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German Pages 191 [215] Year 2017
Wilken/Schaumann/Zenker Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz
ZIP Praxisbuch 11
Anleihen in Restrukturierung und Insolvenz 2. Auflage
von RA Dr. Oliver Wilken, Köln RA Dr. Michael Schaumann, Köln RA Dr. Michael Zenker, Köln
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Köln
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Vorwort Mit dem am 5.8.2009 in Kraft getretenen Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (SchVG) sowie dem am 1.3.2012 in Kraft getretenen Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) hat der Gesetzgeber Instrumente zur Restrukturierung von Anleihen geschaffen. Das relativ junge Recht ist in kurzer Zeit Gegenstand umfangreicher Rechtsprechung geworden, und es bleibt Anlass vitaler wissenschaftlicher Diskussionen. Gleichzeitig steht eine Welle von Anleiherestrukturierungen vor der Tür. Die Endfälligkeit zahlreicher Mittelstandsanleihen in den Jahren 2017 und 2018 wird dazu führen, dass deren Emittenten in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das Ende der Niedrigzinspolitik wird hierzu ihr Übriges beitragen. Die nachfolgenden Ausführungen befinden sich auf dem Stand März 2017. Hinweise, Anregungen und Kritik sind den Autoren jederzeit willkommen. Die Autoren danken – wie schon anlässlich der 1. Auflage – in besonderem Maße Frau Ramona Stebner für ihre Unterstützung bei der Manuskripterstellung. Auch – und ebenfalls in besonderem Maße – danken die Autoren Frau Jana Bertus, Doktorandin an der Universität zu Köln, für ihre besondere fachliche Unterstützung.
Köln, im März 2017
Dr. Oliver Wilken Dr. Michael Schaumann Dr. Michael Zenker
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Inhaltsverzeichnis Rn.
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Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis ..................................................................................... XV A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo ............................. 1 ........ 1 I.
Die Mittelstandsanleihe – the rise and fall .................................. 2 ........ 1
II. Anleiherestrukturierung ............................................................. 13 ........ 3 III. Anleihemodalitäten .................................................................... 22 ........ 5 IV. Regelungsmaterien zur Änderung von Anleihen in Deutschland ............................................................................ 1. SchVerschrG ....................................................................... 2. SchVG .................................................................................. 3. Übersicht ............................................................................. a) 1. Abschnitt (§§ 1 – 4 SchVG) ..................................... b) 2. Abschnitt (§§ 5 – 22 SchVG) ................................... c) 3. Abschnitt (§§ 23, 24 SchVG) ..................................
30 33 39 45 46 50 60
........ 7 ........ 7 ........ 8 ...... 10 ...... 10 ...... 11 ...... 12
B. Anleihen in der Restrukturierung .......................................... 62 ...... 13 I.
Grundlagen, insbesondere Zeitplan und strategische Überlegungen ............................................................................. 1. Sanierungserleichterung durch das SchVG ........................ 2. Zeitplan und insolvenzrechtliche Implikationen .............. 3. Case Study: Debt-to-Equity-Swap ..................................... 4. Schaubild: Zeitplan einer Anleiherestrukturierung mit Debt-to-Equity-Swap ................................................... 5. Exkurs: Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Anleiherestrukturierung ..........................................
62 62 63 76
...... ...... ...... ......
13 13 13 18
81 ...... 19 82 ...... 19
II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG ................................ 89 1. Sachlicher Anwendungsbereich .......................................... 92 a) Wahl deutschen Rechts ............................................... 93 b) Inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen ................................................ 95 aa) Allgemeines ......................................................... 96 bb) In Schuldverschreibungen verbriefte Versprechen ....................................................... 100 cc) Schuldverschreibungen aus „Gesamtemissionen“ ......................................... 106 dd) Inhaltsgleichheit ................................................ 108
...... 21 ...... 21 ...... 22 ...... 22 ...... 22 ...... 24 ...... 25 ...... 25 VII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2. 3. 4.
5.
Örtlicher Anwendungsbereich ......................................... Zeitlicher Anwendungsbereich ........................................ Optionales Gläubigerorganisationsrecht in §§ 5 – 21 SchVG ................................................................ a) § 5 SchVG als Grundnorm ....................................... b) Ermächtigungslösung des § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG ............................................................. c) Ausgestaltung der Ermächtigung in den Anleihebedingungen ...................................... d) Problem: Anwendbarkeit einzelner Vorschriften trotz fehlendem Opt-In? .................... aa) § 19 SchVG ........................................................ bb) Bestellung eines gemeinsamen Vertreters trotz fehlender Regelung in den Anleihebedingungen? ........................................................ Möglichkeiten der Erweiterung des Anwendungsbereiches aus Alt-Anleihen gemäß § 24 Abs. 2 SchVG ...... a) Materielle Anforderungen an die Altanleihe ............ b) Möglichkeit der Verknüpfung des Opt-In-Beschlusses mit weiteren Beschlüssen? ......
III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG ............... 1. Materielle Anforderungen an Mehrheitsbeschlüsse ........ a) Verbot der Verpflichtung zur Leistung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG) ......................................... b) Gleichbehandlungsgebot (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG) ......................................... 2. Beschlussgegenstände nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 10 SchVG ............................................................... a) Veränderung der Fälligkeit von Zinsen sowie der Hauptforderung .................................................. b) Verringerung von Hauptforderung und/ oder Zinsforderung(en) ............................................ c) Zinsausschluss ............................................................ d) Nachrang der Anleiheforderungen .......................... e) Austausch und Freigabe von Sicherheiten ............... f) Änderung der Währung ............................................. g) Verzicht auf Kündigungsrechte (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG) .............................. h) Schuldnerersetzung (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 SchVG) ............................................................ i) Änderung oder Aufhebung von Nebenbestimmungen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG) ....... 3. Insbesondere: Umwandlung von Fremdin Eigenkapital ................................................................... a) Kein unmittelbarer Debt-to-Equity-Swap ............... VIII
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110 ...... 26 112 ...... 26 114 ...... 27 115 ...... 27 117 ...... 27 119 ...... 28 122 ...... 28 124 ...... 29
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...... ...... ...... ...... ......
36 37 37 37 39
172 ...... 39 176 ...... 40 178 ...... 40 184 ...... 42 185 ...... 42
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b) Lösung de lege lata: Einräumung von Erwerbsrechten .......................................................... 190 ...... 43 IV. Flankierende Kapitalmaßnahmen auf Seiten des Emittenten, insbesondere Sachkapitalerhöhung ..................... 1. Generelle Ausgangslage .................................................... 2. Materielle Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss und vorgreifliche Berichtspflichten ..................... 3. Konkrete Gestaltung der Sachkapitalerhöhung .............. a) Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss ..... b) Kombinierte Bar- und Sachkapitalerhöhung ............ c) Nachlaufende Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht zugunsten der Alt-Gesellschafter ................... d) Sonstige Strukturen mit Hilfe des Genehmigten Kapitals ....................................................................... V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung ................................................................... 1. Einberufung der Gläubigerversammlung (§ 9 SchVG) ..... a) Person des Einberufenden ........................................ b) Beschluss des Vertretungsorgans (als Kollegialorgan) ................................................... 2. Einberufungsfrist und Anmeldemodalitäten (§ 10 SchVG) ..................................................................... a) Einberufungsfrist ....................................................... b) Anmeldeerfordernis ................................................... c) Legitimationsnachweis (§ 10 Abs. 3 SchVG) .......... aa) Form der Legitimation ..................................... bb) Zeitpunkt ........................................................... cc) Praxistipp: Fakultative Anmeldung ................. 3. Ort der Gläubigerversammlung (§ 11 SchVG) ............... 4. Ausgestaltung der Einberufung und Bekanntmachung (§ 12 SchVG) ..................................................................... a) Inhalt der Einberufung (§ 12 Abs. 1 SchVG) .......... aa) Bezeichnung der Schuldverschreibungen ........ bb) Firma und Sitz ................................................... cc) Ort und Zeitpunkt ............................................ dd) Teilnahmebedingungen .................................... ee) Person des Einberufenden ................................ ff) Tagesordnung .................................................... b) Bekanntmachung der Einberufung (§ 12 Abs. 2 SchVG) .................................................. c) Publikationspflicht im Internet (§ 12 Abs. 3 SchVG) .................................................. d) Kosten der Bekanntmachung (§ 12 Abs. 2 Satz 3 SchVG) ............................................................
196 ...... 44 196 ...... 44 200 ...... 207 ...... 210 ....... 212 ......
45 47 48 48
215 ...... 49 217 ...... 49 220 ...... 50 222 ....... 50 224 ...... 50 226 ...... 51 227 228 231 234 235 236 237 239
...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
51 51 52 53 53 53 54 54
246 248 249 250 251 252 253 254
...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
56 56 57 57 57 57 58 58
255 ...... 58 259 ...... 59 262 ...... 60
IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
5.
6.
7.
8.
9.
X
Tagesordnung (§ 13 SchVG) ............................................ a) Bekanntmachungspflicht (§ 13 Abs. 2 Satz 1 SchVG) ............................................................ b) Ergänzung der Tagesordnung und deren Bekanntmachung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SchVG) ........ c) Gegenanträge (§ 13 Abs. 4 SchVG) ......................... d) Berichtspflichten des Einberufenden? ...................... aa) Aktien- und umwandlungsrechtliche Berichtspflichten ............................................... bb) Berichtspflichten gegenüber der schuldverschreibungsrechtlichen Gläubigerversammlung? ......................................................... Vertretung der Gläubiger (§ 14 SchVG) ......................... a) Form der Bevollmächtigung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SchVG) ............................................................ b) Hinweispflichten in der Einberufung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SchVG) ....................................... c) Möglichkeit der Stimmrechtsvertretung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SchVG) ....................................... Durchführung der Gläubigerversammlung (§§ 15, 16 SchVG) ............................................................. a) Vorsitz (§ 15 Abs. 1 SchVG) .................................... b) Aufgaben und Rechte des Versammlungsleiters (§ 15 Abs. 2 SchVG) ...................................... aa) Ordnungsmaßnahmen ...................................... bb) Behandlung von Verfahrensanträgen ............... c) Informationsrechte der Gläubiger (§ 16 Abs. 1 SchVG) .................................................. aa) Generelles Informationsrecht der Gläubiger ..................................................... bb) Auskunftsverweigerungsrecht des Schuldners ................................................... cc) Frage- und Redezeitbeschränkungen; begrenzte Protokollierung ............................... d) Beschlussbeurkundung in der Versammlungsniederschrift ............................................................... Beschlussfähigkeit, Beschlussmehrheiten und Abstimmung ...................................................................... a) „Erste“ Gläubigerversammlung ................................ b) „Zweite“ Gläubigerversammlung ............................. Bekanntmachung der Beschlussfassung und sonstige Transparenzpflichten im Nachgang zur Gläubigerversammlung (§ 17 SchVG) ...................... a) Publikationspflichten nach § 17 SchVG ................... b) Zugänglichmachen des Teilnehmerverzeichnisses .....
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263 ...... 60 266 ...... 61 269 ...... 62 271 ...... 62 275 ...... 63 276 ...... 63
279 ...... 64 285 ...... 65 286 ...... 65 288 ...... 66 290 ...... 66 293 ...... 67 294 ...... 67 297 ...... 68 301 ...... 69 303 ...... 70 306 ...... 70 307 ...... 70 309 ...... 71 314 ...... 72 318 ...... 73 319 ...... 73 319 ...... 73 327 ...... 74
332 ...... 76 332 ...... 76 336 ....... 77
Inhaltsverzeichnis Rn.
c) Abschrift der notariellen Niederschrift .................... 10. Vollzug von Gläubigerbeschlüssen .................................. 11. Abstimmung ohne Versammlung (§ 18 SchVG) ............ a) Regelungsgegenstand und Zweck ............................. b) Abstimmung ohne Versammlung in der Restrukturierungspraxis ............................................ c) Grundzüge des Verfahrens nach § 18 SchVG .......... aa) Grundsatz: Entsprechende Anwendbarkeit der §§ 9 ff. ......................................................... bb) Aufforderung zur Stimmabgabe ...................... cc) Frist, Anmeldung und Nachweis ..................... dd) Inhalt und Bekanntmachung ............................ ee) Tagesordnung, Vertretung ............................... ff) Leitung der Abstimmung, Beschlussfähigkeit ............................................. gg) Auskunftspflichten? ......................................... hh) Abstimmung, Niederschrift und Bekanntmachung ............................................. ii) Beschlusskontrolle ............................................ jj) Kostentragung ..................................................
339 340 345 346
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...... ...... ...... ......
78 78 79 79
347 ...... 79 351 ...... 80 353 355 359 361 363
...... ...... ...... ...... ......
81 81 81 82 82
364 ...... 83 369 ...... 84 372 ...... 84 376 ...... 85 379 ...... 85
VI. Prospekterfordernisse .............................................................. 1. Einleitung .......................................................................... 2. Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG ........................... 3. Debt-to-Equity-Swap durch Umtausch der Anleihen in Erwerbsrechte ............................................... 4. Zusammenfassung .............................................................
380 ...... 86 380 ...... 86 383 ...... 86
VII. Kündbarkeit von Anleihen ....................................................... 1. Ausgangslage, BGH vom 8. Dezember 2015 und offene Fragen ............................................................. a) Kündigung von Anleihen in Restrukturierungsprozessen .................................................................... b) Entscheidung des BGH vom 8. Dezember 2015 ..... c) Auswirkungen der Entscheidung auf den Restrukturierungsprozess ......................................... d) Offene Fragen ............................................................ 2. Kündbarkeit von Anleihen ............................................... a) Vertragliche Kündigungsrechte ................................ b) Gesetzliche Kündigungsrechte .................................
396 ...... 89
VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse ............... 1. Einleitung .......................................................................... 2. Anfechtungsklage des Anleihegläubigers ........................ a) Anfechtungsgründe ................................................... b) Anfechtungsbefugnis .................................................
388 ...... 88 395 ...... 89
397 ...... 90 397 ...... 90 401 ...... 91 404 405 408 410 414
...... ...... ...... ...... ......
91 91 92 93 94
417 417 423 424 432
...... ...... ...... ...... ......
95 95 96 96 99
XI
Inhaltsverzeichnis Rn.
3.
4.
Seite
aa) Anfechtungsbefugnis bei Teilnahme an Abstimmung (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG) ........ 434 ...... 99 bb) Anfechtungsbefugnis bei Nichtteilnahme an Abstimmung (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 SchVG) ..... 439 ..... 100 c) Anfechtungsfrist ........................................................ 440 .... 100 d) Gerichtliche Zuständigkeit ....................................... 442 .... 101 e) Wirkung der Klageerhebung ..................................... 446 .... 101 f) Klageverfahren ........................................................... 449 .... 102 Nichtige Beschlüsse und deren prozessuale Behandlung im SchVG ...................................................... 453 .... 103 a) Abgrenzung von Nichtigkeit zur „bloßen“ Anfechtbarkeit ........................................... 455 .... 103 b) Prozessuale Behandlung nichtiger Beschlüsse ......... 459 .... 104 Freigabeverfahren des Emittenten ................................... 463 .... 104 a) Formelle Voraussetzungen ....................................... 464 .... 105 b) Beschlussvoraussetzungen ........................................ 469 .... 106 aa) Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit – § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG ....... 470 .... 106 bb) Fehlender Nachweis eines anteiligen Betrags von EUR 1.000,00 – § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 2AktG .................... 472 .... 106 cc) Überwiegendes Vollzugsinteresse – § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG ............................................ 475 .... 107
C. Anleihen in der Insolvenz ...................................................... 481 .... 109 I.
Überblick .................................................................................. 485 .... 109
II. Internationale Aspekte ............................................................. 493 .... 111 III. § 19 SchVG-Versammlung ....................................................... 1. Anwendungsbereich des § 19 SchVG .............................. a) Einberufung ohne Ermächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG? .......................................... b) Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts .............. c) Keine Pflicht zur Wahl eines gemeinsamen Vertreters ................................................................... 2. Ablauf einer Versammlung nach § 19 SchVG ................. a) Vorbereitung der Gläubigerversammlung ................ aa) Einberufungszeitpunkt ..................................... bb) Einberufungsfrist .............................................. cc) Einberufungsverfahren ..................................... (1) Regelungsregime für die Einberufung ...... (2) Einladungsinhalt ........................................ dd) Einberufungsort ................................................ XII
496 .... 111 497 .... 112 498 .... 112 501 .... 113 510 512 513 513 515 520 520 521 525
.... .... .... .... .... .... .... .... ....
116 116 116 116 117 118 118 118 119
Inhaltsverzeichnis Rn.
3.
b) Durchführung der Gläubigerversammlung .............. aa) Tagesordnungspunkte ...................................... (1) Zulässigkeit von Weisungsbeschlüssen als Annexkompetenz ................................. (2) Sonstige Beschlussgegenstände ................ bb) Versammlungsleitung der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 SchVG ................. cc) Beschlussfähigkeit ............................................. (1) Mehrheitserfordernisse ............................. (2) Beurkundungserfordernisse ...................... dd) Kosten der Insolvenzgläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ........................ c) Beschlusskontrolle ..................................................... aa) Kontrolle der Bestellung des gemeinsamen Vertreters ................................... (1) Meinungsbild ............................................. (2) Urteil des LG Leipzig ............................... bb) Stellungnahme ................................................... (1) Wortlaut und Systematik des § 19 Abs. 1, 2 SchVG ................................ (2) Erhebliche Rechtsunsicherheiten bei Unterwerfung unter die schuldverschreibungsrechtliche Beschlusskontrolle ..................................................... cc) Sonstige Beschlüsse nach Insolvenzeröffnung ........................................................... dd) Beschlusskontrolle gegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach SchVerschrG ..................................................... Weitere Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren ............................................................................ a) Zulässigkeit und Beschlussinhalt weiterer Versammlungen ......................................................... b) Ablauf weiterer Versammlungen .............................. aa) Einberufung ....................................................... bb) Durchführung und Beschlussfassung .............. cc) Beschlusskontrolle ........................................... dd) Kostentragung ...................................................
IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 ..................................................................... 1. Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters ...................... a) Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Emittenten ......................................................... b) Geltendmachung von Sicherungsrechten und sonstigen Rechten gegenüber Dritten ..............
Seite
526 .... 119 527 .... 119 528 .... 120 530 .... 120 532 533 535 536
.... .... .... ....
121 121 122 122
538 .... 122 541 .... 123 543 543 545 546
.... .... .... ....
123 123 124 124
547 .... 125
548 .... 125 555 .... 127
556 .... 127 557 .... 127 558 562 563 564 565 567
.... .... .... .... .... ....
128 130 130 131 131 132
568 .... 132 569 .... 132 570 .... 133 575 .... 134 XIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2. 3.
4.
Weitere Rechtsmacht, insbesondere das Recht zu Änderung der Anleihebedingungen .................... Pflichten des gemeinsamen Vertreters ............................ Vergütung des gemeinsamen Vertreters .......................... a) Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung? ..... aa) Vorinsolvenzliche Sachverhalte und Sachverhalte im Insolvenzeröffnungsverfahren ...... bb) Sachverhalte nach Insolvenzeröffnung ............ b) Höhe der Vergütung ................................................. c) Festsetzung und Durchsetzung der Vergütung ....... Ende des Amtes des gemeinsamen Vertreters ................
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c)
578 584 587 589
.... .... .... ....
135 136 137 137
590 593 603 606 610
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138 138 142 143 144
V. Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren ....... 1. Insolvenzplanverfahren ..................................................... a) Gestaltung und Umsetzung eines Insolvenzplans ..... b) Besonderheiten bei Anleihen .................................... c) Exkurs: Debt-to-Equity-Swap im Insolvenzplan .... 2. Möglichkeit und Anlass für ein Anpassung nach dem SchVG ...............................................................
612 .... 144 614 .... 145 615 ..... 145 622 .... 147 627 .... 149
VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung ..................................... 1. Anmeldung von Forderungen zur Insolvenztabelle ....... a) Mit einem gemeinsamen Vertreter ........................... b) Ohne einen gemeinsamen Vertreter ......................... c) Besonderheiten bei der Forderungsprüfung ............ 2. Teilnahme und Abstimmung in Gläubigerversammlungen ....................................................................... a) Mit einem gemeinsamen Vertreter ........................... b) Ohne einen gemeinsamen Vertreter ......................... 3. Feststellung zur Insolvenztabelle und Quotenausschüttung ........................................................ a) Mit einem gemeinsamen Vertreter ........................... b) Ohne einen gemeinsamen Vertreter ......................... aa) Maßnahmen nach Doppelfeststellung ............. bb) Vermeidung der Doppelfeststellung ................ cc) Weitere Besonderheiten ...................................
641 643 644 645 650
633 .... 150 .... .... .... .... ....
152 153 153 154 155
655 .... 156 657 .... 157 659 .... 157 664 665 668 670 675 681
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158 158 159 160 161 163
D. Anhang ................................................................................................. 165 I.
Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen – Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009) ......................................... 165
II. Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (SchVerschrG 1899) ............................... 178 III. Muster Depotnachweis und Sperrvermerk .......................................... 188 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 189 XIV
Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Beyer Das Transparenzgebot und die rechtlichen Grenzen der Anpassung von Emissionsbedingungen bei Schuldverschreibungen, 2012 Blersch/Goetsch/Haas (Hrsg.) Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, Band II, SchVG (Stand: Oktober 2012) (zit.: Bearbeiter, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG) Baums/Cahn (Hrsg.) Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004 (zit.: Bearbeiter, in: Baums/Cahn) Bork/Hölzle (Hrsg.) Handbuch Insolvenzrecht, 1. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht) Braun (Hrsg.) Insolvenzordnung – Kommentar, 7. Aufl., 2017 (zit.: Braun/Bearbeiter, InsO) Friedl/Hartwig-Jacob (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zum Schuldverschreibungsgesetz, 1. Aufl., 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG) Gottwald (Hrsg.) Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Gottwald, InsOHdb) Heidel (Hrsg.) Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht) Hopt/Seibt Schuldverschreibungsrecht, 1. Aufl., 2017 (zit.: Bearbeiter, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht) Hüffer/Koch Aktiengesetz, 12. Aufl., 2016 Kayser/Thole (Hrsg.) Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2016 (zit.: Kayser/Thole/Bearbeiter, InsO) Kübler/Prütting/Bork (Hrsg.) InsO – Kommentar zur Insolvenzordnung, Stand: 68. Erg.-Lfg., 2016 (zit.: Kübler/Prütting/Bork/Bearbeiter, InsO)
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Literaturverzeichnis
Langenbucher/Bliesener/Spindler (Hrsg.) Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl., 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar) Leber Der Schutz und die Organisation der Obligationäre nach dem Schuldverschreibungsgesetz, 2012 Münchener Kommentar zum Aktiengesetz hrsg. von Goette/Habersack, Band 4: §§ 179 – 277 AktG, 4. Aufl., 2016 (zit.: Bearbeiter, in: MünchKomm-AktG) Münchener Kommentar zum BGB hrsg. von Habersack, Band 5: Schuldrecht – Besonderer Teil III §§ 705 – 853, Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, Produkthaftungsgesetz, 6. Aufl., 2013 (zit.: Bearbeiter, in: MünchKomm-BGB) Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung hrsg. von Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, Band 3: §§ 217 – 359 InsO, Art. 103a – 110 EGInsO, Konzerninsolvenzrecht, Insolvenzsteuerrecht, 3. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: MünchKomm-InsO) Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung hrsg. von Krüger, Band 2: §§ 355 – 1024, 5. Aufl., 2016 (zit.: Bearbeiter, in: MünchKomm-ZPO) Nerlich/Römermann (Hrsg.) Kommentar zur Insolvenzordnung, 30. Ergänzungslieferung 2016 (zit.: Nerlich/Römermann/Bearbeiter, InsO) Nickert/Lamberti (Hrsg.) Überschuldungs- und Zahlungsfähigkeitsprüfung im Insolvenzrecht, 3. Aufl., 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Nickert/Lamberti) Preuße (Hrsg.) Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, Kommentar, 1. Aufl., 2011 (zit.: Preuße/Bearbeiter, SchVG) Rendels/Zabel Insolvenzplan, 2. Aufl., 2015 Richardi Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), 15. Aufl., 2016 (zit.: Richardi/Bearbeiter, BetrVG)
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XXI
A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo Die wirtschaftliche Mechanik einer Anleihe ist denkbar simpel und entspricht 1 derjenigen eines klassischen Kredits. Besonderheiten ergeben sich aus der Finanzierung über den Kapitalmarkt: Der Emittent der Anleihe bietet sich dem Kapitalmarkt als „Kreditnehmer“ an. Dabei werden Anleihevolumen (korrespondierend der Darlehensvaluta), Zins und Tilgung definiert. Der Anleger kann nunmehr einen prozentualen Nominalwert des Anleihevolumens zeichnen und wird wirtschaftlich Darlehensgeber des Emittenten. In Bezug auf Zins und Tilgung ist der Anleger entsprechend seiner Zeichnung des Anleihevolumens Gläubiger des Emittenten. I. Die Mittelstandsanleihe – the rise and fall Sinnbildlich für die Dynamik am Anleihemarkt steht die sog. „Mittelstands- 2 anleihe“. An ihrer jüngsten Entwicklung lässt sich der Zyklus einer Anleihe bis zur Restrukturierung im Zeitraffer exemplifizieren. In der ökonomischen Bedeutung von Anleihen für den deutschen Mittel- 3 stand markiert der 15.9.2008 „die Stunde Null“.1) Nach namhaften Autoren der Wirtschaftswoche ist die Bankenkrise die „Wurzel 4 des Booms“ für Mittelstandsanleihen.2) Diese rasante Entwicklung der Mittelstandsanleihe ist im Wesentlichen auf vier Faktoren zurückzuführen: Zum einen wurde seitens des Mittelstands eine deutlich restriktivere Kredit- 5 vergabepraxis der Bankhäuser registriert. Der Investitions- und demnach auch der Fremdkapitalbedarf des Marktes bestanden indes unvermindert. Auch die Solvenz etablierter Kapitalgeber konnte zumindest nicht mehr ungefragt unterstellt werden. Aus Unternehmensperspektive war eine Alternative zu der klassischen Kreditfinanzierung gesucht und in der Mittelstandsanleihe gefunden; zumal eine Mittelstandsanleihe im Unterschied zum traditionellen Bankkredit keine Bereitstellung von Sicherheiten zur Voraussetzung hat. Spiegelbildlich begab sich die Anlegerseite – begünstigt durch die drastischen 6 Zinseinbußen post „Lehman“ – auf die Suche nach neuen ertragsreichen Anlagealternativen. Auch diese Hoffnung wurde durch die Mittelstandsanleihe genährt. Schließlich verbriefen diese ihren Anlegern – bedingt durch ein ver-
___________ 1) 2)
Die Lehman Brothers Holding hat am 15.9.2008 einen Insolvenzantrag gestellt. Vgl. Reimann, „Bekannte Marken könnten Anleger frustrieren“, in: Wirtschaftswoche, Online-Ausgabe v. 9.8.2012, http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/mittelstandsanleihenbekannte-marken-koennten-anleger-frustrieren/6956896.html.
1
A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo
gleichsweise hohes Ausfallrisiko – einen durch Zins und Tilgung fixierten Kapitaldienst zwischen fünf und acht Prozent.3) 7 In rechtspolitischer Hinsicht versprach das am 5.8.2009 in Kraft getretene „Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen“ (SchVG) den Anlegern eine erhöhte Transparenz am Anleihenmarkt.4) Ferner wurde die Möglichkeit auf Anlegerseite, die Anleihebedingungen einer einmal emittierten Anleihe nachträglich zu modifizieren und diese ggf. zu restrukturieren, merklich erweitert. 8 Die deutschen Börsenplätze machten den Handel mit Mittelstandsanleihen in der Folge praktikabel und schufen entsprechend spezialisierte Marktsegmente. Bereits 2010 eröffnete an der Börse Stuttgart das Marktsegment „Bondm“. Es folgten die Frankfurter Wertpapierbörse im „Entry Standard“, die Börse Düsseldorf mit „der Mittelstandsmarkt“, die Börse HamburgHannover mit der „Mittelstandsbörse Deutschland“ sowie die Börse München mit dem Marktsegment „m:access“. Mit diesen spezialisierten Marktsegmenten wurde auf Anlegerseite die Aufmerksamkeit und Transparenz erhöht und auf Emittentenseite ein erleichterter Kapitalmarkzugang geschaffen. 9 Unter diesen Voraussetzungen entwickelte sich das Emissionsvolumen der Mittelstandsanleihe von EUR 805 Mio. im Jahr 2010 auf einen bisherigen Höchststand von EUR 2.067 Mio. im Jahr 2013. Im Jahr 2014 hingegen fiel das Emissionsvolumen bereits wieder auf einen Stand von EUR 1.644 Mio. Auch die Zahl der ausgegebenen Anleihen fiel – nachdem bis zum Jahr 2013 106 Anleihen von insgesamt 95 Emittenten ausgegeben worden waren5) – auf lediglich 30 Anleihen im Jahr 2014, was einen Rückgang von etwa 39 % im Vergleich zum Vorjahr darstellt.6) Am Markt für mittelständische Anleihen stellte sich somit nach dem Aufschwung von 2010 bis 2013 – der Markt hatte sich in dieser Zeit verzwölffacht – Ernüchterung ein. 10 Der Grund für den Rückgang ist nicht überraschend: Denn genau wie der klassische Bankkredit kann auch die Anleihe notleidend werden, mit der Folge, dass Zins und Tilgung für die Anleger ausfallen. Bis Mitte 2015 sind bereits 34 Unternehmen, die dem Segment Mittelstand zuzuordnen sind, mit einem ___________ 3)
4)
5) 6)
2
Nach einer Marktanalyse von Creditreform betrug der durchschnittliche Kupon im Jahr 2013 sogar 7,5 %, Creditreform Mittelständische Anleihemärkte in Deutschland 2010 – 2013, abrufbar unter: http://www.creditreform-rating.de. Im Jahr 2014 reduzierte er sich auf wieder 7,25 % wie in den Jahren 2011 und 2012, Scope Ratings, Lessons Learned in the German SME Bond Market, abrufbar unter: https://www.scoperatings.com. Vgl. Begr. RegE Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, BT-Drucks. 16/12814, S. 1. Creditreform Mittelständische Anleihemärkte in Deutschland 2010 – 2013, S. 10, abrufbar unter: http://www.creditreform-rating.de. Scope Ratings, Lessons Learned in the German SME Bond Market, abrufbar unter: https://www.scoperatings.com.
II. Anleiherestrukturierung
Gesamtemissionsvolumen von rd. EUR 900 Mio. ausgefallen.7) Bis 2018 müssen über 100 weitere Unternehmen ihre emittierten Anleihen mit einem Gesamtvolumen von rd. EUR 5,4 Mrd. zurückzahlen8) – viele wird die Refinanzierung vor Schwierigkeiten stellen. Auch die Börsen haben auf diese Entwicklung reagiert und teilweise bereits die speziellen Segmente geschlossen. Die auch aufgrund gesetzlicher Publikationspflichten unter Beobachtung der 11 Öffentlichkeit geführten Restrukturierungsverhandlungen – insoweit unterscheidet sich die Anleihe deutlich vom klassischen Bankkredit – führen nicht selten dazu, dass nicht nur Anleihegläubiger – etwa wegen einer Verschlechterung der Vermögenslage – kündigen, sondern sich auch wichtige Kunden und Lieferanten zurückziehen, so dass in einigen Fällen eine Insolvenz nicht zu vermeiden ist. So haben zahlreiche Emittenten mittlerweile die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt, weshalb die „Mittelstandsanleihen“ es aufgrund der Ausfälle der Anleger bereits zu trauriger Berühmtheit gebracht hat. Vor diesem Hintergrund titelte schon die Frankfurter Allgemeine Zeitung: 12 „Der Markt für Mittelstandsanleihen ist tot“.9) Ob es sich bei der aktuellen Entwicklung tatsächlich um das Ende des Anlagemodells Mittelstandsanleihe handelt oder, ob am Ende einer Katharsis ein solider, etablierter Markt verbleibt,10) vermögen die Verfasser nicht einzuschätzen. II. Anleiherestrukturierung Geprägt durch die negative Entwicklung erhalten Restrukturierungen von 13 Anleihen – und dies nicht reduziert auf die Mittelstandsanleihe – erhöhte Aufmerksamkeit. Den Emittenten wird zunehmend bewusst, dass Anleihen immer häufiger wie ein „Damoklesschwert“ über einem Unternehmen hängen, wenn die Fälligkeit einer Zinszahlung oder gar der gesamten Anleihe naht. Dies gilt insbesondere, wenn sich Anleiheschuldner in einer operativen Sanierungsphase befinden und die notwendige Liquidität fehlt, um Forde-
___________ 7) Dohms, „Junkfood für Anleger“, in: DIE ZEIT v. 3.6.2015, S. 23, unter Berufung auf eine Analyse von anleihen-finder.de. 8) Börse Online v. 3.9.2015, „Mittelstandsanleihen im Check: Wo ein Desaster droht, welche ihr Geld wert sind“, http://www.boerse-online.de/nachrichten/anleihen/ Mittelstandsanleihen-im-Check-Wo-ein-Desaster-droht-welche-ihr-Geld-wert-sind1000778354/1; Scope Ratings, Refinancing Risk Emerging in the German SME Bond Market, vom 7.10.2014, abrufbar unter: http://www.scoperatings.com. 9) Mohr, „Der Markt für Mittelstandsanleihen ist tot“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Online-Ausgabe v. 10.12.2014, http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/ boersen-steigen-aus-handel-mit-mittelstandsanleihen-aus-13314141.html; ebenso Dohms, „Junkfood für Anleger“, in: DIE ZEIT v. 3.6.2015, S. 23. 10) So Eric Leupold – seinerseits verantwortlich für das Marktsegment der Deutschen Börse AG gegenüber DIE WELT –, in: Seibel/Zschäpitz, „Die bittere Serie der deutschen Milchmädchen-Crashs“, in: DIE WELT, Online-Ausgabe v. 10.1.2015, http://www.welt.de/ finanzen/article136218552/Die-bittere-Serie-der-deutschen-Milchmaedchen-Crashs.html.
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A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo
rungen aus fälligen Anleihen – oder in Extremfällen sogar Zinsen – vollumfänglich zu bedienen.11) 14 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung gewinnt die Frage nach der Gestaltung und Umsetzung einer Restrukturierung als Insolvenzvermeidung erhöhte Bedeutung. Kerninstrument der Restrukturierung von Anleihen als Schuldverschreibungen ist das SchVG, das – unter bestimmten Bedingungen – die Restrukturierung durch Mehrheitsentscheid der Anleihegläubiger ermöglicht.12) 15 Auch vor dem Jahr 2009 war eine Restrukturierung von Anleihen gesetzlich vorgesehen. Das „alte“ Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899 („Gesetz betreffend gemeinsamer Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“ [nachfolgend „SchVerschrG“]) kannte bereits entsprechende rechtliche Instrumente. Im Gegensatz zum SchVG hatte das SchVerschrG allerdings einen sehr engen territorialen Anwendungsbereich13) und materiell eng gefasste Kompetenzen der Gläubigerversammlung,14) weshalb es in den über 100 Jahren seines Bestehens nur geringe praktische Bedeutung erlangte. 16 Das SchVG macht eine Anpassung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger möglich, wenn die Anleihebedingungen diese Möglichkeit vorsehen. Die Anleihegläubiger können auf diesem Wege durch Mehrheitsbeschluss in einem besonderen Maße in die Anleihe eingreifen und diese restrukturieren, etwa durch Kürzung der Hauptforderung (sog. „Haircut“) oder durch Umwandlung der Anleihe in Gesellschaftsanteile (sog. „Debt-to-EquitySwap“). Gerade diese Möglichkeiten waren nach dem SchVerschrG unmöglich.15) 17 Doch auch die vielfältigen rechtlichen Instrumente einer Anleiherestrukturierung bedürfen der Umsetzung. Wird dem Emittenten deutlich, dass er die Anleihe bei Endfälligkeit oder bereits Zinsen nicht wird zahlen können, muss er sich mit einer Restrukturierung auseinander setzen, um eine Insolvenz zu vermeiden. 18 Die Restrukturierung einer Unternehmensanleihe ist komplex und trotz der „neuen“ Instrumente nach SchVG häufig nicht erfolgreich. Rückt der Fällig___________ 11) In besonderen Fällen stellt sich sogar die Frage, welchen Hintergrund die Finanzierungsentscheidung des Emittenten bei der Emission einer (Mittelstands-)Anleihe hatte: Die Diskussion, ob zum Zeitpunkt der Mittelaufnahme überhaupt sichergestellt erschien, dass die Anleihe – zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – bei Endfälligkeit vollständig erfüllt oder refinanziert werden könnte, ist noch nicht geführt. Die Frage, welche rechtlichen Schlussfolgerungen – etwa im Hinblick auf die (insolvenzrechtliche) Fortbestehensprognose – aus einer absehbar oder sogar „nahezu unzweifelhaft“ fehlenden Refinanzierbarkeit zum Zeitpunkt der Endfälligkeit der Anleihe zu ziehen sind, muss in Einzelfällen gestellt und beantwortet werden. 12) BGBl I 2009, 2512. 13) Dazu etwa Vogel, S. 253 ff. 14) Vgl. Simon, S. 57 ff. 15) § 12 Abs. 3 SchVerschrG. Kritisch insbesondere zur fehlenden Möglichkeit eines Debtto-Equity-Swaps Bredow/Vogel, ZBB 2008, 221, 223.
4
III. Anleihemodalitäten
keitstermin der begebenen Anleihe näher – und wird die erhebliche finanzielle Belastung des die Anleihe begebenden Unternehmens im Liquiditätsplan aktuell –, bleibt ohne Gegenmaßnahmen nicht selten nur der Gang zum Insolvenzgericht. Um eine Insolvenz zu vermeiden, bedarf es – neben der Zustimmung der 19 Anleihegläubiger – einer detaillierten Planung des Sanierungsprozesses. Oft vernachlässigt wird dabei – aufgrund der Erfahrungen aus den Verhandlungen mit der Hausbank –, dass der Restrukturierungsprozess viele Monate dauern kann und für diese Zeit aus insolvenzrechtlicher Sicht sichergestellt sein muss, dass der Emittent durchfinanziert ist. Scheitert die außergerichtliche Sanierung, bedeutet dies allerdings nicht zwin- 20 gend die Abwicklung des Emittenten. Das deutsche Insolvenzrecht ermöglicht, besonders seit den Änderungen durch das ESUG, umfangreiche Sanierungsmaßnahmen auch in der Insolvenz umzusetzen. Allerdings sind auch die dort einzuhaltenden Schritte nicht trivial und bedürfen – neben der fachkundigen Erstellung eines Insolvenzplans – einer sorgfältigen Planung. Der Restrukturierungsprozess muss im Ergebnis zweistufig erfolgen. Natür- 21 lich ist der „Königsweg“ eine außergerichtliche Sanierung, die deshalb auch das Hauptaugenmerk einer Sanierung sein sollte. Allerdings sollte in einem zweiten Schritt auch eine Sanierung mit einem Insolvenzplan im Auge behalten werden, um nicht Gefahr zu laufen, durch eine Abwicklung Unternehmens-/Firmenwerte des Emittenten zu vernichten. III. Anleihemodalitäten Unter einer klassischen „Anleihe“ wird die Kapitalaufnahme eines Unter- 22 nehmens (oder eines Staats) gegen Emission einer Mehrheit vertretbarer und verzinslicher begebener Schulverschreibungen verstanden.16) Gemeinsames, strukturbildendes Merkmal einer Anleihe ist die Unterteilung in umlauffähige Schuldverschreibungen und entsprechende Gläubigerrechte. Typischerweise haben Unternehmensanleihen – mit Ausnahme sog. „Hyb- 23 ridanleihen“, die oftmals eine jahrzehntelange Laufzeit haben – eine Laufzeit zwischen zwei und sieben Jahren, nach deren Ablauf eine (Rück-)Zahlung des Nennwerts der Anleihen zu einem Fälligkeitstermin erfolgt. In der Regel wird zusätzlich ein jährlicher Zinscoupon gewährt, der einen Zinsanspruch bis zum Ende der Laufzeit einräumt. Unterschiede können sich insbesondere in folgenden Aspekten – die neben Laufzeitlänge und Zinshöhe von Relevanz sind – ergeben: x
Umfang der Besicherung
x
Nachrang im Insolvenzfalle
___________ 16) Schmidtbleicher, S. 12 m. w. N.
5
A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo
x
Börsennotierung
x
Rechtsform des Emittenten
x
Regelung von Kündigungsrechten
x
Anwendbarkeit des SchVG (bei Anleihen, die am oder nach dem 5.8.2009 begeben worden sind)
x
Anwendbarkeit der §§ 5 – 21 SchVG
x
Vertragsvertreter
24 Sämtliche dieser Parameter sind bei der Restrukturierung von Anleihen zu berücksichtigen, insbesondere bei der außerinsolvenzlichen Sanierung. So mag die Frage der Nachrangigkeit bzw. die einer Besicherung erheblichen Einfluss auf die Bestimmung des tatsächlichen Werts einer Anleihe bzw. die Realisierbarkeit eines Forderungsverzichts haben. Dies wird besonders bei einer Restrukturierung im Wege eines Insolvenzplans deutlich, in dem die Nachrangigkeit einer Anleiheforderung (nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 InsO) u. a. ganz erheblichen Einfluss auf die Frage haben wird, ob Anleihegläubiger voraussichtlich einem Insolvenzplan zustimmen, der ihre Forderung in erheblichem Maße beschneidet. 25 Bis vor kurzem entschied die Börsennotierung darüber, ob und inwieweit Emittenten zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen nach Maßgabe von § 15 WpHG bzw. zur Veröffentlichung wesentlicher Informationen nach den Freiverkehrsordnungen derjenigen Börsen, an denen die Papiere gehandelt werden, verpflichtet waren.17) Mit Inkrafttreten der Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates – sog. Marktmissbrauchsverordnung (MMVO) – am 3.7.2016 sind auch Freiverkehrsemittenten zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet.18) 26 Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsform des Emittenten auf die wertpapierrechtlichen bzw. börsenrechtlichen Mitteilungspflichten betreffend Insiderinformationen grundsätzlich keinen Einfluss hat. So ist etwa auch eine GmbH, die Anleihen zum Regulierten Markt (als Teil des Organisierten Markts i. S. v. § 2 Abs. 5 WpHG) zugelassen hat bzw. deren Anleihen (auf Initiative des Emittenten) in den Freiverkehr einbezogen sind, zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen nach Art. 17 MMVO verpflichtet. 27 In Anleihebedingungen variiert zudem die Ausgestaltung von Kündigungsrechten, nach denen die Anleihegläubiger bei Vorliegen bestimmter Ereignisse ___________ 17) Vgl. etwa § 19 Abs. 1 lit. c) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 3.7.2016), wonach Emittenten von Anleihen, die im Entry Standard notiert sind, dazu verpflichtet sind, wesentliche Informationen, die sie oder die Wertpapiere unmittelbar betreffen, zu veröffentlichen. 18) Art. 17 Abs. 1 MMVO. Siehe dazu Rn. 83 ff.
6
IV. Regelungsmaterien zur Änderung von Anleihen in Deutschland
zur Kündigung der von ihnen gehaltenen Anleihestücke berechtigt sind.19) So finden sich in der Praxis Anleihebedingungen, die einen umfassenden Kündigungskatalog vorsehen, jedoch auch solche, die zu Kündigungsrechten schweigen oder ein Kündigungsrecht explizit ausschließen. Auch ist denkbar, dass eine Anleihe nur die Möglichkeit einer sog. Gesamtkündigung vorsieht, bei der eine Kündigung der (gesamten) Anleihe nur dann möglich ist, wenn ein bestimmtes Quorum der Gläubiger kündigt. Von besonderer Relevanz ist weiterhin die Frage, ob die Anleihebedingungen 28 die Anwendbarkeit der §§ 5 – 21 SchVG, die eine Beschlussfassung zu Änderung von Anleihebedingung durch Mehrheitsbeschluss ermöglichen, vorsehen. Ist dies nicht der Fall, wird eine außerinsolvenzliche Restrukturierung von Anleihen nach dem SchVG regelmäßig ausscheiden. Nicht unerheblich ist schließlich auch, ob durch die Anleihebedingungen be- 29 reits ein gemeinsamer Vertreter nach Maßgabe des § 8 SchVG benannt worden ist. Dieser kann als „Repräsentant“ der Anleihegläubiger sofort als Gesprächspartner mit einem Emittenten fungieren (wobei im Hinblick auf materielle Beschlüsse die Beschränkung von § 8 Abs. 2 Satz 2 SchVG zu beachten ist). IV. Regelungsmaterien zur Änderung von Anleihen in Deutschland Das SchVG ist heute die materielle Grundlage für die Änderung von Anleihebe- 30 dingungen. Es hält Regelungen hinsichtlich des Inhalts von Schuldverschreibungen aus 31 Gesamtemissionen bereit, normiert die Vergemeinschaftung von Inhabern gleichlautender Schuldverschreibungen einschließlich verfahrensrechtlicher Vorgaben und schafft mit dem Institut des gemeinsamen Vertreters die Möglichkeit einer Vertretung für die Inhaber solcher Schuldverschreibungen. Das SchVG ist, wie erwähnt, jedoch nicht die erste Regelungsmaterie zur Re- 32 strukturierung von Anleihen. 1. SchVerschrG Der Gesetzgeber hatte bereits im Jahre 1899 mit dem SchVerschrG den Teil- 33 bereich der Vergemeinschaftung von Rechten der Anleihegläubiger (nebst der Schaffung einer Vertretungsmöglichkeit) reglementiert. Gleichwohl hatte das SchVerschrG in der Praxis kaum Bedeutung erlangt – 34 und zwar trotz des erkannten praktischen Bedürfnisses, die Wahrnehmung von Rechten aus gleichlautenden Schuldverschreibungen zu regeln. Dies lag vor allem an zwei Faktoren: ___________ 19) Zu Kündigungsrechten zugunsten der Emittenten vgl. Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 3 Rn. 128 ff.
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A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo
35 Zunächst war der Anwendungsbereich des SchVerschrG auf Emittenten mit Sitz im Inland beschränkt. Es entsprach (und entspricht teilweise auch heute noch) der Finanzierungspraxis deutscher Unternehmen, Anleihen (i) aus steuerlichen Gründen und (ii) zur Senkung von Finanzierungskosten über ausländische Tochtergesellschaften zu emittieren (für deren Schulden Mutterunternehmen oder sonstige Konzerngesellschaft sodann typischerweise als Garanten einstehen).20) 36 Das SchVerschrG jedoch war nach seinem Wortlaut nicht auf Anleihen ausländischer Emittenten anwendbar und eine entsprechende Anwendung wurde unter Verweis auf den entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers ausdrücklich abgelehnt.21) 37 Neben dem eingeschränkten persönlichen Anwendungsbereich führten auch die vom SchVerschrG statuierten Eingriffsvoraussetzungen sowie die materiell fehlenden Eingriffsmöglichkeiten dazu, dass eine Begebung von Anleihen zumeist nicht unter dem Regime des SchVerschrG erfolgte.22) So setzte das SchVerschrG voraus, dass auf Seiten des Emittenten eine Zahlungseinstellung oder eine Insolvenz drohten, die mit einem Beschluss der Anleihegläubiger in einer Gläubigerversammlung dann abgewendet werden konnten (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 SchVerschrG). Dieses späte Eingreifen des SchVerschrG führte jedoch dazu, dass es für eine sinnvolle und nachhaltige Sanierung des Schuldners häufig bereits zu spät war.23) 38 Des Weiteren waren die materiellen Befugnisse der Gläubigerversammlung unter dem SchVerschrG im Vergleich zum SchVG sehr beschränkt: So konnte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SchVerschrG eine Ermäßigung des Zinsfußes oder Stundung der Anleiheforderung begrenzt auf maximal drei Jahre beschlossen werden. Instrumentarien wie Forderungsverzichte im Hinblick auf die Hauptforderung oder eine Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital waren unter dem SchVerschrG nicht möglich.24) 2. SchVG 39 Das SchVG ist am 5.8.2009 als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen der Anleger aus Falschberatung vom 31.7.2009 in Kraft25) und an die Stelle des SchVerschrG getreten.26) ___________ 20) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. SchVG Rn. 4. 21) Vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. SchVG Rn. 4 m. w. N. 22) Hierzu vertieft Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. SchVG Rn. 5. Vgl. zu den nach SchVerschrG zulässigen (und unzulässigen) Sanierungsmaßnahmen im Überblick, Schneider, in: Baums/Cahn, S. 69, 76 f. 23) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. SchVG Rn. 5. 24) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), Einl. Rn. 6. 25) BGBl I 2009, 2512. 26) Vgl. jedoch die Übergangsbestimmung des § 24 Abs. 1 Satz 2 SchVG.
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IV. Regelungsmaterien zur Änderung von Anleihen in Deutschland
Ziel dieses Gesetzes war – neben der Beseitigung der Unzulänglichkeiten des 40 SchVerschrG – das deutsche Anleiherecht attraktiver auszugestalten und insbesondere auch ausländische Emittenten dazu anzuhalten, ihre Anleihen deutschem Recht zu unterwerfen. Während letztgenanntes Ziel der „Gewinnung“ ausländischer Emittenten zur Unterstellung begebener Anleihen unter deutsches Recht (bislang) nicht als erreicht angesehen werden kann,27) gehen nationale Unternehmen zunehmend dazu über, die Anwendbarkeit des (optionalen) Gläubigerorganisationsrechts der §§ 5 – 21 SchVG in ihren Anleihebedingungen und somit auch die Möglichkeit der Restrukturierung dieser Anleihen qua Mehrheitsbeschluss zu verankern. Im Gegensatz zum SchVerschrG ist die Anwendbarkeit des SchVG nicht auf 41 Emittenten mit Sitz im Inland beschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 SchVG). Zudem wird durch das SchVG ausdrücklich festgeschrieben, dass Klauseln in Anleihebedingungen, die Mehrheitsentscheidungen von Anleihegläubigern vorsehen, zulässig sind – es obliegt jedoch den Anleihebedingungen, ob und in welchem Umfang der Schuldner von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.28) Im Gegensatz dazu galt das SchVerschrG ex lege auch ohne gesonderte Ermächtigung. Des Weiteren setzt das SchVG nicht mehr voraus, dass der Emittent Re- 42 strukturierungsmaßnahmen lediglich zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder eines Insolvenzverfahrens einleiten darf, um eine Mehrheitsentscheidung der Gläubiger herbeizuführen. Vielmehr hat der Emittent jederzeit – sogar vor Eintritt in eine Sanierungssituation – die Möglichkeit, eine Restrukturierung begebener Anleihen einzuleiten.29) Schließlich sieht das SchVG – im Gegensatz zum SchVerschrG – ein Verfah- 43 rensrecht vor, welches gewährleistet, dass die Gläubiger Mehrheitsentscheidungen auf Grundlage hinreichender Information sowie in einen geordneten, der aktienrechtlichen Hauptversammlung vergleichbaren Procedere (einschließlich Rechtsverfolgung wegen Beschlussmängeln) treffen können.30) Trotz der – grundsätzlich gelungenen – Neukodifikation des Schuldver- 44 schreibungsrechts sind auch im achten Jahr nach Inkrafttreten des SchVG nach wie vor zahlreiche virulente Fragestellungen im Zusammenhang mit der Restrukturierung von deutschem Recht unterstehenden Anleihen ungeklärt. Auf diese Fragestellungen wird im Zuge dieser Darstellung eingegangen.
___________ 27) Zu den Gründen Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. SchVG Rn. 31. 28) Siehe dazu Rn. 117 ff. 29) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 52. 30) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. SchVG Rn. 12.
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A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo
3. Übersicht 45 Das SchVG ist in drei Abschnitte untergliedert: Der 1. Abschnitt (§§ 1 – 4 SchVG) enthält allgemeine Vorschriften, die für sämtliche Schuldverschreibungen i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG gelten (sofern die Schuldverschreibungen nicht nach § 1 Abs. 2 SchVG von der Anwendbarkeit des SchVG ausgenommen sind). Der 2. Abschnitt (§§ 5 – 22 SchVG) enthält in den §§ 5 – 21 SchVG das (optionale) materielle Gläubigerorganisationsrecht sowie in § 22 SchVG die Möglichkeit, die Geltung dieser Regelungen auch für Mitverpflichtete vorzusehen. Der 3. Abschnitt (§§ 23, 24 SchVG) enthält Bußgeldvorschriften und Übergangsbestimmungen. a) 1. Abschnitt (§§ 1 – 4 SchVG) 46 Im ersten Abschnitt normiert § 1 SchVG den Geltungsbereich des SchVG. Die §§ 2 – 4 SchVG normieren einen knappen Bestand zwingender Regelungen, die bei Anwendbarkeit des SchVG gelten: 47 § 2 SchVG regelt das sog. „Skripturprinzip“, wonach die Anleihebedingungen (i) in der Urkunde oder (ii) – dies ist der Regelfall bei der Verwendung der heute üblichen Globalurkunde – bei Ausschluss umlauffähiger Urkunden in einer gesonderten Urkunde verbrieft sein müssen. 48 § 3 SchVG normiert das Gebot der Transparenz des Leistungsversprechens. Dieses „Gebot“ ist bei der Restrukturierung von Anleihen in der bisherigen Praxis, soweit ersichtlich, lediglich im Zusammenhang mit eventuellen vertraglichen Kündigungsrechten virulent geworden. Eine vertiefte Darstellung einschließlich der Zusammenhänge mit dem AGB-Recht soll hier nicht erfolgen.31) 49 Die wichtigste zwingende Norm des Schuldverschreibungsrechts enthält § 4 SchVG über die kollektive Bindung der Gläubiger.32) Nach § 4 SchVG können Anleihebedingungen während der Laufzeit der Anleihe nur (i) durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder (ii) nach Abschnitt 2 des SchVG, in welchem Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger geregelt sind, geändert werden (§ 4 Satz 1 SchVG). Zudem normiert § 4 SchVG die Pflicht des Anleiheschuldners, alle Gläubiger gleich zu behandeln (§ 4 Satz 2 SchVG).33)
___________ 31) Siehe dazu eingehend Beyer, Das Transparenzgebot und die rechtlichen Grenzen der Anpassung von Emissionsbedingungen bei Schuldverschreibungen, 2012. 32) Vgl. Horn, BKR 2009, 446, 448. 33) Weiterführend Horn, BKR 2009, 446, 448 ff.
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IV. Regelungsmaterien zur Änderung von Anleihen in Deutschland
b) 2. Abschnitt (§§ 5 – 22 SchVG) Der 2. Abschnitt (§§ 5 – 22 SchVG), der das neue freiwillige Gläubigerorga- 50 nisationsrecht beinhaltet, ist das Kernstück des neuen Schuldverschreibungsgesetzes.34) Zentrale Norm ist § 5 SchVG, der u. a. die zulässigen Beschlussgegenstände konkretisiert.35) Optiert der Emittent für die Anwendbarkeit der §§ 5 ff. SchVG, gelten die 51 §§ 5 – 21 SchVG für Regelungen über Mehrheitsbeschlüsse grundsätzlich zwingend, wobei Anleihebedingungen teilweise von den Vorgaben der §§ 5 ff. SchVG abweichen können (d. h. bestimmte mögliche Beschlussinhalte ausschließen) bzw. der Emittent für bestimmte Regelungen (z. B. Festlegung des Abstimmungsforums) optieren kann. Im Rahmen eines Restrukturierungsprozesses ist zu beachten, dass bei Op- 52 tierung für die §§ 5 ff. SchVG ein Verbot der Verschlechterung zulasten der Anleihegläubiger über die gesetzlichen Regelungen hinaus besteht (§ 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG). Komplementiert wird dies durch das Verbot von Mehrheitsbeschlüssen, die den Anleihegläubigern zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufbürden (§ 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG), so dass es den Anleihegläubigern nicht durch Mehrheitsbeschluss auferlegt werden kann, weiteres Fremdkapital zur Verfügung zu stellen.36) § 6 SchVG regelt das Stimmrecht der Anleihegläubiger sowohl bei Abstim- 53 mungen in einer Gläubigerversammlung nach Maßgabe der §§ 9 ff. SchVG als auch bei einer Abstimmung ohne Versammlung (§ 18 SchVG). §§ 7, 8 SchVG regeln das Institut des „gemeinsamen Vertreters“, welches den 54 Anleihegläubigern erlaubt, Gläubigerrechte in einer Person zu zentralisieren. Die Koordinierung der Gläubigerrechte durch einen gemeinsamen Vertreter kann im Restrukturierungsprozess und insbesondere auch im Insolvenzverfahren von Vorteil sein. Die §§ 9 – 17 SchVG regeln die Durchführung einer Gläubigerversammlung 55 sowie deren Beschlussfassung.37) § 18 SchVG normiert die Möglichkeit, eine Gläubigerabstimmung auch ohne 56 Versammlung durchzuführen. Dies mag im Einzelfall im Restrukturierungsprozess – nicht zuletzt aus Kostengründen – opportun sein, hat sich jedoch in der bisherigen Restrukturierungspraxis noch nicht bewährt.38)
___________ 34) 35) 36) 37) 38)
Vgl. Horn, BKR 2009, 446, 448. Hierzu vertieft Abschnitt B. III. Siehe Rn. 144 ff. Siehe Abschnitt B. V. Siehe Rn. 345 ff.
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A. Ausgangslage/Wirtschaftlicher Status Quo
57 In § 19 SchVG finden sich Sonderregelungen für den Fall der Insolvenzeröffnung.39) 58 § 20 SchVG regelt den Rechtschutz gegen Beschlüsse der Gläubigerversammlung. Dieses Rechtsschutzverfahren hat naturgemäß eine erhebliche Relevanz, insbesondere auch für die zeitliche Taktung im Rahmen eines Restrukturierungsprozesses, da Änderungen von Anleihebedingungen nach § 21 SchVG – der hierzu nähere Regelungen trifft – eines Vollzuges bedürfen.40) 59 Schließlich normiert § 22 SchVG, dass Anleihebedingungen die Geltung der §§ 5 – 21 SchVG auch für mitverpflichtete Dritte vorsehen können. Dies ist vor allem im Hinblick auf Garantien der Muttergesellschaft des Emittenten (beispielsweise einer ausländischen Finanzierungstochter) von Bedeutung. c) 3. Abschnitt (§§ 23, 24 SchVG) 60 § 23 SchVG enthält Bußgeldvorschriften, die einerseits im Zusammenhang der Stimmrechtsvorschrift des § 6 SchVG Ordnungswidrigkeiten normieren, andererseits versäumte Offenlegungspflichten des Wahlvertreters nach § 7 Abs. 1 SchVG sanktionieren.41) 61 § 24 SchVG normiert Übergangsvorschriften, auf die im Rahmen dieser Darstellung bündig eingegangen wird.42)
___________ 39) 40) 41) 42)
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Siehe eingehend Abschnitt C. III. Siehe Rn. 340 ff. Hierzu Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 23 Rn. 1 ff. Siehe Rn. 130 ff.
B. Anleihen in der Restrukturierung I. Grundlagen, insbesondere Zeitplan und strategische Überlegungen 1. Sanierungserleichterung durch das SchVG Bei der finanziellen Restrukturierung von Unternehmen im Allgemeinen und 62 bei Restrukturierungen von Anleihen im Besonderen kommt der zeitlichen Planung eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt besonders deshalb, da die Notwendigkeit der Änderung von Anleihebedingungen regelmäßig erst in der Krise des Unternehmens bewusst wird – und die erforderlichen Maßnahmen nach dem neuen SchVG grundsätzlich auch umfassend ermöglicht sind.43) Die Krise des Unternehmens führt allerdings dazu, dass die Möglichkeiten einer finanziellen Restrukturierung in zeitlicher Hinsicht begrenzt sind, und zwar, da das Unternehmen mit zunehmendem Zeitablauf regelmäßig in Liquiditätsschwierigkeiten gerät. Es ist zu befürchten, dass ein Unternehmen während der Sanierung zahlungsunfähig wird. 2. Zeitplan und insolvenzrechtliche Implikationen In der Krise haben die Geschäftsführungsorgane des zu sanierenden Unter- 63 nehmens erhöhte Sorgfaltspflichten. Eine Hauptpflicht ist die Überwachung des Eintritts der Insolvenzgründe. Tritt im Rahmen der Sanierung Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) ein, hat die Geschäftsführung unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Während der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit relativ eindeutig zu ermitteln 64 ist, bereitet die Feststellung der Überschuldung größere Probleme. Ist der Emittent nach Aufstellung einer insolvenzrechtlichen Überschuldungsbilanz – wie meist im Rahmen einer Krise – überschuldet, liegt eine rechtliche Überschuldung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO trotzdem nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Diese sog. „positive Fortführungsprognose“ bestimmt den Zeitplan einer Sanierung, da ein Insolvenzantrag über das Vermögen des Emittenten zu stellen ist, wenn die positive Fortführungsprognose nicht mehr bejaht werden kann. Eine positive Fortführungsprognose setzt in subjektiver Hinsicht einen Fort- 65 führungswillen und in objektiver Hinsicht Fortführungsfähigkeit des Unternehmens voraus.44) Gegenstand der Fortführungsprognose in erster Linie eine Prognose über die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit in einem be___________ 43) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 59. 44) Vgl. BGH WM 2013, 802, 804; BGH ZIP 2010, 2400 = WM 2010, 2313, 2314, dazu EWiR 2011, 353 (Freitag); BGH ZIP 2006, 2171 = NZI 2007, 44; OLG Hamburg ZIP 2010, 2448, 2449; OLG Schleswig ZIP 2010, 516 = NZI 2010, 492, 493, dazu EWiR 2010, 567 (Schodder); Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, § 19 Rn. 33 f. m. w. N.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
stimmten Prognosezeitraum.45) Diese Prognose muss anhand eines aufgestellten Finanzplans bzw. Sanierungskonzepts erfolgen, der nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellt und auf einem für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbaren Unternehmenskonzept beruht. Als Prognosezeitraum wird – von Einzelfällen abgesehen – ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren als hinreichend betrachtet, wobei es grundsätzlich ausreicht, wenn in die Planung nur das laufende und das nachfolgende Geschäftsjahr einbezogen wird.46) Ergibt sich objektiv aus dem Finanzplan, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig die fälligen Verpflichtungen erfüllt werden können, ist die Gesellschaft durchfinanziert und eine positive Fortführungsprognose grundsätzlich zu bejahen. 66 Üblicherweise wird in einer Krise der Finanzplan allerdings nur eine Zahlungsfähigkeit im gesamten Planungszeitraum ergeben, wenn Sanierungsbeiträge Dritter, wie der Anleihegläubiger, berücksichtigt werden. Bedarf die Durchfinanzierung des Emittenten im Planungszeitraum etwa der Zuführung von Fremd- oder Eigenkapital oder Forderungsverzicht, so stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen derartige Beiträge im Rahmen der Fortführungsprognose berücksichtigt werden dürfen.47) Sicher nicht berücksichtigt werden Beiträge Dritter, wenn diese bereits ihre Zustimmung verweigert haben. 67 Der BGH hat sich noch nicht final zu der Berücksichtigung von Beiträgen Dritter eingelassen. Das OLG Frankfurt48) sowie das LG Frankfurt/M.49) haben sich für sehr hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von Beiträgen Dritter ausgesprochen. Auch der BGH stellt generell hohe Anforderungen an das Sanierungskonzept. So wird verlangt, dass das Sanierungskonzept nicht zu vage und die Bereitschaft des jeweiligen Dritten hinreichend belegt sein muss.50) Im Ergebnis muss sich aus dem Konzept eine realistische Perspektive für eine Durchfinanzierung im Planungszeitraum ergeben, die mehr als nur eine Hoffnung ist.51) Teilweise wird gefordert, dass die Beiträge
___________ 45) Vgl. BGH ZIP 1992, 1382 = NJW 1992, 2891, 2894 (Dornier); BGH ZIP 2010, 2400 = WM 2010, 2313, 2314, dazu EWiR 2011, 353 (Freitag); BGH ZIP 2006, 2171 = NZI 2007, 44; OLG Hamburg ZInsO 2013, 2447, 2449; OLG Hamburg ZIP 2010, 2447, 2449; OLG Schleswig ZIP 2010, 516 = NZI 2010, 492, 493, dazu EWiR 2010, 567 (Schodder); OLG Naumburg GmbHR 2004, 361, 362; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 19 Rn. 213 f. m. w. N. 46) OLG Hamburg ZInsO 2013, 2447, 2449. 47) Dazu IDW ES 11, Rn. 64; siehe auch Sikora, ZInsO, 2010, 1761, 1772; Kayser/Thole/ Rüntz, InsO, § 19 Rn. 10; Haußer/Heeg, ZIP 2010, 1427, 1430; Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166, 171 ff.; Gundlach, in: Gottwald, InsOHdb, § 6 Rn. 42 m. w. N. 48) OLG Frankfurt ZIP 2017, 187. 49) LG Frankfurt/M. ZIP 2015, 2035; LG Frankfurt/M. ZIP 2015, 1358. 50) BGH ZIP 2004, 1049 = NZG 2004, 619, 620. 51) OLG Stuttgart BeckRS 2007, 16286; OLG Koblenz ZIP 2006, 952 = NZG 2006, 583 f.; OLG Köln ZInsO 2009, 1402.
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I. Grundlagen, insbesondere Zeitplan und strategische Überlegungen
Dritter bereits rechtsverbindlich vereinbart sein müssen.52) Dies überzeugt nicht. Vielmehr müssen die Beträge Dritter zum Zeitpunkt der Prognose lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erbracht werden.53) Im Ergebnis muss die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit innerhalb des Prognosezeitraums wahrscheinlicher sein als der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit.54) Aufgrund der Komplexität der Verhandlungen mit Anleihegläubigern und 68 der Umsetzung der Beschlüsse ist es für die zeitliche Planung einer finanziellen Restrukturierung eines Anleiheemittenten entscheidend, in welchem Umfang Anleihegläubiger an den ausstehenden Verbindlichkeiten des Anleiheemittenten beteiligt sind oder ob auch andere Gläubigergruppen an der finanziellen Restrukturierung teilhaben. Wird im Rahmen des Restrukturierungsprozesses deutlich, dass vor Umsetzung der Sanierungsbeiträge Zahlungsunfähigkeit eintritt oder die Anleihegläubiger nicht mehr bereit sind, die Sanierung zu unterstützen, wird man nicht mehr von einer positiven Fortführungsprognose ausgehen können. Trotz dieser Risiken ist es gleichsam nicht möglich, einen allgemeingültigen Zeitplan für eine Anleiherestrukturierung aufzustellen. Dazu sind die Ausgangslagen bei zu sanierenden Anleiheemittenten in der Praxis zu verschieden und die entscheidenden Faktoren zu unterschiedlich. Wichtig für die Sanierung ist die frühzeitige Aufstellung eines Zeitplans auf Ba- 69 sis des Sanierungskonzepts und unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Implikationen. Dabei kann auch die Verteilung der Anleihestücke eine immense Bedeutung auf den Ablauf eines Restrukturierungsprozesses haben, insbesondere sofern es sich um eine publikumsplatzierte Anleihen handelt.55) Dies gilt in zeitlicher Hinsicht schon deshalb, weil bei einer publikumsplatzierten Anleihe, im Gegensatz zu einer Anleihe, bei denen nur wenige Gläubiger existierten, die Erreichung des für einen Mehrheitsbeschluss erforderlichen Quorums von 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen sehr unwahrscheinlich ist. Dies bedeutet, dass in der Regel somit eine zweite Gläubigerver___________ 52) Sikora, ZInsO, 2010, 1761, 1772; Kayser/Thole/Rüntz, InsO, § 19 Rn. 10; Haußer/ Heeg, ZIP 2010, 1427, 1430; hohe Anforderungen formulieren auch LG Frankfurt/M. ZIP 2015, 2035; LG Frankfurt/M. ZIP 2015, 1358. 53) So auch IDW ES 11 Rn. 62; dazu Aleth/Harlfinger, NZI 2011, 166, 171 ff.; Nerlich/ Römermann/Mönning, InsO, 26. EL 2014, § 19 Rn. 19; Gundlach, in: Gottwald, InsOHdb, § 6 Rn. 42; Nickert, in: Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsfähigkeitsprüfung im Insolvenzrecht, Rn. 324 ff.; Meyer-Löwy/Fritz, ZInsO 2011, 662, 665; zu beachten sind allerdings die vom OLG Frankfurt und LG Frankfurt/M. formulierten hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, vgl. OLG Frankfurt ZIP 2017, 187; LG Frankfurt/M. ZIP 2015, 2035; LG Frankfurt/M. ZIP 2015, 1358. 54) IDW ES 11 Rn. 62. 55) Zur Identifikation von (wesentlichen) Anleihegläubiger einer publikumsplatzierten Anleihe kann es sich anbieten, bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Restrukturierung (d. h. deutlich vor Einladung zur Anleihegläubigerversammlung) über entsprechende Dienstleister eine Identifizierung von wesentlichen Paketen vorzunehmen (sog. bondholder identification) um – jedenfalls in der zweiten Anleihegläubigerversammlung mach § 15 Abs. 3 Satz 3 SchVG – notwendige Beschlussquoren zu erreichen, vgl. hierzu Rn. 327 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
sammlung abzuhalten sein wird, deren Vorbereitung schon von Gesetzes wegen (vgl. § 10 Abs. 1 SchVG hinsichtlich der Einberufungsdauer) eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. 70 Berücksichtigt werden müssen auch Verhandlungen mit sonstigen Gläubigern. Im Gegensatz zu der institutionalisierten Zustimmung nach dem SchVG, die in der Regel schon impliziert, dass „ein Sanierungskonzept steht“, lässt sich mit daneben existierenden Individualgläubigern ein Sanierungskonzept flexibel verhandeln, so dass in der Regel Verhandlungen mit diesen Gläubigern bereits abgeschlossen sein müssen, bevor man zur SchVG-Gläubigerversammlung einlädt. Dabei kann es sinnvoll sein, dass vorab zu den Beschlüssen über Sanierungsbeiträge ein gemeinsamer Vertreter nach § 7 SchVG bestellt wird (bzw. als Vertragsvertreter nach § 8 SchVG ggf. bereits bestellt ist), der einerseits als Interessenorgan der Gläubiger, andererseits aber auch als Verhandlungspartner des Emittenten agieren kann, um eine Sanierungsstrategie zu entwickeln. Ein solcher gemeinsamer Vertreter sollte nach Möglichkeit frühzeitig in den Prozess eingebunden sein, um die Interessen der Anleihegläubiger zu wahren und damit die Akzeptanz einer avisierten Beschlussfassung mit einer notwendigen Gläubigermehrheit herzustellen. 71 Einfluss auf die Taktung des Prozesses der Anleiherestrukturierung hat auch die Frage, welche Restrukturierungsmaßnahmen vorgesehen sind. So ist etwa beim Debt-to-Equity-Swap zu berücksichtigen, dass flankierende Kapitalmaßnahmen in der Regel auf der Gesellschaftsebene erfolgen müssen und es ggf. einer Gesellschafter- oder sogar Hauptversammlung bedarf. So ist, um den Gläubigern den Wechsel ins Eigenkapital zu ermöglichen, in der Regel zumindest eine (Sach-)Kapitalerhöhung vonnöten, wenn nicht gar eine vorherige Kapitalherabsetzung. 72 Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass jedenfalls bei einem Debt-to-EquitySwap, aber auch bei einer eventuellen Ausgabe einer neuen Anleihe (als neues Wertpapier für den Umtausch der Altanleihe), eine Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) ausgelöst werden kann. Ein solcher Prospekt muss von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligt werden. In der Praxis wählt man bislang – nicht zuletzt zur Vermeidung eines öffentlichen Angebots und damit einer Prospektplicht bei Einladung zu den Gläubigerversammlungen – meist „den Ausweg“, dass den Anleihegläubigern ein Wahlrecht eingeräumt wird, ob diese ein Erwerbsrecht zum Bezug von Gesellschaftsanteilen ausüben oder eine Barabfindung aus der Verwertung der aufgrund nicht ausgeübter Erwerbsrechte nicht bezogenen Gesellschaftsanteile erhalten wollen.56) 73 Auch berücksichtigt werden muss in einem Zeitplan die Möglichkeit der Anfechtung der Beschlüsse der Gläubigerversammlung (§ 20 SchVG). Zwar sieht das SchVG ein an das Aktienrecht angelehntes Freigabeverfahren vor (§ 20 ___________ 56) Vgl. dazu Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2338.
