Integrierte Kreditprüfung: Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung [1 ed.] 9783896448156, 9783896730466

Das gewerbliche Kreditgeschäft stellt nach wie vor die zentrale Ertragsquelle vieler Banken und Sparkassen dar. Zugleich

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German Pages 444 [445] Year 1998

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Integrierte Kreditprüfung: Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung [1 ed.]
 9783896448156, 9783896730466

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Integrierte Kreditprüfiing Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung

Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim Herausgeber: Prof. Dr. Joh. Heinr. v. Stein

Band 25

Reiner Dietrich

Integrierte Kreditprüfung Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Dietrich, Reiner: Integrierte Kreditprüfung. Die Integration der computergestützten Kreditprüfung in die Gesamtbanksteuerung / Reiner Dietrich. - Sternenfels ; Berlin : Verl. Wiss, und Praxis, 1998 (Studienreihe der Stiftung Kreditwirtschaft an der Universität Hohenheim; Bd. 25) Zugl.: Hohenheim, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-89673-046-0 NE: Stiftung Kreditwirtschaft : Studienreihe der Stiftung ...

ISBN 3-89673-046-0 D100

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 1998 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe­ sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Geleitwort Mit der Studienreihe möchte die Stiftung Kreditwirtschaft Arbeiten, die an der Universität Hohenheim zu bank- und finanzwirtschaftlichen The­ mengebieten entstanden sind, einem interessierten Fachpublikum zu­ gänglich machen. Die veröffentlichten Schriften sollen den Gedanken­ austausch zwischen Universität und Praxis fördern.

Das gewerbliche Kreditgeschäft stellt nach wie vor die zentrale Ertrags­ quelle vieler Banken und Sparkassen dar. Zugleich handelt es sich bei dieser Geschäftssparte aber auch um die Hauptrisikoquelle bankbetrieb­ licher Aktivitäten. In der Praxis ist dabei zu beobachten, daß die Kredit­ entscheidungspolitik einseitig auf die Verhältnisse des einzelnen Kredit­ nehmers fokussiert ist; die Einflüsse der übergeordneten Gesamtbank­ strukturen werden nur am Rande berücksichtigt.

In dieser Arbeit wird versucht, Ansätze des Portfolio-Managements auf das Kreditgeschäft zu übertragen, um den Banken ein Werkzeug für eine aktive Steuerung ihrer Risiko- und Ertragsstruktur an die Hand zu geben. Als Ergebnis dieser Überlegungen, die kreditwirtschaftliche Anliegen und Wirtschaftsinformatik verbinden, wird ein Entscheidungsunterstüt­ zungssystem entwickelt, das die Integration der risikoreduzierenden Di­ versifikationseffekte in eine dezentrale Kreditentscheidungsfindung er­ laubt. Damit wird es möglich, das dezentrale Wissen über den Kunden mit dem zentralen Gesamtbankwissen zu vereinen und hierdurch insge­ samt einen Risikoabbau innerhalb des Kreditportefeuilles zu erzielen. Wir wünschen dem 25. Band der Studienreihe, daß er reges Interesse fin­ den möge. Hohenheim, im August 1998

Prof. Dr. Joh. Heinr. von Stein

(Herausgeber)

Prof. Dr. Helmut Krcmar

(Betreuer)

Gliederung

7

Gliederung Abbildungsverzeichnis

13

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole

18

A. Einleitung

21

1. Einführung in den Problembereich und Forschungsfragen

21

2. Aufbau der Arbeit

28

B. Die Einzelkreditprüfung: Analyse der Bonität eines mittelständischen Kreditnehmers

31

1. Überblick und Bedeutung

31

2. Die Prüfung der Kreditwürdigkeit

35

2.1.

Überblick und Begriffsabgrenzung

35

2.2.

Unternehmenskrisen und ihre Ursachen

39

2.3.

Die Prüfung der persönlichen Kreditwürdigkeit (Unternehmerbeurteilung)

43

2.3.1. Die Bedeutung der persönlichen Kreditwürdigkeit

43

2.3.2. Früherkennung von Kreditrisiken durch Untersuchung des Unternehmerverhaltens - eine empirische Studie

48

2.3.2.I. Zielsetzung und Vorgehensweise der Studie

48

2.3.2.2. Charakteristische Unternehmertypen

49

2.3.3. Kritische Würdigung 2.4.

Die wirtschaftliche Kreditwürdigkeit (Unternehmensbeurteilung)

2.4.1. Überblick und Bedeutung

55 57

57

Gliederung

8

2.4.2. Die quantitativen Verfahren zur Beurteilung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit

59 59

2.4.2.1. Die Jahresabschlußanalyse 2.4.2.1.1. Überblick und Vorgehensweise

59

2.4.2.1.2. Die Analyse der Vermögenslage

62

2.4.2.1.3. Die Analyse der Finanzlage

69

2.4.2.1.4. Die Analyse der Ertragslage

70

2.4.2.I.5. Kritische Würdigung

80

2.4.2.2. Die dynamischen Verfahren der Kreditwürdig­ keitsprüfung 84

2.4.2.2.I. Retrospektive Kreditwürdigkeitsprüfung die Kapitalflußrechnung 85

2.4.2.2.2. Prospektive Kreditwürdigkeitsprüfung die Finanzplanung

88

2.4.2.2.3. Kritische Würdigung

92

2.4.2.3. Die statistischen Verfahren der Kreditwürdig­ keitsprüfung

93

2.4.2.3.I. Überblick und Aufbau statistischer Verfahren

93

2.4.2.3.2. Die statistischen Grundlagen der Bonitäts­ prognosemodelle 95

2.4.2.3.3. Empirische Ergebnisse zur statistischen Bonitätsprognose

99

2.4.2.3.4. Kritische Würdigung

105

2.4.2.4. Die Kontenanalyse

108

2.4.2.5. Kritische Würdigung der quantitativen Verfahren

110

2.4.3. Die qualitativen Verfahren zur Beurteilung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit

111

2.4.3.I.

Überblick und Bedeutung

111

2.4.3.2.

Die Beurteilung der Kreditverwendung

113

2.4.3.3.

Das Produkt-Markt-Konzept

115

Gliederung 2.4.3.3.1.

9

Die Beurteilung des Produktionsprogrammes116

2.4.3.3.2. Die Beurteilung der Branchenentwicklung

118

2A3.3.3. Die Beurteilung der Wettbewerbssituation

121

2.4.3.3.4.

Die technische Bonität

123

2.4.3.3.5.

Die Organisation des Unternehmens

125

2.4.3.4. Kritische Würdigung der qualitativen Verfahren 3. Zusammenfassung und Ausblick - Das Prinzip der Zusammenschau

126 129

C. Die Integration der Einzelkreditprüfung in die Gesamtbank* Planung und -Steuerung 131 1. Überblick und Bedeutung

131

2. Das bankbetriebliche Zielsystem

135

3. Planung und Controlling im Bankbetrieb

139

3.1.

Überblick

139

3.2.

Planung im Bankbetrieb

140

3.2.1. Grundlagen der Bankplanung und Begriffsklärung

140

3.2.2. Strategische und operative Planung

142

3.2.3. Die Gesamtbankplanung

145

Controlling im Bankbetrieb

147

3.3.

3.3.1. Grundlagen des Controllings und Begriffsklärung

147

3.3.2. Operatives und strategisches Controlling

149

4. Risiko und bankbetriebliches Risikomanagement

152

4.1.

Überblick und Bedeutung

152

4.2.

Risiko und Risikoarten im Bankbetrieb

153

4.3.

Risikomanagement und risikopolitische Maßnahmen

157

4.4.

Risikoorientierte Steuerungsinstrumente

165

5. Risikostreuung durch Kreditportefeuille-Management

171

Gliederung

10 5.1.

Überblick und Bedeutung

171

5.2.

Der Portfolio Selection-Ansatz nach Harry M. Markowitz

177

5.2.1. Vom Einzelkredit zum optimalen Portefeuille

177

5.2.2. Kritische Würdigung der Portfolio Selection-Theorie

182

5.3.

Der Lösungsansatz der Indexmodelle

189

5.4.

Der Value at Risk-Ansatz - RiskMetrics und CreditMetrics

198

6. Die Integration von Einzelkreditprüfung und Gesamtportefeuille­ betrachtung im Kreditgeschäft - das integrierte Kreditprüfungs­ system INTERRED 203 6.1.

Vorbemerkung

203

6.2.

Die Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität

210

6.2.1. Die Beurteilung der Hard Facts

211

6.2.2. Die Beurteilung der Soft Facts

214

6.2.2.I. Die Beurteilung der Unternehmensführung

215

6.2.2.2. Die Beurteilung des Produkt-Markt-Konzeptes

219

6.3. Die Bewertung der Sicherheiten

222

6.4. Die Kreditportefeuille-Optimierung

224

6.4.1. Die Risikonutzenfunktion

225

6.4.2. Die Bestimmung der Ertrags- und Risikodaten der Kredite 228 6.4.3. Die Bestimmung der Ertrags- und Risikodaten des Kredit­ portefeuilles 234

6.4.3.1.

Modelltheoretische Überlegungen

234

6.4.3.2.

Die Risikostruktur des Kreditportefeuilles

243

6.4.3.3.

Die Risikostruktur des Branchenportefeuilles

258

6.4.3.4.

Die Kreditportefeuille-orientierte Beurteilung eines Neukredits

262

Die Kreditportefeuille-Analyse

265

Kritische Würdigung des INTEKRED-Modells

266

6.4.3.5. 6.5.

Gliederung

11

273

7. Zusammenfassung und Ausblick

D. Die EDV-technische Integration von Kreditprüfung und Gesamtbanksteuerung

277 277

1. Überblick und Bedeutung

2. EDV-Systeme zur Unterstützung betrieblicher Entscheidungsprobleme

280

2.1. Überblick

280

2.2. Informationssysteme

282

2.3. Entscheidungsunterstützungssysteme

285

2.4. Künstliche Intelligenz und Expertensysteme

287

2.4.1. Überblick und Begriffsklärung

287

2.4.2. Architektur und Entwicklung von Expertensystemen

290

2.4.3. Einsatzgebiete und Nutzeffekte der ExpertensystemTechnologie 293

2.4.4. Kritische Würdigung 2.5.

295

Künstliche neuronale Netze und Fuzzy Logic

299

3. Die Entwicklung des Entscheidungsunterstützungssystems INTERRED zur integrierten Kreditprüfung

306

3.1.

Vorbemerkung

306

3.2.

Die Systementwicklungsmethodik

307

3.2.1. Vorbemerkung

307

3.2.2. Software Engineering

310

3.2.3. Prototyping

313

3.3.

Die Umsetzung des integrierten Kreditprüfungssystems INTERRED 315

3.3.1. Die Analyse und Planung des INTEKRED-Systems

316

3.3.2. Die Spezifikation des INTEKRED-Systems

319

3.3.3. Der System- und Komponentenentwurf des INTERRED-Systems

326

Gliederung

12

3.3.4. Die Implementierung des INTEKRED-Systems 3.3.4.1. Vorbemerkung

3.4.

333 333

3.3.4.2.

Das INTEKRED-Entity-Relationship-Modell

334

3.3.4.3.

Die INTEKRED-Tabellen

338

3.3.4.4.

Die INTEKRED-Formulare - ein Fallbeispiel

338

3.3.4.5.

Die INTEKRED-Abfragen

345

Kritische Würdigung der INTEKRED-Systementwicklung

346

3.4.1. Erfahrungen mit Access als Entwicklungsumgebung für den Prototypenbau 346 3.4.2. Beurteilung des INTEKRED-Prototyps

350

3.4.2.1. Alternative Ansätze des KreditportefeuilleManagements 351 3.4.2.2. Zum Systementwurf des INTEKRED-Systems

355

3.4.2.3. Zur Benutzerfreundlichkeit des INTEKRED-Systems

357

3.4.2.4. Zur Leistungsfähigkeit des INTEKRED-Systems

359

E. Zusammenfassender Ausblick

371

Anhang: die INTEKRED-Fomulare

379

Literaturverzeichnis

417

Abbildungsverzeichnis

13

Abbildungsverzeichnis: B.l

Typischer Verlauf von Unternehmenskrisen

40

B.2

Empirische Insolvenzursachen und Konkursgründe

42

B.3

Komponenten der Managementbeurteilung

44

B.4

Managementfunktionen

46

B.5

Beurteilungsbogen für die Unternehmensleitung

54

B.6

Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung

58

B.7

Struktur der Bilanz

63

B.8

Fristenkongruenz

68

B.9

Erfolgsspaltung

71

B.10 Rentabilitätsisoquanten des ROI - Konzeptes

76

B.ll Cash-Flow-Ermittlung

78

B.12 Kapitalflußrechnung

87

B.13 Vergleich Finanzplanung und Kreditwürdigkeitsprüfung

90

B.14 Kennzahlen nach Rommelfanger/Unterharnscheidt

101

B.15 STATBIL - Output

105

B.16 Produkt-Lebenszyklus und Lebenszyklusfalle

117

B.17 Strategische Positionierung der Geschäftseinheiten

122

C.l

Zielsystem im Kreditgeschäft

138

C.2

Strategische und operative Planung

144

C.3

Kybernetischer Prozeß der Gesamtbankplanung

146

C.4

Dimensionen des Bank - Controllings

149

C.5

Risikopolitische Instrumente zur Steuerung des Ausfallrisikos im Kreditgeschäft

159

C.6

Vergleich Wertpapier- und Kreditanlage

176

C.7

Korrelation und Diversifikation

179

14

Abbildungsverzeichnis

C.8

Mögliche und effiziente Kreditportefeuilles

180

C.9

Optimales Kreditportefeuille

181

C.10

Normalverteilung und Verteilung der Erträge eines Kreditgeschäftes

187

C.ll

Vergleich Markowitz- und Sharpe-Ansatz

191

C.12

Beziehung zwischen Unternehmen und Index

192

C.13

Statistische Kennzahlen zur Insolvenzentwicklung

197

C.14

Integrierte Kreditprüfung

205

C.15

Grundstruktur des Kreditprüfungssystems INTERRED

209

C.16

Bewertung der Hard Facts

213

C.17

Soft Facts - Beurteilung der Führungsorganisation

218

C.18

Soft Facts - Beurteilung des Produkt-/Markt-Konzepts

221

C.19

Bewertung der Sicherheiten

223

C.20

Risikoaverse Nutzenfunktion

226

C.21

Ermittlung der Ertrags- und Risiko-Daten

234

C.22

Dreistufiger Modellansatz von INTERRED

237

C.23

Insolvenzanalyse der Hauptbranchen (1979 - 1993)

245

C.24

Insolvenzentwicklung nach Hauptbranchen (1979 - 1993)

247

C.25

Statistische Kennzahlen zur Brancheninsolvenz­ entwicklung (1979 - 1993)

249

C.26

Insolvenzhäufigkeit der Hauptbranchen (1979 - 1993)

251

C.27

Entwicklung der Insolvenzhäufigkeit der Hauptbranchen (1979-1993)

253

Statistische Kennzahlen zur Brancheninsolvenzhäufigkeit (1979 - 1993)

254

C.29

Korrelationsmatrix der Hauptbranchen (1979 - 1993)

256

C.30

Segmentierungsmatrix der Portfolio-Analyse

265

C.28

Abbildungsverzeichnis

15

D.l

Architektur eines computergestützten Informationssystems

283

D.2

Architektur eines Expertensystems

291

D.3

Einsatzmöglichkeiten für Expertensysteme in Banken

294

D.4

Software-Lebenszyklus

311

D.5

Funktionsbaum des INTEKRED-Systems

322

D.6

Teilfunktionsbaum 1.2.: Neukredit Neukunde

324

D.7

Teilfunktionsbaum 2.1.: Verteilung der Bonitäten

325

D.8

Teilfunktionsbaum 2.3.: Kreditstatistik

325

D.9

Teilfunktionsbaum 2.4.: Kundenstatistik

326

D.10

Darstellung einer Beziehung im Entity-Relationship-Modell 333

D.ll

Entity-Relationship-Modell INTERRED

335

D.12

Ausgangsdaten - Einzelkredite

361

D.13

Ausgangsdaten - Branchen

362

D.14

Branchendaten

363

D.15

Branchenrisiko nach Diversifikation

364

D.16

Portefeuille-Risiko und Ertragsdaten

366

Anhang: die INTERRED Formulare 1

Hauptformular

379

2

Auswahlformular „Kreditwürdigkeitsprüfung“

380

3

Auswahlformular „Kreditwürdigkeitsprüfung Neukunde“

381

4

Formular „Eingabe der Kundendaten“

382

5

Formular „Eingabe der Kreditdaten“

383

6

Formular „Eingabe der Sicherheitendaten“

384

7

Auswahlformular „Teilbereiche der Kreditwürdigkeits­ prüfung“ 385

8

Formular „Eingabe der Hard Facts“

386

16

Abbildungsverzeichnis

9

Formular „Soft Facts-Beurteilung der Unternehmensleitung“ 387

10

Formular „Soft Facts-Beurteilung der Führungsorganisation“ 388

11

Formular „Soft Facts-Beurteilung des Produkt-MarktKonzepts“

389

12

Auswahlformular „Ergebnis Kreditwürdigkeitsprüfung“

390

13

Formular „Bonität“

391

14

Formular „Sicherheitenübersicht Neukredit“

392

15

Auswahlformular „Portefeuille-orientierte Kredit­ entscheidung“

393

16

Formular „Ertrags- und Risikodaten des Neukredits“

394

17

Formular „Ertrags- und Risikodaten des BranchenKreditportefeuilles“

395

18

Formular „Ertrags- und Risikodaten des Kreditportefeuilles“ 396

19

Auswahlformular „Analyse des Kreditportefeuilles“

397

20

Auswahlformular „Verteilung der Bonitäten“

398

21

Formular „Verteilung der Bonitäten insgesamt“

399

22

Formular „Verteilung der Hard Facts“

400

23

Formular „Verteilung der Soft Facts Unternehmerbeurteilung“

401

24

Formular „Verteilung der Soft Facts - Führungsorganisation“ 402

25

Formular „Verteilung der Soft Facts - Produkt-MarktKonzept“

403

26

Auswahlformular „Sicherstellung des Kreditportefeuilles“

404

27

Formular „Durchschnittliche Sicherheiten je Kredit“

405

28

Formular „Durchschnittliche Sicherheiten nach Bonitäten“

406

29

Formular „Sicherheitenstruktur“

407

30

Auswahlformular „Kreditstatistik“

408

31

Formular „Anzahl Kredite“

409

32

Formular „Kreditvaluta“

410

Abbildungsverzeichnis

17

33

Formular „Durchschnittliche Marge“

411

34

Formular „Durchschnittliche Kreditlaufzeit“

412

35

Auswahlformular „Kundenstatistik“

413

36

Formular „Anzahl Kunden“

414

37

Formular „Verteilung nach Branchen“

415

38

Formular „Verteilung nach Rechtsformen“

416

18

Abkürzungsverzeichnis

Verzeichnis der Abkürzungen und Symbole: Abb.......................................

Abbildung

AfA

.............................

Absetzung für Abnutzung

a.o.

.............................

außerordentlich

BAK

.............................

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

bzw.......................................

beziehungsweise

c

.............................

Residium/Schätzfehler

CAPM

.............................

Capital Asset Pricing Model

CIM

.............................

Computer Integrated Manufacturing

CSB

.............................

Computerunterstützte Sachbearbeitung

DAX

.............................

Deutscher Aktienindex

DV

.............................

(Elektronische) Datenverarbeitung

Ej

.............................

Erwartungswert des Ertrags der Anlagealternative i

EDV

.............................

Elektronische Datenverarbeitung

EE-Steuern..........................

Steuern vom Einkommen und vom Ertrag

EIS

.............................

Executive Information System

EK

.............................

Eigenkapital

EKR

.............................

Eigenkapitalrendite

ERM

.............................

Entity-Relationship-Modell

ES

.............................

Expertensystem

EUS

.............................

Entscheidungsunterstützungssystem

f

.............................

folgende

ff

.............................

fortfolgende

FK

.............................

Fremdkapital

fl. Mittel .............................

flüssige Mittel

F&E

Forschung und Entwicklung

.............................

Abkürzungsverzeichnis

GKR

.............................

Gesamtkapitalrendite

HGB

.............................

Handelsgesetzbuch

h. M......................................

herrschende Meinung

i

.............................

Fremdkapitalzins

I

.............................

Indifferenzkurve

i. d. R...................................

in der Regel

i. e. S....................................

im engeren Sinne

i. w. S...................................

im weiteren Sinne

KfW

.............................

Kreditanstalt für Wiederaufbau

KI

.............................

Künstliche Intelligenz

KNN

.............................

Künstliches neuronales Netz

KOV

.............................

Kovarianz

kurzfr...................................

kurzfristig

kV

.............................

kurzfristige Verbindlichkeiten

KWG

.............................

Kreditwesengesetz

m. E......................................

meines Erachtens

Mio.......................................

Million

MIS

.............................

Mrd......................................

Management-Informationssystem Milliarde

Pi

.............................

Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Umweltzustand i

PC

.............................

Personal Computer

PPS

............................. ............. system

Produktionsplanungs- und Steuerungs-

rjj

.............................

Korrelationskoeffizient

Ri

.............................

Risiko der Anlagealternative i

RMA

.............................

relativer Marktanteil

ROI

.............................

Return on Investment

S.

Seite

19

20

Abkürzungsverzeichnis

Sj

.............................

Standardabweichung

SGE

.............................

strategische Geschäftseinheit

sog.

.............................

sogenannte

TDM

.............................

Tausend DM

u.a.

.............................

unter anderem

U

.............................

Risikonutzen

v.a.

.............................

vor allem

VaR

.............................

Value at Risk

vgl.

.............................

vergleiche

z. B.

.............................

zum Beispiel

p

.............................

Erwartungswert

0

.............................

Standardabweichung

Einleitung

21

A. Einleitung 1.

Einführung in den Problembereich und Forschungsfragen

Das Kreditgeschäft stellt nach wie vor die zentrale Ertragsquelle der bun­ desdeutschen Banken und Sparkassen dar. So entfielen 1994 rd. 82 % der Gesamterträge der Kreditinstitute auf den Zinsüberschuß, ein Großteil dessen resultiert aus dem Firmenkreditgeschäft.1 Diese Betrachtung gibt aber nur die eine Seite der Medaille wieder. Auf der anderen Seite ist fest­ zustellen, daß es sich beim Kreditgeschäft zugleich um einen Hauptrisiko­ träger des Bankgeschäftes handelt. Gerade die jüngste Konjunktur- und Strukturkrise und der damit einhergehende Anstieg der Unternehmens­ insolvenzen zeigten sehr deutlich, daß Krediterträge und Kreditrisiken untrennbar miteinander in Verbindung stehen. Lag die Zahl der fallierten Unternehmen in 1991 noch bei etwa 8.800, rechnet die Hermes-Kredit­ versicherung für das Jahr 1997 mit insgesamt 29.000 Unternehmensinsol­ venzen.2

Die dramatische Zunahme der Kreditrisiken verstärkte den Ruf nach einer Verbesserung der Risikopolitik im Kreditgeschäft erheblich. Wie die Ent­ wicklung der Risikovorsorge in den Bankbilanzen der Jahre 1993 und 1994 eindrucksvoll demonstrierte, reichen die bisher implementierten Systeme zur Analyse der Kreditwürdigkeit kaum aus, um Banken von einem negativen, gesamtwirtschaftlichen Umfeld zu isolieren. Trotz stän­ diger, intensiver Fortentwicklung der Kreditwürdigkeitsprüfung von der wenig strukturierten, subjektiven Beurteilung der Kreditnehmer in der Vergangenheit hin zu hochentwickelten, computergestützten Analyse­ 1

2

Unter den Gesamterträgen sind subsumiert der Zins- und Provisionsüberschuß (DM 133,6 Mrd. bzw. DM 27,3 Mrd.), das Nettoergebnis aus Finanzgeschäften (DM 0,5 Mrd.) sowie der Saldo aus sonstigen betrieblichen Erträgen und Aufwendungen (DM 1,6 Mrd.). Von diesen DM 163 Mrd. entfallen 81,96 % auf den Zinsüberschuß. Vgl. Deutsche Bundesbank (1995), S. 19 ff. Vgl. Handelsblatt (1997).

22

Einleitung

Systemen - zu nennen sind hier u.a. Scoring-Modelle oder Experten­ systeme3 - ging die Rezession an den Banken und Sparkassen nicht spur­ los vorbei.

Für den Verfasser war dies der Anlaß, sich mit neuen Wegen der Risiko­ politik im Kreditgeschäft zu beschäftigen. Ausgangspunkt dieser Überle­ gungen war die Erkenntnis, daß die bisher in der Praxis übliche Kredit­ vergabeprüfung nach langen Jahren der Fortentwicklung zwar von der technischen Seite weitgehend optimiert scheint, von der Ergebnisqualität her bewertet aber letztlich nur zu suboptimalen Ergebnissen bei der Selek­ tion von Kreditnehmern führt. Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, daß neben der Beurteilung der Verhältnisse eines einzelnen Kreditnehmers noch weitere Einflußgrößen auf die Kreditentscheidung bestehen, die aus den übergeordneten Strukturen der Gesamtbank resultieren. Die Kredit­ vergabeentscheidung darf folglich nicht lediglich auf einem isoliert be­ trachteten Neukredit basieren, sondern muß die Gesamtstruktur der Bank simultan berücksichtigen.4 Die daraus entstehenden Diversifikations­ effekte können zu einer Verringerung des Gesamtbankrisikos führen. Es gilt folglich, diese Effekte bei der Kreditentscheidung transparent zu machen und in die Entscheidungsfindung zu integrieren. Während sich portfolio-theoretische Ansätze im Bereich des Anlagemanagements bereits in der Praxis durchgesetzt haben, beschränken sich im Kredit­ geschäft die Ausführungen der bankbetrieblichen Literatur in der Regel auf die Feststellung, daß die Diversifikationseffekte auch dort nicht vernachlässigt werden dürfen. Empirische Untersuchungen oder grund­ legende theoretische Arbeiten zu diesem wichtigen Instrument der Risikopolitik existieren aber nur ansatzweise.5 Die Hauptursache für diese Feststellung ist ein erhebliches Datenbeschaf­ fungsproblem, das eine einfache Adaption der Forschungsergebnisse der Modernen Portfolio Theorie auf das Kreditgeschäft erschwert.6 In den portfolio-theoretischen Ansätzen wird dieser zentrale Problembereich zumeist ausgeklammert und als eine dem Modell vorgelagerte Frage­

3 4 5 6

Diese Begriffe werden im Laufe der Arbeit noch näher spezifiziert. Vgl. McClave, N. (1996), S. 16. Vgl. Döhring, J. (1996), S. 241. Vgl. Dorka, J. (1990), S. 177.

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Stellung angesehen, die es an anderer Stelle zu lösen gilt.7 Bösl stellt in diesem Zusammenhang fest: „Obwohl für die theoretisch sachgerechte Vorgehensweise die erforderliche Informationsbasis sowie die operatio­ nale und kontrollfähige Handhabung nicht gegeben sind und auch nicht erreichbar erscheinen, wäre es verfehlt, auf die Ableitung einer Gesamt­ risikogröße zu verzichten. Vielmehr erwächst aus diesen Mängeln die Notwendigkeit und Rechtfertigung, sich pragmatischen Konzepten zuzu­ wenden.“8 Diesem Thema nimmt sich die Arbeit aus der Sicht eines Spezialkredit­ instituts an, das sich auf die Gewährung langfristiger Kredite an mittel­ ständische Unternehmen ausgerichtet hat. Gemäß dem Grundsatz II des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen wird dabei unterstellt, daß die Refinanzierung dieser langfristigen Aktiva fristen- und währungskongru­ ent erfolgt. Fragen der Fristentransformation und des Aktiv-Passiv-Mana­ gements besitzen deshalb für die weitere Betrachtung eine untergeordnete Bedeutung.9 Aus diesem speziellen Blickwinkel sollen die Methoden des Kreditrisikomanagements bewertet und in ein Risikosteuerungssystem integriert werden. Dem Trend zur Dezentralisierung folgend unterstützt das Modell eine dezentrale Kreditentscheidungspolitik, innerhalb derer zentrale Strukturdaten der Bank simultan berücksichtigt werden sollen. 10 Da dieses Vorgehen auf manuellem Wege schnell an komplexitätsbe­ dingte Grenzen stößt, wäre der Ansatz ohne eine geeignete Unterstützung von Seiten der Datenverarbeitung nicht umsetzbar. H Damit verbunden sind einerseits zugleich Produktivitätssteigerungseffekte, da der Kredit­ bearbeiter von Routinetätigkeiten entlastet wird, andererseits können auch durch sinkende Risikokosten und eine erhöhte Ressourcenverfügbarkeit für die Marktbearbeitung Wettbewerbsvorteile erzielt werden. 7 8 9

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Vgl. Bösl, K. (1993), S. 61. Bösl, K. (1993), S. 62. Das Aktiv-Passiv-Management legt sein Hauptaugenmerk auf die Steuerung des Zinsänderungsrisikos. Die Ausbalancierung des Kreditrisikos gehört nicht zu seinen engeren Kernaufgaben. Vgl. Penthor, J. (1995), S. 23 f. Üblicherweise erfordert ein Portfolio-Optimierungsansatz eine zentrale Entschei­ dungsorganisation, da nur dort die relevanten Daten vorliegen. Vgl. Bennett, P. (1984), S. 167. Mit den Möglichkeiten der Datenverarbeitung soll versucht werden, auch dezentral eine Portfolio-orientierte Kreditentscheidungspolitik zu implemen­ tieren. Vgl. Fabris, G. (1994), S. 44.

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Das Ergebnis dieser Überlegungen ist die Entwicklung eines normativen Ansatzes zu einem aktiven, dezentralen Portfolio-Management im Kredit­ geschäft, der in ein EDV-basiertes System zur gesamtbankorientierten Kreditentscheidung mündet.12 Die Hauptanforderung an dieses Modell ist, daß es das oben genannte Datenbeschaffungsproblem löst und somit weniger einen auf die Theorie beschränkten Lösungsansatz, sondern eine praxisnahe Entscheidungshilfe darstellt. Das besondere Augenmerk bei der Systementwicklung liegt deshalb darauf, möglichst wenig zusätzlichen Datenbeschaffungsaufwand hervorzurufen.

Zusammenfassend beschäftigt sich die Arbeit im wesentlichen mit drei, aufeinander aufbauenden Forschungsfragen: 1. Welche Möglichkeiten zur Risikoanalyse und -Steuerung bestehen bis­ lang im Rahmen der traditionellen, einzelkreditorientierten Kreditwür­ digkeitsprüfung und wo bestehen Ansatzpunkte für Verbesserungen? 2. Wie muß die Integration der Kreditwürdigkeitsprüfung in die Gesamt­ bankplanung und -Steuerung konzeptionell ausgestaltet werden, um ein effizientes, dezentrales Kreditmanagement bei gleichzeitiger Minimie­ rung des Datenbedarfs zu implementieren?

3. Wie kann diese integrierte Kreditbeurteilung durch den Einsatz geeig­ neter Verfahren der Datenverarbeitung praktikabel gemacht werden?

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Konzeption und der Umsetzung der integrierten Kreditprüfung und somit auf den Forschungsfragen 2 und 3. Die Forschungsfrage 1 beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der heute gebräuchlichen Kreditentscheidungsverfahren. Diese Fragestellung besitzt allerdings eine besondere Relevanz für die darauf aufbauenden Forschungsfragen 2 und 3, da sie die Datenbasis für die Inte­ gration in die Gesamtbankplanung bereitstellt. Je aussagefähiger die Kre­ ditwürdigkeitsprüfung die erforderlichen Daten generiert, desto besser werden die Ergebnisse der Kreditportefeuille-Optimierung. Vor diesem Hintergrund muß die Kreditwürdigkeitsprüfung als integraler Bestandteil dieser Arbeit betrachtet werden.

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Dieses interred (/n/egriertes Kreditprüfungssystem) genannte System soll es dem Kreditinstitut erlauben, trotz dezentraler Kreditentscheidungspraxis die (zentralen) Portefeuille-Effekte im Fokus zu behalten.

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Es soll dabei aber vom Versuch abgesehen werden, ein Totalplanungsund Steuerungssystem für die Gesamtbank zu entwickeln, das bei der kaum überschaubaren Zahl von interdependenten Einflußgrößen ein nicht mehr handhabbares Modell wäre. So sind die Fragen der Ressourcenver­ teilung oder der Aktiv-Passiv-Steuerung der Bank bewußt ausgeklam­ mert; die Betrachtung fokussiert sich primär auf die Fragen der Risiko­ politik. Hintergrund für diese Einschränkung ist zunächst die fristenkon­ gruente Refinanzierung, die die Passivseite der Bankbilanz den Entschei­ dungen auf der Aktivseite zwingend unterordnet. Andererseits zielt die Arbeit darauf, einen operativen Entscheidungskontext zu unterstützen, der sich primär auf das Risiko einer singulären Kreditentscheidung sowie deren Einfluß auf das Gesamtbankrisiko konzentriert. Indirekte Einfluß­ größen, wie z. B. die Ressourcenausstattung der Bank hinsichtlich Mitar­ beiter, Refinanzierung und Eigenkapital, besitzen für Risikopolitik eine untergeordnete Bedeutung. Ihre Berücksichtigung in einem Entschei­ dungsmodell würde somit keinen positiven Effekt auf die Risikopolitik bewirken, das Modell aber erheblich verkomplizieren.

In diese Arbeit konnte der Verfasser seine bisherigen Erfahrungen ein­ fließen lassen, deren Beginn ein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Bankbetriebslehre, Investition und Finanzierung und Wirtschaftsinformatik war. Diese drei Themenblöcke bildeten in ihrer Kombination eine ideale Ausgangsbasis, um den Bogen von den Grund­ lagen des Kreditgeschäfts über die finanzwirtschaftliche Finanzierungs­ theorie hin zur praxisbezogenen, anwendungsorientierten EDV-Umsetzung betriebswirtschaftlicher Problemlösungen zu spannen. Nach Ab­ schluß des Studiums folgte eine zweijährige Ausbildungsphase im Fir­ menkreditgeschäft eines Kreditinstituts, in der sich der Verfasser mit der realen Kreditentscheidungspraxis vertraut machen konnte. Die enge Ver­ knüpfung von Einzelentscheidungen mit den übergeordneten Gesamt­ bankstrukturen und -zielen lernte der Verfassern anschließend in einer Stabsposition kennen. Als Assistent des Vorstandssprechers ermöglichten sich detaillierte Einblicke in die Steuerung einer Bank auf der Makro­ ebene. Nach zweieinhalb Jahren in dieser interessanten Position erfolgte im Laufe des Jahres 1995 die Rückkehr in das operative Kreditgeschäft. Die vorliegende Arbeit entstand in einem generischen Prozeß parallel zur beruflichen Tätigkeit über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Da stets

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berufliche Erfahrungen in die Thematik eingebracht werden konnten, folgte diese Dissertation dem dargestellten Entwicklungsprozeß des Ver­ fassers. So wurden die Erfahrungen eines praxisorientierten Studiums und einer theoriebegleiteten Bankpraxis in der Art und Weise kombiniert, daß ein theoretisch exaktes, aber in der Praxis kaum anwendbares Steuerungs­ system zu einem pragmatischen Ansatz des Risikomanagements fortent­ wickelt wurde. Wie sich im Zeitverlauf zeigte, hatte das gewählte Thema den unschätz­ baren Vorteil, daß es nie an Relevanz verlor, sondern angesichts von Kon­ junkturzyklus zu Konjunkturzyklus ansteigender Insolvenzzahlen stets an Bedeutung gewann. Wie der Verfasser aus der praktischen Projektarbeit im eigenen Bankinstitut und aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Mitarbeitern der Risikosteuerung anderer Banken und Sparkassen weiß, gibt es zur Zeit noch nahezu keine implementierten Systeme, die eine Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Neukredits unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Gesamtbankebene ermöglichen. Der Zweck der bislang in der Praxis gebräuchlichen Instrumente dient lediglich der Port­ folio-Segmentierung in einzelne Risikoklassen, wie z.B. Branchen- oder Länderrisiken, weniger aber dem aktiven Portfolio-Management durch eine integrierte, simultane Berücksichtigung von Mikro- und Makro­ größen.

