserven zu halten. Sie benötigt dieses Minimum nicht nur, um ihre essentiellen Importe bezahlen zu können, sondern auch um ihre Verhandlungsposition gegenüber den Banken nicht zu Juristische Aspekte der Moratoriumserklärung behandelt Ryan (1982). Die gesetzlichen und administrativen Maßnahmen beispielsweise im Falle Argentiniens untersucht Cardenas ( 1983). 112 Die Versuche einseitiger Schuldenregelungen Brasiliens und Mexikos untersuchen Brown und Wilson ( 1983), Cardenas ( 1983). Weitere Strategieoptionen von Kreditnehmerländern untersuchen wir im Zusammenhang mit strategischen und taktischen Aspekten internationaler Restrukturierungen aufS. 216 ff. und 270 ff. 110 111
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171
schwächen. Aus den gleichen Gründen ist es für ein Land wichtig, kurzfristige Handelsfinanzierungen sowie seine Interbanklinien intakt zu halten. Langfrisitg wird das Schuldnerland in den Verhandlungen auf einen Schuldendienst abzielen, der ihm auch in Zukunft noch wirtschaftliches Wachstum ermöglicht. Die Umschuldung wird zwar gleichwohl das Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung zunächst verringern 11 l, vielleicht sogar eine schrumpfende Volkswirtschaft bewirken oder ihre Entwicklungsrichtung ändern 11 \ aber das langfristige Wachstumsziel des Schuldnerlandes sollte hiervon unberührt bleiben. Inwieweit das Wachstumsziel des Schuldnerlandes erreicht werden kann, hängt nun wesentlich von der Aufrechterhaltung oder der Wiederherstellung des Zugangs zu seinen Finanzierungsquellen ab. Zunehmende weltwirtschaftliche Interdependenz- auch der Entwicklungsländer- zieht umfangreiche Importe und Exporte nach sich, die finanziert werden müssen. Dafür sind zunächst kurzfristige Finanzierungsmittel wichtig. Damit die Ziele Wirtschaftswachstum und Aufrechterhaltung des Schuldendienstes in Einklang gebracht werden können, ist damit aber auch der Zugang zu weiteren mittel- und langfristigen Finanzierungsmitteln erforderlich. Weiterhin wird das Schuldnerland auf einen tragfähigen Schuldendienstplan hinwirken und deshalb versuchen, den Umschuldungsplan so zu strukturieren, daß er auch politisch durchsetzbar erscheint. Nur dann wird eine Regierung ihm zustimmen und ihn auch innenpolitisch vertreten können. Schließlich kommt es darauf an, effiziente Teile der Volkswirtschaft des kreditnehmenden Landes nicht durch Devisenknappheit verursachte Importbeschränkungen zu schädigen 115 • Die Gläubiger eines Landes - insbesondere die stark exponierten Geschäftsbanken - müssen demgegenüber auf kurze Sicht daran interessiert sein, ihren Wertberichtigungsbedarf in engen Grenzen zu halten. Ihnen drohen hohe Kosten, falls sie selbst oder andere Gläubiger den Verzug (default) des betreffenden Landes erklären. Der Bilanzansatz der Kredite verschlechterte sich dann möglicherweise aufgrund von Maßnahmen der Bankenaufsicht oder aber von Bilanzierungsbestimmungen drastisch. Mehr als neunzig Tage überfällige Zinszahlungen dürfen beispielsweise nach US11 3
Vgl. unsere Auführungen zur Bewertung der bisherigen Umschuldungsstrategie auf
s. 228 ff.
114 Die den Problemschuldnern vom Baker-Plan nahegelegte Reduzierung des staatlichen Anteils an der Volkswirtschaft, die Förderung des Finanzsektors und der Ersparnisbildung sind wichtige Beispiele. Zum Baker-Plan vgl. ausführlich Nunneukamp und Junge ( 1986) und Herlt ( 1986). 11 5 Dies sind die verringerten Anpassungskosten (adjustment smoothing), die Eaton und Gersovitz (198la) als einen Vorteil internationaler Kreditaufnahme sehen.