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I. Grundlagen, insbesondere Zeitplan und strategische Überlegungen
Abs. 3 Satz 4 SchVG); allerdings ist die Umsetzung der Sanierung regelmäßig – die Erhebung von Anfechtungsklagen unterstellt – für die Dauer des Freigabeverfahrens von rund drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Antragstellung behindert.57) In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das Freigabeverfahren nicht praktikabel für eine Anleiherestrukturierung ist, da das Interesse des überstimmten Gläubigers auf den Schutz seines Vermögens und gerade nicht – wie bei einem Aktionär – auf die Aufhebung des Beschlusses gerichtet ist.58) Kann zu einem Zeitpunkt in der Restrukturierung die überwiegende Wahr- 74 scheinlichkeit der Umsetzung des Sanierungskonzepts nicht mehr bejaht werden, muss der Emittent von einer negativen Fortführungsprognose ausgehen und – zur Vermeidung von Haftungsgefahren – einen Insolvenzantrag stellen (§ 15a InsO), sofern er dazu verpflichtet ist. Neben der konkreten Umsetzung der Sanierung dürfen auch die steuerlichen 75 Auswirkungen und damit zusammenhängende Sanierungshindernisse nicht aus dem Blick geraten. Denn: Ein Verzicht auf die Hauptforderung oder auf einen Teil davon begründet grundsätzlich steuerlichen Ertrag und kann entsprechende Ertragsteuern auslösen. Um derartige (Ertragsteuer-)Belastungen bzw. Nachteile zu vermeiden, konnte sich der Emittent – bislang – um einen (Billigkeits-)Erlass auf der Grundlage des sog. Sanierungserlasses59) der Finanzverwaltung bemühen. Lagen – wie regelmäßig – die spezifischen (Sanierungs-)Voraussetzungen nach diesem sog. Sanierungserlass vor, standen ertragsteuerliche Umstände, insbesondere Buchgewinne aus Forderungsverzichten, der Sanierung nicht mehr im Wege. Die Anwendung des Sanierungserlasses wurde allerdings aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 (Az.: GrS 1/15) als grundsätzlich gegen die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßend befunden.60) Damit steht künftig jedwede Ertragsteuerbelastung der Sanierung entgegen, es sei denn, durch periodengleiche Verluste, die etwa im Zuge außerordentlicher Wertberichtigungen des Anlagevermögens und insoweit insbesondere der Finanzanlagen, können – unterjährige – Kompensationen bewirkt werden. Generell bleibt abzuwarten – und sehr sorgsam zu beobachten –, ob und in welcher Weise der Gesetzgeber hier kurzfristig tätig wird und/oder andere kautelarjuristische Lösungen entwickelt werden können.61)
___________ 57) Seibt/Westpfahl, ZIP 2013, 2333, 2338; dazu auch Leuering, NZI 2009, 638, 640. 58) Arbeitskreis Reform Schuldverschreibungsrecht, ZIP 2014, 845, 846. 59) Vgl. BMF-Schreiben v. 27.3.2003, IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240), ergänzt durch das BMF-Schreiben v. 22.12.2009, IV C 6-S 2140/07/10001-01 (BStBl I 2010, 18). 60) BFH, ZIP 2017, 338 = NZI 2017, 163 (mit Anmerkung Willemsen) = BB 2017, 481 (mit Anmerkung Swierczok). 61) Zu den steuerrechtlichen Aspekten einer Anleiherestrukturierung allgemein Ruoff, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, Kapitel 10.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
3. Case Study: Debt-to-Equity-Swap 76 Im Folgenden soll verdeutlicht werden, wie komplex eine außergerichtliche Restrukturierung aus zeitlicher Sicht sein kann. Ausgangspunkt ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die Anleihen emittiert hat, die in den Anwendungsbereich des SchVG fallen. 77 Wird vom Vorstand eine Krise erkannt und somit der Sanierungsbedarf deutlich, hat der Vorstand zuvor erst die sog. „Pflicht zur Sanierung“ zu beachten. Dafür hat er in die Vorbereitungs- und Verhandlungsphase einzutreten. Es gilt zunächst, die IST-Situation zu erfassen und schnellstmöglich ein Sanierungsgutachten zu erstellen. Meist wird das ein Gutachten sein, welches durch sachverständige Berater nach dem Standard IDW-S6 erstellt wird. Parallel muss ein Sanierungskonzept erarbeitet werden. 78 Nach Fertigstellung des Sanierungskonzepts – oder besser bereits parallel zu dessen Erstellung – muss der Vorstand umgehend mit den Gläubigern Verhandlungen beginnen, um eine Einigung hinsichtlich des Sanierungskonzepts zu erzielen. Hilfreich kann es sein, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger bestellt ist, da dieser bei den Verhandlungen mit den weiteren Gläubigern die Interessen der Anleihegläubiger (gebündelt) vertreten kann. Dies kann zu einem späteren Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung der Anleihegläubiger erhöhen. Nachdem hier eine Einigung erzielt worden ist, schließt die Vorbereitungs- und Verhandlungsphase mit dem Abschluss einer Restrukturierungsvereinbarung. 79 Daran anschließend beginnt die Einberufungs- und Freigabephase. Das in der Restrukturierungsvereinbarung festgelegte Sanierungskonzept mit einem Debt-to-Equity-Swap schafft den Rahmen für die Einladungen und Beschlussvorschläge zur Haupt- sowie zur Gläubigerversammlung nach SchVG. Ist eine Kapitalherabsetzung und eine anschließende Kapitalerhöhung geplant, bedarf es zunächst der Zustimmung der Hauptversammlung und anschließend einer Zustimmung der Anleihegläubiger. Da ein Quorum von 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen in einer ersten Gläubigerversammlung selten erreicht wird, wird im Regelfall erst die zweite Gläubigerversammlung beschlussfähig sein. Sind die positiven Beschlüsse gefasst, ist die Anfechtungsfrist bei Haupt- und Gläubigerversammlungsbeschlüssen nach AktG und SchVG zu beachten. Wird – wie gerade bei börsennotierten Aktiengesellschaften schwer zu vermeiden – innerhalb der Anfechtungsfrist Anfechtungsklage erhoben, werden Freigabeverfahren nach dem AktG bzw. dem SchVG durchzuführen sein, die nach Antragstellung üblicherweise 3 Monate dauern (vgl. § 246a Abs. 3 Satz 6 AktG). 80 Enden die Freigabeverfahren mit Freigabebeschlüssen, kann ein notwendiger Prospekt nach dem WpPG gebilligt werden und die Bezugsfrist für die Erwerbsrechte beginnen. Nach Abschluss der Bezugsfrist kann die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage in das Handelsregister eingetragen werden, womit die Sanierung beendet ist. 18
I. Grundlagen, insbesondere Zeitplan und strategische Überlegungen
4. Schaubild: Zeitplan einer Anleiherestrukturierung mit Debt-to-Equity-Swap Zeitplan Debt-to-Equity-Swap
Erkennen der Krise und des Sanierungsbedarf
Beginn der Verhandlung mit Gläubigern
Einberufung 1. GV
ca. 3–6 Monate Vorbereitungs- und Verhandlungsphase
Beginn Entwicklung eines Sanierungskonzepts
Abschluss einer Restrukturierungsvereinbarung mit Festlegung der Sanierungsbeiträge
in der Regel: Einberufung 2. GV und Einberufung ao HV zur Freigabebeschlüsse Beschlussfassung über Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung
ca. 6 Monate
Billigung des Wertpapierprospektes durch BaFin und danach Bezugsangebot/ Lauf der Bezugsfrist
ca. 1 Monat
Einberufungs- und Freigabephase
1. GV (Restrukturierungskonzept) + nur final, wenn Beschlussquoten erreicht, andernfalls erneute Einberufung zur 2. GV notwendig
81
2. GV (Restrukturierungskonzept) und ao HV zur Beschlussfassung über Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung
Umsetzungsphase
Finalisierung Zeichnungsprozess und danach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung ins HR (Closing)
5. Exkurs: Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Anleiherestrukturierung Bei der Restrukturierung von Unternehmensanleihen ist den kapitalmarkt- 82 rechtlichen (Folge-)Pflichten des Emittenten – nicht zuletzt aufgrund erheblicher, potentiell ruinöser Sanktionen – besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dies betrifft insbesondere die Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen sowie die Finanzberichterstattungspflichten. Seit dem 3.7.2016 gilt das neue europäische Kapitalmarktregime und insbe- 83 sondere die EU-Marktmissbrauchsverordnung,62) welche eine „Zeitenwende“ im Kapitalmarktrecht mit sich brachte.63) Die Änderungen betreffen gerade und insbesondere Emittenten von Anleihen als typische Freiverkehrsemittenten, die durch die Marktmissbrauchsverordnung originär Adressat kapitalmarktrechtlicher Folgepflichten geworden sind. Erstmals haben diese Emittenten aufgrund der Anleihenotierung Ad-hoc-Mitteilungen zu veröffentlichen,
___________ 62) Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission. 63) Bis zum 3.7.2016 betrafen die kapitalmarktrechtlichen (Folge-)Pflichten größtenteils nur Aktiengesellschaften, deren Aktien an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG notierten. Nur wenige Anleiheemittenten waren originär aufgrund der Notierung der Anleihe am organisierten Markt zu kapitalmarktrechtlicher Compliance verpflichtet – sieht man von vertraglichen Pflichten der Börsen bei Notierung in einem sog. Qualitätssegment des Freiverkehrs (z. B. (ehemaliger) Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse) ab.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
Eigengeschäfte von Führungskräften (Directors' Dealings) zu melden und Insiderlisten zu führen.64) 84 Die für den Restrukturierungsprozess bedeutendste kapitalmarktbezogene Pflicht ist diejenige zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 1 MMVO (= § 15 Abs. 1 WpHG). 85 Eine Insiderinformation stellt dabei nach Art. 7 Abs. 1 MMVO jede nicht öffentlich bekannte Information dar, die den Emittenten unmittelbar oder mittelbar betrifft und die geeignet ist, den Kurs des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Dabei können auch Zwischenschritte eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses eigenständig eine Insiderinformation darstellen, soweit die o.g. Kriterien erfüllt sind. 86 Wann eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation mit erheblichem Preisbeeinflussungspotential vorliegt, kann naturgemäß nicht allgemein beantwortet werden. Entscheidend ist, ob ein verständiger Anleger die Information in seine Anlageentscheidung einbeziehen würde. Typische Gegenstände einer Ad-hoc-Mitteilungspflicht können im Rahmen einer Anleiherestrukturierung sein: x
Die Erzielung einer (vorläufigen) Einigung des Emittenten mit wesentlichen Anleihegläubigern über die Eckpunkte der Restrukturierung;
x
Beschlussfassungen der Gläubiger- und/oder Hauptversammlung über Maßnahmen der Restrukturierung;
x
Abschluss eines Freigabeverfahrens;
x
Erfolgreiche Durchführung einer Kapitalerhöhung/eines Debt-to-EquitySwaps.
87 Während einer finanziellen Restrukturierung im Allgemeinen und einer Anleiherestrukturierung im Besonderen, ist die Möglichkeit des Emittenten sich von der Ad-hoc-Publizitätspflicht für einen begrenzten Zeitraum nach Maßgabe des Art. 17 Abs. 4 MMVO zu befreien, von besonderer Relevanz. Diese Möglichkeit besteht für den Emittenten dann, wenn er (i) über ein „berechtigtes Interesse“ verfügt, (ii) während des Befreiungszeitraumes keine Irreführung der Öffentlichkeit bewirkt wird und (iii) die Vertraulichkeit der Information gewährleistet ist. Letzteres wird bereits durch das Bestehen hinreichend präziser Gerüchte kompromittiert; dabei ist es nach der Marktmissbrauchsverordnung ohne Belang, ob diese aus der Sphäre des Emittenten
___________ 64) Eingehend zu Ad-hoc-Pflichten und Insiderlisten nach Marktmissbrauchsverordnung Poelzig, NZG 2016, 761. Zu Directors‘ Dealings Stüber, DStR 2016, 1221 ff.
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II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG
stammen.65) Umso mehr ist bei Verhandlungen mit (Anleihe-)Gläubigern auf Vertraulichkeit, insbesondere durch Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non Disclosure Agreements), zu drängen. Ein berechtigtes Interesse an einem Aufschub der Veröffentlichung ist im Re- 88 gelfall anzunehmen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Erfolg der Sanierung durch die Bekanntgabe/öffentliche Preisgabe des betreffenden Umstandes gefährdet würde. In einer Anleiherestrukturierung typische Umstände, die ein berechtigtes Interesse an einer Selbstbefreiung begründen können, sind z. B. laufende Verhandlungen mit wesentlichen (Anleihe-)Gläubigern, deren Erfolg durch eine frühzeitige Veröffentlichung dieses Umstands gefährdet werden könnte. II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG Der Erfolg einer außerinsolvenzrechtlichen Anleiherestrukturierung hängt 89 zentral davon ab, ob und inwieweit das SchVG Anwendung findet. Nachstehend sollen daher der sachliche, örtliche und zeitliche Anwendungs- 90 bereich des SchVG sowie die Anwendbarkeitsvoraussetzungen des optionalen Gläubigerorganisationsrechts der §§ 5 ff. SchVG dargestellt werden. Des Weiteren werden die Voraussetzungen eines sog. „Opt-In-Beschlusses“ 91 nach § 24 Abs. 2 SchVG aufgezeigt, mit dem das SchVG auf Anleihen, die vor dem 5.8.2009 ausgegeben wurden (Altanleihen), zur Anwendung gebracht werden kann. 1. Sachlicher Anwendungsbereich Das SchVG findet gemäß § 1 Abs. 1 SchVG Anwendung auf inhaltsgleiche 92 Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen, die nach deutschem Recht begeben worden sind. Der sachliche Anwendungsbereich des SchVG bestimmt sich somit zum einen durch die Wahl des deutschen Rechts und zum anderen, ob die in Frage stehenden Papiere „inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen“ darstellen.66)
___________ 65) Dies war unter Geltung des § 15 WpHG a. F. nicht der Fall. Hier entsprach es der Verwaltungspraxis der BaFin, dass nur nicht mehr von einer Gewährleistung der Vertraulichkeit ausgegangen werden konnte – mit der Folge dass die Insiderinformation zu veröffentlichen war – wenn Gerüchte auf einer Vertraulichkeitslücke im Herrschaftsbereich des Emittenten zurückzuführen waren, vgl. Emittentenleitfaden der BaFin (Stand 2013), S. 61. 66) Mangels Relevanz für die Praxis der Restrukturierung von Unternehmensanleihen sollen die Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 SchVG hier nicht näher betrachtet werden. Vgl. hierzu Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 129 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
a) Wahl deutschen Rechts 93 Das SchVG gilt für „nach deutschem Recht begebene“ Schuldverschreibungen. Der Anwendungsbereich des SchVG gilt daher sowohl für Anleihen inländischer Schuldner als auch für Anleihen ausländischer Schuldner. Der Sitz des Emittenten ist für die Frage der Anwendbarkeit des SchVG ohne Belang. 94 Die Tatsache, dass einzelne Bestimmungen der Anleihebedingungen (z. B. Nachrangklauseln)67) dem ausländischem Recht unterworfen werden, steht der Anwendbarkeit des SchVG nach zutreffender Ansicht nicht entgegen.68) Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Wertpapierrechtsstatut nur einer Rechtsordnung zugewiesen werden kann – eine Teilverweisung auf ausländisches Recht in einzelnen Klauseln von Anleihebedingungen ändert das Wertpapierrechtsstatut nicht, solange die Substanz der im Wertpapier verbrieften Forderung davon nicht berührt wird.69) b) Inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen 95 Des Weiteren muss es sich für die Anwendung des SchVG bei den zu restrukturierenden Schuldverschreibungen um „inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen“ handeln. aa) Allgemeines 96 Das SchVG findet grundsätzlich auf Schuldverschreibungen jeglicher Rechtsform Anwendung, d. h. auf Inhaberschuldverschreibungen, auf Orderschuldverschreibungen und auf Namensschuldverschreibungen.70) Soweit die weite-
___________ 67) Vgl. den Sachverhalt in der Entscheidung LG Frankfurt/M. ZIP 2011, 2306, dazu EWiR 2012, 61 (Armbrüster). 68) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 4; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 58; Keller, BKR 2012, 15, 16; Lürken, GWR 2012, 227. a. A. LG Frankfurt/M. im Rahmen der Anwendung von § 24 Abs. 2 SchVG (vgl. ZIP 2011, 2306, 2307) sowie ZIP 2012, 474, 475; dieser Auffassung ist das OLG Frankfurt nicht gefolgt (ZIP 2012, 725, 726). Eingehend zur Problematik Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 4 bei Fn. 2. 69) Ebenso Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 4 bei Fn. 2. Vgl. hierzu auch BGHZ 164, 361, 366 = ZIP 2005, 2303. 70) Bei sämtlichen Formen handelt es sich nach herrschender Meinung um Wertpapiere, d. h. um Urkunden, ohne deren Innehabung das daran verbriefte Recht nicht geltend gemacht werden kann, vgl. Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 47 m. w. N.
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II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG
ren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 SchVG erfüllt sind, werden daher alle drei Rechtsformen vom Anwendungsbereich des SchVG erfasst.71) Die übliche Rechtsform für Anleihen, die nach § 1 Abs. 1 SchVG in den An- 97 wendungsbereich des Gesetzes fallen, ist die Inhaberschuldverschreibung.72) Bei dieser Schuldverschreibung verspricht der Aussteller die Leistung dem jeweiligen Inhaber des Papiers (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB).73) Ohne Relevanz für die Anwendbarkeit des SchVG ist neben der Rechtsform 98 der Verbriefung (i) die Art der Verbriefung (d. h. Verbriefung in einer Sammel-, Global- oder Einzelurkunden),74) (ii) die Art der Verwahrung der Schuldverschreibungen75) sowie (iii) der Umstand, ob die Schuldverschreibungen börsennotiert sind oder nicht.76) Auch die Art des Schuldners ist grundsätzlich nicht relevant für die Anwendbarkeit des SchVG – mit Ausnahme von Anleihen der öffentlichen Hand, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SchVG. Anleihen des Eurowährungsgebiets sowie gedeckte Schuldverschreibungen im Sinne des Pfandbriefgesetzes sind ebenfalls vom Anwendungsbereich des SchVG ausgenommen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 SchVG).77) Im Gegensatz zum SchVerschrG sieht das SchVG auch keine „materielle 99 Schranke“ für seine Anwendbarkeit vor. Das SchVerschrG setzte noch voraus, dass die nach diesem beschlossenen Maßnahmen der Gläubiger zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder eines Insolvenzverfahrens erfolgen (vgl. § 11 Abs. 1 SchVerschrG). Nach dem SchVG ist es einem Emittenten hingegen jederzeit möglich, Beschlüsse nach dem SchVG durch die Anleihegläubiger herbeizuführen, so dass bereits frühzeitig im Sanierungsprozess die Restrukturierung emittierter Anleihen über das SchVG betrieben werden kann.78) ___________ 71) Herrschende Meinung, vgl. BGH ZIP 2014, 1876, 1879, dazu EWiR 2014, 611 (MüllerEising); etwa Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 47; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 15; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 27. Differenzierend in Bezug auf Namensschuldverschreibungen Preuße/Preuße, SchVG, § 1 Rn. 25, der eine Anwendbarkeit des SchVG verneint, sofern die Namensschuldverschreibungen nicht auf den Namen einer Wertpapiersammelbank ausgestellt sind. Dem ist zuzugeben, dass Namensschuldverschreibungen in der herkömmlichen Praxis nicht als Gesamtemission ausgegeben werden. Richtigerweise ändert dies jedoch grundsätzlich nichts am Charakter der Namensschuldverschreibung als Schuldverschreibung i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG. 72) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 16. 73) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 16. 74) Eingehend Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 61 ff. 75) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 64 f. 76) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 66. 77) Vgl. eingehend zu den Ausnahmen nach § 1 Abs. 2 SchVG etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 28 ff. 78) Zu den diesbezüglichen praktischen Problemen im SchVerschrG Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, Einl. Rn. 5.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
bb) In Schuldverschreibungen verbriefte Versprechen 100 Der wesentliche Inhalt der Schuldverschreibungsurkunde besteht in dem Versprechen des Ausstellers, dem Verfügungsberechtigten gegenüber eine Leistung zu erbringen. Dabei verbriefen Schuldverschreibungen ausschließlich schuldrechtliche Forderungsrechte, nicht jedoch Mitgliedschaftsrechte (wie etwa Aktien und Interimsscheine) oder dingliche Rechte (wie etwa Grundschuldbriefe).79) Das SchVG selbst trifft im Hinblick auf die Art der Versprechen keine näheren Beschränkungen. 101 Bei den in Form von Schuldverschreibungen verbrieften Versprechen handelt es sich in der Regel um Zahlungsversprechen, die im Rahmen einer Fremdkapitalaufnahme eingegangen werden.80) Die geschuldete Leistung besteht dabei im Kern aus (i) einem zukünftigen Zahlungsanspruch und (ii) der Verzinsung dieses Zahlungsanspruches.81) 102 Um eine adäquate Finanzierungsfunktion zu erlangen, werden von einem Emittenten typischerweise hunderte oder mehrere tausend gleichlautende Schuldverschreibungen ausgestellt, um in der Summe den gewünschten Betrag zu erlangen. Steht bei den verbrieften Leistungsversprechen eine solche Fremdkapitalaufnahme im Vordergrund, wird von „Anleihen im engeren Sinne“ gesprochen.82) 103 Die in Form von Schuldverschreibungen verbrieften Versprechen müssen jedoch nicht zwangsläufig aus einer „Anleihe im engeren Sinne“ stammen. In der Praxis kommen verstärkt auch andere Leistungsgegenstände in Frage, die in Form von Schuldverschreibungen i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG verbrieft werden können und damit dem Anwendungsbereich des SchVG unterfallen.83) 104 Sofern als Schuldverschreibungen i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG ausgestaltet, können dem SchVG etwa unterfallen: x
verbriefte Derivate i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 – 5 WpHG, § 1 Abs. 11 Satz 3 KWG;84)
___________ 79) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 10. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 15. 80) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 11. 81) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn.11 mit dem zutreffenden Verweis, dass es sich bei dem Zahlungsanspruch nicht um einen „Rückzahlungsanspruch“ handelt. 82) Begriff bei Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 10. 83) Zur Anwendbarkeit des SchVG auf Bucheffekten bzw. Wertrechte vgl. Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 68 ff. 84) Auf Derivate findet das SchVG nur Anwendung, wenn das Leistungsversprechen in Form einer Schuldverschreibung i. S. v. §§ 793 ff. BGB verbrieft ist. Bei den als Schuldverschreibung verbrieften Derivaten unterscheidet Praxis und Literatur die Erscheinungsform Aktienanleihe, Optionsscheine und Zertifikate. Diese Gestaltungsformen erfüllen allesamt den Schuldverschreibungsbegriff des § 1 Abs. 1 SchVG.
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II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG
x
Genussscheine als verbriefte Form von Genussrechten;85)
x
Commercial Papers;
x
forderungsbesicherte Schuldverschreibungen.
Keine Schuldverschreibungen i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG sind hingegen Schuld- 105 scheindarlehen86) oder Investmentanteilscheine.87) cc) Schuldverschreibungen aus „Gesamtemissionen“ Nach § 1 Abs. 1 SchVG hängt die Anwendbarkeit des SchVG von dem Um- 106 stand ab, dass die Schuldverschreibungen aus einer Gesamtemission entstammen müssen. Das SchVG definiert den Begriff der Gesamtemission selbst nicht.88) Allge- 107 mein wird unter Gesamtemission die Ausgabe einer größeren Zahl von im Wesentlichen gleichartigen Schuldverschreibungen verstanden, bei denen die Möglichkeit, diese am Kapitalmarkt zu platzieren, nicht ausgeschlossen ist.89) Nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind somit einzeln verbriefte Forderungen nach dem Leitbild des § 793 BGB.90) dd) Inhaltsgleichheit Des Weiteren hängt die Anwendbarkeit des SchVG von dem Merkmal der 108 „Inhaltsgleichheit“ ab. Inhaltsgleich sind Schuldverschreibungen aus einer Gesamtemission, wenn sie auf denselben Bedingungen beruhen und gleiche Rechte für alle Schuldverschreibungen vorsehen.91) Dagegen bedeutet „inhaltgleich“ nicht, dass alle Schuldverschreibungen einer Gesamtemission inhaltlich kongruent sein müssen.92) Nach der Gesetzesbegründung soll eine Inhaltsgleichheit i. S. v. § 1 Abs. 1 SchVG vielmehr dann vorliegen, solange ___________ 85) Vgl. BGH ZIP 2014, 1876, 1878, dazu EWiR 2014, 611 (Müller-Eising). 86) So ausdrücklich Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 44; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 24; Artzinger-Bolten/Wöckener, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 1 SchVG Rn. 52. 87) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 25. 88) Die Gesetzesbegründung verweist lediglich auf § 151 StGB. Auch in den mittlerweile aufgehobenen §§ 795, 808a BGB fand sich der Begriff der Gesamtemission, vgl. Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 10. 89) Preuße/Preuße, SchVG, § 1 Rn. 3. 90) Siehe Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 42. 91) Vgl. RegE, BT-Drucks. 16/12814, S. 16; Veranneman/Oulds, SchVG, § 1 Rn. 30; Preuße/ Preuße, SchVG, § 1 Rn. 7; Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 114 m. w. N. 92) Veranneman/Oulds, SchVG, § 1 Rn. 31; Preuße/Preuße, SchVG, § 1 Rn. 8.; Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 115.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
die Schuldverschreibungen (aus einer Gesamtemission) untereinander austauschbar bleiben.93) 109 Relevant wird die Differenzierung zwischen Identität und Austauschbarkeit insbesondere bei der – in der Praxis häufig vorkommenden – Aufstockung von Schuldverschreibungsemissionen, d. h. der Erhöhung des ursprünglichen Emissionsvolumens.94) So wird eine aufgestockte Tranche ggf. einen abweichenden Emissionspreis sowie einen abweichenden Verzinsungsbeginn aufweisen. Dies führt jedoch nicht zu einer Verneinung der „Inhaltsgleichheit“ der „alten“ und „neuen“ Schuldverschreibungen zueinander, da es sich bei Abweichungen im Emissionspreis sowie bei einem späteren Verzinsungsbeginn lediglich um eine „technische“ Folge des späteren Emissionszeitpunktes handelt.95) Rechtlich beruhen die aufgestockten Tranchen auf den gleichen Bedingungen und sehen daher gleiche Rechte für alle Teilschuldverschreibungen vor. Sie sind untereinander austauschbar und damit inhaltsgleich i. S. d. § 1 Abs. 1 SchVG.96) 2. Örtlicher Anwendungsbereich 110 Eine räumliche Geltungsbeschränkung findet sich im SchVG im Gegensatz zum SchVerschrG nicht mehr. Das SchVG ist vielmehr für alle nach deutschem Recht begebenen Schuldverschreibungen anwendbar. Die Wahl des deutschen Rechts als Wertpapierrechtsstatut ist alleinig relevant für die Bestimmung des örtlichen Anwendungsbereichs des SchVG.97) 111 Das SchVG ist selbst dann anwendbar, wenn die Geltung deutschen Rechts nicht – wie üblich – in den Anleihebedingungen vereinbart worden ist. Vielmehr reicht es aus, dass eine Auslegung der Anleihebedingungen ergibt, dass die Anleihe deutschem Recht unterstehen soll.98) 3. Zeitlicher Anwendungsbereich 112 Der zeitliche Anwendungsbereich des SchVG ergibt sich aus der Übergangsvorschrift des § 24 Abs. 1 SchVG. Danach gilt das SchVG für alle Schuldverschreibungen, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, dem 5.8.2009, begeben worden sind. Auf alle vor diesem Datum ausgegebenen Schuldver-
___________ 93) 94) 95) 96) 97)
RegE, BT-Drucks. 16/12814, S. 16. Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 116. Zutreffend Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 117. Vgl. RegE, BT-Drucks. 16/12814, S. 18; Preuße/Preuße, SchVG, § 1 Rn. 9 m. w. N. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 3; Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 1 Rn. 3. 98) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 1 Rn. 7. Denkbar ist dies etwa dann, wenn die Anleihe – ohne ausdrückliche Rechtswahlklausel – das SchVG in Bezug nimmt.
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II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG
schreibungen findet nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SchVG das SchVerschrG grundsätzlich weiterhin Anwendung. Gemäß § 24 Abs. 2 SchVG können die Gläubiger einer vor dem 5.8.2009 be- 113 gebenen Anleihe gleichwohl mit Zustimmung des Schuldners durch einen sog. „Opt-In-Beschluss“ die Vorschriften des SchVG zur Anwendung bringen.99) 4. Optionales Gläubigerorganisationsrecht in §§ 5 – 21 SchVG Sofern die Anwendbarkeitsvoraussetzungen des SchVG nach § 1 SchVG ge- 114 geben sind, finden die §§ 2 – 4 SchVG Anwendung. a) § 5 SchVG als Grundnorm Für eine Änderung der Anleihebedingungen durch Beschluss der Gläubiger 115 stellt § 5 SchVG die zentrale Norm des schuldverschreibungsrechtlichen Gläubigerorganisationsrechts dar. 100) § 5 SchVG regelt die materiellen Voraussetzungen für einen Gläubigerbe- 116 schluss (§ 5 Abs. 1 SchVG) sowie die Rechtsfolgen eines solchen Beschlusses (§ 5 Abs. 2 SchVG). Darüber hinaus bestimmt § 5 SchVG die wesentlichen Gegenstände eines die Anleihebedingungen ändernden Gläubigerbeschlusses (§ 5 Abs. 3 SchVG), die dafür erforderlichen Mehrheiten (§ 5 Abs. 4 SchVG) sowie die möglichen Abstimmungsverfahren (§ 5 Abs. 6 SchVG). b) Ermächtigungslösung des § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG § 5 SchVG (sowie die §§ 6 – 21 SchVG) gilt jedoch nicht automatisch. Viel- 117 mehr können nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG Anleihebedingungen ihre Anpassung durch Mehrheitsbeschlüsse der Anleihegläubiger vorsehen – müssen dies aber nicht.101) Emittenten von Schuldverschreibungen ist es nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG anheimgestellt, ob die Anleihebedingungen der von ihnen begebenen Schuldverschreibungen während ihrer Laufzeit der Änderung durch Mehrheitsbeschluss unterliegen sollen oder nicht (sog. „optionales Gläubigerorganisationsrecht“).102) Emittenten von Anleihen müssen daher ausdrücklich in den Anleihebedin- 118 gungen vorsehen, dass deren Änderung durch Mehrheitsbeschluss den Gläu___________ 99) Siehe sogleich unter Rn. 130 ff. 100) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 5. 101) Vgl. zum rechtspolitischen Hintergrund der Ermächtigungslösung und der damit verbundenen Abkehr vom Regelungssystem des SchVerschrG, wonach die Gläubigerversammlung und mit ihr die Mehrheitsbeschlussfähigkeit ipso iure vorgesehen war, ohne dass es einer gesonderten Ermächtigung in den Anleihebedingungen bedurfte Friedl/ Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 2 ff. 102) Begriff bei Horn, BKR 2009, 449.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
bigern möglich sein soll.103) Sehen die Anleihebedingungen die Möglichkeit der Änderung von Anleihebedingungen nicht vor, hat der Emittent sich verbindlich dafür entschieden, dass Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger nach dem in den §§ 5 – 21 SchVG zur Verfügung gestellten Gläubigerorganisationsrecht nicht möglich sein sollen (sog. „Nulloption“).104) c) Ausgestaltung der Ermächtigung in den Anleihebedingungen 119 Hinsichtlich der Ausgestaltung der erforderlichen Ermächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG hat sich noch keine einheitliche Praxis herausgebildet. Die Rechtsprechung hat die Frage der notwendigen Ausgestaltung der Ermächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG, soweit ersichtlich, bislang noch nicht ausdrücklich aufgegriffen. Nach Ansicht des Schrifttums sind keine überhöhten Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigung zu stellen.105) 120 In der Praxis sind Pauschalverweisungen auf die §§ 5 – 21 SchVG ebenso wie „knappe“ Formulierungen – wie zum Beispiel „die Gläubiger können nach Maßgabe des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen von 2009 (Schuldverschreibungsgesetz – SchVG) durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen (…) (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG)“ – bereits verwandt und als ausreichend erachtet worden.106) 121 Ebenfalls in der Praxis verbreitet ist eine Ausgestaltung von Anleihebedingungen dergestalt, dass mit §§ 5 – 21 SchVG konforme Klauseln verwendet werden. In dieser Gestaltungsvariante mögen die Anleihebedingungen das Gesetz teilweise wortwörtlich wiederholen, teilweise die nach § 5 Abs. 3 SchVG zulässigen Beschlussgegenstände ggf. auslassen bzw. von gesetzlich vorgesehenen Optionen Gebrauch machen wie etwa das Abstimmungsverfahren für eine Gläubigerabstimmung nach § 5 Abs. 6 SchVG verbindlich festlegen.107) d) Problem: Anwendbarkeit einzelner Vorschriften trotz fehlendem Opt-In? 122 Sofern sich ein Emittent durch fehlende Ermächtigung in den Anleihebedingungen gegen eine Anwendbarkeit der §§ 5 – 21 SchVG entschieden hat, stellt sich in der Praxis die Frage, ob vereinzelte Vorschriften der §§ 5 – 21 SchVG gleichwohl zur Anwendung gebracht werden können. ___________ 103) Bzw. ein gemeinsamer Vertreter i. S. d. § 7 SchVG bestellt werden kann. 104) OLG Stuttgart v. 27.12.2016 – 10 U 97/16, zitiert nach juris; vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 13; Horn, BKR 2009, 449. 105) Vgl. etwa Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 15; Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 10. 106) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 10 m. w. N. Vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 7. 107) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 10 m. w. N.
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II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG
Diese Problematik stellt sich insbesondere in Bezug auf die Anwendbarkeit 123 von § 19 SchVG (Insolvenzverfahren) und der in § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG vorgesehenen obligatorischen Anleihegläubigerversammlung, die durch das Insolvenzgericht einzuberufen ist.108) aa) § 19 SchVG109) § 19 SchVG trifft für Schuldverschreibungen nach § 1 Abs. 1 SchVG beson- 124 dere Regelungen für den Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines Emittenten. Für die Taktung des Restrukturierungsprozesses in der Insolvenz ist dabei insbesondere von Bedeutung, dass das Insolvenzgericht nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG eine Gläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters einzuberufen hat, der die Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren – sofern er gewählt wird – ausschließlich wahrnimmt (§ 19 Abs. 3 SchVG). Die Frage, ob § 19 SchVG auch dann Anwendung findet, wenn die Anleihe- 125 bedingungen eines Emittenten keine Ermächtigung zur Anwendung des optionalen Organisationsrechts der §§ 5 ff. SchVG enthalten, wurde im Schrifttum bislang nur selten diskutiert und dabei überwiegend bejaht.110) Dem ist – trotz des Standorts der Regelung im „optionalen Gläubigerorgani- 126 sationsrecht“ der §§ 5 – 21 SchVG – zuzustimmen. Sinn und Zweck der Einberufung einer Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist es, den Anleihegläubigern die Möglichkeit zu bieten, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, der die Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren bündelt und somit zur effizienten Durchführung des Insolvenzverfahrens (insbesondere der Forderungsanmeldung) beiträgt. Dieser Effizienzgedanke gilt für sämtliche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und kann gerade nicht von einer Entscheidung des Emittenten hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 5 – 21 SchVG abhängen.111) ___________ 108) Weitergehend wird vertreten, dass auch ohne Ermächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG die Anleihegläubiger ex lege zu Mehrheitsentscheidungen im Hinblick auf (i) die Beschlussfassung nach § 5 Abs. 5 Satz 2 SchVG (Recht zur Entziehung der Wirkung einer Gesamtkündigung durch Mehrheitsbeschluss) sowie (ii) im Zusammenhang mit Beschlüssen betreffend einen Vertragsvertreter i. S. v. § 8 SchVG, vgl. Veranneman/ Veranneman, SchVG, § 5 Rn. 15; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 73. Diese – vertretbaren – Ausnahmen spielten indes in der bisherigen Praxis der Anleiherestrukturierung soweit ersichtlich keine Rolle. 109) Zur Regelung des § 19 SchVG eingehend Abschnitt C. III. 110) Vgl. Veranneman/Veranneman, SchVG, § 5 Rn. 15; Brenner, NZI 2014, 789, 790; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 73. Tendenziell auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 14. 111) Anders jüngst AG Hamburg (ZIP 2016, 2030, 2032 ff.), u. a. mit dem Argument, dass die Rechte der Anleihegläubiger bereits durch die insolvenzrechtliche Gläubigerversammlung hinreichend gewahrt seien.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
bb) Bestellung eines gemeinsamen Vertreters trotz fehlender Regelung in den Anleihebedingungen? 127 Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG können Anleihebedingungen vorsehen, dass die Gläubiger derselben Anleihe nach Maßgabe der §§ 5 ff. SchVG durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen und zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter für alle Anleihegläubiger bestellen. § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG unterscheidet somit zwischen zwei Arten von Befugnissen der Gläubiger.112) 128 Aufgrund dieser Differenzierung zwischen einem Mehrheitsbeschluss zur Änderung von Anleihebedingungen einerseits und der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters andererseits kann ein gemeinsamer Vertreter nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG grundsätzlich nicht bestellt werden, wenn Anleihebedingungen lediglich die Möglichkeit zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen vorsehen, nicht jedoch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zulassen. 129 In diesem Fall sprechen jedoch gute Gründe dafür, in der nicht vorgesehen Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreter in den Anleihebedingungen keine „Sperrwirkung“ dahingehend anzunehmen, dass nicht durch Mehrheitsbeschluss eine Änderung der Anleihebedingungen dergestalt erfolgen kann, dass künftig die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SchVG zugelassen wird. 5. Möglichkeiten der Erweiterung des Anwendungsbereiches aus Alt-Anleihen gemäß § 24 Abs. 2 SchVG 130 § 24 Abs. 2 SchVG ermöglicht es Gläubigern von Schuldverschreibungen, die vor dem 5.8.2009 ausgegeben wurden, das SchVG mittels Opt-In-Beschluss zur Anwendung zu bringen. 131 Voraussetzung ist – neben der Erfüllung nachstehender materieller Anforderungen – (i) ein Beschluss der Gläubiger mit qualifizierter Mehrheit und (ii) die entsprechende Zustimmung des Schuldners (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 1 SchVG).113) a) Materielle Anforderungen an die Altanleihe 132 Zusätzlich muss die Altanleihe die Kriterien des § 1 Abs. 1 SchVG erfüllen, d. h. deutschem Recht unterliegen und sich aus inhaltsgleichen Schuldverschreibungen zusammensetzen.114) Dies hat der BGH in seiner Entscheidung ___________ 112) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 15. 113) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG) § 24 Rn. 5. 114) Vgl. aus dem Schrifttum Hartwig-Jacob/Friedl in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 24 Rn. 13; Baums/Schmidtbleicher, ZIP 2012, 204, 206; Keller, BKR 2012, 15, 17; Paulus, WM 2012, 1109, 1112; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 24 Rn. 6; a. A. Leber, S. 146 ff.
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II. Anwendungsvoraussetzungen des SchVG
vom 1.7.2014 ausdrücklich festgestellt und die restriktive Rechtsprechung des OLG Frankfurt verworfen.115) Das OLG Frankfurt hatte mit einem Beschluss vom 27.3.2012 entschieden, 133 dass das SchVG nach § 24 Abs. 2 SchVG nur für solche (Alt-)Schuldverschreibungen zur Anwendung gebracht werden kann, für die (i) bislang das SchVerschrG galt oder (ii) anderweitig in den Anleihebedingungen die Zulässigkeit einer Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger geregelt war.116) Dies hatte zur Folge, dass Anleihen von Emittenten, die ihren Sitz im Ausland hatten, praktisch nicht für das SchVG optieren konnten. Es bleibt zu hoffen, dass diese sehr restriktive Sichtweise des OLG Frankfurt 134 – die im herrschenden Schrifttum auf erhebliche Kritik stieß117) – vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH auch von diesem grundsätzlich aufgegeben wird. Ob dies der Fall sein wird, bleibt für die Praxis abzuwarten. Das OLG 135 Frankfurt hat schließlich für alle Altanleihen ausländischer Schuldner im – für die Restrukturierungspraxis enorm bedeutenden – Freigabeverfahren (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a AktG)118) eine Monopolkompetenz als Eingangs- und Letztinstanz.119) b) Möglichkeit der Verknüpfung des Opt-In-Beschlusses mit weiteren Beschlüssen? Soll ein Opt-In-Beschluss nach Maßgabe von § 24 Abs. 2 SchVG gefasst wer- 136 den, ist in einem zeitkritischen Restrukturierungsprozess zumeist beabsichtigt, die materiellen Vorschriften des SchVG unmittelbar zur Anwendung zu bringen um notwendige Sanierungsbeschlüsse (etwa zur Änderung der Anleihebedingungen) herbeizuführen. Zwar sind der Opt-In-Beschluss und die darauf aufbauenden Sanierungsbe- 137 schlüsse formell getrennte Beschlüsse,120) dies hindert jedoch nach allgemeiner Meinung im Schrifttum nicht, einen Opt-In-Beschluss nach § 24 Abs. 2 SchVG und sich daran anschließenden Beschlüsse nach dem SchVG in der___________ 115) BGH ZIP 2014, 1876, dazu EWiR 2014, 611 (Müller-Eising). In diese Richtung bereits OLG Schleswig ZIP 2014, 221. Zuletzt bestätigt durch BGH ZIP 2015, 473, 474, dazu EWiR 2015, 239 (Just/Maiwald). 116) OLG Frankfurt ZIP 2012, 725. 117) Vgl. etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 24 Rn. 8; Friedl, BB 2012, 1309; Lürken, GWR 2012, 227; Paulus, EWiR 2012, 259 f. 118) Siehe hierzu eingehend Rn. 463 ff. 119) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 24 Rn. 8. 120) Vgl. statt vieler Hartwig-Jacob/Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 24 Rn. 22.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
selben Gläubigerversammlung zu fassen.121) Dabei wird teils die Intention des Gesetzgebers, die Gläubigerversammlung möglichst rasch und ohne unnötigen organisatorischen Aufwand in die Lage zu versetzen, Entscheidungen von großer finanzieller Tragweite treffen zu können, zur Begründung angeführt. 138 Zutreffend wird jedoch angenommen, dass die Wirksamkeit der Ausführungsbeschlüsse (d. h. beschlossene Änderungen der Anleihebedingungen und/oder die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters) erst dann eintreten kann, nachdem der Grundlagenbeschluss, d. h. der Opt-In-Beschluss nach § 24 Abs. 2 SchVG, vollends wirksam geworden ist. Dies bedeutet, dass der Beschluss über die Änderung von Anleihebedingungen bzw. über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unter den Vorbehalt gestellt werden muss, dass der Opt-In-Beschluss vollzogen ist.122) III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG 139 Nach § 4 Satz 1 SchVG können Anleihebedingungen nur durch einen gleichlautenden Vertrag des Schuldners mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2 des SchVG (Beschlüsse der Gläubiger) geändert werden. 140 Wie bereits skizziert, enthalten die §§ 5 – 21 SchVG Vorschriften zur Änderung der Anleihebedingungen durch Beschlussfassungen der Anleihegläubiger. Zu Recht werden diese Vorschriften als „Kernregeln“ des Schuldverschreibungsrechts qualifiziert, da die in § 4 SchVG aufgezeigte Alternative eines gleichlautenden Vertrags mit allen Gläubigern bei einer publikumsplatzierten Anleihe nicht gangbar ist. 141 Innerhalb des 2. Abschnitts ist § 5 SchVG die Zentralnorm, in der die materiellen Vorschriften zu den Befugnissen der Gläubigermehrheit enthalten sind. 142 Die Änderung der Anleihebedingungen kann nicht einseitig durch einen Mehrheitsbeschluss der Gläubiger erfolgen, sondern bedarf zwingend einer korres-
___________ 121) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 24 Rn. 13; Hartwig-Jacob/Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 24 Rn. 28; Otto, DNotZ 2012, 809; Kusserow, WM 2011, 1645, 1647. Zur Frage, ob die Beschlussfassungen in einem Abstimmungsverfahren zur Beschlussfassung gestellt werden können oder ob zwei getrennte Abstimmungsverfahren zu initiieren sind vgl. eingehend Hartwig-Jacob/Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 24 Rn. 23 ff. 122) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 24 Rn. 13; a. A. etwa Hartwig-Jacob/Friedl in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 24 Rn. 30, der von einer Wirksamkeit des Opt-In-Beschlusses unmittelbar mit der Fassung des Beschlusses ausgeht (und nicht erst mit Umsetzung des Beschlusses in der Urkunde i. S. v. § 2 Satz 3 SchVG). Hartwig-Jacob/Friedl fordern jedoch gleichsam, dass der Beschluss weder von Anfang an nichtig noch durch Anfechtungsurteil für nichtig erklärt worden ist.
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III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG
pondierenden Willenserklärung des Emittenten.123) Keiner Zustimmung des Emittenten bedarf hingegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters.124) 1. Materielle Anforderungen an Mehrheitsbeschlüsse Für den Fall, dass der Emittent von der Ermächtigung zur Anwendung der 143 §§ 5 – 21 SchVG Gebrauch gemacht hat, ergeben sich aus § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 SchVG sowie § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG die weiteren (materiellen) Mindestanforderungen an die Mehrheitsbeschlüsse. 125) Diese sind neben den Verfahrensvoraussetzungen der §§ 9 – 17 SchVG einzuhalten.126) a) Verbot der Verpflichtung zur Leistung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG) Den Anleihegläubigern darf nach § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG nicht mittels Mehr- 144 heitsbeschluss eine Verpflichtung zur Leistung auferlegt werden. Diese Regelung entspricht dem Grundverständnis von Finanzanlagen; danach haben Anleihegläubiger als Fremdkapitalgeber ggf. zwar Kapitalverluste zu tragen, sie übernehmen aber keine weiteren (Leistungs-)Pflichten, insbesondere keine Nachschusspflichten.127) Das Verbot der Begründung von Leistungspflichten durch Mehrheitsbeschluss 145 ist nach zutreffendem Verständnis jedoch einschränkend dahingehend zu verstehen, dass lediglich einseitige finanzielle Verpflichtungen hiervon erfasst werden. Speziell werden die in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG vorgesehenen Maßnahmen, die Umwandlung bzw. der Umtausch der Anleihe in andere Rechte, nicht vom Verbot der Verpflichtung zur Leistung erfasst. Praktisch ist vor allem festzuhalten, dass die beim Umtausch der Anleihe in 146 Anteile der Gesellschaft entstehenden (gesetzlichen) Folgepflichten dieser ___________ 123) BGH ZIP 2015, 473, 477, dazu EWiR 2015, 239 (Just/Maiwald). Vgl. etwa Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 77; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911. Zur Ausgestaltung der Zustimmungserklärung vgl. Hartwig-Jacob/Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 21. 124) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 74. 125) Zur Fragestellung, inwiefern Beschlüsse der Gläubigerversammlung einer weiteren Beschlusskontrolle im Hinblick auf materielle Anforderungen unterliegen siehe Rn. 429 f. 126) Keine materielle Anforderung betreffend Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger normiert § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG. Danach müssen in Anleihebedingungen die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen des SchVG eingehalten werden, sofern der Emittent von der Ermächtigung des § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG Gebrauch gemacht hat. Abweichungen in Anleihebedingungen zu Lasten der Anleihegläubiger sind nur dann zulässig, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Eine solche zulässige Abweichung zulasten der Gläubiger stellt die Regelung in § 5 Abs. 6 Satz 2 SchVG, wonach die doppelte Möglichkeit zur Abstimmung in einer Präsenzversammlung und in einem Verfahren ohne Abstimmung auf eine dieser Alternativen beschränkt werden kann, siehe hierzu Preuße/ Vogel, SchVG, § 5 Rn. 17 bei Fn. 25. 127) Vgl. etwa Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 20; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 64.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
Umwandlung, wie etwa die (etwaige) Differenzhaftung, keinen Verstoß gegen das Verbot der Verpflichtung zur Leistung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG begründen.128) b) Gleichbehandlungsgebot (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG) 147 Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger müssen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG für alle Gläubiger gleiche Bedingungen vorsehen. Ein Beschluss, der dieses Gebot nicht wahrt, ist unwirksam. 129) 148 Die Unwirksamkeit hängt nicht von der Anfechtung des Beschlusses ab. 130) Eine aufgrund eines solchen Beschlusses erfolgte Änderung der Anleihebedingungen, die eine Ungleichbehandlung der Anleihegläubiger vorsieht, kann nicht – auch nicht bei formell ordnungsgemäßem Vollzug nach Maßgabe von § 21 SchVG – wirksam werden. 131) 149 Das SchVG kennt zum Verbot der Ungleichbehandlung durch Mehrheitsbeschluss eine Ausnahme, und zwar, wenn die benachteiligten Gläubiger ihrer Benachteiligung ausdrücklich zustimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG).132) Eine individuelle Zustimmung zur Benachteiligung wird bei einer publikumsplatzierten Unternehmensanleihe i. d. R. ausscheiden. 2. Beschlussgegenstände nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 10 SchVG 150 § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG zählt eine Reihe von Restrukturierungsmaßnahmen auf, denen die Gläubiger mittels Mehrheitsbeschluss zustimmen können. Die Aufzählung ist dabei eine Konkretisierung der in § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG abstrakt beschriebenen Befugnis der Gläubiger zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen und soll insbesondere der Klarstellung dienen.133) 151 Dementsprechend sind die Regelungen in § 5 Abs. 3 SchVG auch nur eine beispielhafte Aufzählung („insbesondere“, vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG) typischer Restrukturierungsmaßnahmen, die dem Emittenten – sofern dieser für eine Änderung der Anleihebedingungen qua Mehrheitsbeschluss nach § 5
___________ 128) Vgl. etwa Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 22; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 65; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 30. 129) BGH ZIP 2014, 1876, 1878 f., dazu EWiR 2014, 611 (Müller-Eising); eingehend zum Gleichbehandlungsbehandlungsgebot Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 4 Rn. 58 ff. 130) BGH ZIP 2014, 1876, 1878 f. 131) BGH ZIP 2014, 1876, 1879. 132) Vgl. hierzu BGH ZIP 2014, 1876, 1879. 133) Vgl. RegE, BT-Drucks. 16/12814, S. 18; Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 34.
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III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG
Abs. 1 Satz 1 SchVG optiert hat – ein „umfassendes Restrukturierungsprogramm“ an die Hand geben.134) a) Veränderung der Fälligkeit von Zinsen sowie der Hauptforderung Ein Instrument im Rahmen einer Anleiherestrukturierung ist die Verände- 152 rung der Fälligkeit von Zahlungen. Es besteht sowohl die Möglichkeit, die Fälligkeit von Zinsen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 SchVG) als auch die Fälligkeit der Hauptforderung, d. h. dem Anspruch auf Zahlung des Anleihenennbetrags am Ende der Laufzeit der Anleihe (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 SchVG), zu ändern. In Restrukturierungssituationen wird dabei zumeist die Veränderung der 153 Fälligkeit der Hauptforderung seitens des Emittenten vorgeschlagen. In der Regel wird diese als Stundung beschlossen werden, so dass die Fälligkeit der Hauptforderung hinausgeschoben und so eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit beseitigt wird.135) Die Tatsache, dass eine Stundung der Hauptforderung (in Kombination ggf. 154 mit einer Reduzierung des Zinssatzes) häufig angestoßen wird, mag insbesondere mit der Tatsache zusammenhängen, dass ein solches Hinausschieben der Fälligkeit im Vergleich etwa zu einem (Teil-)Verzicht auf Gläubigerrechte Anleihegläubigern als „geringeres Übel“ erscheint und daher die Akzeptanz eines entsprechenden Restrukturierungskonzepts hoch sein dürfte. Die Veränderung der Fälligkeit von Zahlungen ist dabei jedenfalls während 155 der Laufzeit der Anleihe und ohne Zeitbeschränkung möglich.136) Dies ergibt sich bereits aus § 4 Satz 1 SchVG, wonach Änderungen der Anleihebedingungen während der Laufzeit einer Anleihe nach Abschnitt 2 des Schuldverschreibungsgesetzes geändert werden können. Der BGH geht sogar noch über den Wortlaut des § 4 SchVG hinaus und 156 lässt eine Laufzeitverlängerung der Anleihe auch dann zu, wenn diese bereits fällig geworden ist.137) Dieses (extensive) Verständnis ist trotz des Wortlauts des § 4 Satz 1 SchVG zutreffend. Der Gesetzgeber wollte mit dem neuen Schuldverschreibungsrecht dem Emittenten ein hinreichendes Restrukturierungsinstrumentarium an die Hand geben. Diesem Grundkonzept würde es widersprechen, wenn man Emittent und Anleihegläubigern das Recht verwehrt, Zinszahlungen oder auch die (Rück-)Zahlung der Hauptforderung nicht auch nach Fälligwerden der Forderung(en) zu stunden. ___________ 134) Begriff bei Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 29. 135) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 37 auch zur Stundung der Hauptforderung auf unbestimmte Zeit sowie der damit einhergehende Rechte der Gläubiger nach §§ 316, 315 BGB. 136) Vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 31. 137) BGH ZIP 2014, 1876 ff., dazu EWiR 2014, 611 (Müller-Eising).
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B. Anleihen in der Restrukturierung
b) Verringerung von Hauptforderung und/oder Zinsforderung(en) 157 Neben der Veränderung der Fälligkeit bzw. der Stundung von Haupt- und/ oder Zinsforderungen sieht das SchVG in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchVG die Möglichkeit der Verringerung der Hauptforderung (sog. „Haircut“) bzw. in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SchVG die Verringerung von Zinsforderungen vor. 158 Zu beachten ist dabei, dass nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchVG lediglich ein teilweiser Verzicht auf die Hauptforderung herbeigeführt werden kann. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift in der Zusammenschau mit § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SchVG, nach dem ein vollständiger Verzicht auf Zinszahlungen beschlossen werden kann. 159 Trotz Ausgestaltung als Regelbeispiel in § 5 Abs. 3 Nr. 1 – 10 SchVG wird damit deutlich, dass jedenfalls ein Totalverzicht auf die Hauptforderung nicht möglich sein soll. Insofern kann darin eine dem SchVG immanente Grenze hinsichtlich des Beschlussumfangs gesehen werden, dessen Verstoß richtigerweise eine Anfechtbarkeit nach § 20 SchVG nach sich zieht.138) Nichtig ist der Beschluss jedoch nach zutreffendem Verständnis auch in diesem Fall nicht. 160 Zulässig bleibt jedoch eine Verringerung der Hauptforderung auf einen geringeren Nennbetrag. Im Schrifttum wird die Zulässigkeit der Verringerung der Hauptforderung auf einen Nennbetrag „nahe null“ für zulässig erachtet;139) hinsichtlich der Grenze, wann eine Verringerung der Hauptforderung „nahe null“ vorliegt, bestehen weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung klare Grenzen. 161 Denkbarer Ansatzpunkt für eine zulässige Verringerung könnte eine hypothetische Insolvenzquote sein. Eine unzulässig hohe Verringerung der Hauptforderungen wäre danach dann zu bejahen, wenn die Anleiheforderung auf einen niedrigeren Wert herabgesetzt würde, als der Anleihegläubiger in einem hypothetischen Insolvenzszenario auf seine Anleihe erhalten würde. 162 Eine „reine“ Verringerung der Hauptforderung ist in der Restrukturierungspraxis selten und in der Regel nicht erfolgversprechend, da zumeist der Wunsch der Anleihegläubiger besteht, für den (Teil-)Forderungsverzicht ins Eigenkapital zu wechseln, um im Falle einer Sanierung an der Gesundung des Unternehmens zu partizipieren.140) Dementsprechend werden Forderungsverzichte, insbesondere bei Anleihen börsennotierter Aktiengesellschaften, ___________ 138) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 40. 139) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 40; vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 44. 140) Denkbar ist auch, insbesondere bei nicht börsennotierten Gesellschaften, als Gegenleistung für den Verzicht den Anleihegläubigern einen Besserungsschein für den Fall der wirtschaftlichen Gesundung des Emittenten zuzugestehen, vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 33; Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 40.
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III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG
regelmäßig als Umwandlung (von Teilen) der Anleihe in Eigenkapital ausgestaltet. c) Zinsausschluss Im Gegensatz zum Totalverzicht auf die Hauptforderung können Gläubiger 163 einen Ausschluss auf Zinszahlungen beschließen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 SchVG), und zwar gleichgültig, ob ein solcher Ausschluss permanenter Natur bis zum Ende der Laufzeit der Anleihe oder lediglich vorübergehender Natur (etwa in Form einer Aussetzung von Zinszahlungen für eine Zinsperiode) ist. In der bisherigen Restrukturierungspraxis spielte der (künftige) Ausschluss 164 von Zinsen keine entscheidende Rolle. Vielmehr wird häufiger die Stundung von Zinsen bzw. die Reduzierung künftiger Zinssätze beschlossen. d) Nachrang der Anleiheforderungen Auch können Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss nach Maßgabe des 165 § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SchVG beschließen, dass ihre Forderungen im Falle eines Insolvenzverfahrens nach § 39 Abs. 2 InsO im Rang hinter die Forderungen von Insolvenzgläubigern und nachrangigen Insolvenzgläubigern nach § 39 Abs. 1 InsO zurücktreten. Eine solche Nachrangabrede hat für den Emittenten den Vorteil, dass die Forderungen aus der Anleihe für die Beurteilung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung im Sinne der InsO unberücksichtigt bleiben. Entgegen teilweise vertretener Ansicht141) zeigt die Praxis, dass die Beschluss- 166 fassung über einen (nachträglichen) Nachrang, jedenfalls bei publikumsplatzierten Anleihen, bislang kein gängiges Restrukturierungsinstrument geworden ist. Dies mag insbesondere bei publikumsplatzierten Anleihen daran liegen, dass bei zumeist ohnehin finanziell angeschlagenen Unternehmen ein solcher Nachrang gegenüber den Anleihegläubigern kaum „verkaufsfähig“ ist und davor zurückschrecken lässt, einen Nachrang der Anleihe als Restrukturierungsmaßnahme vorzuschlagen. e) Austausch und Freigabe von Sicherheiten Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SchVG ist es Anleihegläubigern möglich, qua 167 Mehrheitsbeschluss den Austausch oder die Freigabe von Sicherheiten zu beschließen. Entsprechende Maßnahmen kommen vor allem in Konstellationen in Betracht, in denen die Muttergesellschaft oder operative Gesellschaften im Konzernverbund Garantiegeber einer ausländischen Finanzierungstochter sind, ___________ 141) Vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 33; Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 40.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
die als Anleiheemittent fungiert.142) Im Fall von Änderungen der Garantieabrede muss für diesen Beschluss nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SchVG eine Einbeziehung der Garantin nach § 22 SchVG hinsichtlich der Regelungen der §§ 5 – 21 SchVG erfolgt sein. 143) 168 Neben Garantien ist als Sicherheit überdies auch die Einräumung (bzw. Freigabe) von Realsicherheiten denkbar. Im Falle der Anleiheemission seitens Immobiliengesellschaften kommt etwa die Bestellung von Grundschulden (über einen Sicherheitentreuhänder) in Betracht.144) In der bisherigen Praxis der Anleiherestrukturierung spielte eine Beschlussfassung über den Austausch und die Freigabe von Sicherheiten, soweit ersichtlich, noch keine nennenswerte Rolle. 169 Der Austausch und der Freigabe von Sicherheiten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SchVG ist zu trennen von dem sachverwandten Verzicht auf schuldrechtliche Abreden zwischen den Parteien – etwa hinsichtlich Finanzkennzahlen (Financial Covenants). 170 Sie finden sich in Anleihebedingungen etwa in Form von Negativerklärungen, in denen seitens des Emittenten versichert wird, dass künftigen Gläubigern keine Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden oder zumindest vor der Gewährung von Sicherheiten den Anleihegläubigern wenigstens gleichwertige Sicherheiten angeboten werden. Nach zutreffender Ansicht sind solche schuldrechtlichen Abreden nicht als Sicherheiten i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SchVG zu qualifizieren, sondern als Nebenbestimmungen i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG.145)
___________ 142) 143) 144) 145)
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Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 67. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 67. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 67. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 68; Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 86; a. A. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 38, der diese Abreden als Sicherheiten qualifiziert. Für die Praxis sollte sich hieraus kein Unterschied ergeben, da die Änderung entsprechender Bestimmungen – auch wenn sie als Nebenbestimmungen i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG zu qualifizieren sind – nach im Schrifttum vertretener Auffassung als „wesentliche Änderungen“ i. S. d. § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG anzusehen sind, so dass auch für den Beschluss über die Änderung entsprechender schuldrechtlicher Vereinbarungen die Anforderungen für die Beschlussmehrheit (mindestens 75 % der teilnehmenden Stimmrechte) sowie die Beschlussquoren (50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen in der ersten Gläubigerversammlung; 25 % der ausstehenden Schuldverschreibungen in einer evtl. zweiten Gläubigerversammlung) gelten, vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 68 sowie Rn. 83 ff. Die Zugrundelegung eines anderen Ergebnisses, d. h. dass Ausreichenlassen einer einfachen Mehrheit bei jeglichen Nebenbestimmungen i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG, kann mangels einschlägiger Rechtsprechung einem Restrukturierungsprozess de lege lata nicht zugrunde gelegt werden (so jedoch Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 52). Siehe auch sogleich Rn. 181 ff.
III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG
f) Änderung der Währung Kein genuines Sanierungsinstrument, sondern vielmehr eine weitere Mög- 171 lichkeit der Anpassung von Anleihebedingungen ist die Möglichkeit zur Änderung der Währung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 SchVG. Diese Regelungsmöglichkeit ist angelehnt an die in Anleihebedingungen internationaler Anleihen übliche Mehrheitsklausel.146) Für Unternehmensanleihen eines inländischen Emittenten dürfte diese Änderungsmöglichkeit keine Relevanz entfalten. g) Verzicht auf Kündigungsrechte (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG) Auch ist es nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG möglich, durch Mehrheitsbe- 172 schluss auf Kündigungsrechte zu verzichten oder diese gegenständlich zu beschränken. Diese Möglichkeit ist in der Praxis von erheblicher Relevanz, da in Sanierungssituationen Anleihegläubiger häufig versuchen, die von ihnen gehaltenen Anleihestücke nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften oder durch vertraglich eingeräumte Kündigungsrechte zu kündigen und den Nennwert der von ihnen gehaltenen Anleihestücke zu fordern. § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG stellt klar, dass eine nachträgliche Beschrän- 173 kung des Kündigungsrechts durch Mehrheitsbeschluss möglich ist. Entgegen teilweise vertretener Ansicht beschränkt sich die Möglichkeit der Anleihegläubiger, auf Kündigungsrechte qua Mehrheitsbeschluss zu verzichten, richtigerweise nicht auf den Verzicht auf vertraglich eingeräumte Kündigungsrechte.147) Vielmehr sollte es den Anleihegläubigern unbenommen sein, auch auf gesetz- 174 liche Kündigungsrechte, sofern man diese für anwendbar erachtet, zu verzichten. Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG differenziert gerade nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Kündigungsrechten. Eine Differenzierung zwischen vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechten würde auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen; so könnte der bloße Ausschluss vertraglicher Kündigungsrechte dazu führen, dass Anleihegläubiger nach positiver, für alle Gläubiger verbindlicher Beschlussfassung der Anleihegläubiger versuchen, auf der Basis vermeintlich zustehender gesetzlicher Kündigungsrechte sich einer Restrukturierung zu entziehen.148) Zu beachten ist, dass Financial Covenants (ebenso wie z. B. Drittverzugs- 175 klauseln) oftmals als Kündigungsrechte zugunsten der Anleihegläubiger ausgestaltet sind. Der Verzicht auf entsprechende Kündigungsrechte durch einen Gläubigerbeschluss ist nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 SchVG na___________ 146) Vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 39. 147) In diese Richtung jedoch Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 72. 148) Vgl. OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176 ff., dazu EWiR 2014, 771 (Just).
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B. Anleihen in der Restrukturierung
turgemäß zulässig. Ein entsprechender Beschluss entfaltet nach (insoweit zutreffender) Ansicht des OLG Frankfurt bereits ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung – und nicht erst ab Vollzug nach Maßgabe des § 21 SchVG – verbindliche Wirkung.149) h) Schuldnerersetzung (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 SchVG) 176 In den Anleihebedingungen selbst finden sich häufig Ersetzungsklauseln, mit denen ein in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 SchVG vorgesehener Schuldnerwechsel bereits in die ursprünglichen Anleihebedingungen implementiert wird, etwa die Ersetzung durch eine andere Konzerngesellschaft, soweit die Muttergesellschaft als Garantin fungiert. Entsprechende Klauseln, in denen eine solche Schuldnerersetzung auch ohne Mehrheitsbeschluss umgesetzt werden kann, sind unbedenklich und marktüblich. 150) 177 Gleichwohl ist es Anleihegläubigern nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 SchVG möglich, eine Ersetzung des Anleiheschuldners auch zu beschließen. Als oftmals bereits in den Anleihebedingungen vorgezeichnete Gründe für einen Schuldnerwechsel kommen z. B. Änderungen in der steuerlichen Gesetzgebung des Emittenten oder generelle Umstrukturierungen im Konzern, dem der Emittent angehört, in Betracht.151) Theoretisch denkbar ist auch eine Beschlussfassung, die eine Ersetzung durch einen (neuen) Schuldner außerhalb des Konzernverbunds vorsieht. In der Restrukturierungspraxis spielte eine solche Vorgehensweise bislang gleichwohl keine Rolle. i) Änderung oder Aufhebung von Nebenbestimmungen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG) 178 Ebenso können in den Anleihebedingungen die Gläubiger gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG ermächtigt werden, jegliche Art von Nebenbestimmungen durch Mehrheitsbeschluss in den Anleihebedingungen zu ändern. Unter den Begriff der Nebenbestimmungen fallen insbesondere genuine Nebenverpflichtungen des Emittenten, d. h. alle vom Emittenten in den Anleihebedingungen übernommenen Handlungs- oder Unterlassungspflichten, die nicht Zahlungs- oder Lieferpflichten sind.152) 179 Für die Praxis von Relevanz ist dabei die Abgrenzung von vertraglichen Nebenbestimmungen gegenüber den Beschlussgegenständen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 9 SchVG. Dies gilt deshalb, da Beschlussgegenstände nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 9 SchVG (i) einer qualifizierten Mehrheit i. S. v. § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG bedürfen und (ii) eben diese Beschlussgegenstände in einer sog. zweiten Gläubigerversammlung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 ___________ 149) 150) 151) 152)
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Vgl. OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176, 2180, dazu EWiR 2014, 771 (Just). Vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 73. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 73. Vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 47.