Angesichts der zahlreichen Freiräume, über die ich für meine Forschungs­ arbeit verfügen durfte, bin ich meinem Arbeitgeber, der IKB Deutsche Industriebank AG, zu großem Dank verpflichtet. Zu nennen ist hier insbe­ sondere die Unterstützung durch Herrn Dr. Alexander von Tippelskirch, der mir als Sprecher des Vorstands und zeitweise direkter Chef über so manches technische oder materielle Problem hinweghalf. Herrn Dr. Klaus Eisele, Leiter der Niederlassung Baden-Württemberg, bin ich aus glei­ chem Grund zu Dank verpflichtet; hervorzuheben sind die intensiven, lehrreichen und zugleich hartnäckigen Diskussionsbeiträge über das ge­ samte Gebiet des Bankgeschäftes aus theoretischer und praktischer Sicht. Die Erkenntnis, daß auch das Korrekturlesen einer Dissertation zu einer gelegentlich heftigen Diskussion über Inhalte und Formalien führen kann, die letztlich der weiteren Abrundung dient, verdanke ich meiner Lebens­ gefährtin sowie meinem alten Schulfreund und Kommilitonen, Herrn dipl. oec. Dieter Dolinsky. Beide haben das Bankwesen lange Jahre sowohl in

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der akademischen Theorie wie auch in der Kreditpraxis sehr detailliert kennengelernt und konnten mit Ihrem Rat manche Verbesserung bewir­ ken.

Daß die Implementierung eines normativen Ansatzes dazu führt, die Pro­ bleme der praktischen Anwendung deutlich zu machen, wurde dem Ver­ fasser bei der Umsetzung des INTEKRED-Ansatzes immer wieder vor Augen geführt. Dieses hatte zur Folge, daß sowohl das normative Modell wie auch das EDV-System in einem Regelkreis einer ständigen Optimie­ rung unterlagen. Die Erfahrungen bei der EDV-technischen Umsetzung selbst auf Basis der gewählten Entwicklungsumgebung - dem DatenbankManagementsystem MS Access - zeigten sich ambivalent. Ein Großteil des Systems konnte sehr benutzerfreundlich über die von Access bereit­ gestellten, mächtigen Entwurfs-Assistenten bearbeitet werden. Bei der darüber hinaus gehenden Programmierung bin ich einem Access-Spezialisten, Herrn Dipl. oec. Michael Reb, zu Dank verpflichtet, der mir bis in die frühen Morgenstunden geduldig über so manches Programmier­ problem hinweg half. Mein besonderer Dank gilt dem gesamten Lehrstuhl für Wirtschaftsinfor­ matik der Universität Hohenheim und insbesondere meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Helmut Krcmar, für die wissenschaftliche Betreuung der Arbeit. Ebenso bedanken möchte ich mich bei Prof. Dr. Johann Heinrich von Stein für die Erstellung des Zweitgutachtens und die Aufnahme des Werkes in die von ihm herausgegebene Studienreihe der Stiftung Kredit­ wirtschaft der Universität Hohenheim.

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2.

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Aufbau der Arbeit

Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an den zu klärenden Forschungs­ fragen. Sie ist folglich in drei aufeinander aufbauende Teile gegliedert, die grundsätzlich so strukturiert sind, daß zuerst die entsprechenden Zusam­ menhänge geschlossen dargestellt werden, um sie dann in einer kritischen Würdigung zu bewerten. Zu Beginn werden im nächsten Kapitel die grundlegenden Verfahren der Kreditprüfung bei mittelständischen Unternehmen vorgestellt. Wie sich zeigen wird, ist eine der Hauptur­ sachen von Unternehmensschieflagen in der Qualifikation und Motivation der Unternehmensleitung zu finden. Ein Schwerpunkt der Betrachtung wird somit bei der Unternehmerbeurteilung liegen. Da aber mit ihr allein kein abschließendes Urteil über die Bonität eines Unternehmens getroffen werden kann, werden ergänzend die quantitativen Verfahren der Kredit­ würdigkeit besprochen. Sie basieren auf dem Rechenwerk des Unterneh­ mens und sind so einer computergestützten Auswertung einfach zugäng­ lich. Zugleich wird die Analyse des Jahresabschlusses den Banken in § 18 KWG gesetzlich vorgeschrieben. Weitere Verfahren, wie z. B. die Beur­ teilung der Kapitalflußrechnung, des Finanzplans oder der Kontoführung runden diesen Themenbereich ab.

Die Rückzahlung eines an ein Unternehmen eingeräumten Kredites muß im Regelfall aus den am Markt erzielten Erlösen erfolgen. Die Kreditprü­ fung hat folglich festzustellen, ob dieses mit der künftig zu erwartenden Unternehmensentwicklung möglich ist. Nachdem die quantitativen Ver­ fahren in erster Linie die Vergangenheit betrachten, liegt es nahe, sich mit den zukunftsbestimmenden Einflußfaktoren zu beschäftigen. Diesem Zweck dient die Betrachtung der Kreditverwendung und insbesondere des Produkt-Markt-Konzeptes, das das Produktionsprogramm, die Branchen­ entwicklung, die Wettbewerbssituation, den technologischen Stand und die Organisation des Unternehmens umfaßt. Als Ergebnis dieser ersten Forschungsfrage wird zu einem festgestellt, daß ein Urteil über die Kreditwürdigkeit nicht allein auf Basis von Einzel­ informationen getroffen werden darf, sondern nach dem Prinzip der Zusammenschau aus einer Vielzahl von Kriterien abgeleitet werden muß. Zum anderen bestehen neben der individuellen Bonität des Kreditnehmers

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weitere Einflußgrößen auf die Kreditentscheidung, die sich aus den über­ geordneten Strukturen der Bank ergeben. Der erste Hauptteil stellt somit ein unverzichtbares Fundament für die weiterführenden Betrachtungen dar. Der Zusammenhang zwischen der Einzelkreditprüfung und der Gesamt­ bankplanung ist der Schwerpunkt der zweiten Forschungsfrage. Ausge­ hend von einer grundlegenden Betrachtung des bankbetrieblichen Ziel­ systems werden die Verfahren der Planung und des Controllings allge­ mein dargestellt. Vom Kreditcontrolling folgt die Überleitung zum bank­ betrieblichen Risikomanagement. Hier werden die Risikoarten im Bank­ geschäft analysiert und ein Katalog korrespondierender risikopolitischer Maßnahmen besprochen. Eine exponierte Stellung besitzt dabei das Kre­ ditportefeuille-Management, das durch die gezielte Diversifikation der Kreditvergabe ein wichtiges Instrument des Risikocontrollings darstellt. Hier werden zwei aufeinander aufbauende, ursprünglich aus dem Wert­ papiergeschäft stammende Modelle zum Portfolio-Management näher analysiert und mit dem Value at Risk-Ansatz ein konkretes Modell besprochen. Das Ergebnis dieses zweiten Hauptteils ist die Zusammen­ führung der bisherigen Erkenntnisse zu einem integrierten Kreditrisi­ komanagementsystem der Bank, das eine simultane Berücksichtigung der Gesamtbankeinflüsse bei dezentral erfolgenden Kreditentscheidungen ermöglicht.

Dieses INTERRED (/ntegriertes Kret/itprüfungssystem) genannte Modell gestattet zunächst eine herkömmliche, computergestützte Kreditent­ scheidung, mit der zugleich die Eingangsdaten für das Portfolio-Manage­ ment bereitgestellt werden. Zur Steuerung des Kreditportefeuilles müssen daneben die Beziehungen zwischen den einzelnen Krediten bekannt sein. Diese werden in einem zweistufigen Verfahren aus der Korrelation der Brancheninsolvenzen sowie aus der Korrelation zwischen den einzelnen Unternehmensbonitäten abgeleitet. Die Nutzung der Korrelationseffekte ist dann die Basis für ein effizientes, aktives Portfolio-Management im Kreditgeschäft. Das Hauptziel der zweiten Forschungsfrage ist es, den Informationsbeschaffungsaufwand zu minimieren und im wesentlichen auf die bestehenden Datenbeständen der Bank zurückzugreifen. Die dritte Forschungsfrage hat zum Inhalt, den modelltheoretischen Ent­ wurf des INTEKRED-Systems in ein ablauffähiges und damit anwendbares

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Einleitung

EDV-Programm umzusetzen. Hierzu wird zuerst ein Überblick über die EDV-basierte Unterstützung betriebswirtschaftlicher Entscheidungspro­ bleme gegeben und dazu Informations-, Entscheidungsunterstützungsund Expertensysteme näher dargestellt. Auf dieser Vorbetrachtung aufbauend wird dann der INTEKRED-Prototyp mit Hilfe der Methoden des Software-Engineerings entwickelt. Als Entwicklungswerkzeug für den Prototypen-Bau dient das Datenbanksystem MS Access. Anhand eines Fallbeispiels wird eine beispielhafte Kreditprüfung durchgeführt und der Systemaufbau und -ablauf erläutert. Abschließend erfolgt eine Evaluierung des Prototyps und ein Vergleich mit anderen PortfolioManagementansätzen im Kreditgeschäft.

Den Schluß dieser Arbeit bildet ein zusammenfassender Ausblick, der ein Resümee über die gewonnenen Erkenntnisse zieht und Anforderungen für eine praktische Anwendung des INTEKRED-Systems nennt.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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B. Die Einzelkreditprüfung: Analyse der Bonität eines mittelständischen Kreditnehmers 1.

Überblick und Bedeutung

Mit der Einräumung eines Kredites, unter der im folgenden die entgelt­ liche Überlassung eines Vermögensgegenstandes auf Zeit verstanden wird, ist die Verpflichtung des Kreditnehmers verbunden, diesen Gegenstand, bei dem es sich zumeist um einen Geldbetrag handelt, vereinbarungsgemäß zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Frist an den Kreditgeber zurückzugeben.1 Während der Kreditnehmer schon heute über den Kreditbetrag verfügen kann, liegt die Rückführung des Kredites in der Zukunft; der Kreditgeber übernimmt also mit jeder Kreditgewährung ein Termin- und Ausfallrisiko (Bonitäts­ risiko) für möglicherweise ausbleibende Zins- und Tilgungsleistungen des Kreditnehmers. Wie das Wortes 'credere' (lat. glauben, vertrauen) bereits andeutet, stellt das Vertrauen des Kreditgebers in die planmäßige Rückzahlung des Kredites durch den Kreditnehmer den zentralen Punkt des Kreditverhältnisses dar.2 Um das Risiko aus einer Kreditgewährung zu begrenzen, muß das Kredit­ institut bestrebt sein, durch eine geeignete Auswahl seiner Kreditnehmer den vereinbarten Ablauf des Kreditverhältnisses sicherzustellen. Dies ist vor dem Hintergrund der Refinanzierungsstruktur der Kreditinstitute von besonderer Bedeutung. So wird die Aktivseite der Bankbilanz zu rund 90 % durch Einlagen, Anleihen oder Schuldverschreibungen und, aufgrund

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Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 198. Zu beachten ist allerdings, daß Kredite im Sinne einer Rentenschuld auch auf unbestimmte Zeit herausgelegt werden können (sog. perpetuals). Vgl. Binkowski, P./Beeck, H. (1989), S. 11. Von diesem Sonderfall soll im folgenden abgesehen werden. Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 91.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

der spezifisch niedrigen Eigenkapitalquote der Banken und Sparkassen, nur zu einem geringen Teil durch Eigenmittel refinanziert.3 Kreditausfälle können somit nur in engen Grenzen durch die Inanspruchnahme des Eigenkapitals abgedeckt werden.4 Strenge Maßstäbe bei der Selektion von potentiellen Kreditnehmern stellen deshalb keine Willkür, sondern ober­ stes Gebot auch im Sinne des Einlegerschutzes dar.

Es kann dabei aber weder im Interesse der Banken noch der Volkswirt­ schaft sein, Kredite nur an Adressen erster Bonität unter Begebung erst­ klassiger Sicherheiten herauszulegen. Wäre dies oberste Maxime der Kre­ ditpolitik, blieben weite Teile des kreditwirtschaftlichen Finanzierungs­ volumens ungenutzt und die Banken würden ihrer Risikotransformations­ funktion zwischen Anlegern auf der Passivseite und Kreditnehmern auf der Aktivseite der Bankbilanz nicht gerecht.5 Bankgeschäfte, insbesondere das Kreditgeschäft, sind somit 'Geschäfte mit dem Risiko'. Da sich Ertragschancen und Risiken gegenseitig bedingen, kann eine absolute Risikovermeidung nicht im Interesse der Kreditpolitik der Banken sein.6 Ziel der Kreditinstitute muß es vor diesem Hintergrund vielmehr sein, das aus einem Kreditgeschäft resultierende Risiko zu erkennen und auf seine Tragfähigkeit hin zu bewerten. Unterstellt man den Kreditinstituten das unternehmerische Oberziel der Gewinnopti­ mierung7, muß deren kreditpolitische Strategie als Optimierungsproblem zwischen vorsichtiger und risikofreudiger Kreditvergabe gesehen werden. Die Bonitätsanforderungen der Bank müssen dabei so definiert werden, daß die Differenz aus dem Ertrag des Kreditgeschäfts und den

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Vgl. Seipp, W. (1984), S. 87. Neben den genannten Refinanzierungsquellen spielen im langfristigen Firmenkreditgeschäft insbesondere auch zweckgebundene öffent­ liche Fördermittel, wie z.B. der Kreditanstalt für Wiederaufbau, eine wichtige Rolle. Anzumerken ist, daß im Rahmen der EG-Bankpolitik die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute in Anlehnung an die Empfehlungen der sog. Cooke-Komission auf 8 % der risikobehafteten Aktiva erhöht wurde. Vgl. Arnold, W. (1990), S. 668 f. Vgl. von Stein, J. H./Kirschner, M. (1988), S.308. Vgl. Baecker, Dirk (1992), S. 244. Das Ziel einer absoluten Risikovermeidung würde de facto dazu führen, überhaupt kein Kreditgeschäft mehr zu betreiben, da ein Ausfallrisiko insbesondere im langfristigen Kreditgeschäft auch bei sogenannten „ersten Adressen“ nie völlig ausgeschlossen werden kann. Zum bankbetrieblichen Zielsystem vgl. Kapitel C.2.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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Wertberichtigungen auf notleidende Kredite, also der Nettoertrag nach Risikokosten, maximiert wird.8

Wie die geschilderten Problembereiche belegen, stellt die Selektion der Kreditnehmer ein Entscheidungsproblem von zentraler Bedeutung für den Bankbetrieb dar. Für die im folgenden geplante Entwicklung eines Kredit­ prüfungssystems, das sowohl die Bonität des einzelnen Kreditnehmers wie auch die Risikostrukturen des Kreditportefeuilles bewertet, stellt die einzelkreditbezogene Beurteilung der Bonität eine notwendige Bedingung dar. Die dazu entwickelten Verfahren der Analyse und Bewertung des Kreditrisikos, im folgenden unter dem Begriff der 'Kreditprüfung' sub­ sumiert, sollen deshalb im Rahmen der ersten Forschungsfrage dargestellt werden. Die Kreditprüfung umfaßt zum einen die auf die rechtlichen Anforderungen des Kreditgeschäftes abzielende Kreditfähigkeitsprüfung, zum anderen die an den wirtschaftlichen und persönlichen Eigenschaften des Kreditnehmers orientierte Kreditwürdigkeitsprüfung. Die Kreditfähigkeit ist unbedingte Voraussetzung für das rechtlich wirk­ same Zustandekommen eines Kreditverhältnisses. Sie beruht auf der Fähigkeit, rechtsgültige Kreditgeschäfte abschließen zu können und "... insbesondere für die aus dem Kreditgeschäft entstehenden Verpflichtun­ gen gegenüber dem Kreditinstitut rechtswirksam zu haften."9 Fehlt einem Kreditnehmer diese Eigenschaft, wäre dies für das Kreditinstitut mit schwerwiegenden Problemen bei der Rückforderung der herausgelegten Kredite verbunden. Aus dieser Problematik leitet sich ein grundlegendes Interesse seitens des kreditgebenden Institutes an der Prüfung der Kredit­ fähigkeit her. Während bei natürlichen Personen die Kreditfähigkeit an die Geschäftsfähigkeit geknüpft ist, muß bei juristischen Personen

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Vgl. Weibel, P. F. (1978), S. 17 f. Je höher dabei die Bonitätsanforderungen der Bank definiert sind, desto geringer wird die Zahl der 'schlechten Risiken'. Dadurch sinken zwar die in Kauf zu nehmenden Wertberichtigungen, zugleich steigt aber die Anzahl der an die Konkurrenz verlorenen 'guten' Risiken an. Das risikopolitische Optimum eines Kreditinstitutes liegt folglich dort, wo die Summe der Erträge abzüg­ lich der dabei zu verzeichnenden Risikokosten maximiert wird. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß oftmals eine enge Korrelation zwischen Bonität und Marge besteht, die steigende Risiken mit höheren Margen kompensiert. Vgl. kritisch zu die­ ser sog. Risikoabgeltungsthese Büschgen, H. E. (1991), S. 724 f, bzw. Kapitel C.4.3. zu Risikomanagement und risikopolitischen Maßnahmen. Von Stein, J. H./Kirschner, M. (1988), S. 304.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

insbesondere die Vertretungsbefugnis (Legitimation) der Verhandlungs­ partner geprüft werden, die aus der Vorlage von Handelsregisterauszügen, Satzungen oder Gesellschaftsverträgen ersichtlich ist.10

Aufgrund der relativ einfachen Zugänglichkeit und der weitgehenden Ein­ deutigkeit dieser Informationsquellen handelt es sich bei der Prüfung der Kreditfähigkeit aber für die Kreditinstitute um kein wesentliches Ent­ scheidungsproblem. Die Kreditfähigkeitsprüfung stellt zudem nur eine notwendige, keineswegs hinreichende Bedingung für eine Kreditvergabe dar. Wesentlich anspruchsvoller für das Kreditinstitut und von elemen­ tarer Bedeutung für die Beurteilung des Risikogehalts eines Engagements ist die im Anschluß zu untersuchende Frage der Kreditwürdigkeit.

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Vgl. Geiger, H. (1988), S. 231.

Kreditwürdigkeitsprüfung

2.

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Die Prüfung der Kreditwürdigkeit

2.1. Überblick und Begriffsabgrenzung Während sich die Kreditfähigkeitsprüfung mit den rechtlichen Voraus­ setzungen des wirksamen Entstehens eines Kreditverhältnisses befaßt, stellt die Kreditwürdigkeitsprüfung auf die Wahrscheinlichkeit der verein­ barungsgemäßen Rückzahlung des Kreditbetrages samt der Zinsen ab; ihre Aufgabe ist somit die Abschätzung des Kreditrisikos.1 Die Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers beruht dabei "... auf dem (mehr oder weniger) begründeten Vertrauen des Kreditgebers in dessen Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, die Verpflichtungen aus einem Kreditgeschäft zu erfüllen ..."2, wobei sich dieses Vertrauen sowohl auf die persönlichen Eigenschaften als auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des künftigen Kreditnehmers gleichermaßen bezieht. Berücksichtigt man, daß sich diese Eigenschaften während der Kreditlaufzeit dynamisch verändern können, wird deutlich, daß die Kreditwürdigkeitsprüfung keine einmalige, statische Untersuchung, sondern ein permanenter Prozeß sein muß.3

Im folgenden sollen die wesentlichen Verfahren der Kreditwürdigkeits­ prüfung im Firmenkreditgeschäft erörtert werden, wobei der Schwer­ punkt der Betrachtung einerseits auf der mit besonders hohen Bonitäts­ anforderungen einhergehenden langfristigen Kreditvergabe und anderer­ seits auf mittelständischen Unternehmen als Kreditnehmer liegen wird. Als langfristig sollen Kredite mit einer Laufzeit von mehr als vier Jahren angesehen werden, wobei der Schwerpunkt des klassischen Langfrist­

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Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 199. Von Stein, J. H./Kirschner, M. (1988), S. 306 f. Wie diese Definition bereits durch den in Klammern gesetzten Einschub andeutet, kann das reine Vertrauen für eine Kreditvergabe nicht ausreichen. Es gilt, diesen subjektiven Eindruck mit den Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung zu objektivieren. Vgl. Hauschildt, J. (1981), S. 81. Dieser sich ständig wiederholende Prozeß wird oft­ mals mit dem Begriff Kreditüberwachung umschrieben. Vgl. hierzu Wittgen, R. (1970), S. 60 f.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

kredites bei Laufzeiten von rund zehn Jahren zu finden ist.4 Langfristig gewährte Kredite5 stellen an die Bonitätsanalyse besonders hohe Anforde­ rungen, muß doch bedacht werden, daß sich das Kreditinstitut für einen längeren Zeitraum an einen Kredit bzw. an einen Kreditnehmer bindet und so seinen künftigen Handlungsspielraum einschränkt. Da die Wirt­ schaftstätigkeit bekanntlich zyklischen Konjunkturschwankungen unter­ liegt, wird der Kredit während seiner Laufzeit zwangsläufig auch eine Phase schwächerer gesamtwirtschaftlicher Entwicklung durchlaufen, was die Gewährung langfristiger Kredite mit einer besonderen Risikosituation konfrontiert. Zudem gewinnen mit der Fristigkeit einer Kreditgewährung strukturelle Veränderungen innerhalb einer Volkswirtschaft an Bedeu­ tung.6

In der Literatur finden sich vielfältige Definitionsmöglichkeiten des Be­ griffes Mittelstand, wobei eine allgemein gültige Definition angesichts des breit gefächerten Erscheinungsbildes des Mittelstandes sich nur sehr schwer aufstellen läßt.7 Für die Zwecke dieser Arbeit soll die Abgrenzung der mittelständischen Unternehmen pragmatisch am Umsatz orientiert und mit einer Bandbreite von DM 10 Mio. bis zu DM 1 Mrd. bewußt weit gefaßt werden.8 Mittelständische Unternehmen besitzen aufgrund ihrer 4

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Vgl. § 285 Nr. l.a.) HGB. Der langfristige Unternehmenskredit ist einer der jüngeren Geschäftszweige der Banken. Seine systematische Entwicklung begann in Deutschland erst im Jahr 1931, als die Bank für Industrie-Obligationen, die Rechtsvorgängerin der heutigen IKB Deutsche Industriebank AG, mit dem Industriebankgesetz aufgefordert wurde, einen Markt für langfristige Unter­ nehmenskredite zu schaffen. Vgl. Krüger, W. (1988), S. 259. Bei der Kreditlaufzeit ist zu unterscheiden zwischen vertraglich vereinbarter und tat­ sächlicher Laufzeit. So ist zu beobachten, daß insbesondere die formal kurzfristig eingeräumten Betriebsmittelkredite im Regelfall faktisch langfristig gewährt werden. Allgemein kann gefolgert werden, daß Kredite zur Finanzierung der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit trotz kurzer vertraglicher Bindung de facto tendenziell langfristi­ gen Charakter besitzen. Vgl. hierzu Rösler, P. (1989), S. 97 f. sowie Corpora, L. P. (1992), S. 47. In dieser Arbeit soll unter der Kreditlaufzeit aber die vertraglich ver­ einbarte Laufzeit verstanden werden. Vgl. Heim, E. (1984), S. 660. Diese Aussage fand gerade in der jüngsten Rezession wieder eine eindrucksvolle Bestätigung. Vgl. Viehoff, F. (1978), S. 45 ff., sowie u.a. Zimmermann, J. (1981), S. 17 ff. Die Abgrenzung des Begriffes ’Mittelstand' soll hier in Anlehnung an die Förder­ praxis der Kreditanstalt für Wiederaufbau erfolgen, die in ihrem Mittelstands­ programm eine Umsatzgrenze von DM 1 Mrd. zieht. Obgleich diese Abgrenzung allein über den Umsatz unternehmens- und branchenspezifische Aspekte außer acht

Kreditwürdigkeitsprüfung

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Größe wesentlich eingeschränktere Möglichkeiten, durch die Emission von Anleihen oder über ein going public zu einer vom Publikum direkt bereitgestellten, langfristigen Eigen- oder Fremdfinanzierung zu gelan­ gen; das klassische Kreditgeschäft spielt bei der Kapitalbedarfsdeckung folglich eine besonders wichtige Rolle.9 Im Zeichen des gestiegenen Wettbewerbs im Kreditgewerbe seit Mitte der siebziger Jahre hat sich eine Entwicklung vom Verkäufer- hin zum Käu­ fermarkt bankbetrieblicher Leistungen ergeben10, die mit dem Begriff 'over-banked' beschrieben werden kann. Vor diesem Hintergrund war eine verstärkte Ausrichtung der Banken und Sparkassen auf den gewerblichen Mittelstand zu verzeichnen, da hier häufig noch auskömmlichere Margen als bei den Großkunden vermutet wurden. Dieser Ertragsvorteil bleibt aber nur dann nachhaltig bestehen, wenn er nicht wieder durch Ausfälle notleidender Kredite kompensiert wird.11

Für die Kreditinstitute besteht daher in Anbetracht der Vielzahl und der Bedeutung der Kreditrisiken die Notwendigkeit einer eingehenden Boni­ tätsanalyse, um zu verhindern, daß sich Kreditausfälle auf die Ertragslage oder gar auf die Existenz des Institutes auswirken können. Dieser Aspekt gewinnt angesichts der zunehmenden Kundenorientierung und der ver­ stärkten Marketingbemühungen der Kreditinstitute fortlaufend an Bedeu­ tung.12 Selbst wenn direkte Auswirkungen auf das Institut kompensiert werden können, zeigt sich doch häufig, daß das Ansehen der Bank bei größeren Ausfällen deutlichen Schaden leidet. Fälle der noch jüngeren Vergangenheit wie die Diskussion im Rahmen der Sanierung der Metall­ gesellschaft oder nach dem Konkurs der Schneider-Gruppe seien hier nur beispielhaft angeführt.

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läßt, besitzt sie den Vorteil der Prägnanz und der Praktikabilität. Vgl. Kreditanstalt für Wiederaufbau, Schreiben betreffend der Antragsberechtigung im KfW-Mittelstandsprogramm vom 27.05.1991, sowie Antragskriterien KfW-Mittelstandsprogramm, Stand 5/91. Vgl. Moraw, D.-J. (1990), S. 621. Vgl. Büschgen, H. E. (1991), S. 21. Vgl. Nahlik, W. (1989), S. 628. Die forcierten Anstrengungen der Kreditinstitute, Marktanteile zu erobern, erfordern auf der anderen Seite effiziente Instrumente der Risikosteuerung. Vgl. Krämer, H. P.(1981), S. 21 f.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

Als wesentliche Risikobereiche des langfristigen Kreditgeschäftes mit mittelständischen Kreditnehmern können u.a. angeführt werden:

□ die ständige Verringerung des Risikopolsters 'Eigenkapital' ausgehend von einem ohnehin niedrigen Niveau, was zu einer zunehmenden Übernahme des unternehmerischen Risikos durch die Kreditinstitute führt.

□ die hohen Insolvenzziffern, insbesondere in Zeiten rückläufiger Kon­ junkturentwicklung. 13 □ die mangelnde Ertragskraft vieler Unternehmen in Verbindung mit ei­ ner hohen Steuerbelastung für im Unternehmen belassene Eigenmittel. □ Schwächen in der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung, ins­ besondere in kleineren mittelständischen Unternehmen.!4

□ die Tendenz zu haftungsbeschränkenden Rechtsformen mit verringer­ ten Besicherungsmöglichkeiten der Banken.15

Sicherheiten spielen bei der Kreditvergabe eine wichtige Rolle, da sie es erlauben, unbefriedigende wirtschaftliche Verhältnisse eines Unterneh­ mens durch die verstärkte Hereinnahme von werthaltigen Sicherheiten zu kompensieren.!6 Insbesondere das langfristige Kreditgeschäft, wo die Bonität eines Kreditnehmers über einen Zeitraum von mehreren Jahren treffsicher bestimmt werden muß, ist üblicherweise mit der Stellung von Sicherheiten verbunden. Die Hauptaufgabe der Kreditwürdigkeitsprüfung ist in der Früherkennung von Kreditrisiken zu sehen, wodurch ein Kre­ ditinstitut in die Lage versetzt werden soll, kreditgefährdenden Einflüssen frühzeitig gegensteuern zu können, um so die erkannte Bedrohung abzu­ wehren oder zumindest zu verringern.!7 Bei der Beurteilung der Bonität 13

14

I5 16 17

Vgl. Land, G./Lütteken, U. A. (1981), S. 1. Mittelständische Unternehmen galten in der Vergangenheit als besonders krisenresistent, da ihnen aufgrund ihrer überschau­ baren Größe ein flexibles Anpassen an veränderte Marktgegebenheiten zugeschrie­ ben wurde. Die zunehmende Technisierung und die damit einhergehende Kapital­ intensität der Produktion haben aber auch die mittelständischen Unternehmen kri­ senanfälliger werden lassen. Vgl. dazu Krämer, H.-P. (1981), S. 22. Vgl. Grundmann, F. (1985), S. 66. Auf die Bedeutung des Managements für die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens wird noch dezidiert eingegangen. Vgl. Buchmann, P. (1987), S. 15. Vgl. Günther, F.G. (1982), S. 489 f. Vgl. van Gisteren, R. (1986b), S. 15.

Kreditwürdigkeitsprüfung

39

selbst ist somit zunächst die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kre­ ditnehmers darzustellen. Während die Frage der Sicherstellung erst an der Risikowirkung ansetzt, konzentriert sich die Kreditwürdigkeitsprüfung auf die vorgelagerte Analyse der Risikoursachen.

Die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Sicherhei­ ten generell, ihre Bewertung und Verwertung werden deshalb in dieser Arbeit nicht näher besprochen.18 Zu diesem weiten Themengebiet wird auf die einschlägige Literatur verwiesen.19 Eine Berücksichtigung finden die Kreditsicherheiten lediglich bei der Betrachtung des Rendite-RisikoVerhältnisses eines Kredits, da sie natürlich einen Einfluß auf das Risiko der Kreditvergabe besitzen.20 Wesentlich für die Effizienz der Kreditwür­ digkeitsprüfung ist die Eignung ihrer Instrumente. Im folgenden soll spe­ zifiziert auf die wesentlichen Ursachen von Unternehmenskrisen einge­ gangen werden und darauf aufbauend die Verfahren der Kreditwürdig­ keitsprüfung beschrieben und auf ihre Eignung geprüft werden.

2.2. Unternehmenskrisen und ihre Ursachen Im langfristigen Kreditgewerbe, das aufgrund der Kreditlaufzeit durch eine besonders enge Beziehung zwischen Bank und Kundenunternehmen gekennzeichnet ist, sind an die Qualität der Kreditwürdigkeitsprüfung höchste Anforderungen zu stellen. Zur Darstellung und Bewertung der einzelnen Analyseinstrumente ist es sinnvoll, vorab auf deren Zielsetzung - die Früherkennung von Unternehmenskrisen - einzugehen. Unter einer Unternehmenskrise soll dabei allgemein ein ungeplanter und ungewollter Prozeß von begrenzter Dauer und Beeinflußbarkeit verstanden werden,

18

19 20

Gemäß dem Selbstverständnis der Banken, Kredite im Hinblick auf die wirtschaft­ liche Leistungsfähigkeit ihrer Kunden herauszulegen und sich weniger als 'Pfand­ leiher' zu betätigen, soll dieser Einflußfaktor auf das Kreditrisiko zunächst nicht weiter untersucht werden. Somit werden zwar nicht alle risikorelevanten Bereiche einer Kreditentscheidung abgedeckt, die Betrachtung erlaubt es aber, die Bedeutung der Kreditwürdigkeit zu isolieren und die Kreditprüfung nicht auf die Sicherheiten, sondern auf den Kreditnehmer abzustellen. Vgl. hierzu auch Hein, M. (1981), S. 53 f. Z. B. in Stannigel, H./Kremer, E./Weyers, G. (1984). Vgl. hierzu Kapitel C.6.3.

Kreditwürdigkeitsprüfung

40

der den Bestand des Unternehmens substantiell gefährdet oder im Extremfall das Unternehmen scheitern läßt.21

Abbildung B.l:

Typischer Verlauf von Unlemehmenskrisen22

Abbildung B.l stellt einen beispielhaften Krisenverlauf anschaulich dar. Wesentliche Aussage der Grafik ist es, daß ausgehend von einem erkann­ ten Umsatzrückgang, der letztlich in seiner Grundursache aus einer strate­ gischen Krise resultiert, der Handlungsspielraum bis zum Eintreten einer akuten Existenzgefährdung ständig geringer wird. Gleichzeitig steigt das Bedrohungsausmaß der Krise überproportional an. Je später also die Krise diagnostiziert wird, desto geringer ist der verbleibende Zeitraum für Bank und Unternehmen zum Gegensteuern. Abbildung B.l bekräftigt somit die Notwendigkeit zur Früherkennung von Unternehmenskrisen bereits in den ersten, latenten Krisenphasen, also zu einem Zeitpunkt, wo die Unterneh­ menskrise noch nicht im Rechenwerk des Jahresabschlusses erkennbar ist. 21 22

Vgl. Krystek, U. (1987), S. 7. Abb. in Anlehnung an Malz, F. (1990), S. 11.