172 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung amerikanischen Bilanzierungsvorschriften im Quartalsausweis nicht mehr als Einnahmen verbucht werden 116 • Langfristig suchen Gläubiger eines Landes nach Lösungen, die den Wert ihrer Forderungen erhalten oder aber deren Qualität erhöhen. Sie werden, um dieses Ziel zu erreichen, unter Umständen auch neue Kredite bereitstellen, wenngleich sie unter Krisenbedingungen und hohem relativen Exposure primär an einem Abbau oder an einer Begrenzung ihres Exposure in absoluten Zahlen und im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital interessiert sind. Insgesamt ist den Geschäftsbanken 1982 zwar eine Rückführung ihrer Engagements in den Problemländern nicht gelungen. Mit ca. 8% Zuwachs lag der Zuwachs des Kreditvolumens- im Vergleich zu 30% im Durchschnitt der vorhergehenden Jahre- jedoch deutlich niedriger. Die neuvergebenen Kredite wurden allerdings zum überwiegenden Teil für den Schuldendienst auf alte Kredite verwandt. Dieser Trend setzte sich 1983 bis 1985 fort 11 7 • c) Überbrückungsfinanzierung
Vom ersten Anzeichen von Schuldendienstproblemen bis zur abschließenden Restrukturierung vergehen oft Monate, manchmal auch Jahre. Die Komplexität der Verhandlungen mit zahlreichen Parteien, Informations-und Koordinationsprobleme sowie fehlende Erfahrung mit der Handhabung derartiger Situationen lassen dies auch erwarten. Damit stellt sich die Frage nach der Behandlung zwischenzeitlich fälliger Zahlungen. Zunächst wird das Schuldnerland versuchen, Stillhaltevereinbarungen mit seinen Gläubigern zu erzielen. Da solche Vereinbarungen kaum über einen Zeitraum von 90 Tagen hinaus zu erreichen sind, benötigt das Land in der Regel auch neue liquide Mittel, um seinen Zugang zu den internationalen Finanzmärkten offenzuhalten. Diese Überbrückungsfinanzierungen machen befreundete Regierungen, große Geschäftsbanken-die sogenannten "banking friends" -,die BIZ und der IWF verfügbar 118 • Gemeinsames Merkmal der großen Umschuldungsoperationen von Brasilien, Mexiko und Jugoslawien 1982/83 ist die aktive Rolle der OS-Regierung und der BIZ, deren Hilfe die kritische Zeit zwischen Krisenbeginn und Auszahlung der Kredite durch den IWF und die Geschäftsbanken überbrückte. Die OS-Regierung stellte Brasilien 1,57 Mrd. US-Dollar, Mexiko 116 Zur bilanziellen Behandlung internationaler Kredite von US-Banken vgl. unsere Ausführungen aufS. 248 ff. 117 Zur Exposure-Entwicklung amerikanischer Banken vgl. Terrel und Mills (1985}, zu der englischer, deutscher und Banken anderer Nationalität vgl. Morgan Guaranty (July 1985). 118 Friedman (1983) und Hardy (1985) untersuchen in Fallstudien die Überbrückungsfinanzierung durch Regierungen und internationale Organisationen.
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2,925 Mrd. OS-Dollar sowie Jugoslawien 200 Mio. OS-Dollar über verschiedene Institutionen zur Verfügung. Die umfangreiche und schnelle Unterstützung Brasiliens und Mexikos verdeutlicht den Ernst der Umschuldungssituation- sie zeigt überdies die politische Bedeutung beider Länder aus der Sicht der USA. Auch beim Zustandekommen der Vereinbarung über die Vergabe neuer Kredite durch die im Pariser Club vertretenen Regierungen in Höhe von 1,1 Mrd. OS-Dollar an Jugoslawien- und in jüngster Zeit auch an Brasilien- spielte die OS-Regierung eine wichtige Rolle. Die Aufrechterhaltung der politischen Neutralität Jugoslawiens war für die Haltung der OSRegierung ein wesentlicher Faktor. Gerade deshalb überträgt man auch dann, wenn die OS-Regierung den größten Beitrag zum Finanzierungspaket leistet, die Führung dieser Maßnahmen zur Überbrückungsfinanzierung gern einem neutralen Land, nämlich der Schweiz 119 • Die