III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG
SchVG einem Beschlussquorum von 25 % der ausstehenden Schuldverschreibungen unterliegen, während Beschlussgegenstände nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG grundsätzlich (i) der einfachen Beschlussmehrheit nach § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG sowie (ii) keinem Beschlussquorum in einer zweiten Versammlung (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 SchVG) unterliegen. Im Schrifttum ist umstritten, ob die Einordnung einer Bestimmung unter § 5 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SchVG zur Folge hat, dass all jene Nebenbestimmungen stets mit grundsätzlich einfacher Mehrheit i. S. d. § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG (bzw. ohne Beschlussquorum in einer zweiten Gläubigerversammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SchVG) beschlossen werden können.153) Richtigerweise wird man nicht davon ausgehen können, dass die Änderung 181 von Nebenbestimmungen stets mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Speziell kann der Wortlaut des § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG keine abschließende Klärung herbeiführen, da dieser zwischen (i) normierten Fällen der qualifizierten Mehrheit, namentlich die Regelbeispiele in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 9 SchVG, und (ii) sonstigen „wesentlichen Änderungen“ der Anleihebedingungen unterscheidet und beide Fälle einem qualifizierten Mehrheitserfordernis unterwirft.154) Festzustellen ist, dass es Nebenbestimmungen gibt – wie etwa die aufgezeig- 182 ten Financial Covenants, deren Verletzung oftmals auch vertragliche Kündigungsrechte begründen – die offensichtlich „wesentlich“ sind. Insofern wird zutreffend festgestellt, dass die Änderung entsprechender Covenants in vielerlei Hinsicht ähnliche Folgen haben wie eine Änderung der Anleihebedingungen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 4, 6 und 8 SchVG.155) Aber auch Nebenbestimmungen, die in keinem Verhältnis zu den Regelbeispielen in § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 9 SchVG stehen, können „wesentliche Änderungen“ der Anleihebedingungen darstellen; dies gilt etwa, wenn die Anleihebedingungen im Hinblick auf das geltende Abstimmungsverfahren geändert werden sollen (etwa von einer Abstimmung ohne Versammlung nach § 18 SchVG hin zu einer Gläubigerversammlung nach Maßgabe der §§ 9 ff. SchVG). Letztlich dürften die vorgesehenen Änderungen von Nebenbestimmungen in 183 einem Sanierungsprozess – z. B. die Abänderung von Financial Covenants – typischerweise „wesentliche Änderungen“ darstellen, so dass im Restrukturierungsprozess von der Geltung qualifizierter Beschlussmehrheiten (bzw. – quoren in einer zweiten Versammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SchVG) ausgegangen werden sollte.
___________ 153) In diesem Sinne etwa Preuße/Vogel, SchVG, § 5 Rn. 52. a. A. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 86. 154) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 73. 155) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 88.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
3. Insbesondere: Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital 184 Neben den dargestellten Restrukturierungsmöglichkeiten sieht das SchVG auch die Umwandlung bzw. den Umtausch von Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile („Debt-to-Equity-Swap“) bzw. andere Wertpapiere vor, § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG. a) Kein unmittelbarer Debt-to-Equity-Swap 185 Die Gestaltungsmöglichkeiten zur Umsetzung eines Debt-to-Equity-Swaps sind nach dem SchVG offen gehalten; gleichwohl verbietet sich de lege lata in Fällen, in denen ein Debt-to-Equity-Swap in Betracht kommt (insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften), eine echte, unmittelbare Umwandlung von Anleihen in Gesellschaftsanteile.156) 186 Einem unmittelbaren Debt-to-Equity-Swap, in denen Anleiheinhaber unmittelbar Gesellschafter werden, stehen insbesondere drei Gründe entgegen: 187 (1) Zunächst äußern gewichtige Stimmen verfassungsrechtliche Bedenken an der mit einem unmittelbaren Debt-to-Equity-Swap einhergehenden Zwangsvergesellschaftung im Hinblick auf die in Art. 9 Abs. 1 GG als Grundrecht verankerte negative Vereinigungsfreiheit.157) Diesen verfassungsrechtlichen Bedenken soll hier nicht nachgegangen werden, da sich de lege lata ein unmittelbarer Debt-to-Equity-Swap sowohl aus prospektrechtlichen wie auch kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungen verbietet. 188 (2) Prospektrechtlich ist de lega lata von einem prospektauslösenden, öffentlichen Angebot i. S. d. § 2 Nr. 4 WpPG bereits bei Veröffentlichung der Einladung zur (ersten, vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG) Anleihegläubigerversammlung, die über den Beschlussvorschlag der Gesellschaft über den Umtausch der Schuldverschreibungen in neue Aktien beschließen soll, auszugehen. Die Erstellung eines solchen Prospekts während eines laufenden Restrukturierungsprozesses ist indes kaum realisierbar.158) 189 (3) Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass ein unmittelbarer Debt-toEquity-Swap, bei dem die Anleiheinhaber im Rahmen der notwendigen Sachkapitalerhöhung unmittelbar ihre Anleiheforderungen in die Gesellschaft einbringen, bei der Restrukturierung von publikumsplatzierten Anleihen einer Aktiengesellschaft zu kapitalgesellschaftsrechtlichen Friktionen führt. Beispielsweise ist bei börsennotierten Anleihen mit ggf. zigtausenden Gläubi___________ 156) Anders ist dies im Fall der durch die Aktienrechtsnovelle 2016 (BT-Drucks. 18/4349, S. 27 ff.) als zukünftiges Sanierungsinstrument des Emittenten eingeführten umgekehrten Wandelschuldverschreibung, der sog. „Dept Equity Swap auf Vorrat“, vgl. hierzu näher Möhlenkamp/Harder, ZIP 2016, 1093. 157) Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 44 ff. Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 57 ff. 158) Vgl. Schneider, AG 2016, 341, 345. Siehe auch Rn. 389.
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III. Restrukturierungsmöglichkeiten nach dem SchVG
gern die Voraussetzung des § 183 AktG, der unter anderem die Nennung des Sacheinlegers fordert, kaum realisierbar. b) Lösung de lege lata: Einräumung von Erwerbsrechten Zur Lösung der vorgenannten Probleme hat sich die Einräumung von Er- 190 werbsrechten auf (neue) Aktien und die Einschaltung einer Abwicklungsstelle – in der Regel ein inländisches Kreditinstitut – herausgebildet. Bei einem Debt-to-Equity-Swap und einem diesbezüglichem Beschluss stimmen 191 die Anleihegläubiger zunächst der Übertragung ihrer Anleihen (typischerweise unter der aufschiebenden Bedingung der Vollziehbarkeit des Beschlusses nach § 21 SchVG sowie der Vollziehbarkeit der von der Hauptversammlung beschlossenen Kapitalmaßnahmen) auf eine Abwicklungsstelle zu, die – aufschiebend bedingt – zur Inhaberin sämtlicher Anleihestücke wird und diese dann bei Durchführung der Sachkapitalerhöhung in die Schuldnerin einbringt.159) Für die Übertragung ihrer Anleihestücke werden den Anleihegläubigern Er- 192 werbsrechte eingeräumt, aufgrund derer sie während der Erwerbsfrist – in der Regel zeitnah nach Vollziehbarkeit der Restrukturierungsbeschlüsse der Anleihegläubiger sowie der Beschlüsse zu den Kapitalmaßnahmen – für einen Erwerb von Aktien optieren können. Optieren Anleihegläubiger für den Erwerb der Aktien, werden diese seitens der Abwicklungsstelle, die die neuen Aktien zeichnet, auf die Anleihegläubiger übertragen. Entscheiden sich Anleihegläubiger gegen den Erwerb der Aktien und üben dementsprechend ihr Erwerbsrecht nicht aus, werden die nicht erworbenen Aktien seitens der Abwicklungsstelle (bestmöglich) veräußert und der Erlös den entsprechenden Anleihegläubigern zugebucht. Eine solche Lösung über die Einräumung von Erwerbsrechten – zusätzlich 193 zur Einschaltung einer Abwicklungsstelle, die als Sacheinleger fungiert – hat sich in der Praxis bewährt und ist von der Rechtsprechung bislang unbeanstandet geblieben.160) Auf diesem Wege werden eventuelle verfassungsrechtliche Implikationen um- 194 gangen, da auch der nicht abstimmende bzw. dissentierende Anleihegläubiger ___________ 159) Alternativ käme in Betracht, auf Seiten des Emittenten die Ausgabe von Optionsund/oder Wandelschuldverschreibungen – unter Ausschluss des Bezugsrechts der Gesellschafter des Emittenten und bei gleichzeitiger Schaffung eines bedingten Kapitals – zu beschließen. Die Options- und/oder Wandelschuldverschreibungen selbst könnten wiederum die bestehende Anleihe ersetzen und ggfs. im Tausch gegen die bestehende Anleihe ausgegeben werden. Auch auf diesem Wege würde kein unmittelbarer Debtto-Equity-Swap vollzogen, sondern vielmehr ein „Swap höherer Stufe“, und zwar in Form eines sog. „dualistischen“ Debt-to-Debt- und Debt-to-Equity-Swap, vgl. dazu sogleich unter Rn. 209 und die Fallkonstellation bei SINGULUS TECHNOLOGIES AG, bekannt gemacht im Bundesanzeiger vom 24.4.2015. 160) Vgl. OLG Köln ZIP 2014, 268 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
die individuelle Entscheidung darüber behält, ob er Gesellschafter wird oder nicht. Die prospektrechtlichen Implikationen werden ebenfalls abgeschwächt, da erst zum Zeitpunkt des Beginns der Erwerbsfrist für die neuen Aktien ein solcher Prospekt vorzuliegen hat.161) 195 Die Einschaltung einer Abwicklungsstelle, auf die die Anleihen nach Wirksamwerden der Beschlussfassungen übertragen werden, gewährleistet schließlich, dass die kapitalgesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen des § 183 AktG, gewahrt bleiben. IV. Flankierende Kapitalmaßnahmen auf Seiten des Emittenten, insbesondere Sachkapitalerhöhung 1. Generelle Ausgangslage 196 Die Anpassungen von Schuldverschreibungen ist im Rahmen der finanziellen Restrukturierung eines Emittenten regelmäßig nicht der einzige Akt. Auf Emittentenseite ist – daneben – typischerweise eine weitere Kapitalmaßnahme erforderlich und umzusetzen. Dies beruht darauf, dass die Anleihegläubiger, die eine wirtschaftliche Einbuße hinnehmen müssen, zumeist eine Beteiligung am Eigenkapital als Ausgleich wünschen. Die Strukturierung und Umsetzung derartiger Kapitalmaßnahmen ist nicht einfach. 197 Die Schwierigkeiten beruhen zu einem guten Teil darauf, dass die Kapitalmaßnahmen in der Regel die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfordern und der Minderheitenschutz – sei es in Form von Berichtspflichten, sei es in Form der Wahrung des Bezugsrechts – besondere Sorgfalt und Abwägungen voraussetzen.162) Daneben spielen aber auch noch kapitalmarktrechtliche Aspekte eine Rolle: Zu welchem Zeitpunkt wird dem Kapitalmarkt ein sog. „öffentliches“ Bezugsangebot unterbreitet, mit der Folge, dass sodann – unmittelbar – Prospektpflichten entstehen? Dieser Aspekt hat besondere Bedeutung, denn: Die Verletzung von Prospektpflichten im Zuge der Unterbreitung eines öffentlichen Angebotes i. S. v. § 2 Nr. 4 WpPG kann eine Untersagungsverfügung seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach sich ziehen.163) 198 Parallel dazu stellt sich die Frage, ob man sämtlichen Problemen dadurch aus dem Weg gehen kann, dass eine „einfache“ klassische Barkapitalerhöhung mit ___________ 161) Dazu sogleich Rn. 391. 162) Ausgespart bleiben soll im Folgenden die Frage, ob vorgreiflich – das heißt vor Beschlussfassung und vor Durchführung einer Kapitalerhöhung – eine Kapitalherabsetzung auf Seiten des Emittenten angezeigt ist. Dies ist bei dem Verlust des hälftigen Grund bzw. Stammkapitals i. S. v. §§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG wirtschaftlich nahezu unerlässlich. Die ggfs. vorzuschaltende Kapitalherabsetzung wird nahezu ausnahmslos als sog. vereinfachte Kapitalherabsetzung i. S. v. §§ 229 ff. AktG, 58a ff. GmbHG beschlossen und durchgeführt. Die Durchführung einer solchen vereinfachten Kapitalherabsetzung gestaltet sich – als bilanziell wirkende Maßnahme – relativ einfach. 163) Zur Prospektpflicht siehe Abschnitt B. VI.
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IV. Flankierende Kapitalmaßnahmen auf Seiten des Emittenten
Bezugsrechten auf der Emittentenseite beschlossen und durchgeführt wird. So ließen sich – theoretisch relativ einfach – liquide Mittel beschaffen, mittels derer die notleidenden Finanzverbindlichkeiten erfüllt werden könnten. Möglicherweise könnten dann sogar die Finanzverbindlichkeiten – zugunsten des Emittenten – mit einem gewissen Abschlag befriedigt werden. In diesem Zusammenhang hat sich mittlerweile die Rechtsauffassung heraus- 199 gebildet, die im Grundsatz die Notwendigkeit einer vorgreiflichen Barkapitalerhöhung befürwortet.164) Erst, wenn nicht „hinreichend gesichert erscheine“, dass eine hinreichende Barkapitalerhöhungssumme gezeichnet werde – und wenn somit „nur“ auf dem Weg der zumindest teilweisen Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtausschluss eine Sanierung finalisierbar erscheine –, sei eine vorgreifliche Barkapitalerhöhung nicht zu ermöglichen. Welcher Maßstab an die Eintrittswahrscheinlichkeit, dass eine vorgreifliche Barkapitalerhöhung unzureichend bleiben werde, zu stellen ist, ist bislang noch offen. Man wird auf den generellen Bewertungs- bzw. Ermessensspielraum, den die Rechtsprechung und Literatur dem Leitungsorgan bei der Begründung eines Bezugsrechtsausschlusses einräumt, zurückzugreifen haben. Wichtig ist, dass nicht maßgebend ist, ob der ins Auge gefasste Sachinferent – subjektiv – sein Konzept als das ausschließlich zu verfolgende betrachtet; maßgeblich ist allein die Sichtweise und Perspektive des Leitungsorgans. 2. Materielle Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss und vorgreifliche Berichtspflichten Der Bezugsrechtsausschluss setzt einen sachlichen Grund voraus. Der sachli- 200 che Grund kann nur in der Verfolgung des Gesellschaftsinteresses liegen, und er gliedert sich auf in:165) (1) Geeignetheit des Bezugsrechtsausschlusses, das beabsichtigte Ziel zu erreichen, d. h. das konkrete Gesellschaftsinteresse zu verwirklichen; (2) Erforderlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses, das beabsichtigte Ziel zu erreichen, d. h. das konkrete Gesellschaftsinteresse zu verwirklichen; (3) Angemessenheit des Bezugsrechtsausschlusses (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Der Begriff des Gesellschaftsinteresses ist weit auszulegen und orientiert sich 201 an dem satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand.166) Nicht maßgeblich ist – nach wenngleich umstrittener und teils differenzierter Ansicht – das Konzerninteresse.167) Dies bedeutet, dass insbesondere das Interesse nachgeordneter ___________ 164) Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 35 m. w. N. 165) Vgl. zu Nachstehendem insbesondere Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 43 ff. m. w. N. 166) Vgl. insbesondere BGHZ 71, 40 ff. 167) Dies gilt jedenfalls für den einfach-faktischen Konzern; vgl. im Einzelnen Spindler/Stilz/ Servatius, AktG, § 186 Rn. 46 – generell das Konzerninteresse als Beurteilungsmaßstab; ablehnend Hüffer/Koch, AktG, § 186 Rn. 26 m. w. N.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
Gesellschaften nicht herangezogen werden kann, um – auf der Ebene der Muttergesellschaft – ein Gesellschaftsinteresse zu formulieren bzw. zu substantiieren. 202 Generell ist anerkannt, dass die (beabsichtigte) Sanierung des Emittenten ein hinreichendes Gesellschaftsinteresse darstellen kann.168) 203 Geeignet ist der Bezugsrechtsausschluss, wenn mit ihm das beabsichtigte Ziel generell erreicht werden kann. Erforderlich ist der Bezugsrechtsausschluss, wenn er entweder (i) die einzige zur Disposition stehende Maßnahme ist oder (ii) – bei mehreren zur Disposition stehenden Maßnahmen – der Bezugsrechtsausschluss die den konkret verfolgten Zweck am besten zu fördernde Maßnahme erscheint. Im letzten Fall ist insbesondere zu prüfen und auch zwingend auszuschließen, ob bzw. „dass“ der Zweck der Kapitalmaßnahme (insbesondere die Sanierung der Gesellschaft des Emittenten herbeizuführen) nicht auch durch eine Barkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss verfolgt werden kann. 204 Die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) ist gegeben, wenn das mit dem Bezugsrechtsausschluss verfolgte Gesellschaftsinteresse höher zu bewerten ist als das (rechtlich eingeschränkte) Interesse des grundsätzlich bezugsberechtigten Alt-Gesellschafters. Bei der Verhältnismäßigkeit ist insbesondere zu prüfen, ob die – im Sinne der „Erforderlichkeit“ – zweitbeste Lösung erhebliche Nachteile zulasten der Alt-Gesellschafter vermeidet und daher vorzugswürdig erscheint. Ferner ist auch zu prüfen, ob eine flankierende Barkapitalerhöhung – neben der Sachkapitalerhöhung und unter Ausschluss des Bezugsrechts des Sachinferenten – angezeigt und möglich ist, sodass die Folgen des Bezugsrechtsausschlusses für die Alt-Gesellschafter gelindert werden können. 205 Die besonderen Erfordernisse des Bezugsrechtsausschlusses führen dazu, dass das Leitungsorgan einen schriftlichen Bericht über die Gründe für den Bezugsrechtsausschluss zu verfassen hat. In diesem Bericht ist auch der vorgeschlagene Ausgabekurs der neuen Gesellschaftsanteile darzulegen und zu begründen.169) 206 Die Gründe und die Abwägungen, die den Bezugsrechtsausschluss betreffen, sind – speziell für den Bereich der Aktiengesellschaft als Emittent/Zielgesellschaft – vollständig und umfassend in dem schriftlichen Bericht des Vorstandes darzulegen. Der Bericht muss auch in seinem wesentlichen Bestandteil mit der Einladung zur Hauptversammlung – handelt es sich um eine Aktiengesellschaft als Emittent/Zielgesellschaft – bekannt gemacht werden. Nachträgliche Ergänzungen und/oder Änderungen des Vorstandsberichtes sind nicht zulässig und begründen ggf. einen Anfechtungsgrund. Vor diesem Hintergrund haben die ___________ 168) Vgl. etwa Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 45, sowie Ekkenga, ZGR 2009, 581 ff. 169) Zu den Berichtspflichten im Einzelnen Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 25 – 34 m. w. N.
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IV. Flankierende Kapitalmaßnahmen auf Seiten des Emittenten
materiellen Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss zur Folge, dass vorgreiflich – und zwar in dem schriftlichen Vorstandsbericht – umfassend und hinreichend alle Gründe und Abwägungen des Vorstands festzuhalten sind. 3. Konkrete Gestaltung der Sachkapitalerhöhung Die Einbringung der Forderung im Zuge des sog. Debt-to-Equity-Swap in 207 die Zielgesellschaft erfolgt typischerweise in Form der Sachkapitalerhöhung. Vor allem bei mittelständischen Gesellschaften, insbesondere soweit diese die Rechtsform der GmbH oder der GmbH & Co. KG haben, kommt auch die Einlage der Forderung in die Kapitalrücklage – unter Wahrung der Beteiligungsproportionalität im Übrigen – in Betracht. Generell ist die Einlagefähigkeit von Forderungen gesellschaftsrechtlich wie 208 steuerrechtlich anerkannt.170) Die Einlage einer Forderung kann auf zwei Wegen erfolgen: Entweder er- 209 folgt die Einlage in Form der Übertragung der Forderung, und zwar mit unmittelbar einhergehender Konfusion, oder die Einlage erfolgt im Wege des Verzichts auf die Forderung. Im letzteren Fall stellt sich – in Anbetracht der grundsätzlichen Globalverbriefung der Forderung, insbesondere bei der hier in Frage stehenden Anleiheforderung, wenn diese börsennotiert ist – die Frage, ob eine Restrukturierung „in der Urkunde“, d. h. ein Verzicht „aus“ der globalverbrieften und girosammelverwahrten Anleiheforderung überhaupt möglich ist. Letzteres ist in der Praxis bislang meist gerade nicht vollzogen worden; in der Praxis ist bislang vorwiegend ein „dualistischer“ Debtto-Debt- und Debt-to-Equity-Swap vollzogen worden.171) ___________ 170) Vgl. BGHZ 110, 47, 60 = ZIP 1990, 156; BGHZ 113, 335, 341 = ZIP 1991, 511; Hüffer/ Koch, AktG, § 27 AktG Rn. 16; zur steuerlichen Einlagefähigkeit vgl. nur BFH ZIP 2001, 1588. 171) Vgl. insbesondere die Fallkonstellationen bei SolarWorld AG, bekannt gemacht im Bundesanzeiger vom 28.6.2013; ferner die – sich an die SolarWorld-Konstellation anlehnende – Sanierung der 3W Power S. A., bekannt gemacht im Bundesanzeiger vom 20.3.2014. Im Einzelnen ist bei jeder Struktur, die von dem Modell des „dualistischen“ Debt-to-Debtund Debt-to-Equity-Swaps abweichen will, insbesondere auf zwei Aspekte zu achten: 1. Zunächst ist zu beachten, dass der Sachinferent im Rahmen des kapitalgesellschaftlichen (Sach-)Kapitalerhöhungsbeschlusses namentlich und im Übrigen hinreichend identifizierbar zu bezeichnen ist; aufzunehmen ist nach Maßgabe von § 183 Abs. 1 AktG bzw. § 56 Abs. 1 GmbHG die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt. Speziell im Fall des Auseinanderfallens von Zeichner (z. B. begleitendes Finanzinstitut) und leistender Person (d. h. konkreter Anleiheinhaber) ist dies die letztgenannte Person, die die Sacheinlage (Anleiheforderung) für den Zeichner leistet (vgl. zum Ganzen Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 183 Rn. 16; Bayer, GmbHR 2004, 445, 454). Eine namentliche Benennung des Sachinferenten ist bei girosammelverwahrten, börsennotierten Anleihen und weitgehend anonymen Anleihegläubiger praktisch unmöglich. 2. Ferner ist prospektrechtlich darauf zu achten, dass keine Struktur gewählt wird, die – obwohl die Altanleihe formal als solches aufrechterhalten wird – faktisch einer „Neuemission“ der Anleihe begründet. Dies könnte insbesondere der Fall werden, wenn nahezu sämtliche oder sogar sämtliche essentialia negotii der Altanleihe im Zuge der Restrukturierung geändert werden.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
a) Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss 210 Die Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss hat neben den vorerwähnten formellen Voraussetzungen die vorerwähnten hohen materiellen Anforderungen zu erfüllen. Der Bezugsrechtsausschluss muss im Gesellschaftsinteresse liegen und insoweit geeignet, erforderlich und angemessen sein, und zwar im Verhältnis zu den Nachteilen für die betroffenen Alt-Gesellschafter. 211 Die Erfüllung dieser Voraussetzungen unterliegt einer gerichtlichen Überprüfung, wobei im Detail noch ungeklärt ist, inwieweit dem Leitungsorgan ein (gerichtsfreier) Beurteilungsspielraum einzuräumen ist. Richtigerweise wird man dem Leitungsorgan einen (gerichtsfreien) Beurteilungsspielraum zumindest dergestalt zuzubilligen haben, dass die Erwägungen des Leitungsorgans, wenn sie vertretbar dargelegt und hergeleitet sind, hinreichend sein müssen, insbesondere um die Verhältnismäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses zu begründen. Es kann schließlich nicht sein, dass das Leitungsorgan erst noch tatsächliche Versuche unternehmen muss, um seine Erwägungen – tatsächlich – zu unterlegen und weitergehend darlegen und beweisen zu können. Die Darlegungs- und Beweislast ist zugunsten des Leitungsorgans eingeschränkt. b) Kombinierte Bar- und Sachkapitalerhöhung 212 Eine kombinierte Bar- und Sachkapitalerhöhung kann – als milderes Mittel gegenüber der „isolierten“ Sachkapitalerhöhung mit (vollständigem) Bezugsrechtsausschluss – in Betracht kommen. Dies hängt davon ab, ob und inwieweit der Sachinferent (Investor) bereit ist, eine Aufrechterhaltung der Beteiligungsquote der Alt-Gesellschafter zu akzeptieren. 213 Regelmäßig wird der Sachinferent (Investor) dazu gerade nicht bereit sein: Der Sachinferent legt typischerweise nur einen Teil seiner (Gesamt-)Forderung ein und hält regelmäßig einen signifikanten Nominalbetrag seiner Anleihe zurück. Im Zuge der isolierten Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss erfolgt eine „Übernahme der Zielgesellschaft“ und damit wird zugleich die verbleibende Fremdkapital-Position gesichert; die Eigenkapital-Position beinhaltet ein zusätzliches „Upside-Potential.“ 214 Fällt die Wahl dennoch auf eine kombinierte Bar- und Sachkapitalerhöhung, ist es angezeigt, diese in einem Beschluss zu fassen. Dies führt materiellrechtlich dazu, dass kein Bezugsrechtsausschluss vorliegt. Werden dagegen beide Kapitalerhöhungen separiert und in zwei Beschlüssen gefasst, liegt ein sog. gekreuzter Bezugsrechtsausschluss vor; der gekreuzte Bezugsrechtsausschluss ist rechtlich problematisch.172)
___________ 172) Vgl. etwa Spindler/Stilz/Servatius, AktG, § 186 Rn. 63 i. V. m. Rn. 45a.
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IV. Flankierende Kapitalmaßnahmen auf Seiten des Emittenten
c) Nachlaufende Barkapitalerhöhung mit Bezugsrecht zugunsten der Alt-Gesellschafter Erwähnt sei noch, dass in manchen Konstellationen eine nachgelagerte, aber 215 rechtlich selbständige Barkapitalerhöhung in Betracht gezogen wird. Im Rahmen einer solchen Barkapitalerhöhung kann insbesondere ein Bezugsrecht ausschließlich den Alt-Gesellschaftern eingeräumt werden. Dies kann und soll dann dazu führen, dass die Folgen einer vorangehenden Sachkapitalerhöhung (mit Bezugsrechtsausschluss zulasten der Alt-Gesellschafter) gelindert werden. Eine solche Struktur führt jedoch nicht dazu, dass die Anforderungen an den 216 Bezugsrechtsausschluss im Rahmen der vorgreiflichen Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss entfallen. Lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit kann – vorsichtig – Berücksichtigung finden, dass „immerhin“ eine nachgelagerte Barkapitalerhöhung den Alt-Gesellschaftern erlaubt bzw. „erlauben soll“, ihre Beteiligungsquote, soweit die nachgelagerte Barkapitalerhöhungssumme reicht, aufrechtzuerhalten. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die nachgelagerte Barkapitalerhöhung rechtlich selbständig ist und auch einem rechtlich eigenen Schicksal folgen kann; der Beschluss darüber kann isoliert angefochten werden und auch isoliert für nichtig erklärt werden. Der Beschluss kann auch nachträglich (isoliert und unabhängig von dem Beschluss über die Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss) wieder aufgehoben werden. d) Sonstige Strukturen mit Hilfe des Genehmigten Kapitals Generell sind auch Gestaltungen des Debt-to-Equity-Swaps mit Hilfe des 217 Genehmigten Kapitals denkbar. Dabei kann auch im Rahmen eines Genehmigten Kapitals grundsätzlich das 218 Bezugsrecht der Alt-Gesellschafter zugunsten des Sachinferenten ausgeschlossen werden. Formell setzt das Genehmigte Kapital allerdings voraus, dass ein schriftlicher Bericht über den Grund des Bezugsrechtsausschlusses erstattet wird (vgl. z. B. § 203 Abs. 1 Satz 1, § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG). Für die Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses akzeptiert die Rechtsprechung, dass die mit dem Genehmigten Kapital verfolgte Maßnahme generell-abstrakt umschrieben wird. Dieses setzt naturgemäß voraus, dass zum Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses noch keine konkrete Planung über die Kapitalmaßnahme existiert. Folglich scheidet die Möglichkeit, mit der Hilfe des Genehmigten Kapitals einen Debt-to-Equity-Swap durchzuführen, immer dann aus, wenn eine solche in Augenschein genommene Kapitalmaßnahme bereits hinreichend konkretisiert ist.173) Das Vorstehende führt dazu, dass typischerweise ein Debt-to-Equity-Swap 219 nicht mithilfe des Genehmigten Kapitals vollzogen werden kann. Dies gilt ___________ 173) Vgl. LG München AG 2001, 319; dazu etwa auch Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 559 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
jedenfalls insoweit, dass – naheliegende – Anfechtungsgefahren und Anfechtungsrisiken nicht von vornherein in Kauf genommen werden sollen. V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung 220 Das SchVG hat im Vergleich zum SchVerschrG das Verfahren der Gläubigerabstimmung neu geregelt und „an das moderne und bewährte Recht der Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft angelehnt“.174) In der Praxis werden Gläubigerversammlungen nach dem SchVG daher grundsätzlich wie Hauptversammlungen nach dem AktG vorbereitet und durchgeführt. 221 Nachstehend sollen praktische Fragen im Zusammenhang mit der Einberufung, Durchführung und Beschlussfassung von Gläubigerversammlungen nach §§ 9 ff. SchVG näher betrachtet werden. Darüber hinaus wird auf das bislang dem deutschen Schuldverschreibungsrecht unbekannte Verfahren nach § 18 SchVG, der „Abstimmung ohne Versammlung“, in gebotener Kürze eingegangen. 1. Einberufung der Gläubigerversammlung (§ 9 SchVG) 222 § 9 SchVG bildet den Einstieg in die verfahrensrechtlichen Normen der Gläubigerversammlung und regelt die Einberufungskompetenz. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG wird die Gläubigerversammlung entweder vom Anleiheschuldner oder von einem gemeinsamen Vertreter nach § 7 SchVG (Wahlvertreter) oder § 8 SchVG (Vertragsvertreter) einberufen. 223 Da eine finanzielle Restrukturierung fast ausnahmslos auf Betreiben des Anleiheschuldners (typischerweise des Emittenten) durchgeführt und damit auch die Einberufung der Gläubigerversammlung durch den Emittenten erfolgen wird, soll im Rahmen dieser Darstellung auf eine nähere Erläuterung einer Einberufung durch den gemeinsamen Vertreter ebenso verzichtet werden wie auf die Einberufung auf ein Minderheitsverlangen der Gläubiger (§ 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 – 4 SchVG).175) a) Person des Einberufenden 224 Im Regelfall wird es sich bei (inländischen) Emittenten von Anleihen um Kapitalgesellschaften in Form der AG oder der GmbH handeln. Jedoch haben in der Vergangenheit auch Personenhandelsgesellschaften (in Form der GmbH & Co. KG)176) bzw. eingetragene Vereine177) bereits Anleihen emittiert. ___________ 174) RegBegr., BT-Drucks. 16/12814, S. 1. 175) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 9 Rn. 9. Zur Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 SchVG auf die Einberufung einer zweiten Versammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG siehe BGH ZIP 2015, 473 ff., dazu EWiR 2015, 239 (Just/Maiwald). Hierzu vertieft Rn. 330. 176) Etwa die Bastei Lübbe GmbH & Co. KG bzw. die Günther Zamek Produktions- und Handelsgesellschaft mbH & Co. KG. 177) So der Fußballclub Gelsenkirchen-Schalke 04 e. V.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Eine Regelung über die Einberufungszuständigkeit, wie sie § 121 Abs. 2 AktG 225 für die Hauptversammlung regelt (Einberufung durch den Vorstand als Kollegialorgan), enthält das SchVG nicht.178) Dementsprechend folgern Teile des Schrifttums zutreffend, dass sich die Einberufungskompetenz nach allgemeinem Vertretungsrecht richtet, sodass grundsätzlich jeder im Außenverhältnis ausreichend Vertretungsberechtigte befugt ist, eine Gläubigerversammlung nach dem SchVG einzuberufen.179) Dies bedeutet zunächst, dass – zumindest theoretisch – auch Prokuristen und ggf. Handlungsbevollmächtigte wirksam zu einer Gläubigerversammlung einberufen könnten. Ferner bedeutet die Anwendung des allgemeinen Vertretungsrechts, dass die Wirksamkeit der Einberufung zu einer Gläubigerversammlung – bei entsprechender Vertretungsmacht des einberufenden Mitglieds des Vertretungsorgans – nicht von einem Beschluss des Vertretungsorgans als Kollegialorgan abhängt.180) b) Beschluss des Vertretungsorgans (als Kollegialorgan) Gleichwohl ist – nicht zuletzt mangels einschlägiger Rechtsprechung – de lege 226 lata zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken anzuraten, dass der Einberufung zur Gläubigerversammlung ein Beschluss des Kollegialorgans (bei einer AG somit ein Vorstandsbeschluss entsprechend § 121 Abs. 2 AktG) zugrunde gelegt wird. Die Einholung eines solchen Vorstandsbeschlusses sollte grundsätzlich unproblematisch möglich sein. 2. Einberufungsfrist und Anmeldemodalitäten (§ 10 SchVG) § 10 SchVG regelt die Frist für die Einberufung der Gläubigerversammlung 227 (§ 10 Abs. 1 und Abs. 2 SchVG) sowie die Ausgestaltung der für die Versammlungsteilnahme und Stimmrechtsabgabe notwendigen Legitimation (§ 10 Abs. 3 SchVG). a) Einberufungsfrist Nach § 10 Abs. 1 SchVG beträgt die Mindesteinberufungsfrist für eine Gläubi- 228 gerversammlung 14 Tage. Das SchVG enthält keine näheren Angaben dazu, wie die Einberufungsfrist zu berechnen ist. Eine Regelung, wie sie das Aktienrecht in § 121 Abs. 7 AktG etwa für die Fristberechnung vorsieht,181) findet ___________ 178) Zur Einberufungszuständigkeit zu (weiteren) Gläubigerversammlungen in der Insolvenz außerhalb des Regelungsbereichs von § 19 Abs. 2 InsO vgl. jüngst OLG Stuttgart v. 27.12.2016 – 10 U 97/16, zitiert nach juris. Die Befugnis des Emittenten zur Einberufung stehe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter zu. 179) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 9 Rn. 6; a. A. etwa Wasmann/ Steber, in: Veranneman, SchVG, § 9 Rn. 5; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 9 SchVG Rn. 18; Seibt, ZIP 2016, 997, 1001, die davon ausgehen, dass nur vertretungsberechtigte Organ zur Einberufung einer Gläubigerversammlung befugt sei. 180) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 9 Rn. 6. 181) Nach § 121 Abs. 7 AktG ist der Tag der Hauptversammlung bei der Berechnung von Fristen und Terminen, die von der Versammlung aus zurückberechnet werden, nicht mitzurechnen.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
sich im SchVG nicht. Eine analoge Anwendung des § 121 Abs. 7 AktG wird für das SchVG seitens des herrschenden Schrifttums mangels planwidriger Regelungslücke abgelehnt;182) vielmehr soll sich die Fristberechnung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 186 ff. BGB richten.183) Dementsprechend sind weder der Tag der Veröffentlichung der Einberufung noch der Versammlungstag mitzuzählen.184) 229 Auch wenn keine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Frage besteht, ist bereits zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken besteht, ein anderes Ergebnis nicht zugrunde zu legen.185) Zwischen dem Tag der Veröffentlichung der Einberufung sowie dem Tag sowie der Gläubigerversammlung müssen – sofern nicht ein Anmeldeerfordernis nach § 10 Abs. 2 SchVG vorliegt (dazu sogleich) – daher 14 volle Tage liegen. Die Bemessung der Frist sollte sich dabei bereits aus Vorsichtsgründen nach der letzten obligatorischen (SchVG oder Anleihebedingungen) Form der Bekanntmachung richten. 186) 230 Bei Bemessung der Frist ist unbedingt die Vorlaufzeit im Bundesanzeiger, in dem die Einladung zur Gläubigerversammlung in jedem Falle zu veröffentlichen ist (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 SchVG) zu beachten. Hier ist bereits aus Vorsichtsgründen ein hinreichender Puffer von zwei bis (idealerweise) drei Werktagen zwischen der Eingabe zum Bundesanzeiger und vorgesehenem Veröffentlichungstag einzukalkulieren. b) Anmeldeerfordernis 231 Ein gesetzliches Anmeldeerfordernis für die Teilnahme an einer Gläubigerversammlung sieht das SchVG nicht vor. § 10 Abs. 2 Satz 1 SchVG ermöglicht Emittenten jedoch, in den Anleihebedingungen eine Anmeldeobliegenheit einzuführen. Praktisch haben von dieser Möglichkeit – im Gegensatz zur üblichen Praxis börsennotierter Aktiengesellschaften bei der Einberufung zur Hauptversammlung – nur wenige Emittenten Gebrauch gemacht.187) 232 Sofern Anleihegläubiger einem Anmeldeerfordernis nach § 10 Abs. 2 SchVG nicht nachgekommen sind, ist zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken diesen ___________ 182) Vgl. Wasmann/Steber, in: Veranneman, SchVG, § 10 Rn. 2; Preuße/Schindele, SchVG, § 10 Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 3; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 10 Rn. 2; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 10 SchVG Rn. 5. 183) Preuße/Schindele, SchVG, § 10 Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 3; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 10 SchVG Rn. 5. 184) So etwa Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 3. 185) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 3. 186) Vgl. auch Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 10 SchVG Rn. 6. 187) Ein Anmeldeerfordernis sah etwa die von der Q-Cells SE emittierte Wandelanleihe 2010/2015 (ISIN: DE000A1E8HF6) vor. Anders hingegen Wasmann/Steber (ZIP 2014, 2005, 2007), die bei der Gläubigerversammlung nach dem SchVG nachdem ein Anmeldeerfordernis „üblich“ sein soll. Diese Annahme lässt sich empirisch nicht belegen.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Anleihegläubigern grundsätzlich kein Zutritt zur Gläubigerversammlung zu gewähren.188) Zu beachten ist, dass soweit die Anleihebedingungen ein Anmeldeerfordernis 233 vorsehen, sich die Einberufungsfrist um die Anmeldefrist verlängert. Der Tag der Versammlung wird ersetzt durch den Tag bis zu dessen Ablauf sich die Gläubiger angemeldet haben müssen.189) c) Legitimationsnachweis (§ 10 Abs. 3 SchVG) Das SchVG setzt voraus, dass Anleihegläubiger, die ihre Rechte in einer An- 234 leihegläubigerversammlung ausüben wollen, sich zu legitimieren haben. § 10 Abs. 3 SchVG regelt daher nicht das „Ob“ der Obliegenheit zur Legitimation, sondern konkretisiert – vorbehaltlich näherer Regelungen in den Anleihebedingungen – „wie“ eine Legitimation inhaltlich zu erfolgen hat.190) aa) Form der Legitimation Sofern in den Anleihebedingungen selbst keine Legitimationsanforderungen 235 festgelegt werden, ordnet § 10 Abs. 3 Satz 2 SchVG an, dass für in Sammelurkunden verbriefte Schuldverschreibungen ein in Textform (§ 126b BGB) erstellter Nachweis des depotführenden Institutes, bei dem der entsprechende Anteil „verwahrt“ wird, ausreicht. bb) Zeitpunkt Der Legitimationsnachweis muss sich grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Ab- 236 stimmung beziehen.191) Da typischerweise ein genau auf den Versammlungszeitpunkt nicht erbracht werden kann, behilft sich die Praxis zulässigerweise ___________ 188) 189) 190) 191)
Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 4. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 5. Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 6. RegE SchVG, BT-Drucks. 16/12814, S. 21 („im Zeitpunkt der Abstimmung“); Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 10 Rn. 16. Während im Aktienrecht mit § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG eine Vorschrift eingeführt wurde, die das Teilnahme- und Stimmrecht von einem Halten der Aktien an einem bestimmten Stichtag (Record-Date) im Falle einer börsennotierten Aktiengesellschaft abhängig macht, fehlt eine entsprechende Regelung im SchVG – und zwar durch bewusste Nichtregelung seitens des Gesetzgebers, vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 8. Im Schrifttum ist die Möglichkeit der Festlegung eines Record Dates umstritten (bejahend etwa Schlitt/Schäfer, AG 2009, 477, 481; Simon, CFI 2010, 159, 162; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17 (SchVG), § 10 Rn. 16; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 10 SchVG Rn. 24; ablehnend Preuße/Vogel, SchVG, § 6 Rn. 12; Veranneman/ Wasmann/Steber, SchVG, § 10 Rn. 12; ähnlich Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 8). In jedem Fall scheint – de lege lata – das „willkürliche“ Setzen eines Record-Dates im Hinblick auf die Vorgaben des SchVG, insbesondere § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG (Abweichen zulasten der Gläubiger außerhalb der §§ 5 – 21 ff. SchVG), problematisch und mit Anfechtungsrisiken behaftet.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
mit dem Erfordernis eines sog. „Sperrvermerks“. Dieser Vermerk des depotführenden Instituts bestätigt, dass die von Anleihegläubigern gehaltenen Schuldverschreibungen (mindestens) vom Ausstellungstag des Besonderen Nachweises – typischerweise Stichtag des Depotauszuges192) – bis zum Ende der Gläubigerversammlung beim depotführenden Institut gesperrt gehalten werden. cc) Praxistipp: Fakultative Anmeldung 237 Speziell bei breit gestreuten Anleihen stellt sich in der Praxis oftmals die Frage, inwiefern dem berechtigten Interesse des Einberufenen (sowie dem Versammlungsleiter) an einer beherrschbaren Legitimationsprüfung Genüge getan werden kann, sofern die Anleihebedingungen kein obligatorisches Anmeldeerfordernis vorsehen. 238 Erfahrungsgemäß lässt sich diese Problematik handhaben, indem man in der Einberufung zur Gläubigerversammlung eine fakultative Anmeldung vorsieht. Dies bedeutet, dass man um frühzeitige Anmeldung bittet (nebst Legitimationsnachweis), die Teilnahme jedoch nicht von einer solchen Anmeldung abhängig macht. 3. Ort der Gläubigerversammlung (§ 11 SchVG) 239 Nach § 11 Satz 1 SchVG soll die Versammlung bei einem Emittenten mit Sitz im Inland am Satzungssitz des Emittenten stattfinden.193) Als bloße Sollvorschrift ist es dem Einberufenen nach dem Gesetzeswortlaut jedoch grundsätzlich möglich, einen anderen Ort als den Satzungssitz (bzw. als die in § 11 Sätze 2 und 3 SchVG bezeichneten Orte) zu wählen. 240 Gleichsam wird in der Literatur vertreten, dass von einer Einberufung am Satzungssitz (bzw. sofern die Möglichkeit nach § 11 Sätze 2 und 3 SchVG eröffnet sind, von den dort bezeichneten Orten) nur dann abgewichen werden kann, wenn überwiegende Sachargumente für einen anderen Ort sprechen.194) Dabei wird insbesondere betont, dass die Vorschrift sich an den Vorgaben des § 121 Abs. 5 AktG orientieren will. Nach § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG soll die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft stattfinden, nach § 121 Abs. 5 Satz 2 AktG kann sie, sofern (i) die Aktien der Gesellschaft an einer
___________ 192) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 10 Rn. 15. 193) Preuße/Schindele, SchVG, § 11 Rn. 3; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 11 Rn. 2; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17 (SchVG), § 11 Rn. 1. 194) Preuße/Schindele, SchVG, § 11 Rn. 5; Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 11 Rn. 1; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 11 Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 11 Rn. 5; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 11 SchVG Rn. 3.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
deutschen Börse zum Handel an einem regulierten Markt195) zugelassen sind und (ii) die Satzung nichts Abweichendes bestimmt. In der aktienrechtlichen Literatur wird die Abweichung vom Satzungssitz 241 unter engen Voraussetzungen für möglich erachtet, und zwar, wenn Sachgründe bestehen, nach denen die Wertung des § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG im Einzelfall schlechterdings nicht zutrifft, etwa bei Fehlen eines geeigneten Versammlungsraums am Satzungssitz.196) Der BGH verlangt – restriktiv – für Zulässigkeit der Abweichung vom Satzungssitz, dass ein anderer Versammlungsort für sämtliche Gesellschafter günstiger ist als der Satzungssitz und dass dies eindeutig feststeht.197) Die Unzulässigkeit des Versammlungsorts stellt im Aktienrecht einen Anfechtungsgrund gemäß § 243 Abs. 1 AktG dar.198) Überträgt man diese Rechtsprechung auf das SchVG wäre eine Abweichung 242 vom Satzungssitz bei publikumsplatzierten Anleihen – vorbehaltlich der Regelungen des § 11 Sätze 2 und 3 SchVG nicht möglich. Inwiefern die willkürliche Wahl eines Drittortes ohne sachliche Rechtfertigung Auswirkungen auf die Beschlussfassungen der Gläubigerversammlung haben (und deren Anfechtbarkeit begründen), wurde für das SchVG von der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht aufgegriffen. Gleichwohl ist jedoch angesichts des aktienrechtlichen Meinungsbilds und 243 der Orientierung des § 11 SchVG an § 121 Abs. 5 AktG bereits aus Vorsichtsgründen von einer Vorrangigkeit des Satzungssitzes für die Gläubigerversammlung auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn die Anleihen an einer inländischen Börse im Freiverkehr gehandelt werden und somit zumindest nach dem Wortlaut der Regelung in § 11 Satz 2 SchVG auf den Sitz der Wertpapierbörse ausgewichen werden kann. Insofern ist bislang nicht gesichert, ob für den Handel i. S. d. § 11 Satz 2 SchVG eine Notierung in einem Segment des Freiverkehrs ausreicht199) oder ob – wie es die aktienrechtliche Regelung des § 121 Abs. 5 Satz 2 AktG vorsieht – eine Zulassung zum regulierten Markt zu fordern ist.200) Nur wenn die Anleihen an einem regulierten Markt zugelassen sind, kann daher letztlich ein „Ausweichen“ an den Sitz der Wertpapierbörse, an dem die Anleihen zum regulierten Markt zugelassen sind, in Betracht gezogen werden. Unabhängig davon kann eine Gläubigerversammlung gemäß § 11 Satz 3 244 SchVG an einem nach § 30a Abs. 2 WpHG frei wählbaren Ort innerhalb der ___________ 195) Eine Einbeziehung in den Freiverkehr i. S. d. § 48 BörsG genügt hingegen nicht, vgl. Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 121 Rn. 71 m. w. N. 196) Hüffer/Koch, AktG, § 121 Rn. 12. 197) BGH AG 1985, 188, 189; OLG Dresden AG 2001, 489. 198) Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 121 Rn. 12 m. w. N. Für das SchVG etwa Binder, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 11 SchVG Rn. 8 m. w. N. 199) So i. E. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 11 Rn. 5; a. A. Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 11 Rn. 2. 200) So Preuße/Schindele, SchVG, § 11 Rn. 6 unter Verweis auf die aktienrechtliche Regelung.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums stattfinden. Angesichts einer vorgesehenen Mindeststückelung von EUR 100.000 (bzw. EUR 50.000 bei Schuldtiteln, die vor dem 31.10.2010 ausgegeben wurden) sowie einer notwendigen Zulassung der Schuldverschreibungen zu einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG dürfte eine Anwendung von § 11 Satz 3 SchVG bei publikumsplatzierten Unternehmensanleihen in der Regel ausscheiden. 245 Hat der Emittent seinen Satzungssitz im Ausland, ist er bei der Wahl seines Versammlungsortes frei.201) 4. Ausgestaltung der Einberufung und Bekanntmachung (§ 12 SchVG) 246 Regelungsgegenstand des § 12 SchVG ist die Art und Weise der Einberufung der Gläubigerversammlung. § 12 Abs. 1 SchVG normiert in der Einberufung zu treffende Angaben, wobei diese Vorschrift den Inhalt der Einberufung nur unvollständig regelt. § 12 Abs. 2 und 3 SchVG regeln die Art und Weise der Bekanntmachung der Einberufung. 247 Die Bekanntmachungspflicht der Einberufung (sowie der Tagesordnung nach § 13 Abs. 2 SchVG) deckt sich mit der Bekanntmachungspflicht nach § 30b Abs. 2 WpHG, die Emittenten von Schuldtiteln obliegt, für die die Bundesrepublik der Herkunftsstaat i. S. d. § 2 Abs. 6 WpHG ist.202) a) Inhalt der Einberufung (§ 12 Abs. 1 SchVG) 248 Nach § 12 Abs. 1 SchVG muss in der Einberufung die Firma, der Sitz des Schuldners, die Zeit und der Ort der Gläubigerversammlung sowie die Bedingungen angeben werden, von denen die Teilnahme an der Gläubigerversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. Daneben sind jedoch weitere Angaben in der Einberufung erforderlich; insofern regelt § 12 Abs. 1 SchVG den Inhalt der Einberufung nach zutreffendem Verständnis nur unvollständig.203) Zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken204) sind nachstehende Angaben – die teilweise über die in § 12 Abs. 1 SchVG genannten Angaben hinausgehen – daher mindestens in die Einberufung aufzunehmen:
___________ 201) Preuße/Schindele, SchVG, § 11 Rn. 8; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 11 Rn. 6. Einschränkend Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 11 SchVG Rn. 7. 202) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 12a. 203) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 2. 204) Vgl. Preuße/Schindele, SchVG, § 12 Rn. 6; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 10.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
aa) Bezeichnung der Schuldverschreibungen In der Einberufung sind die Schuldverschreibungen, über die eine Gläubiger- 249 versammlung abgehalten werden soll, durch Angabe der auf der Sammelurkunde oder in den Anleihebedingungen enthaltenen Bezeichnung und der Wertpapierkennnummer sowie der ISIN (International Securities Identification Number) aufzuführen.205) bb) Firma und Sitz Die Einberufung hat Angaben zur Firma (§ 17 Abs. 2 HGB) einschließlich 250 Rechtsformzusatz sowie zum Sitz des Schuldners zu enthalten. Bei der Angabe des Sitzes ist sowohl für eine deutsche (Kapital-)Gesellschaft als auch für eine ausländische Gesellschaft der Satzungssitz anzugeben.206) cc) Ort und Zeitpunkt § 12 Abs. 1 SchVG fordert zudem die Angabe des genauen Ortes der Gläubi- 251 gerversammlung mit entsprechender vollständiger Anschrift.207) Überdies muss der Zeitpunkt der Gläubigerversammlung angegeben werden und zwar nach Datum und der Stunde des Beginns.208) Angaben zur voraussichtlichen Dauer der Gläubigerversammlung sind hingegen in der Einberufung nicht vonnöten.209) dd) Teilnahmebedingungen Nach § 12 Abs. 1 SchVG müssen die Bedingungen, von denen die Teilnahme 252 und die Ausübung des Stimmrechts abhängen, in der Einladung angegeben werden. Dies umfasst nach zutreffendem Verständnis auch die gesetzlichen Vorgaben über die Legitimation von Anleihegläubigern210) bzw. – sofern in den Anleihebedingungen enthalten – weiterer Detailregelungen zur Legitimation. Sofern die Anleihebedingungen ein Anmeldeerfordernis vorsehen (vgl. § 10 Abs. 2 SchVG), sind Ausführungen zu diesem Erfordernis ebenso aufzunehmen wie zu etwaigen weitergehenden spezifizierten Regelungen in den Anleihebedingungen.211) ___________ 205) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 7. 206) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 2. 207) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 3. 208) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 12 Rn. 1; Preuße/Schindele, SchVG, § 12 Rn. 2; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 2. 209) Preuße/Schindele, SchVG, § 12 Rn. 3. 210) Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 4; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 12 SchVG Rn. 7. 211) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 6.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
ee) Person des Einberufenden 253 Ferner muss sich aus der Einberufung ergeben, wer die Versammlung einberufen hat. Zwar ist dieses Erfordernis lediglich bei Einberufung durch eine qualifizierte Gläubigerminderheit aufgrund gerichtlicher Ermächtigung in § 9 Abs. 2 Satz 3 SchVG ausdrücklich angeordnet. Um jedoch den Gläubigern die Prüfung zu ermöglichen, ob eine Einberufung durch eine befugte Stelle (Emittent oder gemeinsamer Vertreter) erfolgt ist, ist nach zutreffender Ansicht in sämtlichen Fällen die Person des Einberufenden in der Einberufung zu nennen.212) ff) Tagesordnung 254 Mit der Einberufung zur Gläubigerversammlung ist eine Tagesordnung mit Beschlussvorschlägen bekannt zu machen (vgl. § 13 SchVG). Auch wenn das SchVG Einberufung und Tagesordnung als zwei unterschiedliche Dokumente ansieht,213) die nach denselben Vorschriften bekannt zu machen sind (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 SchVG für die Bekanntmachung der Tagesordnung), werden in der Praxis diese Dokumente in einer einheitlichen Bekanntmachung zusammengefasst.214) b) Bekanntmachung der Einberufung (§ 12 Abs. 2 SchVG) 255 Die Einberufung ist nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SchVG unverzüglich im Bundesanzeiger öffentlich bekanntzumachen. Diese Bekanntmachungspflicht ist an § 30b Abs. 2 Nr. 1 WpHG angelehnt, jedoch gilt sie für alle dem SchVG unterfallenden Anleihen und somit auch für Anleihen, die lediglich im Freiverkehr notiert bzw. gar nicht an einer Börse gehandelt werden. 256 Im Unterschied zur Publikationspflicht nach dem SchVerschrG reicht eine einmalige Publikation im Bundesanzeiger zur Wahrung der Bekanntmachungspflicht aus.215) Dem Merkmal der Unverzüglichkeit in § 12 Abs. 2 Satz 1 SchVG kommt nach zutreffender herrschender Ansicht keine eigenständige Bedeutung zu.216) ___________ 212) Preuße/Schindele, SchVG, § 12 Rn. 5. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 8. 213) Vgl. hierzu den ausdrücklichen Hinweis von Schindele (in: Preuße, SchVG, § 13 Rn. 4), wonach die Tagesordnung nicht „in“ sondern „mit“ der Tagesordnung bekannt zu machen ist. 214) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 9. 215) Die Pflicht zur zweifachen Publikation ergab sich aus § 6 Abs. 1 SchVerschrG. 216) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 12 Rn. 4; Preuße/Schindele, SchVG, § 12 Rn. 7; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 11; a. A. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 11.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Über die Veröffentlichungspflicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SchVG steht es 257 den Anleiheemittenten frei, in den Anleihebedingungen weitere Formen der Bekanntmachung der Einberufung vorzusehen. Des Weiteren steht es den Emittenten frei, auch ohne entsprechende Erwähnung in Anleihebedingungen die Einberufung durch weitere Kanäle als den Bundesanzeiger zu verbreiten. Dies mag sich insbesondere vor dem Hintergrund des notwendigen Mindestquorums zur Beschlussfähigkeit von 50 % (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG) bzw. 25 % (§ 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG) in einer zweiten Gläubigerversammlung, sofern Beschlüsse nach Maßgabe der § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 9 SchVG gefasst werden, besonders anbieten. Sehen die Anleihebedingungen zusätzliche Bekanntmachungswege vor, sind 258 diese unbedingt einzuhalten. Das Außerachtlassen eines obligatorischen Bekanntmachungsweges kann zur Anfechtbarkeit der Beschlussfassungen führen.217) Zudem ist bislang ungeklärt, ob bei Versäumung der Bekanntmachung der Einberufung über einen obligatorischen Bekanntmachungsweg, die Frist des § 10 Abs. 1 SchVG überhaupt zu laufen beginnt. Bei der Vorbereitung der Einberufung sollte daher bereits aus Vorsichtsgründen davon ausgegangen werden, dass die Einberufungsfrist erst mit Veröffentlichung im letzten Bekanntmachungsorgan – sei es von Gesetzes wegen oder sei es in den Anleihebedingungen vorgesehen – zu laufen beginnt. c) Publikationspflicht im Internet (§ 12 Abs. 3 SchVG) Darüber hinaus trifft Emittenten nach § 12 Abs. 3 SchVG eine erweiterte 259 Publikationspflicht zur Veröffentlichung der Einberufung sowie der genauen Bedingungen, von denen die Versammlungsteilnahme und die Ausübung des Stimmrechts abhängen,218) auf ihrer Internetseite bzw. sofern eine solche (ausnahmsweise) nicht vorhanden sein sollte, auf der in den Anleihebedingungen bestimmten Internetseite. Über den Verweis in § 13 Abs. 2 Satz 2 SchVG gilt diese Publikationspflicht auch für die Tagesordnung. Die Publikationspflicht des § 12 Abs. 3 SchVG beginnt mit dem Tag der 260 Einberufung und endet am Tag der Gläubigerversammlung und verpflichtet
___________ 217) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 12. 218) Zum Inhalt der Publikationspflicht der § 12 Abs. 3 SchVG betreffend Stimmabgabe und Stimmenzählung nach § 16 Abs. 2 SchVG vgl. die Ausführungen bei Preuße/ Kirchner, SchVG, § 16 Rn. 43. Vgl. auch Kusserow (WM 2011, 1645, 1650), der vertritt, dass auch die Methodik der Stimmauszählung (Additions- oder Subtraktionsverfahren) nach § 12 Abs. 3 SchVG zu veröffentlichen ist. Dem kann nicht gefolgt werden, da damit das Recht des Versammlungsleiters zur Festlegung der Art der Stimmauszählung – sofern die Anleihebedingungen nicht ausnahmsweise hierzu eine Regelung treffen – verkürzt würde. Vgl. zur Stimmauszählung eingehend Preuße/Kirchner, SchVG, § 16 Rn. 53 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
nur den Emittenten, selbst wenn der gemeinsame Vertreter der Einberufende ist.219) Daraus ergibt sich, dass die Publikationspflicht nach § 12 Abs. 3 SchVG selbst keine Voraussetzung für den Beginn der Einberufungsfrist nach § 10 Abs. 1 SchVG. Ansonsten hätte es der Emittent in der Hand, eine vom gemeinsamen Vertreter einberufene Versammlung – die möglicherweise gar nicht im Sinne des Emittenten steht – mit einem Makel zu behaften, indem die Einstellung auf die Internetseite des Emittenten (oder einer anderen Internetseite, i. S. v. § 12 Abs. 3 SchVG) verzögert wird. 261 Gleichsam sollte zur Vermeidung von Prozessrisiken darauf geachtet werden, dass die Obliegenheit des § 12 Abs. 3 SchVG, die taggleiche Veröffentlichung der Einberufung auf der Internetseite des Emittenten, eingehalten wird. d) Kosten der Bekanntmachung (§ 12 Abs. 2 Satz 3 SchVG) 262 Die Kosten der Bekanntmachung der Einberufung sind nach § 12 Abs. 2 Satz 3 SchVG in jedem Fall von dem Emittenten zu tragen. Dies gilt auch bei Einberufung durch den gemeinsamen Vertreter bzw. zur Einberufung ermächtigter Gläubiger.220) Deren Kostenerstattungs- oder Freistellungsansprüche reduzieren sich jedoch nach zutreffender Ansicht auf die Kosten der Bekanntmachung in gesetzlichen oder in den Anleihebedingungen vorgesehenen Veröffentlichungskanälen.221) Für die Kosten von Veröffentlichungen in Kanälen, die weder gesetzlich noch in den Anleihebedingungen vorgesehen sind, muss der Emittent hingegen nicht einstehen. 5. Tagesordnung (§ 13 SchVG) 263 Der jeweils Einberufende der Gläubigerversammlung hat nach § 13 Abs. 1 SchVG eine Tagesordnung zu erstellen. Die Tagesordnung muss die jeweiligen Beschlussgegenstände enthalten. Ferner hat der Einberufene zu jedem dieser Beschlussgegenstände einen Beschlussvorschlag zu unterbreiten.222) Sofern die Anpassung von Anleihebedingungen beschlossen werden soll, besteht überdies die Pflicht, den neuen Wortlaut der Anleihebedingungen anzugeben.223) 264 Im Gegensatz zur teilweisen Berichtspflicht bezüglich einzelner Tagesordnungspunkte bei aktienrechtlichen Hauptversammlungen (beispielsweise die Berichtspflicht bei einem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG), besteht im Rahmen der Tagesordnung im SchVG nach zutreffendem ___________ 219) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 12 Rn. 15; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 12 SchVG Rn. 12. 220) Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 15. 221) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 12 Rn. 15. 222) Anders die teilweise Praxis der Insolvenzgerichte bei Einberufung zu einer Gläubigerversammlung nach § 19 SchVG, vgl. etwa AG Düsseldorf, AZ: 502 IN 118/14. 223) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 2.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Verständnis keine Begründungs- oder Berichtspflicht.224) Gleichsam wird es sich in der Regel anbieten, die Notwendigkeit einer Beschlussfassung zu erläutern, um die Anleihegläubiger zur Zustimmung zu bewegen. 225) Das SchVG normiert – wie auch das Aktienrecht – nichts zu der Frage, inwie- 265 fern der Einberufende in der Gläubigerversammlung einen von dem Beschlussvorschlag abweichenden Beschlussantrag stellen darf. Richtigerweise ist ein solches Abweichen nur dann zulässig, wenn sachliche Gründe für ein solches bestehen.226) a) Bekanntmachungspflicht (§ 13 Abs. 2 Satz 1 SchVG) Der Einberufende hat nach § 13 Abs. 2 SchVG die Tagesordnung mit den Be- 266 schlussvorschlägen gemeinsam mit der Einberufung, d. h. grundsätzlich 14 Tage vor der Versammlung,227) bekanntzumachen. Verlängert sich durch ein obligatorisches Anmeldeerfordernis die Einberufungsfrist, gilt dies auch entsprechend für die Bekanntmachung der Tagesordnung (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 12 Abs. 2 SchVG), die in der Praxis ohnehin in der Regel zusammengefasst mit der Einberufung in einem Dokument bekannt gemacht wird. Auch für die Bekanntmachung der Tagesordnung gelten die Veröffentlichungs- 267 pflichten des § 12 Abs. 2 und 3 SchVG, d. h. es ist (i) eine (einmalige )Veröffentlichung im Bundesanzeiger (sowie ggf. in weiteren Veröffentlichungsforen, die die Anleihebedingungen vorsehen) und (ii) eine Publikation auf der Internetseite der Emittenten vonnöten. Die ordnungsgemäße Bekanntmachung der Tagesordnung nebst Beschluss- 268 vorschlägen ist von entscheidender Bedeutung, da § 13 Abs. 2 Satz 3 SchVG anordnet, dass über vorschriftwidrig bekanntgemachte Beschlussgegenstände keine Beschlüsse gefasst werden können. Sollte eine Beschlussfassung gleichwohl erfolgen, kann dies zur Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse nach § 20 SchVG führen.228)
___________ 224) Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 4. Zur Berichtspflicht im SchVG siehe auch sogleich Rn. 279 ff. 225) Vgl. Seibt, ZIP 2016, 997, 1003. 226) Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 5; ähnlich Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 13 Rn. 4. 227) Siehe bereits Rn. 228 ff. 228) Preuße/Schindele, SchVG, § 12 Rn. 5; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 13 Rn. 9; Binder, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 13 SchVG Rn. 20. Zur Anwendung von § 13 Abs. 2 Satz 3 SchVG auf Ergänzungsverlangen vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 7.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
b) Ergänzung der Tagesordnung und deren Bekanntmachung (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SchVG) 269 Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SchVG können Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zusammen 5 % des ausstehenden Nennbetrages der Anleihe erreichen, verlangen, dass neue Gegenstände zur Beschlussfassung bekannt gemacht werden. 270 Ergänzungsverlangen spielten – im Gegensatz zu Gegenanträgen nach § 13 Abs. 4 SchVG – bislang in der Praxis der Restrukturierung keine prominente Rolle und sollen auch hier nicht näher betrachtet werden.229) c) Gegenanträge (§ 13 Abs. 4 SchVG) 271 Nach § 13 Abs. 4 SchVG können Anleihegläubiger Gegenanträge zu existierenden Beschlussvorschlägen ankündigen und diese veröffentlichen lassen. Die angekündigten Gegenanträge sind – vergleichbar mit den Gegenanträgen bei einer aktienrechtlichen Hauptversammlung – Beschlussanträge und können seitens des jeweiligen Gläubigers vorab nur angekündigt werden.230) In der Versammlung selbst muss der Antrag dementsprechend noch gestellt werden. Im Unterschied zum Aktienrecht müssen entsprechende Gegenanträge nach dem SchVG nicht begründet werden (vgl. § 126 Abs. 1 Satz 1 AktG).231) 272 Rechtzeitig angekündigte Gegenanträge sind von dem Emittenten im Internet unter seiner Adresse (oder einer sonst in den Anleihebedingungen festgelegten Internetseite) zu veröffentlichen. Die Nichtveröffentlichung eines rechtzeitig angekündigten Gegenantrages ist nach teilweise im Schrifttum vertretener Ansicht für die verpflichteten Emittenten sanktionslos,232) gleichwohl sollte – mangels einschlägiger Rechtsprechung zu eventuellen Sanktionen – sowie zur Außendarstellung der Emittenten der aus § 13 Abs. 4 SchVG resultierenden Obliegenheit nachgekommen werden. 273 Es bleibt – trotz der Regelung des § 13 Abs. 4 SchVG – Anleihegläubigern unbenommen, in der Versammlung auch ohne vorherige Ankündigung einen Gegenantrag zu stellen.233) Auch bleibt es Gläubigern unbenommen, auf einen zuvor veröffentlichten Beschlussantrag in der Versammlung keinen Antrag folgen zu lassen.234) ___________ 229) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 9. 230) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 16. 231) Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 17 sowie Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 13 Rn. 10, die überdies zutreffend darauf hinweisen, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG die Einführung einer solchen Begründungspflicht für Gegenanträge verbietet. 232) So Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 16. 233) Preuße/Schindele, SchVG, § 13 Rn. 8; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 19. 234) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 13 Rn. 19.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
In der Praxis finden sich bei der Restrukturierung von Anleihen insbesondere 274 Gegenanträge im Zusammenhang mit der Person eines zu bestellenden gemeinsamen (Wahl-)Vertreters nach § 7 SchVG. Hier kündigen Anleihegläubiger des Öfteren Alternativvorschläge hinsichtlich der Person des gemeinsamen Vertreters an bzw. unterbreiten diese ad-hoc in der Gläubigerversammlung. d) Berichtspflichten des Einberufenden? Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob der zur Gläubigerversammlung Ein- 275 berufende im Rahmen der Bekanntmachung der Tagesordnung gesonderten und eigenständigen Berichtspflichten unterliegt. Es lässt sich – mit dem Schrifttum – eine Analogie zu den aktien- und umwandlungsrechtlichen Berichtspflichten diskutieren.235) aa) Aktien- und umwandlungsrechtliche Berichtspflichten Das Aktienrecht sieht – insbesondere bei der Vorbereitung der Beschlussfas- 276 sung der Hauptversammlung über Kapital- bzw. Strukturmaßnahmen – verschiedene Berichtspflichten vor, die seitens der Gesellschaft bzw. seitens ihrer Leitungsorgane zu erfüllen sind. Beispielhaft sind zu nennen:
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x
Bericht des Vorstands nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG über den Grund für einen teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Bezugsrechts bei einer Kapitalerhöhung;236)
x
Bericht des Vorstands nach § 293a AktG, wenn ein Unternehmensvertrag geschlossen wird und dafür gemäß § 293 AktG die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist;237)
x
Bericht des Hauptaktionärs bei einem Squeeze-Out nach § 327c Abs. 2 AktG, in dem die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Ausschlusses und die Angemessenheit der angebotenen Barabfindung dargelegt werden.238)
Auch das Umwandlungsrecht normiert Berichtspflichten, die die Leitungsor- 278 gane der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger zu erfüllen haben.239)
___________ 235) Vgl. etwa auch Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 4. 236) Hierzu Schürnbrand, in: MünchKomm-AktG, § 186 Rn. 80 ff. Zur Berichtspflicht bei vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG vgl. Schürnbrand, in: MünchKomm-AktG, § 186 Rn. 140. 237) Hierzu Hüffer/Koch, AktG, § 293a Rn. 7 ff. 238) Hierzu Hüffer/Koch, AktG, § 327c Rn. 3. 239) Vgl. für die Verschmelzung § 8 UmwG, für Spaltungsvorgänge § 127 UmwG sowie für die formwechselnde Umwandlung § 192 UmwG.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
bb) Berichtspflichten gegenüber der schuldverschreibungsrechtlichen Gläubigerversammlung? 279 Das SchVG sieht keine ausdrücklichen Berichtspflichten vor, die im Vorfeld und/oder während der Gläubigerversammlung zu erfüllen wären. Vielmehr normiert das SchVG lediglich Informationsrechte zugunsten der Anleihegläubiger in der Gläubigerversammlung (§ 16 Abs. 1 SchVG). 280 Auch eine (Gesamt-)Analogie zu aktienrechtlichen Vorschriften in Bezug auf die schuldverschreibungsrechtliche Gläubigerversammlung ist jedoch abzulehnen.240) Es fehlt im SchVG jedweder Anknüpfungspunkt hierfür, und zwar sowohl (i) bei welchen Maßnahmen eine Berichtspflicht überhaupt, d. h. dem Grunde nach, zu bejahen sein sollte als auch (ii) wie ggfs. eine solche Berichtspflicht ausgestaltet und zu erfüllen wäre. Infolgedessen würde die Begründung von Berichtspflichten im SchVG nicht nur eine bloße Analogie darstellen, sondern wäre als (unzulässige) gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zu qualifizieren. 281 Es kommt hinzu, dass Berichtspflichten – insbesondere diejenigen im Aktienrecht – grundsätzlich aus der generellen Rechenschaftspflicht des Leitungsorgans – etwa gegenüber der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft – resultieren. Zwischen Parteien einer rein schuldrechtlichen Verbindung – wie im Falle der Anleihegläubiger zum Emittenten – besteht eine solche Rechenschaftspflicht jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere liegen im Verhältnis von Anleihegläubiger und Emittent nicht die Voraussetzungen des § 259 BGB vor.241) 282 Die Verneinung einer „quasi-verbandsrechtlichen“ Berichtspflicht hat auch zur Folge, dass im Vorfeld der Gläubigerversammlung keine Unterlagen beigebracht werden müssen, etwa im Zusammenhang mit Sanierungsbemühungen erstellte Sanierungsgutachten.242) 283 Letztlich gilt somit Folgendes: Welche Unterlagen zur Verfügung zu stellen und auf der Internetseite des Schuldners den Gläubigern zugänglich zu machen sind, regelt § 13 SchVG abschließend. Darüber hinaus bestehen keine Bekanntmachungspflichten. Gleichwohl ist es dem Emittenten naturgemäß unbenommen – und strategisch auch sachgerecht –, zur Werbung für die Zu-
___________ 240) Gegen eine Analogie zu aktienrechtlichen Berichtspflichten auch Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 4; in diese Richtung ferner Wasmann/ Steber, ZIP 2014, 2005, 2010. 241) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 4. 242) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2010.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
stimmung zu den Beschlussvorschlägen über den Stand der Sanierung im Vorfeld zu informieren.243) Auch in der Versammlung müssen Unterlagen, die nicht bereits nach § 13 284 SchVG zugänglich gemacht werden müssen, nicht ausgelegt werden. Dies folgt schon aus dem Mündlichkeitsgrundsatz des § 16 Abs. 1 SchVG. Danach ist es zwar denkbar, bestimmte Unterlagen (auszugsweise) vorzulesen bzw. zu zitieren, keinesfalls kann aber zum Beispiel die Verlesung eines vollständigen Sanierungsgutachtens verlangt werden.244) In der Praxis dürfte sich eine eventuelle Verlesung auf einige wenige Passagen reduzieren, da allerhöchstens Auszüge aus einem Sanierungsgutachten zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnung bzw. der Beschlussvorschläge erforderlich sein dürften. Jedoch wird auch insoweit regelmäßig eine Verlesung bereits deshalb ausscheiden, da zumeist sämtliche wirtschaftliche Eckdaten im Rahmen einer Präsentation seitens des Vorstands vorab so hinreichend dargestellt werden, dass eine genügende Information zur Entscheidung gewährleistet ist.245) 6. Vertretung der Gläubiger (§ 14 SchVG) Das Gesetz stellt in § 14 Abs. 1 Satz 1 SchVG ausdrücklich klar, dass die 285 Vertretung von Anleihegläubigern in der Gläubigerversammlung rechtsgeschäftlich möglich ist. Der Stellvertreter kann dabei die dem Anleihegläubiger zukommende Rechtsposition (einschließlich der Stimmberechtigung) vollumfänglich wahrnehmen.246) a) Form der Bevollmächtigung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SchVG) Nach § 14 Abs. 2 SchVG bedürfen die Vollmacht sowie eventuelle Weisungen 286 des Vollmachtgebers lediglich der Textform (§ 126b BGB). Von dieser Regelung kann nach zutreffender Auffassung nicht zum Nachteil der Anleihegläubiger (etwa durch Vorsehen der Schriftform in den Anleihebedingungen (§ 126 BGB)) abgewichen werden.247) Eine solche Regelung stellt eine nicht vom SchVG vorgesehene Abweichung zulasten der Anleihegläubiger dar und ist nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG unzulässig. ___________ 243) Vgl. etwa die Informationsmemoranda in den finanziellen Restrukturierungen der Centrosolar AG (abrufbar unter http://www.centrosolar-group.com/fileadmin/user_upload/ downloads/cs-group/restrukturierung/anleihe/CS_Infomemo_2013-04-12_clean.pdf, zuletzt abgerufen am 7.4.2015) und der SolarWorld AG (abrufbar unter http:// www.solarworld.de/fileadmin/sites/sw/ir/pdf/informationsmemorandum.pdf). 244) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2010 unter Hinweis auf OLG Köln ZIP 2014, 268. Vgl. auch Seibt, ZIP 2016, 997, 1004. 245) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2010. 246) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 14 Rn. 1. 247) Preuße/Kirchner, SchVG, § 14 Rn. 13; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 14 Rn. 4; a. A. Veranneman/ Gärtner, 1. Aufl., 2010, SchVG, § 14 Rn. 7.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
287 Möglich ist es jedoch, nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Satz 3 SchVG sowohl in Anleihebedingungen als auch in der konkreten Einberufung Voraussetzungen aufzustellen, die eine wirksame Vertretung gewährleisten sollen. Auch hier können vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG jedoch nur solche Anforderungen gestellt werden, die für die Identitätsfeststellung und Legitimation des Vertreters unabdingbar sind. Dies ist dann der Fall, wenn festgestellt werden kann, dass (i) der Vertretene teilnahme- und stimmberechtigt ist, (ii) der Vertreter ordnungsgemäß bevollmächtigt wurde sowie (iii) dessen Identität überprüfbar ist.248) Die Legitimation von gesetzlichen und organschaftlichen Vertretern erfolgt durch übliche Unterlagen (bei einer deutschen GmbH z. B. durch Vorlage des Handelsregisterauszuges). b) Hinweispflichten in der Einberufung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SchVG) 288 Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SchVG muss die Einberufung auf die Möglichkeit der Vertretung durch einen Bevollmächtigten ausdrücklich hinweisen. Zudem muss die Einberufung die Voraussetzungen für die wirksame Vertretung auflisten. Die Einberufung hat daher die für den Identitätsnachweis und die Legitimation erforderlichen Voraussetzungen verständlich und vollständig darzulegen. 289 Emittenten von Schuldverschreibungen, deren Herkunftsstaat i. S. d. § 2 Abs. 6 WpHG die Bundesrepublik Deutschland ist, haben zudem darauf zu achten, dass die Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 Nr. 6 WpHG gewahrt bleiben. Nach § 30a Abs. 1 Nr. 6 WpHG muss der Emittent sicherstellen, dass jeder stimmberechtigten Person zusammen mit der Einberufung zur Gläubigerversammlung oder nach deren Anberaumung auf Verlangen rechtzeitig in Textform ein Formular für die Erteilung einer Vollmacht für die Gläubigerversammlung übermittelt wird. Das alleinige Einstellen auf der Internetpräsenz der Emittenten genügt den Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 Nr. 6 WpHG nicht.249) c) Möglichkeit der Stimmrechtsvertretung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SchVG) 290 § 14 Abs. 2 Satz 2 SchVG setzt voraus, dass das Stimmrecht im Rahmen einer Gläubigerversammlung auch durch einen vom Schuldner benannten Stimmrechtsvertreter ausgeübt werden kann. In einem solchen Fall regelt § 14 Abs. 2 Satz 2 SchVG – der § 134 Abs. 3 Satz 5 AktG nachgebildet ist – das der Schuldner die Vollmachterklärung drei Jahre nachprüfbar festzuhalten hat.