Kreditwürdigkeitsprüfung

41

Für die Kreditinstitute ist es aus dieser Problematik heraus wichtig, die wesentlichen Ursachen von Unternehmenskrisen zu kennen und ihre Bonitätsprüfung darauf auszurichten. Eine Hilfestellung leisten hierbei die Erkenntnisse der Insolvenzursachenforschung. Sie geht von durch Zah­ lungsunfähigkeit oder Überschuldung gekennzeichneten Krisenunterneh­ men aus und versucht, die Ursachen für deren Fallieren ex post zu ermit­ teln.23

Folgt man der einschlägigen Literatur, können als wesentliche Krisenur­ sachen ermittelt werden:24 □ fehlendes oder mangelhaftes Informations- und Kontrollsystem, zum Steuern des Unternehmes (Rechnungswesen, Controlling) □ allgemeine Mängel im kaufmännischen Bereich

□ Mängel im Führungsverhalten (Delegation, Motivation)25 □ unzureichene Eigenmittelausstattung und damit verbunden ein hoher Schuldendienst zur Bedienung des erforderlichen Fremdkapitals □ haftungsbegrenzende Rechtsformen (insbesondere die GmbH & Co. KG weist eine besonders hohe Gefährdung auf)26 □ kritische Wachstumsschwellen bei mittelständischen Unternehmen, die durch steigende Anforderungen an die Führung und Organisation von wachsenden Betrieben hervorgerufen werden (Sprung vom Inhaberzum Managementunternehmen).27

23

24

25 26

27

Vgl. Krystek, U. (1987), S. 10 f. Gemäß § 102 Absatz 2 der Konkursordnung ist eine Insolvenz dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen seine Zahlungen einstellt. Für Kapitalgesellschaften sowie für die ihnen gleichgestellte GmbH & Co. KG gilt ergänzend der Tatbestand der Überschuldung als Konkursgrund. Vgl. hierzu § 130a Abs. 1 HBG sowie § 63 Abs. 1 GmbH-Gesetz bzw. § 92 Abs. 2 Satz 2 Aktiengesetz. Weitere Krisenursachen zeigt Zellweger, B. (1985), S. 28 ff. am Beispiel von 30 Firmenzusammenbrüchen, wobei die ermittelten Faktoren teilweise sehr kurzfristi­ gen Charakter besitzen. Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 524 f. Vgl. Krystek. U (1987), S. 11. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß eine haftungs­ begrenzende Rechtsform per se kein Krisensignal ist, sondern lediglich rein stati­ stisch als besonders krisenanfällig gilt. Vgl. Albach, H./Bock, K./Warnke, T. (1984), S. 116 f. Neben kontinuierlichem Wachstum werden kritische Wachstumsschwellen oftmals auch durch Sprung­ investitionen überschritten.

Kreditwürdigkeitsprüfung

42

Insolvenzursachenforschung Ursachenbereiche (nach Rangstellung)

Konkursgründe28 (auszugweise)

1. Führung 2. Finanzierung

1. Zu geringe Eigenmittelaustattung 2. Personalkostenstcigerungen

3. Absatz 4. Betriebsstruktur

3. Mängel im Management 4. Rückläufiger Export

5. Überbetriebliche Ursachen

5. Rückläufige Inlandsnachfrage

6. Betriebsleistung/Produktion

6. Zu hohe Zinsbelastung

7. Abnehmer

7. Liquiditätsengpässe

8. Rechnungswesen

8. Zahlungsmoral der Kunden

9. Konkurrenten

9. Insolvenzfolgen anderer Firmen

10. Kreditinstitute

10. Kaufmännische Mängel

Abbildung B.2:

Empirische Insolvenzursachen und Konkursgründe^

Abbildung B.2 zeigt die wesentlichen Insolvenzursachen geordnet nach ihrer empirischen Bedeutung im Überblick. Als Hauptursachenbereiche für Unternehmensinsolvenzen sind die zu geringe Eigenkapitalausstattung 28

29

Bei der Interpretation von Abb.B.2 ist anzumerken, daß die Konkursgründe teilweise überlappen und eher deskriptiven Charakter besitzen. Fraglich ist auch, ob mit den genannten Indikatoren eine Unternehmenskrise verhindert werden kann oder hier nur Symptome gescheiterter Unternehmen aus der ex-post-Betrachtung dargestellt werden. Von Bedeutung ist zudem, daß in der Praxis weniger nur ein einziger Grund, sondern eine Vielzahl von Ursachen für eine Krise verantwortlich zeichnen, so daß die in Abb. B.2 dargestellten Faktoren gewichtet und in Beziehung gesetzt werden müßten. Vgl. hierzu auch Bühler, W. (1982b), S. 191 f. Abb. auszugsweise aus Bühler, W. (1982b), S. 191. Bühler faßt in der Abbildung die Ergebnisse zweier auf Umfragen bei Konkursverwaltern basierenden Untersuchun­ gen zusammen. Zu beachten ist, daß es sich bei den in der Abbildung dargestellten Krisenursachen nur um einen Auszug aus dem breiten Spektrum der ermittelten Konkursgründe handelt. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, daß es sich beim Unternehmenskonkurs um die letzte Stufe einer Unternehmenskrise handelt; Kre­ ditausfälle für die Banken aber bereits in der Vorphase auftreten können. Zur Ana­ lyse des Kreditrisikos kann deshalb die Insolvenzursachenforschung allein nicht aus­ reichen. Vgl. Hesselmann, S./Stefan, U. (1990), S. 11 f.

Kreditwürdigkeitsprüfung

43

gerade der mittelständischen Unternehmen, zum anderen Mängel im Management zu nennen. Obgleich die letztendliche Ursache einer Krise immer der ausführende Mensch, also das Management sein muß, ist die­ sem Aspekt bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit besondere Bedeu­ tung beizumessen.30 Des weiteren sind die Bereiche der Finanzwirtschaft, der betrieblichen Organisation, der Produktion und des Vertriebs verstärkt zu untersuchen.

An diesen empirisch ermittelten Krisenursachen soll das weitere Vorgehen orientiert werden. Zur Früherkennung von Kreditrisiken sollen ausgehend von der zentralen Management-Beurteilung die Verfahren zur Analyse des finanz- und leistungswirtschaftlichen Bereichs der Unter­ nehmung dargestellt werden.

2.3. Die Prüfung der persönlichen Kreditwürdigkeit (Unternehmerbeurteilung) Im folgenden Kapitel wird die Beurteilung einer der Primärursachen von Unternehmenskrisen - des Managements - näher erläutert. Ausgehend von den theoretischen Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre und der be­ reits dargestellten Insolvenzursachenforschung soll ein auf empirischer Basis entwickeltes Verfahren zur Unternehmerbeurteilung erläutert wer­ den. Den Schluß dieses Kapitels wird eine kritische Würdigung der Prak­ tikabilität der Unternehmerbeurteilung im Rahmen der Kreditwürdigkeits­ prüfung bilden. 2.3.1. Die Bedeutung der persönlichen Kreditwürdigkeit

"Läßt man die wenigen Fälle, in denen wirklich höhere Gewalt vorlag ... weg, muß man davon ausgehen, daß das Leben und Gedeihen eines Unternehmens in höchstem Maße von der Qualität seines Managements abhängt. Alle höheren, komplexen Systeme (...) unterliegen nur dann den äußeren Störungen, wenn ihr innerer Zustand geschwächt ist. Von den 30

Schmidt, J./Claus, R. sehen für 80% der Insolvenzen das Management verantwort­ lich, worauf sie die Forderung nach objektiver Management-Beurteilung begründen. Vgl. Schmidt, J./Claus, R. (1987), S.442 ff.

Kreditwürdigkeitsprüfung

44

menschlichen Krankheiten bis zum Zerfall des Römischen Reiches ist dies zu beobachten. Demzufolge liegen die Wurzeln aller Finnen­ probleme (...) in ihrem Innenzustand ..."31

Trotz der Multikausalität von Unternehmenskrisen ist es weder in der Theorie noch in der Praxis strittig, daß unternehmerisches Fehlverhalten eine zentrale, aber auch nur sehr schwer beurteilbare Krisenursache im Firmenkreditgeschäft darstellt.32 Konsequenz für die Kreditinstitute muß es demnach sein, das Management eines kreditnachfragenden Unterneh­ mens mit geeigneten Instrumenten gezielt zu untersuchen, um so schon hier erste Anzeichen einer sich entwickelnden Krise zu erkennen.33 Da die vereinbarungsgemäße Rückzahlung eines Kredites sowohl vom 'Können' als auch vom 'Wollen' des Kreditnehmers abhängt, muß sich die Beurteilung der persönlichen Kreditwürdigkeit des Unternehmers bzw. des Managements sowohl auf dessen persönliche als auch fachliche Qualifikation erstrecken.34 In Abbildung B.3 sind diese Aspekte anschaulich dargestellt. Management (= zielgerichtetes, rationales Handeln)

Fachliche Komponente

Persönliche Komponente

" Können" (Kenntnisse und Fähigkeiten)

" Wollen" (Charakter)

Abbildung B.3:

31 32 33 34 35

Komponenten der ManagementbeurteilungS5

Hoffmann, P. (1983), S. 49. Vgl. Starke, W. (1984), S. 180. Vgl. Kohls, H./Marciwiak, K. (1987), S.468. Vgl. Kreim, E. (1988), S. 101 f. Abb. in Anlehnung an Kreim, E. (1988), S. 102. Aus der Abbildung geht nicht hervor, daß die fachlichen und persönlichen Managementeigenschaften in einer Person verkörpert sein müssen. Vielmehr kann in einem Management-Team, wie es z. B. der Gesamtvorstand einer Aktiengesellschaft bildet, eine synergetische Kombination verschiedener Eigenschaftsausprägungen gegeben sein, die in der Summe die fach­ lichen und persönlichen Eigenschaften erfüllen.

Kreditwürdigkeitsprüfung Die Beurteilung der persönlichen tion erfordert eine bewußte und mit dem Eigenschaftsprofil der Eigenschaften eines Managers Approach" gefordert:

45

Komponente der Managementqualifika­ weitestgehend objektive Beschäftigung Unternehmensleitung. Als wesentliche werden nach dem "Three Skills

□ conceptual skills (Konzeptionelle Kompetenz: z.B. Erkennen von Veränderungen, strategisches Denken) □ human skills

(Sozialkompetenz: z.B. Führungsstil und Motivation der Mitarbeiter)

□ technical skills

(Fachkompetenz)36

Bei der Beurteilung der fachlichen Qualifikation der Unternehmensleitung bedient man sich oft der Annahme, daß ein gutes Betriebsergebnis auf ein fachlich qualifiziertes Management schließen läßt.37 Aufgrund der Kom­ plexität der Unternehmensumwelt und der sich rasch ändernden Rahmen­ bedingungen ist aber nicht das heutige bzw. das im Jahresabschluß zum Ausdruck kommende Betriebsergebnis vergangener Jahre, sondern die Fähigkeit, sich auf verändernde Umweltzustände einstellen zu können, für den künftigen Unternehmenserfolg maßgeblich. Von besonderer Be­ deutung ist dabei eine intensive Marktbeobachtung, um möglichst früh­ zeitig Marktveränderungen erkennen zu können. Ein aktives Management "... wartet nicht darauf, bis sich mangelhafte Anpassung an geänderte Umweltverhältnisse unübersehbar in der Bilanz niederschlägt...", sondern "...versucht vielmehr, herankommende Probleme und Chancen mit Weit­ blick zu erkennen und rechtzeitig gezielte Unternehmensentwicklungen einzuleiten und zu realisieren."38 Für die Qualität der Unternehmens­ leitung bedeuten diese Zusammenhänge, daß die Managementfunktionen im Betrieb klar definiert und ausgefüllt sein müssen:39

36

37 38

39

Vgl. Beitner, R.P. (1993), S. 320. Während die in Abbildung B.3 enthaltenen Kom­ ponenten sich primär auf die Person des Managers erstrecken, ist die Abgrenzung des „Three Skills Approach“ eher funktional zu verstehen. Vgl. von Tippelskirch, A. (1992), S. 27 f. Buchinger, G. (1981), S. 239. Daß das Management diesem Anspruch nicht immer gerecht werden kann, dürfte ebenso natürlich wie selbstverständlich sein. Hauptvorteil der Implementierung dieses Regelkreises ist die systematische Beschäftigung mit der Unternehmenszukunft. Vgl. Kreim, E. (1988), S. 108.

Kreditwürdigkeitsprüfung

46

Abbildung B.4:

Managementfunktionen40

Durch den Kreditbearbeiter ist deshalb die Ausgestaltung des in Abbil­ dung B.4 dargestellten Management-Regelkreises zu beurteilen, wobei er sich an folgenden Anhaltspunkten orientieren kann:

□ Vorgabe ausgewogener geschäftspolitischer Ziele □ Delegation und Kontrolle (aktives Controlling)

□ Art und Ablauf der Entscheidungsfindung □ Reaktion auf Veränderungen

□ Aussagefähigkeit der Planung □ Aufbau- und Ablauforganisation.4! Bei der Beurteilung des zentralen Risikofaktors Management werden die hohen Anforderungen an die Urteilsfähigkeit der Kreditbearbeiter offen­ sichtlich. Obwohl die persönliche Kreditwürdigkeit eine grundlegende Voraussetzung für eine Kreditgewährung darstellt, wird in der Praxis oft auf eine systematische Beurteilung der Unternehmensleitung verzichtet. Die Hauptgründe hierfür sind zum einen in der Scheu der Kreditbearbeiter

40 41

Abb. in Anlehnung an Kreim, E. (1988), S. 108. Vgl. Kreim, E. (1988), S. 109. Neben den dargestellten Aufgaben des Managements ist es für viele (nachkriegsgegründete) mittelständische Unternehmen im Zeichen des augenblicklich stattfindenden Generationenwechsels von Bedeutung, die Lösung der Nachfolgefrage sicherzustellen. Vgl. Grundmann, F. (1985), S. 67.

Kreditwürdigkeitsprüfung

47

vor konkreter Menschenbeurteilung und der damit einhergehenden Sub­ jektivität zu finden, zum andern ist festzuhalten, daß bislang nur wenige Beurteilungshilfen für dieses wichtige Kriterium der Kreditwürdigkeit im­ plementiert sind.42

Als Aufgabe für die bankbetriebliche Risikopolitik kann somit festgehal­ ten werden, daß eine umfassende und damit in Anbetracht der steigenden Risiken angemessene Kreditprüfung auf eine systematische Unternehmer­ beurteilung nicht verzichten kann. Um die Subjektivität der Analyse zu beschränken, müssen den Kreditbearbeitern ausreichende Hilfsmittel zur Beurteilung der Managementqualifikation an die Hand gegeben werden.43 Für ein Urteil über die Tauglichkeit des Managers reicht die reine Eigen­ schaftsbeschreibung allerdings nicht aus, notwendig ist vielmehr ein Bild über die gewünschten Eigenschaften und insbesondere über die Eigen­ schaftskombinationen eines erfolgreichen Unternehmers. Es ist bei der Unternehmerbeurteilung also nicht damit getan, einzelne fachliche oder persönliche Eigenschaften des Managements abzuprüfen.

Neben den Problemen der Vollständigkeit der Beurteilungskriterien und der Sicherstellung einer weitgehend einheitlichen Handhabung ist zu untersuchen, wie die einzelnen Eigenschaften zu gewichten sind, um aus der Vielzahl der Einzelinformationen zu einem Gesamturteil zu gelan­ gen 44 Dieser Frage soll im folgenden auf Basis empirischer Erkenntnisse nachgegangen werden.

42 43

44

Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 152 f. Weitere Gründe für die unzureichende Aus­ prägung der Unternehmerbeurteilung in der Praxis der Kreditwürdigkeitsprüfung sind in Kapitel B.2.3.3 dargestellt. Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 168. Diese systematische Beurteilung kann beispiels­ weise mit einem Polaritätenprofil erfolgen, durch das alle relevanten Fakten der Unternehmerqualifikation abgefragt werden. Vorteil dieser Methode ist, daß so umfassende Informationen über die Unternehmensleitererhoben werden können und sich der Kreditbearbeiter zwangsläufig mit der Management-Qualität beschäftigt. Aufgrund des Checklisten-Charakters können zudem bedeutsame Einzelgesichts­ punkte nicht vergessen werden. Vgl. Kohls, H./Marciwiak, K. (1987), S. 473. Vgl. Reuter, A. (1985), S. 524.

Kreditwürdigkeitsprüfung

48 2.3.2.

Früherkennung von Kreditrisiken durch Untersuchung des Unternehmerverhaltens - eine empirische Studie

2.3 .2.I. Zielsetzung und Vorgehensweise der Studie

Grundvoraussetzung jeder Kreditgewährung ist das Vertrauen des Kredit­ gebers in die Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit des Kreditnehmers. Wie bereits geschildert, besitzt die persönliche Kreditwürdigkeit - bedingt durch die direkte Einflußnahme der Unternehmensleitung auf den Unter­ nehmenserfolg - eine herausragende Bedeutung, so daß es verwunderlich erscheint, weshalb die persönliche Kreditwürdigkeit meist nur intuitiv erfaßt und beurteilt wird sowie Erfassungs- und Verarbeitungsmethoden für persönliche Merkmale nur unzureichend entwickelt sind. Folgt man der Untersuchung Rommelfangers über die Bestimmungsfaktoren der per­ sönlichen Kreditwürdigkeit, besitzt die persönliche Kreditwürdigkeit für über 96% der befragten Kreditbearbeiter zumindest eine gleichhohe Bedeutung wie die wirtschaftliche Kreditwürdigkeit, wobei ein Großteil der Befragten für die Zukunft von einer gleichbleibenden oder gar stei­ genden Gewichtung der Persönlichkeitsfaktoren ausgehen.45 Für die Praxis ist es also unbedingt erforderlich, den Ergebnissen der Insolvenzursachenforschung Rechnung zu tragen und den Kreditbearbei­ tern eine angemessene Unterstützung bei diesem - zugegeben nur sehr schwer faßbaren - Bereich der Kreditbeurteilung zu geben. In der bankbe­ trieblichen Literatur finden sich jedoch nur wenige konkrete Ansätze für die Bestimmung der persönlichen Kreditwürdigkeit. Von praktischer Relevanz als Beurteilungsinstrument ist davon insbesondere der Ansatz der Persönlichkeitsprofile krisengefährdeter Unternehmer, der im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Universität Hohenheim entwickelt wurde.46

Ziel dieser Untersuchung war es, unternehmerische Charaktere und Ver­ haltensweisen anhand typischer Eigenschaftskombinationen zur Beur­ teilung der persönlichen Kreditwürdigkeit heranzuziehen und darauf auf­ 45

46

Vgl. Rommelfanger, H./Bagus, T./Himmelsbach, E. (1990), S. 786ff. Befragt wurden 112 Kreditinstitute in der Bundesrepublik Deutschland mit einer Mindest­ größe von DM 500 Mio. Bilanzsumme und mehr als 250 Mitarbeitern, wobei eine Rücklaufquote von 62,5% zu verzeichnen war. Vgl. Rommelfanger, H./Bagus, T./Himmelsbach, E. (1990), S. 786.

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49

bauend ein Diagnosehilfsmittel zu entwickeln.4? Um geeignete Merkmale für die Beurteilung der Unternehmensleitung zu gewinnen, wurde eine breit gestreute Gruppe von insgesamt 160 erfolgreichen und gescheiterten Unternehmen mittels einer teilstandardisierten Befragung der zuständigen Kreditbearbeiter sowie durch Studium der Kreditakten analysiert.48 Diffe­ renziert wurden die unauffälligen von den krisenbehafteten Unternehmen nach den Kriterien: □ Bildung oder Notwendigkeit einer Einzelwertberichtigung

□ in einigen Fällen Stellung eines Konkurs- oder Vergleichsantrages.49 Ausgewertet wurde das Untersuchungssample nach dem Prinzip der Zusammenschau, das die Aussagefähigkeit von Einzelinformationen für die Bonitätsanalyse in Frage stellt. Eine ausreichend sichere Beurteilung kann demzufolge nur erfolgen, wenn alle verfügbaren wesentlichen Informatio­ nen und ihre Zusammenhänge sachgerecht und systematisch betrachtet werden. Einzelinformationen sind also i.d.R. nicht per se als positiv oder negativ aufzufassen.50

2.3 .2.2. Charakteristische Unternehmertypen Aus der Erkenntnis heraus, daß Insolvenzen bis auf wenige Fälle, bei denen exogene Ursachen ausschlaggebend waren, fast ausnahmslos auf Mängel und Fehler der leitenden Organe zurückzuführen sind, läßt sich

4? 48 49

50

Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 155 ff. Untersucht wurden Unternehmenskunden aus dem Sparkassensektor, auf die fol­ gende Merkmale zutrafen: Branchenschwerpunkt verarbeitendes Gewerbe, Größen­ klasse zwischen 10 und 199 Mitarbeitern, vgl. von Stein, J. H. (1982a), S. 31 ff. Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 156. Vorteil dieser Segmentierung ist es, daß den ‘guten’ Firmen nicht - wie in vielen anderen Untersuchungen zu dieser Thematik nur extrem ‘schlechte’, d.h. konkurs- oder vergleichsanhängige Unternehmen gegenübergestellt werden, sondern schon die Bildung einer Wertberichtigung zur Einordnung in die Gruppe der 'schlechten' Unternehmen ausreicht Der daraus resul­ tierenden Praxisnähe steht aber entgegen, daß Insolvenzen durch die negative Beur­ teilung von mit Einzelwertberichtigungen behafteten Unternehmen eventuell erst geschaffen werden. Vgl. zu der Problematik einer 'self-fulfilling-prophecy' Kapitel 2.4.2.3.4. Zu beachten ist auch, daß die Bildung von Wertberichtigungen oftmals auch aus steuerlichen Erwägungen heraus erfolgt, insbesondere bei guter Ertragslage des Kreditinstitutes. Vgl. hierzu Scholz, R. W. (1991), S. 291 ff. Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 154.

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50

für die Praxis nur dann ein Nutzen ziehen, wenn es gelingt, einen operationalen Katalog personenbezogener Diagnosemerkmale für die Qualität der Unternehmensleitung herauszuarbeiten.51 Die im Auftrag des Deutschen Sparkassenverbandes im Jahr 1982 durchgeführte Unter­ suchung führte zu dem Ergebnis,"... daß sich - überraschend klar - sieben charakteristische Eigenschaftskombinationen insolvenzgefährdeter Unter­ nehmer abgrenzen lassen."52 Die zwei am häufigsten erkannten Unter­ nehmertypen, auf die 79 der insgesamt 135 Schieflagen entfallen, sollen im folgenden kurz dargestellt werden.

Gruppe I:

(42 von 135 Fällen)

Unternehmer der Gruppe I zeichnen sich insbesondere durch einen Man­ gel an Realitätsbezug aus, der die Grenzen des erforderlichen unter­ nehmerischen Wagemuts weit überschreitet. Daneben ist eine völlig einseitige technische oder verkäuferische Ausrichtung zu erkennen, die in erster Linie wachstumsorientiert - die Adaption des kaufmännischen Bereichs an die steigenden betriebswirtschaftlichen Anforderungen ver­ nachlässigt. Das Unternehmen hat sich oftmals aus einem Kleinbetrieb heraus entwickelt; trotz der inzwischen erreichten Betriebsgröße ist der kaufmännische Bereich aber nicht mitgewachsen. Abgesehen davon zeigen sich die Unternehmer aber durchsetzungsfähig, fortschrittlich und willensstark.53 Bei den Fällen der Untergruppe 1/1 war das schnelle Wachstum des Unternehmens Folge eines übersteigerten Geltungs­ bedürfnisses, die Unternehmensleiter wollten ihre wirtschaftliche Potenz durch den raschen Ausbau der Firma demonstrieren. Einhergehend damit waren hohe Privatentnahmen für einen aufwendigen Lebensstil. Die schnelle Expansion der Untergruppe 1/2 war weniger verursacht von einem überzogenen Geltungsdrang des Unternehmers, sondern erfolgte vielmehr leichtfertig aufgrund einer gegenwärtig guten Auftragslage, oft im Zuge einer konjunkturellen Boomphase. Der Unternehmer ließ sich dadurch zur Illusion verleiten, eine günstige Expansionschance nutzen zu

51 52 53

Vgl. Heim, E. (1984), S. 664. Von Stein, J. H. (1982a), S. 229. Vgl. Reuter, A./Zickfeld, H. (1993), S. 57.

Kreditwürdigkeitsprüfung

51

müssen, ohne die damit einhergehenden Risiken ausreichend zu berücksichtigen.54

Gruppe II:

(37 von 135 Fällen)

Diese Gruppe beinhaltet die rückständigen, nicht anpassungsfähigen Unternehmer, die annahmen, ihren Betrieb ohne Rücksicht auf veränderte Marktverhältnisse führen zu können. Starrsinn und Selbstherrlichkeit kennzeichnen darüber hinaus die Untergruppe II/l. Obgleich den Patriar­ chen selbst brauchbare Ideen abgingen, nahmen sie keine noch so ver­ nünftigen Ratschläge an. Kausal für den gezeigten Despotismus war in vielen Fällen das hohe Alter der Unternehmensleiter. Die Eigenschaften der Untergruppe II/2 erscheinen geradezu entgegengesetzt. Gekennzeich­ net durch ausgeprägte Verantwortungsscheu und fehlende Durchsetzungs­ fähigkeit unterblieben notwendige Änderungen. Da selbst oft stark in das operative Geschäft eingebunden, waren diese Unternehmer zum Teil bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet. In diesem Zusammenhang müssen auch die ermittelten positiven Eigenschaften dieser Untergruppe relativiert werden.55 Die Unternehmertypen III - VII waren zusammenfassend dadurch charak­ terisiert, daß ihnen der notwendige Sachverstand fehlte (Gruppe 111)56 oder sie wenig Interesse an der Unternehmensführung zeigten (Gruppe IV)57. Unternehmer der Gruppe V zeichneten sich durch eine zu große Oberflächlichkeit bei der Wahrung ihrer Führungsaufgaben aus, während die Gruppe VI primär an zu hohen Privatentnahmen für eine aufwendige Lebensführung scheiterte.58 Krisenursache bei den Unternehmern der Gruppe VII war dagegen eine einmalige unternehmerische Fehlentschei­ dung. Weitere Schwachstellen in den betrieblichen Funktionsbereichen konnten nicht diagnostiziert werden, weshalb diese Kategorie von Unter­

54 55 56 57 58

Vgl. von Stein, J. H. (1982a), S. 240 f. Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 162 ff. Vgl. von Stein, J. H. (1982a), S. 249 ff. Vgl. Reuter, A./Zickfeld, H. (1993), S. 57 f. Vgl. von Stein, J. H. (1982a), S. 256 ff.

52

Kreditwürdigkeitsprüfung

nehmens- und Kreditgefährdung folglich für die Bank nur schwer über die Unternehmerbeurteilung zu fassen ist.59 Bei der Charakterisierung der nicht insolvenzgefährdeten Unternehmer konnten negative Eigenschaften nur vereinzelt festgestellt werden. Hier ergaben sich relativ homogene, durchgängig positive Eigenschaftskombinationen.60

Als Hauptursachen für Unternehmensschieflagen können somit angese­ hen werden:

(1) Überhastete Expansion bei gleichzeitiger Vernachlässigung des kauf­ männischen Bereiches als zentraler Mangel (2) Fehlende Flexibilität des Unternehmers bei der notwendigen Anpas­ sung an das veränderte Umfeld (3) Unzureichende Fähigkeiten und Kenntnisse des Managements (4) Überbewertung privater Interessen und Desinteresse an der Führung des Unternehmens.

Abgesehen vom Unternehmertyp VII (und teilweise VI) war die Unter­ nehmenskrise nie auf nur eine einzige Schwäche zurückzuführen. Diese Multikausalität unterstreicht die Notwendigkeit einer Zusammenschau von Persönlichkeitsmerkmalen; kaum eine Eigenschaft kann per se als positiv oder negativ beurteilt werden. Die simultane Betrachtung der Ein­ zelinformationen verringert die Gefahr einer - bewußten oder unbewußten - Täuschung und hilft, vermeintliche Widersprüche aufzuklären.61 Auf­ bauend auf diesen Erkenntnissen muß versucht werden, die eher deskripti­ ven Ergebnisse für die bankbetriebliche Anwendung nutzbar zu machen. Denkbar ist insbesondere die Enwicklung eines Erfassungs- und Beurtei­ 59 60

61

Vgl. Reuter, A./Zickfeld, H. (1993), S. 58. In Anbetracht der möglichen Ursache des Scheitern - einer Fehlinvestition - ist hier insbesondere die Analyse des Investitions­ vorhabens von Bedeutung. Vgl. hierzu Kapitel 4.4.3.2. Vgl. Ziegler, W. (1984), S. 262. Die Aussage, daß nicht krisengefährdete Unterneh­ mer ein homogenes, ausgewogenes Bild positiver Eigenschaften zeigen, hat sehr pauschalen Charakter und dürfte für die Praxis der Unternehmerbeurteilung zu undifferenziert sein. Vgl. von Stein, J. H. (1988), S. 154 ff. Diese Zusammenschau muß aber nicht nur für die einzelne Person, sondern über die gesamte Unternehmensleitung hinweg erfolgen, so daß negative Merkmale einer Person durch positive anderer Personen kompensiert werden können.

Kreditwürdigkeitsprüfung

53

lungsbogens, der die ermittelten aussagekräftigen Kriterien konzentriert, vollständig und übersichtlich wiedergibt. Abbildung B.5 zeigt ein Beispiel für ein solches Schema. Dort dargestellt sind die einzelnen Eigenschaften der sieben krisengefährdeten Unternehmertypen.62

Anhand der computergestützten Auswertung dieses Instruments kann die - unverzichtbare - eigene Urteilsbildung der Kreditbearbeiter in einem Bereich unterstützt werden, der aufgrund seiner Subjektivität bislang als nur wenig operationalisierbar galt.63 Mittels einer geeigneten EDV-Unterstützung zur Analyse der Eigenschaftskombinationen kann dann ein Abgleich mit den krisengefährdeten Unternehmertypen erfolgen. Je näher dabei einer der 7 Typen erreicht wird, desto niedriger ist die persönliche Kreditwürdigkeit einzuschätzen. Auch wenn keines der konkreten Eigen­ schaftsmuster voll abgedeckt wird, so gibt das System doch Anlaß, die erzielten Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und sich somit zwangsläufig intensiv mit dem Aspekt der Unternehmerbeurteilung zu beschäftigen64.

62

63 64

Der in Abbildung B.5 dargestellte Beurteilungsbogen soll lediglich beispielhaft ver­ anschaulichen, wie ein Beurteilungsbogen für die Unternehmensleitung aussehen könnte. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder gar beurteilungs­ psychologische Richtigkeit. Vgl. von Stein. J. H. (1982a), S. 350. Problematisch bei der dargestellten Untersuchung ist die genaue Ermittlung einer der 7 Unternehmerkategorien. In der Praxis wird sich m.E. ergeben, daß zwar vielmals ein zu bewertender Unternehmer einem der Profile annäherungsweise zugeschrieben werden kann, eine völlige Übereinstimmung mit den ermittelten Eigenschaftskombi­ nationen aber nicht gegeben ist. Für diesen Fall ist die Tauglichkeit des Ansatzes in Frage gestellt.

Kreditwürdigkeitsprüfung

54

Beurteilungsbogen für die Unternehmensleitung 1

2

3

4

5

Fortschrittlich

Rückständig

Rührig, Dynamisch

Schwerfällig

Aufgeschlossen

Starrsinnig

Anerkennend

Selbstherrlich

Lernwiliig

Lernunwillig

Risikobewußt

Kein Risikobewußtsein

Entscheidungsstark

Entscheidungsschwach

Durchsetzungsfähig

Labil, Willensschwach

Zuverlässig

Unzuverlässig

Eigeninitiativ

Ideenarm

Delegationsbereit

Nicht delegationsbereit

Maßvoll

Verschwenderisch

Diszipliniert

Hemmungslos

Gründlich, Sorgfältig

Oberflächlich

Engagiert, Motiviert

Unengagiert, Desinteressiert

Firma:

1 ... Linkes Merkmal trifft voll zu

2 ... Linkes Merkmal trifft eher zu

Kunden-Nummer:

3 ... Weder noch, keine Angaben

4 ... Rechtes Merkmal trifft eher zu 5 ... Rechtes Merkmal trifft voll zu

Abbildung B.5: Beurteilungsbogen für die Unternehmensleitung65 65

Als Beurteilungskriterien der Tabelle in Abbildung B.5 finden die in der dargestell­ ten Untersuchung zur Unternehmerqualifikation ermittelten Eigenschaften Verwen­ dung. Vgl. dazu von Stein, J. H. (1982a), S. 229 ff. Der formale Aufbau wurde an in

Kreditwürdigkeitsprüfung

55

2.3.3. Kritische Würdigung Erachten 61% der befragten Kreditbearbeiter die persönliche Kreditwür­ digkeit als ebenso wichtig und gar 35% als wichtiger als die wirtschaftli­ che Kreditwürdigkeit, läßt dies wohl unzweifelhaft auf ein in der Praxis sehr hoch bewertetes Bonitätsmerkmal schließen.66 Berücksichtigt man dabei aber, wie wenig bislang eine systematische Unternehmerbeurteilung betrieben wird, zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund zunehmend komple­ xer werdender Wirtschaftsprozesse und dadurch steigender Führungsan­ forderungen wird die persönliche Kreditwürdigkeit künftig noch an Bedeutung gewinnen. Für die praktische Anwendung muß deshalb ein operationales Beurteilungsverfahren für diesen außerordentlich wichtigen Bereich der Bonitätsprüfung implementiert werden.

Die beschriebene Untersuchung von Steins zeigt einen Weg auf, wie eine systematische und problembezogene Unternehmerbeurteilung in die Kre­ ditprüfung integriert werden kann. Auch wenn die Zuordnung zum jewei­ ligen Risikoprofil nicht exakt und deshalb problematisch erscheint67, erfordert die Einordnung des Unternehmers doch die bewußte Beschäfti­ gung mit seiner Persönlichkeit durch den Kreditbearbeiter. Der bei der Bewertung qualitativer Merkmale nie auszuschließende Faktor der Sub­ jektivität kann zwar nicht völlig vermieden werden, durch Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter und die Wahrung einer kritischen, urtei­ lenden Distanz ist aber dennoch mit hinreichend aussagefähigen Einord­ nungen zu rechnen.68 Für die Bedeutung der persönlichen Kreditwürdigkeit muß jedoch ein­ schränkend angeführt werden, daß sie stark von der Art des Unternehmens und insbesondere dessen Führungsorganisation abhängt. Je geringer der Einfluß des einzelnen Managers ist, z. B. in einem Gesamt­

66 67 68

der Literatur verfügbare Beurteilungstabellen angelehnt. Vgl. u.a. Kohls, H./Marciwiak, K. (1987), S. 471. Vgl. Rommelfanger, H./Bagus, T./Himmelsbach, E. (1990), S. 787 f. Bei der praktischen Anwendung dieser Erkenntnisse wäre es erforderlich, die ermit­ telten Eigenschaften genau einem der 7 Eigenschaftsprofile zuzuordnen. Vgl. Rom­ melfanger, H./Bagus, T./Himmelsbach, E. (1990), S. 786 f. Vgl. Kreim, E. (1988), S. 105.