wichtigste Rolle spielte bei diesen Transaktionen der Federal Reserve Board, der im Falle Mexikos kurzfristig 925 Mio. OS-Dollar zur Überbrückungsfinanzierungverfügbar machte. Den Beitrag der Deutschen Bundesbank zu den kurzfristigen Überbrückungsfazilitäten der BIZ zugunsten zahlungsbilanzschwacher Länder zeigt Tabelle 15. Die BIZ, bei der der Federal Reserve Board einen Beobachterstatus innehat, stellte ebenfalls kurzfristig I ,2 Mrd. OS-Dollar für Brasilien, 925 Mio. OS-Dollar für Mexiko und 500 Mio. OS-Dollar für Jugoslawien bereit. Über ihren finanziellen Beitrag hinaus, ist die BIZ formelles und informelles Forum für Kontakte und Zusammenarbeit zwischen den großen Zentralbanken der OECD-Länder. Ihre Hauptaufgabe ist es, kurzfristige Transaktionen zwischen den ihr angeschlossenen Zentralbanken abzuwickeln. Ihr Beitrag zu den genannten Überbrückungsfinanzierungen sollte allerdings den Eindruck vermeiden, es würden langfristige Kreditmittel bereitgestellt. Die Kredite der BIZ laufen formal 90 Tage. Bei Brasilien und Mexiko wurden sie allerdings mehrfach prolongiert. Auf diese Weise wurden sie- gegen den Willen der BIZ- de facto mittelfristig. Bei der Rückforderung ihrer Überbrückungskredite muß die BIZ den notwendigen Druck für den Abschluß der Umschuldungsverhandlungen gegen eine Verunsicherung des internationalen Finanzsystems abwägen. Sie zielt im Grundsatz nur darauf ab, eine unterstützende Rolle im Rahmen der IWF-Maßnahmen zu spielen. Im Falle Ungarn, das erst Ende 1982 dem IWF beitrat, war sie allerdings bei der Koordinierung der Unterstützungsaktion federführend. Ihre kurzfristig arrangierte Überbrückungsfinanzierung in Höhe von 510 Mio. OS-Dollar verbesserte die Stellung Ungarns gegenüber den internationalen Banken. Diese hatten vorher mit dem Abzug ihrer Interbankeinlagen die Finanzierungsposition dieses Landes wesentlich verschlechtert 120 • 119 120
Milivojevich (1985). Milivojevic (1985), Dillon (1985), Brau (1983).
174 2. Kap.: Internationale Kreditvergabe, Verschuldung und Restrukturierung Tabelle 15: Beteiligung der Deutschen Bundesbank an kurzfristigen Überbrückungsfazilitäten der BIZ zugunsten zahlungsbilanzschwacher Länder (Mio. US-Dollar) Engagement der Bundesbank Kreditnehmer/Laufzeit
Fazilität der BIZ
Garantieverpflichtung
Ungarische Nationalbank 7. Apr. 1982- 7. Jan. 1983 17. Mai 1982 - 17. Nov. 1982 26. Okt. 1982- 26. Apr. 1983 29. Apr. 1983- 30. Juni 1983
100 110 300 100
25 10 40 10
Bank von Mexiko 30. Aug. 1982-23. Aug. 1983
925•)
120
Zentralbank von Brasilien 28. Dez. 1982- 30. Nov. 1983
1450
25 10 40 10
110
Zentralbank der Argentinischen Republik 28. Jan. 1983 - 31. Mai 1983
500b)
20
Jugoslawische Nationalbank 22. Apr. 1983- 15. Nov. 1983
300
25
2975
295
Höchststand der gleichzeitigen Inanspruchnahme der BIZ bzw. des gleichzeitigen Engagements der Bundesbank
Einlage bei der BIZ
75
Die Währungsbehörden der USA stellten zusätzlich einen gleichhohen Beitrag zur Verfügung " 1 Nicht in Anspruch genommen Quelle: Deutsche Bundesbank. Geschäftsbericht für das Jahr 1983. '1
d) Koordination der Gläubigerbanken
Die Regierungen der Kreditgeberländer koordinieren ihre Aktivitäten durch den Pariser Club oder durch den IWF; ihre Zentralbanken bedienen sich der BIZ. Die international engagierten Banken können hingegen nicht auf etablierte Koordinationsmechanismen zurückgreifen. Ihre Zahl ist im übrigen vergleichsweise wesentlich höher. Ihre Interessen unterscheiden sich viel stärker und ihre Kreditvolumina sind bedeutend höher als die, die staatliche Stellen bilateral bereitstellen. Kleine Banken mit absolut und relativ niedrigem Exposure sind beim Auftreten von Verschuldungsproblemen versucht, die Konsortien zu verlassen. Sie möchten - wie wir bereits erläu-