___________ 248) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 14 Rn. 5. 249) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 14 Rn. 9; Binder, in: Hopt/ Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 14 SchVG Rn. 15.
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Mit der herrschenden Meinung im Aktienrecht ist davon auszugehen, dass 291 von dem Schuldner benannte Stimmrechtsvertreter das Stimmrecht nur aufgrund ausdrücklicher Weisungen ausüben können.250) Eine vergleichbare Regelung wie in § 135 AktG zum Depotstimmrecht findet 292 sich im SchVG nicht. Die Bevollmächtigung von Kreditinstituten zur Teilnahme und Abstimmung unterliegt daher den allgemeinen Regeln.251) 7. Durchführung der Gläubigerversammlung (§§ 15, 16 SchVG) Die Durchführung der Gläubigerversammlung ist im SchVG nur rudimentär 293 in § 15 SchVG und § 16 SchVG geregelt. Aufgrund dieser unvollständigen Regelungen stellen sich in der Praxis zahlreiche Fragen, die zunehmend auch ins Blickfeld des Schrifttums geraten sind.252) a) Vorsitz (§ 15 Abs. 1 SchVG) Nach § 15 Abs. 1 SchVG führt der Einberufende den Vorsitz in der Gläubi- 294 gerversammlung, sofern nicht das Gericht einen anderen Vorsitzenden bestimmt hat. Sofern der Schuldner die Gläubigerversammlung nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SchVG einberufen hat, führt dieser somit auch den Vorsitz. Gesetzlich berufener Versammlungsleiter ist das Geschäftsführungsorgan und nicht das Aufsichtsorgan.253) Interessenskonflikte nimmt der Gesetzgeber angesichts des klaren Wortlauts bewusst in Kauf.254) Die teilweise vertretene Ansicht, dass die Leitung der Gläubigerversammlung – mangels möglicher Neutralität – nicht durch ein Leitungsorgan des Schuldners erfolgen kann, ist mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 SchVG nicht vereinbar und abzulehnen. Eventuelle Verstöße gegen die notwendige Neutralität der Versammlungsführung, etwa die Ergreifung unzulässiger Ordnungsmaßnahmen, können zur Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse führen.255) Nicht abschließend geklärt ist, inwiefern der Schuldner verpflichtet ist, die 295 Leitung der Versammlung durch die Leitungsorgane höchstpersönlich wahr___________ 250) Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 134, Rn. 55 m. w. N. Für das SchVG Veranneman/ Gärtner, SchVG, 1. Aufl., 2010, § 14 Rn. 10; a. A. die wohl h. M. im schuldverschreibungsrechtlichen Schrifttum, vgl. etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 14 Rn. 5; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 14 SchVG Rn. 9. 251) Vgl. Preuße/Schindele, SchVG, § 14 Rn. 6; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 14 Rn. 5. 252) Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005 ff. 253) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 15 Rn. 2; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 2; Wasmann/ Steber, ZIP 2014, 2005, 2006; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 15 SchVG Rn. 28; Seibt, ZIP 2016, 997, 1005; a. A. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 6. 254) Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2006. 255) Preuße/Kirchner, SchVG, § 15 Rn. 7.
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nehmen zu lassen. Es wird vertreten, dass ein einberufender Schuldner (wie auch ein ggf. einberufender gemeinsamer Vertreter) über eine Delegationsbefugnis auf Dritte verfügt. Eine Delegationsbefugnis wird daraus gefolgert, dass der Einberufende (als Schuldner) typischerweise eine juristische Person ist und der gemeinsame Vertreter jedenfalls eine juristische Person sein kann. Dies spreche dafür, dass der Gesetzgeber keinen Wert auf eine höchstpersönliche Aufgabenwahrnehmung (durch eine natürliche Person) lege.256) Über eine entsprechende Konstellation, in denen eine genuin schuldnerfremde Person (bzw. ein im Verhältnis zum gemeinsamen Vertreter fremder Dritter) den Versammlungsvorsitz wahrgenommen hat, wurde bislang noch nicht entschieden. In der Praxis sollte die Versammlungsleitung dringendst durch das Leitungsorgan des Einberufenden erfolgen. 296 Sofern der gesetzlich bestimmte Vorsitzende durch ein Kollegialorgan vertreten wird, bietet es sich an und ist weitgeübte Praxis, dass ein Mitglied des vertretungsberechtigten Kollegialorgans die Leitungsfunktion wahrnimmt, während die anderen Mitglieder – ohne selbst aktiv zu werden – anwesend sind, die Leitungsmaßnahmen billigen und sich diese vorsorglich zu eigen machen.257) b) Aufgaben und Rechte des Versammlungsleiters (§ 15 Abs. 2 SchVG) 297 Das SchVG selbst hält sich wie das AktG auch mit der Beschreibung der Aufgaben und Rechte des Versammlungsleiters zurück. 298 In § 15 Abs. 2 SchVG ist lediglich ausgeführt, dass der Versammlungsleiter – neben der Regelung, dass er den Vorsitz führt (§ 15 Abs. 1 SchVG) – ein Teilnehmerverzeichnis aufzustellen hat. Zusätzlich obliegt es ihm, sofern eine Beschlussfassung mangels Erreichung des notwendigen Beschlussquorums von 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG) scheitert, eine „zweite Versammlung“ nach § 15 Abs. 2 Satz 3 SchVG einzuberufen,258) in der hinsichtlich des notwendigen Beschlussquorums gilt, dass entweder kein Beschlussquorum (§ 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 SchVG) oder ein Beschlussquorum von lediglich 25 % der ausstehenden Schuldverschreibungen (§ 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG) besteht. 299 Die Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters gehen jedoch über diese im SchVG normierten hinaus. So hat der Versammlungsleiter die Gläubigerversammlung zu leiten und verfügt dabei über alle organisatorischen Rechte, die zur sachgerechten Durchführung der Versammlung erforderlich sind; zudem ___________ 256) Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2006; a. A. etwa Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 15 SchVG Rn. 28. 257) Ebenso Otto, DNotZ 2012, 809, 816; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2006. 258) Zur zweiten Versammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG siehe sogleich Rn. 327 ff.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
hat der Versammlungsleiter für einen geordneten Ablauf Sorge zu tragen.259) Die dem Amt des Versammlungsleiters immanenten Rechte werden durch das für den Versammlungsort geltende Hausrecht ergänzt.260) Eine umfassende Darstellung der Aufgaben des Versammlungsleiters sowohl 300 vor als auch während der Gläubigerversammlung sowie denkbare Problemstellungen während der Durchführung der Gläubigerversammlung sollen hier nicht erfolgen.261) Vielmehr beschränken sich nachstehende Ausführungen auf Problemstellungen, die sich in der Praxis gezeigt haben bzw. auf denkbare künftige Problemstellungen im Zusammenhang mit der Versammlungsleitung bzw. Durchführung der Gläubigerversammlung. aa) Ordnungsmaßnahmen Bei der Durchführung der Gläubigerversammlung geht es fast ausnahmslos 301 um Situationen, in denen sich Emittenten in einer finanziellen Krise bzw. in einer Sanierungssituation befinden. Dementsprechend bedeuten die umzusetzenden Beschlussfassungen zumeist für die Anleihegläubiger einen Verlust eingesetzten Kapitals bzw. zumindest eine Unsicherheit bei einem Debt-toEquity-Swap. Es ist daher nicht auszuschließen, dass eine Gläubigerversammlung „emotional aufgeladen“ ist und dementsprechend seitens des Vorsitzenden Ordnungsmaßnahmen vonnöten werden. Diese kann der Versammlungsleiter ergreifen, wenn es für einen ordnungs- 302 gemäßen Ablauf der Versammlung oder der Tagesordnungspunkte erforderlich ist.262) Insofern gelten die für die Hauptversammlung der AG entwickelten Regeln.263) Stets hat der Vorsitzende darauf zu achten, dass die verfügte Ordnungsmaßnahme verhältnismäßig ist.264)
___________ 259) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 10. 260) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 10 m. w. N. auch zum SchVerschrG. 261) Vgl. hierzu etwa die umfassenden Ausführungen bei Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 11 ff. 262) Veranneman/Gärtner, SchVG, § 15 Rn. 3; Preuße/Preuße, SchVG § 15 Rn. 5 f.; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 4; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2007. 263) U. a. sind Rüge und Abmahnung denkbar ebenso wie die individuelle Begrenzung der Rede- und Fragezeit des Gläubigers sowie die Entziehung des Wortes und nach vorheriger Androhung die Weisung aus dem Saal. Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2007 m. w. N. zur aktienrechtlichen Hauptversammlung. 264) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 15 Rn. 10; Preuße/Preuße, SchVG, § 15 Rn. 6; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 5; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2007 m. w. N. zur aktienrechtlichen Hauptversammlung.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
bb) Behandlung von Verfahrensanträgen 303 Hinsichtlich der Behandlung von Verfahrensanträgen kann sich grundsätzlich an den Maßstäben zu Verfahrensanträgen in der aktienrechtlichen Hauptversammlung orientiert werden.265) 304 Zu beachten sind einige wichtige Unterschiede. So kann anders als die Hauptversammlung die Gläubigerversammlung – anders als etwa die aktienrechtliche Hauptversammlung – den Vorsitzenden (mangels Kompetenz) nicht abwählen.266) Anders als im Aktienrecht, in dem die Bestimmung des Versammlungsleiters der Gesellschaft überlassen bleibt, die dies entweder in der Satzung regeln oder durch die Hauptversammlung selbst beschließen lassen kann, ist die Bestimmung des Vorsitzenden der Gläubigerversammlung gesetzlich abschließend geregelt. Abweichende Regelungen in Anleihebedingungen existieren in der Praxis – soweit ersichtlich – bislang nicht. 305 Ein Antrag auf Abwahl des Vorsitzenden ist daher unmittelbar zurückzuweisen, ohne dass der Vorsitzende darüber abstimmen lassen müsste.267) c) Informationsrechte der Gläubiger (§ 16 Abs. 1 SchVG) 306 Gemäß § 16 Abs. 1 SchVG ist der Schuldner verpflichtet, jedem Gläubiger auf Verlangen in der Gläubigerversammlung Auskunft zu erteilen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung oder eines Vorschlages zur Beschlussfassung erforderlich ist. aa) Generelles Informationsrecht der Gläubiger 307 Aus dieser Auskunftspflicht ergibt sich das Fragerecht der Gläubiger und somit auch das Rederecht auf der Gläubigerversammlung.268) Bei dem Frageund Rederecht handelt es sich um ein individuelles Informationsrecht des Anleihegläubigers, welches durch die Anleihebedingungen nicht abbedungen werden kann. 308 Indes ist zu beachten, dass Auskunft grundsätzlich nur verlangt werden kann, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung, insbesondere eines Vorschlages zur Beschlussfassung, erforderlich ist. Auch wenn sich eine ähnliche Formulierung in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG findet und sich in der Hauptversammlung die Auskunft auf alle „Angelegenheiten der Gesellschaft“ zu beziehen hat, wird zu Recht angenommen, dass dies für die Gläubigerversammlung nach dem SchVG zu weit geht.269) Das ___________ 265) Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2007 m. w. N. 266) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 15 Rn. 12; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2007 m. w. N. 267) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2007. 268) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2008 m. w. N. 269) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Auskunftsrecht ist richtigerweise auf solche Angelegenheiten des Schuldners zu beschränken, die seine Bonität – und damit die Bonität der Anleihe – betrifft.270) bb) Auskunftsverweigerungsrecht des Schuldners Es stellt sich – trotz der sachlich begrenzten Reichweite des Auskunftsrechts 309 – die Frage, inwiefern dem Schuldner darüber hinaus ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht. § 16 Abs. 1 SchVG selbst enthält neben der Eingrenzung auf die erforderliche sachgemäße Beurteilung eines Tagesordnungspunktes keine Begrenzung des Fragerechts; dementsprechend werden Auskunftsverweigerungsrechte in der Gläubigerversammlung weitestgehend abgelehnt.271) Eine Ausnahme wird vertreten im Hinblick auf die in § 131 Abs. 3 Satz 1 310 Nr. 1 AktG und § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG normierten Auskunftsverweigerungsrechte.272) Im Falle des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG darf der Vorstand in der Haupt- 311 versammlung die Auskunft verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die schuldverschreibungsrechtliche Gläubigerversammlung ist zu bejahen.273) Ratio des Auskunftsverweigerungsrechts des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG ist u. a., dass die Weitergabe der vom Aktionär verlangten Information an Dritte, die nicht an der Hauptversammlung teilnehmen, zu einem Nachteil für die Gesellschaft oder für einen mit ihr verbundenes Unternehmen führen kann.274) Diese Interessenlage besteht auch bei einer Gläubigerversammlung nach dem 312 SchVG. Auch hier ist damit zu rechnen, dass bei der Offenbarung von Informationen gegenüber den in der Versammlung anwesenden Gläubigern, diese in der Folge an die breite Öffentlichkeit dringen. Solche Informationen, an denen ein gerechtfertigtes Geheimhaltungsinteresse besteht, können daher in der Versammlung zurückgehalten werden.275)
___________ 270) Wasmann/Steber, ZIP, 2014, 2005, 2009. 271) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009. 272) Etwa Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 16 Rn. 12.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 16 Rn. 8; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009; Seibt, ZIP 2016, 997, 1003 f. 273) Etwa Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 16 Rn. 14; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 16 Rn. 8; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009. 274) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009. 275) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
313 Auch hinsichtlich des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG ist eine analoge Anwendbarkeit im SchVG zu bejahen.276) Nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht dann, soweit sich der Vorstand durch die Erteilung der Auskunft strafbar machen würde.277) cc) Frage- und Redezeitbeschränkungen; begrenzte Protokollierung 314 Wie bei der aktienrechtlichen Hauptversammlung ist auch für die Gläubigerversammlung nach dem SchVG von der Möglichkeit des Vorsitzenden auszugehen, das Frage- und Rederecht der Gläubiger zeitlich zu beschränken.278) Dies erfolgt in der Praxis in der Weise, dass der Vorsitzende wie in der Hauptversammlung auch einen zeitlichen Rahmen für die Ausübung des Rede- und Fragerechts gibt.279) 315 In der Praxis stellt sich bisweilen die Frage, ob Gläubiger, denen nach ihrer Ansicht seitens der Schuldnerin die vollständige Beantwortung ihrer Frage verweigert wurde, Anspruch darauf haben, dass die Frage und der Grund, weshalb die Beantwortung verweigert worden ist, in die nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SchVG anzufertigende notarielle Niederschrift über die Versammlung aufgenommen wird.280) 316 Nach zutreffender Ansicht besteht ein solches Recht der Gläubiger nicht, da das SchVG eine § 131 Abs. 5 AktG entsprechende Regelung nicht enthält.281) Eine analoge Anwendung von § 131 Abs. 5 AktG kommt nicht in Betracht, da das Auskunftsrecht des Gläubigers in § 16 Abs. 1 SchVG eine eigenständige und abschließende Regelung erfahren hat.282) 317 Der betroffene Gläubiger ist somit gehalten, im Rahmen einer Anfechtungsklage, die auf die Verweigerung von Auskünften durch den Schuldner in der Gläubigerversammlung gestützt wird, den Nachweis der unzureichenden Auskunft und/oder der unberechtigten Auskunftsverweigerung mit den sonstigen ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln zu führen.283) Eine freiwillige ___________ 276) Etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 16 Rn. 8. 277) Zu den entstehenden Konflikten im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2009. 278) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 15 Rn. 15; Preuße/Preuße, SchVG, § 15 Rn. 5; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 15; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 5; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2010; a. A. Arbeitskreis Reform des SchVG, ZIP 2014, 845, 847. 279) Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2011. 280) Zu § 16 Abs. 3 SchVG siehe sogleich Rn. 318. 281) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2011. 282) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2011. 283) Wasmann/Steber, ZIP 2014 2005, 2011.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Aufnahme von (un-)beantworteten Fragen und Antworten ist rechtlich nicht zu beanstanden – über sie sollte vom Notar nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden nach Zweckmäßigkeit entschieden werden. d) Beschlussbeurkundung in der Versammlungsniederschrift Zu beachten ist, dass für die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse nach § 16 318 Abs. 3 Satz 1 SchVG erforderlich ist, dass diese durch eine in der Versammlung aufgenommene Niederschrift beurkundet werden.284) Findet die Versammlung im Inland statt, muss die Niederschrift nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 SchVG von einem Notar aufgenommen werden.285) 8. Beschlussfähigkeit, Beschlussmehrheiten und Abstimmung a) „Erste“ Gläubigerversammlung Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG ist die Gläubigerversammlung nur beschluss- 319 fähig, wenn die Anwesenden wertmäßig mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Es ist nach § 15 Abs. 3 Satz 5 SchVG möglich, in den Anleihebedingungen ein höheres Quorum festzulegen. Hiervon wird in der Praxis kein Gebrauch gemacht. Zur Ermittlung des Quorums bleiben nach § 15 Abs. 3 Satz 4 SchVG Schuld- 320 verschreibungen unberücksichtigt, deren Stimmrecht ruht. Das Stimmrecht aus den Schuldverschreibungen ruht in den nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SchVG beschriebenen Konstellationen – das heißt grundsätzlich dann, soweit die Gefahr besteht, dass der Emittent das Stimmrecht in ihrem Sinne ausübt oder ausüben lassen könnte.286) Die Feststellung der Beschlussfähigkeit obliegt dem Versammlungsleiter.287) 321 Wird das Beschlussquorum nicht erreicht, können keine Beschlüsse gefasst werden. Dies ist bei publikumsplatzierten Anleihen der Regelfall, da gerade bei diesen weitgestreuten Anleihen das notwendige Beschlussquorum von 50 % nahezu immer nicht erreicht wird. ___________ 284) Zum Inhalt der Niederschrift siehe Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 29 ff. m. w. N. 285) Zur Beurkundung bei einer im Ausland stattfindenden Gläubigerversammlung Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 33. Zur Frage, ob die notarielle Beurkundung im Rahmen der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ersetzt werden kann, siehe Rn. 537. 286) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 36. 287) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 15 Rn. 16; Preuße/Kirchner, SchVG, § 15 Rn. 5; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 36; Wasmann/Steber, ZIP 2014 2005, 2011; a. A. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 13, mit dem Argument, dass sich eine fehlende Beschlussfähigkeit bereits aus dem SchVG ergebe und eine Feststellung durch den Vorsitzenden somit lediglich deklaratorisch sei.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
322 Gleichwohl kann (und sollte) sich die Gläubigerversammlung mit den Tagesordnungspunkten befassen – der Emittent kann eine beschlussunfähige Versammlung als Informationsveranstaltung nutzen. Ein solcher Verlauf sollte seitens des einberufenden Emittenten antizipiert werden. 323 Geleitet wird die Abstimmung über die Beschlussanträge von dem Vorsitzenden. Dieser legt auch die Form der Stimmabgabe fest – vorbehaltlich einer (regelmäßig nicht vorliegenden) Regelung in den Anleihebedingungen oder eines ggf. gefassten Beschlusses der Gläubigerversammlung.288) Auch legt der Vorsitzende im Rahmen seiner Leitungsbefugnis die Art der Stimmauszählung fest.289) 324 Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 SchVG entscheiden die Gläubiger grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmrechte. Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG bedürfen Beschlüsse, durch welche der wesentliche Inhalt der Anleihebedingungen geändert wird, allerdings einer Mehrheit von mindestens 75 % der teilnehmenden Stimmrechte (qualifizierte Mehrheit). 325 Aus § 5 Abs. 4 SchVG ergibt sich nicht, ob Enthaltungen zu den an der „Abstimmung teilnehmenden Stimmrechten“ gehören. Die besseren Gründe sprechen gegen eine Berücksichtigung von Enthaltungen als „teilnehmende Stimmrechte“.290) So werden etwa bei der aktienrechtlichen Hauptversammlung Stimmenthaltungen bei den „abgegebenen Stimmen“ im Rahmen des § 133 AktG nach allgemeiner Meinung nicht mitgezählt.291) Dies sollte auch für die Gläubigerversammlung gelten. 326 Nach der Durchführung der Abstimmung und der Auszählung der Stimmen stellt der Vorsitzende das Beschlussergebnis fest. Die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung werden in die notarielle Niederschrift aufgenommen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 SchVG i. V. m. § 130 Abs. 2 Satz 1 AktG). b) „Zweite“ Gläubigerversammlung 327 Wird die mangelnde Beschlussfähigkeit der „ersten“ Gläubigerversammlung festgestellt, kann der Vorsitzende eine weitere „zweite“ Gläubigerversammlung zum Zweck der erneuten Beschlussfassung einberufen (§ 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG). Diese „zweite“ Versammlung ist grundsätzlich nach § 15 Abs. 3 Satz 3 SchVG beschlussfähig (d. h. es besteht kein Beschlussquorum).292) ___________ 288) 289) 290) 291) 292)
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Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 25. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 16 Rn. 26. Vgl. zur Problematik Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2012. Siehe statt vieler Hüffer/Koch, AktG, § 133 Rn. 12. Zur Frage, welche Bedeutung Ergänzungsverlangen zur Tagesordnung sowie Gegenanträge zu Beschlussanträgen des Schuldners für das Erfüllen der gesetzlichen Privilegierungsvoraussetzung „zum Zwecke der erneuten Beschlussfassung“ i. S. d. § 15 Abs. 3 Satz 2 haben eingehend Seibt, ZIP 2016, 997, 1007.
V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
Werden jedoch Beschlüsse gefasst, zu deren Wirksamkeit eine qualifizierte 328 Mehrheit i. S. d. § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG notwendig ist – wie dies i. d. R. bei der einzuberufenden Gläubigerversammlung in Sanierungskonstellationen der Fall sein wird –293) ist ein Beschlussquorum von mindestens 25 % der ausstehenden Schuldverschreibungen zur Beschlussfähigkeit nötig (§ 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG). Für die zweite Versammlung gelten hinsichtlich der Einberufung die gleichen 329 Verfahrensregelungen wie bei der Einberufung zu einer ersten Gläubigerversammlung, insbesondere die §§ 10, 12 und § 13 SchVG. 294) Einberufungsberechtigt zu einer zweiten Versammlung ist derjenige, der auch die erste Versammlung einberufen hat.295) Im Zusammenhang mit der Einberufungskompetenz zu einer zweiten Ver- 330 sammlung hatte der BGH sich jüngst mit der Frage zu befassen, ob eine Gläubigerminderheit gemäß § 9 Abs. 2 SchVG zur Einberufung einer zweiten Versammlung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG ermächtigt werden kann, wenn (i) eine zuvor einberufene Gläubigerversammlung mangels Erreichen des Quorums von 50 % nicht beschlussfähig war und (ii) der Versammlungsleiter die Einberufung einer zweiten Versammlung ablehnte.296) Dies hat der BGH unter Verweis auf Wortlaut und Regelungssystematik abgelehnt;297) auch eine entsprechende Anwendung von § 9 Abs. 2 SchVG komme nicht in Betracht.298) Damit ist klargestellt, dass die Entscheidung, ob eine zweite Versammlung stattfinden soll, alleinig im Ermessen des Vorsitzenden der (ersten) Gläubigerversammlung steht. Festzuhalten ist, dass sich die vorgenannte Rechtsprechung nur in den Kon- 331 stellationen auswirkt, in denen Beschlüsse gefasst werden sollen, deren Umsetzung keine Zustimmung des Schuldners erfordern, somit insbesondere Beschlüsse im Zusammenhang mit der Bestellung und den Aufgaben eines gemeinsamen Vertreters. Für Beschlüsse zur nachträglichen Änderung der Anleihebedingungen, die stets der Zustimmung des Schuldners bedürfen, ist das Verlangen einer Gläubigerminderheit gemäß § 9 Abs. 2 SchVG bei be-
___________ 293) Eine Ausnahme ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters ohne über die gesetzlichen Rechte hinausgehende Befugnisse (sog. „schwacher“ gemeinsamer Vertreter). 294) Differenzierend Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 15 SchVG Rn. 26 m. w. N. 295) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 14. 296) BGH ZIP 2015, 473, 475; dazu EWiR 2015, 239 (Just/Maiwald); auch DB 2015, 728 (Klockenbrink/Keßler). 297) BGH ZIP 2015, 473, 475. So schon die Vorinstanz, vgl. OLG Schleswig ZIP 2014, 221, 224 f. 298) BGH ZIP 2015, 473, 475.
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reits geäußerter Verweigerung der Zustimmung bereits nicht berechtigt bzw. rechtsmissbräuchlich.299) 9. Bekanntmachung der Beschlussfassung und sonstige Transparenzpflichten im Nachgang zur Gläubigerversammlung (§ 17 SchVG) a) Publikationspflichten nach § 17 SchVG 332 Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 SchVG hat der Schuldner die Beschlüsse der Gläubiger auf seine Kosten in geeigneter Form öffentlich bekannt zu machen – und zwar auch dann, wenn der Schuldner nicht zur Gläubigerversammlung einberufen hat.300) Die Bekanntmachungspflicht nach § 17 Abs. 1 SchVG bezieht sich dabei lediglich auf die Beschlüsse der Gläubiger, nicht auch auf die Anleihebedingungen der betreffenden Anleihen (sei es in ursprünglicher oder in geänderter Fassung infolge der Beschlüsse der Gläubiger).301) 333 Schuldner mit Sitz im Inland müssen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SchVG die Beschlüsse durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekanntmachen. Auch können die Anleihebedingungen die Veröffentlichung in weiteren Medien vorsehen.302) Sofern es sich bei den betroffenen Anleihen um zugelassene Wertpapiere i. S. v. § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG handelt (in der Praxis eher selten der Fall), ist die nach § 30e Abs. 1 WpHG (Medienbündel und Unternehmensregister) vorgeschriebene Veröffentlichung ausreichend.303) 334 Nach Maßgabe von § 17 Abs. 2 SchVG muss der Schuldner zudem (i) die Beschlüsse der Gläubiger sowie (ii) im Falle von Gläubigerbeschlüssen, die die Anleihebedingungen ändern, den Wortlaut der ursprünglichen Anleihebedingungen bekannt machen. Sowohl die Beschlüsse als auch die ursprünglichen Anleihebedingungen hat der Schuldner insofern vom Tag nach der Gläubigerversammlung an für die Dauer von mindestens einen Monat auf seiner Internetseite oder – soweit eine solche nicht vorhanden ist – auf der in den Anleihebedingungen festgelegten Internetseite der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ob das öffentliche Zugänglichmachen der neuen Anleihebedingungen ebenfalls notwendig ist, ist im Schrifttum umstritten;304) in ___________ 299) Ebenso Preuße/Schindele, SchVG § 9 Rn. 11; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 9 Rn. 33; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 910 f.; Moser, BB 2015, 719, 722. 300) Preuße/Kirchner, SchVG, § 17 Rn. 3; Binder, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 17 SchVG Rn. 3. 301) Zutreffend Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17 (SchVG), § 17 Rn. 6; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2012; a. A. Preuße/Kirchner, SchVG, § 17 Rn. 4. 302) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 17 Rn. 5. 303) Vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 17 Rn. 5; Wasmann/ Steber, ZIP 2014, 2005, 2012. 304) Zu Recht ablehnend Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2012 m. w. N., auch zur Gegenansicht.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
der Praxis ist eine solche Veröffentlichung der geänderten, neuen Anleihebedingungen üblich. Eine Verletzung der Pflichten nach § 17 SchVG berechtigt nicht zur Anfech- 335 tung der in der Anleihegläubigerversammlung gefassten Beschlüsse.305) Indes sollte auf eine unverzügliche Veröffentlichung der Bekanntmachungspflichten des § 17 SchVG geachtet werden, da an die Bekanntmachung der Beginn der Anfechtungsfrist des § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG anknüpft (und diese mithin zuvor grundsätzlich nicht in Gang gesetzt wird).306) b) Zugänglichmachen des Teilnehmerverzeichnisses Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 SchVG ist das Teilnehmerverzeichnis nach Unter- 336 zeichnung durch den Vorsitzenden unverzüglich allen Gläubigern zugänglich zu machen, sodass die Gläubiger das Abstimmungsergebnis innerhalb der Anfechtungsfrist nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG prüfen können.307) Dieser Pflicht ist Genüge getan, wenn den Gläubigern rechtzeitig innerhalb 337 der Anfechtungsfrist diese Prüfung ermöglicht wird.308) Ein Zugänglichmachen bereits während der Versammlung oder vor der Abstimmung ist, anders als in der Hauptversammlung der AG, nicht erforderlich.309) Auch besteht keine Pflicht, nach Ablauf der Anfechtungsfrist das Teilnehmerverzeichnis noch vorzuhalten.310) Die Frage, wie der Versammlungsleiter das Verzeichnis zugänglich zu machen 338 hat, lässt § 15 Abs. 2 Satz 3 SchVG offen. Der Gesetzgeber selbst regt die Möglichkeit an, das Teilnehmerverzeichnis auf der Internetpräsenz des Emittenten einzustellen. Dies wird jedoch im Hinblick auf datenschutzrechtliche Aspekte zu Recht als fragwürdig bezeichnet.311) Zwar ist denkbar, hier einen Sicherungsmechanismus wie etwa einen Passwortschutz einzuführen.312) Es ___________ 305) Allgemeine Meinung, vgl. statt vieler Preuße/Kirchner, SchVG, § 17 Rn. 4. Indes mag eine unterlassene Veröffentlichung Schadensersatzansprüche begründen, siehe Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 17 Rn. 11. 306) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 31. 307) Vgl. Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2012. 308) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 33; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 8. 309) Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 15 Rn. 8; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 33; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 15 Rn. 7; Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2012. 310) Zutreffend Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2012. 311) Hierzu Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 34. 312) Vgl. Preuße/Kirchner, SchVG, § 15 Rn. 11; Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 34.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
sollte jedoch ebenfalls ausreichen, wenn der Versammlungsleiter das Teilnehmerverzeichnis auf Anforderung eines Gläubigers an diesen versendet oder versenden lässt.313) c) Abschrift der notariellen Niederschrift 339 Nach § 16 Abs. 3 Satz 4 SchVG hat jeder Gläubiger, der in der Gläubigerversammlung erschienen oder durch Bevollmächtigten vertreten war, das Recht, binnen eines Jahres nach dem Tag der Versammlung vom Schuldner eine Abschrift der notariellen Niederschrift (nebst deren Anlagen) zu verlangen. Dabei genügt die Übermittlung einer einfachen Abschrift.314) 10. Vollzug von Gläubigerbeschlüssen 340 Gläubigerbeschlüsse erfordern nicht in sämtlichen Fällen zu ihrer Wirksamkeit des Vollzugs. So bedürfen etwa ablehnende oder feststellende Beschlüsse ebenso wenig des Vollzugs wie der Beschluss über die Bestellung des gemeinsamen Vertreters der Gläubiger.315) 341 Änderungen der Anleihebedingungen – dies sind in der Praxis die wesentlichen Beschlüsse einer Anleiherestrukturierung – verlangen hingegen zur Wirksamkeit den Vollzug, vgl. § 2 Satz 3 SchVG sowie § 4 Satz 1 SchVG. Sind die Anleihebedingungen in einer Sammelurkunde (Globalurkunde) verbrieft – wie bei börsennotierten Anleihen – regelt § 21 Abs. 1 SchVG den Vollzug der Änderung der Anleihebedingungen. 342 Der Vollzug hat in diesem Fall in der Weise zu erfolgen, dass die maßgebliche Sammelurkunde ergänzt oder verändert wird (§ 21 Abs. 1 Satz 1 SchVG). Hierzu hat der Versammlungsleiter – in der Regel somit die Geschäftsleitung des Schuldners – den in der notariellen Niederschrift dokumentierten Beschlussinhalt an die Wertpapiersammelbank mit dem Ersuchen zu übermitteln, die eingereichten Dokumente den vorhandenen Dokumenten in geeigneter Form beizufügen, vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 SchVG. 343 Zudem hat der Versammlungsleiter gegenüber der Wertpapiersammelbank zu versichern, dass der Beschluss vollzogen werden darf (§ 21 Abs. 1 Satz 3 SchVG). Dies ist nur dann der Fall, wenn kein Vollzugshindernis besteht. Ein Vollzugshindernis besteht dann, wenn innerhalb der Anfechtungsfrist des § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG eine Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassung erhoben wurde und (i) noch nicht rechtskräftig abgewiesen bzw. an-
___________ 313) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 15 Rn. 34. 314) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2013. 315) Wasmann/Steber, ZIP 2014, 2005, 2013.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
derweitig erledigt wurde oder (ii) kein positiver Beschluss in einem Freigabeverfahren ergangen ist.316) § 21 Abs. 2 SchVG trifft eine Regelung zum Vollzug von Beschlüssen, mit 344 denen Gläubiger einen gemeinsamen Vertreter zum Handeln bevollmächtigen bzw. ermächtigen. Von einer solchen Bevollmächtigung bzw. Ermächtigung darf der gemeinsame Vertreter erst dann Gebrauch machen, wenn der Beschluss, mit dem diese erteilt wird, vollzogen werden darf. Der gemeinsame Vertreter unterliegt somit für den Gebrauch der Vollmacht oder Ermächtigung im Grundsatz mindestens einer einmonatigen Wartefrist, namentlich der Anfechtungsfrist des § 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG.317) 11. Abstimmung ohne Versammlung (§ 18 SchVG) Neben der Abstimmung und der Fassung von Mehrheitsbeschlüssen durch 345 die Gläubiger im Rahmen von Gläubigerversammlungen sieht § 18 SchVG auch ein bislang unbekanntes Abstimmungsverfahren, die sog. Abstimmung ohne Versammlung, vor. a) Regelungsgegenstand und Zweck Ratio des neuen SchVG ist die Vergrößerung des Handlungsspielraums der 346 Gläubiger von Unternehmensanleihen entsprechend international üblicher Standards und das Versetzen der Gläubiger in die Lage, auf informierter Grundlage möglichst in kurzer Zeit und ohne unnötigen organisatorischen Aufwand Entscheidungen über die Anleihe zu treffen.318) Dieser Gedanke liegt der Abstimmung ohne Versammlung zugrunde,319) die bis zur Einführung des SchVG ohne gesetzliches Vorbild war. b) Abstimmung ohne Versammlung in der Restrukturierungspraxis Die Möglichkeit, eine Abstimmung ohne Versammlung abzuhalten, kann in 347 der Theorie zu einem erheblichen Kosten- und Zeitersparnis führen. Auch mag die Abstimmung ohne Versammlung ein flexibleres Handlungsinstrument in Fällen nur geringfügiger Anpassung der Anleihebedingungen bieten als eine Gläubigerversammlung nach §§ 9 ff. SchVG.
___________ 316) Zu letztgenanntem eingehend Abschnitt B. VIII. – Auch innerhalb der Anfechtungsfrist kann nach zutreffender Ansicht ein vollzugsbedürftiger Beschluss nicht vollzogen werden, siehe dazu Rn. 447. 317) Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 21 Rn. 23. Zu den Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 21 Abs. 2 SchVG vgl. Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 21 Rn. 25. 318) Vgl. eingehend zur Abstimmung ohne Versammlung Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353 ff. 319) Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
348 Bei der Restrukturierung publikumsplatzierter Unternehmensanleihen hat sich dieses Verfahren angesichts einer Vielzahl ungeklärter rechtlicher und praktischer Fragen jedoch (noch) nicht bewährt. Erste Erfahrungen in der Beratungspraxis zeigen, dass dem Schuldner – entgegen dem grundsätzlich begrüßenswerten Effizienzgedanken – doch ein nicht unerheblicher Kosten- und Zeitaufwand durch die Durchführung des Verfahrens nach § 18 SchVG entsteht. Von der Durchführung einer Abstimmung ohne Versammlung sollte deshalb bei einer geplanten Anleiherestrukturierung grundsätzlich abgesehen werden, sofern der Emittent nicht durch Festlegung des Verfahrens in den Anleihebedingungen zu einer Abstimmung ohne Versammlung „gezwungen“ ist. 349 Es kommt hinzu, dass die Abstimmung ohne Versammlung lediglich eine erste Gläubigerversammlung ersetzen kann, die aufgrund des Beschlussquorums von 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen regelmäßig beschlussunfähig ist.320) Die für einen Restrukturierungsprozess im Regelfall einzig relevante sog. zweite Gläubigerversammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG muss – auch wenn die Anleihebedingungen als Beschlussforum einzig die Abstimmung ohne Versammlung vorsehen – stets als Präsenzversammlung stattfinden (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 SchVG); für diese Präsenzversammlung gilt das oben Ausgeführte. 350 Wie die erste Gläubigerversammlung ist die Abstimmung ohne Versammlung aufgrund des zumeist verfehlten Beschlussquorums in der Regel ein reiner „Durchlauftermin“. Im Gegensatz zur Abstimmung ohne Versammlung kann die erste Gläubigerversammlung (als Präsenzversammlung) jedoch nutzbar gemacht werden, um Gläubiger für die Restrukturierung der Anleihe zu gewinnen – nicht zuletzt als Informationsveranstaltung. c) Grundzüge des Verfahrens nach § 18 SchVG 351 Auch wenn erste praktische Erfahrungen zeigen, dass bei der Restrukturierung von Anleihen die Herbeiführung von Gläubigerbeschlüssen durch Präsenzversammlungen vorzugswürdig ist, haben Emittenten teilweise in Anleihebedingungen die Abstimmung ohne Versammlung als Format zur Herbeiführung von Gläubigerbeschlüssen festgelegt; diese Emittenten sind an die Festlegung in den Anleihebedingungen gebunden.321) 352 Nachstehend soll daher – in gebotener Kürze – das Verfahren der Abstimmung ohne Versammlung dargestellt werden.
___________ 320) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 20. 321) Nach § 2 Satz 1 SchVG gilt das Skripturprinzip; Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 2 Rn. 55 f.; Veranneman/Hofmeister, SchVG, § 18 Rn. 1, 7.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
aa) Grundsatz: Entsprechende Anwendbarkeit der §§ 9 ff. Für die Abstimmung ohne Versammlung gilt nach § 18 Abs. 1 SchVG, dass 353 die Vorschriften der §§ 9 ff. SchVG entsprechend anzuwenden sind, sofern sich nicht aus den §§ 18 Abs. 2 – 6 SchVG etwas anderes ergibt. Darüber hinaus sind solche Vorschriften nicht anzuwenden, die nur im Zu- 354 sammenhang mit einer Gläubigerversammlung relevant sind, mithin eine physische Teilnahme voraussetzen bzw. regeln. Dazu gehört § 11 SchVG, der den Ort der Versammlung zum Gegenstand hat, sowie § 12 Abs. 1 Satz 1 SchVG, der die Angabe von Zeit und Ort in einer Einberufung voraussetzt.322) bb) Aufforderung zur Stimmabgabe Die Einberufung der Versammlung wird bei der Abstimmung ohne Ver- 355 sammlung durch die Aufforderung zur Stimmabgabe nach § 18 Abs. 3 Satz 1 SchVG ersetzt.323) In entsprechender Anwendung von § 9 Abs. 1 – 3 SchVG ist für die Auffor- 356 derungen entweder (i) der Schuldner, (ii) – sofern vorhanden – der gemeinsame Vertreter oder (iii) – nach Ermächtigung durch das Gericht im Verfahren nach § 9 Abs. 2 SchVG – eine qualifizierte Gläubigerminderheit zuständig. In der Aufforderung ist nach § 18 Abs. 3 Satz 1 SchVG der Zeitraum an- 357 zugeben, innerhalb dessen Stimmen abgegeben werden können. Der Zeitraum hat nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SchVG mindestens 72 Stunden zu betragen, wobei es für die Wirksamkeit der Stimmabgabe auf den Zugang beim Abstimmungsleiter ankommt.324) Die bisherige Praxis hat sich bei der Bemessung des Abstimmungszeitraums 358 überwiegend an diesem Mindestzeitraum orientiert, was bei publikumsplatzierten Anleihen nicht zuletzt mit der zutreffenden Erwartungshaltung begründet werden kann, dass das erforderliche Beschlussquorum von 50 % auch bei einem längeren Abstimmungszeitraum nicht erreicht würde. cc) Frist, Anmeldung und Nachweis Nach § 18 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 SchVG hat die Aufforderung zur Stimm- 359 abgabe mindestens 14 Tage vor dem ersten Tag der Abstimmung ohne Versammlung zu erfolgen.
___________ 322) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 7; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 7. 323) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 4. 324) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 3.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
360 Sehen die Anleihebedingungen ein Anmeldeerfordernis vor, verlängert sich die vierzehntägige Frist entsprechend (vgl. § 10 Abs. 2 SchVG). Auch im Übrigen sind die Anmeldungs- und Nachweiserfordernisse nach § 10 SchVG entsprechend auf die Abstimmung ohne Versammlung anzuwenden.325) dd) Inhalt und Bekanntmachung 361 Nach § 18 Abs. 1 i. V. m. § 12 SchVG sind die Regelungen zum Inhalt und zur Bekanntmachung der Einberufung auf die Aufforderung zur Stimmabgabe entsprechend anzuwenden. Zusätzlich sind in der Aufforderung zur Stimmabgabe die Voraussetzungen anzugeben, unter denen die abgegebenen Stimmen gezählt werden. Dies betrifft – neben den schon aus der Einberufung zu einer Gläubigerversammlung relevanten Fragen zur Anmeldung und Legitimation – insbesondere Fragen zum Abstimmungszeitraum sowie zur Form der Stimmabgabe.326) 362 Nach § 18 Abs. 3 Satz 3 SchVG hat die Stimmabgabe in Textform (§ 126b BGB) zu erfolgen, wobei die Anleihebedingungen darüber hinaus weitere Formen der Stimmabgabe zulassen können. Ein Versammlungsort ist mangels Präsenzversammlung naturgemäß nicht anzugeben. Stattdessen ist die postalische, elektronische bzw. sonstige Adresse anzugeben, bei welcher die Stimmabgaben zuzugehen haben.327) ee) Tagesordnung, Vertretung 363 Nach § 18 Abs. 1 i. V. m. §§ 13, 14 SchVG sind die Bestimmungen über die Tagesordnung und Regelungen über die Vertretung auf die Abstimmung ohne Versammlung entsprechend anzuwenden.328) Im Vergleich zur Gläubigerversammlung ist bei der Abstimmung ohne Versammlung zu beachten, dass eventuelle Gegenanträge tatsächlich gestellt werden müssen. Die bloße Ankündigung eines Gegenantrags verpflichtet den Emittenten nicht, diesen bei der Abstimmung ohne Versammlung nach § 13 Abs. 4 SchVG zugänglich zu machen.329)
___________ 325) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 5; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 6. 326) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 8; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 4 ff. 327) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 30 ff.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 7a. 328) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 9; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 8. 329) Vertiefend Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
ff) Leitung der Abstimmung, Beschlussfähigkeit An die Stelle des Vorsitzenden der Versammlung tritt bei einer Abstimmung 364 ohne Versammlung nach § 18 Abs. 2 Satz 1 SchVG der Abstimmungsleiter. Abstimmungsleiter ist ein vom Schuldner beauftragter Notar oder der gemeinsame Vertreter der Gläubiger, sofern dieser zu der Abstimmung aufgefordert hat, bzw. im Falle des § 9 Abs. 2 eine vom Gericht bestimmte Person.330) Ungeklärt ist, ob auch ein ausländischer Notar mit der Abstimmungsleitung 365 beauftragt werden kann; nach zutreffender Ansicht kann ein ausländischer Notar mit der Abstimmungsleitung dann beauftragt werden, wenn dieser nach seiner Vorbildung und Stellung im Rechtsverkehr einem deutschen Notar seiner Funktion nach vergleichbar ist.331) Der Abstimmungsleiter hat auf Basis der eingereichten Nachweise die Be- 366 rechtigung zur Stimmabgabe festzustellen und ein Verzeichnis von Stimmrechten der Gläubiger zu erstellen (§ 18 Abs. 4 Satz 1 SchVG). Für die Erstellung des Verzeichnisses gelten § 15 Abs. 2 Sätze 2, 3 SchVG entsprechend. Auf Grundlage der während des Abstimmungszeitraums zugegangenen 367 Stimmerklärungen hat der Abstimmungsleiter festzustellen, ob das Beschlussquorum von 50 % der ausstehenden Schuldverschreibungen erreicht wurde. Sofern dies nicht der Fall ist, kann eine zweite Gläubigerversammlung (als Präsenzversammlung) i. S. d. § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG einberufen werden (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 SchVG). Umstritten und noch nicht final geklärt ist, ob – bei einer Abstimmung ohne 368 Versammlung, die auf Betreiben des Schuldners zurückzuführen ist – der Abstimmungsleiter oder der Schuldner die zweite Versammlung einzuberufen hat.332) Die Praxis behilft sich damit, dass sowohl der Schuldner als auch der Abstimmungsleiter zur Versammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG einberuft.333)
___________ 330) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 11; Veranneman/Hofmeister, SchVG, § 18 Rn. 17. 331) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 12; Veranneman/Hofmeister, SchVG, § 18 Rn. 18; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 9. 332) Für eine Einberufung durch den Abstimmungsleiter Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 19; Müller, in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, § 18 Rn.4; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 11; für eine Einberufung durch den Schuldner hingegen Veranneman/Hofmeister, SchVG, § 18 Rn. 30. 333) Vgl. beispielhaft Gebr. Sanders GmbH & Co. KG, Einladung zur zweiten Gläubigerversammlung v. Dez. 2015, veröffentlich im Bundesanzeiger am 16.12.2015.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
gg) Auskunftspflichten? 369 Ob auch im Rahmen der Abstimmung ohne Versammlung Auskunftspflichten des Schuldners bestehen, ist umstritten.334) Aufgrund des Generalverweises in § 18 Abs. 1 SchVG auch auf § 16 SchVG und dem Fehlen einer abweichenden Regelungen in § 18 Abs. 2 bis 6 SchVG könnte davon ausgegangen werden, dass auch bei einer Abstimmung ohne Versammlung der Schuldner zur Auskunftserteilung nach § 16 Abs. 1 SchVG verpflichtet ist. 370 Nach herrschender Meinung soll ein solches Auskunftsrecht bei der Abstimmung ohne Versammlung jedoch nicht bestehen, da die Abstimmung ohne Versammlung konzeptionell nicht auf Diskussion und Informationsaustausch angelegt sei, sondern lediglich einen Mechanismus für die Abstimmung bereitstelle.335) 371 Auch wenn dies in der Sache überzeugt, verleiben Rechtsunsicherheiten; insbesondere bei einer Abstimmung ohne Versammlung in der – ausnahmsweise – mit einer Erreichung des Beschlussquorums zu rechnen ist, sollte, um Anfechtungsrisiken zu vermeiden, erwogen werden, einem Auskunftsverlangen nachzukommen und die Auskünfte sämtlichen Gläubigern zugänglich zu machen.336) hh) Abstimmung, Niederschrift und Bekanntmachung 372 Sofern die Beschlussfähigkeit erreicht wurde, erfolgt die Auszählung der Stimmen durch den Abstimmungsleiter. Zu jedem gefassten Beschluss ist eine Niederschrift durch einen Notar aufzunehmen; dieser wird bei einer Abstimmung ohne Versammlung auf Veranlassung des Schuldners typischerweise mit dem Abstimmungsleiter identisch sein, zwingend ist dies jedoch nicht.337) 373 Noch nicht geklärt ist die in der Praxis aufgetretene Problematik der sog „Stimmvermehrung“.338) Da bei der Abstimmung ohne Versammlung die Stimme nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt abzugeben ist, sondern innerhalb eines mehrtägigen Zeitraums abgegeben werden kann, können Anleihegläubiger abstimmen, anschließend die Schuldverschreibung veräußern und der Erwerber könnte aus derselben Schuldverschreibung erneut abstimmen. 374 Für diesen Fall hat der Abstimmungsleiter Vorkehrungen zu treffen, dass auch bei mehrfacher Stimmabgabe aus derselben Schuldverschreibung nur die erste abgegebene Stimme gezählt wird. Dies erübrigt sich naturgemäß in den___________ 334) Vertiefend Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353. 335) Begr. RegE, BT-Drucks. 16/12814, S. 24; anders Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353, 358 ff.; auch Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 21. 336) Zur praktischen Umsetzung vgl. Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353, 358 ff. 337) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 22. 338) Vgl. Veranneman/Hofmeister, SchVG, § 18 Rn. 33.
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V. Ablauf Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung
jenigen Fällen, in denen die Anleihebedingungen ein Anmeldeerfordernis vorsehen; in diesem Fall ist nur der Gläubiger stimmberechtigt, der im relevanten Zeitpunkt Inhaber der Schuldverschreibung ist.339) Die Vorschriften über die Bekanntmachung von Beschlüssen (§ 17 SchVG) 375 sind auf Beschlüsse, die durch eine Abstimmung ohne Versammlung zustande kommen, entsprechend anzuwenden. ii) Beschlusskontrolle § 18 Abs. 5 SchVG regelt das Widerspruchsrecht der an der Abstimmung 376 teilnehmenden Gläubiger. Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 1 SchVG richtet sich der Widerspruch gegen das „Ergebnis“. Darunter ist das in der Niederschrift aufgenommene und vom Abstimmungsleiter festgestellte Schlussergebnis zu einem bestimmen Beschlussthema zu verstehen.340) Im Unterschied zu § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG regelt § 18 Abs. 5 Satz 1 SchVG somit nicht den Widerspruch gegen einen Beschluss als solches.341) Vielmehr können nach § 18 Abs. 5 Satz 1 SchVG nur solche Mängel mit dem Widerspruch geltend gemacht – und auch nur durch diesen abgeholfen – werden, die sich gegen das Zustandekommen des Beschlussergebnisses richten, sprich vor allem Zählfehler, die Berücksichtigung ungültiger Stimmen oder sonstige formale Fehler. Es besteht jedoch Einigkeit, dass auch gegen Beschlüsse, die in einer Ab- 377 stimmung ohne Versammlung gefasst wurden, Widerspruch aufgrund inhaltlicher Mängel nach der allgemeinen Vorschrift des § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG erhoben werden können. Die Klagebefugnis hängt – sowohl beim Widerspruch gegen das Ergebnis als 378 auch gegen den Beschluss als solches – grundsätzlich von dem vorherigen fristgerechten Widerspuch ab (vgl. § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG).342) jj) Kostentragung Es bestehen inhaltlich keine Unterschiede zur Kostentragungsregelung bei 379 einer Versammlung nach § 9 Abs. 4 SchVG. Gemäß § 18 Abs. 6 SchVG hat der Schuldner die Kosten der Abstimmung ohne Versammlung zu tragen. Sofern das Gericht einem Antrag nach § 18 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 SchVG stattgegeben hat, sind auch die Kosten dieses Verfahrens zu tragen. ___________ 339) Zur problematischen Implementierung eines record dates siehe Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 6. 340) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 36; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 18 Rn. 17 ff. 341) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 36. 342) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 18 Rn. 35.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
VI. Prospekterfordernisse 1. Einleitung 380 Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital ist nicht nur Bestandteil, sondern „Herzstück“ der finanziellen Restrukturierung sein. Insbesondere institutionelle Gläubiger, die sich „non-par“, d. h. unterhalb des Nennwerts, in eine Anleihe eingekauft haben, haben regelmäßig ein Interesse daran, mit ihren Verbindlichkeiten – zumindest teilweise – in eine Anteilseignerposition zu wechseln. Ein solcher Debt-to-Equity-Swap hat für eine Aktiengesellschaft – von der zum Zwecke der folgenden Darstellung ausgegangen wird – erhebliche Vorteile. 381 Bei einem Debt-to-Equity-Swap nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG legen Anleihegläubiger ihre Forderungen aus den Schuldverschreibungen (Hauptforderung sowie Zinsen, typischerweise zu einem bestimmten Stichtag) als Sacheinlage ein und erhalten im Gegenzug (neue) Aktien an dem Emittenten. Die Umsetzung eines solchen Debt-to-Equity-Swaps benötigt – wie gezeigt – neben der notwendigen Beschlussfassung der Anleihegläubigerversammlung auch einen Beschluss der Hauptversammlung hinsichtlich der Sachkapitalerhöhung. 382 Speziell im Hinblick auf die zeitliche Umsetzung der Gesamttransaktion (einschließlich der Ausgabe neuer Aktien) stellt sich die Frage, ob und vor allem zu welchem Zeitpunkt für die zuzuteilenden Aktien ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) nach Maßgabe von § 13 WpPG zu billigender Wertpapierprospekt vorliegen muss. 2. Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG 383 Nach § 3 Abs. 1 WpPG dürfen Wertpapiere in Deutschland erst dann öffentlich angeboten werden, nachdem der Anbieter der Wertpapiere zuvor einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt nach den Vorgaben des WpPG sowie der EU-Prospektverordnung veröffentlicht hat. 384 Beim „Umtausch“ von Anleihen in Aktien stellt sich die Frage, ob und inwiefern im Laufe des Restrukturierungsprozesses ein „öffentliches Angebot“ nach Maßgabe von § 2 Nr. 4 WpPG vorliegt, welches eine grundsätzliche Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG auslöst.343) Ein „öffentliches Angebot“ ist nach § 2 Nr. 4 Halbs. 1 WpPG eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informati___________ 343) Die Problematik eines prospektpflichtigen öffentlichen Angebots stellt sich aufgrund der Vorgaben des Vermögensanlagegesetzes (VermAnlG) nicht nur im Hinblick auf Aktien (als Wertpapiere im Sinne des WpPG) sondern insbesondere auch beim Umtausch von Anleihen in (neue) GmbH-Anteile als Vermögensanlagen i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 VermAnlG. Beim Vorliegen eines „öffentlichen Angebots“ – vorbehaltlich eventueller Ausnahmen nach Maßgabe von § 2 VermAnlG – ist der Emittent zur Veröffentlichung eines entsprechenden Prospekts verpflichtet.
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VI. Prospekterfordernisse
onen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf und die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Nach bisheriger Verwaltungspraxis der BaFin stellt – im Einklang mit der 385 herrschenden Meinung im Schrifttum344) – bereits die Veröffentlichung der Einladung zu der (ersten, vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG ) Anleihegläubigerversammlung, die über den Beschlussvorschlag der Gesellschaft über den (unmittelbaren) Umtausch der Schuldverschreibungen in neue Aktien beschließen soll, ein prospektauslösendes, öffentliches Angebot i. S. d. § 2 Nr. 4 WpPG dar. Dem gegenüber verneinen Teile des Schrifttums insoweit das Vorliegen eines 386 „öffentlichen Angebots“ und damit einer Prospektpflicht nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 WpPG bei einem Debt-to-Equity-Swap nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG.345) Dies überzeugt grundsätzlich, da es nach zutreffendem Verständnis bei einem Debt-to-Equity-Swap nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG bereits an einer individuellen Anlageentscheidung eines jeden Anleihegläubigers fehlt – diese ist jedoch kennzeichnend für das Vorliegen eines öffentlichen Angebots. Die fehlende „individuelle Anlageentscheidung“ ergibt sich bereits aus der Verbindlichkeit des Mehrheitsbeschlusses für sämtliche Anleihegläubiger (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 SchVG). So vermag ein Beschluss der Gläubigerversammlung (im Rahmen einer sog. zweiten Gläubigerversammlung nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG) unter Umständen bereits mit Stimmrechten von 18,75 % der ausstehenden Schuldverschreibungen gefasst werden. Bereits dieser geringe Prozentsatz zur Konstituierung der Kollektiventscheidung rechtfertigt es, hier eine Parallele zu den ähnlich gelagerten umwandlungsrechtlichen Umtauschtransaktionen der Verschmelzung oder Spaltung zu ziehen; bei diesen wird im Hinblick auf die fehlende individuelle Willenserklärung des einzelnen Anlegers ein Prospekterfordernis abgelehnt.346) Das wünschenswerte Ergebnis der fehlenden Prospektpflicht nach Maßgabe 387 des § 3 Abs. 1 WpPG347) lässt sich jedoch de lege lata bei – und auch im Hinblick auf eine hinreichende Transaktionssicherheit – einer finanziellen Restrukturierung nicht zugrunde legen. De lege ferenda wäre zu wünschen, dass
___________ 344) Vgl. etwa Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 64: Becker/Pospiech, NJW-Spezial 2014, 591; Schneider, AG 2016, 341, 344. Zum Meinungsbild vgl. Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 72 ff. 345) Cahn/Hutter/Kaulomo/Meyer/Weiß, WM 2014, 1309, 1313 ff. 346) Vgl. Cahn/Hutter/Kaulamo/Meyer/Weiß, WM 2014, 1309, 1314 m. w. N. 347) Unberührt bliebe davon eine Prospektpflicht nach § 3 Abs. 4 WpPG im Hinblick auf einen Börsenzulassungsprospekt. Allerdings ist eine solche Zulassung rechtlich gem. § 69 Abs. 1 und 2 BörsZulV erst binnen eines Jahres zu beantragen, vgl. hierzu Cahn/ Hutter/Kaulamo/Meyer/Weiß, WM 2014, 1309, 1315.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
für den Debt-to-Equity-Swap nach dem SchVG eine Ausnahme von der Prospektpflicht ausdrücklich normiert wird.348) 3. Debt-to-Equity-Swap durch Umtausch der Anleihen in Erwerbsrechte 388 In Anbetracht der bisherigen Verwaltungspraxis muss derzeit von einem Prospekterfordernis beim (unmittelbaren) Debt-to-Equity-Swap nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG ausgegangen werden – und zwar bereits mit der Einladung zur Anleihegläubigerversammlung. Demzufolge muss zu diesem Zeitpunkt auch ein gebilligter Prospekt gemäß § 3 Abs. 1 WpPG vorliegen, sofern nicht ein Befreiungstatbestand nach § 3 Abs. 2 WpPG vorliegt. Dies wird bei einer breit gestreuten Unternehmensanleihe regelmäßig nicht der Fall sein. 389 Die Erstellung eines solchen Prospekts bis zu diesem Zeitpunkt ist jedoch kaum realisierbar, da – neben zeitlichen Aspekten – die für die Prospektbilligung beizubringenden Unterlagen (etwa testierte Jahres und- Konzernabschlüsse) zu diesem Zeitpunkt der finanziellen Restrukturierung kaum vorliegen werden. 390 Praktisch bietet sich für die Durchführung eines Debt-to-Equity-Swaps – wie bereits dargestellt – nur eine Lösung über die Gewährung von Erwerbsrechten, die zum Bezug neuer Aktien berechtigen, an.349) Eine Gewährung von Erwerbsrechten ist nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SchVG, der auch den Umtausch von Schuldverschreibungen in „andere Wertpapiere“ bzw. „andere Leistungsversprechen“ eröffnet, möglich. 391 Über die Einräumung von Erwerbsrechten, die erst ab einem bestimmen künftigen Zeitpunkt zum Erwerb von Wertpapieren berechtigten, ist gesichert, dass die Anleihegläubiger bei der Beschlussfassung über den Debt-toEquity-Swap noch keine konkrete Anlageentscheidung in Bezug auf den Erwerb von Aktien an dem Emittenten treffen. Vielmehr wird diese Entscheidung auf den Zeitpunkt verlagert, an dem die Erwerbsrechte seitens der Anleihegläubiger erstmals ausgeübt werden können. Mit der Einräumung von Erwerbsrechten hat der Anleihegläubiger die Wahl, ob er für die Hingabe seiner Schuldverschreibungen neue Aktien des Emittenten bezieht oder diese zu seinen Gunsten verwerten lässt. Auch hat der Weg über frei auszuübende Erwerbsrechte den „Charme“, dass ein offener Konflikt zur verfassungsrechtlich verankerten negativen Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG vermieden wird.350) ___________ 348) So bereits Cahn/Hutter/Kaulamo/Meyer/Weiß, WM 2014, 1309, 1315 f.; ebenfalls Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 74; vgl. hierzu auch Schneider, AG 2016, 341, 345. 349) Vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 52. 350) Vgl. Friedl/Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 5 Rn. 52.