56

Kreditwürdigkeitsprüfung

vorstand69 oder durch den Einfluß eines Bei- oder Aufsichtsrates, desto unbedeutender wird der Aspekt der persönlichen Kreditwürdigkeit innerhalb des Gesamtsystems der Kreditprüfung. Der dieser Arbeit schwerpunktmäßig zugrunde gelegte Mittelstand ist aber oftmals noch gekennzeichnet vom Eigentümerunternehmer, so daß hier die Bedeutung der Unternehmerbeurteilung als vergleichsweise hoch eingeschätzt wer­ den kann.70 Weiterer wesentlicher Problembereich, insbesondere im lang­ fristigen Kreditgeschäft, ist die Gewährleistung der Kontinuität in der Unternehmensführung7!. Die während der Kreditlaufzeit nie auszuschließene Gefahr von personellen Wechseln im Management oder von Änderungen der Persönlichkeitsstruktur des Unternehmers stellt die Brauchbarkeit der Unternehmerbeurteilung als alleiniges Instrument der Kreditwürdigkeitsprüfung in Frage.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, daß die Gesamt­ bewertung eines Unternehmens - trotz deren Notwendigkeit - nicht aus­ schließlich von der Beurteilung des (austauschbaren) Managements abhängen darf. Wichtige Aspekte wie z.B. die bisherigen Leistungen des Unternehmens oder die prognostizierte Branchenentwicklung müssen das Urteil über den Kreditnehmer abrunden und auf diese Weise das Gesamt­ bild objektivieren.

69 70

71

Hier wäre die Frage zu klären, wie sich aus den Eigenschaften der Mitglieder eines Führungskollektivs eine Gesamtnote ableiten läßt. Nicht zu unterschätzen ist jedoch, daß auch bei Eigentümerunternehmen i.d.R. die Entscheidungsfindung nicht ausschließlich in einer Hand liegt, sondern ein gesamtes Führungssystem - wenn auch mit Schwerpunkt auf den Eigentümer - installiert ist und somit zu beurteilen wäre. Hieran erkennt man die praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung dieses Ansatzes. Vgl. hierzu auch Reuter, A./Zickfeld, H. (1993), S. 59. Vgl. Buchmann, P. (1988), S. 11.

Kreditwürdigkeitsprüfung

57

2.4. Die wirtschaftliche Kreditwürdigkeit (Unternehmensbeurteilung) 2.4.1. Überblick und Bedeutung

Aufgabe der Kreditwürdigkeitsprüfung ist es, zu einer möglichst zutref­ fenden Aussage über den Risikogehalt einer Kreditgewährung und somit über deren Vertretbarkeit zu gelangen. Die Beurteilung der Kreditwürdig­ keit sollte dabei nicht auf Einzelinformationen beruhen, die für sich gese­ hen noch kein ausreichend fundiertes Urteil zulassen, sondern durch Abwägen und im Zusammenhang betrachten ein weitgehend vollständiges Bild des kreditnachfragenden Unternehmens zeichnen.72 Dies impliziert, wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, daß die alleinige Beurteilung der persönlichen Kreditwürdigkeit nicht für ein Gesamtbonitätsurteil aus­ reichen kann (und darf).73 Die Kreditwürdigkeitsprüfung ist folglich auf die Summe der über den potentiellen Kreditnehmer vorliegenden bzw. wirtschaftlich einholbaren Informationen auszurichten.

Das Spektrum der Bonitätsbeurteilung kann mit den sogenannten 'Cs of Credit' dargestellt werden: Character:

Unternehmerpersönlichkeit und -integrität

Capacity:

Sachliches und persönliches Leistungsvermögen

Capital:

Vermögenslage, Finanzlage

Collaterals:

Sicherheiten

Conditions:

Gesamtwirtschaftliche und branchenspezifische Einflüsse

Coverage:

Marktanteile, Aktionsradius des Unternehmens.74

72 73 74

Vgl. von Stein, J. H./ Kirschner, M. (1988), S. 309. Dieses wird bereits in § 18 KWG gefordert, der den Banken ab einem definierten Kreditbetrag die Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers zwin­ gend auferlegt. Vgl. Weibel, P. F. (1978), S. 77, sowie Brakensiek, T. (1991), S. 42. Eine Ergänzung dieser Darstellung um die „Cs of bad Loans“ findet sich in Golden, S./Walker, H. M. (1993), S. 11 ff. Als Problemfelder werden hier genannt: Com­ placency (Selbstzufriedenheit), Carelessness (Sorglosigkeit), Communication (Kom­ munikationsprobleme), Contingencies (Unvorhergesehenes) und Competition (Wettbewerb).

Kreditwürdigkeitsprüfung

58

Während der Bereich „Character“ bereits besprochen wurde, soll die Auf­ merksamkeit nun auf die wirtschaftlichen Verhältnissen des Kreditneh­ mers gerichtet werden, die in den Begriffen „Capacity“, „Capital“, „Conditions“ und „Coverage“ zum Ausdruck kommen. Auf die Beurtei­ lung der Sicherheiten („Collaterals“) soll, wie bereits angemerkt wurde, vorläufig nicht eingegangen werden.75

Analyse der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit mittels ___________ 1______________________________ 1______________

quantitativer Informationen

|

qualitativer Informationen

□ Jahresabschlußanalyse

□ Prüfung der Kreditverwendung

□ Kapitalflußrechnung

□ Produkt-Markt-Konzept:

□ Prospektive Verfahren (Planung)

□ Statistische Verfahren

|

- Produktionsprogramm - Branchenentwicklung - Wettbewerbssituation - Technische Bonität - Organisation

□ Kontenanalyse Abbildung B.6: Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung

Je nach der Art der zugrundeliegenden Informationen kann zwischen den in Abbildung B.6 dargestellten, quantitativen und qualitativen Verfahren unterschieden werden.76 Während die quantitativen (numerisch-statisti­ schen) Verfahren primär auf Zahlen aus der Rechnungslegung des Unter­ 75 76

Die Frage der eingeräumten Kreditsicherheiten wird in Kapitel C.6.3. bei der Ent­ wicklung des integrierten Kreditprüfungssystems diskutiert. Bei der Abgrenzung zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren ist zu beachten, daß die Branchenanalyse sowohl qualitativen (im Sinne der Beurteilung der Branchenentwicklung) als auch quantitativen (im Sinne eines auf den Jahres­ abschluß-Kennzahlen basierenden Betriebsvergleiches) Charakter besitzen kann. Ebenso kann auch die quantitativ orientierte Jahresabschlußanalyse um die Unter­ suchung der verbalen Berichterstattung in Anhang und Lagebericht der Bilanz ergänzt werden. Vgl. hierzu Küting, K. (1993), S. 14. Qualitative und quantitative Analyseverfahren können somit nicht völlig trennscharf differenziert werden.

Kreditwürdigkeitsprüfung

59

nehmens beruhen, stellen die qualitativen (beschreibenden) Verfahren verstärkt auf die wertende Beurteilung von Sachverhalten ab, die sich nicht so ohne weiteres in vergleichbare Skalengrößen einordnen lassen.77 Aufgabe der kommenden Ausführungen wird es sein, die Verfahren der quantitativen und der qualitativen Analyse der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit näher zu betrachten, um damit die Basis für das zu entwickelnde, integrierte Kreditprüfungssystem zu schaffen. 2.4.2. 2 .4.2.I.

Die quantitativen Verfahren zur Beurteilung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit Die Jahresabschlußanalyse

2.4.2.I.I. Überblick und Vorgehensweise "Von Kreditnehmern, denen Kredite von insgesamt mehr aiszweihundert­ fünfzigtausend Deutsche Mark gewährt werden, hat sich das Kreditinstitut die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahres­ abschlüsse, offenlegen zu lassen. Das Kreditinstitut kann hiervon absehen, wenn das Verlangen nach Offenlegung im Hinblick auf die gestellten Si­ cherheiten oder auf die Mitverpflichteten offensichtlich unbegründet wäre.“ § 18 Satz 1, Gesetz über das Kreditwesen78 Die in § 18 KWG kodifizierte Verpflichtung der Kreditinstitute zur Prü­ fung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kreditnehmer erschließt für die Kreditbeurteilung eine wesentliche Informationsquelle: den Jahresab­ schluß.79 Unter dem Begriff der Jahresabschluß- bzw. Bilanzanalyse soll im folgenden gleichbedeutend die systematische Durchleuchtung des Jah­ resabschlusses eines Unternehmens zum Zweck der möglichst aussagefä­ higen und zutreffenden Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage verstan­ den werden. Diese Definition gibt zugleich die Ziele der Jahresabschluß77 78

79

Vgl. Bühler, W. (1982a), S. 81. Im Rahmen der 5. KWG-Novelle wurde die Offenlegungspflicht der wirtschaft­ lichen Verhältnisse mit Wirkung zum 31.12.1995 von bisher einhundert- auf zwei­ hundertfünfzigtausend DM erhöht. Vgl. hierzu Deutscher Bundestag (1994), S. 3. Vgl. Probst, H. (1982), S. 26 f. Allerdings ist zu beachten, daß weniger die reine Vorlage des Jahresabschlusses, sondern insbesondere die frühzeitige Einsichtnahme in die wirtschaftliche Entwicklung von Bedeutung ist, die durch die zeitversetzte Erstellung des Jahresabschlusses nicht immer gegeben ist.

60

Kreditwürdigkeitsprüfung

analyse im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung vor, nämlich die Gewinnung von Informationen über:

□ die Vermögenslage (Volumen und Struktur des Vermögens bzw. des Kapitals, Investition und Finanzierung)

□ die Finanzlage (Liquidität, finanzielles Gleichgewicht) □ die Ertragslage (Rentabilität, Erfolgsquellen und -verwendung)80.

Die grundsätzlich statisch orientierte Untersuchung kann zum Zweck der Kreditwürdigkeitsprüfung dynamisiert werden, indem mittels eines Peri­ odenvergleichs der Trend der wirtschaftlichen Entwicklung des Unter­ nehmens in den vergangenen Jahren beschrieben wird.8l Auf Grundlage dieser Analyse der wirtschaftlichen Lage vergangener Perioden wird ver­ sucht, die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens indirekt zu beurteilen. Dieses Vorgehen umfaßt die zwei Schritte Jahresabschluß­ analyse i.e.S. und Jahresabschlußkritik.

Die Jahresabschlußanalyse i.e.S. bereitet die vom Kreditnehmer einge­ reichten Jahresabschlüsse in einheitlicher Weise auf, um die instituts­ interne und zeitliche Vergleichbarkeit sicherzustellen, sowie die Ermitt­ lung von Analysekennzahlen. Im Rahmen der Jahresabschlußkritik werden die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens mittels der aufbereiteten Abschlüsse kritisch untersucht und bewertet, wobei i.d.R. Zeit- und Betriebsvergleiche durchgeführt werden.82 Die Ermittlung und Auswertung von Kennzahlen besitzt bei der Jahresabschlußanalyse eine wesentliche Bedeutung. Unter Kennzahlen sind verdichtete, quantitative Messgrößen zu verstehen, die Sachverhalte oder Zusammenhänge in komprimierter Weise aufzeigen sollen, die ohne sie nicht oder weniger klar erkennbar sind.83 Kennzahlen lassen sich unterscheiden in: 80

81

82 83

Vgl. Bartram, W. (1981a). S. 228. Daß der Jahresabschluß zur zutreffenden Unter­ nehmensbeurteilung nicht ausreichen kann, wurde bereits bei der Analyse der Unter­ nehmenskrisen in Kapitel B.2.2. angesprochen. Vgl. dazu auch von Tippelskirch, A. (1992), S. 30 f. Vgl. Sorg, P. (1984), S. 165. Diese Dynamisierung betrifft aber in diesem Beispiel nur die Fortschreibung des Entwicklungstrends der Vergangenheit. Zur prospektiven Kreditwürdigkeitsprüfung und der Beschäftigung mit den zukunftsbestimmenden Einflußfaktoren vgl. Kapitel B.2.4.2.2.2. Vgl. Unterharnscheidt, D. (1987), S. 19. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 720.

Kreditwürdigkeitsprüfung

61

□ Gliederungszahlen: Sie setzen Teilgrößen ins Verhältnis zu einer übergeordneten Ge­ samtgröße, informieren also über deren Struktur.

Beispiel: Eigenkapitalquote (in %) = (Eigenkapital * 100)/ßj|anzsumrne

□ Indexzahlen: Sie stellen die zeitliche Entwicklung einer Position dar.

Beispiel: Umsatzwachstum der vergangenen Perioden

□ Beziehungszahlen: Sie setzen Teilgrößen zueinander in Beziehung und geben somit Aus­ kunft über horizontale Strukturen. Beispiel: Anlagedeckung (in %) = (Eigenkapital * 100)/An|ageverm0gen84

Aufgrund ihrer spezifischen Vorteile besitzen die Kennzahlen im Rahmen der Bilanzanalyse einen traditionell hohen Stellenwert:

□ einfache, schnelle und (verfahrenstechnisch) zuverlässige Ermittlung □ Verdichtung komplexer Sachverhalte auf einfache Punktgrößen, wodurch Betriebs- und Periodenvergleiche sowie statistische Analysen ermöglicht werden. Zu beachten bei der Interpretation von Kennzahlen sind aber folgende Nachteile:

□ durch die Aggregation komplexer Sachverhalte gehen oftmals wichtige Detailerkenntnisse verloren □ Kennzahlen zerreißen häufig innere Zusammenhänge, die vom Analy­ sten bei der Interpretation wieder hergestellt werden müssen

□ es bestehen vielfältige Möglickeiten zur Bildung von Kennzahlen, wobei jedoch viele Kennzahlen mangels Aussagekraft überflüssig sind ('Kennzahlen-Friedhöfe')85 □ der Betriebswirtschaftslehre ist es bis heute noch nicht gelungen, eine allgemeingültige Theorie der Bilanzanalyse zu entwickeln. Somit besteht keine einheitliche Meinung darüber, welche Kennzahlen im 84 85

Vgl. Probst, H. (1982), S. 92 f. Vgl. Rehkugler, H./Poddig, T. (1990), S. 196 ff.

62

Kreditwürdigkeitsprüfung einzelnen zu ermitteln und wie sie zu errechnen sind.86 Ein Vergleich der Analyse-Praxis der deutschen Kreditinstitute zeigt, daß die Spann­ weite der genutzten Kennzahlen und ihrer konkreten Definitionen sehr groß ist.87

Trotz der dargestellten Nachteile besitzen Kennzahlen, wenn sie sinnvoll ausgewählt werden, den unschätzbaren Vorteil, Betriebs- und Zeitver­ gleiche zu erlauben; erst durch sie wird der Einsatz maschineller Bilanz­ analyseverfahren sinnvoll.

Basierend auf dem für Kapitalgesellschaften geltenden § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB, der sogenannten Generalnorm: "Der Jahresabschluß der Kapital­ gesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln." sollen nun die Möglichkeiten der Jahresabschlußanalyse bei der Untersuchung der Vermögenslage, der Finanz- und der Ertragslage anhand ausgewählter Kennzahlen beschrieben werden.

2.4.2.1.2. Die Analyse der Vermögenslage Aufgabe der Analyse der Vermögenslage ist es, zu untersuchen, ob die Stabilität des Unternehmens auch in Zukunft gesichert ist. Dazu werden im Rahmen einer (vertikalen) Strukturanalyse die Zusammensetzung von Vermögen und Kapital sowie die (horizontalen) Deckungsrelationen zwi­ schen Aktiv- und Passivseite der Bilanz, also das Verhältnis zwischen Kapitalaufbringung und -Verwendung, betrachtet.88 Die Analyse der Vermögenslage umfaßt somit die Untersuchung der Vermögensstruktur, der Kapitalstruktur und der Finanzstruktur. Abbildung B.7 stellt die Ana­ lyse der Vermögenslage im Zusammenhang mit einer schematischen Bilanzgliederung beispielhaft dar:

86 87 88

Vgl. Meyer, C. (1993), S. 44. Sowohl die Definition als auch die Beurteilung der einzelnen Kennzahlen weichen je nach Kreditinstitut erheblich voneinander ab. Vgl. hierzu detailliert Meyer, C. (1989). Vgl. Gieske, F. (1988), S. 728.

Kreditwürdigkeitsprüfung

Umlaufvermögen

Kurzfristige Verbindlich­ keiten

Sachanlagevermögen

mittel- und langfristige Verbindlichkeiten

Finanzanlagevermögen

Eigenmittel

Bilanzsumme

Bilanzsumme

Abbildung B. 7:

63

Struktur der Bilanz89

Im Vordergrund der Analyse der Vermögensstruktur steht die Frage der Liquidierbarkeit, also nach der Geldnähe des jeweiligen Vermögens­ gegenstandes. Ausgehend von der Fristigkeit der Vermögenspositionen kann dabei zwischen Anlage- und Umlaufvermögen unterschieden wer­ den.90

89

90

Abb. in Anlehnung an Krumnow, J. (1985), S. 788. Ziel dieser Abb. ist die Struktu­ rierung der Aktiv- und Passivseite in die wesentlichen, nach Fristigkeiten geordneten Bilanzpositionen, wobei im Verhältnis zwischen Aktiv- und Passivseite von einer Fristenkongruenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten sowie zwischen Anlagevermögen und langfristigen Verbindlichkeiten/Eigenmitteln ausgegangen wird. Die Einordnung der Finanzanlagen muß am Einzelfall orientiert werden. Handelt es sich um börsennotierte Aktien, ist deren Liquidierbarkeit im Regelfall höher als bei Beteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen. Ent­ sprechend wären sie in Abbildung B.7 ober- oder unterhalb der Sachanlagen einzu­ ordnen. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 728. Hierbei handelt es sich aber um eine rein buchhalteri­ sche Abgrenzung, in der Praxis kann oftmals das Anlagevermögen schneller liqui­ diert werden als das Umlaufvermögen. Bsp.: börsengängige Wertpapiere im Anlage­ vermögen - nicht mehr marktgängige, veraltete Bestände im Umlaufvermögen. Vgl. hierzu auch Heinhold, M. (1988), S. 94.

Kreditwürdigkeitsprüfung

64

Die Kennzahl der Sachanlagenintensität = (Sachanlagevermögen * 100)/Bilanzsumme gibt den Anteil des Sachanlagevermögens, also der Wirtschaftsgüter, die dem Unternehmen auf Dauer zu dienen bestimmt sind, an der Bilanz­ summe (Gesamtvermögen) wieder.91 Die Höhe der (Sach-) Anlagen­ intensität hängt dabei von der Branche und der Art des Betriebes ab. Je aufwendiger der zu unterhaltende Produktionsapparat des Unternehmens ist, desto höher wird auch dessen Anlagenintensität ausfallen.92 Eine hohe Anlagenintensität wird - mangels besserer Information - oftmals mit lang­ fristiger Bindung des investierten Kapitals und damit einhergehender, hoher Fixkostenbelastung gleichgesetzt; zu berücksichtigen ist aber, daß auch im Anlagevermögen Restbindungsdauern von unter einem Jahr mög­ lich sind.93

Wichtige Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Anlagevermögens erhält der Analytiker durch die Aufteilung des Anlagevermögens in Sach­ anlagen und Finanzanlagen. Während das Sachanlagevermögen dem pri­ mären Unternehmenszweck zu dienen hat, zeigen Finanzanlagen bisweilen spekulativen Charakter.94 Weitere wichtige Hinweise über die Beschaffenheit des Anlagevermögens geben Kennzahlen wie Anlagen­ abnutzungsgrad, Abschreibungsquote oder Investitionsquote. Aus ihnen kann auf eventuelle Veralterungen im Produktionsapparat und auf dessen allgemeinen technischen Stand gefolgert werden95. Eine sogenannte

91

92 93 94

95

Auch diese Abgrenzung orientiert sich weniger an der wirtschaftlichen Bedeutung, sondern nach der buchhalterischen Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes. Die Bestandteile des Anlagevermögen müssen keinen betriebsnotwendigen Charakter besitzen, ebenso können Teile des Umlaufvermögens langfristig gebunden sein, z. B. die sog. 'eisernen Bestände'. Vgl. Probst, H. (1982), S. 135. Vgl. Probst, H. (1982), S. 114. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 728 f. Vgl. Probst, H. (1982), S. 117. Insbesondere die Beteiligungen müssen auf ihre Betriebsnotwendigkeit geprüft werden. Wie Grenz empirisch ermittelte, dienen Beteiligungsaktivitäten von Problemunternehmen zumeist defensiv dem Mißerfolgs­ ausgleich, während erfolgreiche Unternehmen damit auf offensive Potentialerwei­ terungen, also Diversifikation und Expansion auf Wachstumsmärkten, abzielen. Vgl. Grenz, T. (1987). S. 205 f. Bei der Bewertung dieser Größen müssen aber die handels- und steuerrechtlichen Abschreibungsmöglichkeiten beachtet werden, wie z.B. degressive Afa oder Sonder-

Kreditwürdigkeitsprüfung

65

'Melkstrategie', gekennzeichnet durch hohen Abnutzungsgrad, niedrige Abschreibungsquote und geringe Investitionen bei gleichzeitig hohen Ausschüttungen sollte vom Kreditinstitut bei der Beurteilung ausgeschlossen werden können.96

Komplementär zum Anlagevermögen verhält sich das Umlaufvermögen, welches sich im wesentlichen aus Vorräten, Forderungen und liquiden Mitteln zusammensetzt. Je breiter das Sortiment (insbesondere im Handel) bzw. je länger die Fertigungszeiten sind, desto größer wird der Anteil des Umlauf- am Gesamtvermögen des Unternehmens sein.97 Mittels der Kennzahlen Rohstoffintensität

Erzeugnisintensität

= (Rohstoffe * 100)/Gesamtvorrate = (Erzeugnisse * 100)/Gesamtvorräte

läßt sich die Struktur der Vorräte (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfer­ tige und fertige Erzeugnisse, Waren) weiter untergliedern. Neben der kapitalbindenden Lagerhaltung und daraus entstehenden Lagerrisiken können, insbesondere bei hohen Lagerbeständen, Inflexibilitäten im Pro­ duktionsprogramm erkannt werden. Bestandserhöhungen bei Halb- oder Fertigerzeugnissen können auf Absatzprobleme oder Überkapazitäten hinweisen.98 Die Höhe der flüssigen Mittel muß stets im Hinblick auf den Zielkonflikt zwischen Rentabilität und Liquidität beurteilt werden.99

Für die Analyse der Kapitalstruktur sind vor allem die Finanzierungs­ quellen, also die Herkunft der Mittel von Eigen- oder Fremdkapital-

96

97

98 99

abschreibungen für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen. Vgl. Probst, H. (1982), S. 144. Diese Melkstrategie hat unmittelbar zur Folge, daß die Unternehmenssubstanz auf­ gezehrt und damit die Krisenanfälligkeit des Unternehmens ansteigen würde. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 729 f. Vgl. Probst, H. (1982), S. 118. Neben diesen mengenmäßigen Aspekten ist für die Höhe des Umlaufvermögens insbesondere auch die wertmäßige Komponente der verarbeiteten/erzeugten Produkte von Bedeutung. Vgl. Probst, H. (1982), S. 119 f. Je höher dabei die Qualität der Zahlungsbereitschaft, gemessen am Anteil des Kas­ senbestandes an den liquiden Mitteln, ist, desto knapper kann der Bestand sonstiger, kurzfristig liquidierbarer Vermögensteile gehalten werden. Vgl. Probst, H. (1982), S. 122 f.

66

Kreditwürdigkeitsprüfung

gebern, von Bedeutung. Sie geben Hinweise auf die finanzielle Disposi­ tionsfreiheit und auf die Haftungssubstanz des Unternehmens. Mittels der Eigenkapitalquote = (Eigenkapital * 100)/Gesamtkapitai

wird die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens gemessen, wobei das Eigenkapital im Sinne von Eigenmitteln möglichst weit definiert werden sollte, um damit die gesamte, den Anteilseignern zuzurechnende Kapital­ decke abbilden zu können. Eigenkapitalähnliche Positionen, wie z. B. Sonderposten mit Rücklageanteil oder Gesellschafterdarlehen, sollten des­ halb anteilig einbezogen werden.100

Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis stellt die Eigenkapitalquote wohl die zentrale Kennzahl zur Beurteilung der Kapitalstruktur dar. Über die notwendige Höhe der Eigenkapitalquote können aber vorab keine generellen Aussagen getroffen werden; sie sollte sich grundsätzlich am unternehmerischen Risiko orientieren. Je größer das Unternehmensrisiko ist, desto komfortabler muß auch die Eigenkapitalausstattung des Unter­ nehmens sein, da im Verlustfall das 'Eigenkapital-Polster' schnell aufge­ zehrt sein kann.fOl Insbesondere bei Kapitalgesellschaften ist diesem Aspekt aufgrund der konkursrechtlichen Regelungen besondere Beachtung zu schenken.!02 Neben Struktur und Volumen des Eigenkapitals muß auch die Fremd­ kapitalausstattung des Unternehmens näher untersucht werden, wobei die aus dem Verbindlichkeitenspiegel ersichtliche Fristengliederung von besonderer Bedeutung ist. Über die Bilanzbewertung hinaus können sich

100 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 731. Unter eigenkapitalähnlichen Positionen wurden frü­ her oftmals auch die Pensionsrückstellungen subsumiert, da man diese als langfristig dem Unternehmen zur Verfügung stehend ansah. Mit dem Anstieg der Zahl der Pen­ sionsberechtigten und der Altersstruktur der Belegschaft, die zu hohen jährlichen Zahlungen führten, zeigte sich aber rasch, daß die Pensionsrückstellungen weniger Eigenkapital-, sondern vielmehr als ungewisse Verbindlichkeit Fremdkapitalcharak­ ter aufweisen. Vgl. Wöhe, G. (1986), S. 846 ff. 101 Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 475 f. Zu beachten bei der Beurteilung der Eigenkapitalausstattung sind neben den rechtsform- auch branchenspezifische Unterschiede. !°2 So hat z.B. gemäß § 92 Abs. 1 AktG der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei einer Aufzehrung von 50 % des Eigenkapitals oder mehr eine außerordentliche Hauptver­ sammlung einzuberufen.

Kreditwürdigkeitsprüfung

67

aus der Analyse der Bankverbindlichkeiten auch Hinweise für neue Geschäftsansätze ergeben, z.B. in Kürze fällige Darlehen anderer Kredit­ institute. Zusätzliche Informationen benötigt der Analyst zur Aufgliederung der Rückstellungen, wobei Pensions- und Garantie-Rück­ stellungen i.d.R. als langfristig eingestuft werden. Neben der Fristigkeit ist insbesondere zu prüfen, ob die Höhe der Rückstellungen den absehbaren künftigen Belastungen Rechnung trägt.103 Über die reine Fristen­ gliederung hinaus spielt die Struktur des Fremdkapitals eine wichtige Rolle. Je nach Mittelherkunft, z.B. von Banken, Konzernunternehmen, Lieferanten etc., muß eine differenzierte Beurteilung erfolgen. Hohe Anteile von Lieferantenkrediten deuten z.B. auf nicht vollständig ausge­ nutzte Skontierungsmöglichkeiten hin, während ein hoher Bankfinan­ zierungsgrad auf eine Abhängigkeit gegenüber den finanzierenden Kreditinstituten hinweisen kann.104 Die bisherigen Ausführungen bezogen sich einseitig auf die Passiv- und Aktivstruktur des Jahresabschlusses. Nun sollen durch Gegenüberstellung von Kapitalaufbringung und -Verwendung die Deckungsrelationen betrachtet werden.

Im Gegensatz zur Analyse der Vermögens- und Kapitalstruktur arbeitet die Finanzstrukturanalyse mit horizontalen Kennzahlen; sie stellt die Aktiv- den Passivpositionen gegenüber. Da die kurzfristige Finanzstruktur auch bei der Beurteilung der Finanzlage eine wesentliche Rolle105 spielt und dort ausführlich analysiert wird, sollen in diesem Kapitel zur Finanz­ struktur speziell die langfristigen Deckungsverhältnisse betrachtet werden. Die Deckungsrelationen beruhen auf dem 'Grundsatz der finanz­ wirtschaftlichen Entsprechung', also dem Postulat der Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung (Investition) und Kapitalbeschaffung (Finan­ zierung). Langfristig gebundene Vermögensteile, wie z.B. das Anlage­ vermögen oder der 'Bodensatz' des Umlaufvermögens, sollen folglich

103 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 733. Auf die Problematik der Behandlung von Pensionsrückstellungen wurde bereits hingewiesen. 104 Vgl. Probst, H. (1982), S. 131. 105 Vgl. dazu die in Kapitel B.2.4.2.1.3 dargestellten Liquiditätsgrade.

Kreditwürdigkeitsprüfung

68

auch langfristig finanziert werden.106 Abbildung B.8 stellt die Kongruenz zwischen Mittelverwendung und Mittelherkunft anschaulich dar: Passiva/Mittelherkunft

Aktiva/Mittelverwendung

Anlagevermögen + "eiserne Bestände" des Umlaufvermögens

Eigenkapital + lang­ fristiges Fremdkapital

Umlaufvermögen (kurzund mittelfristig, ohne "eiserne Bestände")

Kurz- und mittelfri­ stiges Fremdkapital

Abbildung B.8:

FristenkongruenzJ 07

Die Übereinstimmung der Fristen, auch „Goldene Finanzierungsregel“ genannt, kann mittels folgender Kennzahlen gemessen werden:108

Anlagen­ deckungsgrad A = (Eigenkapital (EK) * ^/Anlagevermögen (AV) Anlagen­ deckungsgrad B = (EK + langfristiges Fremdkapital) * 100/AV

Anlagendeckungsgrad A basiert auf der Idealvorstellung, daß das Anlage­ vermögen dem Unternehmen dauerhaft zu dienen hat. Finanziert werden sollte es, so die Forderung der „Goldenen Finanzierungsregel“, folglich in möglichst hohem Maße aus Eigenkapital.109

In Anbetracht der chronisch niedrigen Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen kann diese Anforderung der „Goldenen Finanzierungs­ regel“ in der Praxis vielfach nicht erfüllt werden, weshalb (fehlendes) Eigenkapital durch langfristiges Fremdkapital ersetzt werden muß. Der

106 10? 108 109

Vgl. Probst, H. (1982), S. 132. Abb. in Anlehnung an Probst, H. (1982), S. 133. Vgl. Rehkugler, H./Poddig, T. (1990), S. 216. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 734.

Kreditwürdigkeitsprüfung

69

Anlagendeckungsgrad B beschreibt diesen Sachverhalt. Liegt der Wert unter 100%, wird langfristig gebundenes Vermögen, darunter auch der Bodensatz des Umlaufvermögens, kurzfristig finanziert. In Zeiten einer inversen Zinsstruktur mit höherem Zinssatz für kurzfristige Kredite kann dies einerseits zu Ertragsbelastungen führen, andererseits können Liqui­ ditätsschwierigkeiten bei verwehrten Kreditprolongationen entstehen.! 1°

2.4.2.I.3. Die Analyse der Finanzlage

Hauptzweck der Analyse der Finanzlage ist die Beurteilung des finanziel­ len Gleichgewichtes und der Liquidität des Unternehmens.111 Dieser Aspekt stellt in einer Wirtschaftsordnung, die Zahlungsunfähigkeit mit dem zwangsweisen Ausscheiden aus dem Wirtschaftsprozeß sanktioniert, eine existentielle Voraussetzung für den Fortbestand eines Unternehmens dar.112 Durch die Ermittlung von kurz- und mittelfristigen Liquiditäts­ graden kann die stichtagsbezogene Zahlungsfähigkeit beurteilt werden: Liquiditätsgrad I

= flüssige ^*fleVkurzfrjstige Verbindlichkeiten (kV)

Liquiditätsgrad II = (flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen)/^ Liquiditätsgrad III = (A- Mittel+kurzfr. Forderungen+Bestände)/kV 113

Die Liquiditätsgrade beschreiben bilanzielle Deckungsverhältnisse, die aufgrund der Statik der Bilanz vornehmlich für den kurz- bis sehr kurzfri­ stigen Bereich aussagefähig sind. Während die Verbindlichkeiten meist eindeutig bewertbar sind, besteht insbesondere beim Umlaufvermögen ein legaler Gestaltungsspielraum durch die Ausnutzung von bilanzpolitischen Bewertungsmöglichkeiten. Bedenkt man die Zeitspanne zwischen Bilanz­ stichtag und Bilanzerstellung, wird deutlich, daß die Aussagekraft der bilanziellen Liquidität nur sehr begrenzt ist. Weder zukünftige Einnahmen 1 iO 111 112 112

Vgl. Probst, H. (1982), S. 133 f. Vgl. Bartram, W. (1981a), S. 228. Vgl. Probst, H. (1984), S. 13. Vgl. Wöhe, G. (1986), S. 943 f. Liquiditätsgrad I wird auch als Barliquidität oder quick ratio bezeichnet; die Liquidität auf kurze Sicht gibt der Liquiditätsgrad II wie­ der. Liquiditätsgrad III stellt die (statische) Liquidität auf mittlere Sicht dar und wird auch als working capital ratio bezeichnet.

70

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noch Ausgaben werden erfaßt, freie Kreditlinien oder die Liquidierbarkeit des Anlagevermögens bleiben unberücksichtigt. Aufgezeigt werden kön­ nen mit den statischen Liquiditätsgraden also bestenfalls Entwick­ lungstendenzen, nicht aber die tatsächliche Liquiditätslage.114

Bezieht man zudem die relativ einfache Beeinflußbarkeit der kurzfristigen Liquidität in die Betrachtung ein115, kann gefolgert werden, daß die für die Rückzahlung gewährter Kredite zwingend notwendige Liquidität nicht anhand historischer Bilanzdaten, sondern nur mittels zukunftsgerichteter Informationen beurteilt werden kann. Neben der, den Hausbanken aus der laufenden Geschäftsverbindung bekannten bzw. aus den Evidenzmeldun­ gen der Bundesbank nach § 14 KWG zurückgemeldete Inanspruchnahme der Kreditlinien stellt insbesondere die Finanzplanung des Unternehmens ein nützliches Beurteilungsinstrument dar.116 2.4.2.1.4. Die Analyse der Ertragslage "Ziel der Erfolgsanalyse ist die Beurteilung der gegenwärtigen Ertrags­ lage und der künftigen Ertragskraft. Im wesentlichen geht es darum, ein periodengerechtes, nachhaltig erzielbares Gesamtergebnis zu ermitteln, dieses auf seine Quellen aufzuteilen und schließlich durch Bildung von Kennzahlen zu beurteilen."117 Die Beurteilung der Ertragskraft bzw. der Ertragslage eines Unternehmens soll in die folgenden Teilbereiche aufge­ spalten werden:

□ Erfolgsstrukturanalyse - Erfolgsquellenanalyse - Aufwandsstrukturanalyse

□ Rentabilitätsanalyse □ Cash-Flow-Analyse118

114 Vgl. Rehkugler, H./Poddig, T. (1990), S. 219. H5 Vgl. Seicht, G. (1984), S. 277 f. H6 Vgl. Probst, H. (1982), S. 139. Die Bedeutung des Finanz- und Liquiditätsplans wird in Kapitel 2.4.2.2.2 ausführlicher dargestellt. 117 Gieske, F. (1988), S. 721 f. Diese Definition unterstreicht sehr schön den zukunfts­ gerichteten Blick der Unternehmensanalyse und ist für die Kreditwürdigkeitsprüfung von besonderer Bedeutung, da die eingeräumten Kredite primär aus den künftigen Erträgen zurückgeführt werden müssen. Vgl. dazu Kremer, E./ten Hoevel, W. (1988), S. 78. 118 Vgl. Probst, H. (1982), S. 140.