III. Prozeß und Bedingungen internationaler Restrukturierungen
175
tert haben 121 - ihre Kredite fällig stellen und sich mit einer free rider-Strategie auf Kosten größerer und in der Regel stärker exponierter Institute, denen derartige Schritte nicht möglich sind, aus den nun offensichtlichen Risiken befreien. Auf den ersten Blick bieten Vertragsklauseln wie pari passu-, Teilungs- und Negativklauseln 122 rechtlich zwar die Möglichkeit, free rider-Strategien abzuwehren. Faktisch kann ein entschlossener Konsorte jedoch nicht von seinem Vorhaben abgebracht werden. Interessierte Banken mit größeren Exposures und Schuldnerländer werden daraufhin zunächst versuchen, durch sogenanntes "black listing", also der Publizierung der Namen solcher Kreditinstitute, die ihren Beitrag zu Umschuldungslösungen verweigern, Druck auszuüben. Freeridern droht dann der Verlust von Erträgen aus dem Abbruch von Geschäftsbeziehungen mit bis dahin befreundeten Banken. Die national verantwortlichen Zentralbanken in den Kreditgeberländern wiederum versuchen durch persönliche Vorladungen und "moral suasion" positiven Einfluß im Hinblick auf die Bereitschaft potentieller free rider zu Umschuldungslösungen beizutragen, auszuüben 123 • Die Koordination der Banken wird meist von ehemaligen Konsortialführern (Iead managers) oder von den für die Abwicklung des Kredits bestellten Konsortialagenten (agent banks) übernommen. Die größten Kreditgeber sind an den Verhandlungen ebenfalls aktiv beteiligt. Den organisatorischen Rahmen für die Aktivitäten der Banken bildet ein Steuerungs- (steering committee) oder ein Beratungsausschuß (advisory committee), die in der Regel kein Mandat der sie vertretenden Banken haben. Sie werden oft von den kreditnehmenden Ländern berufen, die dann auch die entstehenden Kosten übernehmen. Bei der Auswahl der Komiteemitglieder achten die Schuldnerländer auf die Exposurehöhe und die Nationalität der berufenen Banken, um volumenmäßig und geographisch eine weitgehende Erfassung der Kreditgeber zu erreichen. Abbildung 17 zeigt die Struktur des Beratungsausschusses für Mexiko. Viele andere Beratungsausschüsse haben eine vergleichbare Zusammensetzung. Meist dominieren die US-Banken in diesen Ausschüssen, da sie- zumindest gegenüber Lateinamerika -die größten Exposure und auch die reichsten Erfahrungen aus Umschuldungen in der Zeit von 1978 bis 1982 haben 124 • Tabelle 3 im Anhang gibt einen Überblick über die in den Beratungsausschüssen vertretenen Banken. Vgl. unsere Auführungen aufS. 83 f. Zu den Möglichkeiten des Risikomanagements internationaler Kredite mittels kreditvertraglicher Vereinbarungen vgl. unsere Ausführungen aufS.84 ff. sowie Bosch ( 1985). 12 ·' Die Praktiken der Disziplinierung von Konsortialmitgliedern untersucht Osborn ( 1984). Zum spieltheoretisch interpretierten free rider-Kalkül vgl. unsere Auführungen auf S. 83 f. 124 Zur Organisation von Banken in Steuerungs- und Beratungsausschüssen vgl. Sandler (1983), Adam (1983). 12 1 121
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entspricht erzwunqenan Aufschub der Zinszahlungen bei einer typischen Begrenzung auf 20\ der Exporterlöse ergäbe sich ein extremer Rückgang der ausgewiesenen Gewinne
Vergleichbar (17.)
begrenzte MÖglichkeiten; weniger flexibel im Vergleich zur Zahlung in inlärdischer Währurq ohne Zweckbindung; vorteilhaft für Direktinvestoren
Prinzipiell begrüßenswerte Sirdung an die Schulderd ienstmög Uchkeiten; praktisch jedoch wenig vorteilhaft, wenn dies den Zufluß neuer Kredite vermirdert; nur für extreme Problemfälle sinnvoll, bei denen keine neuen Kredite vergeben werden
vergleichbar (17.); Risiko höherer Zahlungen im Falle besserer Exportenb