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VII. Kündbarkeit von Anleihen
Bei einer solchen Struktur, die bereits mehrfach praktisch umgesetzt wurde, 392 liegt erst mit Beginn der Erwerbsfrist das öffentliche Angebot i. S. v. § 2 Nr. 4 WpPG vor. Somit ist auch erst zu diesem (späteren) Zeitpunkt ein gebilligter Prospekt zu veröffentlichen. Aus prospektrechtlicher Sicht wird durch die Einräumung von Erwerbsrech- 393 ten der Restrukturierungsprozess erheblich entspannt. So können von der Einladung zur Gläubigerversammlung bis zum Beginn der Erwerbsfrist unter Umständen mehrere Monate vergehen, in denen etwaige Anfechtungsklagen gegen die Beschlussfassung der Anleihegläubigerversammlung und/oder der Hauptversammlung – die auch über die Sachkapitalerhöhung beschließt – die Restrukturierung verzögern können. Hier muss die (faktische) Vollziehbarkeit der Beschlüsse von Gläubiger- und Hauptversammlung erst durch Freigabeverfahren nach Maßgabe von § 246a AktG (i. V. m. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG)351) bzw. auf andere Weise (z. B. durch Bewirken einer Klagerücknahme seitens anfechtender Anleihegläubiger oder Aktionäre) erreicht werden. Zudem erhöht die Verlagerung der Prospektpflicht auf das Ende eines Re- 394 strukturierungsprozesses die Wahrscheinlichkeit einer positiven Billigungsentscheidung der BaFin; typischerweise wird erst mit dem „nahezu sicheren“ Erfolg einer finanziellen Restrukturierung der Abschlussprüfer den – für die Prospektbilligung grundsätzlich notwendigen – Bestätigungsvermerk für den letzten Jahresabschluss erteilen.352) 4. Zusammenfassung Nach derzeitiger Verwaltungspraxis liegt bereits in der Einladung zur Anlei- 395 hegläubigerversammlung, die über einen (unmittelbaren) Debt-to-EquitySwap beschließt, ein prospektpflichtiges öffentliches Angebot i. S. v. § 3 Abs. 1 WpPG. Diese Prospektpflicht kann zeitlich nach hinten verlagert werden, indem nicht unmittelbar der Tausch in Aktien, sondern lediglich in Erwerbsrechte beschlossen wird, die ihrerseits erst ab Beginn der Erwerbsfrist – die etwa nach Abschluss eventueller Freigabeverfahren terminiert werden kann – zum Bezug neuer Aktien berechtigen. VII. Kündbarkeit von Anleihen Im Rahmen der Restrukturierung von Anleihen sind individuelle353) Anleihe- 396 kündigungen in besonderem Maße zu beachten; diese können unter Umständen auf die Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsprozesses erheblichen Einfluss entwickeln. ___________ 351) Hierzu sogleich Rn. 463 ff. 352) Zutreffend Becker/Pospiech, NJW-Spezial 2014, 591, 592. 353) Zur Problematik der in Anleihebedingungen selten vorgesehenen Gesamtkündigung siehe etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 5 Rn. 63 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
1. Ausgangslage, BGH vom 8. Dezember 2015 und offene Fragen a) Kündigung von Anleihen in Restrukturierungsprozessen 397 In Restrukturierungsprozessen werden im Regelfall – zumeist auf Geheiß des Emittenten – Maßnahmen zur Restrukturierung der Anleihe nach dem SchVG im Wege von Beschlussfassungen der Anleihegläubiger eingeleitet. 398 Diesen Maßnahmen ist gemein, dass sie für den individuellen Anleihegläubiger einen finanziellen Einschnitt bedeuten.354) Typischerweise kündigt daher bei Ankündigung eines Restrukturierungsprozesses ein Teil der Anleihegläubiger die von ihnen gehaltenen Anleihestücke und verlangt – auch im Klagewege – die Zahlung des vollen Nennbetrags, um sich auf diesem Wege der Restrukturierung zu entziehen.355) 399 Die Motivationslage der kündigenden (und ggf. auch klagenden) Anleihegläubiger ist dabei von ganz unterschiedlicher Natur: Viele Anleihegläubiger, die Anleihestücke zu einem Preis gekauft haben, der annähernd dem Nennwert entspricht – somit typischerweise dann, wenn der Emittent sich noch nicht in einer Krise befand – möchten schlicht „ihr Geld zurück“. Andere wiederum nutzen die Krise eines Unternehmens – von der die interessierte Öffentlichkeit über Unternehmens- bzw. Ad-hoc-Mitteilungen weiß – dazu, Anleihen erst zu einem Preis weit unter dem Nennbetrag zu erwerben, um sie anschließend zu kündigen (und den Nennbetrag zur Rückzahlung zu verlangen). 400 Empirisch belastbare Richtwerte im Hinblick auf das Kündigungsvolumen nach erfolgter Ankündigung eines finanziellen Restrukturierungsbedarfs gibt es aufgrund der Unterschiedlichkeit der Restrukturierungsprozesse nicht. Daneben ist aufgrund der noch weitgehend ungesicherten Rechtslage die Kündigungsbereitschaft bislang vergleichsweise gering356) und dürfte durch das Urteil des BGH vom 8.12.2015357) noch einmal sinken. Gleichwohl vermag die Zahl der Kündigungen – gerade bei einem hohen Anleihevolumen – ein signifikantes Maß zu erreichen. Insbesondere im Falle drohender Illiquidität kann die durch wirksame Kündigungen begründete Fälligkeit von Anleihestücken (dazu sogleich) das „Fass zum Überlaufen bringen“ und eine Insolvenzreife begründen. ___________ 354) Denkbar ist, dass bei einem (ggf. auch teilweisen) „Debt-to-Equity-Swap“ der Wert der den einzelnen Anleihegläubigern zugeteilten Gesellschaftsanteilen (d. h. typischerweise Aktien) langfristig – sofern das Unternehmen dauerhaft erfolgreich saniert ist – den Wert des umgewandelten Fremdkapitals übersteigt. 355) Vgl. etwa den zugrunde liegenden Sachverhalt LG Frankfurt/M., v. 25.4.2014 (2-18 O 429/13) – bislang unveröffentlicht, Vorinstanz zu OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176 ff. und BGH ZIP 2016, 308 ff. 356) In der Praxis bislang zwischen ca. 1 % und ca. 15 % des gesamten ausstehenden Anleihevolumens. 357) BGH ZIP 2016, 308.
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VII. Kündbarkeit von Anleihen
b) Entscheidung des BGH vom 8. Dezember 2015 Mit der Entscheidung des BGH vom 8.12.2015358) hat sich die Relevanz von 401 Anleihekündigungen im laufenden Restrukturierungsprozess grundlegend geändert. Der BGH entschied, dass die rechtswirksame Anleihekündigung lediglich 402 zur sofortigen Fälligkeit der Anleiheforderungen führt, jedoch nicht dazu, dass die Anleihestücke aus der Anleiheemission ausscheiden.359) In der Rechtsfolge führt dies dazu, dass auch die gekündigten Anleihestücke 403 an einer Restrukturierung nach dem SchVG teilnehmen, mithin von den Beschlüssen einer Gläubigerversammlung nach Maßgabe der §§ 5 ff. SchVG erfasst werden. Zur Begründung zog der BGH insbesondere den Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 Satz 1 SchVG heran, der normiert, dass Mehrheitsbeschlüsse für alle Gläubiger gleichermaßen verbindlich sind. Die Vorschrift diene dazu, die Gläubiger in einer Krise durch ein geordnetes, faires und transparentes Verfahren an der vorinsolvenzlichen Sanierung gleichermaßen zu beteiligen. Könnten Gläubiger sich durch die Kündigung der Bindung eines Mehrheitsbeschlusses entziehen, würde dies den Erfolg der Restrukturierung massiv negativ beeinflussen und dem SchVG seine praktische Relevanz absprechen.360) Die Begründung des BGH ist überzeugend. c) Auswirkungen der Entscheidung auf den Restrukturierungsprozess Die Entscheidung des BGH führt dazu, dass bei angekündigten Restruktu- 404 rierungen nach dem SchVG eine Kündigung von gehaltenen Anleihestücken für einen Anleihegläubiger weitestgehend ohne nennenswerten Effekt bleibt: Wird die Anleiherestrukturierung erfolgreich durch den Vollzug beschlossener Änderungen der Anleihegläubiger finalisiert, unterfallen auch (wirksam) gekündigte Anleihestücke einem Beschluss der Anleihegläubiger nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Satz 1 SchVG. Sofern hingegen eine Restrukturierung der Anleihe nach dem SchVG im laufenden Sanierungsprozess scheitert, muss der Emittent in der Regel die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen – mit der Folge, dass sämtliche Anleiheforderungen zu Insolvenzforderungen werden. In beiden Fällen führt die Kündigung nicht zu dem gewünschten Ziel, dass die Anleihestücke aus der Anleiheemission ausscheiden. d) Offene Fragen Die Entscheidung des BGH bringt für Anleiheemittenten dahingehende 405 Rechtssicherheit, dass auch gekündigte Anleihen an der Restrukturierung ___________ 358) BGH ZIP 2016, 308 = DB 2016, 408 mit zust. Anmerkung Wilken, DB 2016, 521; zustimmend auch Seibt, EWiR 2016, 457 f.; Lürken, GWR 2016, 78; ablehnend hingegen Florstedt, ZIP 2016, 645, 649 f. 359) BGH ZIP 2016, 308; so auch schon LG Bonn ZIP 2014, 1073, 1076, dazu EWiR 2014, 481 (Paulus). 360) BGH ZIP 2016, 308.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
teilnehmen; durch eine Kündigung kann sich der Anleihegläubiger den Beschlüssen der Gläubigermehrheit nicht entziehen. 406 Trotz dieser Entscheidung ist die Frage der Wirksamkeit von Anleihekündigungen im Restrukturierungsprozess weiterhin nicht nur von akademischem Interesse. Geschäftsführung und Berater müssen prüfen, ob die ausgesprochenen Kündigungen Auswirkungen auf die Liquidität bzw. den Liquiditätsplan haben. Ist die Kündigung wirksam, ist die infolgedessen fällig gestellte Anleiheforderung in den Liquiditätsplan einzubeziehen und dementsprechend auch für die Prüfung der Zahlungsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung.361) 407 Insbesondere in denjenigen Fällen, in denen das Vorliegen eines Liquiditätsengpasses am Markt bekannt ist, könnte durch die Kündigung von Anleihestücken – trotz vorgesehener Restrukturierung – der Restrukturierungsprozess „torpediert“ werden, indem ein Emittent durch Anleihegläubiger in die Zahlungsunfähigkeit „gekündigt“ und getrieben wird.362) 2. Kündbarkeit von Anleihen 408 Die Frage der generellen Kündbarkeit von Anleihen ist höchstrichterlich nach wie vor ungeklärt. 409 In der landgerichtlichen Rechtsprechung existiert ein reges Meinungsbild: so haben etwa die Landgerichte Bonn,363) Köln364) sowie Frankfurt/M.365) allesamt die Frage der Kündbarkeit von Anleihen erörtert. Obergerichtlich haben sich das OLG Frankfurt, das OLG München sowie das OLG Köln366) mit der Frage der Anleihekündigung befasst sowie jüngst auch der BGH.367) ___________ 361) Zur Passivierung streitiger Verbindlichkeiten im Überschuldungsstatus Wiester, in: Festschrift Wellensiek, S. 157, 161 ff.; vgl. auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 102. 362) Nur vereinzelt wurde bislang erörtert, ob eine derartige Vorgehensweise zu einem Ausschluss der Kündigung wegen Treuwidrigkeit führt. Insbesondere im Fall opponierender Neugläubiger, die erst nach Bekanntwerden der finanziellen Krise des Anleiheschuldners und weit unter dem Nennwert Anleihestücke erwerben, um sie sodann zu kündigen, drängt sich ein treuwidriger Missbrauch der Kündigung auf (dafür tendenziell OLG Karlsruhe ZIP 2015, 2116 für das Beschlussmängelrecht, dazu EWiR 2016, 9 (Müller-Eising)). Zu entscheiden ist diese Frage gleichwohl nur in einer Einzelfallabwägung innerhalb von § 314 BGB, § 242 BGB oder § 138 BGB. 363) LG Bonn ZIP 2014, 1073; LG Bonn, v. 17.9.2014 – 9 O 153/14, unveröffentlicht. 364) LG Köln BeckRS 2012, 06655. 365) Vgl. beispielhaft LG Frankfurt/M. v. 22.1.2014 (2-17 O 104/13) sowie LG Frankfurt/M. v. 25.4.2014 (2-18 O 429/13) – jeweils unveröffentlicht. 366) OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176 ff., dazu EWiR 2014, 771 (Just); OLG Frankfurt, v. 17.9.2014 – 4 U 22/14, zitiert nach juris; OLG München ZIP 2015, 2174; OLG Köln ZIP 2015, 1924 ff. zu einer unter Geltung des SchVerschrG begebenen Anleihe. 367) BGH ZIP 2016, 1279 ff.; Überblick zur obergerichtlichen Rechtsprechung bei Florstedt, ZIP 2016, 645 ff.
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VII. Kündbarkeit von Anleihen
a) Vertragliche Kündigungsrechte Bei publikumsplatzierten Anleihen werden Kündigungsrechte zumeist in den 410 Anleihebedingungen enumerativ geregelt. Typischerweise begründen solche Ereignisse ein Kündigungsrecht für die Anleihegläubiger, die eine drohende oder bereits eingetretene finanzielle Krise des Emittenten anzeigen.368) Sofern es sich um vertragliche Kündigungsrechte handelt, die keinen unmittelbaren Kontext zur Restrukturierung aufweisen, ist eine Kündigung, ggf. vorbehaltlich weiterer (formeller) Voraussetzungen, grundsätzlich wirksam.369) Umstritten und Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren (einschließlich 411 der Entscheidung des BGH vom 8.12.2015) ist die Frage, inwiefern bei der Restrukturierung einer Anleihe nach dem SchVG eine „allgemeinen Schuldenregelung“ vorliegt. In Anleihebedingungen findet sich häufig die Regelung, dass Anleihegläubiger zur Kündigung der von ihnen gehaltenen Anleihestücke berechtigt sein sollen, sofern der Emittent eine „allgemeine Schuldenregelung“ anbietet oder trifft. Bei Einleitung eines Restrukturierungsprozesses oder spätestens bei der Veröffentlichung der Einladung zu einer Gläubigerversammlung nach dem SchVG, in der Beschlüsse über die Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten gefasst werden sollen, berufen sich kündigende Anleihegläubiger oftmals auf diesen Kündigungsgrund mit der Begründung, dass die Restrukturierung der Anleihen als solche, jedenfalls aber die Einladung zur Gläubigerversammlung nebst Beschlussvorschlägen, ein Angebot einer „allgemeinen Schuldenregelung“ darstelle. Während die mit der Frage befassten Landgerichte zumeist das Vorliegen einer 412 „allgemeinen Schuldenregelung“ verneinten,370) hat das OLG Frankfurt in der Einladung zur Gläubigerversammlung nach dem SchVG (und den in der Einladung enthaltenen Beschlussvorschlägen) das Angebot einer allgemeinen Schuldenregelung gesehen und somit einen vertraglichen Kündigungsgrund angenommen.371) Die Annahme, dass in der Einladung zur Gläubigerversammlung, in der die 413 Anleihegläubiger über Restrukturierungsmaßnahmen beschließen sollen, das Angebot einer allgemeinen Schuldenregelung zu sehen ist, überzeugt indes nicht.372) Insbesondere ist es widersprüchlich, einerseits eine Restrukturierung von Schuldverschreibungen durch das SchVG und speziell nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG in den Anleihebedingungen zuzulassen, andererseits die ___________ 368) Hartwig-Jacob, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 3 Rn. 119. 369) Denkbar sind hier zum Beispiel ein Kündigungsrechte wegen ausbleibenden Zinszahlung bzw. Kündigungsrechte aufgrund der Nichteinhaltung von Finanzkennzahlen. 370) Vgl. etwa LG Frankfurt/M. v. 22.1.2014 (2-17 O 104/13) als Vorinstanz zu OLG Frankfurt v. 17.9.2014 (4 U 22/14) sowie LG Frankfurt/M. v. 25.4.2014 (2-18 O 429/13) als Vorinstanz zu OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176 ff., dazu EWiR 2014, 771 (Just). 371) Vgl. OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176 ff., dazu EWiR 2014, 771 (Just). So auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 104. 372) Vgl. Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 405, 407 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
Durchführung eines entsprechenden Verfahrens ein Kündigungsrecht auf Basis eines unbestimmten Rechtsbegriffs – wie dem Begriff der „allgemeinen Schuldenregelung“ – auslöst und damit den Erfolg einer Restrukturierung der Anleihen gefährdet. Eine diesbezügliche, wünschenswerte Klärung erfolgte durch den BGH in seiner Entscheidung vom 8.12.2015 nicht. b) Gesetzliche Kündigungsrechte 414 Typischerweise berufen sich Anleihegläubiger in „Kündigungsprozessen“ neben vertraglichen Kündigungsrechten auch auf gesetzliche Kündigungsrechte, insbesondere auf § 314 Abs. 1 BGB sowie § 490 BGB.373) Während die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 314 Abs. 1 BGB auf Schuldverschreibungen nach herrschender Ansicht bejaht wird,374) soll eine (analoge)375) Anwendung von § 490 BGB ausscheiden.376) 415 In der Rechtsprechung lässt sich die begrüßenswerte Tendenz beobachten, ein Kündigungsrecht der Anleihegläubiger aus § 314 Abs. 1 BGB zu verneinen, wobei die gewählten Begründungsansätze variieren.377) Während Teile der landgerichtlichen Rechtsprechung die Anwendbarkeit gesetzlicher Kündigungsrechte im Allgemeinen und § 314 Abs. 1 BGB im Besonderen verneinen,378) misst das OLG Frankfurt vertraglichen Kündigungsgründen eine Sperrwirkung zu.379) 416 Der BGH hat – zu einer unter Geltung des SchVerschrG begebenen Anleihe – ebenso wie das OLG München das Vorliegen eines Kündigungsrechts auf der Grundlage von § 314 Abs. 1 BGB auf Ebene der notwendigen Interessenabwägung verneint.380) Der BGH hat dabei zutreffend festgestellt, dass – im konkreten Fall – entscheidend gegen das Vorliegen eines wichtigen Grundes der Umstand sprach, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits Sanierungsbemühungen nach dem Schuldverschreibungsgesetz von 1899 beabsichtigt und auch zeitnah entfaltet hat.381) Diese Rechtsprechung lässt sich ___________ 373) Zur Frage eines Kündigungsrechts aus § 314 BGB im Fall der Umwandlung des Emittenten nach dem UmwG vgl. eingehend Bertus, BB 2016, 2755. 374) BGH ZIP 2016, 1279, 1281; ferner etwa Seibt/Schwarz, ZIP 2015, 401, 405 m. w. N. 375) Eine unmittelbare Heranziehung des § 490 BGB scheidet bereits deshalb aus, da die Schuldverschreibung grundsätzlich kein Darlehen verbrieft, sondern die Forderung aus einem abstrakten Schuldversprechen gemäß § 780 BGB (vgl. BGH NJW 2014 3362, 3365 = ZIP 2014, 1778; aus dem Schrifttum etwa Habersack, in MünchKommm-BGB, § 780 Rn. 25). 376) BGH ZIP 2016, 1279, 1281; offen OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176, 2177 f., dazu EWiR 2014, 771 (Just); OLG München ZIP 2015, 2174, 2175. 377) LG Frankfurt/M., v. 25.4.2014 – 2-18 O 429/13, bislang unveröffentlicht; OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176. In diese Richtung auch Thole, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 5 SchVG Rn. 103. 378) So LG Frankfurt/M., v. 25.4.2014 – 2-18 O 429/13, unveröffentlicht. 379) OLG Frankfurt ZIP 2014, 2176. 380) OLG München ZIP 2015, 2174, 2175. 381) BGH ZIP 2016, 1279, 1282.
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VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
richtigerweise auch auf Kündigungssachverhalte übertragen, bei denen die in Frage stehende Anleihe unter Geltung (und Anwendbarkeit) des SchVG begeben wurde.382) VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse 1. Einleitung Sowohl die Beschlüsse der Gläubigerversammlung als auch die Beschlüsse einer 417 eventuellen Hauptversammlung – sofern flankierende Kapitalmaßnahmen bei einer Aktiengesellschaft beschlossen werden (z. B. bei einem Debt-to-EquitySwap) – unterliegen einer gerichtlichen Kontrolle; dies ist auf der Zeitachse der Restrukturierung zu berücksichtigen. § 20 SchVG beinhaltet das Recht eines jeden Schuldverschreibungsgläubi- 418 gers, einen Beschluss im Klagewege anzufechten. Klagegegner ist dabei nach § 20 Abs. 3 Satz 2 SchVG stets der Schuldner.383) Trotz fehlender ausdrücklicher Regelung im SchVG (etwa durch Verweis auf die aktienrechtliche Vorschrift des § 248 AktG) findet eine Rechtskrafterstreckung für und gegen alle Gläubiger sowie den Schuldner statt.384) Zur Überwindung der mit dem Anfechtungsrecht einhergehenden Vollzugs- 419 sperre (vgl. § 21 SchVG) und der daraus folgenden Verzögerung der – in Sanierungssituationen häufig zeitkritischen – Durchführung von Gläubigerbeschlüssen sieht das SchVG ein dem Aktienrecht nachempfundenes Freigabeverfahren vor. Aufgrund der regelmäßigen Existenz opponierender Schuldverschreibungsgläubiger ist dieses Freigabeverfahren nahezu in jedem Fall durchzuführen. Dies gilt auch und gerade dann, wenn begleitende Kapitalmaßnahmen durch 420 die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (nachfolgend als Emittent unterstellt) beschlossen werden sollen. Auch hier muss mit einer Anfechtung der Beschlüsse durch opponierende Aktionäre nach Maßgabe von § 246 AktG ___________ 382) So auch Brenner/Moser, NZI 2016, 711. 383) Dies gilt auch dann, wenn die Klage im Ausnahmefall zur Unterstützung des Schuldners erhoben wird. Eine solche Klage ist zum Bespiel denkbar bei der Anfechtung des Beschlusses zur Bestellung eines dem Schuldner missliebigen gemeinsamen Vertreters. 384) So die herrschende Ansicht, vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 78; Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321; Baums, ZBB 2009, 1, 3; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 62; Schmidtbleicher, S. 191 f.; a. A. Preuße/Vogel, SchVG, § 20 Rn. 3; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 54; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG Rn. 143, jeweils mit der Begründung, dass das SchVG – im Gegensatz zum Aktiengesetz – keine Rechtskrafterstreckung anordne. Dies überzeugt nicht, wollte der Gesetzgeber doch die Anfechtungsklage an das AktG anlehnen. Zudem hätte der Gesetzgeber auch den unter dem SchVerschrG 1899 geltenden Rechtsschutz erhalten können, sofern nur eine inter partesWirkung vorgesehen werden sollte. Auch wäre bei einer Wirkung inter partes die Vollzugssperre des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG, die insgesamt auf den angefochtenen Beschluss Bezug nimmt, widersprüchlich.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
gerechnet werden. Das zuständige Registergericht wird die (aktienrechtlichen) Kapitalmaßnahmen regelmäßig nicht eintragen, sofern – vorbehaltlich anderweitiger Erledigung der Anfechtungsklage(n) – nicht ein stattgebender Freigabeschluss vorliegt, der für das Registergericht bindend ist (§ 246a Abs. 3 Satz 4 AktG). 421 Sofern die Anleihegläubigerversammlung und die Hauptversammlung zur Beschließung flankierender Kapitalmaßnahmen – wie regelmäßig – eng hintereinander geschaltet sind, werden etwaige Rechtsstreite bzw. Freigabeverfahren parallel durchzuführen sein. Hierbei ist mit einer Zeitspanne von der Beschlussfassung der Versammlungen bis zu einer positiven Beschlussfassung der Oberlandesgerichte in den Freigabeverfahren von 4 – 5 Monaten auszugehen.385) Diese Zeitspanne ist bei der Vorbereitung eines Restrukturierungsprozesses einzukalkulieren. 422 Nachstehend wird das schuldverschreibungsrechtliche Klageverfahren nach § 20 SchVG sowie das in § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a AktG vorgesehene Freigabeverfahren dargestellt. Das Verfahren der aktienrechtlichen Beschlusskontrolle (einschließlich des diesbezüglichen Freigabeverfahrens) soll nicht vertieft betrachtet werden. 2. Anfechtungsklage des Anleihegläubigers 423 Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SchVG kann „ein Beschluss der Gläubiger“ angefochten werden. Beschlüsse der Gläubiger können in einer Gläubigerversammlung (§ 16 Abs. 3 SchVG) oder nach Maßgabe des § 18 SchVG in einer Abstimmung ohne Versammlung gefasst werden. Auch negative, ablehnende oder nichtige Beschlüsse sind taugliche Anfechtungsgegenstände.386) a) Anfechtungsgründe 424 Nach § 20 Abs. 1 SchVG kann ein Beschluss wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen angefochten werden. Dabei sind sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Rechtsverletzungen denkbar, die in ihrem wesentlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist darzulegen sind.387) 425 Die Bandbreite möglicher Gesetzesverletzungen kann naturgemäß nicht umfassend dargestellt werden.388) Vielmehr beschränken sich nachfolgende Aus___________ 385) Im Verfahren zur Restrukturierung der Finanzverbindlichkeiten der SolarWorld AG ergingen die positiven Freigabebeschlüsse hinsichtlich (i) der Beschlussfassung der Gläubigerversammlung am 6.8.2013 und (ii) den Beschlussfassungen der Hauptversammlung über die Kapitalherabsetzung und anschließende Kapitalerhöhung jeweils am 13.1.2014 (OLG Köln ZIP 2014, 258 ff. sowie ZIP 2014, 263 ff.). 386) Vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 15; Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1319. 387) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 37. 388) Dazu im Einzelnen Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 18 ff.
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VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
führungen auf generelle Hinweise, die bei der Vorbereitung einer Gläubigerversammlung – insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von Verfahrensfehlern – zu beachten sind. Bei der Vorbereitung von Gläubigerversammlungen ist besonders sorgsam dar- 426 auf zu achten, dass nicht lediglich die verfahrensrechtlichen Normen der §§ 10, 12 und 13 SchVG gewahrt, sondern auch eventuelle verfahrensrechtliche Vorgaben der Anleihebedingungen eingehalten werden. Es ist daher zum Beispiel bei einem Restrukturierungsprozess nach dem SchVG zu prüfen, ob in den Anleihebedingungen eine Vorgabe hinsichtlich des Verfahren der Gläubigerabstimmung existiert (Gläubigerversammlung nach §§ 9 ff. SchVG oder Abstimmung ohne Versammlung nach § 18 SchVG). Auch ist beispielsweise zu prüfen, ob die Anleihebedingungen ein Anmeldeerfordernis vorsehen, welches u. a. eine Verlängerung der Einladungsfrist nach sich zieht (vgl. § 10 Abs. 2 SchVG). In der Gläubigerversammlung selbst ist vor allem darauf zu achten, dass keine 427 Informationsmängel begründet werden, die zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führen. Ein Informationsmangel kann – trotz der Einschränkung des § 20 Abs. 1 Satz 2 SchVG – vorliegen, wenn zu erteilende Informationen unrichtig oder unvollständig sind; auch eine nicht berechtigte Verweigerung von Informationen kann zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses führen. Es ist daher – soweit als möglich schon vor der Gläubigerversammlung – zu prüfen, auf welche Informationen die Gläubiger einen Anspruch haben. Im Hinblick auf einen Debt-to-Equity-Swap (§ 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG) ist zu 428 beachten, dass die diesbezüglichen Beschlussfassungen – die Beschlussfassung der Anleihegläubigerversammlung sowie die Beschlussfassung der Hauptversammlung über notwendige Kapitalmaßnahmen – Gegenstand zweier unterschiedlicher Beschlusskontrollverfahren sind, bei denen auch eine unterschiedliche Gerichtszuständigkeit bestehen kann.389) Ebenso sind in materieller Hinsicht die Beschlusskontrollverfahren des SchVG und des AktG sorgsam voneinander abzugrenzen und ggf. bestehende Rechtsverletzungen strikt voneinander zu trennen; insbesondere schlagen Rechtsverletzungen auf der
___________ 389) Beispielhaft sei hier der Restrukturierungsprozess der in Bonn ansässigen SolarWorld AG erwähnt. Während die Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung vom 7.8.2013 aufgrund § 246 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 148 Abs. 2 Satz 3 AktG i. V. m. § 1 Nr. 9 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit zur Entscheidung in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten und in Angelegenheiten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (KonzentrationsVO Gesellschaftsrecht) vom 8.7.2010 dem LG Köln zugewiesen wurden, fehlte eine solche Zuweisung bei den Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der schuldverschreibungsrechtlichen Gläubigerversammlung vom 6.8.2013; über letztere hatte somit das LG Bonn zu entscheiden. Eine analoge Anwendung des § 1 Nr. 9 KonzentrationsVO Gesellschaftsrecht kommt nach Ansicht des OLG Köln hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassung einer Gläubigerversammlung nach dem SchVG nicht in Betracht; siehe ergänzend auch sogleich, Rn. 442 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
Ebene der Hauptversammlung nicht ohne Weiteres auf die Ebene der Gläubigerversammlung (und umgekehrt) durch.390) 429 Nach zutreffender Ansicht unterliegen Beschlussfassungen der Gläubigerversammlung nur einer eingeschränkten (materiellen) Inhaltskontrolle.391) Die im Aktienrecht geltenden Kriterien einer Inhaltskontrolle, d. h. der objektive Nutzen sowie die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, sind als ungeschriebene, in der Mitgliedschaft und der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Aktionäre begründete Grundsätze nicht auf das Schuldverschreibungsrecht übertragbar.392) Auch verzichtet das SchVG auf das Erfordernis, dass ein Beschluss zur „Wahrung der gemeinsamen Interessen der Gläubiger“ gefasst werden muss.393) 430 Ein Mehrheitsbeschluss bedarf daher weder einer sachlichen Rechtfertigung noch unterliegt er – soweit nicht ausdrücklich Gegenteiliges normiert ist – inhaltlichen Schranken. Die materiellen Voraussetzungen von Gläubigerbeschlüssen sind im SchVG – im Sinne einer Negativabgrenzung – enumerativ und abschließend geregelt. So dürfen Mehrheitsbeschlüsse (i) keine Verpflichtung zur Leistung begründen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG), (ii) zu Lasten der Gläubiger von den §§ 5 – 21 SchVG nur dann abweichen, wenn dies im SchVG vorgesehen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG) und (iii) keine ungleichen Bedingungen für Gläubiger vorsehen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG).394)
___________ 390) Zur Trennung zwischen Rechtsverletzungen im SchVG und im AktG vgl. OLG Köln ZIP 2014, 268, 270 dort insbesondere Rn. 44. 391) So etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 22; Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 5 Rn. 14; Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG Rn. 76 ff.; Simon, CFI 2010, 159, 161; in diese Richtung auch Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321; a. A. Baums, ZBB 2009, 1, 6; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 61, die von einer Inhaltskontrolle nach aktienrechtlichen Maßstäben ausgehen. Differenzierend etwa Preuße/Vogel, SchVG, § 20 Rn. 31, der sich für eine restriktive Handhabung der Grundsätze die im Aktienrecht gelten, ausspricht. Weiterführend Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 34 ff. 392) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 22; zu den aktienrechtlichen Grundsätzen der materiellen Beschlusskontrolle siehe statt vieler Hüffer/Koch, AktG, § 243 Rn. 22. 393) So noch § 1 Abs. 1 Satz 1 SchVerschrG, vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 23. 394) Grundsätzlich zu bejahen ist die Anwendbarkeit der allgemeinen Missbrauchskontrolle nach § 138 BGB auf Beschlussfassungen der Schuldverschreibungsgläubiger, vgl. Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 24; für eine restriktive Missbrauchskontrolle ebenfalls Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG Rn. 8 ff. In der Praxis ist – soweit ersichtlich – noch keine (einzige) Entscheidung ergangen, in denen eine missbräuchliche Beschlussfassung nach § 138 BGB festgestellt oder qualifiziert diskutiert wurde.
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VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
Letztlich wird sich somit die gerichtliche Überprüfung der Gläubigerbeschlüsse 431 regelmäßig auf die Einhaltung verfahrensrechtlicher Normen beschränken. Die materiellen Voraussetzungen sind typischerweise gewahrt.395) b) Anfechtungsbefugnis Anfechtungsbefugt sind nach § 20 Abs. 2 SchVG ausschließlich Anleihegläubi- 432 ger.396) Daneben bestehen weitere Voraussetzungen, je nachdem, ob der Anleihe- 433 gläubiger an der Abstimmung teilgenommen hat oder nicht. aa) Anfechtungsbefugnis bei Teilnahme an Abstimmung (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG) Voraussetzung der Anfechtungsbefugnis nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG ist zu- 434 nächst, dass der Gläubiger „an der Abstimmung“ teilgenommen hat. Nach zutreffender Ansicht ist nur anfechtungsbefugt, wer bei der Beschluss- 435 fassung mit „Ja“ bzw. „Nein“ gestimmt oder sich enthalten hat.397) Die bloße Anwesenheit bei einer Präsenzversammlung oder die Eintragung in das Teilnehmerverzeichnis bei einer Abstimmung ohne Versammlung ist dagegen nicht ausreichend.398) Der Gläubiger muss nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG zudem fristgerecht Wider- 436 spruch zur Niederschrift (vgl. § 16 Abs. 3 SchVG) gegen den angefochtenen Beschluss erklärt haben. Ein genereller Widerspruch – wie bei der aktienrechtlichen Hauptversammlung – gegen alle Beschlüsse ist zulässig.399) Schließlich muss der anfechtende Anleihegläubiger seine Anleihestücke (i) – 437 bei Abstimmung in einer Gläubigerversammlung – bereits vor der Bekanntmachung der Einberufung der Versammlung bzw. (ii) – bei einer Abstimmung ohne Versammlung – bereits vor der Aufforderung zur Stimmabgabe erworben haben.400) ___________ 395) Insbesondere stellt eine mögliche Differenzhaftung bei einem Debt-to-Equity-Swap keine Verpflichtung zur Leistung i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG dar – und kann insoweit keinen Anfechtungsgrund darstellen. Unter das Verbot der Verpflichtung zur Leistung durch Beschlussfassung fallen nur einseitige und zusätzliche Verpflichtungen der Anleihegläubiger (z. B. Beschlussfassung über Nachschüsse der Anleihegläubiger), vgl. bereits Rn. 144. 396) Die Anfechtungsbefugnis hat materiell-rechtlichen Charakter und ist Begründetheitserfordernis der Anfechtungsklage, vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 42. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 25. Die Einordnung entspricht derjenigen im Aktienrecht, vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 245 Rn. 2. 397) RegE, BT-Drucks. 16/12814, S. 26; Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 20 Rn. 12; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 47. 398) So jedoch Preuße/Vogel, SchVG, § 20 Rn. 22. 399) Vgl. Preuße/Vogel, SchVG, § 20 Rn. 36. 400) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 32.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
438 Sofern für eine Beschlussfassung – wie bei einer publikumsplatzierten Anleihe die Regel – eine zweite Gläubigerversammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG mit einem geringeren Beschlussquorum vonnöten ist, war bislang ungeklärt, ob zur Anfechtung der Beschlüsse der zweiten Gläubigerversammlung die Anleihestücke bereits vor Einberufung der ersten (beschlussunfähigen) Versammlung gehalten werden mussten. Dies hat das OLG Karlsruhe mit insoweit überzeugender Begründung im Rahmen eines Freigabeverfahrens bejaht.401) Ziel der Regelung sei es, einem Missbrauch des Klagerechts vorzubeugen.402) Um einen solchen gezielten Erwerb für einen späteren Missbrauch auszuschließen, bedarf es der Unvorhersehbarkeit der Einberufung einer Gläubigerversammlung.403) Fehlt es an einem notwendigen Quorum in der ersten Gläubigerversammlung – wie dies regelmäßig bei publikumsplatzierten Anleihen der Fall ist – ist die Einberufung einer, mit geringerem Quorum beschlussfähigen zweiten Gläubigerversammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 SchVG mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, sodass das Ziel der Regelung unterlaufen würde, wäre ein Erwerb der Anleihestücke nach Einberufung der ersten Gläubigerversammlung ausreichend. bb) Anfechtungsbefugnis bei Nichtteilnahme an Abstimmung (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 SchVG) 439 Sofern der Anleihegläubiger nicht an der Abstimmung teilgenommen hat, besteht eine Anfechtungsbefugnis lediglich dann, wenn (i) der Gläubiger nicht zur Abstimmung zugelassen wurde (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SchVG), (ii) wenn die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden ist (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SchVG) oder (iii) wenn ein Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 3 SchVG). c) Anfechtungsfrist 440 Die Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung des Beschlusses zu erheben (§ 20 Abs. 3 Satz 1 SchVG). Wie im Aktienrecht ist diese Frist als eine zwingende materielle Ausschlussfrist einzuordnen, so dass eine verspätete Klage als unbegründet abzuweisen ist.404)
___________ 401) OLG Karlsruhe ZIP 2015, 2116, 2124, auch zu weiteren Fragen eines etwaigen Rechtsmissbrauchs bei Erwerb von Anleihestücken im Zeitraum zwischen der „ersten“ und der „zweiten“ Versammlung. Das OLG Karlsruhe ließ allerdings die Frage offen, ob die Anleihegläubiger für einen erst in der zweiten Versammlung gestellten und beschlossenen Gegenantrag anfechtungsbefugt sind. 402) RegB BT-Drucks. 16/12814, S. 26. 403) Vgl. RegB BT-Drucks. 16/12814, S. 26; OLG Karlsruhe ZIP 2015, 2116, 2118. 404) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 35.
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VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
Im Gegensatz zum Aktienrecht ist für den Beginn der Klagefrist nicht auf die 441 Beschlussfassung, sondern auf die Bekanntmachung der Beschlussfassung nach § 17 Abs. 1 SchVG abzustellen.405) Solange die Bekanntmachung i. S. d. § 17 Abs. 1 SchVG nicht erfolgt ist – und zwar in sämtlichen nach Gesetz oder Anleihebedingungen vorgesehenen Medien – beginnt die nach §§ 187 ff. BGB zu berechnende Anfechtungsfrist nicht zu laufen. Eine schnellstmögliche Bekanntmachung liegt im laufenden Restrukturierungsprozess daher im besonderen Interesse des Emittenten. d) Gerichtliche Zuständigkeit Sofern der Schuldner seinen Sitz im Inland hat, ist nach § 20 Abs. 3 Satz 3 442 Halbs. 1 SchVG grundsätzlich das Landgericht am Sitz des Schuldners ausschließlich zuständig. Hat der Schuldner seinen Sitz im Ausland, ist das LG Frankfurt/M. nach § 20 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 SchVG ausschließlich zuständig. Aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit finden abweichende Gerichtstandsvereinbarungen in Anleihebedingungen keine Anwendung.406) Sachlich zuständig ist das Landgericht. Nach § 20 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 443 SchVG i. V. m. § 246 Abs. 3 Satz 2 AktG entscheidet die Kammer für Handelssachen, sofern bei dem zuständigen Landgericht eine solche gebildet ist. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit ist zu beachten, dass nach § 20 444 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG i. V. m. § 246 Abs. 3 Satz 3 AktG sowie § 148 Abs. 2 Satz 3, 4 AktG die örtliche Zuständigkeit einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte übertragen werden kann. Voraussetzung für eine solche Zuständigkeit ist, dass die Landesregierungen 445 (bzw. die Landesjustizverwaltungen) eine „Konzentration“ für Anfechtungsklagen nach § 20 SchVG durch Rechtsverordnungen beschlossen haben. Dies ist nicht immer der Fall. e) Wirkung der Klageerhebung Wird ein Beschluss der Anleihegläubiger angefochten, sieht § 20 Abs. 3 Satz 4 446 SchVG vor, dass der Beschluss vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage nicht vollzogen werden darf, es sei denn, das zuständige Oberlandesgericht beschließt in einem Freigabeverfahren nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a AktG, dass die Klage dem Vollzug des Beschlusses nicht entgegensteht. Über den (insoweit unvollständigen) Wortlaut ___________ 405) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 36; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 66 f.; a. A. Preuße/Vogel, SchVG, § 20 Rn. 48, der trotz des klaren Wortlauts auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung für den Beginn der Anfechtungsfrist abstellt. 406) Vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 69; a. A. für grenzüberschreitende Sachverhalte Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 40 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG hinaus, führt auch eine anderweitige Erledigung der Klage – etwa eine Klagerücknahme – dazu, dass die angefochtene Beschlussfassung der Gläubiger vollzogen werden kann.407) 447 Unklar ist, ob in der Zeit zwischen Beschlussfassung und Erhebung einer Anfechtungsklage ebenfalls eine Vollzugssperre besteht. Das SchVG regelt diese Frage nicht. Teilweise wird daher vertreten, dass eine Vollzugssperre zwischen Beschlussfassung und Erhebung der Anfechtungsklage im Hinblick auf die gefassten Beschlüsse der Gläubiger nicht bestünde.408) Diese Ansicht kann nicht überzeugen, da sonst die Beschlusskontrolle leerlaufen würde. 448 Sofern der Beschluss nicht angefochten wird, wird er, sofern er nicht nichtig ist, mit Ablauf der Anfechtungsfrist endgültig bestandskräftig.409) f) Klageverfahren 449 Die schuldverschreibungsrechtliche Anfechtungsklage ist ein Urteilsverfahren, auf das die Vorschriften der ZPO Anwendung finden.410) 450 Die mündliche Verhandlung über die Anfechtungsklage darf frühestens nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist stattfinden (§ 20 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 SchVG i. V. m. § 246 Abs. 3 Satz 4 AktG); dadurch wird sichergestellt, dass die gewünschte Prozessverbindung (§ 246 Abs. 3 Satz 6 AktG) bereits vor dem ersten Termin erfolgen kann. 451 Aufgrund der Verweisung von § 20 Abs. 3 Satz 3, Halbs. 2 SchVG auf § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG kann die Schuldnerin unmittelbar nach Ablauf der Monatsfrist die anhängigen Klagen vor Zustellung einsehen und sich von der Geschäftsstelle Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Dies bedeutet eine erhebliche Zeitersparnis für den Emittenten, bereits mit Ablauf der Klagefrist kann ein eventueller Freigabeantrag – sofern der Inhalt eventueller Klagen nicht bereits zuvor antizipiert werden konnte – vorbereitet werden. 452 Im Rahmen einer Restrukturierung hat das Anfechtungsverfahren (isoliert als Hauptsacheverfahren betrachtet) in aller Regel keine besondere Relevanz. So kann im Zuge der Restrukturierung der Ausgang eines Beschlusskontrollverfahrens – ggf. mit Berufung und Revision – i.d.R. nicht abgewartet werden. Vielmehr ist, um die Beschlüsse nach Maßgabe von § 21 SchVG zeitnah und zur Abwendung der Insolvenzgefahr zu vollziehen, ein Freigabeverfahren nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG unerlässlich. Scheitert der Freigabeantrag, scheitert in der Regel auch die Anleiherestrukturierung, sofern ___________ 407) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 72. 408) In diese Richtung etwa Veranneman/Gärtner, SchVG, 1. Aufl., 2010, § 20 Rn. 15. Zum Meinungsbild vgl. Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG Rn. 146. 409) Vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 71; Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1321. 410) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 75.
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VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
nicht auf anderem Wege mit Anfechtungsklägern eine Einigung gefunden wird.411) 3. Nichtige Beschlüsse und deren prozessuale Behandlung im SchVG Für das SchVG ist anerkannt, dass ein Beschluss der Gläubiger nicht nur an- 453 fechtbar, sondern auch nichtig sein kann. So hat der BGH nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG einen Beschluss als nichtig angesehen, der nicht die gleichen Bedingungen für alle Schuldverschreibungsgläubiger einer Anleihe vorsieht.412) Gleichwohl ist im Schrifttum wie in der Rechtsprechung noch nicht hinreichend 454 geklärt, ab welcher Grenzlinie – in Abgrenzung zu einem „bloß“ anfechtbaren Beschluss – ein nichtiger Beschluss vorliegt. a) Abgrenzung von Nichtigkeit zur „bloßen“ Anfechtbarkeit Die Nichtigkeit von Beschlüssen wird im SchVG nicht ausdrücklich geregelt; 455 vergleichbare Regelungen zu den §§ 241 f. AktG existieren nicht. Der BGH hat bislang offengelassen, ob und inwieweit man sich zur Bestim- 456 mung, ob ein Beschluss der Gläubigerversammlung nichtig ist, an den Nichtigkeitsgründen des § 241 AktG orientieren kann. Im Hinblick auf die Abgrenzung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen 457 im SchVG bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten. Nach zutreffendem Verständnis sollte jedenfalls eine pauschale Übertragung 458 der aktienrechtlichen Regelungen zur Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht erfolgen. Das Schuldverschreibungsrecht kennt Verweisungen in das Aktienrecht (vgl. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG), verweist darauf aber hinsichtlich der Nichtigkeit von Beschlüssen gerade nicht. Das Fehlen einer solchen Verweisung spricht dafür, dass das SchVG grundsätzlich enumerativ und abschließend die Nichtigkeit von Beschlüssen regelt.413) Damit geht einher, dass auch der BGH die Nichtigkeit eines Beschlusses ausdrücklich auf die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG stützt.
___________ 411) Zu den Rechtswirkungen eines Anfechtungsurteils vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 78 ff. 412) BGH ZIP 2014, 1876 ff., dazu EWiR 2014, 611 (Müller-Eising). 413) Eine Ausnahme hiervon sollte für Beschlüsse gemacht werden, die an einem derart schwerwiegenden Mängeln leiden, dass ihnen jedwede Rechtswirkung versagt bleiben muss. Hierunter sind etwa „Schein- oder Nichtbeschlüsse“ zu fassen, z. B. wenn die Gläubiger ohne Ermächtigung in den Anleihebedingungen einen Mehrheitsbeschluss fassen, vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 16. Ausführlich, wenn auch im Einzelfall zu weitgehend, Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG Rn. 30 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
b) Prozessuale Behandlung nichtiger Beschlüsse 459 Von der Frage der materiellen Nichtigkeit eines Beschlusses zu trennen ist die Frage, wie nichtige Beschlüsse prozessual zu behandeln sind. Mangels ausdrücklicher Regelungen zur Nichtigkeit von Beschlüssen sieht das SchVG keine weiteren Rechtsbehelfe – neben der Anfechtungsklage – zur Verfolgung nichtiger Beschlüsse vor. Im Schrifttum wird teilweise und folgerichtig weder eine spezielle Nichtigkeitsklage noch eine allgemeine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit für statthaft erachtet.414) 460 Daher ist auch für die Geltendmachung der Nichtigkeit von Beschlüssen grundsätzlich die Anfechtungsklage der statthafte Rechtsbehelf. Dies lässt sich damit begründen, dass die Anfechtungsgründe des § 20 SchVG, d. h. die Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen, auch alle denkbaren Nichtigkeitsgründe erfassen.415) 461 Bislang noch nicht hinreichend geklärt ist die Frage, welche Rechtswirkungen nichtige Beschlüsse entfalten können, sofern deren Rechtswidrigkeit nicht mit der Anfechtungsklage geltend gemacht wurde. Speziell fragt sich, ob entsprechende Beschlüsse nach Ablauf der Anfechtungsfrist Rechtswirksamkeit entfalten. Dies wird teilweise im Schrifttum angenommen.416) 462 Der BGH hat die Frage der Wirkungen eines nichtigen Beschlusses ausdrücklich bislang nur für einen Beschluss, der gegen § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG verstößt, entschieden und klargestellt, dass dieser auch nicht durch formell ordnungsgemäßen Vollzug wirksam werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieses Verständnis auch allgemein hinsichtlich nichtiger Gläubigerbeschlüsse durchsetzt. Nichts anderes erscheint letztlich richtig. 4. Freigabeverfahren des Emittenten 463 Um die Beschlüsse nach Maßgabe von § 21 SchVG zeitnah und zur Abwendung der Insolvenzgefahr zu vollziehen, ist ein Freigabeverfahren nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG einzuleiten.417) Sofern das zuständige Oberlandesgericht (auf entsprechenden Antrag) entscheidet, dass die Anfechtungsklage dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht, kann der Schuldner den Beschluss nach Maßgabe von § 21 SchVG (trotz erhobener Anfechtungsklage) umsetzen, d. h. vollziehen. Eine etwa beschlossene Ände___________ 414) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 12. Für die Statthaftigkeit einer allgemeinen Feststellungsklage hingegen etwa Kiem, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 20 SchVG Rn. 41 ff. m. w. N. 415) So auch Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 12. 416) Vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 12. 417) Vgl. zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Freigabeverfahrens Rubner/Pospiech, GWR 2015, 507.
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VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
rung der Anleihebedingungen bleibt bei Freigabe trotz eventueller Fehler des Beschlusses wirksam, und zwar insbesondere selbst dann, wenn der Anfechtungsklage (später) durch rechtskräftiges Urteil stattgegeben wird.418) a) Formelle Voraussetzungen Die Einleitung des Freigabeverfahrens erfolgt ausschließlich auf Antrag des 464 Schuldners. Anleihegläubiger, die etwa mit der Anfechtung durch Mitgläubiger nicht einverstanden sind, sind nicht zur Einleitung eines Freigabeverfahrens berechtigt.419) Antragsbefugt ist der Schuldner nur dann, wenn eine Anfechtungsklage er- 465 hoben worden ist. Gerichtet ist der Antrag auf Feststellung, dass die Erhebung der (jeweiligen) Anfechtungsklage dem Vollzug des Beschlusses nicht entgegensteht. Nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG ist für das Freigabeverfahren erst- und letzt- 466 instanzlich dasjenige Oberlandesgericht zuständig, das dem Gericht, welches für die Anfechtungsklage zuständig ist, übergeordnet ist. Zwar können die Zuständigkeiten zwischen dem aktienrechtlichen und der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungsklage in der Hauptsache auseinanderfallen; im jeweiligen Freigabeverfahren wird nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG jedoch regelmäßig dieselbe erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit desselben Oberlandesgerichts gegeben sein.420) Das Freigabeverfahren kann als Eilverfahren durchgeführt werden, sodass in 467 dringenden Fällen auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 3 Satz 2 AktG); hiervon wird in der Praxis regelmäßig Gebrauch gemacht.421) Der Beschluss soll spätestens drei Monate nach Einreichen des Freigabeantra- 468 ges ergehen. Verzögerungen sind durch einen unanfechtbaren Beschluss des zuständigen Oberlandesgerichts zu begründen (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 3 Satz 6 AktG). In der bisherigen Praxis zeigt sich, dass die Obergerichte die Drei-Monats-Frist in der Regel einhalten.
___________ 418) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 20 Rn. 60. 419) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 84. 420) Vgl. die Konstellation in der finanziellen Restrukturierung der SolarWorld AG. Während für das schuldverschreibungsrechtliche Anfechtungsverfahren das LG Bonn zuständig war, hatte über das aktienrechtliche Anfechtungsverfahren erstinstanzlich das LG Köln zu entscheiden. Für die durchgeführten Freigabeverfahren war sowohl im Hinblick auf das schuldverschreibungsrechtliche Verfahren nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a AktG als auch auf das aktienrechtliche Verfahren nach § 246a AktG das OLG Köln zuständig (vgl. OLG Köln ZIP 2014, 263 ff. sowie ZIP 2014, 268 ff.). 421) So etwa in den Verfahren OLG Köln ZIP 2014, 263 ff. sowie OLG Köln ZIP 2014, 268 ff.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
b) Beschlussvoraussetzungen 469 Der Beschluss über den Freigabeantrag ergeht gemäß § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 AktG, wenn (i) die Anfechtungsklage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, (ii) der Kläger nicht nachweisbar seit Einberufung der Gläubigerversammlung, deren Beschluss angefochten worden ist (bei der Abstimmung ohne Versammlung: seit der Aufforderung zur Stimmgabe), Teilschuldverschreibungen im (Nenn-)Wert von EUR 1.000,00 an der Anleihe hält oder (iii) bei einer Abwägung der alsbaldige Vollzug des Beschlusses i. S. v. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG vorrangig erscheint. aa) Unzulässigkeit oder offensichtliche Unbegründetheit – § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG 470 Im Schrifttum haben sich, insbesondere hinsichtlich des Merkmals der „offensichtlichen Unbegründetheit“ noch keine klaren und einheitlichen Beurteilungsmaßstäbe herausgebildet. Nach herrschender Ansicht im Aktienrecht – die grundsätzlich auch für das SchVG herangezogen werden kann – kommt es nicht auf die leichte Erkennbarkeit der fehlenden Begründetheit an, sondern auf die Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage.422) 471 Mit dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 30.9.2015423) ist erstmals eine Entscheidung ergangen, die einem Freigabeantrag aufgrund der offensichtlichen Unbegründetheit der Anfechtungsklage stattgegeben hat. Das Gericht sah konkret die (drei) Klagen als offensichtlich unbegründet an, da es den Klägern sämtlich an der Anfechtungsbefugnis als materielle Voraussetzung für die Klageerhebung gefehlt habe. Während das Gericht hinsichtlich eines Klägers die Anfechtungsbefugnis bereits daran scheitern ließ, dass der Kläger die von ihm gehaltenen Anleihestücke nicht vor Einberufung der ersten Gläubigerversammlung hielt, ergab sich für die zwei weiteren Kläger darüber hinaus die fehlende Anfechtungsbefugnis aus der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage und für den dritten Kläger außerdem an dem fehlenden notwendigen Widerspruch nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 SchVG.424) bb) Fehlender Nachweis eines anteiligen Betrags von EUR 1.000,00 – § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 2AktG 472 Im Rahmen des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG ist für die Bemessung des Betrags von EUR 1.000,00 der Nennwert der Teilschuldverschreibung(en) maßgeblich, die der Gläubiger hält.425) Da bei Unternehmensanleihen regelmäßig die kleinste Stückelung EUR 1.000,00 ist, ist ___________ 422) 423) 424) 425)
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Vgl. Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm-AktG, § 246a Rn. 20 m. w. N. OLG Karlsruhe ZIP 2015, 2116. OLG Karlsruhe ZIP 2015, 2116. Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, § 20 Rn. 33 m. w. N.; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 90.
VIII. Rechtsschutz gegen Restrukturierungsbeschlüsse
bereits mit dem Halten einer (einzigen) Teilschuldschreibung das Quorum des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG eingehalten. Ausnahmen sind denkbar bei Unternehmensanleihen, die in geringerer Stückelung ausgegeben worden sind.426) Praktisch relevant wurde dieser Freigabegrund bislang nicht. Hieran dürfte auch die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30.9.2015 473 nichts ändern. Zwar bejahte das Gericht den Freigabegrund des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG, da die Kläger nicht vor der ersten Gläubigerversammlung einen entsprechenden Nennbetrag hielten. Dieser Umstand führt jedoch nach Ansicht des OLG Karlsruhe bereits zur fehlenden Anfechtungsbefugnis und damit zur „offensichtlichen Unbegründetheit“ der Klage nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG. Gesonderte materielle Relevanz hat der Freigabegrund des § 20 Abs. 3 Satz 4 474 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG somit nur in den (seltenen) Fällen, in denen der klagende Anleihegläubiger vor der Einberufung der ersten Gläubigerversammlung Anleihestücke im Nennwert von unter EUR 1.000,00 hält. cc) Überwiegendes Vollzugsinteresse – § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG Der in der Praxis relevanteste Grund der Freigabe ist das überwiegende Voll- 475 zugsinteresse i. S. v. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG. Nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG 476 ergeht ein Freigabebeschluss, wenn der alsbaldige Vollzug des Mehrheitsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für den Schuldner nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den bzw. die Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor.427) In einer Restrukturierung, in der eine nicht zeitnahe Umsetzung von Beschlüs- 477 sen regelmäßig dazu führt, dass eine Insolvenz eines Emittenten unvermeidbar ist, schlägt diese Abwägung – vorbehaltlich eines besonders schweren Rechtsverstoßes – nahezu ausnahmslos zugunsten einer positiven Freigabeentscheidung durch. So ist zu berücksichtigen, dass die Anleihegläubiger in einer Restrukturierungssituation von der Beschlussfassung bzw. ihrem Vollzug selbst profitieren. Nur bei erfolgreicher Restrukturierung wird die sonst drohende, unmittelbare Insolvenz des Schuldners vermieden. ___________ 426) Beispielhaft ist hier die Wandelschuldverschreibung 2010/2015 der ehemaligen Q-Cells SE zu nennen: Deren Gesamtnennwert betrug 128.747.003,34, eingeteilt in 29.394.293 (Teil-)Schuldverschreibungen zu einem Nominalwert von je EUR 4,38. 427) Vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 20 Rn. 91.
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B. Anleihen in der Restrukturierung
478 Überdies ist festzuhalten, dass ein Freigabeverfahren nach dem SchVG gerade nicht Beschlussfassungen von Mitgliedern eines Verbandes betrifft (und somit keine Mitgliedschaftsrechte berührt). Im Kern geht es ausschließlich um ein schuldrechtliches Rechtsverhältnis. Die Verletzung der daraus resultierenden Gläubigerrechte ist nahezu immer rein kommerziell, und es erscheint keine Konstellation denkbar, in welcher die Verletzung nicht im Wege des Schadensersatzes nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 4 AktG hinreichend kompensiert werden kann. 479 Die Interessenabwägung wird deshalb nahezu ausnahmslos zugunsten des antragstellenden Schuldners auszugehen haben, sodass ein Freigabebeschluss (jedenfalls) wegen des überwiegenden Vollzugsinteresses gemäß § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG zu ergehen hat. 480 Ausnahmen sind etwa denkbar, wenn die Gläubigerversammlung Schein- oder Nichtbeschlüsse fasst.428) In diesen Fällen kann von einem „besonders schweren Rechtsverstoß“ i. S. d. § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG ausgegangen werden, sodass ein Freigabebeschluss nicht ergehen kann bzw. darf.
___________ 428) Denkbar ist ein „besonders schwerer Rechtsverstoß“ auch dann, wenn gegen ausdrückliche Verbote im SchVG verstoßen wird (z. B. eine unzulässige Verpflichtung zur Leistung i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG beschlossen wird).
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C. Anleihen in der Insolvenz Die außergerichtliche Restrukturierung von Anleihen nach dem SchVG ist 481 vielschichtig und risikoreich. Durch die hohe Komplexität des Prozesses hängen der einzelne Sanierungs- 482 schritt und dessen Umsetzung nicht selten am „seidenen Faden“. Droht die Sanierung zu scheitern, wird der Schuldner (der Emittent) – in aller Regel – durch den Wegfall der positiven Fortführungsprognose (§ 19 Abs. 1 Halbs. 2 InsO) und/oder aufgrund des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) insolvenzantragspflichtig. Im Insolvenzverfahren stellt sich die Frage, ob und wie der begonnene Sanie- 483 rungsprozess fortgesetzt werden kann und wie die Anleihe in der Insolvenz zu behandeln ist. Zentrale Vorschrift ist in diesem Zusammenhang § 19 SchVG. Hinzu kommen die Vorschriften der InsO und es entstehen zahlreiche Wechselwirkungen mit dem SchVG. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich unter der Annahme, dass 484 das SchVG auf die Anleihe anwendbar429) ist, auf das SchVG und nur – sofern ausdrücklich darauf hingewiesen wird – auf das alte SchVerschrG.430) I. Überblick § 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG normiert den Vorrang der InsO im Insolvenzver- 485 fahren, § 19 Abs. 2 – 5 SchVG bestimmt Ausnahmen von diesem Grundsatz.431) Der Vorrang ist insbesondere im Hinblick auf Zahlungsansprüche (wie etwa Zinsen) zu beachten, welche die (Anleihe-)Gläubiger nach Insolvenzeröffnung nur nach den Regelungen der Insolvenzordnung (§§ 87, 174 ff. InsO) geltend machen können (dazu unter Rn. 641 ff.). Der Vorrang gilt naturgemäß nur im Regelungsbereich der InsO. So enthält 486 die InsO etwa keine Bestimmungen zur Beschlussfassung von Anleihegläubigern außerhalb von (Insolvenz-)Gläubigerversammlungen i. S. d. § 156 InsO. Der Grundsatz der Anwendung der InsO wird durch die Regelungen in § 19 Abs. 2 – 5 SchVG – insbesondere hinsichtlich der Besonderheiten der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren – aufgeweicht.432)
___________ 429) Dazu ausführlich Rn. 89 ff. 430) Dazu u. a. Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311; mit § 19 SchVG sind im Wesentlichen §§ 18, 19 und 19a SchVerschrG mit den notwendigen Modifikationen zusammengefasst, vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 2. 431) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 4 f.; Begründung RegE BT-Drucks. 16/12814, S. 25. 432) Zur Rechtsfigur des gemeinsamen Vertreters siehe sogleich unter IV. Vertiefend Leber, S. 198 ff. Zum gemeinsamen Vertreter nach dem SchVerschrG vgl. Vogel, S. 185 ff.
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C. Anleihen in der Insolvenz
487 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters – wegen § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG – in der Regel die erste (und in der Praxis meist auch die letzte) Entscheidung, die der individuelle Anleihegläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Anleiheschuldners zu treffen hat. 488 Wird nach § 19 Abs. 2 SchVG in der dafür vorgesehenen Gläubigerversammlung durch Mehrheitsbeschluss ein gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren bestellt (Besonderheiten dazu unten unter Rn. 568 ff.), so ist dieser allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen (§ 19 Abs. 3 SchVG). 489 Die Rechte und Pflichten nach § 19 Abs. 3 SchVG umfassen dabei insbesondere die Anmeldung der Anleiheforderungen zur Insolvenztabelle (§ 174 InsO) sowie die Vertretung der Anleihegläubiger bei Abstimmungen in (Insolvenz)Gläubigerversammlungen (dazu unter Rn. 644, 657 f., 665 ff.). 490 Ob die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren allerdings opportun ist, ist differenziert zu beantworten. 491 Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind in einem Restrukturierungsprozess die Vorteile der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters als „Schnittstelle“ zwischen Gläubigern und dem Emittenten evident. So steht der Emittent bei der Begebung einer Anleihe typischerweise nicht bloß einigen wenigen, sondern einer Vielzahl von individuellen Anleihegläubigern gegenüber. Eine Verhandlung mit jedem einzelnen Gläubiger ist insofern bereits aus praktischen Gründen kaum möglich. Ebenso können Mitwirkungs- bzw. Kontrollrechte bereits aus Praktikabilitätsgründen häufig nicht adäquat durch den individuellen Anleihegläubiger ausgeübt werden – zumal dem gemeinsamen Vertreter diesbezüglich weitergehende Rechte zustehen (vgl. etwa § 7 Abs. 5 SchVG). Insbesondere dieser Aspekt der Verfahrenserleichterung für sämtliche Parteien lässt die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in Restrukturierungssituationen oftmals hilfreich erscheinen.433) 492 Im Insolvenzverfahren birgt die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters neben den Chancen auch nicht zu unterschätzende Risiken. Auf der einen Seite erscheint im Regelinsolvenzverfahren ohne Insolvenzplan die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters oftmals als effizientes – und damit begrüßenswertes – Mittel zur kollektiven Wahrnehmung von Gläubigerrechten; dies gilt insbesondere bei Anleihen mit einer breiten Streuung, da es zu einer Stimmbündelung der Gläubigerinteressen kommt.434) So hat der Gesetzgeber auch in der Gesetzesbegründung formuliert, dass die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters dazu führen soll, dass das Insolvenzverfahren mit einer Vielzahl von Anleihegläubigern „rechtssicher und zügig“ durchgeführt wer___________ 433) Veranneman/Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 2. 434) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 24.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
den kann.435) Andererseits stellen jedoch weiterhin nicht gelöste Unklarheiten in Bezug auf die Beschlusskontrolle bei der Bestellung des gemeinsamen Vertreters ein schwer zu kalkulierendes Risiko dar. Hier ist es etwa nach wie vor ungeklärt, ob sich die Beschlusskontrolle nach Insolvenzrecht oder nach Schuldverschreibungsrecht richtet.436) II. Internationale Aspekte Wird über das Vermögen eines Emittenten im Inland das Insolvenzverfahren 493 eröffnet, ist gemäß Art. 4 EuInsVO (bzw. § 335 InsO) das deutsche Insolvenzrecht anwendbar; insofern bestimmt das Insolvenzstatut (lex fori concursus) die Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren.437) § 19 SchVG ist nach allgemeiner Meinung eine insolvenzrechtliche Regelung 494 (und damit Teil der lex fori concursus). § 19 SchVG findet daher Anwendung, wenn der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen (center of main interests = COMI) im Inland liegt (Art. 3 EuInsVO) und dort entweder ein Insolvenzverfahren438) oder ein Partikular- oder Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird (§§ 354, 356 InsO; Art. 3 EuInsVO).439) Insofern kann § 19 SchVG auch auf einen ausländischen Schuldner Anwendung finden, wenn das SchVG anwendbar ist. Nicht zur Anwendung kommt § 19 SchVG hingegen, wenn ein Insolvenzverfahren im Ausland eröffnet wird oder eine Schuldverschreibung nach ausländischem Recht begeben wurde und somit das SchVG gänzlich nicht anwendbar ist.440) Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SchVG bleibt die Anwendung von § 340 InsO unbe- 495 rührt.441) III. § 19 SchVG-Versammlung Vor dem Hintergrund der rudimentären Regelungen zum Verhältnis von In- 496 solvenz- und Schuldverschreibungsrecht stellen sich die Fragen nach dem (sachlichen) Anwendungsbereich von § 19 SchVG (dazu unter 1.), dem Ablauf der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG (dazu unter 2.) ___________ 435) Begründung RegE BT-Drucks. 16/12814, S. 25. 436) Zur statthaften Beschlusskontrolle hinsichtlich des Beschlusses über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG siehe zuletzt LG Leipzig ZIP 2015, 285. Eingehend dazu Rn. 541 ff. 437) Dazu und zu den Möglichkeiten der Restrukturierung von nach ausländischen Recht begebenen Anleihen, vgl. Thole, in: Festschrift Schütze, S. 601, 602. 438) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 19; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 13. 439) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 13; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 10. 440) Dazu ausführlich Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 13. 441) Dazu und zu einer vertiefenden Analyse der Vorschrift, vgl. Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 14 ff; auch Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 15; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 22; Thole, ZIP 2014, 293, 295.
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C. Anleihen in der Insolvenz
sowie der Frage der Abhaltung weiterer Gläubigerversammlungen nach der Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG (dazu unter 3.). Der Frage der Rechtsstellung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren wird im nächsten Kapitel IV. nachgegangen. 1. Anwendungsbereich des § 19 SchVG 497 Nach § 19 Abs. 2 SchVG kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger ein gemeinsamer Vertreter bestellt werden. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG sieht vor, dass eine Gläubigerversammlung zum Zweck der Wahl eines gemeinsamen Vertreters – im eröffneten (nicht: im vorläufigen) Insolvenzverfahren442) – vom Insolvenzgericht einzuberufen ist, sofern ein solcher noch nicht bestellt ist. Abweichend von der Regelung des § 9 Abs. 1 SchVG liegt die ausschließliche Einberufungskompetenz für eine solche Versammlung beim Insolvenzgericht.443) a) Einberufung ohne Ermächtigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG? 498 In der Praxis stellt sich oftmals die Frage, ob eine Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG auch dann einzuberufen ist, wenn die Anleihebedingungen die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses der Anleihegläubiger (nach dem SchVG) nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG vorsehen.444) Die herrschende Literatur445) befürwortet die Einberufungskompetenz. Das Amtsgericht Hamburg446) hat sich nun mit ausführlicher Begründung gegen die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 2 SchVG ausgesprochen, sofern die Anleihebedingungen die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlusses nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG vorsehen. Auch wenn das Gericht die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters grundsätzlich als vorteilhaft und effizient einschätzt, lehnt es die Anwendung mit Verweis auf die Gesetzessystematik und den Widerspruch zum Wortlaut des SchVG ab. Dieser Ansicht hat sich auch das AG Neuruppin unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das AG Hamburg an___________ 442) Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 2; Thole, ZIP 2014, 293, 295; dies gilt auch dann, wenn dem Schuldner ein Verfügungsverbot auferlegt wurde, mithin ein sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde, vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 13. 443) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 50. Diese ausschließliche Zuständigkeit zur Einberufung der Gläubigerversammlung bestand auch nach dem SchVerschrG, vgl. § 18 Abs. 2 SchVerschrG. 444) Dazu auch unter Rn. 124 ff. 445) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 5 Rn. 49; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 7; Brenner, NZI 2014, 789, 790; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 20; Lürken, EWiR 2017, 55; Wegener, NZI 2017, 54, 56; vgl. auch die Nachweise bei Rn. 125. 446) AG Hamburg ZIP 2016, 2030; das Amtsgericht Tostedt hatte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schneekoppe GmbH (Az: 22 IN 158/14) trotz fehlendem Verweis auf die §§ 5 ff. SchVG in den Anleihebedingungen noch eine Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG einberufen, allerdings ohne ausführliche Begründung.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
geschlossen.447) Das AG Hamburg und das AG Neuroppin verkennen allerdings nach der hier vertretenen Ansicht, dass § 19 SchVG nach allgemeiner Meinung eine insolvenzrechtliche Regelung ist und deshalb unabhängig von der Verortung der Regelung in den §§ 5 – 21 SchVG anwendbar sein sollte.448) Es bleibt abzuwarten, wie die sonstigen Insolvenzgerichte entscheiden wer- 499 den.449) Bei fehlender Ermächtigung zu Mehrheitsentscheidungen in den Anleihebedingungen ist die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in einer nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG einberufenen Gläubigerversammlung mit Risiken behaftet. Es verbleibt insbesondere die Unsicherheit, ob der designierte gemeinsame 500 Vertreter, die individuellen Anleihegläubiger oder als Folge keiner der beiden die Rechte im Insolvenzverfahren geltend machen kann. Dies kann bei Abstimmungen über einen Insolvenzplan gravierende Folgen haben, da hier typischerweise eine zeitnahe Entscheidung unerlässlich ist. Es erscheint daher gerade in Verfahren, in denen ein Insolvenzplan zur Diskussion steht, sinnvoll, in der Versammlung – sofern entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Hamburg überhaupt eine solche stattfindet – darauf hinzuwirken, dass kein gemeinsamer Vertreter bestellt wird und die Gläubiger ihre Rechte im Insolvenzverfahren individuell geltend machen.450) Auf diese Weise wird die Streitfrage mit dem Ergebnis einer größeren Rechtssicherheit umgangen. b) Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts Die Einberufung einer Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist dem 501 Wortlaut nach zwingend, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch kein gemeinsamer Vertreter für die Gläubiger der Anleihe bestellt worden und § 19 SchVG anwendbar ist.451) Das Insolvenzgericht hat insoweit eine Amtspflicht zur Einberufung.452) ___________ 447) AG Neuruppin im Insolvenzverfahren der KTG Energie AG (Az.: 15 IN 260/16). 448) So auch Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 20; Lürken, EWiR 2017, 55, 56 der darauf verweist, dass es sich bei der Verortung des § 19 SchVG in den §§ 5 – 21 SchVG um ein Redaktionsversehen handeln dürfte. 449) Nicht möglich soll es nach Ansicht des OLG Dresden (ZIP 2016, 87 Rn. 24 ff) sein, noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einer Anleihegläubigerversammlung zu einer Anwendung der §§ 5 – 21 SchVG zu optieren (sog. Opt-In; dazu ausführlich Rn. 130 ff.) und somit den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG zu eröffnen. 450) Anders nach Kuder/Obermüller (ZInsO 2009, 2025, 2028) die der Auffassung sind, dass auch die Nichtbestellung anfechtbar sei. 451) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 50; das AG Hamburg (ZIP 2016, 2030) verweist darauf, dass das Insolvenzgericht keine Einberufungspflicht haben soll, wenn die Anleihebedingungen keinen Mehrheitsbeschlusses der Anleihegläubiger nach dem SchVG gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SchVG vorsehen. 452) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 10; Thole, ZIP 2014, 293, 296; die Einberufung hat vor Ablauf der Forderungsanmeldefrist und vor dem Berichtstermin zu erfolgen, Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393.