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"Nur ein Unternehmen, das rentabel arbeitet, bietet die Gewähr dafür, daß ein Kredit vereinbarungsgemäß zurückfließt. Der Ertrag des Unterneh­ mens, vornehmlich der Ertrag, der künftig erwirtschaftet werden kann, ist deshalb der zentrale Faktor zur Beurteilung eines Kreditwunsches."119 Um die Nachhaltigkeit der Ertragskraft beurteilen zu können, muß im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung untersucht werden, wie der Ertrag erwirtschaftet wurde; es müssen die Erfolgsquellen und die Kosten-/ErlösStrukturen des Unternehmens im Sinne einer Erfolgsstrukturanalyse beurteilt werden.120

Die Erfolgsquellenanalyse zielt dabei im Sinne einer Erfolgsspaltung auf die Strukturierung des Gesamtunternehmenserfolges nach dem Betriebs­ bezug und der Regelmäßigkeit des Entstehens ab.121

Zur Analyse, inwieweit der erzielte Ertrag aus der laufenden Geschäfts­ tätigkeit oder aus außerhalb davon liegenden Aktivitäten resultiert, wird

119 120 121 122

Kremer, E./ten Hoevel, W. (1988), S. 78. Vgl. Kremer, E./ten Hoevel, W. (1988), S. 78 f. Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 87 f. Abb. in Anlehnung an Hauschildt, J. (1981), S. 87.

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gewöhnlich die in Abbildung B.9 dargestellte Differenzierung des Gesamtergebnisses durchgeführt: □ ordentliches Betriebsergebnis: hierzu zählen die periodisch abge­ grenzten und von einmaligen Vorgängen bereinigten Aufwendungen und Erträge, die in Bezug zum eigentlichen Unternehmenszweck ste­ hen. □ Finanz- und Beteiligungsergebnis: es umfaßt den Zinssaldo, die Er­ träge und Aufwendungen aus den Beteiligungen, sowie die Erfolgs­ wirkungen aus dem Konzernverbund. □ außerordentliches/neutrales Ergebnis: es beinhaltet die unregel­ mäßigen, außerordentlichen und periodenfremden Aufwendungen und Erträge des betrieblichen und des außerbetrieblichen Bereiches.123

Der ordentliche Betriebserfolg stellt die für die nachhaltige Unterneh­ menssicherung wichtigste Erfolgsquelle dar; ihm und seinem Anteil am Gesamterfolg sollte also besondere Beachtung bei der Erfolgsquellen­ analyse gewidmet werden. Wünschenswert wäre hierfür eine Aufspaltung des ordentlichen Betriebserfolges in die einzelnen Geschäftsfelder. Das Bilanzrecht verlangt hier aber nur eine Aufgliederung des Umsatzes nach Tätigkeitsbereichen und geographischen Märkten124, nicht aber eine, in den angelsächsischen Ländern übliche Aufschlüsselung des Ergebnisses nach den Geschäftsbereichen. Aufgrund der außerordentlichen Bedeutung der Kenntnis, welcher Erfolg mit welchen Produkten erzielt wurde, sollte vom Kreditbearbeiter versucht werden, diese zur zielorientierten Steue­ rung eines Unternehmens notwendigen Informationen zu erhalten.125 Des weiteren ist bei der Beurteilung des ordentlichen Betriebserfolges zu untersuchen, inwieweit sich Bestandsveränderungen und aktivierte Eigenleistungen auf das Ergebnis auswirkten. Gerade hinter diesen Posi­ tionen der Gewinn- und Verlustrechnung können sich große Risiken für die Nachhaltigkeit des Ergebnisses verbergen. Große Bewertungsspiel­ räume bezüglich der Fertigungsgemeinkosten oder Absatzrisiken aufgrund mangelnder Nachfrage nach den produzierten Gütern sind hier

123 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 724. 124 Vgl. § 285 Satz 1, Nr. 1.4, HGB. 125 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 724.

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nur zwei Beispiele, inwieweit die ausgewiesene Ertragslage von der tatsächlich erwirtschafteten abweichen kann. 126

Neben der Ergebnisquellenanalyse stellt die Aufwandsstrukturanalyse den zweiten wesentlichen Bestandteil zur Untersuchung der Erfolgsstruktur des Unternehmens dar. Um zu näheren Erkenntnissen über die Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung zu gelangen, werden die im Unter­ nehmen verursachten Aufwandsarten zur Betriebsleistung (Gesamt­ leistung) in Beziehung gesetzt. Die so ermittelten Aufwandsquoten stellen ein Maß für die Reagibilität des Betriebsergebnisses bezüglich der Veränderung von Preisen oder Faktoreinsatzmengen dar. Im Zeitvergleich können so Hinweise auf die Produktivitätsentwicklung und die Anpassungsfähigkeit des Betriebes an sich verändernde Umwelt­ bedingungen gewonnen werden. Im Vergleich zu anderen Unternehmen derselben Branche sind schließlich Aussagen über die Wirtschaftlichkeit der angewandten Fertigungsverfahren möglich.12? Üblich ist bei der Aufwandsstrukturanalyse die Ermittlung folgender Aufwandsquoten:

□ Materialaufwandsquote

0 Abschreibungsquote

□ Personalaufwandsquote

□ Zinsaufwandsquote,

wobei die entsprechende Aufwandsart zur Betriebsleistung in Beziehung gesetzt wird und zum Zweck detaillierterer Untersuchungen noch weiter untergliedert werden kann.12^ Die betriebswirtschaftliche Bewertung der Aufwandsstruktur muß im Hinblick auf die für den Wirtschaftszweig typi­ sche Zusammensetzung der Aufwendungen erfolgen. Je nach Schwer­ punkt der drei großen Aufwandsblöcke Material, Personal und Abschrei­ bungen kann dann in material-, lohn- oder anlagenintensive Unternehmen unterschieden werden. Eine Wechselwirkung besteht häufig zwischen Material- und Personal­ aufwand. Abhängig von der Produktionsstruktur können durch den ver­ stärkten Einsatz von Fremdleistungen (verlängerte Werkbank, Outsour­ cing) Verschiebungen zwischen Personal- und Materialaufwand bewirkt

126 Vgl. Probst, H. (1982), S. 120. 122 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 725. 128 vgl. Probst, H. (1982), S. 142.

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werden. Die Personalaufwandsquote muß stets rechtsformabhängig beur­ teilt werden. Während der Unternehmerlohn bei Personenhandelsgesell­ schaften als Gewinnausschüttung behandelt wird, können Kapitalgesell­ schaften die Bezüge ihrer tätigen Gesellschafter direkt steuermindernd dem Personalaufwand zurechnen, worunter die zwischenbetriebliche Ver­ gleichbarkeit leidet.129 Insbesondere bei kleineren mittelständischen Unternehmen kann dies im Quervergleich zu Verzerrungen führen.

Angesichts ständig steigender Personalkosten und gesetzlicher oder tarif­ vertraglicher Kostenremanenzen stellt es sich in der Praxis immer wieder als Krisenursache heraus, wenn das Management die Kontrolle über diese wichtige Aufwandsart verloren hat. Erfolgen nicht rechtzeitig Anpassungen, zeigt sich, daß Fehlentwicklungen nur noch mit großem Zeit- und Kostenaufwand (z.B. Sozialplan) entgegengesteuert werden kann. 130 Interessant ist hier neben der reinen Personalaufwandsquote die Produktivitätsentwicklung der Mitarbeiter, sowohl im Zeit- wie auch im Betriebsvergleich. Die hierfür häufig benutzte Kennzahl der Pro-KopfLeistung ermittelt die Betriebsleistung pro beschäftigtem Mitarbeiter als Maß der Produktivität. Diese Kennzahl erscheint aber wegen der Abgren­ zungsprobleme, z.B. mit Teilzeitkräften, Heimarbeitern oder Auszubil­ denden, und der nicht bereinigten Inflationseffekte problematisch. Ein aussagekräftigeres Urteil über die Produktivität der Mitarbeiter ermöglicht die Relation zwischen dem Rohertrag (Betriebsleistung abzüglich Mate­ rialaufwand) und dem Personalaufwand. Sie gibt an, wieviel DM Roher­ trag mit 1 DM Personalaufwand produziert werden können und besitzt dank der Ausschaltung der Inflationseffekte vor allem im Zeitvergleich eine hohe Aussagekraft.131 Die Abschreibungsquote besitzt im Rahmen der Jahresabschlußanalyse gleich mehrfach Bedeutung. Zum einen kann aus der Entwicklung des Verhältnisses von Rentabilität und Abschreibungsquote die Vorteilhaftigkeit von Investitionen annäherungsweise beurteilt werden, zum anderen stellen 'verdiente' Abschreibungen einen wesentlichen Bestandteil der Selbstfinanzierung des Unternehmens dar, da sie zwar Aufwand, aber 129 Vgl. Probst, H. (1982), S. 142 f. 130 vgl. Grenz, T. (1987), S. 159 ff. 131 Vgl. hierzu die Ergebnisse einer von Rommelfanger, H./Unterharnscheidt, D. (1985) durchgeführten Untersuchung über die Aussagekraft von Jahresabschlußkennzahlen.

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keine Ausgaben verkörpern. Mittels dieses sogenannten Kapazitätserwei­ terungseffektes (Lohmann/Ruchti-Effekt) können Folgeinvestitionen finanziert werden. Die Höhe der Abschreibungsquote kann darüber hinaus einen Anhaltspunkt für den Rationalisierungsgrad und das Alter der maschinellen Anlagen darstellen.132 Aussagen über die Finanzie­ rungsstruktur liefert die Zinsaufwandsquote. Je nach Qualität und Volu­ men der in Anspruch genommenen Finanzierungsmittel kann die Ertrags­ lage des Unternehmens belastet werden. Insbesondere vor dem Hinter­ grund der geringen Eigenkapitalausstattung und des damit einher­ gehenden hohen Fremdkapitaleinsatzes gewinnt die Beurteilung dieser Quote an Bedeutung.133

Zusammenfassend konnte gezeigt werden, daß mit der Erfolgsstruktur­ analyse die Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens sowohl nach den Erfolgsquellen als auch nach den damit einhergehenden Auf­ wandsstrukturen untersucht werden kann. Die Verbindung dieser Erfolgs­ größen mit den dabei eingesetzten Ressourcen erfolgt im Rahmen der Rentabilitätsanalyse. Hauptziel jeder marktwirtschaftlichen Unterneh­ mung ist die Erzielung einer möglichst hohen Rentabilität.134 Unter dem Begriff der Rentabilität sollen im folgenden Beziehungszahlen subsumiert werden, die Ergebnisgrößen zu Kapital-, Vermögens- oder Umsatzgrößen in Beziehung setzen, wobei Ausgangspunkt dieser Relativierung ein Kau­ salzusammenhang zwischen Nenner und Zähler ist. Kapital, Vermögen oder Umsatz werden dabei als erfolgsverursachende Faktoren angesehen und den Ertragsgrößen gegenüber gestellt.135 Es können pagatorische und kalkulatorische Rentabilitätsmaße unterschieden werden, wobei letztere als Unternehmensinterna dem externen Analysten oftmals nicht zur Ver­ fügung stehen.136 Die wichtigsten pagatorischen Rentabilitäten sollen kurz dargestellt werden.

132 Zu berücksichtigen sind hier aber Sonderabschreibungsmöglichkeiten bei wirt­ schaftspolitisch erwünschten Zielsetzungen. Vgl. Probst, H. (1982), S. 144 ff. 133 Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 473. 134 Zum unternehmerischen Zielsystem vgl. Kapitel C.2. 135 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 726. 136 Vgl. Chmielewicz, K. (1982a), S. 271.

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Die Gesamtkapitalrentabilität (GKR)

GKR (in %) = (Jahresergebnis + Fremdkapitalzins)*100/Gesamtkapital gibt die durchschnittliche Ergiebigkeit des gesamten im Unternehmen ein­ gesetzten Kapitals unabhängig von seiner Finanzierung wieder und ist deshalb besonders zum zwischenbetrieblichen Vergleich geeignet.137 Ergänzt man die Formel der Gesamtkapitalrentabilität sowohl im Zähler als auch im Nenner um den getätigten Umsatz, erhält man eine erweiterte Renditeformel, den sogenannten Return on Investment (ROI):

GKR (ROI) = [(Jahresergebnis + Fremdkapitalzins)/Umsatz] * [Umsatz/gesamtkapitai] GKR (ROI) = Umsatzrendite * Kapitalumschlag

Diese Aufspaltung der Gesamtkapitalrentabilität erlaubt es, Ursachen von Rentabilitätsveränderungen zu analysieren. Es können so Veränderungen

137 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 727. Die Begriffe „Rentabilität“ und „Rendite“ werden nachfolgend synonym gebraucht. Abb. in Anlehnung an Bartram, W. (1981b), S. 281.

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der Gewinnspanne (d.h. der Umsatzrendite) oder des Kapitalumschlags isoliert werden.139

Abbildung B.10 stellt die möglichen Umsatzrendite/KapitalumschlagKombinationen dar, die jeweils zu einer identischen Gesamtkapitalrendite, in diesem Fall von 15 %, führen. Um zu einer Gesamtkapitalrendite von 20 % zu gelangen, also eine höher gelegene Rentabilitätsisoquante zu erreichen, kann das Unternehmen versuchen, die Umsatzrendite zu erhö­ hen und/oder das eingesetzte Kapital häufiger umzuschlagen. Die Eigenkapitalrentabilität (EKR) wird definiert als EKR (in %) = Jahresergebnis vor Steuern * 100/Eigenkapital WO und gibt die Verzinsung des vom Eigentümer bereitgestellten Kapitals wieder. Die Beurteilung der Höhe der Eigen- und Gesamtkapitalrentabili­ tät muß in Abhängigkeit von einem Vergleichsmaßstab, z.B. dem Kapi­ talmarktzins, erfolgen. Da bei unternehmerischen Investitionen i.d.R. ein höheres Risiko als bei der Anlage in Rentenpapieren zu verzeichnen ist, sollte die Risikoprämie und damit die Gesamtkapitalrendite den Kapital­ marktzins übersteigen. Liegt die Gesamtkapitalverzinsung jedoch dauer­ haft unterhalb der Kapitalmarktverzinsung, stellt dies - je nach der Finan­ zierungsstruktur des Unternehmens - ein deutliches Warnsignal für den Kreditbearbeiter dar. Über den Leverage-Hebel kann es dann zu einer Aufzehrung des Eigenkapitals mit einhergehender Überschuldung kommen.Wl Neben den Möglichkeiten der Eigenfinanzierung durch Einlagen der Anteilseigner und der Fremdfinanzierung über Kredite bzw. den Kapital­ markt steht den Unternehmen die betriebswirtschaftlich besonders bedeut­ same Innenfinanzierung in Form der Selbstfinanzierung zur Verfügung. Dieses Selbstfinanzierungspotential (Cash-Flow) setzt sich aus dem Peri­ odengewinn, den Abschreibungen und den langfristigen Rückstellungen zusammen. W2 Möglich wird die Selbstfinanzierung zum einen durch die 139 WO 141 142

Vgl. Probst, H. (1982), S. 157 f. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 726. Vgl. Chmielewicz, K. (1982b), S. 323 ff.. Darüber hinaus ist die Bildung von stillen Reserven über Bewertungsmaßnahmen, die keine direkt liquiditätserhöhenden Wirkungen haben, für die Selbstfinanzierung von Bedeutung, da durch sie ein Liquiditätsabfluß durch Steuerzahlungen in der

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Thesaurierung von Gewinnen, zum anderen im Falle der Abschreibungen und der Rückstellungen durch die zeitliche Diskrepanz zwischen dem jetzt wirksamen Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung und dem erst in Zukunft entstehenden Liquiditätsabfluß. Diese Mittel stehen dem Unternehmen somit temporär zur Verfügung.143 Gemessen werden kann das Selbstfinanzierungspotential durch den CashFlow144. Für seine Ermittlung bestehen zwei Möglichkeiten.

Auf direktem Wege wird der Cash-Flow als Einnahmeüberschuß aus dem laufenden Geschäft ermittelt, wozu den laufenden Einnahmen die laufen­ den Ausgaben einer Periode gegenübergestellt werden. Der Saldo der Geldbewegungen ergibt dann den Cash-Flow. Für externe Analysten ist dieses Vorgehen aber nicht geeignet, da die notwendigen Informationen über die Zahlungsströme i.d.R. nicht zur Verfügung stehen.145 Der CashFlow wird deshalb häufig retrograd aus der Erfolgsrechnung abgeleitet. Diese indirekte Ermittlung basiert auf der Ausschaltung von leicht gestalt­ baren, nicht sofort zahlungswirksamen Positionen aus der Gewinn- und Verlustrechnung:146 Ergebnis vor Steuern______________________________ + Abschreibungen / - Zuschreibungen + Erhöhung langfristiger Rückstellungen Verminderung langfristiger Rückstellungen + außerordentlicher Aufwand / - a.o. Ertrag +/ - Veränderungen Sonderposten mit Rücklageanteil = CASH-FLOW Abbildung B.ll:

143 144 145 146 147

Cash-Flow-Ermittlung!47

Periode ihrer Bildung verhindert werden kann. Vgl. hierzu auch Beyer, H. (1988), S. 24. Vgl. Probst, H. (1982), S. 161 ff. Vgl. Maier, K. (1981), S. 264. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 739. Vgl. Maier, K. (1981), S. 264. Vgl. Bartram, W. (1981c), S. 334 f.

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Der gemäß Abbildung B.ll ermittelte Cash-Flow steht dem Unternehmen für Gewinnausschüttungen, für die Investitionsfinanzierung und zur Schuldentilgung zur Verfügung. Das außerordentliche Ergebnis wird aus dem Cash-Flow eliminiert, da es sich dabei um keine nachhaltigen Er­ folgskomponenten handelt. Für die Prognose der künftig regelmäßig erzielbaren, finanzwirtschaftlichen Überschüsse dürfen außerordentliche Einflußfaktoren aufgrund ihrer Einmaligkeit keine Berücksichtigung fin­ den.148 Eine wichtige Kennzahl bei der Messung der Selbstfinanzierungskraft im Rahmen der Cash-Flow-Analyse stellt der dynamische Verschuldungs­ grad dar:

Dynamischer Verschuldungsgrad = Gesamtverschuldung/^^^pj^

Er trifft eine fiktive Aussage über die finanzielle Regenerationsfähigkeit des Unternehmens und gibt an, wie lange es bei gleichbleibendem CashFlow - keine Ausschüttungen, Steuerzahlungen und Investitionen unter­ stellt - benötigen würde, um sich vollständig zu entschulden. 149 Neben der Verwendung als Maßstab der Selbstfinanzierungskraft wird der CashFlow auch häufig als Ertragskennzahl interpretiert. Aufgrund der nach­ träglichen Ausschaltung von bestimmten bilanzpolitischen Maßnahmen der Unternehmensleitung soll der Cash-Flow eine Aussage über die tat­ sächliche Ertragskraft der Unternehmung liefern. 150 Dabei ist aber zu beachten, daß der Cash-Flow für sich allein kein zutreffendes Maß für den erwirtschafteten Gewinn sein kann, da er auch Positionen umfaßt, die ein­ deutig Aufwand darstellen, also den tatsächlichen Periodengewinn bela­ sten. 151

148 Vgl. Maier, K. (1981), S. 264. 149 Vgl. Chmielewicz, K. (1982c), S. 432 f. Wie geschildert, handelt es sich dabei um eine fiktive Größe, da zwar Gewinnausschüttungen unterbleiben können, Steuer­ zahlungen aber bei positiver Ertragslage zwangsläufig anfallen. Vgl. dazu auch Seicht, G. (1984), S. 279. 150 Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 99. 151 Unter diesen, den Cash-Flow erhöhenden, aber die Ertragslage belastenden Positio­ nen ist z.B. die Dotierung von Entsorgungs- oder auch Garantierückstellungen zu verstehen, die zwar langfristigen Charakter besitzen, aber auch in der Periode ihrer Bildung zu 'echtem' Aufwand führen können. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 741 f.

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2.4.2.I.5. Kritische Würdigung Am Beginn dieses Kapitels wurde als Ziel der Jahresabschlußanalyse vor­ gegeben, eine zutreffende Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurden die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung im Hinblick auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen auf indirektem Wege ein Urteil über die Wahrscheinlichkeit der vereinbarungsgemäßen Kreditrückzahlung ermöglichen.152

Zur Beurteilung der Aussagefähigkeit der Jahresabschlußanalyse im Rah­ men der Kreditwürdigkeitsprüfung müssen zwei, aufeinander aufbauende Fragen geklärt werden: 1. Stellt der Jahresabschluß die tatsächliche wirtschaftliche Lage eines Unternehmens hinreichend sicher dar und kann diese mit der Jahresab­ schlußanalyse auch bestimmt werden?

2. Genügt die Untersuchung der historischen Jahresabschlußzahlen für die Prognose der künftigen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, oder mit anderen Worten, eignet sich die Jahresabschlußanalyse zur Früherkennung von Kreditrisiken ? Im Hinblick auf die Aussagekraft von Jahresabschlüssen bleibt festzuhal­ ten, daß - insbesondere bei publizitätspflichtigen Unternehmen - die veröffentlichten Abschlüsse oft Mittel zur Selbstdarstellung des Unternehmens sind, die dazu tendieren, vorhandene Schwächen zu verdecken und die Stärken des Unternehmens überzubewerten.153 Allgemein kann festgestellt werden: "Je größer das Unternehmen, desto mehr ist die zu publizierende Handelsbilanz durch eine gezielte Bilanzpolitik beeinflußt."154 Erstellt ein Unternehmen sowohl Handels­ als auch Steuerbilanz, sollte das Kreditinstitut bemüht sein, die mit gerin­ geren bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten verbundene Steuer­ bilanz einzusehen. Bei der Untersuchung der Handelsbilanz kann 152 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 719. 153 Dies ist insbesondere bei größeren Unternehmen der Fall, die meist sowohl Handelsals auch eine Steuerbilanz erstellen. In der Handelsbilanz können Ansatz- und Bewertungswahlrechte zur Ergebnisschönerung ausgenutzt werden, ohne daß dadurch steuerliche Konsequenzen erfolgen. Vgl. Thomas, K. (1985), S. 197. 154 Meyer, C. (1993), S. 43.

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insbesondere bei weniger erfolgreichen Unternehmen - oft von einem geschönten Bild der wirtschaftlichen Lage ausgegangen werden. Zusätzliche, detailliertere Informationen können durch die Analyse des Berichtes des Wirtschaftsprüfers gewonnen werden.

Charakteristisch für den kleineren Mittelstand ist es häufig, daß nur ein Abschluß (Handelsbilanz = Steuerbilanz) aufgestellt wird, wobei dieser weniger der Publizität der Ertragskraft, sondern vielmehr dem Ziel der Steuerminimierung zu dienen hat. Vor diesem Hintergrund muß dann auch die Beurteilung der Ertragslage angepaßt werden. Bedingt durch die nachfolgend auszugsweise angeführten Problembereiche ist die Objekti­ vität und Zuverlässigkeit des Jahresabschlusses bei der Darstellung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens in Frage gestellt: □ Vergangenheitsorientierung:

Informationen aus der Rechnungslegung sind aufgrund des Zeitraums zwischen Jahresabschlußstichtag und Vorlage der Bilanz i.d.R. nicht mehr allein geeignet, um die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unter­ nehmens zu bestimmen. Für die Analyse des Status Quo sind folglich ergänzende, zeitnahe Informationen notwendig, um eine fundierte Beurteilung vornehmen zu können.155 Gerade im Mittelstand werden Bilanzen meist sehr spät, oftmals erst 10 - 14 Monate nach dem Bilanzstichtag aufgestellt. Die Analyse dieser Jahresabschlüsse stellt nach Knief „... Vergangenheitsbewältigung ...“ dar und "... sagt über die gegenwärtige oder gar zukünftige wirtschaftliche Lage nichts aus; denn 10 bis 14 Monate reichen oft aus, um ein blühendes zu einem welkenden Unternehmen zu machen."156 □ Stichtagsbezug:

Der Jahresabschluß kann nur eine Momentaufnahme der zum Ab­ schlußstichtag gegebenen wirtschaftlichen Lage vermitteln, die insbe­ sondere zur Analyse der Liquidität ungeeignet ist und durch stichtags­ bezogene Bilanzierungs- und Bewertungsmaßnahmen ('window dressing') geschönt werden kann.157

155 Vgl. Dettmer, A. (1983), S. 267. 156 Knief, P. (1984), S. 42. 157 Vgl. Müller, G. J. (1981b), S. 251.

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□ Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte:

Bedingt durch die von Ansatz- und Bewertungswahlrechten geprägten Bilanzierungsgrundsätze ist der Informationsgehalt des Jahresab­ schlusses eingeschränkt. Als Beispiel sollen hier die Möglichkeiten zur Bestimmung der Herstellkosten angeführt werden, bei denen im Hin­ blick auf die Behandlung von Gemeinkosten weitgehender Handlungs­ spielraum besteht.158 Aussagen über stille Reserven können aber ohne Zusatzinformationen nicht getroffen werden, so daß die Bilanzanalyse einen erheblichen Interpretationsspielraum besitzt.159

□ Fehlen qualitativer Informationen:

Aus dem Bilanzbild können nur selten Aussagen hinsichtlich der Kapazitätsauslastung, der Produktpalette, der Marktstellung oder der Auftragslage abgeleitet werden, die für die Bonitätsanalyse aber wesentliche Bedeutung besitzen.160 Des weiteren kann die Bilanz durch verstärkte Nutzung von Leasingfinanzierungen, z.B. im 'saleand-lease-back'-Verfahren, oder durch andere, nicht bilanzierungs­ pflichtige Maßnahmen, wie z.B. die Forfaitierung oder das Factoring, bei sonst unveränderten Verhältnissen, wesentlich beeinflußt wer­ den.161 Diese Aspekte werden unter dem Oberbegriff der 'qualitativen Bilanzanalyse' zusammengefaßt und können den Aussagegehalt der Bilanzbeurteilung wesentlich ergänzen. Als Datenquelle kommen ins­ besondere Anhang und Lagebericht des Jahresabschlusses in Be­ tracht.162 □ Subjektivität der Jahresabschlußanalyse: Herkömmliche Bilanzanalysen führen zu mehrdeutigen, zum Teil sogar widersprüchlichen Urteilen über die Bonität eines Unter­ nehmens, da einige Jahresabschlußkennzahlen zu positiven, andere aber zu negativen Teilurteilen über das gleiche Unternehmen gelangen. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 719. Vgl. Beyer, H. (1988), S. 24. Vgl. Seicht, G. (1984), S. 283. Vgl. Müller, G. J. (1981b), S. 252. Leasingverbindlichkeiten sind bei Kapitalgesellschäften gern. § 285 Nr. 3 HGB im Anhang anzugeben, falls sie für die Beurteilung der Ertragslage von Bedeutung sind. Darüber hinaus erfolgt oftmals ein Ausweis des Leasingaufwandes in der Gewinn- und Verlustrechnung. 162 Vgl. Küting, K (1993), S. 14 ff.

158 159 160 161

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Hier muß der Bilanzanalyst die einzelnen Teilurteile anhand subjek­ tiver Bewertungsgewichte zu einem Gesamturteil verdichten. 163 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Kritik am Nutzen der Jahresabschlußanalyse im wesentlichen aus den Eigenschaften des Grundlagenmaterials resultiert: "Bilanzen sind unvollständig, stichtags­ abhängig, bewertungsabhängig, vergangenheitsbezogen und vor allem alt." 164

Für die Bonitätsbeurteilung können die Daten der Bilanzanalyse folglich nur Hilfsgrößen sein, die stellvertretend und ersatzweise für andere, weni­ ger einfach überprüfbare und weitaus schwieriger quantifizierbare Berei­ che des Unternehmensgeschehens, wie z. B. die Unternehmerqualifi­ kation, herangezogen werden.165 Trotz dieser Probleme ist der Jahresabschluß aber dennoch eine wichtige Beurteilungsunterlage, wenngleich auch die Güte der Unternehmensleitung nach h. M. nicht eindeutig durch den ausgewiesenen Erfolg zum Ausdruck kommt. Oftmals stehen dem Kreditinstitut weitergehende Unterlagen nicht zur Verfügung, so daß schon allein deshalb auf die Beurteilung der Bilanz nicht verzichtet werden kann. 166 Zudem ermöglicht sie eine ökono­ mische Effizienz der Unternehmensanalyse. Aspekte wie die Bewertungs­ stetigkeit oder das Wertaufholungsgebot verhindern zu große Brüche im Bilanzbild 167, das Testat des Wirtschaftsprüfers gewährleistet, wenn auch für die Kreditprüfung nicht überzubewerten, zumindest die Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit des Abschlusses. 168

Bei der abschließenden Beantwortung der Frage, ob denn der Jahresab­ schluß zur Prognose der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens tauge, muß grundsätzlich auf die angesprochenen Problemkreise hinge­ wiesen werden. Nachdem es bereits bei der Analyse der bisherigen wirt-

163 Vgl. Baetge, J. (1994), S. If. Dieser Kritikpunkt mündet ein in die Forderung nach einer betriebswirtschaftlichen Theorie der Bilanzanalyse, die ein einheitliches Vor­ gehen sicherstellen könnte. Vgl. dazu Meyer, C. (1989). 164 Rösler, J. (1986), S. 8. 165 Vgl. Bühler, W. (1987), S. 71. 166 im Zuge der 5. KWG-Novelle wird allerdings die Prüfung, ob die Banken die Anforderungen des § 18 KWG eingehalten haben, verstärktes Gewicht besitzen. 167 Vgl. Thomas, K. (1985), S. 197. 168 Vgl. Seicht, G. (1984), S. 281.

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schaftlichen Lage zu Unwägbarkeiten kommt, ist es fraglich, ob mittels des Jahresabschlusses ein hinreichend konkretes Zukunftsbild des Unter­ nehmens abgeleitet werden kann. Angesichts der raschen Änderungen auf den Märkten und im unternehmerischen Umfeld ist die Extrapolation von Vergangenheitsentwicklungen in die Zukunft nicht ohne weiteres mög­ lich. 169 Für die Kreditwürdigkeitsprüfung kann somit ausgesagt werden, daß ein auf die Jahresabschlußanalyse beschränktes Vorgehen für eine risikobewußte Kreditpolitik nicht ausreichen kann; es müssen ergänzende Informationen in die Betrachtung einbezogen werden.l70 "Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Vergangenheit und Gegenwart stets die Basis für die Zukunft ist, ..."171 muß die Kreditwürdigkeitsprüfung primär ver­ suchen, neben der Analyse der vergangenen und heutigen wirtschaftlichen Lage ihr Augenmerk verstärkt auf die Prognose der Zukunft des Unter­ nehmens zu richten. Hierfür reicht die Analyse der Bilanz allein nicht aus. 2.4.2.2. Die dynamischen Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung Als Fazit der Jahresabschlußanalyse konnte im vergangenen Kapitel fest­ gehalten werden, daß eine statisch orientierte Betrachtungsweise nicht zur Prognose künftiger Entwicklungen ausreichen kann. Auch wenn durch einen Mehrperiodenvergleich versucht wird, die Erkenntnisse der Bilanz­ analyse zu dynamisieren, können daraus zwar wichtige Entwicklungsten­ denzen abgelesen werden, wesentliche zukunftsbezogene Einflußbereiche bleiben aber unberücksichtigt. Im folgenden sollen die ergänzenden Mög­ lichkeiten der auf quantitativen Daten basierenden, dynamischen Analyse­ verfahren aufgezeigt werden.

169 vgl. Gieske, F. (1988), S. 719. 170 Vgl. van Gisteren, R. (1986a), S. 13 f. Gefordert wird insbesondere die stärkere Pro­ gnoseorientierung der Kreditprüfung, die auf Grundlage des vergangenheitsorien­ tierten Jahresabschlusses nur schwer zu erreichen ist. Vgl. Hein, M. (1981), S. 161. 171 Sorg, P. (1984), S. 175.

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2.4.2.2.I. Retrospektive Kreditwürdigkeitsprüfung ■ die Kapitalflußrechnung Die Analyse der Kreditwürdigkeit zielt auf die Abschätzung der Wahr­ scheinlichkeit der zukünftigen Rückführung des Kredites durch den Kre­ ditnehmer. Ausgehend von der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage soll die Entwicklung bis zum letzten Zins- und Tilgungstermin des herausge­ legten Kredites abgeschätzt werden.172 Kreditwürdigkeit stellt somit eine dynamische Eigenschaft dar, die nicht auf Basis des heutigen Standes abschließend beurteilbar ist. Für den Jahresabschluß als zeitpunktabhän­ gige Momentaufnahme bedeutet dies, daß er nicht in der Lage ist, dynamische Phänomene, wie z.B die Liquidität, zu erklären. Obgleich auf dem Jahresabschluß basierend, können Kapitalflußrechnungen hier einen gewissen Fortschritt erbringen, indem sie als Zeitraumrechnung die finanzwirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zwischen zwei Bilanzstichtagen analysieren.173 Einfachste Form der Kapitalflußrechnung ist die BeständedifferenzenBilanz. Sie stellt zeitlich aufeinanderfolgende und zuvor gleich struktu­ rierte Bilanzen eines Unternehmens gegenüber und ermittelt so die Verän­ derungen der Bilanzposten im Laufe der Periode.174 Auf der Beständedifferenzen-Bilanz baut die Veränderungsbilanz auf, indem sie Bestands­ veränderungen auf der Aktiv- und Passivseite - geordnet nach Mittelbin­ dung und Mittelfreisetzung - analysiert und übersichtlich darstellt. 175 Unter der Position Mittelverwendung werden Art und Umfang der Ver­ mögensmehrung bzw. Kapitalverminderung ausgewiesen, wodurch Aus­ sagen über Investitionsmaßnahmen und Fremdkapitalrückzahlungen wäh­ rend der Periode abgeleitet werden können. Die Quellen der Finanzierung können aus der Struktur der Mittelherkunft abgelesen werden und auf

172 Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 199. 173 Vgl. Gieske, F. (1988), S. 737. Die Kapitalflußrechnung basiert mit ihrer Bilanz­ orientierung zwar ebenfalls auf Vergangenheitszahlen, betrachtet aber nicht nur Stichtagsdaten, sondern deren Veränderungen im Zeitablauf. 174 Vgl. Rösler, J. (1986), S. 23. 173 Vgl. Lägel, R. (1984a), S. 15.

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Eigenkapitalerhöhungen, Fremdkapitalaufnahmen oder Desinvestitionen zurückgeführt werden.176 Die Veränderungsbilanz gibt somit: □ Aufschluß über die Höhe, nicht aber über den Zweck der betrieblichen Investitionspolitik

□ Einblick in Verschiebungen der Vermögensstruktur □ Übersicht über Kapitalzu- und abflüsse □ Anhaltspunkte über die betriebliche Finanzierungspolitik, insbesondere darüber, inwieweit sich Mittelherkunft und -Verwendung nach Art und Umfang entsprechen.177

Aus diesen Erkenntnissen heraus lassen sich zwar Hinweise auf die wei­ tere Entwicklung des Unternehmens gewinnen, aufbauend auf den einge­ reichten Bilanzen liefert die Veränderungsbilanz aber keine zusätzlichen Informationen. Zur umfassenden Beurteilung der finanzwirtschaftlichen Bewegungen kann die auf Nettobestandsveränderungen basierende Veränderungsbilanz folglich nicht genügen, da ein Großteil der finanziellen Transaktionen unberücksichtigt bleibt. Auf diesem Kritik­ punkt baut die Bewegungsbilanz auf, die den Saldo der Bestands­ veränderungen in die zugrunde liegenden Soll- und Habenbuchungen aufspaltet. Somit werden für jede Bilanzposition die Zu- und Abgänge detailliert erfaßt. Das Bild der Bewegungsbilanz ist also somit ungleich feiner und aussagekräftiger. Erforderlich für diese Analyse sind aber zusätzliche Informationen aus der Finanzbuchhaltung des Unternehmens, die in der Praxis häufig nicht zu erhalten sind.178

Wenngleich die Bewegungsbilanz bereits einen relativ umfassenden Ein­ blick in die finanziellen Bewegungen der Berichtsperioden ermöglicht und Auskunft über Art, Ausmaß und Wirkung der finanzwirtschaftlichen Transaktionen gibt, so umfaßt auch sie nur einen Teil des betrieblichen Finanzierungsspektrums. Zur vollständigen Offenlegung aller Finanzierungs- und Investitionsvorgänge müssen neben den finanzwirksamen auch die erfolgswirksamen Bewegungen einbezogen werden.179 Ergänzt

176 177 178 179

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Lägel, R. (1984a), S. 15. Gieske, F. (1988), S. 737. Gieske, F. (1988), S. 737. Lägel, R. (1984a), S. 32.

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man folglich die Bewegungsbilanz um die Mittelherkunfts- und Verwen­ dungspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung, erhält man die Kapitalflußrechnung i.e.S. Sie arbeitet die Liquiditätswirkung aller betrieblichen Vorgänge heraus und bildet die Mittelherkunft und -Verwen­ dung vollständig ab.180 Durch die konsequente Ausschaltung der rein ver­ rechnungstechnisch bedingten, aber nicht finanzwirksamen Positionen (wie z. B. Abschreibungen oder Rückstellungen) werden nahezu zwangs­ läufig alle bilanzpolitischen Maßnahmen, die der Ergebnisglättung dienen, aufgedeckt. Aufgrund dieses tiefgehenden Einblicks in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist die Veröffentlichung von Kapitalflußrechnun­ gen i.e.S. heute leider noch sehr selten.181

Mittelherkunft: • • •

aus Vermögensminderungen aus Kapitalzunahmen aus Umsatz und Erträgen

- Mittelverwendung: ♦ für Vermögenszunahmen • für Kapitalminderungen • für Aufwand und Gewinn

= Veränderung des Finanzierungsmittelbestandes Abbildung B.12:

KapitalflußrechnungJ 82

Abbildung B.12 stellt die Kapitalflußrechnung übersichtlich in Staffel­ form dar. Mittels der Ausgliederung von für die Liquiditätsbeurteilung besonders wichtigen Bilanzpositionen und Zusammenfassung zu Fonds kann die Kapitalflußrechnung weiter verfeinert werden.183 Ab- und 180 181 183 183

Vgl. Rösler, J. (1986), S. 24 f. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 738. Abb. in Anlehnung an Rösler, J. (1986), S. 25. Der Hauptfachausschuß des Instituts der Wirtschaftsprüfer schlägt dazu folgende Fondsabgrenzung vor: netto verfügbare flüssige Mittel (entsprechend der Liquidität ersten Grades definiert als Saldo aus liquiden Mitteln und kurzfristigen Bankkredi­ ten), Netto-Geldvermögen (Liquidität zweiten Grades; Differenz zwischen flüssigen

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Kreditwürdigkeitsprüfung

Zugänge zu den Fonds geben detailliert Auskunft, aus welchen Quellen die Mittelverwendung gespeist wurde.184

Wenn auch die Nutzung von Kapitalflußrechnungen für die Kreditwürdig­ keitsanalyse oft an der fehlenden Veröffentlichung scheitert, stellt sie den­ noch eine wertvolle Ergänzung zum Jahresabschluß dar. Mittels der Kapitalflußrechnungen läßt sich die betriebliche Investitions- und Finan­ zierungspolitik rückwirkend beurteilen und die künftige Liquiditätsent­ wicklung in Grenzen vorhersehen.185 Ein Kreditinstitut sollte folglich bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit nicht auf diese Informationen verzich­ ten. Ist die Kapitaiflußrechnung i.e.S. nicht zu erhalten, sollte durch den Vergleich der Jahresabschlüsse der vergangenen Perioden zumindest eine Veränderungsbilanz entwickelt werden. 2.4.2.2.2. Prospektive Kreditwürdigkeitsprüfung - die Finanzplanung Mangelnde Planung stellt neben den bereits besprochenen Problemen im Management eine der Hauptschwächen insolventer Unternehmen dar.186 Soll der herausgelegte Kredit nicht aus der Verwertung der Sicherheiten, sondern aus dem erwirtschafteten Ertrag eines am Markt erfolgreich ope­ rierenden Unternehmens zurückgeführt werden, muß das Kreditinstitut sein Augenmerk im Sinne einer zukunftsorientierten Kreditprüfung ver­ stärkt auf die Unternehmensplanung richten.187 Planung kann allgemein definiert werden als gedankliche Vorwegnahme der Zukunft, die Unternehmensplanung im Besonderen stellt ein Instru­ ment zur aktiven Gestaltung der betrieblichen Zukunft dar.188 Ausgehend vom strategischen Bereich wirkt sie auf die auf lange Sicht angestrebten Ziele, wie z.B. hinsichtlich des Produktionsprogramms oder der Absatz­

184 185 186 187 188

Mitteln, Wertpapieren des Umlaufvermögens sowie der kurzfristigen Forderungen und der kurzfristigen Verbindlichkeiten und Rückstellungen) sowie Netto-Umlauf­ vermögen (working capital/Liquidität dritten Grades; Saldo aus Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten). Vgl. Lägel, R. (1984b), S. 11. Vgl. Gieske, F. (1988), S. 738. Vgl. Probst, H. (1982), S. 181. Vgl. Reuter, A. (1985), S. 524. Vgl. Schmidt, J./Claus, R. (1987), S. 444. Vgl. zur Planung auch detailliert die Ausführungen in Kapitel C.3.2.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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märkte. Daraus abgeleitet werden für den operativen Bereich die betriebli­ chen Teilpläne für Absatz, Produktion, Beschaffung und Finanzen, die im Budget zum Ausdruck kommen.189 Schon allein die Tatsache, daß eine Unternehmensplanung installiert ist, signalisiert, daß sich systematisch Gedanken über die betriebliche Zukunft gemacht werden. Insbesondere im Mittelstand ist dabei bisher ein deutliches Defizit im Planungsbereich zu verzeichnen:"Das alles läßt mehr als vermuten, daß einige mittelstän­ dische Unternehmer ihre Firma wie einst die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten steuern, die nur Kompaß, Schal, Krawatte und Brille benötigten. Die Art, wie der Schal flatterte, zeigte ihnen den Seitenwind, bei schräger Krawatte mußte die Kurvenlage korrigiert werden und beschlug die Brille, war dies ein Warnzeichen für baldigen Nebel oder Regen. Dann war Zeit zum Landen, wenn es noch nicht zu spät war."190

Grundlage einer erfolgreichen Unternehmensführung sind geordnete Finanzen. Der Finanzplan stellt hier ein wichtiges Hilfsmittel zur Gestal­ tung der unternehmerischen Zukunft dar. Er unterscheidet sich vom Jah­ resabschluß zum einen in der mehr oder weniger detaillierten Gegenüber­ stellung der künftigen Zahlungsströme, zum anderen beinhaltet er nur die liquiditätswirksamen Einnahmen und Ausgaben.191 Ziel der Finanzpla­ nung ist die Erfüllung der Existenzbedingung eines Unternehmens: die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts durch die Bereitstellung der notwendigen Liquidität im Wege der Innen- oder Außenfinanzierung.192 Sie hat dazu durch die systematische Steuerung zukünftiger Einzahlungen und Auszahlungen folgende Teilaufgaben zu erfüllen: □ Anpassung der Einzahlungen an den Betriebsablauf □ Ausrichtung der Ausgaben an den betrieblichen Finanzierungsmög­ lichkeiten

□ Vermeidung von finanziellen Unterdeckungen

O Umgehung von Finanzmittelstaus.

189 190 191 192

Vgl. Antensteiner, E./Hinterleitner, A. (1987), S. 885. Nahlik, W. (1989), S. 629. Vgl. Probst, H. (1984), S. 13. Vgl. Müller, G. J. (1981a), S. 55.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

Als Aufgabe der Finanzplanung kann somit die Sicherstellung eines rei­ bungslosen Betriebs- und Unternehmensablaufes von der finanzwirt­ schaftlichen Seite her festgehalten werden; durch die Erhaltung der finan­ ziellen Flexibilität und des finanziellen Gleichgewichts sollen die Wett­ bewerbschancen des Unternehmens gewahrt bleiben. 193 Der kurzfristig ausgerichtete Liquiditätsplan gibt im Sinne einer Liquiditätsvorschau Auskunft über die Entwicklung der Zahlungsfähigkeit innerhalb eines kurzen Planungszeitraums von wenigen Tagen bis zu maximal einem Jahr. Liquiditätsengpässe sollen frühzeitig aufgezeigt und Maßnahmen zu ihrer Deckung angemahnt werden. Die für die geplanten Investitionsmaß­ nahmen notwendigen Finanzierungsmittel werden im Investitionsplan dargestellt, indem die benötigte Mittelbeschaffung der geplanten Mittel­ verwendung gegenüber gestellt wird.194 Die besondere Eignung des Finanzplans für die Kreditwürdigkeitsprüfung läßt sich aus dem Vergleich der zugrunde liegenden Zielsetzungen in Abbildung B.13 ablesen. Ziele der

Finanzplanung

Kreditwürdigkeitsprüfung

□ Sicherung der Zahlungsfähigkeit

□ Prüfung der Zahlungsfähigkeit

□ Sicherung der Rentabilität

□ Prüfung der Rentabilität

□ Finanzwirtschaftliche Integration partieller Unternehmensaktivitäten

□ Prüfen, inwieweit geplante Unter­ nehmensaktivitäten finanziell ab­ gesichert sind

□ Rationalisierung, insbesondere im Finanzbereich □ Erhaltung der Finanzierungskraft

Abbildung B. 13:

□ Prüfen der Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens □ Prüfen der Kapitalbeschaffungs­ möglichkeiten

Vergleich Finanzplanung und Kreditwürdigkeits­ prüfung195

193 Vgl. Henkemeyer, M. (1991), S. 296. 194 Vgl. Probst, H. (1982), S. 197 ff. I93 Abb. in Anlehnung an Probst, H. (1982), S. 190.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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Wie die Abbildung zeigt, stehen die Ziele der Finanzplanung und der Kre­ ditwürdigkeitsprüfung in einem komplementären Zusammenhang. Die Ziele der Finanzplanung sind die Untersuchungsbereiche der Kreditwür­ digkeitsprüfung, weshalb es sinnvoll ist, sich im Rahmen der Kreditwür­ digkeitsprüfung mit der Finanzplanung zu befassen. Neben einer wert­ vollen Ergänzung der Jahresabschlußanalyse kann die Betrachtung des Finanzplans auch ersatzweise zur Erfüllung des § 18 KWG herangezogen werden, wenn der Jahresabschluß kein aussagekräftiges Urteil über die Lage des Unternehmens ermöglicht, wie es z.B. bei Firmenneu­ gründungen oder Sanierungskrediten der Fall ist.196 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Analyse der Finanz­ planung ein wichtiges Instrument der Kreditwürdigkeitsprüfung darstellt. Die Ziele der Kreditwürdigkeitsprüfung und der Finanzplanung zeigen dabei eine bemerkenswerte Übereinstimmung; durch das Vorhandensein eines Finanzplans kann die Kreditprüfung zukunftsorientierter gestaltet werden. Insbesondere im Mittelstand steht man aber vor dem Problem, daß die Aufstellung und vor allem die Einreichung einer Finanzplanung eher noch zu den Ausnahmen zählt, so daß dieses Instrument in der Praxis noch nicht die notwendige Anwendung findet. Zu berücksichtigen ist zu­ dem, daß die Finanzplanung im Vergleich zum Jahresabschluß ungleich leichter manipulierbar ist und zwischenbetrieblich - mangels einheitlicher Gestaltung - kaum vergleichbar ist. Zudem stellt sie nur gewollte künftige Soll-Zustände dar, die sich an der Entwicklung des Marktes messen lassen müssen.197 Der effizienten Auswertung und der Aussagekraft dieses Instruments sind somit enge Grenzen gesetzt.198

196 Vgl. Krüger, B. (1993), S. 54. 197 Ziel jeder Unternehmenspolitik muß die Erhaltung des Unternehmens in der Zukunft sein. Die Unternehmensplanung ist dieser Aufgabe verpflichtet und muß eine gewünschte, positive Entwicklung darstellen bzw. Wege zum Verlassen von Fehl­ entwicklungen aufzeigen. Folglich wird eine, insbesondere einem Kreditinstitut überlassene, Unternehmensplanung von einer positiven Zukunftsentwicklung aus­ gehen, da letztlich jedes Unternehmen ein Scheitern vermeiden will. Für die Kredit­ würdigkeitsprüfung bedeutet dies, daß die Unternehmensplanung kritisch zu würdi­ gen und insbesondere auf die zugrundeliegenden Planungsprämissen zu untersuchen ist. Vgl. zu dieser Thematik auch von Stein, J. H./Kirschner, M. (1988), S. 313 f. 198 Vgl. Hein, M. (1981), S. 163.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

2.4.2.23. Kritische Würdigung

Die Dynamisierung der Kreditprüfung erlaubt ein differenzierteres und aussagefähigeres Urteil über die wirtschaftliche Lage eines Unterneh­ mens, als es allein auf Basis der Jahresabschlußanalyse möglich wäre.199 Eine Ergänzung zum Jahresabschluß stellt die Kapitalflußrechnung dar, die die Entwicklung zwischen den Abschlußstichtagen transparent macht und somit das Urteil über die (vergangenheitsbezogene) Bonität vertieft. Die Tauglichkeit dieses Instruments ist in der Praxis aber begrenzt, da Unternehmen ofmals keine Kapitalflußrechnungen veröffentlichen und die zum Erstellen notwendigen zusätzlichen Informationen über die Bruttobewegungen der Konten nicht verfügbar sind. Im Hinblick auf eine verstärkte Prognoseorientierung der Kreditprüfung ist die auf Vergangen­ heitszahlen beruhende Kapitalflußrechnung ebenfalls weniger geeignet, so daß sie im Gesamtkonzept der Kreditwürdigkeitsprüfung nur eine ergän­ zende Informationsquelle darstellen kann.

Wesentlich bedeutsamer für die Prognose der künftigen Unternehmens­ entwicklung ist die Finanzplanung. Sie zeigt die erwartete Entwicklung des Unternehmens anhand von Liquiditäts- und Investitionsplänen auf und dient somit als Instrument zur Existenzsicherung des Kreditnehmers. Gerade im Hinblick auf die im Mittelstand zumeist unzureichend ent­ wickelte Unternehmensplanung sind der Anwendung dieses Instruments aber enge Grenzen gesetzt. Die aufwendige Auswertung der betriebsindi­ viduell gestalteten Planungsunterlagen und die relativ einfache Manipula­ tionsmöglichkeit stellen weitere Problembereiche dar. Abhilfe könnte hier durch eine geeignete instrumentelle Planungsunterstützung der mittelstän­ dischen Unternehmen durch das kreditgewährende Institut geschaffen werden, wie es augenblicklich durch die zur Verfügung gestellten EDVgestützten Planungssysteme versucht wird.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sowohl die Kapitalfluß­ rechnung als auch die Finanzplanung wesentliche Informationen über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens jetzt und in der Zukunft liefern können. Aufgrund der dargestellten Problembereiche können sie allein

199 Vgl. Probst, H. (1982), S. 181.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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aber nicht für ein zuverlässiges Urteil über die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ausreichen.

2.4.2.3.

Die statistischen Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung

2.4.2.3.I. Überblick und Aufbau statistischer Verfahren

Die herkömmliche, zumeist quantitativ orientierte Kreditwürdigkeitsprü­ fung ist wesentlich geprägt durch subjektive Elemente, wie z.B. die Sach­ kenntnis oder die Intuition des Entscheidungsträgers. Die in der Praxis gebräuchlichen Beurteilungs- und Bewertungskriterien basieren zum Großteil auf der Erfahrung der einzelnen Kreditbearbeiter. Dement­ sprechend uneinheitlich, subjektiv oder sogar undurchsichtig sind die Pro­ zesse, die zu einem Urteil über die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens führen. Eine Alternative zu diesem nur begrenzt strukturierten Vorgehen ist in den formalisierten, mathematisch-statistischen Analyseverfahren zu sehen.200 Formalisierte Verfahren der Bonitätsprüfung sollen gewähr­ leisten, daß Kreditrisiken frühzeitig erkannt werden und somit teuere Bearbeitungskapazität von den bonitätsmäßig problemlosen Engagements zu risikoreicheren, mit höherem Prüfungsaufwand verbundenen Kredit­ anträgen verlagert werden kann.2°l Als Nebeneffekt hieraus kann die Geschwindigkeit und der Ablauf der Kreditentscheidung wesentlich ver­ bessert werden, was im Zeichen zunehmendem Konkurrenzdrucks zu einem nicht unbedeutenden Marketinginstrument geworden ist.202

Die Ziele der statistischen Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung lassen sich wie folgt zusammenfassen: □ Rationalisierung der Kreditwürdigkeitsprüfung □ Objektivierung der Urteilsfindung □ Risikoreduzierung und Risikosteuerung durch eine verbesserte Urteils­ qualität.203

200 201 202 203

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Krause, C. (1993), S. 11. Köllhofer, D. (1989), S. 2. Schmoll, A. (1993), S. 516. Krause, C. (1993), S. 11 f.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

Die Entwicklung statistischer Verfahren zur Bonitätsbeurteilung kann auf folgende Impulse zurückgeführt werden:

□ Kritik an der traditionellen Bilanzanalyse, insbesondere an der Vielzahl und der Zusammenhanglosigkeit der Kennzahlen sowie der Problematik, zu einem Gesamturteil zu gelangen. □ Entwicklung geeigneter statistischer Methoden, die es ermöglichen, statistische Massen zu unterscheiden, zu vergleichen und schließlich zu bewerten.

□ Entwicklung der EDV-Technik, die es dank der Leistungsfähigkeit moderner Rechenanlagen erlaubt, auch größere Datenmengen schnell und kostengünstig zu analysieren. □ Hohe Anzahl an Insolvenzen, die den Ruf nach Früherkennung von Kreditrisiken verstärkte.204

Wesentliche Problematik der traditionellen Kreditprüfungsverfahren, so zeigte auch die bisherige Darstellung, ist es, aus der Vielzahl der - positi­ ven wie negativen - Einzelfaktoren zu einem Gesamturteil im Sinne eines Bonitätsindices zu gelangen.205 Für den Aufbau statistischer Verfahren zur Bonitätsanalyse auf Basis des Jahresabschlusses sind deshalb die fol­ genden Aspekte zu erforschen: □ Ermittlung aussagefähiger Kennzahlen für die Prognose der künftigen Unternehmensentwicklung

□ Feststellung der Gewichtung der gewählten Kennzahlen zur Errech­ nung einer Bonitätskennzahl für das Unternehmen (Aggregation der Einzelmerkmale zu einem Gesamtrisiko-Index).206 Diese Fragen können mittels zweier Vorgehensweisen geklärt werden. Die deduktive Methode versucht, zuerst die einzelnen Bonitätsmerkmale durch Befragung von Kreditexperten zu gewinnen. Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt die einzelnen Faktoren hinsichtlich ihrer subjektiven Bedeutung für das Bonitätsurteil gewichtet. Auf Grundlage dieser Faktoren und deren Gewichtung wird dann eine Trenngrenze ('score') definiert, durch die Unternehmen 'guter' und 'schlechter' Bonität 204 Vgl. Hauschildt, J. (1988), S. 115. 205 Vgl. Steiner, M. (1982), S. 407. 206 Vgl. Kronheim, L. (1984), S. 191.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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getrennt werden. Empirische Modelle beruhen ebenfalls auf einem deduktiven Ansatz. Die einzelnen Kriterien, Gewichte und der Trennwert werden aber nicht subjektiv bestimmt, sondern mittels Auswertung von Jahresabschlüssen geeigneter Unternehmensstichproben auf statistischem Wege bestimmt.207 Dank der Entwicklung der EDV-Technik und der Fortschritte bei den Methoden zur Aufbereitung und Auswertung von Daten haben sich die Möglichkeiten eines Kreditinstitutes, Kreditrisiken rechnergestützt zu erkennen und zu überwachen, deutlich vergrößert.208 2.4.23.2. Die statistischen Grundlagen der Bonitätsprognosemodelle

Statistische Verfahren der Bonitätsanalyse, im folgenden als credit­ scoring bezeichnet, sollen eine Systematisierung und Objektivierung der Kreditwürdigkeitsprüfung ermöglichen und eine wertvolle Entscheidungs­ hilfe für das Kreditmanagement anbieten.209 Grundgedanke dieser Vor­ gehensweise ist es, daß sich Unternehmen, die in der Gefahr stehen, in eine kritische Lage zu geraten, schon frühzeitig in ihrem Jahresabschluß­ bild von Unternehmen mit einer unauffälligen Geschäftsentwicklung unterscheiden. Es müssen folglich diejenigen Einzelkennzahlen oder Kennzahlen-Systeme ermittelt werden, die eine Trennung von erfolgreichen und potentiell insolventen Unternehmen erlauben.2l° Die Diskriminanzanalyse stellt hierfür ein wesentliches Hilfsmittel dar. Bei den Diskriminanzanalyseverfahren können zwei Grundformen unter­ schieden werden. Die univariate Diskriminanzanalyse, auch als dichotomischer Klassifikationstest bezeichnet, verfolgt die Zielsetzung, diejenige Einzelkennzahl mit der höchsten Aussagekraft für das Kreditwürdigkeits­ urteil zu ermitteln. Vorteil der univariaten Diskriminanzanalyse ist ihre verfahrenstechnisch einfache Handhabung; sie setzt zudem keine be­ stimmte Verteilungshypothese der Kennzahlenwerte in der Grundgesamt­ heit voraus. Mittels nur einer Kennzahl kann aber auf der anderen Seite auch nur ein Teil der im Jahresabschluß abgebildeten Informationen

207 Vgl. Tichy, B. (1983), S. 245. 208 Vgl. von Stein, J. H. (1983), S. 367. Vgl. hierzu auch die Ausführungen über die Verfahren der Künstlichen Intelligenz in Kapitel D.2.4 und 2.5. 209 Vgl. Pietzak, M. (1986), S. 18 f. 21° Vgl. Unterharnscheidt, D. (1987), S. 38.

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erfaßt werden.211 Als Beispiel für eine univariate Diskriminanzanalyse kann der von Hauschildt ermittelte Krisensignalwert angeführt werden. Als Erfolgskennzahl, die auf einem um außerordentliche Einflüsse bereinigten und um die Ertragssteuern erweiterten Cash-Flow basiert, der auf die Bilanzsumme bezogen wird, soll sie einen einfachen, aber zugleich aussagefähigen Unternehmensvergleich mit einer Trefferquote von immerhin 65 % ermöglichen.212 Mit dieser Diagnoseleistung sind der univariaten Diskriminanzanalyse aber enge Grenzen gesetzt. Eine Verbesserung der Trefferquote kann mit der multivariaten Diskriminanzanalyse erreicht werden. Sie verwendet mehrere Kennzahlen zur Klassifikation eines Unternehmens, die gewichtet und zu einer neuen Kennzahl, dem Diskriminanzwert, zusammengefaßt werden.213 Ihr Ziel ist es,"... aus der Gegenüberstellung der Zahlen der Jahresabschlüsse von solventen und wenig später insolvent gewordenen Unternehmen diejenigen Merkmale (Kennzahlen) und ihre Gewichtungen im Gesamtzusammenhang herauszufinden, die für die Bestandsfestigkeit (Bonität) eines Unternehmens empirisch die größte Bedeutung haben."214 Die so gewonnene Gewichtung von Trennkriterien, die sogenannte Diskriminanzfunktion, wird dann in einem zweiten Schritt auf die Jahresabschlüsse von nicht in der Stichprobe enthaltenen Unternehmen angewandt, um eine Aussage über deren zu erwartende Bonitätsentwicklung zu erhalten.215 Nahezu alle bislang entwickelten multivariaten Diskriminanzfunktionen gingen zunächst von einem umfangreichen Katalog von Jahresabschluß­ kennzahlen aus, der dann subjektiv oder verfahrensgeleitet auf wenige, meist drei bis acht Kennzahlen reduziert wurde.21^ Im Regelfall besteht die Diskriminanzfunktion dabei zumindest aus einer Kombination einer Renditekennzahl, einer Kennzahl zum Verschuldungsgrad und aus einer dritten, meist etwas weniger bedeutsamen Kennzahl. Es ist " ... umso erstaunlicher, daß diese Kombinationen relativ einfacher Kennzahlen in 211 212 213 214 215 216

Vgl. Krause, C. (1993), S. 15 ff. Vgl. Leker, J. (1994), S. 168. Vgl. Krause, C. (1993), S. 18. Thomas, K. (1985), S. 204. Vgl. Steiner, M. (1982), S. 409. Vgl. Meyer, C. (1989), S. 47.

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allen hier betrachteten Untersuchungen zu Trefferquoten von über 75 Pro­ zent führen."217 Damit ist die multivariate Diskriminanzanalyse dem univariaten Ansatz hinsichtlich der Klassifikationsleistung deutlich überle­ gen.

Erstmalig wurde die multivariate Diskriminanzanalyse auf dem Gebiet der maschinellen Bonitätsanalyse im Jahre 1968 von Altman eingesetzt.218 Der von ihm entwickelte 'Z-Score' hatte zum Ziel, durch eine multivariate Verknüpfung von Jahresabschlußkennzahlen eine Insolvenz bereits zwei Jahre vor ihrem Eintritt möglichst treffsicher prognostizieren zu können. Der Untersuchung zugrunde lagen je 93 solvente und insolvente Unter­ nehmen und deren Bilanzen zwischen den Jahren 1946 und 1965.219 Die daraus ermittelte Diskriminanzfunktion lautete wie folgt: Z = 1,2 X] + 1,4 x2 + 3,3 Xj + 0,6 x4 + 0,99 x5,

wobei Altman folgende Kennzahlen benutzte: Working Capital / Xp ° 1 ' Bilanzsumme Gewinnrücklagen / „.. x2 : ° ' Bilanzsumme Erfolg vor EE-Steuern + Zinsen / x3: Bilanzsumme Marktwert des gezeichneten Kapitals / x4: Fremdkapital Umsatz / tt, x5: ' Bilanzsumme. Der Z-Score, also der Trennwert zwischen tendenziell krisengefährdeten und unauffälligen Unternehmen, wurde bei einem Wert von Z = 1,8 ermittelt.220 Während mit der univariaten Diskriminanzanalyse lediglich ein Analysebereich abgedeckt werden konnte, erlaubt der Z-Score die Berücksichtigung sowohl der Finanz- als auch der Vermögens- und der Ertragslage. Damit ist es möglich, die Krisensymptome Illiquidität und

212 218 219 220

Leker, J. (1994), S. 169. Vgl. Altman, E. (1968), S. 589 ff. Vgl. Bleier, E. (1989), S. 100. Je niedriger der Z-Score ausfällt, desto höher ist die Konkurswahrscheinlichkeit zu bewerten. In den folgenden Jahren hat Altman seine Diskriminanzanalysen hinsicht­ lich der Verfahren zunehmend verfeinert und auf Basis neuer Daten diverse länder­ spezifische Trennfunktionen ermittelt. Vgl. Altman, E. (1984), S. 172 ff.

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Überschuldung sowie eine mangelnde Ertragskraft analytisch zu erfas­ sen.221

Aufgrund der empirischen Vorgehensweise ist die Tauglichkeit der Dis­ kriminanzfunktion aber von der Repräsentativität der zugrunde liegenden Stichprobe und bestimmten mathematisch-statistischen Anforderungen, wie z.B. einer Normalverteilung der Kennzahlenwerte, abhängig 222 Die Diskriminanzanalyse liefert einen allgemeingültigen Maßstab zur Klassi­ fizierung von Unternehmen, sofern das Bilanzmaterial den diesen Anfor­ derungen genügt.223 Vorteil der Diskriminanzanalyse gegenüber dem deduktiven Ansatz ist die nicht auf subjektiven Einschätzungen beruhende Zuordnung der Unternehmen zu Risikoklassen; die Kennzahlen und ihre (Bonitäts-)Gewichtung werden empirisch ermittelt, die Auswertung erfolgt standardisiert.224 Unter der Prämisse, daß die gewichtete Diskri­ minanzfunktion im Zeitablauf hinreichend stabil ist, kann unter Verwen­ dung historischer Daten eine Prognose der künftigen Bonität von Unter­ nehmen abgegeben werden.225

Neben der Diskriminanzanalyse, die sich im Praxistest mittlerweile schon lange bewährt hat, gewinnen in jüngster Vergangenheit die Verfahren der Mustererkennung an Bedeutung.226 Zu nennen sind hier die neueren Ent­ wicklungen des Forschungsgebiets der künstlichen Intelligenz, wie z.B. die künstlichen neuronalen Netze. Obwohl zu diesen Verfahren bislang nur sehr wenige Praxiserfahrungen vorliegen, lassen sie einen erfolgver­ sprechenden Einsatz bei der Kreditwürdigkeitsprüfung erwarten.227

221 Vgl. Leker, J. (1994), S. 168. 222 Vgl. Keysberg, G. (1989), S. 37 ff. 223 Vgl. Thomas, K. (1985), S. 204 f. Empirische Untersuchungen zeigten, daß die Dis­ kriminanzanalyse aber relativ robust auf die Verletzung der dargestellten Anwen­ dungsvoraussetzungen reagiert. Vgl. hierzu Hochstädter, D./Kaiser, U. (1989), S. 557. 224 Vgl. Steiner, M. (1982), S. 409. 225 Vgl. Thomas, K. (1985), S. 201. 226 Hierzu ist auch das im nächsten Kapitel dargestellte Analysesystem STATBIL zu zählen, das auf dem Nearest-Neighbors-Verfahren basiert. 227 Vgl. Krause, C. (1993), S. 2. Die Verfahren der Mustererkennung mittels künstlicher neuronaler Netze werden in Teil D Kapitel 2.5. dargestellt.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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2.4.23.3. Empirische Ergebnisse zur statistischen Bonitätsprognose Zur Systematisierung empirischer Arbeiten zu dieser Thematik ist es sinn­ voll, auf deren methodologische Vorgehensweise abzustellen. Wie bereits geschildert, finden sich in der Literatur sowohl deduktive als auch empiri­ sche Ansätze. Mittels dieses Kriteriums geordnet, soll nachfolgend eine Auswahl von Forschungsarbeiten dargestellt werden.

Rommelfanger/Unterharnscheidt versuchten in ihrer auf der Befragung von Kreditexperten basierenden Untersuchung diejenigen Kennzahlen zu extrahieren, die von den Kreditbearbeitern bei der Bonitätsanalyse beson­ dere Beachtung finden.228 Zur Bewertung standen im ersten Teil der Befragung insgesamt 42 Kennzahlen, die in die sieben in Abbildung B.14 dargestellten Kategorien eingeteilt wurden. Nach Auswertung der an 128 bundesdeutsche Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme von mindestens 500 Mio. DM und mehr als 250 Mitarbeitern versandten Fragebögen229 ergaben sich die in der Abbildung aufgeführten, besonders aussagekräfti­ gen Kennzahlen. Es zeigte sich im Verlauf der Untersuchung, daß die Bereiche 'Ertragslage' und 'Liquidität' die relativ größte Beachtung finden und die klassischen Aspekte der Kreditwürdigkeitsprüfung wie Rentabili­ tät, Selbstfinanzierungskraft sowie die Vermögens- und Kapitalstruktur stark gewichtet werden. Qualitativen Merkmalen, wie z.B. der Qualifika­ tion und charakterlichen Eignung der Unternehmensleitung oder der Organisation, wurde dagegen nur geringe Aufmerksamkeit entgegen­ gebracht.230

Ebenfalls die Erfahrungen von Experten zum Thema 'Bilanzanalyse', hier vor allem von in- und ausländischen Finanzanalysten und 'creditmen', nutzte Tamari.231 Aus der Analyse der Abschlüsse von konkurs- oder sanierungsbedürftigen Unternehmen ergab sich folgendes Bild: □ bereits 5 Jahre vor der Zahlungseinstellung waren die finanzwirtschaft­ lichen Kennzahlen dieser Firmen schlechter als die Vergleichszahlen der Gesamtindustrie 228 Vgl. Unterharnscheidt, D. (1987), S. 42. 229 Als Rücklaufquote wurden 71,9 % angegeben. Vgl. Rommelfanger, H./Unterharnscheidt, D. (1985), S. 421. 230 Vgl. Rommelfanger, H./Unterharnscheidt, D. (1985), S. 424 ff. 231 Vgl. Tamari, M. (1981), S. 495 f.