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C. Anleihen in der Insolvenz
502 Ist bereits ein gemeinsamer Vertreter bestellt, „kann“ das Insolvenzgericht von der Einberufung einer Gläubigerversammlung absehen, muss es jedoch nicht. Wird keine Gläubigerversammlung einberufen, erfährt der bereits bestellte gemeinsame Vertreter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rechtsmachtzuwachs in der Form, dass er gemäß § 19 Abs. 3 SchVG die Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren wahrzunehmen hat.453) Dies gilt selbst dann, wenn der gemeinsame Vertreter, der vor der Insolvenzeröffnung gewählt bzw. bestellt wurde, nur ein sog. „schwacher“ gemeinsamer Vertreter (ohne weitergehende Befugnisse i. S. v. § 5 Abs. 3, Abs. 4, § 7 SchVG) ist. 503 Trotz dieses durch § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG eingeräumte Ermessen wird das Insolvenzgericht die Einberufung einer Gläubigerversammlung in einem solchen Fall in der Regel – bereits zur Masseschonung – unterlassen. Etwas anderes kann gelten, wenn es aus dem Kreise der Anleihegläubiger Kritik an dem gemeinsamen Vertreter und/oder Gegenkandidaten für diesen gibt, die eine erneute Abstimmung sinnvoll erscheinen lassen. 504 Eine Einberufungspflicht des Insolvenzgerichts soll allerdings im Wege teleologischer Reduktion nicht bestehen, wenn die Anleihe einen Rangrücktritt entsprechend § 39 Abs. 2 InsO aufweist und feststeht, dass die Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren keine Quote erhalten werden.454) Begründet wird dies damit, dass bei nachrangigen Forderungen eine Anmeldung nur nach Aufforderung durch das Gericht stattfindet (§ 174 Abs. 3 InsO); dies setzt eine Vollbefriedigung der übrigen Gläubiger voraus. Eine Vollbefriedigung ist in der Regel aber nicht zu erwarten, sodass die Vertreterbestellung über die Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG reiner – und zusätzlich kostenintensiver – Formalismus wäre.455) Zu beachten ist allerdings, dass der Nachrang einzelner Anleihegläubiger einer Anleiheserie nicht dazu führt, dass keine Einberufungspflicht besteht.456) 505 Etwas Anderes soll nur dann gelten, wenn im Insolvenzverfahren eine Abstimmung über einen Insolvenzplan in Betracht kommt, da in diesem Falle nach § 237 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 77 InsO auch nachrangige Gläubiger bei der Abstimmung stimmberechtigt sind.457) Diese Ansicht lässt allerdings au___________ 453) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 50; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 74. 454) LG Bonn ZIP 2014, 983, dazu EWiR 2014, 395 (Friedl); Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 50; Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 17 f.; Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 312 (zu SchVerschrG); Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911; im Ergebnis auch Thole, ZIP 2014, 293, 296 f.; a. A. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 22 ff. 455) Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 312. 456) Dazu ausführlich Thole, ZIP 2014, 293, 296 f. 457) So in der Altauflage in Veranneman/Fürmaier, SchVG, § 19 Rn. 9. In der Neuauflage wird Ansicht allerdings nicht mehr vertreten, vgl. Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 50.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
ßer Acht, dass die Forderungen der nachrangigen Gläubiger grundsätzlich – vorbehaltlich einer anderen Planregelung oder einer Vollbefriedigung – als erlassen gelten und deshalb die Gläubiger nachrangiger Forderungen nicht als Gruppe teilnehmen (§§ 222 Abs. 1 Satz 2, 225 Abs. 1 InsO).458) Es stellt sich weiterhin die Frage einer Einberufungspflicht, wenn bei einer 506 Anleihe, die zur Zeit des Regimes des SchVerschrG emittiert wurde, zwar ein gemeinsamer Vertreter bestellt wurde, allerdings vor einem „Opt In“-Beschluss.459) Schon im SchVerschrG war nämlich das Institut des gemeinsamen Vertreters vorgesehen. Dieser hatte eine mit dem gemeinsamen Vertreter nach dem SchVG vergleichbare „Vermittlungs- und Koordinierungsfunktion“, war jedoch von Gesetzes wegen mit weniger Rechten ausgestattet. Wurde ein gemeinsamer Vertreter nach dem SchVerschrG bestellt und im 507 Nachgang in einer Gläubigerversammlung vor Insolvenzeröffnung460) nach § 24 Abs. 2 SchVG ein „Opt in“-Beschluss gefasst, muss sich das Insolvenzgericht die Frage stellen, ob ein nach dem Regelungsregime des SchVerschrG bestellter gemeinsamer Vertreter ipso iure ein gemeinsamer Vertreter nach dem SchVG wird. Die Folge wäre, dass auch für einen gemeinsamen Vertreter nach SchVerschrG ein Rechtsmachtzuwachs (nach § 19 Abs. 3 SchVG) anzunehmen wäre. Würde das Insolvenzgericht dies bejahen, wäre ein gemeinsamer Vertreter i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG für die Anleihe bestellt und das Insolvenzgericht könnte von der Einberufung einer Gläubigerversammlung absehen. Die besseren Gründe sprechen jedoch gegen eine solche „Wandlung“ des ge- 508 meinsamen Vertreters nach dem SchVerschrG zu einem gemeinsamen Vertreter nach dem SchVG. Die Anleihegläubiger treffen mit ihrer Entscheidung, ein neues Regelungsregime anzuwenden, gerade keine Entscheidung darüber, ob auch die handelnden Personen unter diesem neuen Regelungsregime weiterhin die Rechte für die Anleihegläubiger wahrnehmen sollen. Den Anleihegläubigern bleibt es gleichzeitig unbenommen, einen gemeinsamen 509 Vertreter der Altanleihen nach vollzogenem „Opt-In“-Beschluss auch zu einem gemeinsamen Vertreter nach dem SchVG zu wählen. Sofern dies jedoch vor Insolvenzeröffnung nicht erfolgt ist, hat das Insolvenzgericht davon auszugehen, dass kein gemeinsamer Vertreter i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG bestellt wurde. Das Insolvenzgericht sollte daher in dieser Konstellation von seinem Einberufungsrecht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG Gebrauch machen.
___________ 458) Dazu ausführlich Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 18; auch Thole, ZIP 2014, 293, 296 f. 459) Dazu unter Rn. 130 ff. 460) Nach Ansicht des OLG Dresden (ZIP 2016, 87) ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Opt-In nach § 24 Abs. 2 SchVG nicht mehr möglich.
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C. Anleihen in der Insolvenz
c) Keine Pflicht zur Wahl eines gemeinsamen Vertreters 510 Die Gläubiger sind in der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG einzuberufenden Versammlung nicht verpflichtet, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.461) Sofern zunächst kein gemeinsamer Vertreter bestellt wurde, ist es den Gläubigern jedoch weiterhin unbenommen, nach den Vorschriften des SchVG erneut eine Versammlung einzuberufen, um diesen doch zu bestellen.462) 511 Eine solche Bestellung bietet sich insbesondere in den Fällen eines Regelinsolvenzverfahrens an, in denen eine Abwicklung des Insolvenzschuldners vorgesehen ist. Problematisch können sich die Rechtsunsicherheiten bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters indes dann auswirken, wenn ein Insolvenzplanverfahren durchgeführt werden soll. Hier kann die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters unter Umständen zu Verfahrensverzögerungen führen, sofern die Bestellung mit Rechtsmitteln angegriffen wird. 2. Ablauf einer Versammlung nach § 19 SchVG 512 Steht für das Insolvenzgericht fest, dass eine Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG einzuberufen ist, müssen die gesetzlichen Vorgaben für den Ablauf der Versammlung eingehalten werden. Die Einberufungszuständigkeit liegt hier ausschließlich beim Insolvenzgericht.463) Die Versammlung bedarf der Vorbereitung und muss ordnungsgemäß durchgeführt werden; die Beschlüsse der Gläubigerversammlung können einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden. a) Vorbereitung der Gläubigerversammlung aa) Einberufungszeitpunkt 513 Das SchVG bestimmt im Gegensatz zum SchVerschrG nicht ausdrücklich, zu welchem Zeitpunkt die Gläubigerversammlung einzuberufen ist. War in § 18 Abs. 3 SchVerschrG noch ausdrücklich geregelt, dass die Einberufung „unverzüglich“ zu erfolgen hat, fehlt in § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG eine entsprechende Regelung. 514 Es entspricht allerdings allgemeiner Meinung, dass die Einberufung der Gläubigerversammlung i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ebenfalls „unverzüglich“
___________ 461) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 24. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist eine Bestellung jedoch in aller Regel „wünschenswert“ BT-Drucks. 16/12814, S. 25. 462) OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119; so auch Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 31; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 25. 463) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 25.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen soll.464) Dies ist auch sachgerecht, da nur mit einer zeitnahen Einberufung Klarheit geschaffen wird, wer für die Anleihegläubiger handeln kann. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in Insolvenzverfahren die wesentlichen Entscheidungen regelmäßig am Anfang des Verfahrens getroffen werden. bb) Einberufungsfrist Neben der unterbliebenen Regelung zum Zeitpunkt der Einberufung, fehlt es 515 auch an einer ausdrücklich geregelten Frist. In Frage kommt zunächst eine Bezugnahme auf die Einberufungsfrist nach dem SchVG gemäß § 10 Abs. 1 SchVG.465) Alternativ könnte auch die Vorschrift des § 75 Abs. 2 InsO, nach der die Frist höchstens drei Wochen betragen darf, Anwendung finden.466) Im Ergebnis ist eine zweiwöchige Einberufungsfrist gemä0 § 10 Abs. 1 SchVG 516 vorzugswürdig. Es ist nicht gerechtfertigt – auch nicht im Sinne einer im Insolvenzverfahren wünschenswerten Beschleunigung – die Vorschrift des § 75 Abs. 2 InsO heranzuziehen. Hierfür spricht insbesondere auch der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG, der hinsichtlich der Geltung der Einberufungsvorschriften auf die „Vorschriften dieses Gesetzes“ verweist. Die Einberufungsfrist beträgt somit gemäß § 10 Abs. 1 SchVG mindestens 517 14 Tage und ist als Zwischenfrist anzusehen.467) Für die Fristberechnung dürfen daher weder der Tag der Veröffentlichung der Einberufung noch der Tag der Gläubigerversammlung mitgezählt werden.468) Daneben sind die Besonderheiten der konkreten Anleihebedingungen zu be- 518 achten: Ist in den Anleihebedingungen eine längere Frist oder ein Anmeldeerfordernis zur Teilnahme an Anleihegläubigerversammlungen normiert, ist dies auch bei der Versammlung nach § 19 SchVG zu beachten (§ 10 Abs. 2 SchVG). Sehen die Anleihebedingungen ein Anmeldeerfordernis vor, verlängert sich nach § 10 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 SchVG die Einberufungsfrist somit regelmäßig auf 17 Tage.
___________ 464) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 51; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 26; Kuder/ Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 9; Thole, ZIP 2014, 293, 296; im Ergebnis ebenso Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 14 f. 465) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 26; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 9. 466) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 25. 467) Dazu oben Rn. 229. 468) So auch Schmidtbleicher, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 10 Rn. 3. Zu den notwendigen Abstimmungen mit den Veröffentlichungszeiten des Bundesanzeigers vgl. Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 10 Rn. 3.
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C. Anleihen in der Insolvenz
519 Beruft das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung nicht „unverzüglich“ ein, so können die Gläubiger gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SchVG verlangen, dass der Emittent die Versammlung einberuft oder, sofern ihrem Einberufungsverlangen nicht entsprochen wird, sich selbst nach § 9 Abs. 2 SchVG gerichtlich zur Einberufung ermächtigen lassen.469) cc) Einberufungsverfahren (1) Regelungsregime für die Einberufung 520 Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist die Gläubigerversammlung nach Insolvenzeröffnung nach den Vorschriften „dieses Gesetzes“ – d. h. dem SchVG – einzuberufen. Gleichwohl wird in der Literatur vertreten, dass das Insolvenzgericht zur besseren Orientierung und angesichts der Tatsache, dass es sich insoweit auf „bekanntem Terrain“ befände, nach insolvenzrechtlichen Vorschriften einberufen sollte.470) Dem kann jedoch angesichts des klaren Wortlautes des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG nicht gefolgt werden.471) Der Einladungsinhalt richtet sich somit nach § 12 Abs. 1 SchVG. (2) Einladungsinhalt 521 In der Einberufung sind die Firma, der Sitz des Schuldners, die Zeit und der Ort der Gläubigerversammlung sowie die Bedingungen anzugeben, von denen die Teilnahme an der Gläubigerversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. Ebenso ist nach § 13 SchVG eine Tagesordnung beizufügen und auf etwaige Legitimationsnachweise nach § 10 Abs. 2, 3 SchVG hinzuweisen.472) In der Einladung nicht genannt werden müssten nach dem SchVG indes die genaue Anschrift und die Vertretungsberechtigung des Emittenten; gleichwohl sollten diese Angaben aufgenommen werden, da die Notwendigkeit der Nennung der Anschrift in § 9 InsO normiert ist und die Angabe der Vertretungsberechtigung über den Wortlaut des § 9 InsO hinaus angenommen wird.473) 522 In der Einladung ist zusätzlich auf die Vertretungsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 SchVG hinzuweisen, da es dem Anleihegläubiger unbenommen ist, sich auch in der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG eines Vertreters zur Teilnahme zu bedienen. ___________ 469) Dazu ausführlich Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 16; mit dem Hinweis, dass die Gläubiger nur das Insolvenzgericht (klageweise) verpflichten können Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 24. 470) So in der Altauflage in Veranneman/Fürmaier, SchVG, § 19 Rn. 10. Ansicht allerdings nicht mehr vertreten, vgl. Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 51. 471) So etwa Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn.9 m. w. N. 472) Dazu Thole, ZIP 2014, 293, 296. 473) Kübler/Prütting/Bork/Prütting, InsO, § 9 Rn. 14; Braun/Böhner, InsO, § 9 Rn. 7.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
Zu Klarstellungszwecken sollte in der Einladung zudem ein Hinweis auf die 523 Stimmrechtsregelung in § 6 SchVG erfolgen, auch wenn dies von Gesetzes wegen nicht geboten ist. Nach der Grundregel des § 6 Abs. 1 Satz 1 SchVG bemisst sich das Stimmrecht der Gläubiger in der Schuldverschreibungsgläubigerversammlung nach der Maßgabe des Nennwerts an den von ihnen gehaltenen, ausstehenden Schuldverschreibungen. Ein Hinweis ist deshalb sachdienlich, da Anleihegläubiger – angesichts des Generalverweises des § 19 SchVG auf die InsO – auf die Idee kommen könnten, dass nur bei bereits erfolgter Anmeldung der Forderung zur Tabelle gemäß § 174 InsO eine Teilnahme an der Schuldverschreibungsgläubigerversammlung erfolgen kann. Dies ist nach zutreffendem Verständnis nicht erforderlich. Auch im Hinblick auf die Veröffentlichungen gilt das SchVG.474) Somit ist 524 die Einladung zur Gläubigerversammlung im Bundesanzeiger (§ 12 Abs. 2 Satz 1 SchVG), an der in § 12 Abs. 3 SchVG vorgesehenen Stelle im Internet – typischerweise die Homepage des Emittenten – sowie, sofern dies vorgesehen ist, in den innerhalb der Anleihebedingungen festgelegten Veröffentlichungsmedien bekannt zu machen. Ferner hat zusätzlich nach § 19 Abs. 5 SchVG eine Veröffentlichung im Internet (www.insolvenzbekanntmachung.de) zu erfolgen (§ 9 InsO). dd) Einberufungsort Einberufungsort ist nach § 11 SchVG grundsätzlich der Sitz des Emittenten. 525 Abweichend kann im Insolvenzverfahren auch der Ort des (Insolvenz-)Gerichts in Betracht kommen.475) b) Durchführung der Gläubigerversammlung Die Durchführung der Gläubigerversammlung richtet sich, soweit § 19 Abs. 2 526 Satz 2 SchVG nichts anderes bestimmt, nach dem SchVG. aa) Tagesordnungspunkte Nach dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist für die Ver- 527 sammlung nur ein Tagesordnungspunkt vorgesehen, nämlich die Entscheidung der Anleihegläubiger über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren. Ob neben diesem zwingenden Tagesordnungspunkt noch weitere Tagesordnungspunkte zulässig sind, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift unklar. Die Tatsache, dass das Insolvenzgericht zum „Zweck“ der Vertreterbestellung einberuft, spricht jedoch dafür, dass in der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG nur über die Bestellung des gemeinsamen Vertreters abgestimmt werden soll. ___________ 474) So auch Thole, ZIP 2014, 293, 296. 475) Dazu Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 18; Thole, ZIP 2014, 293, 296 m. w. N.
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C. Anleihen in der Insolvenz
(1) Zulässigkeit von Weisungsbeschlüssen als Annexkompetenz 528 Die Möglichkeit, Rechte im Insolvenzverfahren auf unterschiedliche Weise auszuüben, führt zu der Frage, ob dem gemeinsamen Vertreter nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG durch die Gläubigerversammlung Weisungen erteilt werden können. Dies mag insbesondere erwägenswert sein, wenn ein Großteil der Gläubiger ein bestimmtes (Abstimmungs-)Verhalten vom gemeinsamen Vertreter auf insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlungen wünscht. 529 Grundsätzlich ist in Bezug auf Weisungen zu beachten, dass der gemeinsame Vertreter im Außenverhältnis mit einer umfassenden Rechtsmacht nach § 19 Abs. 3 SchVG ausgestattet wird. Das rechtliche „Können“ entbindet den gemeinsamen Vertreter jedoch nicht davon, die im Innenverhältnis erteilten Weisungen der Gläubigerversammlung zu befolgen, vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG. Diese Weisungskompetenz im Innenverhältnis gegenüber dem gemeinsamen Vertreter bleibt auch nach der Insolvenzeröffnung bestehen.476) Dies spricht dafür, dass – schon aus Gründen der Verfahrensökonomie – entsprechende (Mehrheits-)Beschlüsse zur Anweisung des gemeinsamen Vertreters auch in der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG gefasst werden können. Erreicht werden könnte die Aufnahme eines solchen Tagesordnungspunktes in der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG – sofern dies das Insolvenzgericht nach Vorabstimmung nicht eigenständig veranlasst – über das Recht auf Ergänzung der Tagesordnung nach § 13 Abs. 3 SchVG. (2) Sonstige Beschlussgegenstände 530 Fraglich ist, ob über weitere – von der Bestellung und Anweisung des gemeinsamen Vertreters losgelöste – Beschlussgegenstände (Tagesordnungspunkte) in der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG abgestimmt werden kann. Dies ist zu verneinen: Der Wortlaut lässt keinen Zweifel, dass die Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ausschließlich der reibungslosen Abwicklung des Insolvenzverfahrens dient und auf den Beschluss über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters beschränkt ist. 531 Sollte es notwendig werden, dass, neben der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und einzelnen Weisungen, die mit der Bestellung im Zusammenhang stehen, weitere Beschlüsse gefasst werden sollen, ist es den Gläubigern unbenommen, zeitlich nach der Gläubigerversammlung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG weitere Versammlungen der Anleihegläubiger einzuberufen.477) ___________ 476) Allgemeine Meinung im Schrifttum Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 59; Kuder/ Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 34; Horn, BKR 2014, 449, 451; mit dem Hinweis, dass Weisungen nur in folgenden Versammlungen erteilt werden können Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 22. 477) Hierzu Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 67 f.; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 30 ff.; zur Frage der Zulässigkeit einer Versammlung und den zulässigen Beschlussgegenständen ausführlich unter Rn. 557 ff.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
bb) Versammlungsleitung der Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 SchVG Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG obliegt die Versammlungsleitung dem Insol- 532 venzgericht.478) Funktionell zuständig ist nach der Grundregel der §§ 3 Nr. 2 lit. e), 18 RPflG der Rechtspfleger.479) Es handelt sich bei der Leitung einer Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG nicht um eine Angelegenheit, die nach § 18 Abs. 1 RPflG zwingend dem Richter vorbehalten ist. Gleichwohl ist es dem Insolvenzrichter im Hinblick auf die Komplexität einzelner Verfahren bzw. Verfahrensbereiche unbenommen, gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 RPflG die Leitung der Anleihegläubigerversammlung zu übernehmen. cc) Beschlussfähigkeit Grundsätzlich bedarf es für die Beschlussfähigkeit in Gläubigerversammlungen 533 nach dem SchVG bestimmter Beschlussquoren (vgl. § 15 Abs. 3 SchVG). Anders ist dies in der Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG: Es gilt die Verweisung auf die Insolvenzordnung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SchVG). Für das Beschlussquorum sind daher die insolvenzrechtlichen Vorgaben für die Insolvenzgläubigerversammlung in §§ 74 ff InsO (analog) maßgeblich, mit der Folge, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Beschlussquorum nicht von der Mindestzahl von Köpfen und/oder dem Erreichen von Quoren abhängt, sondern die Beschlussfähigkeit bereits mit der Anwesenheit eines (einzigen) Gläubigers gegeben ist.480) Stimmberechtigt sind allerdings im Gegensatz zu der Regelung in § 77 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht nur solche Gläubiger von Forderungen, die bereits zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind; die Stimmrechte orientieren sich – wie auch außerhalb der Insolvenz – an der jeweiligen Forderungshöhe des (Anleihe-)Gläubigers.481) Der Wortlaut des § 19 Abs. 1 SchVG, dass nach Insolvenzeröffnung die Be- 534 schlüsse der Gläubiger den Bestimmungen der Insolvenzordnung unterliegen, spricht dafür, dass diese Stimmrechtsableitung auch für etwaige weitere Gläubigerversammlungen gilt, die zwar während des Insolvenzverfahrens, aber nach den Regularien des SchVG stattfinden. Diese Ansicht verkennt aller___________ 478) Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 40. 479) Vgl. für die Versammlung nach § 19 SchVG ausdrücklich Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 20, 27, 29. 480) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 7; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 38. Sofern de lege ferenda auch über schuldverschreibungsspezifische Gegenstände in einer Schuldverschreibungsgläubigerversammlung beschlossen werden soll, sollten dabei die allgemeinen Regelungen des § 5 Abs. 4 SchVG (hinsichtlich des Mehrheitserfordernisses) bzw. § 15 SchVG (hinsichtlich der Beschlussquoren) gelten. Dies gebietet insbesondere § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO, der bei Geltung der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle theoretisch ausgehöhlt werden könnte. 481) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 9; erst recht muss die Forderung eines einzelnen Gläubigers nicht festgestellt sein; regelmäßig folgt die Anmeldung und Prüfung der Forderungen nach § 19 SchVG.
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C. Anleihen in der Insolvenz
dings, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer weiteren Gläubigerversammlung nicht gesehen hat und es deshalb bei dem Grundsatz der Anwendung des SchVG bleibt.482) Unbeeinflusst davon sind naturgemäß die insolvenzspezifischen Gläubigerversammlungen nach der InsO (§ 77 InsO). Hier sind Gläubiger nur stimmberechtigt, wenn ihre Forderungen angemeldet und nicht bestritten sind bzw. ihr Stimmrecht positiv festgestellt wurde. (1) Mehrheitserfordernisse 535 Für die Bestellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG genügt nach § 76 Abs. 2 InsO die einfache Mehrheit der anwesenden Gläubiger;483) nach § 76 Abs. 2 InsO bestimmt sich diese nach den Forderungsnennbeträgen.484) (2) Beurkundungserfordernisse 536 Grundsätzlich bedarf nach § 16 Abs. 3 Satz 1 SchVG der Beschluss einer Gläubigerversammlung zu seiner Wirksamkeit der Beurkundung durch eine über die Verhandlung aufgenommene Niederschrift. Diese ist nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SchVG durch einen Notar aufzunehmen. 537 Für die Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG, die durch das Insolvenzgericht einberufen, geleitet und protokolliert wird, wird vertreten, dass zur Kostenvermeidung und Verfahrensbeschleunigung die Protokollierung durch das Insolvenzgericht in entsprechender Anwendung des § 127a BGB analog ausreicht.485) Die analoge Anwendung des § 127a BGB ist in der Sache zu begrüßen. Im Grundsatz dient die außerhalb des Insolvenzverfahrens angeordnete notarielle Beurkundung gemäß § 16 Abs. 3 SchVG der Rechtssicherheit, welcher auch durch gerichtliche Protokollierung genügt ist. Aber: Bis dieser Umstand nicht durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung geklärt ist, sollte zur Vermeidung des Restrisikos „immer“ eine flankierende notarielle Beurkundung stattfinden. dd) Kosten der Insolvenzgläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG 538 Die Kostenlast für die Gläubigerversammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ist im Gesetz nicht geregelt. Grundsätzlich sind die Kosten einer Gläubiger___________ 482) So auch Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 64 f. m. w. N.; anders noch in der 1. Aufl. dieses Werkes. 483) Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911. 484) Thole, ZIP 2014, 293, 297. 485) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 12; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 15; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 39; Thole, ZIP 2014, 293, 296; im Ansatz anders Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 15.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
versammlung gemäß § 9 Abs. 4 SchVG vom Anleiheschuldner zu tragen, selbst wenn die Einberufung der Gläubigerversammlung nicht auf ihn zurückgeht. Entsprechend hat der Emittent auch die Kosten für die Versammlung nach 539 § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG im Insolvenzverfahren zu tragen; diese sind – in analoger Anwendung von § 54 Abs. 1 InsO –, nicht zuletzt wegen der Einberufung durch das Insolvenzgericht, wie Gerichtskosten zu behandeln und demnach Masseverbindlichkeiten.486) Umstritten ist auch die Kostentragung für die Vergütung und die Auslagen 540 des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren.487) c) Beschlusskontrolle Die Einzelheiten der Beschlusskontrolle sind gesetzlich nicht geregelt und 541 bislang auch in Rechtsprechung und Literatur nicht final geklärt. Bisher hat sich das LG Leipzig als – soweit ersichtlich – erstes Gericht zu der Problematik geäußert. Kernpunkt der Diskussion ist die Frage, welche Reichweite § 19 Abs. 1 Satz 1 542 SchVG hat: Können Beschlüsse der Gläubiger nach der Insolvenzeröffnung nach § 78 InsO mit der sofortigen Beschwerde oder nach § 20 SchVG mit der Anfechtungsklage überprüft werden? aa) Kontrolle der Bestellung des gemeinsamen Vertreters (1) Meinungsbild Nach namhafter Literatur unterliegt die Bestellung des gemeinsamen Vertreters 543 nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG der Anfechtung nach dem SchVG mit der Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 20 SchVG.488) Zur Begründung wird herangezogen, dass es sich bei der Entscheidung für die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG um einen Beschluss innerhalb einer separaten Gläubigerversammlung handelt, die selbst nicht Teil der Insolvenzgläubigerversammlung ist. Dementsprechend müsste sich ein solcher Beschluss auch am Regime des Schuldverschreibungsgesetzes messen lassen. Zudem passe vor dem Hintergrund der Antragsberechtigung in § 78 InsO die von der Gegenmeinung angeführte insolvenzrechtliche Beschlusskontrolle nicht auf die Versammlung nach § 19 SchVG.489) ___________ 486) Statt vieler Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 55; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 27; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 34. 487) Dazu siehe Rn. 587 ff. 488) Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 42; Horn, BKR 2014, 449, 451; implizit auch Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 33. 489) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 43.
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C. Anleihen in der Insolvenz
Wichtige Konsequenz dieser Ansicht ist, dass – sofern eine Anfechtungsklage erhoben wird – der in der Gläubigerversammlung gewählte gemeinsame Vertreter erst nach rechtskräftiger (positiver) Entscheidung bzw. Freigabe nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG i. V. m. § 246a AktG handlungsfähig ist.490) 544 Nach anderer Ansicht soll die Beschlusskontrolle über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters hingegen über die insolvenzrechtliche Beschlusskontrolle des § 78 InsO erfolgen. Speziell sprächen Wortlaut, Gesetzesbegründung und Systematik dafür, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Versammlung nach § 19 SchVG § 78 InsO anzuwenden sei.491) Auch sei die insolvenzrechtliche Beschlusskontrolle deshalb vorzugswürdig, da die Anwendbarkeit von § 20 SchVG der Gläubigergleichbehandlung sowie dem Bestreben nach einer zügigen Durchführung des Insolvenzverfahrens entgegenstehen kann.492) (2) Urteil des LG Leipzig 545 Mit Datum vom 16.1.2015 hat das LG Leipzig493) als – soweit ersichtlich – erstes Gericht zu der Frage Stellung genommen, welchem Rechtsschutzregime der Beschluss zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG unterfällt. Ein Gläubiger hatte gegen die Bestellung Anfechtungsklage gemäß § 20 SchVG erhoben. Im Ergebnis sieht das LG Leipzig den Rechtsschutz gegen die Beschlussfassung nach den Bestimmungen der InsO – namentlich § 78 InsO (analog) – als statthaft an.494) Das Gericht begründet diese Auffassung damit, dass § 19 Abs. 2 – 5 SchVG keinen Verweis auf § 20 SchVG enthalten würden, sodass im Insolvenzverfahren der in § 19 Abs. 1 SchVG niedergelegte Grundsatz gelte, dass die Beschlüsse der Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Bestimmungen der Insolvenzordnung unterliegen. bb) Stellungnahme 546 Wie das LG Leipzig bereits überzeugend entschieden hat, sprechen die besseren Gründe dafür, die Bestellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG bzw. damit im Zusammenhang stehende Weisungsbeschlüsse der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle des § 78 InsO zu unterwerfen. ___________ 490) Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028, die § 246a AktG ohne nähere Begründung auch auf die Vertreterbestellung anwenden. 491) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 31; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 63; Leber, S. 291 f.; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 17; Schaumann/Zenker, EWiR 2015, 225; Thole, ZIP 2014, 293, 297 m. w. N. 492) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 31; Leber, S. 291 f. 493) LG Leipzig ZIP 2015, 285. 494) Zuletzt Thole, ZIP 2014, 293, 297 m. w. N.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
Eine andere Frage ist die Beschlusskontrolle von Beschlüssen auf weiteren Anleihegläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren. (1) Wortlaut und Systematik des § 19 Abs. 1, 2 SchVG Für diese Auffassung spricht in erster Linie der Wortlaut des § 19 Abs. 1 547 SchVG. Danach soll sich mit der Insolvenzeröffnung die Beschlussfassung nach der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle richten („so unterliegen Beschlüsse der Gläubiger den Bestimmungen der Insolvenzordnung“). Es ist nicht einzusehen, aus welchem Grund die insolvenzrechtliche Beschlusskontrolle von diesem Generalverweis nicht erfasst werden soll – zumal § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG hinsichtlich der Einberufungsmodalitäten einen Rückverweis auf das SchVG vornimmt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bereits in der Gesetzesbegründung klargestellt wurde, dass ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich die Bestimmungen der InsO anzuwenden sind.495) (2) Erhebliche Rechtsunsicherheiten bei Unterwerfung unter die schuldverschreibungsrechtliche Beschlusskontrolle Neben den systematischen Argumenten sprechen auch praktische Gründe 548 für die Statthaftigkeit der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle. So führt die Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 20 Abs. 1 SchVG gegen den Bestellungsbeschluss zu einer Handlungssperre für den gemeinsamen Vertreter und damit zu einem Suspensiveffekt, der dem Eilcharakter des Insolvenzverfahrens zuwiderläuft.496) Konsequenz des Suspensiveffekts bei Anwendung des § 20 SchVG wäre näm- 549 lich, dass bei Erhebung der Anfechtungsklage gegen einen Bestellungsbeschluss (bzw. auch bei einem Beschluss, der die Bestellung ablehnt), die Bestellung des gemeinsamen Vertreters bis zur rechtskräftigen Entscheidung bzw. einer Freigabe nach §§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG, 246a AktG nicht vollzogen werden dürfte. In der Folge könnte der gemeinsame Vertreter die Rechte der Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren (zumindest bis zu einer Entscheidung) nicht wahrnehmen. Vergleichsweise unproblematisch wäre eine solche Vollzugssperre, wenn die 550 individuellen Schuldverschreibungsgläubiger weiterhin als Insolvenzgläubiger zur Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte berufen wären. Dies wird von den Befürwortern der Anwendung des § 20 SchVG jedoch ausdrücklich abgelehnt mit der Folge, dass durch die Vollzugssperre weder der gewählte ge___________ 495) BT-Drucks. 16/12814, S. 25. 496) Es wird nicht vertreten, dass für den Bestellungsbeschluss des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG eine Ausnahme von der gesetzlich durch § 20 Abs. 3 Satz 4 normierten Vollzugssperre – die für den gemeinsamen Vertreter eine Handlungssperre begründet – existieren soll. Dies wäre inkonsequent und wäre mit der Systematik des Schuldverschreibungsrechts auch nicht zu vereinbaren.
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C. Anleihen in der Insolvenz
meinsame Vertreter noch die einzelnen Anleihegläubiger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung bzw. einer Freigabe ihre Rechte im Insolvenzverfahren geltend machen können.497) Zur Begründung wird – insoweit konsequent unter dem Aspekt der „verdrängenden“ Rechtsmacht des § 19 Abs. 3 SchVG – ausgeführt, dass schon der Umstand eines, wenn auch angefochtenen, Bestellungsbeschlusses die Anleihegläubiger von der Teilnahme ausschließe.498) 551 Einige Befürworter dieser Ansicht gehen noch weiter: So soll nach Kuder/ Obermüller auch der Beschluss, keinen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, der Anfechtung nach § 20 SchVG unterfallen.499) Folgt man dieser Ansicht, stellt sich die Frage, ob mit der Anfechtung eines Beschlusses, einen gemeinsamen Vertreter nicht zu bestellen, ebenfalls eine Suspensivwirkung verknüpft ist; dies wäre ggf. mit der bedenklichen Konsequenz verbunden, dass zunächst weder der individuelle Anleihegläubiger noch der gemeinsame Vertreter zur Geltendmachung von Rechten befugt wäre. 552 Mag eine (temporäre) „Handlungsstarre“ bei einer Abwicklung im Regelinsolvenzverfahren noch handhabbar sein, da z. B. eine nachträgliche Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren möglich ist, wäre dies bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan verheerend. So würden Anleihegläubiger – entsprechende Anleihevolumina vorausgesetzt – bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan trotz maßgeblichem Bestandteil einer Gläubigergruppe i. S. d. § 222 InsO nicht abstimmen können, sofern sich der Planersteller nicht sogar entschließt, eine eigene Gläubigergruppe für Anleihegläubiger zu bilden.500) Zur Annahme eines Insolvenzplans ist nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO allerdings erforderlich, dass in jeder Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt. Stimmt eine Gruppe nicht zu, kommt es darauf an, ob die Mehrheit der Gruppen dem Plan zustimmt bzw. die weiteren Voraussetzungen des § 245 InsO vorliegen. Würden auf diese Weise Anleihegläubiger von der Möglichkeit der Abstimmung ausgeschlossen, ergäben sich erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit dieses Vorgehens. Die Folge könnte sein, dass ein Insolvenzgericht einen Abstimmungs- und Erörterungstermin nicht stattfinden lässt, bis über die Wirksamkeit der Bestellung des gemeinsamen Vertreters entschieden wurde bzw. ein Freigabeverfahren durchgeführt worden ist. ___________ 497) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 31; Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028. anders in der Konsequenz Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 33. 498) Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028. 499) Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2028; dem folgend Maier-Reimer, NJW 2010, 1317, 1319. Diese Auffassung entspricht der Rechtslage im Aktienrecht (allerdings in Kombination mit einer positiven Beschlussfeststellungsklage, vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 246 Rn. 42). 500) Etwa weil der Planersteller für die Anleihegläubiger einen Debt-to-Equity Swap vorsehen will. Vgl. dazu Eidenmüller, in: MünchKomm-InsO, § 222 Rn. 162, auch zur Frage, inwiefern Gläubiger unterschiedlicher Anleihen in einer Gruppe zusammengefasst werden können.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
Die dargelegten Probleme stellen sich hingegen nicht bei der (analogen) An- 553 wendung des § 78 InsO. Wird in der Gläubigerversammlung beantragt, den Beschluss aufzuheben, entscheidet das Gericht. Gegen diesen (zustimmenden oder ablehnenden) Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft, deren Einlegung keine aufschiebende Wirkung zukommt. Somit wäre der gemeinsame Vertreter sofort handlungsfähig. Das überzeugt. Im Ergebnis sprechen daher sowohl die Gesetzessystematik als auch die 554 praktischen Argumente für die Anwendung der insolvenzrechtlichen Beschlusskontrolle. Eine Suspensivwirkung der Anfechtungsklage birgt die Gefahr, dass Sanierungen im Insolvenzverfahren letztlich scheitern, sodass sich die Anwendung des § 78 InsO besser in das Insolvenzverfahren einfügt. Hierfür spricht insbesondere, dass bei zeitlichen Verzögerungen in vielen Fällen nur noch die Abwicklung und nicht mehr die Sanierung möglich bleibt.501) Dies gilt zumindest für die Beschlusskontrolle von Beschlüssen der „ersten“ Anleihegläubigerversammlung gemäß § 19 SchVG. cc) Sonstige Beschlüsse nach Insolvenzeröffnung Wenig Beachtung gefunden hat bisher die Frage gefunden, welcher Art der Be- 555 schlusskontrolle die Beschlüsse der Anleihegläubiger in Gläubigerversammlungen unterliegen, die keine Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG sind. Vorgelagert hierzu ist die Frage, welche Beschlüsse im Insolvenzverfahren – neben der Bestellung des gemeinsamen Vertreters – überhaupt noch gefasst werden können.502) dd) Beschlusskontrolle gegen die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach SchVerschrG Das OLG Dresden503) hat es in einer Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit 556 eines Opt-In nach Insolvenzeröffnung zum alten SchVerschrGabgelehnt, im Rahmen der Beschlusskontrolle bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach SchVerschrG den § 78 InsO entsprechend anzuwenden und stattdessen die allgemeine Feststellungsklage für statthaft angesehen. Dies ist auch überzeugend, da das SchVerschrG den Vorrang des Insolvenzrechts im Insolvenzverfahren nicht kennt. 3. Weitere Gläubigerversammlungen im Insolvenzverfahren Sollen neben der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und einzelner Wei- 557 sungen, die mit der Bestellung im Zusammenhang stehen, weitere Beschlüsse – insbesondere zur Änderung der Anleihebedingungen – gefasst werden, ___________ 501) Schaumann/Zenker, EWiR 2015, 225, 226. 502) Dazu ausführlich Rn. 558 ff. 503) OLG Dresden ZIP 2016, 87 – in der Berufung zu LG Leipzig NZI 2015, 342; dazu auch Schaumann/Zenker, EWiR 2015, 225.
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C. Anleihen in der Insolvenz
muss eine weitere Gläubigerversammlung abgehalten werden. Es spricht viel dafür, dass weitere Versammlungen nach der Gläubigerversammlung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG zulässig bleiben.504) Solche Versammlungen richten sich dann allein nach dem SchVG, da § 19 SchVG nur die Einberufung der ersten Gläubigerversammlung regelt.505) Unklar ist in diesem Zusammenhang, ob die Beschlussgegenstände solcher weiterer Versammlungen aufgrund bzw. nach der Insolvenzeröffnung beschränkt sind.506) a) Zulässigkeit und Beschlussinhalt weiterer Versammlungen 558 Fraglich ist, ob nach der Versammlung i. S. v. § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG noch weitere Versammlungen einberufen werden können. Nach „altem“ Schuldverschreibungsrecht war dies möglich: Das Insolvenzgericht war dazu verpflichtet, über die erste Versammlung hinaus weitere Versammlungen einberufen, wenn der Insolvenzverwalter, der Gläubigerausschuss oder die Aufsichtsbehörde dies verlangten (§ 18 Abs. 4 SchVerschrG). Diese Regelung hat im SchVG keinen Niederschlag mehr gefunden, da aus Sicht des Insolvenzgerichts nach Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren grundsätzlich kein Bedarf für eine weitere Versammlung mehr besteht.507) Daraus zu schließen, dass es keine weiteren Versammlungen mehr geben darf, wäre zu kurz gegriffen.508) Das OLG Zweibrücken hat zwischenzeitlich entschieden, dass die Möglichkeit der Einberufung von weiteren Versammlungen nach Verfahrenseröffnung – im konkreten Fall nach § 9 Abs. 2 SchVG – möglich ist.509) Überzeugend ist in diesem Zusammenhang einschränkend zu beachten, dass durch weitere Versammlungen außerhalb der Versammlung nach § 19 SchVG keine Beschlüsse mit unmittelbarer Wirkung für das Insolvenzverfahren getroffen werden können.510) 559 In einem weiteren Schritt stellt sich die Frage, ob nach Insolvenzeröffnung überhaupt noch Beschlüsse über die Änderung der Anleihebedingungen mit einer Mehrheitsentscheidung i. S. v. § 5 SchVG gefasst werden können. Teilweise wird vertreten, dass Beschlüsse der Anleihegläubiger, die über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG oder ___________ 504) Hierzu Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 67 f.; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 30 ff. 505) Dazu OLG Stuttgart, v. 27.12.2016 – 10 U 97/16, Rz.69; OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119. 506) So etwa Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 28; Horn, BKR 2014, 449, 451; a. A. Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 20. 507) Die Gesetzesbegründung spricht davon, dass die Anleihegläubiger nur befugt sind, durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, vgl. Begründung RegE BT-Drucks. 16/12814, S. 25. 508) Nach Ansicht von Thole, ZIP 2014, 293, 297 nur für die Bestellung, Abberufung oder Anweisung des gemeinsamen Vertreters zulässig. 509) OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119. 510) Mit diesem Hinweis Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 57.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
„Hilfs- bzw. Weisungsbeschlüsse“ dazu hinausgehen, insbesondere solche, die materiell in die Anleihebedingungen eingreifen, nach Insolvenzeröffnung unzulässig sind.511) Für eine Beschränkung soll die Gesetzesbegründung zum SchVG sprechen, der zufolge die Beschlussgegenstände des § 5 Abs. 3 Satz 1 SchVG durch § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG eingeschränkt sein sollen.512) Die Folge wäre, dass die Anleihegläubiger im Rahmen einer Gläubigerversammlung nach dem SchVG im Insolvenzverfahren nur noch über die Bestellung des gemeinsamen Vertreters (sowie evtl. Weisungsbeschlüsse) entscheiden könnten, jedoch nicht mehr über die sonstigen, insbesondere in § 5 Abs. 3 SchVG vorgesehenen Maßnahmen.513) Diese enge Auslegung von § 19 Abs. 2 Satz 1 SchVG greift allerdings zu 560 kurz. So spricht der generelle und übergreifende gesetzgeberische Wille, auch eine Sanierung im Insolvenzverfahren zuzulassen, dafür, einen Beitrag der Anleihegläubiger durch Änderung der Anleihebedingungen mit einer Mehrheitsentscheidung nach § 5 SchVG auch noch nach Insolvenzeröffnung zu ermöglichen.514) Auch die Gesetzesbegründung des ESUG515) spricht gegen eine Einschränkung der Beschlussgegenstände nach Insolvenzeröffnung. Anknüpfungspunkt ist der durch das ESUG neu eingeführte § 225a InsO, der Regelungen zu den Rechten von Anteilsinhabern im Insolvenzverfahren enthält. § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO regelt für einen Debt-to-Equity-Swap, dass dieser nicht ohne Zustimmung aller Gläubiger umgesetzt werden darf.516) Die Gesetzesbegründung des ESUG nennt als Ausnahme zu diesem Grundsatz einen Mehrheitsbeschluss nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG. Diese explizite Nennung des schuldverschreibungsrechtlichen Mehrheitsbeschlusses spricht für den Willen des Gesetzgebers, die sich noch aus der Regierungsbegründung zum SchVG ergebende strenge Linie aufweichen zu wollen.517) Für die Zulässigkeit der Einberufung einer schuldverschreibungsrechtlichen 561 Gläubigerversammlung auch nach Insolvenzeröffnung hat sich auch teilweise
___________ 511) So OLG Dresden ZIP 2016, 87 Rn. 25; AG Hamburg ZIP 2016, 2030 Rn. 41; Bliesener/ Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 28; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 67; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 36; Thole, ZIP 2014, 293, 295; Preuße/ Scherber, SchVG, § 19 Rn. 28; Horn, BKR 2014, 449, 451; a. A. Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 913; Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 20. 512) Begründung RegE BT-Drucks.16/12814, S. 25. 513) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 28. 514) Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912 f.; Lürken, GWR 2013, 499; Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 20; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 59. 515) Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011, BGBl I 2011, 2582 (ESUG). 516) Dazu ausführlich Rn. 627 ff. 517) Dazu ausführlich Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912 m. w. N.
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C. Anleihen in der Insolvenz
die Rechtsprechung ausgesprochen.518) Die Entscheidungen können dahingehend interpretiert werden, dass, auch wenn schon eine „reguläre“ Schuldverschreibungsgläubigerversammlung einberufen werden kann, weiterhin materielle Beschlüsse nach Maßgabe des § 5 SchVG möglich sind. Die Tatsache, dass mit Insolvenzeröffnung die Anleiheforderungen fällig sind (§ 41 InsO), lässt sich hiergegen nicht einwenden, da die Fälligkeit von Anleihen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht dazu führt, dass die Anleihebedingungen nach Maßgabe der §§ 5 ff. SchVG nicht geändert werden könnten.519) Ferner ist zu berücksichtigen, dass ein Schutz der Insolvenzmasse dadurch erreicht wird, dass eine Änderung der Anleihebedingungen grundsätzlich nach § 4 SchVG durch Rechtsgeschäft erfolgt und nach Insolvenzeröffnung der Zustimmung des Insolvenzverwalters bzw. der eigenverwaltenden Geschäftsführung bedarf.520) b) Ablauf weiterer Versammlungen 562 Sofern weitere Gläubigerversammlungen einberufen werden, finden dafür die allgemeinen Regelungen des SchVG Anwendung, da § 19 SchVG nur die Einberufung der ersten Gläubigerversammlung regelt.521) aa) Einberufung 563 Die weitere Gläubigerversammlung wird gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG vom Schuldner oder vom gemeinsamen Vertreter einberufen.522) § 9 Abs. 1 SchVG regelt allerdings nicht, wer in der Insolvenz einer juristischen Person zur Einberufung der Anleihegläubigerversammlung befugt ist. Nach Ansicht des OLG Stuttgart523) steht die Befugnis zur Einberufung von Anleihegläubigerversammlungen nach Insolvenzeröffnung dem Insolvenzverwalter zu. Diese Ansicht überzeugt, da eine Änderung der Anleihebedingungen im Insolvenzverfahren regelmäßig mit dem Zweck der Sanierung durchgeführt wird. Die Sanierung dient dann aber grundsätzlich der „Verwertung“ des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens zur optimalen Befriedigung der Gläubiger und gehört somit zum Kernbereich der Aufgaben des Insolvenzverwal-
___________ 518) OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119; OLG Stuttgart, 27.12.2016 – 10 U 97/16, Rz.70, 75; a. A. OLG Dresden ZIP 2016, 87 Rn. 25; AG Hamburg ZIP 2016, 2030 Rn. 41; dazu auch Thole, ZIP 2014, 2365, 2368. 519) BGH ZIP 2014, 1876, dazu EWiR 2014, 611 (Müller-Eising). 520) Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 20; dazu auch Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 59. 521) Dazu OLG Stuttgart, v. 27.12.2016 – 10 U 97/16, Rn. 69 f; OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119. 522) Dazu ausführlich Rn. 222 ff. 523) OLG Stuttgart, v. 27.12.2016 – 10 U 97/16.
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III. § 19 SchVG-Versammlung
ters.524) Daneben steht das Recht zur Einberufung noch dem gemeinsamen Vertreter zu (§ 9 Abs. 1 SchVG). bb) Durchführung und Beschlussfassung Auch in Bezug auf die Durchführung und Beschlussfassung finden die allge- 564 meinen Regelungen des SchVG Anwendung.525) Zwar wird teilweise vertreten, dass Mehrheitsbeschlüsse im Insolvenzverfahren auf die Wahl des gemeinsamen Vertreters beschränkt sind.526) Diese Ansicht überzeugt (sofern Mehrheitsbeschlüsse nach den Anleihebedingungen zulässig sind) allerdings nicht.527) cc) Beschlusskontrolle Weiterhin stellt sich die Frage nach der Art der Beschlusskontrolle, der Be- 565 schlüsse der Anleihegläubiger in weiteren Gläubigerversammlungen unterliegen, die keine Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG sind. Unterstellt man, dass – wie hier vertreten – auch im Insolvenzverfahren Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 möglich bleiben sollen, scheint auf den ersten Blick viel dafür zu sprechen, dass dann insoweit auch die Beschlusskontrolle nach § 78 InsO gelten muss. Eine solche Schlussfolgerung verkennt allerdings den exponierten Charakter des 566 § 19 SchVG. Der Zweck der Versammlung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG erschöpft sich darin, einen reibungslosen Ablaufs des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Beschlüsse nach § 5 SchVG hat § 19 SchVG nicht im Blick. Daher muss Folgendes gelten: Die schuldverschreibungsrechtliche Beschlusskontrolle ist für die Umsetzung von Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG besser geeignet, da hier in besonderem Maße in Gläubigerrechte eingegriffen wird.528) Die Suspensivwirkung einer Anfechtung (§ 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG) führt zwar dazu, dass sich das Verfahren verzögern kann, dies ist allerdings im Hinblick darauf hinnehmbar, dass bereits die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters zur Wahrnehmung der Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren bestand.529)
___________ 524) So auch OLG Stuttgart, v. 27.12.2016 – 10 U 97/16 Rn. 73. 525) Dazu OLG Stuttgart, v. 27.12.2016 – 10 U 97/16, Rn. 69 f; OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 62 ff.; siehe dazu ausführlich Rn. 293 ff. 526) AG Hamburg ZIP 2016, 2030 Rn. 41 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung, vgl. Begründung RegE BT-Drucks.16/12814, S. 2. 527) So auch Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 69; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 64 f.; dazu auch Rn. 558 ff. 528) So auch Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 66; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 70. 529) Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 66.
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C. Anleihen in der Insolvenz
dd) Kostentragung 567 Die Kosten dieser Versammlungen sind vom Emittenten zu tragen (§§ 9 Abs. 4, 18 Abs. 6 SchVG) – allerdings handelt es sich bei diesen nicht mehr um Gerichtskosten nach § 54 Nr. 1 InsO.530) Überzeugend ist in diesem Zusammenhang, dass durch weitere Versammlungen außerhalb der Versammlung nach § 19 SchVG keine Beschlüsse mit unmittelbarer Wirkung für das Insolvenzverfahren gefasst und zudem keine die Insolvenzmasse belastenden Kosten verursacht werden können.531) Für die Kosten weiterer Versammlungen, die vom gemeinsamen Vertreter einberufen wurden und etwa der Willensbildung der Anleihegläubiger dienen, sprechen die besseren Argumente dafür, dass diese Kosten nur als (nachrangige) Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können, da diese der Rechtsverfolgung der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren dienen.532) Dies gilt allerdings mit Blick auf die vom OLG Stuttgart533) vertretene Einberufungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach der hier vertretenen Ansicht nicht für vom Insolvenzverwalter einberufene Versammlungen, da dieser – wenn überhaupt – eine Anleihegläubigerversammlung regelmäßig mit dem Ziel einer Sanierung einberufen würde. In diesem Fall erfolgt die Einberufung dann allerdings durch eine Handlung des Insolvenzverwalters zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, weshalb die Kosten in diesem Fall Masseverbindlichkeiten wären (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dies führt natürlich dazu, dass der Insolvenzverwalter sich vorab insbesondere mit der (Insolvenz-)Zweckmäßigkeit der Einberufung auseinandersetzen muss. IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 568 Ist ein gemeinsamer Vertreter bestellt, fragt sich, welche Handlungen dieser vornehmen kann und wie er vergütet wird.534) 1. Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters 569 Die Rechtsmacht des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren regelt § 19 Abs. 3 SchVG. ___________ 530) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 55. 531) Mit diesem Hinweis Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 57. 532) So zu den Kosten weiterer Schuldverschreibungsgläubigerversammlungen, Veranneman/ Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 71; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 35; im Ergebnis auch Thole, ZIP 2014, 293, 298 f.; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 69; a. A. wohl Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 41 f., pauschal für alle Versammlung nach Insolvenzeröffnung bis zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit. 533) OLG Stuttgart, v. 27.12.2016 – 10 U 97/16. 534) Gemeinsamer Vertreter kann eine vom Insolvenzschuldner abhängige Person sein (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SchVG). Ausgeschlossen ist allerdings die Bestellung des Insolvenzverwalters selbst zum gemeinsamen Vertreter (vgl. insoweit nur Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 23).
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IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2
a) Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Emittenten Nach § 19 Abs. 3 SchVG ist der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger 570 allein berechtigt und verpflichtet, deren Rechte im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Ein zuvor bestellter gemeinsamer Vertreter erfährt qua Gesetzes einen Rechtsmachtzuwachs, ohne dass es eines gesonderten Beschlusses der Gläubigerversammlung bedarf.535) Ein nach Insolvenzeröffnung bestellter gemeinsamer Vertreter hat die Rechte aus § 19 Abs. 3 SchVG mit Rechtskraft seiner Bestellung inne. Sofern ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist, sperrt er im Außenverhältnis die 571 Anleihegläubiger von der selbstständigen Geltendmachung ihrer individuellen Rechte im Insolvenzverfahren („allein berechtigt und verpflichtet“).536) § 19 Abs. 3 SchVG weicht somit von der in § 7 Abs. 2 Satz 3 SchVG für Gläubigerversammlungen außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Möglichkeit ab, dass individuelle Anleihegläubiger ihre Rechte auch selbstständig geltend machen können. Es stellt sich die Frage, ob auch den Anleihegläubigern zustehende Schadenser- 572 satzansprüche zu den Rechten im Insolvenzverfahren gehören. Dies ist für vertragliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Anleihe zu bejahen.537) Abzulehnen ist dies jedoch für gesetzliche Ansprüche (aus Delikt, Prospekthaftung etc.), da die Regelung des § 19 Abs. 3 SchVG insofern Ausnahmecharakter hat, die in Bezug auf die Anleiheforderung die Privatautonomie einschränkt.538) Hätte der Gesetzgeber eine Ausdehnung gewünscht, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Daneben spricht viel dafür, dass die „Rechte im Insolvenzverfahren“ auch die 573 Geltendmachung etwaiger, vom Emittenten für die Anleihen im Rahmen der Emission gewährter Sicherungsrechte umfasst.539) § 28 InsO regelt schadensbewährt, dass die Gläubiger im Eröffnungsbeschluss aufzufordern sind, dem Insolvenzverwalter unverzüglich etwaige Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder Rechten des Schuldners mitzuteilen. Diese Obliegenheit wird neben der Forderungsanmeldung – die auch einen Verweis auf etwaige Sicherungsrechte beinhalten sollte – die erste Amtshandlung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren nach seiner Bestellung sein. Dabei sollte eine Mitteilung durch den gemeinsamen Vertreter unverzüglich nach der Bestellung ausreichen, da der Insolvenzverwalter Kenntnis von den Anleihebedingungen und somit etwaiger Sicherungsrechte hat. ___________ 535) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 50, 72 f. 536) Vgl. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 50; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 32. 537) So auch Horn, BKR 2014, 449, 450; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397. 538) Dazu ausführlich Horn, BKR 2014, 449, 450. 539) Kritisch dazu Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397, sofern die Sicherheitenbestellung außerhalb des Zeichnungsvertrages erfolgte.
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C. Anleihen in der Insolvenz
574 Diese exklusive Zuweisung von Rechten im Insolvenzverfahren ist grundsätzlich zu begrüßen, da durch die Konzentration von Rechten beim gemeinsamen Vertreter einerseits Klarheit darüber besteht, welche Person zur Vornahme insolvenzspezifischer Handlung berechtigt ist, andererseits eine höhere Effizienz bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens durch einen – in der Regel – „erfahrenen“ gemeinsamen Vertreter zu erwarten ist.540) Dem Willen der Anleihegläubiger kann dabei durch interne Weisungen, die für den gemeinsamen Vertreter auch im Insolvenzverfahren bindend sind, gewährleistet werden.541) So ist es den Anleihegläubigern unbenommen, den gemeinsamen Vertreter im Innenverhältnis auf dem Beschlusswege anzuweisen, z. B. einem Insolvenzplan zuzustimmen bzw. die Zustimmung zu verweigern. b) Geltendmachung von Sicherungsrechten und sonstigen Rechten gegenüber Dritten 575 Weiterhin stellt sich die Frage, ob der gemeinsame Vertreter gemäß § 19 SchVG befugt ist, etwaige (Sicherungs-)Rechte (z. B. dingliche Rechte, Bürgschaft, Mithaftung, gesetzliche Haftungsverhältnisse) gegenüber Dritten geltend zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Geltendmachung gemäß § 19 Abs. 3 SchVG nach seinem Wortlaut ausdrücklich nur auf Rechte im Insolvenzverfahren (des Emittenten) beschränkt. Die Folge wäre, dass mit der Bestellung des gemeinsamen Vertreters die Anleihegläubiger zwar keine Rechte mehr gegenüber dem Emittenten geltend machen können, allerdings gegenüber dem Dritten selbständig tätig werden können und zur Wahrung ihrer Rechte auch „müssen“.542) Dieses Ergebnis ist vertretbar, verursacht aber in der Praxis erhebliche Probleme. Die „Rechte im Insolvenzverfahren“ gemäß § 19 Abs. 3 SchVG sollten deshalb weit ausgelegt werden mit der Folge, dass dazu auch etwaige vertragliche im Rahmen der Emission bestellte Sicherungsrechte der Anleihe gegenüber Dritten zählen. Dies erscheint insbesondere dann sachgerecht, wenn es sich um akzessorische Sicherungsrechte handelt, deren Bestand von der Hauptforderung abhängt. Anders sollte dies – ähnlich den Ansprüchen direkt gegenüber dem Schuldner – für gesetzliche Ansprüche (wie etwa Ansprüche nach UmwG) sein, da es insofern an einer Ermächtigung fehlt. 576 Daneben ist nicht geklärt, wie Sicherungsrechte in der Insolvenz eines Dritten geltend gemacht werden können. Auch hier sollte der gemeinsame Vertreter dazu berufen sein, etwaige vertragliche Sicherungsrechte direkt im Insolvenz-
___________ 540) Vgl. Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 72. 541) Siehe dazu Rn. 528 f. 542) So im Ergebnis und in der Herleitung stringent Bertus, BB 2016, 2755, 2760 für den Spezialfall des § 133 UmwG.
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IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2
verfahren des Dritten geltend zu machen.543) Auch insofern sollte von „Rechten im Insolvenzverfahren“ ausgegangen werden. In der Praxis ist allerdings zu beachten, dass bis zu einer Klärung dieser Fragen 577 durch den Gesetzgeber oder die Gerichte sowohl die Anleihegläubiger als auch der gemeinsame Vertreter gegen den Dritten tätig werden sollten, um einen Rechtsverlust und damit ggf. eine Haftungsgefahr zu vermeiden. c) Weitere Rechtsmacht, insbesondere das Recht zu Änderung der Anleihebedingungen Ob der gemeinsame Vertreter im Insolvenzverfahren über das Vorstehende 578 hinausgehende Rechte hat bzw. haben kann, ist unklar. Zunächst stellt sich die Frage, ob § 19 Abs. 3 SchVG nur das rechtliche 579 „Können“ im Außenverhältnis oder auch das rechtliche „Dürfen“ im Innenverhältnis beschreibt. Man kann zwar erwägen, dass mit dem Rechtsmachtzuwachs nach § 19 Abs. 3 580 SchVG der gemeinsame Vertreter sämtliche Rechte – nicht nur die insolvenzspezifischen, sondern auch solche nach § 5 SchVG – im Außenverhältnis ausüben kann, die vormals den individuellen Gläubigern bzw. der Gläubigerversammlung vorbehalten waren. Es entspricht insoweit allgemeiner Meinung, dass der gemeinsame Vertreter außerinsolvenzlich – sofern er hierzu von der Gläubigerversammlung mit entsprechender Mehrheit ermächtigt wurde – für die Gläubiger auch die qualifizierten Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 – 9 SchVG vornehmen kann.544) Für das Insolvenzverfahren ließe sich nunmehr daran denken, dass wegen des Rechtsmachtzuwachses des § 19 Abs. 3 SchVG eine Ermächtigung der Gläubigerversammlung – jedenfalls für das Außenverhältnis – nicht mehr zwingend vonnöten wäre. Mit anderen Worten: Der gemeinsame Vertreter wäre im Insolvenzverfahren – im Außenverhältnis – nicht mehr von der Zustimmung der Gläubigerversammlung abhängig, wenn die Anleihebedingungen mit Beschlüssen nach § 5 SchVG angepasst werden sollen. Diese Auslegung geht allerdings zu weit. § 19 Abs. 3 SchVG bezieht sich insofern nur auf insolvenzspezifische Rechte. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der gemeinsame Vertreter im Insol- 581 venzverfahren im Außenverhältnis („rechtliches Können“) hinsichtlich der insolvenzspezifischen Rechte umfassend berechtigt und verpflichtet ist, sämtliche Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen.545) Davon umfasst ist u. a. die Anmeldung zur Insolvenztabelle sowie die Abstimmung in ___________ 543) Anders Bertus, BB 2016, 2755, 2760 ff., die der Auffassung ist, dass § 19 SchVG im Insolvenzverfahren des Dritten analog angewandt und ein weiterer gemeinsamer Vertreter gewählt werden sollte. 544) Veranneman/Rattunde, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 62 zur Vertretung bei Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG; Preuße/Nesselroth, SchVG, § 7 Rn. 45. 545) Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2014, 15, 16; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 3.
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C. Anleihen in der Insolvenz
(Insolvenz-)Gläubigerversammlungen. Darüber hinaus nach der hier vertretenen Ansicht auch die Geltendmachung von Sicherungsrechten für die Hauptforderung gegenüber Dritten.546) 582 Diese Rechtsmacht im Außenverhältnis gilt auch, wenn es zu einer Anpassung der Anleihebedingungen im Rahmen eines Insolvenzplans kommen soll, da es sich bei der Abstimmung im Erörterungs- und Abstimmungstermin um die Geltendmachung insolvenzspezifischer Rechte handelt.547) Nicht von der Rechtsmacht umfasst sind allerdings Maßnahmen, die Beschlüsse außerhalb eines Insolvenzplans nach § 5 Abs. 3 SchVG voraussetzen. 583 Eine umfassende Rechtsmacht im Innenverhältnis („rechtliches Dürfen“) ist damit allerdings nicht verbunden.548) Ist der gemeinsame Vertreter ohne Weisung bestellt und handelt er ohne Weisung der Gläubiger, läuft er Gefahr, sich ggf. schadensersatzpflichtig zu machen.549) 2. Pflichten des gemeinsamen Vertreters 584 Spiegelbildlich zur Rechtsmacht des Insolvenzverwalters hat der gemeinsame Vertreter auch die Pflicht, die Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Der gemeinsame Vertreter ist dabei der Vertreter der Gläubiger mit Rechten und Pflichten, die sich aus dem Schuldverschreibungsgesetz oder einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger ergeben.550) 585 Zentrale Pflicht des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren ist die Anmeldung der Anleiheforderung zur Insolvenztabelle.551) Daneben obliegt es dem gemeinsamen Vertreter an Gläubigerversammlungen teilzunehmen und für die Anleihegläubiger abzustimmen. Als Vertreter der Gläubiger ist er dabei im Innenverhältnis den Weisungen der Gläubigerversammlung unterworfen.552) Es spricht in diesem Zusammenhang viel dafür, dass er auch ohne Weisung der Gläubiger Prozesse führen kann, ohne dazu einer entsprechenden Ermächtigung der Gläubigerversammlung zu bedürfen.553) Praktisch ist ihm von der Handlung ohne Weisung aus Haftungsgesichtspunkten allerdings abzuraten. Zudem obliegt die Kostentragung für den Prozess den Gläu___________ 546) Dazu ausführlich unter Rn. 575 ff. 547) Für einen Debt-to-Equity-Swap nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG gilt wegen des expliziten Wortlautes des § 225a InsO eine weitere Besonderheit: Hier kann der gemeinsame Vertreter die individuelle Zustimmungserklärung der individuellen Anleihegläubiger nicht kraft seines Amtes und der ihm gemäß § 19 Abs. 3 SchVG gewährten Rechtsmacht ersetzen; dazu ausführlich Rn. 628 f. 548) Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2014, 15, 16; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 34. 549) Mit diesem Hinweis auch Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 34; so auch Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 32. 550) BGH ZInsO 2016, 1657 Rn. 12 f. 551) Dazu ausführlich unter Rn. 644. 552) BGH ZInsO 2016, 1657 Rn. 12 f. 553) Dazu Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 7 Rn. 21.
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IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2
bigern,554) weshalb der gemeinsame Vertreter ohne eine entsprechende Weisung und Regelung zur Kostentragung auf den Prozesskosten sitzenzubleiben droht. Daneben hat der gemeinsame Vertreter gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 SchVG eine 586 Berichtspflicht gegenüber den Gläubigern. Auch im Insolvenzverfahren bleibt diese Berichtspflicht bestehen.555) Auf Grundlage des zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den Anleihegläubigern bestehenden entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675 ff. BGB gleicht die Berichtspflicht der allgemeinen auftragsrechtlichen Berichtspflicht gemäß § 666 BGB.556) Danach sind die Anleihegläubiger so rechtzeitig über Informationen zu unterrichten, dass diese ihre Rechte wahrnehmen, Pflichten erfüllen und sachgerechte Entscheidungen treffen können.557) Die Berichtspflicht besteht insofern „gegenüber den Anleihegläubigern als Gesamtheit“558) und ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sinnvoll erscheint die Information über das Internet, wobei sich in der Praxis die Erstellung eines „Informationsmemorandums“ (und dessen Verteilung über eine (passwortgeschützte Internetseite) als sinnvoll erwiesen hat.559) 3. Vergütung des gemeinsamen Vertreters § 7 Abs. 6 SchVG normiert den Anspruch des gemeinsamen Vertreters auf eine 587 angemessene Vergütung, bei dem es sich um einen gesetzlich angeordneten Aufwendungsersatzanspruch gegen den Emittenten handelt.560) Es dürfte unstreitig sein, dass eine solche angemessene Vergütung auch für 588 einen gemeinsamen Vertreter im Insolvenzverfahren anfällt, der in einer Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG bestellt wurde bzw. der im Insolvenzverfahren nunmehr nach vorangegangener außerinsolvenzlicher Bestellung tätig wird.561) a) Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung? Unklar ist, ob der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters als Masse- 589 verbindlichkeit oder nur als einfache bzw. gar nachrangige Insolvenzforderung einzuordnen ist oder aus dem (insolvenz-)freien Vermögen (§ 89 Abs. 2 InsO zu befriedigen ist.562) ___________ 554) BGH ZInsO 2016, 1657 Rn. 14. 555) Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5; dazu auch Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 7 Rn. 22. 556) Dazu ausführlich Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 7. 557) Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 7; Seiler, in: MünchKomm-BGB, § 666 Rn. 5. 558) Begründung RegE BT-Drucks. 16/12814, S. 20. 559) Rubner/Leuering, NJW-Spezial 2014, 15; Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 7. 560) Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; Veranneman/Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 79 ff. 561) Vgl. Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 27. 562) Vgl. zum Streitstand Rn. 594 ff.