100

Kreditwürdigkeitsprüfung

□ bei der Mehrzahl der Unternehmen sanken die Kennzahlenwerte im Zeitverlauf.232

Auf Basis dieses Früherkennungscharakters wurden Kennzahlen ausge­ wählt, die sich besonders zur Insolvenzprognose zu eignen scheinen und zu einem Risiko-Index 'Insolvenzprognose' verdichtet. Die Zusammenset­ zung des Index bestimmten folgende Kennzahlen:

Eigenkapitalquote

(25 Punkte)

Gewinnentwicklung (25 Punkte)

Liquidität (Liquiditätsgrad II)

(20 Punkte)

Produktionswert (Umsatz und Bestands­ (10 Punkte) veränderungen durch Warenbestand) Umsatz/- , (10 Punkte) 'Forderungen Produktionswert/,., .. - .. . (10 Punkte) 233 'Working Capital Bei einem Trennwert von 35 Punkten konnten 75% der später insolvent gewordenen Unternehmen diagnostiziert werden. Eine Vergleichsgruppe aus 130 Industrieunternehmen, die unabhängig von bestimmten Branchen ausgewählt wurde, erzielte zu 75% Werte über 46 Punkte. Trotz der relativ einfachen Vorgehensweise und der Subjektivität der Experten­ beurteilung erreicht der Risiko-Index nach Tamari augenscheinlich eine erstaunlich gute Prognosegenauigkeit.234

232 Vgl. Bleier, E. (1989), S. 97 ff. Wenngleich die Aussage, daß die Kennzahlenwerte krisengeneigter Unternehmen im Zeitverlauf sinken, von geringer Aussagekraft ist, so scheint die Früherkennungseigenschaft der Kennzahlen doch beachtlich. Ursäch­ lich hierfür könnte u.a. eine starke Ähnlichkeit zwischen dem Stichprobensample und den bewerteten Unternehmen sein, was eine breite Tauglichkeit in Frage stellen würde. Nicht berücksichtigt wurde, daß univariat gut trennende Kennzahlen sich gegenseitig abschwächen oder verstärken können. Es genügt deshalb nicht, univariat gut geeignete Kennzahlen mit Hilfe von subjektiven Gewichtungen zu einer multivariaten Funktion zusammenzufassen. Vgl. hierzu Krause, C. (1993), S. 18. 233 Vgl. Tamari, M. (1981), S. 498. 234 Vgl. Tamari, M. (1981), S. 499.

Kreditwürdigkeitsprüfung

101

Kategorie

Kennzahlengruppen

Aussagefähigste Kennzahl

Strukturkcnnzahlen

a) Kapitalstruktur b) Vermögensstruktur c) Deckungsrelationen

Haftende Eigenmittel/Bilanzsumme Anlagevermögen/Gesamtkapital (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital)/Anlagevermögen

Liquiditätskcnnzahlen

(liquide Mittel 1. Grades + Lager­ bestand + Forderungen aus Lie­ ferungen und Leistungen + kurz­ fristige Wertpapiere)/kurzfristige Verbindlichkeiten

Rentabilitäts­ a) Gesamtkapital kennzahlen b) Eigenkapital c) Umsatz

(Jahresergebnis + Fremdkapitalzinsen)/Gesamtkapital Jahresergebnis/Eigenkapital (Bilanzgewinn - a.o. Ergebnis)/Eigenkapital Jahresergebnis/Umsatz

Erfolgskenn­ zahlen

a) Aufwandskennzahlen

Kennzahlen aus dem Personal­ bereich

a) Personalkosten b) Wertschöpfung c) Belegschaft und Unter­ nehmensleitung d) Bewertung des Managements -

Umschlags­ kennziffern

(Material- und Wareneinsatz)/Gesamtleistung b) Ertragskennzahlen Brutto-Cash-Flow/Gesamtleistung c) Selbstfinanzierungkraft Cash-Flow Personalkosten/Gesamtleistung Gesamtleistung/Belegschaft Kündigungen im Management p.a./Anzahl der Führungskräfte Charakterliche Eigenschaften und Qualifikation des Managements

(unfertige und fertige Erzeugnisse + geleistete Anzahlungen auf Liefe­ rungen und Leistungen)/ Umsatz

-

((Warenforderungen+Indossamentsverbindlichkeiten)/Umsatz)*360

Abbildung B. 14:

Kennzahlen nach Rommelfanger/Unterharnscheidt^5

KundenKennzahlen

235 Abb. in Anlehnung an Rommelfanger, H./Unterharnscheidt, D. (1985), S. 423. Bei der Analyse der Kennzahlen sollte die Aufmerksamkeit insbesondere auf den Bilanzkennzahlen liegen. Die oben dargestellten qualitativen Kennzahlen zur Beur­ teilung des Managements sind nur wenig aussagekräftig.

Kreditwürdigkeitsprüfung

102

Bei den anschließend dargestellten Beispielen von auf der Diskriminanz­ analyse basierenden, empirischen Untersuchungen besitzt die von der Deutschen Bundesbank zur Prüfung der Rediskontfähigkeit eingesetzte Diskriminanzfunktion eine wichtige Rolle.236 Durch Analyse der Jahres­ abschlüsse jeweils 800 solventer und insolventer Unternehmen konnten die folgenden, besonders trennfähigen Kennzahlen ermittelt werden:

Eigenkapitalquote Kapitalrückflußquote (Cash Fl°w/gebun(jenes Vermögen) Schuldentilgungsfähigkeit

Umsatzrendite Gesamtkapitalrendite. Die größte Gewichtung in der Diskriminanzfunktion besitzt die Eigenka­ pitalquote vor der Kapitalrückflußquote und der Gesamtkapitalrendite. Verständlicherweise aus Sicht der Bundesbank wurden die genauen Gewichtungen sowie der Trennwert der Diskriminanzfunktion nicht veröffentlicht, weshalb eine nähere Beurteilung - wie bei den meisten in der Praxis entwickelten Verfahren - unterbleiben muß.237 Eine Sonderstellung bezüglich des Vorgehens nimmt das im Rahmen des bereits angesprochenen Forschungsprojektes 'Früherkennung von Kredit­ risiken' an der Universität Hohenheim entwickelte Verfahren STATBIL ein. In einem ersten Analyseschritt wurde mittels einer univariaten Dis­ kriminanzanalyse ein breites Spektrum von 140 auf dem Jahresabschluß beruhenden Kennzahlen betrachtet. Untersuchungsobjekt waren dabei die Jahresabschlüsse von 119 insolventen (Konkurs- oder Vergleichsfälle) bzw. insolvenzgefährdeten mittelständischen Unternehmen, denen insge­ samt 327 'gute' Unternehmen gegenübergestellt wurden, wobei eine breite Branchenstreuung mit Schwerpunkt auf dem verarbeitenden Gewerbe vorlag.238 Durch sachlogische Tests und Stabilitätsuntersuchungen konn­ ten die ursprünglich 140 Kennzahlen auf 33 reduziert werden, auf die sich die weiteren Untersuchungen beschränkten.239 236 237 238 239

Vgl. Thomas, K. (1985), S. 204. Vgl. Rehkugler, H./Poddig, T. (1990), S. 233 f. Vgl. von Stein, J. H./Ziegler, W. (1984), S. 250. Vgl. Starke, W. (1984), S. 191.

Kreditwürdigkeitsprüfung

103

Aus diesen ermittelten Kennzahlen errechnet STATBIL keinen Grenzver­ lauf zwischen guten und schlechten Unternehmen, sondern führt einen systematischen Betriebsvergleich durch. Die Klassifizierung der Bilanzen erfolgt dabei durch das 'nearest neighbors'-Verfahren, das besagt, daß die Bonität eines Unternehmen um so besser ist, je geringer der Abstand seiner Bilanzwerte zu denen der Gruppe guter Vergleichsunternehmen ist bzw. sie ist um so schlechter, je mehr sich die Werte denen schlechter Unternehmen annähern, wobei Branchenunterschiede außer acht blei­ ben.240 STATBIL beurteilt die Bonität eines Unternehmens nicht unter Verwendung einer starren Trenngrenze, sondern durch ein allgemein anerkanntes ökonomisches Verfahren, den Betriebsvergleich. Nachdem bei jeder Analyse eine Anpassung der Datenbasis erfolgt, also die Trenn­ grenze jedesmal neu berechnet wird, kann das die Diskriminanzanalyse beeinträchtigende Stabilitätsproblem ausgeschlossen werden. Weiterer Vorteil ist die geringe Gefahr der Übertragung der Bewertungssystematik. Während eine Diskriminanzfunktion leicht von Dritten übernommen werden kann, ist eine Kopie der Unternehmensdatenbank, dem Haupt­ bestandteil von STATBIL, ungleich schwerer. Wie bei der Diskriminanz­ analyse ist auch für die Qualität von STATBIL die Tauglichkeit und der Umfang der Datenbasis maßgeblich, das Augenmerk ist somit der Ent­ wicklung einer hochwertigen Bilanzdatenbank zu widmen.241

Das Auswertungssystem von STATBIL verfolgt zum einen das Ziel, eine Gesamtbeurteilung des Jahresabschlusses zu ermöglichen, zum anderen soll Auskunft über die besonderen Stärken und Schwächen der Unterneh­ mung, die zum Gesamturteil führten, gegeben werden. Dazu wurden unter Verwendung einer statistischen Faktorenanalyse 8 Kennzahlengruppen, die ökonomisch sinnvoll interpretierbar sind, abgeleitet. Durch die Zusammenfassung dieser Gruppen zu einem Gesamtbild werden dann "... Teilbereiche des Jahresabschlusses miteinander verknüpft, gegenseitig abgewogen und zu einem einheitlichen Urteil verdichtet."242 Somit kön­ nen Unternehmen differenziert analysiert und die Beurteilungen

240 Vgl. von Stein, J. H. (1982b), S. 102. 241 Vorteil dieser Verfahrens ist es, daß es keine Normalverteilung der Ausgangsdaten erfordert. Vgl. Keysberg, G. (1989), S. 92 ff. 242 Von Stein, J. H. (1982b), S. 106.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

spezifisch nach den 8 Kennzahlengruppen gestaltet werden. Als Beurteilungsbereiche fanden Verwendung:

□ Ertragskraft

□ Vorratsintensität

□ Kapitalbindung

□ Schuldentilgungskraft

□ mittelfristige Liquidität

□ Überschuldungsrisiko

□ Personalkostenintensität

□ Barliquidität

Aus diesen Teilbereichsanalysen wird das Gesamturteil aufgebaut und dem Kreditbearbeiter mittels graphischer Darstellung in übersichtlicher und selbsterklärender Form dargeboten.243 Die Abbildung B.15 zeigt eine beispielhafte STATBIL-Bewertung für ein fiktives Unternehmen. In der Grafik wird die Beurteilung der 8 Einzelkriterien und des Gesamt­ risikos über die letzten 5 Jahre dargestellt. Die Höhe des Risikoindices orientiert sich an der Wahrscheinlichkeit, zur Gruppe der gefährdeten Unternehmen zu gehören. Werte von 0 bis 0.45 deuten auf ein geringes Risiko hin, Werte über 0.55 signalisieren eine erhöhte Krisengefahr. Innerhalb der "Grauzone" zwischen 0.45 und 0.55 ist eine eindeutige Zuordnung nicht möglich, hier muß mittels einer eingehenderen Unter­ suchung der Teilbereiche das Urteil auf eine breitere Basis gestellt und vertieft werden.244 Studien zur Evaluation von STATBIL in 1990 ergaben, daß die Akzeptanz bei den Anwendern zu Wünschen übrig läßt, da sich in der Regel eine zweigipflige Verteilung der guten und der schlechten Fälle ergibt, ohne daß - wie zu erwarten wäre - die Mittelkategorie überwiegt. Ebenfalls akzeptanzmindernd ist ein in der Praxis vorherrschendes, unvollständiges Verständnis über die Schluß­ weise des Systems im Sinne einer 'black box', die keine Aussage über das Zustandekommen des Urteils trifft.245

243 vgl. Starke, W. (1984), S. 192 f. 244 vgl. Starke, W. (1984), S. 192. 245 Vgl. Ohlenroth, W./Scholz, R. W. (1991), S. 288 ff. Zudem war im Einzelfall eine doch geringe Treffer-Wahrscheinlichkeit zu verzeichnen, die zum einen auf die oft an dem Ziel zur Minimierung des Steueraufwands orientierten Kriterien zur Bildung von Einzelwertberichtigungen, zum anderen auf die nicht in die Beurteilung einbe­ zogenen Branchenspezifika zurückgeführt werden konnte. Vgl. Scholz, R. W. (1991), S. 292 ff.

Kreditwürdigkeitsprüfung

Abbildung B.15:

105

STATBIL-Output™

2.4.23.4. Kritische Würdigung

Für die Beurteilung der statistischen Bonitätsanalyseverfahren kann mit Bühler/Hertenstein festgestellt werden, daß sie "... sehr kostengünstig, dis­ kret und mit geringem Informationsaufwand nicht nur (...) die Risikoklas­ sifizierung des einzelnen Engagements ..." ermöglichen, sondern darüber hinaus eine "... eventuelle Insolvenz eines Unternehmens mit siebzigpro­ zentiger Wahrscheinlichkeit und schon 5 Jahre im voraus zu prognostizie­ ren ..." erlauben.247 Durch die Implementierung eines solchen Systems können die Fehlklassifikationsraten bei der Kreditwürdigkeitsprüfung gesenkt werden. Es erlaubt zudem die Formalisierung und Rationalisie-

24$ Abb. in Anlehnung an von Stein, J. H./Kirschner, M. (1993), S. 379. 247 Bühler, W./Hertenstein, K.-H. (1987), S. 355.

106

Kreditwürdigkeitsprüfung

rung der Kreditentscheidung, wodurch die Beurteilung der Kreditanträge transparent und objektivierbar - nach einheitlichen Kriterien sichergestellt werden kann.248 Weitere Vorteile für die Bank besitzt das credit-scoring als Planungsinstrument. Es ermöglicht die grobe Optimierung des Gesamterfolges, falls der Grenzscore, d.h. die Mindestbonität des margi­ nalen Kreditantragstellers, so festgesetzt wird, daß sich bei diesem Niveau die Verluste aus 'schlechten' Krediten mit den Erträgen aus 'guten' Fällen die Waage halten.24^ Das anfangs vorgegebene Ziel der statistischen Verfahren, die Rationali­ sierung der Kreditbeurteilung durch Früherkennung von Kreditrisiken, kann somit als weitgehend erreicht angesehen werden. Zu konstatieren sind dennoch folgende Problembereiche der statistischen Bonitätspro­ gnose:

□ Auswahl der Stichprobe:

Die Auswahl der 'guten' Unternehmen als Vergleichsmaßstab ist pro­ blematisch, da eine hohe Klassifikationsgüte durch die bewußte Vor­ auswahl erreicht werden kann: " Wenn man die guten Unternehmen etwa nach Rendite und Eigenkapital auswählt, dann darf man sich nicht wundern, daß die Klassifikationsfunktion gerade diese Kenn­ zahlen als trennstark ausweist und überdies bemerkenswert gute Ergebnisse liefert."250 □ fehlender Kausalzusammenhang zwischen Trennfunktion und Unternehmenskrise:

Diskriminanzfunktionen stellen statistisch optimal gewichtete Symptombeschreibungen dar, die keine Aussagen über die Ursachen der Krise erlauben.251 Für den Kreditbearbeiter ist somit keine Kausal­ beziehung erkennbar; das Urteilsverfahren selbst ist als 'black box' nicht transparent. Dieses Akzeptanzproblem kann aber auch zu positi­ ven Auswirkungen auf die Kreditbeurteilung führen, wenn das

248 249 250 251

Vgl. Pietzak, M. (1986), S. 22. Vgl. Hub, P. K. (1992), S. 18. Gemünden, G. (1988), S. 143. Vgl. Gemünden, G. (1988), S. 138.

Kreditwürdigkeitsprüfung

107

Augenmerk mehr auf (einsichtige) qualitative Faktoren der Kreditwür­ digkeit gelegt wird.252

□ Eigendynamik der Bonitätsprognose: Die Beachtung bestimmter Normvorstellungen bei der Kreditgewäh­ rung der Banken führt zur theoretisch 'besseren' Prognosekraft der Verfahren, indem Insolvenzen eventuell erst geschaffen werden. Die unkritische Anwendung der statistischen Bonitätsprognoseverfahren könnte so zu einer 'self-fulfilling-prophecy' führen.253 □ Prognosegenauigkeit der Verfahren:

Selbst wenn Diskriminanzfunktionen eine Trennfähigkeit von ca. 80% richtig eingestufter Unternehmen liefern, ist die Gefahr einer Fehl­ prognose nicht zu vernachlässigen.254 Während der Ertrag der Bank oder Sparkasse aus dem Kreditgeschäft auf den Zinssaldo begrenzt ist, kann das Verlustrisiko den Gesamtbetrag des herausgelegten Kredites zuzüglich der Zinsen erreichen. Dieser Aspekt mahnt grundsätzlich zur Vorsicht bei der Kreditvergabe. Auch bei einer hohen Klassifikations­ güte der Diskriminanzfunktion kann dem Verfahren deshalb nur eine entscheidungsunterstützende Funktion zukommen. □ Stabilität der Diskriminanzfunktion:

Die ermittelte Diskriminanzfunktion ist nur in Zeiten relativ gleich­ mäßiger wirtschaftlicher Entwicklung geeignet, gute Ergebnisse bei der Kreditbeurteilung zu erzielen. Ändern sich die ökonomischen Rah­ menbedingungen, muß auch die Trennfunktion angepaßt werden.255

252 Vgl. Weibel, P. F. (1978), S. 238 f. 253 Vgl. Gemünden, G. (1988), S. 140. 254 Vgl. Thomas, H. (1985), S. 203. Zu unterscheiden sind hier Fehler erster und zweiter Ordnung. Fehler erster Ordnung (Alpha-Fehler) resultieren aus der Einstufung bonitätsmäßig schwacher Unternehmen als kreditwürdig und verursachen in der Folge Kreditausfälle. Fehler zweiter Ordnung (Beta-Fehler) hingegen führen zu Opportunitätsverlusten durch entgangenen Gewinn, wenn ein tatsächlich kreditwürdiges Unternehmen als ’schlecht’ eingestuft wird. Vgl. hierzu Brakensiek, T. (1991), S. 46. 255 Vgl. Bühler, W. (1987), S. 76.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

Dieser Aspekt der Robustheit und der Zuverlässigkeit gewinnt in Zei­ ten hoher wirtschaftlicher Dynamik zunehmende Bedeutung.256

Wenn auch diese Kritikpunkte zum Großteil auf die Diskriminanzanalyse ausgerichtet sind, sind der unkritischen Anwendung des STATBIL-Verfahrens ebenfalls Grenzen gesetzt. "Die Schwächen, die Bilanzen für die Bonitätsbeurteilung nun einfach haben, kann aber ein noch so gutes mathematisch-statistisches Verfahren nicht ausgleichen."257 Eine adäquate Bonitätsprognose kann folglich nicht allein auf Basis der statistischen Verfahren erfolgen. Neben den quantitativen Informationen, also den 'hard facts', müssen bei der Kreditbeurteilung auch die 'soft facts' genannten, qualitativen Faktoren ausreichende Berücksichtigung finden.258 2.4.2.4. Die Kontenanalyse

"Es ist allgemein bekannt, daß zwischen der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens und seinen Kontodaten ein Zusammenhang besteht und deshalb aus Kontoverlauf und bestimmten Kontokennzahlen Rück­ schlüsse auf das Unternehmen möglich sind. Insbesondere dann, wenn ... die Hauptkontoverbindung besteht."259 Bei bestehenden Kundenverbindungen kann die Analyse der Kontoführung des Kreditnehmers wichtige Informationspotentiale zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit erschließen. Damit können zeitnahe Aussagen über die tasächliche finanzwirtschaft­ liche Lage und die aktuelle Liquidität eines Unternehmens getroffen wer­ den, die zudem nur begrenzt manipulierbar sind.260 Weiterer Vorteil der Kontenanalyse ist die im Rahmen der automatisierten Kontenführung gegebene einfache Bereitstellung und jederzeitige Verfügbarkeit der

256 Vgl. Hub, P. K. (1992), S. 17. Das Prinzip des credit-scoring liegt in der Ausschöpfung sicherer Informationen aus früheren Kreditanträgen und deren Übertragung auf künftige Entscheidungen. Dieses ’Lernen aus der Vergangenheit’ kann natürlich nur dann zielführend sein, wenn Vergangenheitsverhältnisse auf die Zukunft übertragen werden dürfen. Vgl. Weck, M. (1992), S. 22. 257 Köllhofer, D. (1989), S. 5. 258 Vgl. Köllhofer, D. (1989), S. 5. 259 Haas, G./Grill, G. (1994), S. 174. 260 Fehlurteile durch Kontenbewegungen eines Kunden von einer Bank zur anderen müssen allerdings ausgeschlossen werden. Vgl. Beyer, H. (1988), S. 24.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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Informationen, so daß der Kreditbearbeiter nicht selbst tätig werden muß.261 Bei der Analyse der Kontoführung sind insbesondere die nach­ folgenden Kriterien von Bedeutung: □ Werden Kreditlinien laufend in Anspruch genommen? □ Kommt es zu Überziehungen?

□ Werden Überschreitungen der Kreditlinien a priori vermieden oder erst ausgeglichen, wenn die Tagesdispositionen und die dadurch entstehen­ den Unterdeckungen bekannt sind? □ Wie entwickelt sich der Kontoumsatz im Verhältnis zum Geschäftsum­ satz und der Kreditinanspruchnahme? □ Werden Zahlungsziele ausgenutzt, Respekttage bei Wechseleinlösun­ gen erbeten?

Anhand dieser Informationen können wesentlich zeitnähere Aussagen über die Situation eines Unternehmens getroffen werden, als es unter Verwendung von historischen Bilanzzahlen möglich wäre. Bei der Ermittlung des Ist-Zustandes des Kreditnehmers ermöglicht es die Kontenanalyse, kritische Unternehmensentwicklungen schon lange bevor die Bilanzen vorliegen aufzuzeigen und zur Früherkennung von Kreditrisiken nutzbar zu machen.262 Neben der Eignung als Frühwarn­ instrument kann die Kontenanalyse auch als Akquisitions- und Beratungshilfe genutzt werden263; z.B. für Umfinanzierungen zwischen Kontokorrent- und Langfristkredit. Für die Gewährung kurzfristiger Kredite stellt die tagesaktuelle Konten­ analyse somit eine wesentliche Hilfe dar, im langfristigen Kreditgeschäft ist aber verstärkt die Prognose der Unternehmensentwicklung gefordert. Diese ist mittels der Kontenanalyse nur sehr eingeschränkt möglich. Zu beachten ist darüber hinaus, daß die Analyse der Kontenführung nur dann geeignete Erkenntnisse bieten kann, wenn über das Geschäftskonto auch 261 Vgi. Kunze, C./Siewert, W. (1990), S. 4. War der Kundenbetreuer früher i.d.R. gut mit der Kontoführung des Kreditnehmers vertraut, gingen mit der Einführung der elektronischen Buchungssysteme wichtige Informationen verloren. Dieses Wissen kann durch Programme zur Kontendatenanalyse, wie z.B. KONDAN im Sparkassen­ sektor, wieder verfügbar gemacht werden. Vgl. hierzu Scholz, R. W. (1993), S. 52. 262 vgl. Reuter, A./Welsch, F. (1993), S. 51. 263 vgl. Witt, H.-J. (1994), S. 179.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

die wesentlichen finanziellen Transaktionen des Unternehmens erfolgen, das Kreditinstitut also die Hauptbankverbindung des Kreditnehmers ist und 'Scheinbuchungen' zwischen den einzelnen Konten des Firmen­ kunden ausgeschlossen werden können. Soweit die verschiedenen Konten eines Kreditnehmers bei einem Institut geführt werden, müssen sie darüber hinaus zu einem fiktiven Gesamtkonto zusammengefaßt und gemeinsam bewertet werden.264 2.4.2.5. Kritische Würdigung der quantitativen Verfahren

In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Verfahren der quantitativen Kreditwürdigkeitsprüfung mit ihren Möglichkeiten und Grenzen darge­ stellt. Ohne auf die einzelnen Verfahren nochmals näher einzugehen, soll ihre grundsätzliche Eignung abschließend kurz dargestellt werden. Die Jahresabschlußanalyse stellt ein weitgehend geeignetes Hilfsmittel dar, um die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in gewissen Grenzen schnell, einfach und kostengünstig zu bestimmen. Von Vorteil ist die in §18 KWG geforderte Vorlagepflicht, wenngleich nicht immer sichergestellt ist, daß die Kreditinstitute über aktuelle Jahresab­ schlüsse verfügen. Fraglich ist jedoch ohne Zweifel die Prognoseeignung. Wenn auch Vergangenheit und Gegenwart die Grundlage für die künftige Entwicklung darstellen, können die Wege eines Unternehmens in die Zukunft durchaus sehr vielfältig sein. Um diese zu beurteilen, reicht die Extrapolation der Jahresabschlußwerte in die Zukunft nicht aus. Die retro­ spektiven Verfahren, insbesondere die Kapitalflußrechnung, stellen eine Ergänzung zur Jahresabschlußanalyse dar. Tauglich sind sie aber nur, um das bisherige Erscheinungsbild des Unternehmens differenzierter und aus­ sagefähiger zu gestalten. Im Hinblick auf die Prognosefähigkeit gelten die zur Jahresabschlußanalyse getroffenen Aussagen weiterhin. Einschrän­ kend wirkt zudem die nur sehr seltene Erstellung und Einreichung von Kapitalflußrechnungen.

Die Finanzplanung als prospektives Verfahren zielt auf die künftige Stel­ lung des Unternehmens ab. Insbesondere im kurzfristigen Bereich, als Liquiditätsplanung, läßt sie eine gute Aussage über die Zahlungsfähigkeit 264 Vgl. Ohlenroth, W. (1991), S. 286.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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des Unternehmens zu. Für die langfristige Prognose ist sie aber zu undifferenziert. Neben dem Problem der Verfügbarkeit von Planungs­ rechnungen ist deren Beurteilung aufgrund fehlender Formvorschriften und der einfachen Manipulationsmöglichkeiten aber schwierig.

Statistische Verfahren zur Bonitätsprognose ermöglichen auf einfache und effiziente Weise eine Aussage über die zu erwartende wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Sie können aber nur Ansatzpunkte für eine weitergehende Analyse geben, da Probleme wie die Prognosegenauigkeit oder die Stabilität der Trennfunktion eine unkritische Anwendung ver­ hindern. Zudem betrachten sie zumeist nur den Teilbereich eines Unter­ nehmens, der sich im Jahresabschluß niederschlägt. Die Analyse der Kontoführung erlaubt die ergänzende Gewinnung von Detailinfor­ mationen, die tagesaktuell und ohne näheren Kontakt zum Kreditnehmer erhältlich sind, soweit das Kreditinstitut die Hauptbankverbindung ist. Zusammenfassend kann somit über die quantitativen Verfahren der Kre­ ditwürdigkeitsprüfung ausgesagt werden, daß sie isoliert betrachtet nicht zur angemessenen Beurteilung der künftigen Bonität eines Kreditnehmers ausreichen. Die Bonitätsprognose muß zwar auf gesicherten Daten aus Vergangenheit und Gegenwart aufbauen, von weitaus wesentlicherer Bedeutung ist aber die zu erwartende künftige Entwicklung. Sie kann auf Basis der quantitativen Methoden nur unzureichend eingeschätzt werden. Um Fehlprognosen und damit einhergehende Kreditausfälle zu vermei­ den, müssen zwingend die qualitativen Aspekte im Sinne einer Zusammenschau mit in die Bewertung einbezogen werden.265 2.4.3.

Die qualitativen Verfahren zur Beurteilung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit

2.4.3.I. Überblick und Bedeutung Aufgabe der Kreditprüfung ist es, Risikopotentiale des Kreditnehmers zu erkennen. Sich abzeichnende Unternehmenskrisen müssen nach Möglich­ keit schon in der ersten, latenten Krisenphase diagnostiziert werden, um

265 vgl. von Stein, J. H. (1984), S. 222.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

zu verhindern, daß sie in ein akutes Stadium eintreten.266 Für die Risikoangemessenheit der Kreditwürdigkeitsprüfung ist es folglich unverzichtbar, möglichst frühzeitig Hinweise auf problematische bzw. künftig problematisch werdende Engagements zu erhalten. Die tradi­ tionelle Kreditwürdigkeitsprüfung versucht, diese Krisensignale indirekt durch Analyse des Jahresabschlusses zu ermitteln. Dabei handelt es sich aber zum Großteil um Hilfsgrößen, die für die Bonitätsbeurteilung "... stellvertretend und ersatzweise für andere, weit weniger leicht überprüfbare und weit schwieriger zu quantifizierende Bereiche des betrieblichen Geschehens herangezogen werden."262

Zur Früherkennung von Kreditrisiken sind diese Informationen nur sehr begrenzt geeignet. "Es läßt sich immer wieder feststellen, daß den finanz­ wirtschaftlichen Problemen auf der Zeitachse in den meisten Fällen Kri­ senanzeichen im Absatz-, Produktions- und Managementbereich vorange­ hen, bevor die negativen Folgen der Unternehmensentwicklung in den Bilanzen ihren Niederschlag finden."26^ Eine ursachenbezogene Kredit­ prüfung muß sich deshalb gerade im langfristigen Kreditgeschäft weniger auf die Finanzwirtschaft als Abbild der betrieblichen Aktivitäten, sondern auf die betrieblichen Aktivitäten selbst und ihr ökonomisches Umfeld aus­ richten.269 Diese qualitativen Einflußfaktoren, die auch Soft Facts genannt werden, zielen nicht auf die Symptome eines gut geführten oder krisenbehafteten Unternehmens, sondern auf die Ursachen der künftigen Ertragskraft der Unternehmen. Primärursache für die künftige Bonität eines Unternehmens ist dabei die Qualität seiner Leitung. Aufgrund ihrer überragenden Bedeutung wurden die Möglichkeiten der Unternehmerbeurteilung bereits vorab untersucht. Aus der Unternehmerqualifikation leiten sich sowohl die Führungsinstru­ mente, wie z.B. Organisation, Planung, Kontrolle oder Führungsstil, als auch das Marketing-Konzept ab. Als wesentlich für die Zukunftschancen

266 Vgl. Malz, F. (1990), S. 11. Wie bereits Abb. B.l zeigte, sinkt mit zunehmendem Verlauf der Unternehmenskrise der verbleibende Handlungsspielraum für Korrek­ turmaßnahmen. 262 Bühler, W. (1987), S. 71. 268 Heim, E./Kuhn, W. (1987), S. 24. 269 Vgl. Bayerlein, K. P./Kunert, M. (1990), S. 389 f.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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eines Unternehmens können die nachstehend angeführten unterneh­ mensinternen und -externen Aspekte angesehen werden: □ das Produktionsprogramm

□ die Wettbewerbssituation □ der technischer Stand der Produktionsanlagen □ die Entwicklungen an Absatz- und Beschaffungsmärkten

O das Innovationspotential □ die betriebliche Aufbau- und Ablauforganisation.270 Die Beurteilung dieser qualitativen Bereiche soll im folgenden dargestellt werden. Ausgehend von der Vorteilhaftigkeit der (zu finanzierenden) Investition sollen die Möglichkeiten zur Untersuchung des ProduktMarkt-Konzeptes eines Unternehmens aufgezeigt werden.

2.4.3.2. Die Beurteilung der Kreditverwendung Themenbereich dieser Arbeit ist die Prüfung der Kreditwürdigkeit im langfristigen Firmenkreditgeschäft. Folgt man dem Gebot der Fristenkon­ gruenz, so erscheint es selbstverständlich, daß sich die Nachfrage an lang­ fristigen Krediten an der Verwendung für Wirtschaftsgüter, die auf lange Sicht einen Kapitalbedarf hervorrufen, orientiert. Mit anderen Worten, abgesehen von eigenkapitalsubstituierenden Darlehen sind langfristige Kredite Investitionskredite.271 Wenn auch diese Feststellung bei im Zeit­ verlauf relativ konstanter Investitionsquote, aber überdurchschnittlich steigender Expansion des langfristigen Kreditgeschäftes nicht in Gänze aufrechtzuerhalten ist, spielt der Kapitalbedarf für Investitionen eine wesentliche Rolle für die langfristige Kreditnachfrage.272 Neben diesem Zusammenhang zwischen Investitionstätigkeit und langfristiger Kredit­ 270 Vgl. Müller, G.J. (1981a), S. 57. 271 Vgl. Krüger, W. (1988), S. 267. Unter Wirtschaftsgütern, die einen langfristigen Kapitalbedarf hervorrufen, soll hier auch der Bodensatz im Umlaufvermögen, z.B. bei den Vorräten, Beständen oder Debitoren, verstanden werden. Vgl. Probst, H. (1982), S. 135. 272 Vgl. Krüger, W. (1988), S. 267 f. Neben dem Finanzbedarf für Investitionen sind auch die Konjunkturentwicklung und die davon beeinflußte Selbstfinanzierungskraft der Unternehmen für den Kreditzuwachs von Bedeutung.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

nachfrage ist es für die Kreditinstitute von Interesse, zur Prognose der zukünftigen Bonität die Auswirkung der geplanten Kapitalverwendung (Investitionen) auf das Unternehmen zu betrachten.273 Die Prüfung des Verwendungszwecks umfaßt die beiden Bereiche:

O Plausibilität des Investitionsvorhabens

□ Rentabilität des Investitionsprojektes. Oberstes Gebot bei der Prüfung des Investitionsvorhabens ist dessen Plausibilität. Hält man sich vor Augen, daß die Finanzwirtschaft das Spiegelbild der leistungswirtschaftlichen Seite des Betriebs darstellt, erkennt man, daß die Investition im Hinblick auf ihre finanz­ wirtschaftlichen Auswirkungen geprüft werden muß.274 Zweiter Teil der Analyse des Investitionsprojektes ist die Untersuchung der Rentabilität. Hierbei interessiert vor allem, ob die Erträge der Investition ausreichen, um die verursachten Kosten zu decken und nach Deckung der Anlaufverluste eventuell einen Überschuß zu erwirtschaften.275 Eine Antwort auf diese Frage liefern die Verfahren der Investitionsrechnung. Mit ihrer Hilfe kann beurteilt werden,"... ob die Investitionsentscheidung auf rationalen Überlegungen basiert oder ob ein geschickter Verkäufer ein Opfer gefunden hat."276

Die Analyse des Investitionsvorhabens muß folglich als unmittelbarer Bestandteil in die Kreditprüfung integriert werden. Gerade die Investiti­ onsplanung legt den Grundstein für die künftige Unternehmensentwick­ lung, da sie die zukünftige Leistungsfähigkeit des Betriebes maßgeblich mitbestimmt. Insbesondere bei Großprojekten oder Sprunginvestitionen muß deren Vorteilhaftigkeit die Grundlage für ein positives Votum der Kreditprüfung darstellen.277 Neben der Einschätzung des Risikogehaltes gewinnt das Kreditinstitut darüber hinaus noch weitere, für das Kredit-

273 274 275 276 277

Vgl. Bindzus, H. (1985), S. 5. Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 339. Vgl. Bindzus, H. (1985), S. 5. Kreim, E. (1981), S. 466. Dieser Aspekt ist gerade im Mittelstand nicht nur unter Ertragsaspekten zu sehen, sondern stellt für die Unternehmen auch ein wesentliches Risikofeld dar, insbeson­ dere dann, wenn kritische Wachstumsschwellen durch Sprunginvestitionen über­ schritten werden, ohne daß organisatorische Anpassungen im Unternehmen erfolgen. Vgl. Albach, H./Bock, K./Warnke, T. (1984), S. 45 ff.