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C. Anleihen in der Insolvenz
aa) Vorinsolvenzliche Sachverhalte und Sachverhalte im Insolvenzeröffnungsverfahren 590 Einigkeit dürfte dahingehend bestehen, dass der noch nicht befriedigte Vergütungsanspruch eines gemeinsamen Vertreters, der im Insolvenzverfahren nach vorhergehender außergerichtlicher Bestellung fortexistiert, Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO ist.563) Die Vergütung ist in diesem Fall für anspruchsbegründende Tatsache entstanden, die materiell-rechtlich vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen waren. 591 Im Einzelfall könnte theoretisch auch für solche Sachverhalte eine Masseverbindlichkeit entstehen, die zwar nach Insolvenzantragstellung, aber vor der Insolvenzeröffnung liegen. Dann müsste allerdings z. B. ein (starker) vorläufiger Insolvenzverwalter eine Verpflichtung begründet haben oder eine gerichtliche Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten vorliegen. 592 In der Praxis ist es deshalb üblich, dass der bereits vorinsolvenzlich bestellte gemeinsame Vertreter in der Krise über einen Vorschuss seine Vergütung zu sichern versucht, der mit dem Ziel eines der Insolvenzanfechtung grundsätzlich standhaltenden Bargeschäfts (§ 142 InsO) zeitnah abgerechnet werden sollte.564) bb) Sachverhalte nach Insolvenzeröffnung 593 Für die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters nach Insolvenzeröffnung trifft das SchVG und auch die InsO keine ausdrückliche Regelung.565) Deshalb bleibt es grundsätzlich bei der Regelung des § 7 Abs. 6 SchVG mit der Verpflichtung des Emittenten, die Kosten zu tragen. Diese Regelung ist auch nicht dispositiv, da gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 SchVG eine Abweichung der §§ 5 – 21 SchVG zu Lasten der Anleihegläubiger unzulässig ist. 594 Der Vergütungsanspruch sollte deshalb nach herrschender Literatur eine Masseverbindlichkeit sein.566) Auch die Praxis hatte sich dieser Meinung überwiegend angeschlossen.567) Hierfür wurde insbesondere angeführt, dass aus ___________ 563) LG Saarbrücken NZI 2016, 233 (m. Anm. Brenner/Moser); so auch Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; Horn, BKR 2014, 449, 452; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 35. 564) Vgl. dazu Brenner/Moser, NZI 2016 2016, 236, 237; mit diesem Hinweis auch LG Düsseldorf ZIP 2016, 1036. 565) Vgl. Brenner, NZI 2014, 789, 790; mit diesem Hinweis auch BGH ZInsO 2016, 1650 Rn. 10. 566) Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 86 – 91; Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/ Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 24; im Ergebnis ebenso Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 41; Preuße/ Scherber, SchVG, § 19 Rn. 35; Thole, ZIP 2014, 293, 299; a. A. Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 49; noch weiter geht Antoniadis, NZI 2014, 785, 788 f., der sogar von nachrangigen Insolvenzforderungen ausgeht. 567) In diesem Sinne etwa AG Esslingen – 5 IN 301/13; AG München – 1501 IN 4203/13; AG Amberg – 261 IN 515/12, jeweils zit. nach Brenner, NZI 2014, 789, 792 Fn. 13.
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IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2
Sicht des Gesetzgebers die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren aus Effektivitätsgesichtspunkten wünschenswert sein soll.568) Diesem gesetzgeberischen „Leitbild“ könnte nicht entsprochen werden, müsste sich der gemeinsame Vertreter mit einer einfachen Insolvenzforderung oder sogar mit einem Anspruch gegen das insolvenzfreie Vermögen (§ 89 Abs. 2 InsO) als Vergütung begnügen. Der BGH569) hat der Qualifikation als Masseverbindlichkeit nun eine Absage 595 erteilt und ordnet den Vergütungsanspruch eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren weder als Masseverbindlichkeit noch als Insolvenzforderung ein. Vielmehr soll dieser nur aus dem insolvenzfreien Vermögen (nach Maßgabe des § 89 Abs. 2 InsO) bedient werden dürfen. Der BGH setzte sich sehr ausführlich mit den von der Literatur vertretenen Begründungsansätzen auf der Grundlage der §§ 54, 55 InsO auseinander und lehnte diese insgesamt ab. Eine Vorab-Befriedigung aus der Insolvenzmasse kommt deshalb nicht mehr in Frage, denn nach § 53 InsO sind ausschließlich Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) und sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Zunächst lehnt der BGH eine Einordnung des Vergütungsanspruchs als Masse- 596 verbindlichkeit mit der Begründung einer Analogie zu § 54 Nr. 2 InsO ab.570) Nach § 54 Nr. 2 InsO sind die Vergütungen und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses Kosten des Insolvenzverfahrens und damit Masseverbindlichkeiten. Begründet wird die Analogie mit dem erklärten Wunsch des Gesetzgebers, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, der es rechtfertigen soll, diesen den Personen in § 54 Nr. 2 InsO im Rahmen einer Analogie gleich zu stellen. Diese Erklärung trägt hingegen nicht, da – worauf der BGH hinweist – sämtliche Personen in § 54 Nr. 2 InsO für sämtliche Gläubiger tätig werden und nicht – wie der gemeinsame Vertreter – nur für eine Gläubigergruppe.571) Deshalb sei der Aufgabenbereich des gemeinsamen Vertreters nicht mit den in § 54 Nr. 2 InsO aufgeführten Personen vergleichbar.572) Auch die teilweise vertretene Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sieht der 597 BGH als nicht einschlägig an.573) Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind solche Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten, die durch die Handlung des Insolvenz___________ 568) RegE BT-Drucks. 16/12814, S. 25; Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 314. 569) BGH ZIP 2017, 383; der BGH lehnt eine Masseverbindlichkeit für das SchVG auch für das SchVerschrG ab, vgl. Rz 31 ff. der Entscheidung. 570) BGH ZIP 2017, 383 Rz.15 f.; für eine analoge Anwendung des § 54 Nr. 2 InsO, vgl. Brenner, NZI 2014, 789793 f.; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 89; Preuße/ Scherber, SchVG, § 19 Rn. 35. 571) BGH ZInsO 2016, 1650 Rn. 15 f.; so auch LG Saarbrücken NZI 2016, 233 (m. Anm. Brenner/Moser). 572) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 16. 573) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 17 ff.; mit dieser Begründung Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2399 f.
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C. Anleihen in der Insolvenz
verwalters (Alt. 1) oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (Alt. 2) begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Masseverbindlichkeiten können nach dieser Vorschrift auf zwei unterschiedliche Arten entstehen: 598 Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO können Masseverbindlichkeiten durch Handlungen des Insolvenzverwalters entstehen. Der BGH begründet seine Ablehnung hierzu mit dem knappen Hinweis, dass die Bestellung des gemeinsamen Vertreters durch Beschluss der Gläubiger ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters erfolgt.574) Ebenso erteilt der BGH der Begründung einer Masseverbindlichkeit aufgrund § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO eine Absage, da die Vergütung keinen Bezug zur Insolvenzmasse aufweise.575) Der BGH verweist darauf, dass der Vergütungsanspruch aufgrund der Bestellung durch die (Anleihe-)Gläubigerversammlung aufgrund privatautonomer Entscheidung entstehe. Da der gemeinsame Vertreter konsequenterweise auch nur im Interesse der Anleihegläubiger und nicht im Interesse sämtlicher Insolvenzgläubiger tätig werde, fehle auch deshalb der Bezug zur Insolvenzmasse. Schlussendlich verweist der BGH darauf, dass die Insolvenzmasse nur das Vermögen des Schuldners (Aktiva) und nicht die Verbindlichkeiten (Passiva) umfasse, weshalb der Bezug zur Insolvenzmasse auch deshalb abzulehnen sei.576) In diesem Zusammenhang erteilte der BGH auch der Vergleichbarkeit mit einer sich unmittelbar aus dem Gesetz gemäß § 40 BetrVG ergebenden Pflicht des Arbeitgebers, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit zu tragen, eine Absage, da auch hier die Qualifikation als Masseverbindlichkeiten die Veranlassung durch den Insolvenzverwalter voraussetze.577) 599 Der BGH lehnt auch die Anwendung des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO ab, da es an einem dafür vorausgesetzten gegenseitigen Vertrag zwischen den Gläubigern oder dem gemeinsamen Vertreter und dem Emittenten fehle.578) Dem ist beizupflichten, da aufgrund der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten der Anleihegläubiger nach herrschender Meinung zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den Anleihegläubigern ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675 ff. BGB besteht, den der Emittent als Vertreter ohne Vertretungsmacht für die Anleihegläubiger abschließt.579) Im Ergebnis ist der gemeinsame Vertreter deshalb nur den Interessen der Anleihegläubiger ver___________ 574) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 18. 575) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 19 ff.; mit dieser Begründung Brenner, NZI 2014, 789, 792; Horn, BKR 2014, 449, 453 mit Verweis auf die Argumentation von Thole, ZIP 2014, 293, 299. 576) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 21. 577) Dazu Richardi/Thüsing, BetrVG, § 40 Rn. 62. 578) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 25. 579) Wöckener, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 7 Rn. 27; Horn, BKR 2014, 449, 450 f.; der Gesetzgeber geht von einem Auftragsverhältnis aus, vgl. BT-Drucks. 16/ 12814, S. 20.
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IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2
pflichtet und an ihre Weisungen gebunden, sodass lediglich hier ein Rechtsverhältnis besteht. Bei der Kostentragungspflicht handelt es sich daher – mangels eines zwischen dem Emittenten und dem gemeinsamen Vertreter bestehenden Rechtsverhältnisses – um einen gesetzlich angeordneten Aufwendungsersatzanspruch gegen den Emittenten.580) Auch die in der Literatur vertretene Gegenansicht, die in dem Vergütungsan- 600 spruch des gemeinsamen Vertreters auch für die Tätigkeit nach Insolvenzeröffnung eine Insolvenzforderung sieht,581) geht dem BGH nicht weit genug. Der BGH verweist darauf, dass der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters gemäß § 19 SchVG erst nach Insolvenzeröffnung entsteht und somit auch die Voraussetzungen einer Insolvenzforderung nicht vorliegen, sondern der Anspruch eines Neugläubigers vorliegt, der nach Maßgabe des § 89 Abs. 2 InsO nur aus dem insolvenzfreien Vermögen befriedgt werden kann.582) Eine Teilnahme am Insolvenzverfahren soll nur möglich sein, wenn die Anleihegläubiger ihren gegenüber dem Emittenten entstehenden Freistellungsanspruch an den gemeinsamen Vertreter abtreten. Hierbei handelt es sich allerdings aufgrund des Charakters dieser Kosten als Kosten, die den (Anleihe-)Gläubigern durch die Teilnehme am Verfahren erwachsen, nur um nachrangige Insolvenzforderungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO). In der Praxis wird die vom BGH skizzierte Abtretung der zukünftigen Quo- 601 te auf die Kosten für die Teilnahme am Insolvenzverfahren voraussichtlich wenig Relevanz haben. So wird die Quote häufig erst nach Jahren gezahlt und darüber hinaus entfällt auf die nachrangigen Forderungen regelmäßig keine Quote. Neben der Abtretung der Quote stellt der BGH583) klar, dass er auch den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zwischen dem gemeinsamen Vertreter und dem Insolvenzverwalter zur Begrüdung einer Masseverbindlichkeit für grundsätzlich zulässig hält. In diesem Fall greift die Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO unmittelbar. Ob und unter welchen Umständen der Insolvenzverwalter nach dem Insolvenzzweck berechtigt ist, eine solche, individuelle Vereinbarung abzuschließen, ist eine Frage des Einzelfalls. Aufgrund der erklärten Präferenz des Gesetzgebers zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und der Tatsache, dass dessen Mitwirken bei der Anmeldung der Forderungen sowie der Steuerung und Kommunikation mit den Anleihegläubigern zur effizienten und rechtssicheren Durchführung eines Insolvenzverfahrens beiträgt, spricht vieles für die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung.584) Der BGH stellt an solche Vereinbarungen allerdings ___________ 580) Antoniadis, NZI 2014, 785, 787; Veranneman/Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 79 ff. 581) So LG Düsseldorf ZIP 2016, 1036; Cranshaw, BKR 2008, 504, 510; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 49; noch weitergehend Antoniadis, NZI 2014, 785, 788 f., der von nachrangigen Insolvenzforderungen ausgeht; so auch Wegener, NZI 2017, 54, 56. 582) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 26 f. 583) BGH ZIP 2017, 383 Rn. 28. 584) Ausführlich dazu Brenner, NZI 2014, 789, 792; siehe auch Horn, BKR 2014, 449, 453.
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C. Anleihen in der Insolvenz
die hohe Anforderung, dass die der Masse daraus entstehenden Kosten durch die durch die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters entstehenden Vorteile zumindest ausgeglichen werden müssen. 602 Im Ergebnis bedeutet das Urteil des BGH faktisch das Ende des (professionellen) gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren, da qualifizierte Kandidaten nicht bereit sein werden, ohne oder mit ungewisser Vergütung tätig zu werden. Für die effiziente Abwicklung der Insolvenzverfahren ist dies bedauerlich und es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber zeitnah tätig wird, damit das Institut des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren weiter bedeutsam bleibt. b) Höhe der Vergütung 603 Unabhängig von der Frage der Qualifikation des Vergütugnsanspruchs stellt sich die Frage nach dessen Höhe. Nach § 7 Abs. 6 SchVG hat der Emittent die Kosten und Aufwendungen zu tragen, die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehen, einschließlich der Kosten einer angemessenen Vergütung. Weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung finden sich allgemeingültige Kriterien zur Höhe einer „angemessenen“ Vergütung. 604 Überzeugend ist, die Vergütung von den anfallenden Tätigkeiten und sich stellenden Schwierigkeiten sowie davon abhängig zu machen, dass dem gemeinsamen Vertreter nach Abzug aller Kosten eine seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende persönliche Vergütung verbleibt.585) Angemessen erscheint in diesem Zusammenhang, sich bei der Bemessung der angemessenen Vergütung an den marktüblichen Stundensätzen zu orientieren, die ein sachkundiger Interessenvertreter – z. B. ein Rechtsanwalt oder ein Wirtschaftsprüfer – mit vergleichbarer Erfahrung und Spezialkenntnissen verlangen würde.586) Eine solche einzelfallabhängige, vom konkreten Tätigkeitsumfang abhängige Vergütung erscheint sachgerecht. Praktisch bietet sich eine stundenbasierte Honorierung für die tatsächlich erbrachten Leistungen an. Eine entsprechende Vergütungsvereinbarung kann der Insolvenzverwalter – sofern die Voraussetzungen des BGH für den Abschluss einer solchen Vereinbarung vorliegen – mit dem gewählten gemeinsamen Vertreter abschließen.587) Ebenfalls denkbar ist im Einzelfall eine Pauschalvereinbarung.588) Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Insolvenzmasse in einem Regelverfahren abgewickelt wird und kein Insolvenzplan zur Wahl steht. Eine Vergütung nach Stunden könnte in diesem Fall – aufgrund der Dauer des Verfahrens – den Vergütungsrahmen ___________ 585) Veranneman/Veranneman, SchVG, § 7, 8 Rn. 83. 586) Veranneman/Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 83; Leber, S. 205; ähnlich Preuße/Nesselroth, SchVG, § 7 Rn. 91. 587) Dazu Rn. 601 f.; ausführlich dazu Brenner, NZI 2014, 789, 792; siehe auch Horn, BKR 2014, 449, 453. 588) Brenner, NZI 2014, 789, 790.
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IV. Stellung des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2
sprengen. Darüber hinaus sind die Aufwendungen zu ersetzen (§ 7 Abs. 6 SchVG). Nicht Bezug genommen werden sollte auf die streitwertbezogene Regelung 605 des RVG.589) Im Regelfall werden die daraus resultierenden exorbitanten Honorare in keinem Verhältnis zur Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters stehen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass dem Emittenten nur eine Kostentragungspflicht für die angemessene Vergütung obliegt. Sollte eine unangemessene Vergütung vereinbart werden, könnten ggf. Regressansprüche entstehen, die der Insolvenzverwalter nicht zu bedienen braucht bzw. von diesem im Wege des Regresses590) – ggf. durch Zurückhaltung der Quotenzahlung – gegenüber den Anleihegläubigern geltend gemacht werden könnten. c) Festsetzung und Durchsetzung der Vergütung Das SchVG regelt auch nicht, wie die Vergütung des gemeinsamen Vertreters 606 festzusetzen ist. Entgegen der Ansicht einiger Autoren591) hat der BGH entschieden, dass die Vergütung des gemeinsamen Vertreters nicht durch Beschluss des Insolvenzgerichts festgesetzt wird.592) Dem BGH ist zuzustimmen. Im Gesetz findet sich für ein solches Festset- 607 zungserfordernis keinerlei Anhaltspunkt und es besteht auch kein Anlass, eine solche Festsetzung der Vergütung durch Rechtsfortbildung einzuführen. Da der Schuldner die Kosten des gemeinsamen Vertreters nach § 7 Abs. 6 SchVG zu tragen hat, ist es vorzugswürdig, Bestellung und Vergütung voneinander getrennt zu behandeln. Während die Bestellung selbstverständlich im Rahmen einer Gläubigerversammlung erfolgen sollte, sollte die eigentliche Vergütungsabrede zwischen dem zur Kostentragung verpflichteten Emittenten bzw. dem Insolvenzverwalter und dem bestellten gemeinsamen Vertreter bilateral erfolgen. Eine entsprechende Verständigung über die Modalitäten der Vergütung mag 608 dabei auch im Vorfeld einer Anleihegläubigerversammlung mit dem potentiellen Kandidaten für das Amt des gemeinsamen Vertreters für den Fall seiner Bestellung getroffen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des BGH593) ohne eine Vergütungsvereinbarung der gemeinsame Vertreter faktisch seinen Vergütungsanspruch nicht durchsetzen kann, da diese sonst weder Masseverbindlichkeit noch Insolvenzfor___________ 589) Für die Zulässigkeit einer RVG-Vergütung, berechnet nach dem Nominalwert, spricht sich ohne jegliches Problembewusstsein Brenner, NZI 2014, 789, 791 aus. So auch Gloeckner/ Bankel, ZIP 2015, 2393, 2400. 590) Dazu Veranneman/Veranneman, SchVG, § 7, 8 Rn. 84. 591) Veranneman/Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 77; Leber, S. 205. 592) BGH ZIP 2016, 1688 = ZInsO 2016, 1650. 593) BGH ZIP 2017, 383.
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C. Anleihen in der Insolvenz
derung ist, sodass er ein großes Interesse haben sollte, vor der Anleihegläubigerversammlung für „klare Verhältnisse“ zu sorgen. Kann keine Einigung gefunden werden, wird sich der Kandidat für den Posten des gemeinsamen Vertreters die Frage stellen müssen, ob er auch bereit ist, (faktisch) ohne eine Vergütung tätig zu werden. Dazu wird er regelmäßig nur bereit sein, wenn er selbst einen großen Teil der Anleiheforderung hält, da er dann eigene Interessen verfolgt. 609 Sofern der gemeinsame Vertreter seinen Vergütungsanspruch geltend machen möchte, kommt es für die Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe auf die persönlichen Verhältnisse der vertretenen Anleihegläubiger an, da er nicht Partei Kraft Amtes ist.594) Ein Nachweis der Bedürftigkeit aller Anleihegläubiger wird regelmäßig schwer zu führen sein. Zuständig für die Festsetzung der Vergütung ist nicht das Insolvenzgericht, sondern das zuständige Prozessgericht.595) 4. Ende des Amtes des gemeinsamen Vertreters 610 Das Amt des gemeinsamen Vertreters nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG endet zumindest mit der Abberufung – es sollte als actus contrarius für die Gläubigerversammlung zumindest möglich sein, den gemeinsamen Vertreter abberufen oder neu bestellen zu können.596) Daneben hat der gemeinsame Vertreter auch ein Niederlegungsrecht.597) 611 Sofern im Insolvenzplan die Fortsetzung der Gesellschaft des Emittenten sowie die Fortexistenz der Anleihe beschlossen werden, spricht vieles dafür, dass auch der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG bestellte Vertreter weiterhin im Amt bleibt. Außerhalb des Insolvenzverfahrens hat dieser allerdings – vorbehaltlich einer expliziten Weisung oder Bevollmächtigung – nur Informationsrechte und -pflichten, da die insolvenzspezifischen Rechte nach § 19 Abs. 3 SchVG mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden können. V. Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren 612 Generell sollte sich der Emittent – möglichst schon zu einem Zeitpunkt, zu dem das Insolvenzverfahren noch nicht akut droht – mit den Möglichkeiten der Restrukturierung im Insolvenzverfahren befassen. ___________ 594) BGH ZIP 2016, 1645 = ZInsO 2016, 1657; OLG Dresden ZIP 2016, 939 unter Aufgabe der vorherigen Ansicht in OLG Dresden NZI 2015, 958. 595) BGH ZIP 2016, 1688 = ZInsO 2016, 1650 Rn. 25; a. A. LG Düsseldorf ZIP 2016, 1036 Rn. 26. 596) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 25. 597) Zum nach allgemeiner Ansicht bestehenden Niederlegungsrecht des gemeinsamen Vertreters vgl. statt vieler Veranneman/Veranneman, SchVG, § 7, 8 Rn. 77 f.
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V. Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren
Wird das Insolvenzverfahren als Regelinsolvenzverfahren mit dem Ziel der 613 Abwicklung durchgeführt, sind die Anleihegläubiger regelmäßig – wie andere Insolvenzgläubiger – darauf beschränkt, ihre Forderungen (ggf. durch den gemeinsamen Vertreter) zur Insolvenztabelle anzumelden. Eine aktive Teilnahme ist (über die üblichen Beschlussgegenstände von Gläubigerversammlungen im Rahmen der Abwicklung hinaus) nur möglich, wenn über einen Insolvenzplan abgestimmt werden soll, da in diesem Fall auch die Anleihegläubiger (ggf. durch den gemeinsamen Vertreter) – wie die sonstigen Insolvenzgläubiger – mit ihrem Stimmrecht an der Sanierung aktiv mitwirken. 1. Insolvenzplanverfahren Eine Sanierung des Emittenten im Insolvenzverfahren ist durch einen Insol- 614 venzplan möglich. Dabei haben der Emittent (bzw. Schuldner) und der Insolvenzverwalter598) ein Planinitiativrecht (§ 218 Abs. 1 InsO). Darüber hinaus kann auch die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Insolvenzplans beauftragen (§ 218 Abs. 2 InsO). Der Insolvenzplan kann u. a. verbindliche Regelungen enthalten, inwieweit auch die Anleihe restrukturiert wird. Dabei sind im Insolvenzplan insbesondere solche Restrukturierungsoptionen denkbar und gangbar, die die Anleihegläubiger auch außerhalb des Insolvenzverfahrens (durch Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 3 SchVG) beschließen könnten.599) a) Gestaltung und Umsetzung eines Insolvenzplans Ein Insolvenzplan besteht nach § 219 InsO aus zwei Teilen, nämlich (i) dem 615 darstellenden Teil und (ii) dem gestaltenden Teil. Darüber hinaus sind dem Insolvenzplan unter bestimmten Voraussetzungen nach §§ 229, 230 InsO eine Vermögensübersicht, eine Vergleichsrechnung sowie sonstige Plananlagen beizufügen.600) Der darstellende Teil des Insolvenzplans dient dazu, die Gläubiger zu informieren, während der gestaltende Teil die Wirkungen regelt, die mit Rechtskraft des Insolvenzplans eintreten sollen (§§ 254, 254a InsO). Nach § 254b InsO treten dabei die Wirkungen auch für Insolvenzgläubiger ein, die ihre Forderungen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet haben und solche, die dem Insolvenzplan widersprochen haben. Der Insolvenzplan ist dem Insolvenzgericht zur Prüfung vorzulegen, welches 616 diesen von Amts wegen nach den in § 231 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO niedergeleg-
___________ 598) In der Eigenverwaltung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch der Sachwalter einen Insolvenzplan vorlegen, vgl. Wienberg/Dellit, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 12, Rn. 180 m. w. N.; dazu ausführlich Eidenmüller, in: MünchKomm-InsO, § 218 Rn. 104 ff. 599) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 64. 600) Ausführlich zur Aufstellung und dem Inhalt eines Insolvenzplans vgl. Rendels/Zabel, S. 45 ff.
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C. Anleihen in der Insolvenz
ten Kriterien prüft.601) Die in § 231 Abs. 1 Nr. 1 – 3, Abs. 2 InsO niedergelegten sachlichen Zurückweisungsgründe sind insofern abschließend.602) 617 Sofern der Plan nicht zurückgewiesen wird, leitet das Insolvenzgericht diesen zur Stellungnahme an den Gläubigerausschuss, den Betriebsrat, den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten und den Schuldner (sofern der Insolvenzverwalter den Plan vorgelegt hat) bzw. den Insolvenzverwalter (sofern der Schuldner den Plan vorgelegt hat) weiter (§ 232 Abs. 1, 3 InsO). Hierbei bestimmt es eine Frist zur Stellungnahme, die zwei Wochen nicht überschreiten soll. Zusätzlich bestimmt das Insolvenzgericht einen Erörterungsund Abstimmungstermin (§ 235 InsO), der allerdings nicht vor dem ersten Prüfungstermin stattfinden soll, allerdings mit diesem verbunden werden darf (§ 236 InsO). Dieser Termin ist nach § 235 Abs. 2 Satz 1 InsO öffentlich bekannt zu machen. 618 Im Erörterungs- und Abstimmungstermin hat das Gericht zunächst die Teilnahmeberechtigung zu prüfen und die Stimmrechte festzustellen.603) Die Abstimmung erfolgt nach § 243 InsO in den im Insolvenzplan festgelegten Gruppen. Ein Insolvenzplan ist angenommen, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger in der jeweiligen Gruppe dem Plan zustimmt (Kopfmehrheit) und diese zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Forderungsbeträge einer Gruppe (Summenmehrheit) aufeinander vereinen (§ 244 Abs. 1 InsO). Bei Anteilseignern ist die Mehrheit der Beteiligungssumme maßgebend (§ 244 Abs. 1 InsO). Sollten nicht in sämtlichen Gruppen die (Summen- und Kopf-)Mehrheiten erreicht werden, gilt die Zustimmung als erteilt, wenn (i) die Angehören der überstimmten Gruppe durch den Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden, (ii) die Angehörigen einer Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert604) beteiligt werden, der auf Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, und (iii) die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat (Obstruktionsverbot, § 245 Abs. 1 InsO). Beachtet werden sollte, dass, auch wenn die Anleihebedingungen im Rahmen eines Insolvenzplans geändert werden sollen, nicht die Bestimmungen des SchVG über die Gläubigerversammlung gelten, sondern die allgemeinen Regelungen des Insolvenzrechts.605) 619 Nach Annahme des Insolvenzplans durch die Beteiligten (§§ 244 – 246a InsO) und der Zustimmung des Schuldners bedarf es der gerichtlichen Bestätigung ___________ 601) Zur Reichweite des Prüfungsrechts vgl. BGH NZI 2015, 697. 602) LG München I ZVI 2003, 473; dazu auch Thies, in: Hamburger Kommentar InsO, § 231 Rn. 26; Kayser/Thole/Haas, InsO, § 231 Rn. 9 f.; Wienberg/Dellit, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 12, Rn. 187. 603) Dazu Wienberg/Dellit, in: Bork/Hölzle, Insolvenzrecht, Kap. 12, Rn. 198 ff. (vertiefend zu den Stimmrechten der einzelnen Beteiligten), Rn. 207 ff. 604) Die angemessene Beteiligung bemisst sich bei Gläubigern nach § 245 Abs. 2 InsO und bei Anteilseignern nach § 245 Abs. 3 InsO. 605) Leuering, NZI 2009, 638, 640.
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V. Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren
(§ 248 Abs. 1 InsO). Sind im Insolvenzplan aufschiebende Bedingungen geregelt, kann die Bestätigung erst erfolgen, sobald die aufschiebenden Bedingungen eingetreten sind (§ 249 InsO). Das Gericht hat den Plan zu versagen, wenn gegen Verfahrensvorschriften verstoßen wurde (§ 250 InsO). Auf Antrag eines Beteiligten ist die Bestätigung des Plans gemäß § 251 Abs. 1 InsO zu versagen, wenn der jeweilige Beteiligte dem Plan (i) im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen hat und er (ii) durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne Plan stünde (§ 251 Abs. 2 InsO). Hier besteht allerdings die Möglichkeit, im gestaltenden Teil des Plans Mittel für den Fall bereitzustellen, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist (§ 251 Abs. 3 InsO).606) Gegen die Bestätigung des Insolvenzplans ist als Rechtsmittel nach Bekanntgabe 620 (§§ 248, 252 InsO) die sofortige Beschwerde statthaft. Diese ist nur zulässig, wenn (i) dem Plan im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll widersprochen wurde, (ii) der Gläubiger gegen den Plan gestimmt hat und (iii) glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt wird als ohne Plan und diese Schlechterstellung nicht durch die zurückgestellten Mittel ausgeglichen werden kann (§ 253 Abs. 2 InsO). Legt ein Gläubiger eine sofortige Beschwerde ein, kann der Insolvenzverwalter beim Landgericht beantragen, dass die sofortige Beschwerde unverzüglich zurückgewiesen wird (§ 253 Abs. 4 InsO).607) Der Gläubiger ist dann allerdings aus der Insolvenzmasse für den Schaden zu entschädigen, der ihm durch den unverzüglichen Planvollzug entsteht (§ 253 Abs. 4 Satz 3 InsO). Mit Rechtskraft des Insolvenzplans treten die Wirkungen des gestaltenden 621 Teils ein (§§ 254, 254a InsO). b) Besonderheiten bei Anleihen Im Insolvenzplanverfahren sind einige Besonderheiten zu beachten, wenn der 622 Schuldner Anleihen emittiert hat. Zunächst ist festzuhalten, dass das Insolvenzplanverfahren die Möglichkeit 623 bietet, im gestaltenden Teil (§ 221 InsO) auch die Rechtsstellung der Anleihegläubiger zu modifizieren – unabhängig davon – ob in den Anleihebedingungen die Anwendung der §§ 5 ff. SchVG vorgesehen oder das SchVG überhaupt anwendbar ist.608) Die Wirkungen eines Insolvenzplans gelten für alle Gläubiger gleichermaßen und nach § 254b InsO insbesondere auch für solche, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.609) Wird im Rahmen des
___________ 606) 607) 608) 609)
Dazu Lehmann/Rühle, NZI 2015, 151. Zum beschleunigten Zurückweisungsverfahren Lehmann/Rühle, NZI 2014, 889. Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 63; Thole, ZIP 2014, 293, 299. Dazu Thole, in: Festschrift Schütze, S. 601, 608.
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C. Anleihen in der Insolvenz
Insolvenzplans in die Anleiheforderungen eingegriffen, bedeutet dies eine Abweichung auf den Anspruch auf Zuteilung einer Quote.610) 624 Bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan, der die Änderungen der Anleihebedingungen zum Gegenstand hat, kommt es auch nicht auf die Mehrheitsverhältnisse des § 5 Abs. 4 Satz 2 SchVG (3/4-Merheit) an, sondern sämtliche Maßnahmen können nach den von der InsO (§ 244 InsO) vorgegebenen Mehrheitserfordernissen umgesetzt werden. Dies geht sogar so weit, dass materiellrechtliche Änderungen ohne Zustimmung der Anleihegläubiger umgesetzt werden können, wenn in der Mehrzahl der jeweiligen Gruppen die Mehrheit erreicht wird oder die Zustimmung in den Gruppen aufgrund des Obstruktionsverbots (§ 245 InsO) als erteilt gilt.611) Darüber hinaus darf kein Minderheitenschutzantrag (§ 251 InsO) gestellt werden. 625 Die Anleihegläubiger einer Schuldverschreibungsgattung sind in diesem Zusammenhang regelmäßig (aber nicht gesetzlich zwingend) einer Gruppe (§ 222 Abs. 2 InsO) zuzuordnen.612) Bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan (§ 244 InsO) durch einen gemeinsamen Vertreter zählt für die Bestimmung der Mehrheiten der Nennbetrag und die Zahl der Anleihegläubiger, die die Anleihe insgesamt halten.613) 626 Unabhängig davon, ob sie in einer Gruppe zusammengefasst sind, müssen den Gläubigern einer Anleihe jeweils die gleichen Rechte angeboten werden (§ 19 Abs. 4 SchVG) – die Vorschrift soll angesichts der vergleichbaren Regelung in § 226 InsO nur klarstellenden Charakter haben.614) Es soll sich dabei nach einer Ansicht um eine Handlungsanweisung an den gemeinsamen Vertreter handeln, nur Insolvenzplänen zuzustimmen, die gleiche Bedingungen für alle (Anleihe-)Gläubiger vorsehen.615) Die Folge ist allerdings, dass Anleihegläubigern für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass sie in unterschiedlichen Gruppen zusammengefasst werden, trotzdem gleiche Rechte zugestanden werden müssen. Es spricht allerdings vieles dafür, dass § 19 Abs. 4 SchVG noch weiter geht als die insolvenzrechtliche Spezialregelung. So muss davon ausgegangen werden, dass – im Falle der Nichtbestellung eines gemeinsamen ___________ 610) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 63. 611) Thole, ZIP 2014, 293, 299. 612) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 32; Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 130; Leuering, NZI 2009, 638, 640, Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 101; Thole, ZIP 2014, 293, 299. 613) Dazu Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 20. 614) So Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 32a; Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 34; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 36; anders Thole, ZIP 2014, 293, 299, der diese keineswegs nur als deklaratorisch, allerdings neben den § 226 Abs. 1 InsO und § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO als bedeutungslos bezeichnet. 615) Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 36; Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 103 – 108.
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V. Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren
Vertreters – im Insolvenzplan auch den Anleihegläubigern gleiche Rechte angeboten werden müssen, die ihre Forderungen nicht oder nicht wirksam zur Insolvenztabelle angemeldet haben. c) Exkurs: Debt-to-Equity-Swap im Insolvenzplan Weitere Besonderheiten bestehen, wenn der Insolvenzplan einen Debt-to- 627 Equity-Swap vorsieht. Auch ein Debt-to-Equity-Swap616) ist in einem Insolvenzplan möglich,617) wobei dieser wegen der gesetzlichen Anordnung, dass eine Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ausgeschlossen ist (§ 225a Abs. 2 Satz 2 InsO), von der Zustimmung sämtlicher (Anleihe-)Gläubiger abhängig ist. Dem Insolvenzplan ist diese Zustimmung als Anlage beizufügen (§ 230 Abs. 2 InsO).618) Fraglich ist, ob die Anleihegläubiger durch Mehrheitsbeschluss die Zustimmung 628 (nach § 230 Abs. 2 InsO) für sämtliche Gläubiger erteilen können. Dafür spricht, dass nach den Regelungen des SchVG ein zwangsweiser Debt-toEquity-Swap möglich ist und deshalb unverständlich wäre, warum dies im Insolvenzverfahren nicht mehr möglich sein soll.619) Die Folge wäre, dass der kollektive Wille (Beschluss) der Gläubiger für die Zustimmung nach § 230 Abs. 2 InsO ausreicht. Sofern ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist, würde dieser im Außenverhältnis sogar die Zustimmungserklärung nach § 230 Abs. 2 InsO für sämtliche Gläubiger abgeben können, sofern ein entsprechender Weisungsbeschluss (mit der Mehrheit des § 5 Abs. 3 SchVG) gefasst wurde.620) Diese weite Auslegung der Befugnisse des gemeinsamen Vertreters im Insol- 629 venzverfahren scheint jedoch sehr ambitioniert, ist der gemeinsame Vertreter doch (lediglich) berufen, die Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren wahrzunehmen. Das von dieser Rechtsmacht auch die Möglichkeit umfasst sein soll, die Anleihegläubiger in eine Mitgliedschaftsposition zu „drängen“, ist zweifelhaft. Hier mag die Anwendung des SchVG parallel zu einem Insolvenzplan ein besseres Ergebnis liefern.621) In der Praxis wird die Problematik des § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO regelmäßig 630 dadurch umgangen, dass den Anleihegläubigern kein direktes Umwandlungs___________ 616) Zu den Besonderheiten eines Debt-to-Equity-Swap von Anleihen außerhalb des Insolvenzverfahrens siehe Rn. 76 ff. 617) Zur Möglichkeit einer umgekehrten Wandelschuldverschreibung, eines sog. „Dept Equity Swap auf Vorrat“, im Insolvenzplan Möhlenkamp/Harder, ZIP 2016, 1093, 1098. 618) Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Umwandlung gegen den Willen der Gläubiger nur in engen Grenzen möglich ist, weshalb meist auch im Insolvenzplan eine Lösung über Erwerbsrechte gewählt wird. Dazu auch Thole, ZIP 2014, 293, 299; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912. 619) Dazu und zum Folgenden Thole, ZIP 2014, 293, 300. 620) So Thole, ZIP 2014, 293, 300. 621) Dazu Rn. 557 ff.
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C. Anleihen in der Insolvenz
angebot gemacht, sondern im Insolvenzplan lediglich ein Erwerbsrecht eingeräumt wird.622) Sofern das Erwerbsrecht nicht ausgeübt wird, muss den Gläubigern regelmäßig eine Insolvenzquote angeboten werden, da der Insolvenzplan andernfalls am insolvenzrechtlichen Schlechterstellungsverbot scheitern würde.623) Auf diese Weise können die Gläubiger entscheiden, ob sie eine Quotenauszahlung oder Mitgliedschaftsrechte erhalten wollen.624) 631 Parallel bedarf es für einen Debt-to-Equity-Swap gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen, die nach § 225a Abs. 3 InsO auch im gestaltenden Teil des Insolvenzplans geregelt werden können. So kann der Insolvenzplan auch die Kapitalherabsetzung (§§ 229 ff. AktG, §§ 58a ff. GmbHG) mit anschließender Kapitalerhöhung durch Sacheinlage (der Forderungen) vorsehen.625) Das regelmäßig mit einer Sacheinlage einhergehende Risiko einer Differenzhaftung, durch eine Differenz zwischen dem zum Zeitpunkt der Sacheinlage angegebenen Wert der einzubringenden Forderung und dem wahren Wert, ist im Rahmen eines Insolvenzplans ausgeschlossen (§ 254 Abs. 4 InsO). 632 Daneben ist zu berücksichtigen, dass in der Vorlage eines Insolvenzplans, der die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital vorsieht, ein öffentliches Angebot (§ 2 Nr. 4 WpPG) gesehen werden kann mit der Folge, dass ein Wertpapierprospekt nach WpPG veröffentlicht werden muss.626) Die Gewährung von Erwerbsrechten hat insoweit prospektrechtliche Vorteile, da erst die Möglichkeit der Ausübung der Erwerbsrechte etwaige Prospekterfordernisse als öffentliches Angebot auslöst.627) Vorsorglich sollte dieser Aspekt rechtzeitig mit der BaFin abgestimmt werden. 2. Möglichkeit und Anlass für ein Anpassung nach dem SchVG 633 Wie bereits dargelegt, sind nach der hier vertretenen Ansicht Änderungen der Anleihebedingungen nach den schuldverschreibungsrechtlichen Regelungen (§ 5 SchVG) auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch möglich.628) 634 Neben der Frage der Zulässigkeit der Änderung der Anleihebedingungen nach Schuldverschreibungsrecht im Insolvenzverfahren ist ebenfalls relevant, in wel___________ 622) So etwa im Fall Centrosolar, vgl. Thole, ZIP 2014, 2365, 2370. Zu beachten ist, dass bei der Einräumung von Erwerbsrechten grundsätzlich zur technischen Abwicklung eine Abwicklungsstelle eingeschaltet werden muss, die die Forderungen der Gläubiger einlegt und im Anschluss daran Mitgliedschaftsrechte oder eine Quotenzahlung an die Gläubiger verteilt. 623) Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912; a. A. Thole, ZIP 2014, 2365, 2370. 624) Dazu Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912 f. 625) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 81 ff. 626) Dazu Thole, ZIP 2014, 2365, 2372 f. 627) Sofern bereits im Insolvenzplan für die Gläubiger direkt eine Umwandlung vorgesehen ist, kann argumentiert werden, dass bereits mit der Niederlegung des Plans prospektrechtlich ein öffentliches Angebot vorliegt. 628) Sie dazu Rn. 558 ff.
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V. Restrukturierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren
chen Konstellationen die Anleihegläubiger nach Insolvenzeröffnung veranlasst sein sollten, die Anleihebedingungen zu ändern. So würde es verwundern, wenn die Anleihegläubiger in ihrer Position als Insolvenzgläubiger etwa auf einen Teil der Forderung verzichten und somit ihre Quote reduzieren würden. Die Relevanz einer Änderung der Anleihebedingungen nach Maßgabe der 635 §§ 5 ff. SchVG im Insolvenzverfahren stellt sich primär bei einem Debt-toEquity-Swap: Der Debt-to-Equity-Swap ist zwar auch in einem Insolvenzplanverfahren 636 möglich; allerdings ist im Insolvenzplan die Umwandlung gegen den Willen des individuell betroffenen Gläubigers unzulässig (§ 225a Abs. 2 Satz 2 InsO) und die Zustimmung kann nach der hier vertretenen Ansicht auch nicht durch einen Mehrheitsbeschluss nach dem SchVG ersetzt werden.629) Anders ist dies bei einem Debt-to-Equity-Swap nach § 5 Abs. 3 Nr. 5 SchVG, der auch durch einen Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger – ohne individuelle Zustimmung – zulässig sein soll, wenn die Umwandlung in Aktien erfolgt und die Aktien frei handelbar sind.630) Dies ist im Gegensatz zum Insolvenzplan ein gravierender Vorteil. In der Praxis wirkt sich dieser Vorteil in der Regel jedoch nicht aus, da regelmäßig im Insolvenzplan keine direkte Umwandlung vorgesehen ist, sondern den Gläubigern lediglich ein Erwerbsrecht eingeräumt wird. Der Unterschied eines Debt-to-Equity-Swap im Insolvenzplan und im Rahmen 637 der Anpassung nach § 5 SchVG wird bei der (monetären) Kompensation für die Gläubiger deutlich, die ihr Erwerbsrecht nicht ausüben. Muss in einem Insolvenzplan den Gläubigern, die die Zustimmung nach § 225a Abs. 2 Satz 2 InsO nicht erteilen, eine Insolvenzquote angeboten werden, ist es nach dem SchVG möglich, den Gläubigern lediglich den Erlös aus der Verwertung der Erwerbsrechte zukommen zu lassen.631) Dies führt zu erheblichen Liquiditätsvorteilen im Rahmen einer Sanierung, da keine Liquiditätsreserven für Gläubiger vorgehalten werden müssen, die keine Umwandlung wünschen. Es stellt sich die Frage, ob die Vorteile eines Insolvenzplanverfahrens und 638 dem schuldverschreibungsrechtlichen Debt-to-Equity-Swap verknüpft werden können.632) Überzeugend erscheint es, die Vorteile des Debt-to-Equity-Swaps ___________ 629) Dazu Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912; a. A. Thole, ZIP 2014, 2365, 2368. 630) Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912 m. w. N. zur herrschenden Meinung. 631) Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 913; a. A. Thole, ZIP 2014, 2365, 2368, der argumentiert, dass sich die Anleihegläubiger auch mit der Begründung, nach Maßgabe des SchVG nur aus dem Erlös des Erwerbsrechts und damit schlechter als ohne den Insolvenzplan befriedigt zu werden, durch Rechtsmittel gegen den Plan wehren können. Auch bei einem Debt-toEquity-Swap nach SchVG bedarf es bei der Einräumung von Erwerbsrechten grundsätzlich zur technischen Abwicklung eine Abwicklungsstelle, die zunächst die Forderungen der Gläubiger einlegt und im Anschluss daran Mitgliedschaftsrechte oder eine Barabfindung an die Gläubiger verteilt. 632) Dazu grundlegend Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 913.
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C. Anleihen in der Insolvenz
nach SchVG über eine Planbedingung (§ 249 InsO) mit dem Insolvenzplan zu verzahnen, während die gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen im Insolvenzplan umgesetzt werden.633) Ob dies allerdings bedeutet, dass die Anleihegläubiger nicht mehr am Planverfahren beteiligt werden, hängt vom Einzelfall und der Gestaltung des Plans ab.634) Beachtet werden sollte in diesem Fall, dass – sofern Beschlüsse der Anleihegläubigerversammlung überprüft werden sollen – die Anfechtungsklage nach § 20 SchVG statthaft ist, was zu erheblichen Zeitverzögerungen führen kann.635) Insofern wären die Vorteile der alternativen Kompensation gegenüber der längeren Dauer des Prozesses abzuwägen. 639 Unklar ist auch, ob bei einem den Insolvenzplan flankierenden Beschluss für einen Debt-to-Equity-Swap die Gefahr einer Differenzhaftung besteht. Im Insolvenzplan ist diese bei einem Debt-to-Equity-Swap nach § 254 Abs. 4 InsO ausgeschlossen. Bei einem Debt-to-Equity-Swap nach SchVG sprechen die besseren Argumente jedoch für eine Differenzhaftung auch im Insolvenzverfahren.636) 640 Zu beachten ist weiterhin, dass sich die Unterschiede zwischen genuinen insolvenzrechtlichen und auf der anderen Seite schuldverschreibungsrechtlichen Themen bei der Bemessung der notwendigen Mehrheiten und bei den Beschlussquoren fortsetzen. Diese Differenzierung wird typischerweise in weiteren Schuldverschreibungsgläubigerversammlungen nach der (Insolvenz-)Gläubigerversammlung deutlich. Während für die Mehrheitserfordernisse bzgl. insolvenzspezifischer Beschlussfassungen § 76 InsO gilt, bleibt es bei im Kern anleihespezifischen Beschlussfassungen bei der Regelung des § 5 Abs. 4 SchVG. Daneben ist aus praktischer Sicht zu beachten, dass – im Rahmen einer Schuldverschreibungsgläubigerversammlung – die nötigen Beschlussquoren erreicht werden müssen. VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung 641 Die Abwicklung von Anleihen in der Insolvenz hängt wesentlich davon ab, ob ein gemeinsamer Vertreter existiert, der i. S. v. § 19 Abs. 3 SchVG die Rechte der (Anleihe-)Gläubiger im Insolvenzverfahren ausschließlich wahrnimmt. Wird ein gemeinsamer Vertreter im Insolvenzverfahren bestellt, wird durch die Konzentration der Befugnisse die Effizienz in der Abwicklung erheblich gesteigert. Ist kein gemeinsamer Vertreter bestellt, so nehmen die Gläubiger ___________ 633) Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 912; Thole, ZIP 2014, 2365, 2368. 634) Dazu ausführlich Thole, ZIP 2014, 2365, 2368 f. 635) Dies ist anders, wenn Komponenten des Insolvenzplans überprüft werden sollen. Dazu Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 913; Thole, ZIP 2014, 2365, 2369. 636) A. A. Thole, ZIP 2014, 2365, 2370, der darauf hinweist, dass in der Praxis die Anleiheforderungen üblicherweise auf eine Abwicklungsstelle übertragen werden, diese Regelung Bestandteil des Insolvenzplans ist und deshalb eine Differenzhaftung nach § 254 Abs. 4 InsO ausgeschlossen ist.
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VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung
ihre Rechte selbständig wahr.637) Dies wiederum führt zu zahlreichen praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten. Die wesentlichen Rechte der Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren sind (1.) 642 die Anmeldung von Forderungen zur Insolvenztabelle, (2.) die Teilnahme und Abstimmung in Gläubigerversammlungen sowie (3.) die Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle und die anschließende Quotenausschüttung. 1. Anmeldung von Forderungen zur Insolvenztabelle Insolvenzgläubiger haben ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzu- 643 melden (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Anmeldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt, in Abdruck beigefügt werden (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Forderungen werden anschließend im Prüfungstermin geprüft und können dabei vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder einem Insolvenzgläubiger bestritten werden (§ 176 InsO). a) Mit einem gemeinsamen Vertreter Ist ein gemeinsamer Vertreter im Insolvenzverfahren bestellt, so ist er ver- 644 pflichtet, die Rechte sämtlicher Anleihegläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen – dazu gehört auch die ordnungsgemäße und fristgerechte Anmeldung des Gesamtnennbetrages der Schuldverschreibung für alle Anleihegläubiger. Insoweit wird faktisch jede Forderung einzeln angemeldet und nicht eine sich aus der Addition ergebende Gesamtsumme, sodass die Forderungen ihre Selbständigkeit behalten.638) Im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung in § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO, muss der gemeinsame Vertreter die Schuldurkunde jedoch nicht vorlegen (§ 19 Abs. 3 Halbs. 2 SchVG).639) Der einzelne Gläubiger ist hingegen nicht mehr befugt, seine Rechte selbst geltend zu machen.640) Etwas anderes kann gelten, wenn gegen die Bestellung des gemeinsamen Vertreters Rechtsmittel eingelegt wurde.641) Nebenforderungen, die bei vorinsolvenzlich bei den einzelnen Gläubigern angefallen sind (Verzugsschäden wie Rechtsberatungskosten, Prospekthaftung etc.) müssen weiterhin von den einzelnen Gläubigern selbst geltend gemacht werden.642)
___________ 637) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 26 ff. 638) Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2027; Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 24; so auch zum SchVerschrG Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313; Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397. 639) Dazu Blaufuß/Braun, NZI 2016, 5, 9. 640) Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 22 spricht insofern von einer „Sperrfunktion“. 641) Dazu Rn. 541 ff. 642) Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 103.
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C. Anleihen in der Insolvenz
b) Ohne einen gemeinsamen Vertreter 645 Wird kein gemeinsamer Vertreter bestellt, ist jeder Anleihegläubiger selbst dafür verantwortlich, seine Gläubigerstellung nachzuweisen und die Forderung ordnungsgemäß nach den Vorschriften der InsO zur Insolvenztabelle anzumelden. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter unter Umständen mit einer Vielzahl von Anmeldungen konfrontiert. 646 Es stellt sich die Frage, welche Unterlagen ein Anleihegläubiger zur Forderungsanmeldung vorlegen muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anmeldung mindestens ein Abdruck der Urkunde beizufügen ist, aus der sich die (Anleihe-)Forderung ergibt (§ 174 Abs. 1 Satz 2 InsO).643) In Frage kommt hier die Vorlage eines Depotauszuges oder die Vorlage der Schuldurkunde, da die Anleihegläubiger individuell – anders als ein gemeinsamer Vertreter gemäß § 19 Abs. 3 Halbs. 2 SchVG – nicht davon befreit sind, diese vorzulegen. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung könnte dafür sprechen, dass im Umkehrschluss eine Schuldurkunde gerade vorgelegt werden muss.644) Dies würde allerdings dazu führen, dass mit einem Depotauszug der Nachweis der Forderungsinhaberschaft nicht geführt werden kann, da es sich dabei nicht um eine „Schuldurkunde“ i. S. d. § 19 Abs. 3 Halbs. 2 SchVG handeln dürfte. Die Folge wäre, dass Anleihegläubiger zur ordnungsgemäßen Anmeldung faktisch nicht in der Lage sein würden, da sie nicht ohne weiteres Zugriff auf die Schuldurkunde (Globalurkunde in Sammelverwahrung) haben. 647 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Begriff der Urkunde in § 174 InsO weit zu verstehen ist und jegliche Unterlagen umfasst, aus denen sich der Nachweis der angemeldeten Forderung ergibt.645) Die Feststellung von Forderungen, für die eine Schuldurkunde ausgestellt ist, setzt die Vorlage des Originals im Prüfungstermin deshalb gerade nicht voraus.646) Ebenso wenig zielführend ist es, wenn von jedem Anleihegläubiger verlangt wird, dass er zumindest eine Kopie der Sammelurkunde (§ 9a Abs. 1 Satz 1 DepotG) vorlegt, da diese nur die Existenz der Anleihe, nicht allerdings die individuelle Inhaberschaft nachweist.647) 648 Vor diesem Hintergrund ist deshalb im Ergebnis überzeugend, einen aktuellen Depotauszug der jeweiligen Depotbank als Nachweis der Inhaberschaft einer ___________ 643) Dazu Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 27; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 57. 644) So Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88 Rn. 104. 645) K. Schmidt/Jungmann, InsO, § 174 Rn. 22; Preß/Henningsmeier, in: Hamburger Kommentar InsO, § 174 Rn. 12. 646) BGH ZIP 2006, 192 Rn. 9 f., dazu EWiR 2006, 177 (Köster/Ahrendt); Kayser/Thole/Depré, InsO, § 174 Rn. 17 f. 647) So aber Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 27.
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VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung
in einer Globalurkunde verbrieften Teilschuldverschreibung ausreichen zu lassen.648) Der aktuelle Depotauszug sollte den Anleihegläubiger als Inhaber bezeichnen und dessen Anschrift, ISIN bzw. WKN und die Anzahl sowie den Gesamtnennwert der vom jeweiligen Gläubiger gehaltenen Wertpapiere angeben. Ausreichend ist für den Nachweis ein Depotauszug der Depotbank in Textform (§ 126b BGB).649) Für die Stimmabgabe sollte zusätzlich zum Nachweis der Inhaberschuld die Notwendigkeit eines Sperrvermerks in Betracht gezogen werden.650) Wenig überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass die Clear- 649 stream Banking AG im Insolvenzverfahren die gesamte Anleiheforderung geltend macht und diese wie ein gemeinsamer Vertreter anmeldet.651) Dies widerspricht der Möglichkeit der Entscheidung der Gläubiger durch Anmeldung zu entscheiden, ob sie an einem Insolvenzverfahren teilnehmen wollen oder nicht. c) Besonderheiten bei der Forderungsprüfung Nach Vorlage der benötigten Nachweise in Form von Urkunden (in der Regel 650 der Depotauszug) spricht rechtlich kein Grund gegen die Feststellung der jeweils durch die Anleihegläubiger angemeldeten Forderungen. Diese „frühe“ Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle birgt gleichwohl Risiken. Hintergrund dieser Risiken ist der Umstand, dass die Teilschuldverschrei- 651 bungen – sofern der Handel nicht ausgesetzt wurde – regelmäßig noch (an der Börse) gehandelt werden können und sich daher der Inhaber der jeweiligen Teilschuldverschreibungen jederzeit ändern kann. Die Anmeldung und Feststellung für den ehemaligen Inhaber würde die weitere Übertragung auch nicht sperren. Darüber hinaus entspricht es allgemeiner Meinung, dass die Feststellung einer Forderung gemäß § 178 Abs. 3 InsO einer erneuten Anmeldung durch den Rechtsnachfolger nicht entgegensteht.652) Sollte eine bereits zur Insolvenztabelle angemeldete Anleiheforderung auch zur 652 Tabelle festgestellt worden sein, bestünde bei Doppelanmeldung durch den Erwerber bzw. Rechtsnachfolger das Risiko einer doppelten Feststellung (Doppelfeststellungsrisiko). Zu einer Doppelfeststellung käme es dann, wenn sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber von Teilschuldverschreibungen Forderungen aus der Anleihe zur Insolvenztabelle anmelden und beide im Hinblick auf ein und dieselbe Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt würden. ___________ 648) So auch Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 105. 649) Zu beachten sind allerdings die Besonderheiten bei der Prüfung und Feststellung der Forderungen, dazu Rn. 650 ff. 650) Zum Sperrvermerk siehe Rn. 662 f. 651) Vgl. den Ausgangspunkt der Diskussion bei Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029. 652) Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 177 Rn. 14 f.
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C. Anleihen in der Insolvenz
653 Die Praxis begegnet der Vermeidung dieses Risikos auf zwei Wegen:653) Zunächst wird nach Wegen gesucht, die einmal festgestellten Forderungen von der Ausschüttung auszuschließen. Weiterhin gehen Insolvenzverwalter in der Praxis – unabhängig von der Frage der rechtlichen Zulässigkeit – dazu über, Anleiheforderungen zunächst (vorläufig) zu bestreiten und erst im Zusammenhang mit der Ausschüttung im Rahmen eines standardisierten Prozesses festzustellen. Für dieses Vorgehen spricht aus Sicht des Insolvenzverwalters, dass regelmäßig zahllose Anleihegläubiger ihre Forderung zu Insolvenztabelle anmelden, ohne abzuwarten, ob in der Versammlung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG ein gemeinsamer Vertreter bestellt wird. Der Grund dafür kann eine umfassende Rechtswahrung, die Vermeidung von Kosten einer nachträglich Anmeldung (§ 177 InsO) oder schlicht die Unkenntnis von der (bevorstehenden) Wahl eines gemeinsamen Vertreters sein.654) 654 Teilweise stellen die Insolvenzverwalter die Forderungen der Anleihegläubiger auch aufschiebend bedingt auf ein Ereignis fest, das die Ausschüttung rechtfertigt. Dies kann beispielsweise die Umbuchung in eine Sonder-ISIN/ Sonder-WKN sein.655) Dieser Weg ist zwar rechtlich vorzugswürdig, aber komplexer als das (vorläufige) Bestreiten. Praxistipp: Es empfiehlt sich – sofern kein gemeinsamer Vertreter bestellt wird –, umgehend nach Insolvenzeröffnung die Anleihegläubiger durch ein Informationsschreiben oder eine Veröffentlichung auf der Website des Emittenten über die Forderungsanmeldung zu informieren. Dies gilt in der Praxis insbesondere, wenn der Insolvenzverwalter – wie hier dargestellt – entscheidet, die Forderungen (vorläufig) zu bestreiten.
2. Teilnahme und Abstimmung in Gläubigerversammlungen 655 Die Abstimmung in – vom Insolvenzgericht einberufenen (§ 74 Abs. 1 Satz 1 InsO) – Gläubigerversammlungen und damit die Mitbestimmung bei der Insolvenzabwicklung ist ein zentrales Gläubigerrecht. Teilnahmeberechtigt an diesen sind, neben dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner, grundsätzlich die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger und die Mitglieder des Gläubigerausschusses. 656 Voraussetzung für die Teilnahme als Gläubiger ist außerdem der Besitz eines Stimmrechts. Grundsätzlich haben solche Forderungen, die zur Insolvenztabelle angemeldet wurden und weder vom Insolvenzverwalter noch von einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten wurden (§ 77 Abs. 1 Satz 1 InsO), ein ___________ 653) Dazu ausführlich Rn. 668 ff. 654) Dazu ausführlich Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 26 ff. 655) Dazu ausführlich unter Rn. 675 ff.
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VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung
Stimmrecht und berechtigen somit zur Teilnahme. Nachrangige Gläubiger hingegen sind nicht stimmberechtigt (§ 77 Abs. 1 InsO). a) Mit einem gemeinsamen Vertreter Der gemeinsame Vertreter hat ein Stimmrecht, sofern die gesamte Anleihe- 657 forderung angemeldet und festgestellt wurde. Sein Stimmrecht richtet sich dabei wegen der einheitlichen Geltendmachung der Rechte sämtlicher (Anleihe-)Gläubiger nach dem Gesamtnennbetrag der Anleiheserie und nicht nur nach der Anzahl der Gläubiger, die bei der Versammlung nach § 19 SchVG abgestimmt haben.656) Der gemeinsame Vertreter kann seine Stimme jedoch nur einheitlich abgeben.657) Kommt es bei einer Versammlung – wie beim Erörterungs- und Abstimmungstermin – auf Kopf- oder Summenmehrheit an, übt der gemeinsame Vertreter für jeden Anleihegläubiger faktisch einzeln sein Stimmrecht aus, gibt also zahlreiche Stimmen ab.658) Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass den Anleihegläubigern auch 658 bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters einzelne Residualrechte verbleiben, wie etwa das Teilnahme- sowie das Frage- und Rederecht auf (Insolvenz-)Gläubigerversammlungen.659) b) Ohne einen gemeinsamen Vertreter Existiert kein gemeinsamer Vertreter, hat jeder (Anleihe-)Gläubiger ein eigenes 659 Stimmrecht – sofern seine Forderung ordnungsgemäß angemeldet und festgestellt wurde. Soweit der Insolvenzverwalter – wie in der Praxis häufig – aufgrund des Dop- 660 pelfeststellungsrisikos660) die Forderungen der Anleihegläubiger (zunächst) bestreitet, muss das Stimmrecht der Gläubiger positiv festgestellt werden. Der Insolvenzgläubiger einer bestrittenen Forderung ist in diesem Fall nur dann stimmberechtigt, soweit sich in der Gläubigerversammlung der Verwalter und die erschienenen stimmberechtigten Gläubiger über das Stimmrecht geeinigt haben. Kommt es nicht zu einer solchen Einigung, so entscheidet das Insolvenzgericht (§ 77 Abs. 2 InsO). Um ihre Gläubigerstellung im Termin nachzuweisen, müssen die Gläubiger 661 zum einen durch Vorlage entsprechender Dokumente nachweisen, dass sie ___________ 656) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 20. 657) Bliesener/Schneider, in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 (SchVG), § 19 Rn. 32a. 658) Paul, in: Berliner Kommentar zum Insolvenzrecht, SchVG, § 19 Rn. 31. 659) Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 108. 660) Dies gilt in der Praxis im Fall des (vorläufigen) Bestreitens der Forderung und für den alternativen Fall der Feststellung als aufschiebend bedingte Forderung (§ 77 Abs. 3 InsO); dazu unter Rn. 652 ff.
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C. Anleihen in der Insolvenz
zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Gläubigerversammlung Gläubiger sind und sich zum anderen für den Zutritt zum Versammlungsort nochmals persönlich durch ein Ausweisdokument ausweisen. Dabei können die Anleihegläubiger nicht auf die zur Forderungsanmeldung eingereichten Dokumente verweisen, da der Insolvenzverwalter nicht sicherstellen kann, dass die Anleihe in der Zwischenzeit nicht auf eine dritte Partei übertragen wurde. 662 Es sollte zur jeweiligen Gläubigerversammlung sichergestellt sein, dass der erschienene (Anleihe-)Gläubiger noch Inhaber der Teilschuldverschreibung ist, um – sollte keine Einigung über das Stimmrecht möglich sein – über das Stimmrecht entschieden werden kann (§ 77 Abs. 2 InsO).661) Dazu bietet sich neben der Vorlage eines aktuellen Depotauszuges oder Depotnachweises zum Nachweis der Inhaberschaft die Vorlage eines sog. Sperrvermerks an.662) 663 Ein solcher Sperrvermerk ist eine Erklärung der Depotbank, dass die von dem Anleihegläubiger gehaltenen Wertpapiere für den Zeitraum ab Ausstellung bis zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt (für das Stimmrecht bietet sich der Ablauf des Tages der Versammlung an) bei der Depotbank gesperrt gehalten und nicht übertragen werden können. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass in der Gläubigerversammlung nur der wirkliche Inhaber einer Teilschuldverschreibung ein Stimmrecht ausübt. Praxistipp: Es empfiehlt sich, vor der jeweiligen Gläubigerversammlung ein Informationsschreiben zur Abstimmung in Gläubigerversammlungen an die Anleihegläubiger zu versenden und als Orientierungshilfe ein Musterformular für einen Depotnachweis und einen Sperrvermerk beizufügen.
3. Feststellung zur Insolvenztabelle und Quotenausschüttung 664 Nachdem die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen gemäß § 174 Abs. 1 InsO beim Insolvenzverwalter angemeldet und entsprechende Urkunden vorgelegt haben, stellt sich für den die Forderung grundsätzlich prüfenden Insolvenzverwalter die Frage, ob er die Forderung feststellen kann. Die Prüfung der Forderungen erfolgt im Prüfungstermin und die jeweilige Forderung kann vom Insolvenzverwalter, vom Schuldner oder einem Insolvenzgläubiger bestritten werden (§ 176 InsO). a) Mit einem gemeinsamen Vertreter 665 Wenn ein gemeinsamer Vertreter im Insolvenzverfahren wirksam bestellt ist und die Rechte nach § 19 Abs. 3 SchVG innehat, spricht von Seiten des In___________ 661) A. A. Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 115 m. w. N. der der Auffassung ist, dass bei Vorlage eines ordnungsgemäßen Depotauszugs und eines Sperrvermerks das Stimmrecht trotz fehlender Feststellung nicht versagt werden könne. 662) Siehe Anlage 3 für ein Muster eines Depotnachweis und Sperrvermerks.
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VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung
solvenzverwalters grundsätzlich nichts gegen die Feststellung der Forderung, wenn die Anmeldung und die vorgelegten Unterlagen die Feststellung rechtfertigen. Allenfalls sind jeweils Gegenansprüche und ggf. Aufrechnungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.663) Sofern dem Insolvenzverwalter bekannt ist, dass aufgrund persönlicher Um- 666 stände der Anleihegläubiger einzelne Anleihen nachrangig sind (etwa § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), hat er diese zu bestreiten und bei der Verteilung den entsprechenden Betrag in Abzug zu bringen.664) Die Ausschüttung der Insolvenzquote sollte nach Feststellung der gesamten 667 Teilschuldverschreibungen bestenfalls über die Clearstream Banking AG erfolgen, da der Insolvenzverwalter die einzelnen Gläubiger regelmäßig nicht individuell kennen wird. Die Clearstream Banking AG nimmt in diesem Fall die Ausschüttung der Insolvenzquote über die Depotbanken an die Gläubiger vor, die im Zeitpunkt der Ausschüttung Inhaber der Forderungen sind.665) Die Quotenzahlung wird dann – ähnlich einer Dividendenausschüttung oder einer Zinszahlung – den jeweiligen Depots gutgeschrieben. Daneben ist auch der gemeinsame Vertreter nach § 19 Abs. 2 Satz 2 SchVG zur Entgegennahme von Zahlungen berechtigt.666) Praxistipp: Sofern die Clearstream Banking AG in die Abwicklung einbezogen werden soll, empfiehlt es sich, die Bereitschaft zur Mitwirkung und den Prozess der Abwicklung frühzeitig abzustimmen.
b) Ohne einen gemeinsamen Vertreter Existiert kein gemeinsamer Vertreter, muss bei der Ausschüttung sicherge- 668 stellt sein, dass der jeweilige Gläubiger Inhaber der Forderung ist. Wie bereits dargelegt, bestreiten in der Praxis die Insolvenzverwalter zunächst 669 regelmäßig die Forderung der individuellen Anleihegläubiger,667) da die Schuldverschreibungen im Zeitpunkt der Anmeldung regelmäßig noch gehandelt werden (können) und sich deshalb jederzeit der Inhaber der jeweiligen Teilschuldverschreibung ändern kann. Wird eine Anleiheforderung dessen ungeachtet zu diesem frühen Zeitpunkt schon zur Tabelle angemeldet und festgestellt, besteht das Risiko einer doppelten Anmeldung und Feststellung zur Insolvenztabelle. ___________ 663) Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313. 664) Knapp, in: Hopt/Seibt, Schuldverschreibungsrecht, § 19 SchVG Rn. 118 m. w. N. 665) Die Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank verteilt dazu die Beträge an die jeweiligen Banken, die wiederum ihren Kunden die Beträge gutschreiben; dazu Kuder/ Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 57. 666) Friedl, in: Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 19 Rn. 53. 667) Dazu oben Rn. 653 f.
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C. Anleihen in der Insolvenz
aa) Maßnahmen nach Doppelfeststellung 670 Der Insolvenzverwalter hat eine gesetzliche Pflicht und ein eigenes Interesse daran, die Doppelfeststellung zu vermeiden, da die Feststellung von Forderungen in einem Umfang, der über den Gesamtnennbetrag der Anleihe hinaus geht, eine Haftung des Insolvenzverwalters auslösen kann (§ 60 InsO). Die Haftung entsteht insoweit als sowohl der ursprüngliche Inhaber der Teilschuldverschreibung aufgrund der Rechtskraftwirkung seiner Tabelleneintragung als rechtskräftiges Urteil, als auch der neue Inhaber der Teilschuldverschreibung aufgrund seiner nachträglichen Anmeldung bei der Ausschüttung zu berücksichtigen sind; dies verringert die Quote für die übrigen Insolvenzgläubiger. 671 Hat der Insolvenzverwalter bereits Forderungen aus Teilschuldverschreibung zur Insolvenztabelle festgestellt, die über den Gesamtnennbetrag hinausgehen, fragt sich zunächst, ob dem Insolvenzverwalter noch Handlungsmöglichkeiten offen stehen, um dem Problem der doppelten Berücksichtigung (erst) bei der Verteilung – und nicht bereits wie in der Praxis üblich durch Bestreiten oder die aufschiebend bedingte Feststellung – zu begegnen: 672 Zunächst besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen den Veräußerer mit dem Ziel, an diesen keine Quote ausschütten zu müssen.668) Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Einwendung ist der Wechsel in der Inhaberschaft der Anleiheforderung, der für die Vollstreckungsabwehrklage nach der Feststellung erfolgt sein muss (§ 767 Abs. 2 ZPO, § 178 Abs. 3 InsO). Die (nahezu unlösbare) Herausforderung des Insolvenzverwalters ist dabei die Substantiierung des Vortrages, wann welche Teilschuldverschreibung übertragen wurde. Aufgrund der „anonymisierten“ Übertragung der Teilschuldverschreibungen am Kapitalmarkt ist es für den Insolvenzverwalter (faktisch) unmöglich aufzuklären, welcher Inhaber einer Teilschuldverschreibung welche Teilschuldverschreibung an welchen Erwerber veräußert hat. Insofern ist dem Doppelfeststellungsrisiko mit der Vollstreckungsabwehrklage nur in der Theorie zu begegnen. 673 Neben einer Vollstreckungsabwehrklage könnte der Insolvenzverwalter sich zur Vermeidung einer Doppelausschüttung darauf berufen, dass er nur gegen Aushändigung der Urkunde leisten muss (§ 797 BGB).669) Gemäß § 797 BGB ist der Aussteller einer Schuldverschreibung nur gegen Aushändigung dieser zur Leistung (der Quote) verpflichtet, sodass in einem Urteil grundsätzlich eine Leistungspflicht nur gegen Aushändigung der Schuldverschreibung zu tenorieren ist. Da § 797 BGB auch im Hinblick auf in Globalurkunden verbriefte Schuldverschreibungen Anwendung findet, hätte der Emittent bei Leistung grundsätzlich einen Anspruch auf Übertragung des jeweiligen Mit___________ 668) BGH ZIP 1991, 456, 457 Rn. 3; Schmidt/Brinkmann, in: MünchKomm-ZPO, § 767 Rn. 74. 669) BGH NJW 2008, 3144, 3145; Habersack, in: MünchKomm-BGB, § 797 Rn. 2.
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VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung
eigentumsanteils an der Globalurkunde Zug um Zug.670) In der Folge bestünde die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter nur „Zug um Zug“ gegen Herausgabe der Teilschuldverschreibung die Quote ausschüttet. Er würde so sicherstellen, dass nur tatsächliche Inhaber der Teilschuldverschreibung eine Quote erhalten. Unabhängig von den praktischen Herausforderungen bei einer großen Anzahl von (Anleihe-)Gläubigern muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Feststellung zur Insolvenztabelle gerade keinen Vorbehalt oder eine „Zug um Zug“-Verurteilung vorsieht, sondern nach Feststellung der Forderung grundsätzlich vorbehaltlos ist.671) Wie sich zeigt, sind die Handlungsmöglichkeiten nach der Feststellung nicht ef- 674 fizient. Der Insolvenzverwalter sollte daher – wie in der Praxis üblich – bereits bei der Prüfung und Feststellung von Forderungen das Risiko einer doppelten Feststellung zur Insolvenztabelle vermeiden, um ein etwaiges Haftungsrisiko zu minimieren. bb) Vermeidung der Doppelfeststellung Das Doppelfeststellungsrisiko durch die mehrfache Berücksichtigung eines 675 einzelnen Anleihestücks als anonymem Wertpapier kann auf verschiedene Weise ausgeschlossen bzw. reduziert werden. Dabei bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an: Zunächst kann der Insolvenzverwalter versuchen darauf hinzuwirken, dass 676 vor Feststellung der Forderungen einen Handelbarkeit der Anleihe durch ein sog. Delisting der Anleihe – soweit möglich – eingestellt wird. Die Folge des Delistings wäre, dass die Handelbarkeit der Teilschuldverschreibungen eingeschränkt ist und die Anleihe nicht mehr anonym über die Börse übertragen werden kann. Ein Delisting kann sich etwa anbieten, wenn das schuldnerische Unternehmen abgewickelt wird. Soll das Unternehmen allerdings über einen Insolvenzplan restrukturiert werden und die Anleihe ggf. als Finanzierungsinstrument weiter (restrukturiert) Bestand haben, bietet sich ein Delisting nicht an. Darüber hinaus ist das Delisting ein erheblicher Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger, die gerade eine börsennotierte Forderung erworben haben, um diese handeln zu können. Eine weitere Möglichkeit ist die Übertragung der Teilschuldverschreibung 677 auf den Insolvenzverwalter. Der Insolvenzverwalter könnte in diesem Fall die Feststellung davon abhängig machen, dass die Gläubiger ihre Teilschuldverschreibung auf ihn übertragen (797 BGB).672) Da eine wirksame Übertragung nur möglich ist, wenn der Übertragende zuvor materieller Inhaber war, ___________ 670) Vgl. BGH BB 2004, 1763; OLG Frankfurt BeckRS 2008, 12042. 671) Anders nach RGZ 37, 1, das bei einem Wechselfall vor Leistung die Herausgabe der Urkunde verlangt; in diesem Sinne auch Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 178 Rn. 6. 672) Mit diesem Vorschlag Penzlin/Klerx, ZInsO 2004, 311, 313 (zum SchVerschrG); dagegen Veranneman/Rattunde, SchVG, § 19 Rn. 8.
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C. Anleihen in der Insolvenz
kann anschließend eine Ausschüttung stattfinden. Es ist allerdings aus praktischer Sicht zu bedenken, dass in diesem Fall eine Ausschüttung an die Anleihegläubiger nicht – wie sonst üblich – über die Clearstream Banking AG vorgenommen werden kann, sondern über eine Direktzahlung durch den Insolvenzverwalter erfolgen muss. Dies kann zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen. Auch ist eine Restrukturierung der Anleihe in einem Insolvenzplan dann nicht mehr denkbar, da die Restrukturierung nicht mehr den Anleihegläubigern zugutekommen würde. 678 Eine weitere und in der Praxis praktizierte Möglichkeit, eine Doppelausschüttung zu vermeiden, ist die Umbuchung der Teilschuldverschreibungen in eine neue Wertpapierkennnummer (Sonder-ISIN/Sonder-WKN). In diesem mit der Clearstream Banking AG und der Zahlstelle abzustimmendem Verfahren werden eine Feststellung der angemeldeten Forderung sowie eine Ausschüttung nur vorgenommen, wenn die einzelne Teilschuldverschreibung vorher durch den Inhaber in eine Sonder-ISIN/Sonder-WKN umgebucht wurde. Dafür müssen die Gläubiger ihre Depotbank (ggf. durch ein vom Insolvenzverwalter bereitgestelltes Formular)673) anweisen, die Teilschuldverschreibungen in eine Sonder-ISIN/Sonder-WKN umzubuchen und dort bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis gesperrt zu halten. Eine Handelbarkeit der Teilschuldverschreibungen unter der Sonder-ISIN/Sonder-WKN an der Börse ist nicht vorgesehen, damit der Insolvenzverwalter sichergehen kann, dass der anmeldende Gläubiger Inhaber ist und bleibt. In diesem Fall stellt sich das Problem der Doppelanmeldung und -feststellung (im Wesentlichen) nicht. Vor Ausschüttung sollte der Insolvenzverwalter die zu Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen sowie die unter der Sonder-ISIN/Sonder-WKN umgebuchten Teilschuldverschreibungen trotzdem abgleichen, um sicherzustellen, dass nur die Inhaber von Teilschuldverschreibungen mit zur Tabelle festgestellten Forderungen eine Ausschüttung erhalten. Praxistipp: Das konkrete Procedere sollte und muss im Vorfeld mit der Zahlstelle und der Clearstream Banking AG im Detail abgestimmt werden.
679 Eine Alternative zur sehr aufwändigen Umbuchung in eine Sonder-ISIN/ Sonder-WKN ist die unmittelbare Nutzung eines Sperrvermerks der Depotbank des jeweiligen Gläubigers.674) Dabei muss darauf geachtet werden, dass ___________ 673) Das Formular sollte eine Erklärung enthalten, die Clearstream Banking AG anzuweisen und zu ermächtigen, dem Insolvenzverwalter unmittelbar, über die Zahlstelle oder über die Depotbank, die für die Ausschüttung der Insolvenzquote erforderlichen Informationen (insbesondere Namen, Vornamen und Wohnort des jeweiligen Anleihegläubigers und den Nennwert der von dem Anleihegläubiger gehaltenen Teilschuldverschreibung sowie die Anzahl der in dem Depot der Depotbank bei der Clearstream Banking AG in die SonderWKN eingebuchten Teilschuldverschreibungen) börsentäglich (u. a. unter Befreiung vom Bankgeheimnis) mitzuteilen. 674) Zum Sperrvermerk siehe auch Rn. 662 f.
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VI. Anleihen in der Insolvenzabwicklung
dieser sich zeitlich bis zum letzten möglichen Ausschüttungszeitpunkt erstreckt. In diesem Fall ist allerdings eine Ausschüttung über die Clearstream Banking AG nicht möglich, da sich seitens der Clearstream Banking AG der gesperrte Bestand an Teilschuldverschreibungen nicht ersehen lässt. Teilweise wird auch vertreten, dass hinsichtlich der Anmeldung und Feststel- 680 lung von Forderungen Nr. 14 Abs. 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte Anwendung finden soll.675) Dies bedeutet, dass (i) die Wertpapiersammelbank für die Einlösung von Wertpapieren bei Fälligkeit sorgt und (ii) der Insolvenzverwalter schuldbefreiend an die Wertpapiersammelbank leisten kann. Sofern die Ansicht allerdings so weit geht, dass eine Anmeldung der Forderung der Anleihegläubiger durch die Wertpapiersammelbank erfolgt oder eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht nötig sein soll, kann dem nicht gefolgt werden. cc) Weitere Besonderheiten Besonderheiten können sich ergeben, wenn (Anleihe-)Gläubiger die Zinsen 681 unterschiedlich berechnen und zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Dies zwingt den Insolvenzverwalter ggf. dazu, (Teil-)Ausschüttungen selbst (und nicht über die Clearstream Banking AG) vorzunehmen, was u. a. zu steuerlichen Fragestellungen in Bezug auf den Einbehalt der Kapitalertragsteuer durch den Insolvenzverwalter führen kann.
___________ 675) Kuder/Obermüller, ZInsO 2009, 2025, 2029; Tetzlaff, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 88 Rn. 104.
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D. Anhang I. Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen – Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009)
Inhaltsübersicht Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften § 1 Anwendungsbereich § 2 Anleihebedingungen § 3 Transparenz des Leistungsversprechens § 4 Kollektive Bindung Abschnitt 2 Beschlüsse der Gläubiger § 5 Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger § 6 Stimmrecht § 7 Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger § 8 Bestellung des gemeinsamen Vertreters in den Anleihebedingungen § 9 Einberufung der Gläubigerversammlung § 10 Frist, Anmeldung, Nachweis § 11 Ort der Gläubigerversammlung § 12 Inhalt der Einberufung, Bekanntmachung § 13 Tagesordnung § 14 Vertretung § 15 Vorsitz, Beschlussfähigkeit § 16 Auskunftspflicht, Abstimmung, Niederschrift § 17 Bekanntmachung von Beschlüssen § 18 Abstimmung ohne Versammlung § 19 Insolvenzverfahren § 20 Anfechtung von Beschlüssen § 21 Vollziehung von Beschlüssen § 22 Geltung für Mitverpflichtete
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Abschnitt 3 Bußgeldvorschriften; Übergangsbestimmungen § 23 Bußgeldvorschriften § 24 Übergangsbestimmungen
Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften § 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungen). (2) Dieses Gesetz gilt nicht für die gedeckten Schuldverschreibungen im Sinne des Pfandbriefgesetzes sowie nicht für Schuldverschreibungen, deren Schuldner der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde ist oder für die der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land oder eine Gemeinde haftet. Für nach deutschem Recht begebene Schuldverschreibungen, deren Schuldner ein anderer Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets ist, gelten die besonderen Vorschriften der §§ 4a bis 4i und 4k des Bundesschuldenwesengesetzes entsprechend. § 2 Anleihebedingungen Die Bedingungen zur Beschreibung der Leistung sowie der Rechte und Pflichten des Schuldners und der Gläubiger (Anleihebedingungen) müssen sich vorbehaltlich von Satz 2 aus der Urkunde ergeben. Ist die Urkunde nicht zum Umlauf bestimmt, kann in ihr auch auf außerhalb der Urkunde niedergelegte Anleihebedingungen Bezug genommen werden. Änderungen des Inhalts der Urkunde oder der Anleihebedingungen nach Abschnitt 2 dieses Gesetzes werden erst wirksam, wenn sie in der Urkunde oder in den Anleihebedingungen vollzogen worden sind. § 3 Transparenz des Leistungsversprechens Nach den Anleihebedingungen muss die vom Schuldner versprochene Leistung durch einen Anleger, der hinsichtlich der jeweiligen Art von Schuldverschreibungen sachkundig ist, ermittelt werden können. § 4 Kollektive Bindung Bestimmungen in Anleihebedingungen können während der Laufzeit der Anleihe durch Rechtsgeschäft nur durch gleichlautenden Vertrag mit sämtlichen Gläubigern oder nach Abschnitt 2 dieses Gesetzes geändert werden (kollektive Bindung). Der Schuldner muss die Gläubiger insoweit gleich behandeln.
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I. Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009)
Abschnitt 2 Beschlüsse der Gläubiger § 5 Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger (1) Die Anleihebedingungen können vorsehen, dass die Gläubiger derselben Anleihe nach Maßgabe dieses Abschnitts durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen und zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen können. Die Anleihebedingungen können dabei von den §§ 5 – 21 zu Lasten der Gläubiger nur abweichen, soweit es in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Eine Verpflichtung zur Leistung kann für die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss nicht begründet werden. (2) Die Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger sind für alle Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich. Ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, der nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, ist unwirksam, es sei denn, die benachteiligten Gläubiger stimmen ihrer Benachteiligung ausdrücklich zu. (3) Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss insbesondere folgenden Maßnahmen zustimmen: 1. der Veränderung der Fälligkeit, der Verringerung oder dem Ausschluss der Zinsen; 2. der Veränderung der Fälligkeit der Hauptforderung; 3. der Verringerung der Hauptforderung; 4. dem Nachrang der Forderungen aus den Schuldverschreibungen im Insolvenzverfahren des Schuldners; 5. der Umwandlung oder dem Umtausch der Schuldverschreibungen in Gesellschaftsanteile, andere Wertpapiere oder andere Leistungsversprechen; 6. dem Austausch und der Freigabe von Sicherheiten; 7. der Änderung der Währung der Schuldverschreibungen; 8. dem Verzicht auf das Kündigungsrecht der Gläubiger oder dessen Beschränkung; 9. der Schuldnerersetzung; 10. der Änderung oder Aufhebung von Nebenbestimmungen der Schuldverschreibungen. Die Anleihebedingungen können die Möglichkeit von Gläubigerbeschlüssen auf einzeln benannte Maßnahmen beschränken oder einzeln benannte Maßnahmen von dieser Möglichkeit ausnehmen.
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D. Anhang
(4) Die Gläubiger entscheiden mit der einfachen Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Stimmrechte. Beschlüsse, durch welche der wesentliche Inhalt der Anleihebedingungen geändert wird, insbesondere in den Fällen des Absatzes 3 Nummer 1 bis 9, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer Mehrheit von mindestens 75 Prozent der teilnehmenden Stimmrechte (qualifizierte Mehrheit). Die Anleihebedingungen können für einzelne oder alle Maßnahmen eine höhere Mehrheit vorschreiben. (5) Ist in Anleihebedingungen bestimmt, dass die Kündigung von ausstehenden Schuldverschreibungen nur von mehreren Gläubigern und einheitlich erklärt werden kann, darf der für die Kündigung erforderliche Mindestanteil der ausstehenden Schuldverschreibungen nicht mehr als 25 Prozent betragen. Die Wirkung einer solchen Kündigung entfällt, wenn die Gläubiger dies binnen drei Monaten mit Mehrheit beschließen. Für den Beschluss über die Unwirksamkeit der Kündigung genügt die einfache Mehrheit der Stimmrechte, es müssen aber in jedem Fall mehr Gläubiger zustimmen als gekündigt haben. (6) Die Gläubiger beschließen entweder in einer Gläubigerversammlung oder im Wege einer Abstimmung ohne Versammlung. Die Anleihebedingungen können ausschließlich eine der beiden Möglichkeiten vorsehen. § 6 Stimmrecht (1) An Abstimmungen der Gläubiger nimmt jeder Gläubiger nach Maßgabe des Nennwerts oder des rechnerischen Anteils seiner Berechtigung an den ausstehenden Schuldverschreibungen teil. Das Stimmrecht ruht, solange die Anteile dem Schuldner oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen (§ 271 Absatz 2 des Handelsgesetzbuchs) zustehen oder für Rechnung des Schuldners oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens gehalten werden. Der Schuldner darf Schuldverschreibungen, deren Stimmrechte ruhen, einem anderen nicht zu dem Zweck überlassen, die Stimmrechte an seiner Stelle auszuüben; dies gilt auch für ein mit dem Schuldner verbundenes Unternehmen. Niemand darf das Stimmrecht zu dem in Satz 3 erster Halbsatz bezeichneten Zweck ausüben. (2) Niemand darf dafür, dass eine stimmberechtigte Person bei einer Gläubigerversammlung oder einer Abstimmung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme, Vorteile als Gegenleistung anbieten, versprechen oder gewähren. (3) Wer stimmberechtigt ist, darf dafür, dass er bei einer Gläubigerversammlung oder einer Abstimmung nicht oder in einem bestimmten Sinne stimme, keinen Vorteil und keine Gegenleistung fordern, sich versprechen lassen oder annehmen.
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I. Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009)
§ 7 Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger (1) Zum gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger kann jede geschäftsfähige Person oder eine sachkundige juristische Person bestellt werden. Eine Person, welche 1. Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats, des Verwaltungsrats oder eines ähnlichen Organs, Angestellter oder sonstiger Mitarbeiter des Schuldners oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens ist, 2. am Stamm- oder Grundkapital des Schuldners oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens mit mindestens 20 Prozent beteiligt ist, 3. Finanzgläubiger des Schuldners oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens mit einer Forderung in Höhe von mindestens 20 Prozent der ausstehenden Anleihe oder Organmitglied, Angestellter oder sonstiger Mitarbeiter dieses Finanzgläubigers ist oder 4. auf Grund einer besonderen persönlichen Beziehung zu den in den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Personen unter deren bestimmendem Einfluss steht, muss den Gläubigern vor ihrer Bestellung zum gemeinsamen Vertreter die maßgeblichen Umstände offenlegen. Der gemeinsame Vertreter hat die Gläubiger unverzüglich in geeigneter Form darüber zu unterrichten, wenn in seiner Person solche Umstände nach der Bestellung eintreten. (2) Der gemeinsame Vertreter hat die Aufgaben und Befugnisse, welche ihm durch Gesetz oder von den Gläubigern durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt wurden. Er hat die Weisungen der Gläubiger zu befolgen. Soweit er zur Geltendmachung von Rechten der Gläubiger ermächtigt ist, sind die einzelnen Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung dieser Rechte nicht befugt, es sei denn, der Mehrheitsbeschluss sieht dies ausdrücklich vor. Über seine Tätigkeit hat der gemeinsame Vertreter den Gläubigern zu berichten. (3) Der gemeinsame Vertreter haftet den Gläubigern als Gesamtgläubigern für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben; bei seiner Tätigkeit hat er die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Die Haftung des gemeinsamen Vertreters kann durch Beschluss der Gläubiger beschränkt werden. Über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gläubiger gegen den gemeinsamen Vertreter entscheiden die Gläubiger. (4) Der gemeinsame Vertreter kann von den Gläubigern jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen werden. (5) Der gemeinsame Vertreter der Gläubiger kann vom Schuldner verlangen, alle Auskünfte zu erteilen, die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind.
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(6) Die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters, trägt der Schuldner. § 8 Bestellung des gemeinsamen Vertreters in den Anleihebedingungen (1) Ein gemeinsamer Vertreter der Gläubiger kann bereits in den Anleihebedingungen bestellt werden. Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats, des Verwaltungsrats oder eines ähnlichen Organs, Angestellte oder sonstige Mitarbeiter des Schuldners oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens dürfen nicht bereits in den Anleihebedingungen als gemeinsamer Vertreter der Gläubiger bestellt werden. Ihre Bestellung ist nichtig. Dies gilt auch, wenn die in Satz 1 genannten Umstände nachträglich eintreten. Aus den in § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 bis 4 genannten Personengruppen kann ein gemeinsamer Vertreter der Gläubiger bestellt werden, sofern in den Emissionsbedingungen die maßgeblichen Umstände offengelegt werden. Wenn solche Umstände nachträglich eintreten, gilt § 7 Absatz 1 Satz 3 entsprechend. (2) Mit der Bestellung ist der Umfang der Befugnisse des gemeinsamen Vertreters zu bestimmen. Zu einem Verzicht auf Rechte der Gläubiger, insbesondere zu den in § 5 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 bis 9 genannten Entscheidungen, kann der Vertreter nur auf Grund eines Beschlusses der Gläubigerversammlung ermächtigt werden. In diesen Fällen kann die Ermächtigung nur im Einzelfall erteilt werden. (3) In den Anleihebedingungen kann die Haftung des gemeinsamen Vertreters auf das Zehnfache seiner jährlichen Vergütung begrenzt werden, es sei denn, dem gemeinsamen Vertreter fällt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last. (4) Für den in den Anleihebedingungen bestellten gemeinsamen Vertreter gilt § 7 Absatz 2 bis 6 entsprechend. § 9 Einberufung der Gläubigerversammlung (1) Die Gläubigerversammlung wird vom Schuldner oder von dem gemeinsamen Vertreter der Gläubiger einberufen. Sie ist einzuberufen, wenn Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zusammen 5 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen erreichen, dies schriftlich mit der Begründung verlangen, sie wollten einen gemeinsamen Vertreter bestellen oder abberufen, sie wollten nach § 5 Absatz 5 Satz 2 über das Entfallen der Wirkung der Kündigung beschließen oder sie hätten ein sonstiges besonderes Interesse an der Einberufung. Die Anleihebedingungen können vorsehen, dass die Gläubiger auch aus anderen Gründen die Einberufung verlangen können.
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I. Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009)
(2) Gläubiger, deren berechtigtem Verlangen nicht entsprochen worden ist, können bei Gericht beantragen, sie zu ermächtigen, die Gläubigerversammlung einzuberufen. Das Gericht kann zugleich den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen. Auf die Ermächtigung muss in der Bekanntmachung der Einberufung hingewiesen werden. (3) Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Sitz hat oder mangels eines Sitzes im Inland das Amtsgericht Frankfurt a.M. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die Beschwerde statthaft. (4) Der Schuldner trägt die Kosten der Gläubigerversammlung und, wenn das Gericht dem Antrag nach Absatz 2 stattgegeben hat, auch die Kosten dieses Verfahrens. § 10 Frist, Anmeldung, Nachweis (1) Die Gläubigerversammlung ist mindestens 14 Tage vor dem Tag der Versammlung einzuberufen. (2) Sehen die Anleihebedingungen vor, dass die Teilnahme an der Gläubigerversammlung oder die Ausübung der Stimmrechte davon abhängig ist, dass sich die Gläubiger vor der Versammlung anmelden, so tritt für die Berechnung der Einberufungsfrist an die Stelle des Tages der Versammlung der Tag, bis zu dessen Ablauf sich die Gläubiger vor der Versammlung anmelden müssen. Die Anmeldung muss unter der in der Bekanntmachung der Einberufung mitgeteilten Adresse spätestens am dritten Tag vor der Gläubigerversammlung zugehen. (3) Die Anleihebedingungen können vorsehen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung nachzuweisen ist. Sofern die Anleihebedingungen nichts anderes bestimmen, reicht bei Schuldverschreibungen, die in einer Sammelurkunde verbrieft sind, ein in Textform erstellter besonderer Nachweis des depotführenden Instituts aus. § 11 Ort der Gläubigerversammlung Die Gläubigerversammlung soll bei einem Schuldner mit Sitz im Inland am Sitz des Schuldners stattfinden. Sind die Schuldverschreibungen an einer Wertpapierbörse im Sinne des § 1 Absatz 3e des Kreditwesengesetzes zum Handel zugelassen, deren Sitz innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, so kann die Gläubigerversammlung auch am Sitz dieser Wertpapierbörse stattfinden. § 30a Absatz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes bleibt unberührt. § 12 Inhalt der Einberufung, Bekanntmachung (1) In der Einberufung müssen die Firma, der Sitz des Schuldners, die Zeit und der Ort der Gläubigerversammlung sowie die Bedingungen angeben werden, von denen die Teilnahme an der Gläubigerversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen. 171
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(2) Die Einberufung ist unverzüglich im Bundesanzeiger öffentlich bekannt zu machen. Die Anleihebedingungen können zusätzliche Formen der öffentlichen Bekanntmachung vorsehen. Die Kosten der Bekanntmachung hat der Schuldner zu tragen. (3) Der Schuldner hat die Einberufung und die genauen Bedingungen, von denen die Teilnahme an der Gläubigerversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen, vom Tag der Einberufung an bis zum Tag der Gläubigerversammlung im Internet unter seiner Adresse oder, wenn eine solche nicht vorhanden ist, unter der in den Anleihebedingungen festgelegten Internetseite den Gläubigern zugänglich zu machen. § 13 Tagesordnung (1) Zu jedem Gegenstand, über den die Gläubigerversammlung beschließen soll, hat der Einberufende in der Tagesordnung einen Vorschlag zur Beschlussfassung zu machen. (2) Die Tagesordnung der Gläubigerversammlung ist mit der Einberufung bekannt zu machen. § 12 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend. Über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht in der vorgeschriebenen Weise bekannt gemacht sind, dürfen Beschlüsse nicht gefasst werden. (3) Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zusammen 5 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen erreichen, können verlangen, dass neue Gegenstände zur Beschlussfassung bekannt gemacht werden; § 9 Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend. Diese neuen Gegenstände müssen spätestens am dritten Tag vor der Gläubigerversammlung bekannt gemacht sein. (4) Gegenanträge, die ein Gläubiger vor der Versammlung angekündigt hat, muss der Schuldner unverzüglich bis zum Tag der Gläubigerversammlung im Internet unter seiner Adresse oder, wenn eine solche nicht vorhanden ist, unter der in den Anleihebedingungen festgelegten Internetseite den Gläubigern zugänglich machen. § 14 Vertretung (1) Jeder Gläubiger kann sich in der Gläubigerversammlung durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Hierauf ist in der Einberufung der Gläubigerversammlung hinzuweisen. In der Einberufung ist auch anzugeben, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine wirksame Vertretung zu gewährleisten. (2) Die Vollmacht und Weisungen des Vollmachtgebers an den Vertreter bedürfen der Textform. Wird ein vom Schuldner benannter Stimmrechtsvertreter bevollmächtigt, so ist die Vollmachtserklärung vom Schuldner drei Jahre nachprüfbar festzuhalten.
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§ 15 Vorsitz, Beschlussfähigkeit (1) Der Einberufende führt den Vorsitz in der Gläubigerversammlung, sofern nicht das Gericht einen anderen Vorsitzenden bestimmt hat. (2) In der Gläubigerversammlung ist durch den Vorsitzenden ein Verzeichnis der erschienenen oder durch Bevollmächtigte vertretenen Gläubiger aufzustellen. Im Verzeichnis sind die Gläubiger unter Angabe ihres Namens, Sitzes oder Wohnorts sowie der Zahl der von jedem vertretenen Stimmrechte aufzuführen. Das Verzeichnis ist vom Vorsitzenden der Versammlung zu unterschreiben und allen Gläubigern unverzüglich zugänglich zu machen. (3) Die Gläubigerversammlung ist beschlussfähig, wenn die Anwesenden wertmäßig mindestens die Hälfte der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Wird in der Gläubigerversammlung die mangelnde Beschlussfähigkeit festgestellt, kann der Vorsitzende eine zweite Versammlung zum Zweck der erneuten Beschlussfassung einberufen. Die zweite Versammlung ist beschlussfähig; für Beschlüsse, zu deren Wirksamkeit eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, müssen die Anwesenden mindestens 25 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten. Schuldverschreibungen, deren Stimmrechte ruhen, zählen nicht zu den ausstehenden Schuldverschreibungen. Die Anleihebedingungen können jeweils höhere Anforderungen an die Beschlussfähigkeit stellen. § 16 Auskunftspflicht, Abstimmung, Niederschrift (1) Der Schuldner hat jedem Gläubiger auf Verlangen in der Gläubigerversammlung Auskunft zu erteilen, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung oder eines Vorschlags zur Beschlussfassung erforderlich ist. (2) Auf die Abgabe und die Auszählung der Stimmen sind die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Abstimmung der Aktionäre in der Hauptversammlung entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den Anleihebedingungen etwas anderes vorgesehen ist. (3) Jeder Beschluss der Gläubigerversammlung bedarf zu seiner Gültigkeit der Beurkundung durch eine über die Verhandlung aufgenommene Niederschrift. Findet die Gläubigerversammlung im Inland statt, so ist die Niederschrift durch einen Notar aufzunehmen; bei einer Gläubigerversammlung im Ausland muss eine Niederschrift gewährleistet sein, die der Niederschrift durch einen Notar gleichwertig ist. § 130 Absatz 2 bis 4 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. Jeder Gläubiger, der in der Gläubigerversammlung erschienen oder durch Bevollmächtigte vertreten war, kann binnen eines Jahres nach dem Tag der Versammlung von dem Schuldner eine Abschrift der Niederschrift und der Anlagen verlangen.
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§ 17 Bekanntmachung von Beschlüssen (1) Der Schuldner hat die Beschlüsse der Gläubiger auf seine Kosten in geeigneter Form öffentlich bekannt zu machen. Hat der Schuldner seinen Sitz im Inland, so sind die Beschlüsse unverzüglich im Bundesanzeiger zu veröffentlichen; die nach § 30e Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes vorgeschriebene Veröffentlichung ist jedoch ausreichend. Die Anleihebedingungen können zusätzliche Formen der öffentlichen Bekanntmachung vorsehen. (2) Außerdem hat der Schuldner die Beschlüsse der Gläubiger sowie, wenn ein Gläubigerbeschluss die Anleihebedingungen ändert, den Wortlaut der ursprünglichen Anleihebedingungen vom Tag nach der Gläubigerversammlung an für die Dauer von mindestens einem Monat im Internet unter seiner Adresse oder, wenn eine solche nicht vorhanden ist, unter der in den Anleihebedingungen festgelegten Internetseite der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. § 18 Abstimmung ohne Versammlung (1) Auf die Abstimmung ohne Versammlung sind die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung entsprechend anzuwenden, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist. (2) Die Abstimmung wird vom Abstimmungsleiter geleitet. Abstimmungsleiter ist ein vom Schuldner beauftragter Notar oder der gemeinsame Vertreter der Gläubiger, wenn er zu der Abstimmung aufgefordert hat, oder eine vom Gericht bestimmte Person. § 9 Absatz 2 Satz 2 ist entsprechend anwendbar. (3) In der Aufforderung zur Stimmabgabe ist der Zeitraum anzugeben, innerhalb dessen die Stimmen abgegeben werden können. Er beträgt mindestens 72 Stunden. Während des Abstimmungszeitraums können die Gläubiger ihre Stimme gegenüber dem Abstimmungsleiter in Textform abgeben. In den Anleihebedingungen können auch andere Formen der Stimmabgabe vorgesehen werden. In der Aufforderung muss im Einzelnen angegeben werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Stimmen gezählt werden. (4) Der Abstimmungsleiter stellt die Berechtigung zur Stimmabgabe anhand der eingereichten Nachweise fest und erstellt ein Verzeichnis der stimmberechtigten Gläubiger. Wird die Beschlussfähigkeit nicht festgestellt, kann der Abstimmungsleiter eine Gläubigerversammlung einberufen; die Versammlung gilt als zweite Versammlung im Sinne des § 15 Absatz 3 Satz 3. Über jeden in der Abstimmung gefassten Beschluss ist eine Niederschrift aufzunehmen; § 16 Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen hat, kann binnen eines Jahres nach Ablauf des Abstimmungszeitraums von dem Schuldner eine Abschrift der Niederschrift nebst Anlagen verlangen. 174
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(5) Jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen hat, kann gegen das Ergebnis schriftlich Widerspruch erheben binnen zwei Wochen nach Bekanntmachung der Beschlüsse. Über den Widerspruch entscheidet der Abstimmungsleiter. Hilft er dem Widerspruch ab, hat er das Ergebnis unverzüglich bekannt zu machen; § 17 gilt entsprechend. Hilft der Abstimmungsleiter dem Widerspruch nicht ab, hat er dies dem widersprechenden Gläubiger unverzüglich schriftlich mitzuteilen. (6) Der Schuldner hat die Kosten einer Abstimmung ohne Versammlung zu tragen und, wenn das Gericht einem Antrag nach § 9 Absatz 2 stattgegeben hat, auch die Kosten des Verfahrens. § 19 Insolvenzverfahren (1) Ist über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so unterliegen die Beschlüsse der Gläubiger den Bestimmungen der Insolvenzordnung, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist. § 340 der Insolvenzordnung bleibt unberührt. (2) Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Das Insolvenzgericht hat zu diesem Zweck eine Gläubigerversammlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger noch nicht bestellt worden ist. (3) Ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger ist allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen; dabei braucht er die Schuldurkunde nicht vorzulegen. (4) In einem Insolvenzplan sind den Gläubigern gleiche Rechte anzubieten. (5) Das Insolvenzgericht hat zu veranlassen, dass die Bekanntmachungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zusätzlich im Internet unter der durch § 9 der Insolvenzordnung vorgeschriebenen Adresse veröffentlicht werden. § 20 Anfechtung von Beschlüssen (1) Ein Beschluss der Gläubiger kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Anleihebedingungen durch Klage angefochten werden. Wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen kann ein Beschluss der Gläubiger nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender Gläubiger die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für sein Abstimmungsverhalten angesehen hätte. Die Anfechtung kann nicht auf die durch eine technische Störung verursachte Verletzung von Rechten, die nach § 18 auf elektronischem Wege wahrgenommen worden sind, gestützt werden, es sei denn, dem Schuldner ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen. 175
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(2) Zur Anfechtung ist befugt 1. jeder Gläubiger, der an der Abstimmung teilgenommen und gegen den Beschluss fristgerecht Widerspruch erklärt hat, sofern er die Schuldverschreibung vor der Bekanntmachung der Einberufung der Gläubigerversammlung oder vor der Aufforderung zur Stimmabgabe in einer Abstimmung ohne Versammlung erworben hatte; 2. jeder Gläubiger, der an der Abstimmung nicht teilgenommen hat, wenn er zur Abstimmung zu Unrecht nicht zugelassen worden ist oder wenn die Versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen oder zur Stimmabgabe nicht ordnungsgemäß aufgefordert worden ist oder wenn ein Gegenstand der Beschlussfassung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden ist. (3) Die Klage ist binnen eines Monats nach der Bekanntmachung des Beschlusses zu erheben. Sie ist gegen den Schuldner zu richten. Zuständig für die Klage ist bei einem Schuldner mit Sitz im Inland ausschließlich das Landgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Sitz hat, oder mangels eines Sitzes im Inland das Landgericht Frankfurt a.M.; § 246 Absatz 3 Satz 2 bis 6 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. Vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts darf der angefochtene Beschluss nicht vollzogen werden, es sei denn, ein Senat des dem nach Satz 3 zuständigen Gericht im zuständigen Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts stellt auf Antrag des Schuldners nach Maßgabe des § 246a des Aktiengesetzes fest, dass die Erhebung der Klage dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht; § 246a Absatz 1 Satz 1 und 2, Absatz 2 und 3 Satz 1 bis 4 und 6, Absatz 4 des Aktiengesetzes gilt entsprechend. § 21 Vollziehung von Beschlüssen (1) Beschlüsse der Gläubigerversammlung, durch welche der Inhalt der Anleihebedingungen abgeändert oder ergänzt wird, sind in der Weise zu vollziehen, dass die maßgebliche Sammelurkunde ergänzt oder geändert wird. Im Fall der Verwahrung der Sammelkurkunde durch eine Wertpapiersammelbank hat der Versammlungs- oder Abstimmungsleiter dazu den in der Niederschrift dokumentierten Beschlussinhalt an die Wertpapiersammelbank zu übermitteln mit dem Ersuchen, die eingereichten Dokumente den vorhandenen Dokumenten in geeigneter Form beizufügen. Er hat gegenüber der Wertpapiersammelbank zu versichern, dass der Beschluss vollzogen werden darf. (2) Der gemeinsame Vertreter darf von der ihm durch Beschluss erteilten Vollmacht oder Ermächtigung keinen Gebrauch machen, solange der zugrunde liegende Beschluss noch nicht vollzogen werden darf.
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I. Schuldverschreibungsgesetz (SchVG 2009)
§ 22 Geltung für Mitverpflichtete Die Anleihebedingungen können vorsehen, dass die §§ 5 – 21 für Rechtsgeschäfte entsprechend gelten, durch welche andere Personen als der Schuldner für die Verpflichtungen des Schuldners aus der Anleihe Sicherheiten gewährt haben (Mitverpflichtete). In diesem Fall müssen die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger unter Benennung der Rechtsgeschäfte und der Mitverpflichteten ausdrücklich vorsehen.
Abschnitt 3 Bußgeldvorschriften; Übergangsbestimmungen § 23 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. entgegen § 6 Absatz 1 Satz 3 erster Halbsatz Schuldverschreibungen überlässt, 2. entgegen § 6 Absatz 1 Satz 4 das Stimmrecht ausübt, 3. entgegen § 6 Absatz 2 einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt oder 4. entgegen § 6 Absatz 3 einen Vorteil oder eine Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. (2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 7 Absatz 1 Satz 2 einen maßgeblichen Umstand nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig offenlegt. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden. § 24 Übergangsbestimmungen (1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schuldverschreibungen, die vor dem 5.8.2009 ausgegeben wurden. Auf diese Schuldverschreibungen ist das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4134-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 53 des Gesetzes vom 5.10.1994 (BGBl I, S. 2911) geändert worden ist, weiter anzuwenden, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt. (2) Gläubiger von Schuldverschreibungen, die vor dem 5.8.2009 ausgegeben wurden, können mit Zustimmung des Schuldners eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen beschließen, um von den in diesem Gesetz gewährten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen zu können. Für die Beschlussfassung gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend; der Beschluss bedarf der qualifizierten Mehrheit. 177
D. Anhang
II. Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen (SchVerschrG 1899)
Inhaltsübersicht § 1 – 26 §1 (1) Sind von jemand, der im Inland seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat, im Inland Schuldverschreibungen mit im voraus bestimmten Nennwerten ausgestellt, die nach dem Verhältnis dieser Werte den Gläubigern gleiche Rechte gewähren, und betragen die Nennwerte der ausgegebenen Schuldverschreibungen zusammen mindestens dreihunderttausend Deutsche Mark und die Zahl der ausgegebenen Stücke mindestens dreihundert, so haben die Beschlüsse, welche von einer Versammlung der Gläubiger aus diesen Schuldverschreibungen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen gefaßt werden, nach Maßgabe dieses Gesetzes verbindliche Kraft für alle Gläubiger der bezeichneten Art. (2) Die Versammlung kann insbesondere zur Wahrnehmung der Rechte der Gläubiger einen gemeinsamen Vertreter für diese bestellen. (3) Eine Verpflichtung zu Leistungen kann für die Gläubiger durch Beschluß der Gläubigerversammlung nicht begründet werden. §2 Sinkt der Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen unter einhunderttausend Deutsche Mark oder sinkt die Zahl der im Umlauf befindlichen Stücke unter einhundert, so ist dies von dem Schuldner unverzüglich im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Von dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag an können Gläubigerversammlungen auf Grund dieses Gesetzes nicht mehr abgehalten werden; mit dem bezeichneten Zeitpunkt erlischt das Amt eines von der Gläubigerversammlung bestellten Vertreters der Gläubiger. §3 (1) Die Versammlung wird durch den Schuldner berufen. (2) Die Versammlung ist zu berufen, wenn Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zusammen den zwanzigsten Teil des Gesamtbetrags der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen erreichen, oder ein von der Gläubigerversammlung bestellter Vertreter der Gläubiger die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangen. (3) Die Kosten der Berufung und Abhaltung der Versammlung trägt, soweit nicht in diesem Gesetz ein anderes vorgeschrieben ist, der Schuldner.
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II. Schuldverschreibungen (SchVerschrG 1899)
§4 (1) Wird einem nach § 3 Abs. 2 gestellten Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat, die Antragsteller ermächtigen, die Versammlung zu berufen. Hat in dem Zeitpunkt, in welchem der Antrag gestellt werden soll, der Schuldner im Inland weder einen Wohnsitz noch eine gewerbliche Niederlassung, so ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk er zuletzt seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung gehabt hat. (2) Wird der Antrag von Gläubigern gestellt, so haben diese ihre Schuldverschreibungen bei der Reichsbank, bei einem Notar oder bei einer anderen durch die Landesregierung dazu für geeignet erklärten Stelle zu hinterlegen. (3) Wird die Ermächtigung zur Berufung der Gläubigerversammlung erteilt, so kann das Gericht zugleich über den Vorsitz in der Versammlung Bestimmung treffen. Das Gericht entscheidet darüber, ob die durch den Antrag sowie die durch die Berufung und Abhaltung der Versammlung entstehenden Kosten von den Antragstellern oder von dem Schuldner zu tragen sind. (4) Vor der Verfügung, durch welche über den Antrag auf Ermächtigung zur Berufung der Gläubigerversammlung oder über die Tragung der Kosten entschieden wird, ist, soweit tunlich, der Schuldner und, wenn ein Vertreter der Gläubiger bestellt ist, auch dieser zu hören. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt. §5 (1) Steht der Schuldner oder sein Geschäftsbetrieb unter staatlicher Aufsicht, so hat das Gericht vor der in § 4 Abs. 4 bezeichneten Verfügung auch die Aufsichtsbehörde zu hören. (2) Die Aufsichtsbehörde kann die Gläubigerversammlung auf Kosten des Schuldners berufen oder die Berufung durch den Schuldner anordnen. (3) Sie hat das Recht, einen Vertreter in die Versammlung zu entsenden. §6 (1) Die Berufung der Gläubigerversammlung erfolgt durch mindestens zweimalige Bekanntmachung im Bundesanzeiger und in den sonstigen Blättern, durch welche für den Bezirk des in § 4 bezeichneten Gerichts die Eintragungen in das Handelsregister bekanntgemacht werden. An die Stelle der letzteren Blätter treten, wenn der Schuldner eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eine eingetragene Genossenschaft ist, die für die Veröffentlichungen der Gesellschaft oder der Genossenschaft bestimmten Blätter.
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(2) Die Frist zwischen der letzten Bekanntmachung und dem Tag der Versammlung ist so zu bemessen, daß mindestens zwei Wochen für die in § 10 Abs. 2 vorgesehene Hinterlegung der Schuldverschreibungen frei bleiben. (3) In dem Fall des § 4 muß bei der Berufung auf die gerichtliche Ermächtigung Bezug genommen werden. §7 (1) Der Zweck der Versammlung soll bei der Berufung bekanntgemacht werden. Jedem Gläubiger ist auf Verlangen eine Abschrift der Anträge zu erteilen. (2) Über Gegenstände, die nicht gemäß § 6 Abs. 1, 2 ihrem wesentlichen Inhalt nach angekündigt sind, können Beschlüsse nicht gefaßt werden. (3) Die Vorschriften der §§ 3, 4 des § 5 Abs. 1, 2 und des § 6 Abs. 3 finden auf die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung einer Versammlung entsprechende Anwendung. §8 Bei dem Beginn der Versammlung ist ein Verzeichnis der erschienenen Gläubiger oder Vertreter von Gläubigern mit Angabe ihres Namens und Wohnorts sowie des Betrags der von jedem vertretenen Schuldverschreibungen aufzustellen. Das Verzeichnis ist sofort nach der Aufstellung, spätestens aber vor der ersten Abstimmung zur Einsicht aufzulegen; es ist von dem Vorsitzenden zu unterzeichnen. §9 (1) Jeder Beschluß der Versammlung bedarf zu seiner Gültigkeit der Beurkundung durch ein über die Verhandlung notariell aufgenommenes Protokoll. (2) In dem Protokoll sind der Ort und der Tag der Verhandlung, der Name des Notars sowie die Art und das Ergebnis der Beschlußfassungen anzugeben. (3) Das nach § 8 aufgestellte Verzeichnis der Teilnehmer der Versammlung sowie die Belege über die ordnungsmäßige Berufung der Versammlung sind dem Protokoll beizufügen. Die Beifügung der Belege über die Berufung der Versammlung kann unterbleiben, wenn die Belege unter Angabe ihres Inhalts in dem Protokoll aufgeführt werden. (4) Das Protokoll muß von dem Notar vollzogen werden. Die Zuziehung von Zeugen ist nicht erforderlich.
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II. Schuldverschreibungen (SchVerschrG 1899)
§ 10 (1) Die Beschlüsse bedürfen, soweit nicht in diesem Gesetz ein anderes vorgeschrieben ist, der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Mehrheit wird nach den Beträgen der Schuldverschreibungen berechnet. Bei Gleichheit der Stimmen entscheidet die Zahl der Gläubiger. (2) Gezählt werden nur die Stimmen derjenigen Gläubiger, welche ihre Schuldverschreibungen spätestens am zweiten Tag vor der Versammlung bei der Reichsbank, bei einem Notar oder bei einer anderen durch die Landesregierung dazu für geeignet erklärten Stelle hinterlegt haben. (3) Das Stimmrecht kann durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden. Für die Vollmacht ist die schriftliche Form erforderlich und genügend. (4) Der Schuldner ist für die in seinem Besitz befindlichen Schuldverschreibungen nicht stimmberechtigt. Soweit ihm an den Schuldverschreibungen ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, ist er auf Verlangen des Eigentümers verpflichtet, die Schuldverschreibungen bei einer der in Absatz 2 bezeichneten Stellen in der Weise zu hinterlegen, daß, unbeschadet der Fortdauer des Pfandrechts oder Zurückbehaltungsrechts, dem Eigentümer die Ausübung des Stimmrechts ermöglicht wird; die Kosten der Hinterlegung hat der Eigentümer zu tragen und vorzuschießen. § 11 (1) Die Aufgabe oder Beschränkung von Rechten der Gläubiger, insbesondere die Ermäßigung des Zinsfußes oder die Bewilligung einer Stundung, kann von der Gläubigerversammlung höchstens für die Dauer von drei Jahren und nur zur Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beschlossen werden. Wird binnen drei Jahren nach einem solchen Beschluß das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird die Aufgabe oder Beschränkung der Rechte allen Gläubigern gegenüber hinfällig. (2) Der Beschluß, durch welchen Rechte der Gläubiger aufgegeben oder beschränkt werden, bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen. Die Mehrheit muß mindestens die Hälfte des Nennwerts der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen und, wenn dieser nicht mehr als zwölf Millionen Deutsche Mark beträgt, mindestens zwei Drittel des Nennwerts erreichen; beträgt der Nennwert der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen weniger als sechzehn Millionen, aber mehr als zwölf Millionen Deutsche Mark, so muß die Mehrheit acht Millionen Deutsche Mark erreichen. (3) In diesen Fällen bleiben bei der Berechnung des Nennwerts der umlaufenden Schuldverschreibungen die im Besitz des Schuldners befindlichen
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Schuldverschreibungen, für welche das Stimmrecht nach § 10 Abs. 4 ausgeschlossen ist, außer Ansatz. (4) Der Schuldner ist verpflichtet, in der Gläubigerversammlung Auskunft über den Betrag der im Umlauf befindlichen, zum Stimmen berechtigenden Schuldverschreibungen zu erteilen. (5) Kommt in der Gläubigerversammlung zwar die nach Absatz 2 Satz 1 erforderliche Mehrheit, nicht aber die nach Absatz 2 Satz 2 erforderliche Mehrheit zustande, so hat der Schuldner, wenn die Versammlung dies mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließt oder ein etwa bestellter Vertreter es schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt, alsbald eine zweite Versammlung zum Zwecke der erneuten Beschlußfassung zu berufen. Die zweite Versammlung beschließt mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen ohne Rücksicht auf den Betrag der von dieser Mehrheit vertretenen Schuldverschreibungen. Sie darf nicht vor dem Ablauf der ersten Versammlung berufen werden. § 12 (1) Ein Beschluß der in § 11 bezeichneten Art muß für alle Gläubiger die gleichen Bedingungen festsetzen. Die Festsetzung ungleicher Bedingungen ist nur mit ausdrücklicher Einwilligung der zurückgesetzten Gläubiger zulässig. Jedes sonstige Abkommen des Schuldners oder eines Dritten mit einem Gläubiger, durch welches dieser begünstigt werden soll, ist nichtig. Ein Beschluß der Versammlung, der durch Begünstigung einzelner Gläubiger zustande gebracht ist, hat den übrigen Gläubigern gegenüber keine verbindliche Kraft. (2) Der Schuldner hat den Beschluß in der in § 6 Abs. 1 bezeichneten Weise bekanntzumachen. (3) Auf die dem Nennwert der Schuldverschreibungen entsprechenden Kapitalansprüche kann durch Beschluß der Versammlung nicht verzichtet werden. § 13 (1) Steht der Schuldner oder sein Geschäftsbetrieb unter staatlicher Aufsicht, so ist zu einem Beschluß der in § 11 bezeichneten Art die Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde erforderlich. (2) Die Aufsichtsbehörde hat die Erteilung sowie die Versagung der Bestätigung öffentlich bekanntzumachen. § 14 (1) Beschließt die Versammlung die Bestellung eines Vertreters der Gläubiger, so muß zugleich der Umfang seiner Befugnisse bestimmt werden.
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(2) Soweit der Vertreter zur Geltendmachung von Rechten der Gläubiger ermächtigt ist, kann durch Beschluß der Gläubigerversammlung die Befugnis der einzelnen Gläubiger zur selbständigen Geltendmachung ausgeschlossen werden. Der Beschluß unterliegt den Vorschriften des § 11 Abs. 2 bis 4, des § 12 Abs. 2 und des § 13. (3) Zum Verzicht auf Rechte der Gläubiger ist der Vertreter nur auf Grund eines ihn hierzu im einzelnen Fall besonders ermächtigenden Beschlusses der Gläubigerversammlung befugt. Der Beschluß unterliegt den Vorschriften der §§ 11 bis 13. (4) Führt der Vertreter für die Gesamtheit der Gläubiger einen Rechtsstreit, so hat er in diesem die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Für die Kosten des Rechtsstreits, welche den Gläubigern zur Last fallen, haftet der Schuldner, unbeschadet seines Rückgriffs gegen die Gläubiger. (5) Sind mehrere Vertreter bestellt, so können sie, falls nicht ein anderes bestimmt ist, ihre Befugnisse nur in Gemeinschaft ausüben. (6) Ein Vertreter kann, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung, von der Gläubigerversammlung jederzeit abberufen werden. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen; die Mehrheit muß, wenn dem Vertreter nach Maßgabe des Absatzes 2 die ausschließliche Geltendmachung von Rechten der Gläubiger übertragen ist, mindestens die Hälfte des Nennwerts der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen betragen; die Vorschriften des § 11 Abs. 3, 4 und des § 12 Abs. 2 finden Anwendung. Ist der Vertreter durch das Gericht bestellt (§ 14a Abs. 3), so steht die Befugnis zur Abberufung dem Gericht zu. § 14a (1) Als Vertreter soll nicht bestellt werden: 1. wer dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, dem Verwaltungsrat oder einem ähnlichen Organ des Schuldners oder eines Kreditgebers des Schuldners angehört; 2. wer zu dem Schuldner in Kreditbeziehungen steht; 3. auf wen der Schuldner oder ein Gläubiger des Schuldners maßgebenden Einfluß hat. (2) Eine Minderheit, die den zwanzigsten Teil des Nennwerts der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen erreicht, ist berechtigt, gegen die Auswahl des Vertreters bei dem Amtsgericht des Sitzes (Wohnsitzes) des Schuldners Widerspruch zu erheben. Der Widerspruch kann nur darauf gegründet werden, daß die Vorschrift des Absatzes 1 verletzt sei. Er kann nur binnen zwei Wochen nach der Versammlung erhoben werden. Über den Widerspruch entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten;
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die Entscheidung unterliegt nicht der Beschwerde. Wird dem Widerspruch stattgegeben, so hat das Gericht nach Anhörung der amtlichen Vertretung des Handelsstands einen anderen Vertreter zu bestellen. Die Bestellung ist endgültig. (3) Die durch die Tätigkeit des Vertreters entstehenden Aufwendungen hat der Schuldner zu tragen. Er hat auch die Tätigkeit des Vertreters angemessen zu vergüten. § 15 (1) Ist der Schuldner eine Gesellschaft oder juristische Person, deren Mitglieder in Versammlungen Beschlüsse fassen, so ist jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes bestellte Vertreter der Gläubiger befugt, den Mitgliederversammlungen beizuwohnen und sich an den Beratungen zu beteiligen. (2) Soweit nach den Gesetzen Schriftstücke, die sich auf die Verhandlungen in der Mitgliederversammlung oder auf die Vermögenslage oder den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft beziehen, den Gesellschaftern mitzuteilen sind, hat die Mitteilung in gleicher Weise auch an den Vertreter der Gläubiger zu erfolgen. (3) Zur Vorbereitung eines Beschlusses der in § 11 bezeichneten Art hat der Schuldner dem Vertreter der Gläubiger auf dessen Verlangen laufend die Einsicht in seine Bücher und Schriften zu gestatten sowie alle Aufklärungen und Nachweise zu geben, welche die sorgfältige Erfüllung der dem Vertreter obliegenden Interessenwahrnehmung erfordert. § 16 (1) Die Befugnisse und Verpflichtungen eines Vertreters, dessen Bestellung gemäß § 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder auf Grund einer bei Ausgabe der Schuldverschreibungen in verbindlicher Weise getroffenen Festsetzung erfolgt, werden durch die nach diesem Gesetz vorgenommene Bestellung eines Vertreters nicht berührt. (2) Die Rechte, welche nach den Vorschriften des § 3 und des § 7 Abs. 3 einem von der Gläubigerversammlung bestellten Vertreter hinsichtlich der Berufung der Versammlung und der Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung zustehen, können auch von einem Vertreter der in Absatz 1 bezeichneten Art geltend gemacht werden. (3) Ist eine Mitwirkung der Gläubiger erforderlich, um an Stelle eines weggefallenen Vertreters der in Absatz 1 bezeichneten Art einen neuen Vertreter zu bestellen, so kann eine Gläubigerversammlung mit verbindlicher Kraft für alle Gläubiger über die Bestellung beschließen. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen, soweit nicht in verbindlicher Weise andere Festsetzungen getroffen sind; die Vorschriften des § 12 Abs. 2 und des § 13 finden Anwendung. 184
II. Schuldverschreibungen (SchVerschrG 1899)
(4) Auf Antrag von Gläubigern, deren Schuldverschreibungen zusammen den fünften Teil des Gesamtbetrags der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen erreichen, kann das Gericht, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, den Vertreter abberufen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann das Gericht an Stelle eines weggefallenen Vertreters einen neuen Vertreter bestellen. Zuständig ist das in § 4 bezeichnete Amtsgericht. Vor der Verfügung, durch die über den Antrag entschieden wird, ist, soweit tunlich, der Schuldner und im Falle der Abberufung des Vertreters auch dieser zu hören. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt. Das Amtsgericht kann vor der Entscheidung über den Antrag auf Abberufung eines Vertreters eine einstweilige Anordnung erlassen. (5) Auf die Eintragung des Wegfalls eines Vertreters sowie auf die Eintragung eines neuen Vertreters an Stelle des weggefallenen findet die Vorschrift des § 43 Abs. 1 der Grundbuchordnung keine Anwendung. Im Falle des Absatzes 4 ist das Amtsgericht befugt, das Grundbuchamt um die Eintragung zu ersuchen. § 17 (1) Die Vorschriften des § 16 finden auch auf einen Vertreter Anwendung, der für die Besitzer von Schuldverschreibungen vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Gemäßheit des bisherigen Rechts bestellt worden ist oder nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis zu dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, in Gemäßheit des Landesrechts durch Eintragung in das Hypothekenbuch oder ein ähnliches Buch bestellt wird. (2) Ein solcher Vertreter steht im Sinne des § 43 Abs. 2 der Grundbuchordnung einem nach § 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellten Vertreter gleich. Dasselbe gilt in Ansehung eines durch die Gläubigerversammlung bestellten Vertreters. (3) Wird an Stelle eines weggefallenen Vertreters der in Absatz 1 bezeichneten Art nach dem Zeitpunkt, in welchem das Grundbuch als angelegt anzusehen ist, gemäß § 16 ein neuer Vertreter bestellt, so kann die Eintragung dieses Vertreters in das Grundbuch (§ 1189 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) auf dieselbe Weise wie die Bestellung herbeigeführt werden, ohne Unterschied, ob der weggefallene Vertreter in das Hypothekenbuch oder ein ähnliches Buch eingetragen war oder nicht. § 18 (1) Ist über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, so gelten in Ansehung der Versammlung der in § 1 bezeichneten Gläubiger die folgenden besonderen Vorschriften. (2) Die Versammlung wird von dem Insolvenzgericht einberufen und geleitet.
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(3) Unverzüglich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Versammlung der Gläubiger einzuberufen, um über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren zu beschließen; die Berufung kann unterbleiben, wenn schon vorher von einer Versammlung über die Bestellung eines solchen Vertreters Beschluß gefaßt worden ist. (4) Das Insolvenzgericht hat außer den Fällen des § 3 Abs. 2 eine Versammlung der Gläubiger einzuberufen, wenn dies von dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuß (§ 67 der Insolvenzordnung) oder der Aufsichtsbehörde verlangt wird. (5) Die Stelle, bei welcher die Gläubiger die Schuldverschreibungen zu hinterlegen haben, wird durch das Insolvenzgericht bestimmt. (6) Die Vorschriften des § 5 Abs. 1 und 2 und des § 13 sind nicht anzuwenden. § 19 Werden im Insolvenzverfahren die Forderungen aus den Schuldverschreibungen durch den von der Gläubigerversammlung bestellten Vertreter der Gläubiger angemeldet, so bedarf es der Beifügung der Schuldverschreibungen nicht. Zur Erhebung der bei einer Verteilung auf die Schuldverschreibungen fallenden Beträge ist die Vorlegung der Schuldverschreibungen erforderlich; auf die Erhebung findet die Vorschrift des § 14 Abs. 2 keine Anwendung. § 19a (1) In einem Insolvenzplan sind allen in § 1 bezeichneten Gläubigern gleiche Rechte anzubieten. (2) Die Vorschriften des § 11 Abs. 1 und des § 12 Abs. 3 sind nicht anzuwenden. § 20 Die in diesem Gesetz der Gläubigerversammlung und dem Vertreter der Gläubiger eingeräumten Befugnisse können durch Festsetzung in den Schuldverschreibungen nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. § 21 – § 22 (1) Wer in der Bekanntmachung, die gemäß § 2 erlassen wird, oder in der Auskunft, die gemäß § 11 Abs. 4 in der Gläubigerversammlung erteilt wird, unwahre Angaben über Tatsachen macht, deren Mitteilung ihm nach den bezeichneten Vorschriften obliegt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe … bestraft. (2)
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§ 23 (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. Schuldverschreibungen, die sich im Besitz des Schuldners befinden, einem anderen zu dem Zweck überläßt, das Stimmrecht entgegen § 10 Abs. 4 an Stelle des Schuldners auszuüben, 2. die Schuldverschreibungen zu dem in Nummer 1 bezeichneten Zweck benutzt, 3. besondere Vorteile als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er bei einer Abstimmung in der Gläubigerversammlung nicht oder in einem bestimmten Sinn stimme oder 4. besondere Vorteile als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß jemand bei einer Abstimmung in der Gläubigerversammlung nicht oder in einem bestimmten Sinn stimme. (2) Ordnungswidrig handelt auch, wer als Schuldner von Schuldverschreibungen vorsätzlich oder leichtfertig gegen die in § 2 Satz 1 vorgeschriebene Pflicht zur Bekanntmachung verstößt. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Deutsche Mark geahndet werden. § 23a (1) Ist der Schuldner eine unter staatlicher Aufsicht stehende Körperschaft des öffentlichen Rechts, so kann die Versammlung der Gläubiger in den Fällen der §§ 3, 4 nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde berufen werden. (2) § 24 (1) Auf Schuldverschreibungen des Reichs, eines Landes oder von Gemeinden oder Gemeindeverbänden finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung. (2) Die Landesgesetze können bestimmen, daß die bezeichneten Vorschriften auch auf Schuldverschreibungen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden Anwendung finden. § 25 Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die Versammlung und Vertretung der Pfandgläubiger einer Eisenbahn oder Kleinbahn in dem zur abgesonderten Befriedigung dieser Gläubiger aus den Bestandteilen der Bahneinheit bestimmten Verfahren. § 26 (1) Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft. (2) Es findet auch auf die vorher ausgegebenen Schuldverschreibungen Anwendung. 187
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III. Muster Depotnachweis und Sperrvermerk
Depotnachweis und Sperrvermerk An:
[Insolvenzschuldnerin/Insolvenzgericht/Insolvenzverwalter]
Von: [Depotführende Bank]
[Datum]
Hiermit bestätigen wir, dass zum heutigen Tag für
[Name und Adresse des Anleihegläubigers]
bei uns ein Depot besteht. In diesem Depot befinden sich [Anzahl] Stück der [Name der Anleihe, ISIN, WKN] mit einem Nominalbetrag von jeweils [Nominalbetrag].
Wir bestätigen, dass sämtliche im Depot gehaltenen [Anzahl] Stück der [Name der Anleihe, ISIN, WKN] bis zum Ablauf des [Datum des Termins der Gläubigerversammlung, bei der abgestimmt werden soll] gesperrt sind und nicht übertragen werden können. Mit Ablauf des [Datum des Termins der Gläubigerversammlung, bei der abgestimmt werden soll] verliert die Sperre ihre Gültigkeit.
[Unterschrift/Stempel der depotführenden Bank]
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Stichwortverzeichnis
Abstimmung ohne Versammlung
Einberufung (Gläubigerversamm-
220, 345 ff., 423 Anfechtung, Anfechtungsklage 73, 79, 294, 317, 393, 423, 449 ff. – Anfechtungsbefugnis 432 ff. – Anfechtungsfrist 79, 35 ff., 440 – Bekanntmachung 411 – Beschlüsse 343, 461 ff. – Konzentration 445 – missbräuchliche 73, 420 ff. – Suspensivwirkung 554 – Vollzugssperre 419, 447, 550 – Zuständigkeit 461 ff. Anleihe – Begriff 22 f. – Kündigung 396 ff. – Laufzeit 23, 155 f. – Nennwert 23, 152, 398 ff. Anleihebedingungen 7, 27 ff., 231 ff. – allgemeine Schuldenregelung 411 ff. – Änderung 18, 141, 148, 55, 263, 334, 341, 624, 633 – Bekanntmachung 258 ff., 332 ff. – Kündigungsrechte 27, 173 ff., 410 ff.
lung) 222 ff., 237 ff., 520 ff. – Bekanntmachungspflicht 246 f., 255 ff., 266 – Frist 227, 258, 515 ff. – Inhalt 248 ff., 521 ff. – Insolvenz 497 ff. – Kosten 262, 332, 537 – Person des Einberufenden 253 – Tagesordnung s. dort – Teilnahmebedingungen 252 – Zeitpunkt 251, 513 f. Erörterungs- und Abstimmungstermin 582, 617 f., 657
Barkapitalerhöhung
Gegenantrag
198 ff., 212 ff. – anfechtbare 216 – nachgelagerte 215 Berichtspflichten 200, 205, 264, 275 ff. Beschlusskontrolle 376 ff., 422, 477, 492, 541 ff.
Debt-to-Equity-Swap
71, 80 ff., 184 ff., 207 ff. – Erwerbsrechte 190 ff., 388 ff. – Insolvenz 627 ff., 636 ff. Directors’ Dealings 83
Forderungsanmeldung
126, 489, 643 ff. – Depotauszug 646 ff. – Doppelfeststellung 652, 660, 670 ff. Fortführungsprognose – negative 74, 482 – positive 64 ff. Freigabeverfahren 73, 79 f., 135, 343, 393 ff., 419 ff., 452, 464 ff. – überwiegendes Vollzugsinteresse 475 ff. – Zuständigkeit 466 271 ff. – Antragstellung 271 – Veröffentlichungspflicht 271 f. Gläubiger – Auskunftsrecht 16, 276 – Gegenantrag s. dort – Gleichbehandlungsgebot 147 ff. – Kündigungsrechte 27 ff. – Nachschusspflichten 144 – Stimmrecht 53, 320 ff., 523, 613 – Stimmrechtsvertreter 290 ff. – Vertreter, gemeinsamer s. dort
189
Stichwortverzeichnis
Gläubigerbeschluss 73, 79, 221, 263 ff., 423 – anfechtbarer 73, 79, 335, 420, 423 ff., 453 ff., 542 ff. – Bekanntmachung 332 f., 441, 503 – Beschlussfähigkeit 69, 257, 298, 319, 321, 533 – Beurkundung 318 – nichtiger 423, 453 ff. – Vollzug 340 ff., 446 Gläubigerorganisationsrecht 50, 90, 114 ff., 125 f. Gläubigerversammlung 55, 220 ff., 426 ff. – Anmeldung, fakultative 237 ff. – Anmeldeerfordernis 231, 237 – Auskunft, Auskunftsverweigerung 309 ff., 427 – Berichtspflichten 275 ff. s. a. dort – Beschlüsse s. Gläubigerbeschluss – beschlussfähige 319, 328 – beschlussunfähige 322 – Durchführung 293 ff. – Einberufung s. dort – „erste“ 319 ff. – Gegenantrag s. dort – in der Insolvenz 486, 489, 528 ff. – Insolvenzplan 614 – Kosten 56, 538 f. – Legitimationsnachweis 234 ff., 521, 661 – Mehrheitsbeschluss 16, 49 ff., 117 ff., 141 ff., 430, 535 – notarielle Niederschrift 339, 342 – Ort 239 ff., 251 – Protokollierung 314 – Redezeitbeschränkung 314 – Stimmrecht 320, 662 – Stimmrechtsvertreter 290 ff. – Tagesordnung s. dort
190
– Teilnehmerverzeichnis 296, 334 ff. – Versammlungsleiter s. dort – „zweite“ 69, 79, 179, 327 ff. Gleichbehandlungsgebot 147 ff.
Hauptforderung – Fälligkeit 147 ff. – Haircut 16, 157 – Stundung 153 f.
Inhaltskontrolle 429 Insiderliste 83 Insolvenzplan 20 f., 500, 614 ff. – Debt-to-Equity-Swap 627 ff., 636 ff. – Differenzhaftung 639 – Erörterungs- und Abstimmungstermin 617 ff. – Erwerbsrecht 630 – Forderungsverzicht 24 – gestaltender Teil 615, 623, 631 – Mehrheitserfordernis 624 – nachrangige Gläubiger 505 – sofortige Beschwerde 620 – Widerspruch 619 Insolvenzstatut 493 Insolvenztabelle 489, 643 ff. – Prüfung und Feststellung 650 ff. s. a. Forderungsanmeldung Insolvenzverfahren 485 ff. – Ausland 494 – Partikular- 494 – Sekundär- 494 – Vertreter, gemeinsamer 641 ff. – vorläufiges 497 Kapitalmaßnahmen s. Barkapitalerhöhung; Sachkapitalerhöhung Kündigung – gesetzliche 412 ff. – vertragliche 410 ff. – wirksame 410
Stichwortverzeichnis
Nachrang 94, 165 Nichtigkeitsklage 459 s. a. Anfechtungsklage Niederschrift, notarielle 315, 318, 326, 339 ff., 536 ff. – Abschrift 339 – Widerspruch 436 ff. Opt-In-Beschluss
91, 113, 130,
136 ff., 506, 509
Prospektpflicht
72, 188, 197,
382 ff., 632
Sachkapitalerhöhung
196 ff., 381 – Bezugsrechtsausschluss 210 ff. s. a. Debt-to-Equity-Swap Sanierung 62 ff., 554 – außergerichtliche 20 f. – detaillierte Planung 19 – Fortführungsprognose 64 ff., 482 – Zeitplan 67 ff., 88 Sanierungsgutachten, -konzept 65 ff., 77 ff., 282, 284 Schuldnerwechsel 176 f. Schuldverschreibungen 14, 22, 46 ff. – ausländisches Recht 494 – ausstehende 79 – börsennotierte 98 – Gesamtemissionen 31, 39, 106 – inhaltsgleiche 95, 108 – International Securities Identification Number (ISIN), Wertpapierkennnummer (WKN) 249, 648, 678 – Sammelurkunde 235, 249, 341 f. Sitz des Emittenten 93, 239 f., 248, 250, 442, 521 – Ausland 36 f., 133 – Inland 35 f., 41, 239
Stellvertreter 285 ff. – Legitimation 287 – Stimmrechtsvertreter 290 ff. – Vollmacht 286 f.
Tagesordnung (Gläubigerversammlung) 254, 263 ff., 527 ff. – Bekanntmachung 266 ff. – Berichtspflicht 264, 275 ff. – Beschlussantrag, -vorschlag 263, 265, 273, 309 – Beschlussgegenstände 263 – Ergänzung 269 ff., 529 – Gegenantrag s. dort
Versammlungsleiter
295 ff. – Abwahl 304 f. – Pflichten und Rechte 297 ff. Versammlungsort 241, 245, 299, 525 Vertreter, gemeinsamer 29, 70, 274, 488 ff., 501 ff., 595 ff. 657 ff. – Bestellung 70, 128, 487 ff., 497 ff., 510 – Forderungsanmeldung 644 ff., 665 ff. – handlungsunfähiger 543, 554 – Insolvenzverfahren 568 ff, 641 ff. – Kosten 540, 587 ff. – Rechte und Pflichten 299, 489, 502, 569 ff. – Vergütung 587 ff., 596 ff. Vollzugssperre 419, 447, 550
Zinszahlung – – – – –
13, 485, 681 Fälligkeit 152 ff. Kündigung 410 Stundung 156 f. Verringerung 157 vollständiger Verzicht 158
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