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115

Verhältnis wichtige Informationen. So ergibt sich aus dem Verwendungs­ zweck des Kredites oft die zu stellende Sicherheit von selbst, indem z.B. der finanzierte Gegenstand dem Kreditinstitut sicherungsübereignet wird. Des weiteren kann an der wirtschaftlichen Lebensdauer oder der Amortisationsdauer des Investitionsobjektes auch die erforderliche Lauf­ zeit des Kredites orientiert werden.278 Für die Kreditinstitute stellt die Beurteilung des Investitionsvorhabens bzw. allgemein des Kreditverwendungszweckes ein operationales Infor­ mationspotential für die Kreditprüfung dar. Es sich zu Nutze zu machen, erfordert eine umfassende und branchenübergreifende technische Kompe­ tenz der Kreditbearbeiter. Ohne hier den 'Kreditingenieur' zu fordern, kann eine Beurteilung der Investitionspolitik nur über eine ausgeprägte Sachkenntnis der Mitarbeiter im Kreditgeschäft erfolgen. Ist diese, wie zu vermuten, augenblicklich in den Kreditabteilungen (noch) nicht hinreichend vorhanden, so muß durch verstärkte Schulung Abhilfe geschaffen werden. Wichtig hierbei sind auch ständige Kontakte zu den Kreditnehmern, um sich durch Betriebsbesichtigungen die notwendigen Kenntnisse anzueignen.279 Bedenkt man aber die großen möglichen Imponderabilien, vor denen selbst die investierenden Unternehmen bei ihrer Investitionsentscheidung stehen, wird deutlich, daß die Einschätzung der Vorteilhaftigkeit des finanzierten Objektes durch das Kreditinstitut nicht das allein maß­ gebliche Kriterium der Kreditentscheidung sein kann. Die Beurteilung muß deshalb "... aus den Risikofeldern abgeleitet werden, in denen sich die Unternehmung als Ganzes bewegt."280

2.43.3. Das Produkt-Markt-Konzept

Im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen soll nicht die Finanz­ wirtschaft als Abbild der realen Transaktionen stehen, sondern die sie bedingende leistungswirtschaftliche Sphäre.281 Obwohl das ProduktMarkt-Konzept eines Unternehmens in der Praxis simultan und geschlos278 279 280 281

Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 340 f. Vgl. Kreim, E. (1988), S. 116. Krüger, W. (1988), S. 278. Vgl. Rösler, P./Woitke, M. (1989), S. 339.

116

Kreditwürdigkeitsprü fung

sen beurteilt werden muß, soll dieser Bereich zum Zweck der besseren Übersichtlichkeit in die Untersuchung des Produktionsprogramms, der Wettbewerbsfähigkeit, der technischen Bonität und der allgemeinen Bran­ chenentwicklung aufgespalten werden. 2.4.3.3. I. Die Beurteilung des Produktionsprogrammes

Die Bedienung der an ein Unternehmen herausgelegten Kredite erfolgt im Normalfall durch die am Markt erzielten Erträge, die aus den Umsatzerlö­ sen der abgesetzten Produkte erwirtschaftet werden. Zur Prognose der nachhaltigen Ertragskraft ist deshalb die Qualität des Produktions- und Absatzprogrammes des Kreditnehmers zu beurteilen. Unter den für die Kreditprüfung bedeutsamen dynamischen Aspekten ist für die Bestim­ mung der künftigen Marktchancen der Produkte die Phase ihres Lebenszykluses maßgeblich, wie sie in Abbildung B. 16 beispielhaft dargestellt ist. Versucht man, die Güte des Produktionsprogramms indirekt über den Cash-Flow zu beurteilen, zeigt sich, daß dieser gerade bei Produkten, die kurz vor dem Ende ihres Lebenszyklus stehen, die höchsten Werte erreicht. Bei einem Ein-Produkt-Unternehmen wäre zwar rein finanzwirt­ schaftlich eine gute Ertragskraft zu konstatieren, die Unternehmens­ zukunft und die Nachhaltigkeit der Erträge wäre aber stark gefährdet. Befinden sich mehrere Produkte zugleich in der Sättigungsphase, steigt der Unternehmensgewinn stark an. Würde man hier das Betriebsergebnis als Maßstab der Kreditwürdigkeit nehmen, hätte dies fragwürdige Ergeb­ nisse zur Folge.282 Um diese sogenannte 'Lebenszyklusfalle' ausschließen zu können, muß bei der Kreditbeurteilung geprüft werden, ob das Produk­ tionsprogramm des Unternehmens eine ausgewogene Altersstruktur auf­ weist, d.h. die Produktpalette gleichgewichtig über die Phasen des Lebenszyklus verteilt ist. Durch absatzpolitische Maßnahmen kann zwar der Lebenszyklus eines Produktes verlängert werden, angesichts der immer höheren Forschungs- und Entwicklungskosten und der raschen Änderungen auf den Märkten ist für die Zukunft aber von tendenziell kürzeren Lebenszyklen auszugehen. In der nachfolgenden Abbildung B.16 ist diese Lebenszyklus-Problematik anschaulich dargestellt.

282 Vgl. Kreim, E. (1988), S. 121 f.

Kreditwürdigkeitsprüfung

117

Vor diesem Spannungsfeld zwischen höheren Entwicklungskosten und kürzeren Lebenszyklen sind bei der Kreditprüfung folgende Fragen von Bedeutung: □ Art und Anzahl der Produkte und ihre Umsatzanteile? □ Entwicklung der Umsatzanteile im Zeitverlauf? □ Aufwendungen für Forschung und Entwicklung? □ Sind erste Sättigungsgrenzen erkennbar? □ Bestehen Sondereinflüsse durch Modetrends etc.?

Kommt der Kreditbearbeiter im Rahmen dieser Untersuchung zu der Überzeugung, daß das kreditnehmende oder -beantragende Unternehmen über ein ausgewogenes, zukunftssicheres Produkt-Portefeuille verfügt, kann ein wesentliches Kreditrisiko seitens des Absatzmarktes weitgehend ausgeschlossen werden. 283 Abb. in Anlehnung an Kreim, E. (1988), S. 122.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

2.43.3.2. Die Beurteilung der Branchenentwicklung Die zukünftige Unternehmensentwickiung ist von einer Vielzahl inner­ und außerbetrieblicher Einflußfaktoren abhängig. Eine Vorausschau der Erfolgsaussichten ist somit nur auf Basis zukunftsorientierter Annahmen über diese Bestimmungsfaktoren möglich.284 Im folgenden sollen die außerbetrieblichen Einflußfaktoren im Sinne einer Branchenbetrachtung besprochen werden. Die Beurteilung der Branche des Kreditnehmers spielt dabei gleich mehrfach eine wichtige Rolle im Rahmen des Kredit­ managements. Sie eignet sich für folgende Analysebereiche: □ Beurteilung der relativen Bonität eines Kreditnehmers im Betriebs­ vergleich

□ Beurteilung der Zukunftschancen der Branche285 □ Streuung der Ausleihungen nach Branchengesichtspunkten zur Risiko­ diversifikation des Kreditportefeuilles.286 Letzteres, die Streuung des Kreditportefeuilles, ist weniger durch die individuellen Eigenschaften des Kreditnehmers als durch die übergeord­ neten Strukturen der bisherigen Ausleihungen oder den Einfluß von stra­ tegischen Überlegungen bedingt. Dieser Gesichtspunkt, der im Rahmen der Gesamtkreditbeurteilung eine wichtige Bedeutung besitzt und Schwerpunkt des Teils C der Arbeit ist, soll bei der Betrachtung der Ein­ zelkreditwürdigkeit ausgeklammert bleiben; schon jetzt zeigt sich aber der Einfluß übergeordneter, geschäftspolitischer Größen auf die Kredit­ würdigkeit eines einzelnen Unternehmens.

Grundlage jeder Branchenanalyse ist die Annahme von gleichen Umwelt­ bedingungen für die Unternehmen einer Branche. "Kein Unternehmen bewegt sich allein in irgendwelchen sphärischen Räumen, ein Großteil der Unternehmen ist einer Branche zuzuordnen, für die vergleichbare Bedin­ gungen gelten. Für die Unternehmensbeurteilung ist es deshalb wichtig zu wissen, wie die Zukunftschancen der Branche einzuschätzen sind ... Aller­ dings agieren auch in sogenannten schlechten Branchen erfolgreiche Unternehmen (...) und trotz guter Branchenkonjunktur fallieren einzelne 284 Vgl. Hertenstein, K.-H./Reuter, A. (1985), S. 361. 285 Vgl. Probst, H. (1982), S. 77. 286 Vgl. Honek, G. (1987), S. 380.

Kreditwürdigkeitsprüfung

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Unternehmen."287 Der Vergleich des (potentiellen) Kreditnehmers im Sinne eines systematischen Betriebsvergleichs mit Unternehmen dersel­ ben Branche bietet sich als Instrument der Kreditprüfung auch deshalb an, weil vor allem große Kreditinstitute oder Institutsgruppen durch ihre umfangreichen Bilanzdatenbanken288 über eine große Zahl von Bran­ chenvergleichswerten verfügen.289

In Anbetracht der für alle Unternehmen einer Branche geltenden Rahmen­ bedingungen kann ein Urteil über die relative Güte eines Unternehmens im Vergleich zur Branche, in der es tätig ist, gefällt werden. Dazu werden die Bilanz- und Ertragskennzahlen des Unternehmens dem Branchentrend gegenübergestellt und positive oder negative Abweichungen ermittelt. Verwendet man dazu nur Branchendurchschnittswerte, ist die Aussage­ kraft des Betriebsvergleichs allerdings begrenzt. Erst durch Kenntnis der Streuung des Branchenwerte können tiefergehende Erkenntnisse aus dem Branchenvergleich gewonnen werden, indem zugleich Durchschnitte wie auch Extremwerte aufgezeigt werden.290 Von Nutzen ist ein Branchen­ vergleich allerdings nur, wenn eine hinreichend differenzierte Branchen­ einordnung erfolgt. Diese sachgerechte Branchenzuordnung ist aber oftmals problematisch, da viele Unternehmen über ein diversifiziertes Produktionsprogramm sowohl hinsichtlich der Produktpalette als auch hinsichtlich der Abnehmerkreise verfügen29!, wodurch eine eindeutige Zuordnung zu einer Branche nicht möglich ist.292 Somit sind die 287 Kreim, E. (1988), S. 124. Es nutzt allerdings auch wenig, auf einem insgesamt ster­ benden Absatzmarkt Marktführer zu sein. Vgl. v. Tippelskirch, A. (1992), S. 29. 288 Die Branchenanalyse hat damit sowohl qualitativen wie auch quantitativen Charak­ ter. Vgl. hierzu auch die grundlegende Einteilung der Verfahren der Kreditwürdig­ keitsprüfung in Abbildung B.6. 289 Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei aber die Frage, ob die bei den Kreditinsti­ tuten gespeicherten Bilanzen auch repräsentativ für die Branche sind. Vgl. Beyer, H. (1988), S. 25. 290 Vgl. Reimann, W. (ohne Datum), S. 8. 291 Die Betrachtung der Abnehmerkreise besitzt immer dann eine besondere Bedeutung für die Branchenzuordnung, wenn eine Abhängigkeit des Kreditnehmers von weni­ gen Abnehmern festgestellt werden kann. Als Beispiel kann eine vermietete Ein­ zweck-Immobilie, z. B. ein Kühlhaus, angeführt werden, dessen Branchenrisiko weniger aus der Branche „Vermietung und Verpachtung“, sondern primär aus der Branche des Nutzers resultiert. Vgl. Weiland, J. (1993), S. 23. 292 Vgl. Beyer, H. (1988), S. 26. Darüber hinaus kann eine zusätzliche Differenzierung der Branchenwerte nach Umsatzgrößenklassen, Regionen, Rechtsformen oder son-

120

Kreditwürdigkeitsprüfung

Branchenvergleichswerte eher ein Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Stellung von Klein- oder Mittelbetrieben; Großunternehmen lassen ihre vielfältige Geschäftstätigkeit aber nur selten in das Raster nur einer Branche passen.293 Im Spannungsfeld zur feingliedrigen Branchen­ struktur steht die ausreichende Anzahl von Vergleichsunternehmen, da eine zu kleine Grundgesamtheit oftmals unter von Extremwerten ver­ zerrten Durchschnittsgrößen leidet.294 Weiteres Problem beim Branchen­ vergleich stellen die vielfältigen Rechtsformen der Vergleichsunter­ nehmen dar. Insbesondere Rentabilitäts- und Ertragskennzahlen von Kapital- und Personenhandelsgesellschaften sind per se nicht vergleich­ bar, Aspekte wie die unterschiedliche Ertragssteuerbelastung oder die Behandlung der Gesellschaftergehälter müssen beachtet werden.293 Der Branchenvergleich stellt also - zusammenfassend - eine wichtige Ori­ entierungshilfe für die Beurteilung des Unternehmens im Wettbewerb sei­ ner Branche dar. Notwendig ist allerdings eine Interpretation der Ver­ gleichszahlen, da ansonsten die Gefahr besteht, daß - um mit Schmalen­ bach zu sprechen - „Schlendrian mit Schlendrian“ verglichen wird.296 Neben dem Betriebsvergleich, der die gegenwärtige Stellung des Unter­ nehmens in der Branche beschreibt, muß sich die Kreditwürdigkeitsprü­ fung um die weitaus schwierigere Einschätzung der Zukunftsentwicklung der Branche bemühen. Gelten für ein Großteil der Unternehmen einer Branche vergleichbare Bedingungen, muß sich auch die Branchenent­ wicklung - wenn auch in unterschiedlichem Maße - auf die Entwicklung der ihr angehörigen Unternehmen auswirken.297 Zur Integration der Bran­ chentendenzen in die Kreditbeurteilung müssen dem Kreditbearbeiter folglich geeignete Informationen, i.d.R. von der volkswirtschaftlichen Abteilung aufbereitet, zur Verfügung gestellt werden. Bedeutend für die künftige Entwicklung sind Faktoren wie der Strukturwandel zwischen den Wirtschaftssektoren, Veränderungen der Verbrauchsgewohnheiten oder

293 294 293 296 297

stigen Segmentierungsmerkmalen weitergehende Bewertungsmöglichkeiten bereit­ stellen. Vgl. Nick, A. (1991), S. 298 ff. Vgl. Puspök, P. (1987), S. 126. Vgl. Reimann, W. (ohne Datum), S. 8. Vgl. Beyer, H. (1988), S. 26. Schmalenbach zitiert nach Müller, G. J. (1981a), S. 56 f. Vgl. Hertenstein, K.-H./Reuter, A. (1985), S. 366.

Kreditwürdigkeitsprüfung

121

Kostendruck durch Wettbewerb bzw. internationale Konkurrenz.298 Immer bedeutsamer wird darüber hinaus die Umweltverträglichkeit der Produktion und des Produktprogramms. Wichtig für die Beurteilung sind zudem die allgemeine Konjunkturentwicklung sowie makroökonomische Größen, wie Kaufkraft oder Wechselkursparitäten.

Anhand der aufgezeigten Aspekte kann ein Urteil über die erwartete Ent­ wicklungstendenz einer Branche abgegeben werden, das als Korrektur­ faktor auf die Bonität eines Unternehmens wirkt. Je nach Entwick­ lungstrend in Richtung Wachstums- oder Problembranche müssen dann bei der Kreditgewährung die Bonitätsanforderungen modifiziert wer­ den.299 Grundsätzlich hat aber die Unternehmensbeurteilung Vorrang vor der Branchenprognose. 2.43.3.3. Die Beurteilung der Wettbewerbssituation

Im vorangegangenen Kapitel wurde die Stellung der Produktpalette eines Unternehmens im Wettbewerb sowie die prognostizierte Entwicklung sei­ ner Branche dargestellt. Nun sollen die gegenwartsbezogenen Informatio­ nen aus dem Branchenvergleich mit der zukunftsorientierten Prognose der Branchenentwicklung zusammengeführt werden. Mittels dieser Kombina­ tion aus externen Chancen und internen Ressourcen kann der Kreditbear­ beiter ein Bild zur konzeptionellen Gesamtsicht des Unternehmens ent­ wickeln. Durch die Analyse der einzelnen strategischen Geschäftsfelder (Produkte, Märkte etc.) ist es möglich, ein Urteil über die künftige Wett­ bewerbsposition eines Unternehmens zu gewinnen. Wesentlich für die Bestandssicherung des Unternehmens ist dabei ein ausgewogenes Mix der einzelnen Geschäftsfelder. Dieses kann durch die Portfolio-Technik visualisiert werden.

298 Vgl. Probst, H. (1982), S. 77. 299 Vgl. Kreim, E. (1988), S. 126.

122

Kreditwürdigkeitsprüfung

Marktwachstum in %

relativer Marktan­ teil (RMA)-Umsatz

Abbildung B.l 7:

Strategische Positionierung der Geschäftseinheiten^OO

Faßt man abgrenzbare Geschäftsfelder, wie z.B. einzelne Produktgruppen, Märkte oder Sparten, zu strategischen Geschäftseinheiten (SGE) zusam­ men, kann für diese die augenblickliche strategische Position bestimmt werden. Dazu bedient man sich i.d.R. der in Abbildung B.17 dargestellten zweidimensionalen Matrix aus den Faktoren 'Marktwachstum' und 'relati­ ver Marktanteil'. Die Beurteilung des erwarteten Marktwachstums wurde bereits im vorangegangenen Kapitel aufgezeigt. Der relative Marktanteil (RMA) eines Unternehmen gibt seine Stellung im Verhältnis seines Marktanteils zu seinem stärksten Wettbewerber wieder.301 Aus den Posi­ tionen der einzelnen strategischen Geschäftseinheiten in der Matrix kön­ nen Strategien für die weitere Entwicklung abgeleitet werden.

Für den Kreditbearbeiter stellt diese Gesamtsicht zwar keine neuen Infor­ mationen bereit, sie gibt aber dennoch durch die Offenlegung der Zusam­ menhänge zwischen der heutigen Marktstellung und der erwarteten Ent­ wicklung der Absatzmärkte Anhaltspunkte, wie das Unternehmen im 300 Abb. in Anlehnung an Kreim, E. (1988), S. 130. 301 Grundlage hierfür ist die auf der Erfahrungskurve basierende These, daß hohe Marktanteile wegen der damit verbundenen hohen Stückzahlen auch hohe Erträge bewirken (economies of scale). Vgl. hierzu Henzler, H. (1988), S. 1290.

Kreditwürdigkeitsprüfung

123

Markt agieren muß, um auch künftig erfolgreich tätig zu sein.302 Neben der Verwendung bei der Kreditprüfung eignet sich dieses Vorgehen auch als Beratungsinstrument bei Kreditgesprächen und schafft somit eine Grundlage zur Diskussion über die langfristig angestrebte Zukunft des Unternehmens.

2.43.3.4. Die technische Bonität

Angesichts zunehmend spezialisierter Produkte, den damit einhergehen­ den Entwicklungszeiten und gleichzeitig kürzer werdenden ProduktLebenszyklen kommt der frühzeitigen Entwicklung und Anwendung neuer Technologien eine entscheidende Bedeutung zu. Lebenswichtig für das Unternehmen ist es, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten oder sie selbst führend voranzutreiben, zeigt sich doch, daß viele Insolvenzen auf einen verlorengegangenen Marktanschluß zurückzu­ führen sind. Der künftige Erfolg hängt, wie z.B. die Entwicklung von der Elektromechanik zu der Elektronik zeigte, wesentlich davon ab, in wieweit es dem Unternehmen gelingt, technische Entwicklungen früh­ zeitig zu erkennen, ihre Chancen und Risiken abzuwägen und die Erfolgschancen künftiger Geschäftsfelder zu definieren.303 Die Beurteilung dieses technologischen Potentials im Sinne einer Würdi­ gung der technischen Bonität muß folglich integraler Bestandteil der Kreditprüfung sein.304 Technische Bonität soll dabei verstanden werden als zweckmäßiger und kostengünstiger Einsatz der Produktionsfaktoren in einem Betrieb. Sie umfaßt: □ die Güte, Leistungsfähigkeit, Systematik, Flexibilität und Zukunftsori­ entierung der technischen Ausrüstung aller Bereiche des Betriebs von der Lagerwirtschaft bis zum Vertrieb □ die Rationalisierung der Arbeitsabläufe 305

302 Bei diesen Handlungsempfehlungen handelt es sich naturgemäß nur um grobe Hilfe­ stellungen. In der Praxis tritt dabei oftmals das Problem auf, daß die einzelnen Geschäftsfelder nicht streng homogen abgrenzbar sind, so daß Verbundeffekte in die Bewertung einbezogen werden müßten. Vgl. hierzu Köllhofer, D. (1988b), S. 815 f. 303 Vgl. Kuhn, W. (1987), S. 282. 304 Vgl. Heim, E./Kuhn, W. (1987), S. 24. 303 Vgl. Kremer, E. (1985), S. 420 f.

124

Kreditwürdigkeitsprüfung

Diese Bereiche sind auf ihre Ausgewogenheit (Leistung und Kosten) zu prüfen. Wichtig dabei ist, das optimale Ausmaß des Technologieeinsatzes annäherungsweise zu bestimmen, um sowohl einen Technologierückstand als auch eine Übertechnisierung zu erkennen. Der Technologieeinsatz ist dabei nicht auf den reinen Fertigungsbereich beschränkt. Die Technolo­ giebeurteilung muß deshalb auf die folgenden Bereiche ausgeweitet wer­ den: □ Produktionsprogramm □ Betriebsorganisation und Fertigungssteuerung □ Maschinen und maschinelle Anlagen □ Verwaltung und kaufmännischer Bereich.306

Einen ersten Überblick über den technologischen Stand eines Betriebs gibt der Modernisierungsgrad des Maschinenparks, definiert als Ver­ hältnis zwischen noch nicht abgeschriebenen Maschinen und Anlagen und dem gesamten Anlagenbestand.307 Einen weiteren Indikator für die Schaffung von Technologiepotential stellen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Relation zur Bilanzsumme oder zum Umsatz dar. Die Kreditinstitute sind gefordert, durch die Ausrichtung ihrer Kreditprüfung auf die technische Bonität frühzeitig Kreditrisiken, die aus technischer Rückständigkeit oder fehlenden Entwicklungsperspektiven resultieren, zu erkennen. Neben Betriebsbesichtigungen und dem Interesse an techni­ schen Entwicklungen müssen die Kreditbearbeiter notfalls verstärkt in diese Richtung geschult werden, insbesondere in zentralen Kreditabteilun­ gen wäre auch die Installation von 'Kreditingenieuren' denkbar.308

306 Vgl. Kremer, E. (1985), S. 421 ff. 307 Hier muß allerdings die gerade im Forschungssektor oftmals gegebene Möglichkeit zur Bildung von Sonder-Abschreibungen berücksichtigt werden. Vgl. Probst, H. (1982), S. 144. 308 Vgl. Kuhn, W. (1987), S. 283.

Kreditwürdigkeitsprüfung

125

2.4.33.5. Die Organisation des Unternehmens In den vorangegangenen Kapiteln wurden eine Vielzahl von Einzelfakto­ ren für die Bonität eines Unternehmens dargestellt. Als wesentlich für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens konnten - zusammengefaßt zwei Faktoren bestimmt werden:

□ der innere Zustand des Unternehmens, wie z.B. Produktion, Rech­ nungswesen oder Unternehmensführung □ die Möglichkeiten und die Bereitschaft des Marktes, die hergestellten Produkte zu angemessenen Preisen aufzunehmen.309

Während die innerbetrieblichen Faktoren bislang isoliert betrachtet wur­ den, soll nun die Organisation des Unternehmens Gegenstand der Betrachtung sein. Unter Organisation sollen dabei"... die Gesamtheit aller Regelungen, deren sich die Betriebsleitung und die ihr untergeordneten Organe bedienen, um die durch Planung entworfene Ordnung aller betrieblichen Prozesse und Erscheinungen zu realisieren" verstanden wer­ den.310 Gegenstand der Organisation sind die betrieblichen Teilbereiche □ Führung

□ Absatz, Vertrieb, Marketing

□ Personal

□ Innovationswesen

□ Beschaffung, Lagerhaltung Expedition

□ Rechnungs-, Planungs und und Informationswesen

□ Produktion.311

Diese betrieblichen Teilbereiche müssen für ein Bild über die Unterneh­ mung als Ganzes simultan betrachtet werden. Die Organisation spielt demzufolge eine wichtige Rolle, regelt sie doch sowohl die hierarchische Struktur des Unternehmens (Aufbauorganisation) als auch die möglichst reibungslose und effiziente Verbindung zwischen den betrieblichen Funk­ tionsbereichen (Ablauforganisation).312

Gerade im Mittelstand stellt die Organisation, wie der Ansatz der kriti­ schen Wachstumschwellen zeigt, ein wesentliches Risikofeld dar. Durch 309 310 311 312

Vgl. Bayerlein, K. P./Kunert, M. (1990), S. 390. Wöhe, G. (1986), S. 153. Vgl. Bayerlein, K. P./Kunert, M. (1990), S. 390. Vgl. Wöhe, G. (1986), S. 157 ff.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

stetes Wachstum gelangen viele mittelständische Unternehmen in eine Unternehmensgröße, die andere Führungs- und Organisationsmethoden als bisher erfordert. Aspekte wie die Delegation von Verantwortung oder die Einrichtung eines Planungs- und Kontrollsystems bzw. Controllings gewinnen mit steigender Betriebsgröße an Bedeutung. Stellt sich das Unternehmen nicht mit seiner Organisation auf die gestiegenen Anforde­ rungen ein, kann sein Bestand gefährdet werden.313 Wenngleich die Organisationsstrukturen und ihre Effizienz für den außenstehenden Kreditbearbeiter nur sehr schwierig erfaßbar und bewertbar sind, so ist ihnen dennoch im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung Aufmerk­ samkeit zu widmen. 2.4.3.4. Kritische Würdigung der qualitativen Verfahren In den vorausgegangenen Abschnitten wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie durch Analyse qualitativer Informationen ein Urteil über die gegen­ wärtige wirtschaftliche Lage und die zu erwartende Entwicklung eines Unternehmens begründet werden kann. Gegenstand dieser Verfahren waren nicht Symptome, wie z.B. die Finanzwirtschaft, sondern die Ursa­ chen für den Erfolg oder Mißerfolg eines Betriebes: die inneren Strukturen des Unternehmens und ihre Ausrichtung auf den Markt. Sie ermöglichen es, das unvollständige Bild der Finanzanalyse zu vervoll­ ständigen und transparent zu gestalten. Somit stellen die qualitativen Eigenschaften eines Unternehmens - nicht nur in der Insolvenz­ ursachenforschung - ein lohnenswertes Untersuchungsobjekt der Kredit­ würdigkeitsprüfung dar.

Die Beurteilung der Kreditverwendung liefert erste Anhaltspunkte über die Vorteilhaftigkeit eines Investitionsprojektes und die damit angestebten Zukunftsstrategien des Unternehmens. Die Struktur des Produktions­ programms erlaubt Aussagen über dessen aktuelle und künftige Markt­ chancen, die elementar wichtig sind, um über die erzielten Umsätze den Unternehmensbestand und damit die Kreditrückzahlung sicherzustellen. Der Betriebsvergleich zeigt dem Kreditinstitut, wie sich der zu unter­ suchende Kreditnehmer im Vergleich zu seinen Konkurrenten darstellt. 313 Vgl. Albach, H./Bock, K./Warnke, K. (1984), S. 45 ff.

Kreditwürdigkeitsprüfung

127

Dadurch können Informationen des Unternehmens über seine wirtschaftli­ che Lage geprüft werden und die Stärken und Schwächen des Unterneh­ mens gegenüber seinen Wettbewerbern erkannt werden. Hand in Hand mit der Beurteilung des Produktionsprogrammes geht die Prognose der erwarteten Branchenentwicklung. Sie gibt Informationen über die Ten­ denzen des Gesamtmarktes, die unter Berücksichtigung der Wettbewerbs­ position auf die künftige Stellung des Kreditnehmers am Markt hindeuten. Die Notwendigkeit des Schritthaltens mit der technologischen Entwick­ lung ist Gegenstand der technischen Bonität. Durch Analyse des aktivier­ baren know-hows und der Entwicklungsmöglichkeiten der angewandten Technik bzw. der hergestellten Produkte kann die technologische Kompe­ tenz des Unternehmens beurteilt werden. Der sinnvolle Aufbau des Unter­ nehmens und das effiziente Zusammenspielen seiner Teilbereiche stellt eine weitere, wichtige Voraussetzung für die Schlagkraft eines Betriebes dar. Der Beurteilung der Organisation ist deshalb auch bei der Kreditprü­ fung Aufmerksamkeit zu widmen.

Zusammenfassend stellen die Gegenstandsbereiche der qualitativen Kre­ ditwürdigkeit die wesentlichen Erfolgsfaktoren eines Unternehmens dar, wobei sie nicht nur den vergangenen Erfolg transparenter zu bewerten erlauben, sondern auch stark prospektive Züge aufweisen. Sie ermög­ lichen es, den (potentiellen) Kreditnehmer umfassend auf seine Stärken und Schwächen hin zu analysieren und zu bewerten und sollten deshalb wesentlicher Bestandteil der Kreditwürdigkeitsprüfung sein. Berück­ sichtigt man die hohen Anforderungen, die an die Urteilskompetenz der Kreditbearbeiter gestellt werden, zeigt sich, daß eine vollständige quali­ tative Unternehmensanalyse neben dem Problem der Informations­ beschaffung sehr aufwendig und zeitintensiv ist. Für eine effiziente Kreditwürdigkeitsprüfung, die neben dem Nutzen einer Selektion von potentiellen Kreditnehmern auch die damit einhergehenden Kosten der Informationsbeschaffung und -Verarbeitung einbezieht, ist des­ halb zu fordern, daß sich die i.d.R. arbeitsaufwendigen qualitativen und die eher standardisierten quantitativen Verfahren ergänzen. Das Bonitäts­ urteil kann dann auf mehrere Bereiche abgestellt werden und somit diffe­ renzierter und zuverlässiger begründet werden.

Kreditwürdigkeitsprüfung

3.

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Zusammenfassung und Ausblick Das Prinzip der Zusammenschau

Die Bonität eines Kreditnehmers stellt die zentrale Grundlage für die Steuerung des Kreditportefeuilles der Bank dar. Auf diesen Daten ba­ sieren alle weiterführenden Schritte bei der Umsetzung einer gesamt­ bankorientierten Risikopolitik. Aufgabe dieses ersten Kapitels war es des­ halb, die verschiedenen Verfahren zur Prüfung der Kreditwürdigkeit eines mittelständischen Kreditnehmers im langfristigen Firmenkreditgeschäft darzustellen und auf ihre Eignung hin zu prüfen. Ziel dieser Verfahren ist es, das mit einer Kreditgewährung verbundene Risiko transparent und somit einer rationalen Entscheidung zugänglich zu machen. Da im Kredit­ geschäft zwangsläufig ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwi­ schen Ertrag und Risiko besteht, d.h. jedes auf Gewinnerzielung angelegte Kreditgeschäft die Übernahme potentieller Kreditrisiken voraussetzt, kann eine vollkommene Risikovermeidung nicht Ziel der Bank sein.314 Als Ergebnis der Forschungsfrage 1 zeigt es sich, daß es das Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung nicht gibt, das allein ausreicht, die künftig erwartete wirtschaftliche Lage eines Unternehmens hinreichend sicher zu prognostizieren. Darüber hinaus wurde deutlich, welch hohe Anforderun­ gen sowohl in persönlicher als auch fachlicher Hinsicht an das Urteilsver­ mögen der Kreditbearbeiter im Firmenkreditgeschäft gestellt werden.315

Die Beurteilung der persönlichen Kreditwürdigkeit ermöglicht es dem Kreditinstitut zwar, einen wesentlichen Risikobereich, die Qualität des Managements, zu bewerten. Je nach betrieblicher Entscheidungsstruktur ist ihre Aussagekraft aber begrenzt. Eine Prognosewirkung ist wegen der Fluktuationsmöglichkeiten fraglich. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit kann mit quan­ titativen und qualitativen Instrumenten erfolgen. Die quantitativen Ver­ fahren, wie z.B. die Jahresabschlußanalyse, geben dem Kreditinstitut in

314 Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 1 ff. Auf dieses Optimierungsproblem wurde bereits zu Beginn näher eingegangen, vgl. Kapitel B.l. 315 vgl. Beil, T./Rittinger, W. (1990), S. 4 ff.

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Kreditwürdigkeitsprüfung

begrenztem Ausmaß Auskunft über die wirtschaftliche Lage und die bisherige Entwicklung des Unternehmens. Ihre Prognosewirkung über die Trendextrapolation von Vergangenheitswerten in die Zukunft darf aber angesichts der sich rasch ändernden Umweltbedingungen nicht über­ schätzt werden.

Qualitative Informationen sind tendenziell aktueller und erlauben es dem Kreditinstitut, einen umfassenderen Einblick in die Abläufe und Struktu­ ren des Unternehmens zu gewinnen. Sie setzen jedoch eine tiefgehende Beschäftigung mit dem Unternehmen im Sinne einer Unternehmensana­ lyse voraus, die sowohl enorme Fachkenntnis erfordert als auch hohen Zeit- und Kostenaufwand verursacht. Zudem werden Kreditinstitute auf­ grund der Wettbewerbslage im Bankgeschäft oftmals nicht in der Lage sein, diese Daten im erforderlichen Umfang zu erhalten. Ziel der ersten Forschungsfrage war es zu zeigen, welche Möglichkeiten zur Risikoanalyse und -Steuerung bislang bestehen und welche Ansatz­ punkte für Verbesserungen gegeben sind. Für den Bereich der Einzelkre­ ditprüfung kann dazu festgehalten werden, daß jedes der dargestellten Verfahren zwar Vor- und Nachteile für die Bonitätsanalyse besitzt, diese aber durch die Kombination der Verfahren weitgehend ausgeglichen wer­ den können. Eine integrierte Kreditbeurteihing auf Basis quantitativer und qualitativer Elemente ist somit das geeignete Instrumentarium für die Beurteilung der wirtschaftlichen Zukunft eines Kreditnehmers. Auf­ bauend auf der Entwicklung der Vergangenheit können so die gegen­ wärtige Lage des Unternehmens diagnostiziert und seine Zukunftschancen hinreichend genau prognostiziert werden. Damit wird zugleich gewähr­ leistet, daß aussagefähige Daten zur darauf aufbauenden Steuerung der Risikolage der Bank generiert werden. Zu berücksichtigen sind bei der Einzelkreditentscheidung aber zudem die übergeordneten Einflußfaktoren, die sich aus dem Kreditportefeuille des Instituts oder seinen geschäftspolitischen Zielen ergeben. Sie können das Urteil der Einzelkreditprüfung an die globalen Erfordernisse des Kreditin­ stituts anpassen und somit dessen Risikopolitik optimieren. Diese Aspekte und ihre Rückwirkung auf die Kreditvergabepraxis sollen Gegenstand des zweiten Hauptteils der Arbeit sein. Die notwendige Datenbasis konnte mit der dargestellten, integrierten Kreditbeurteilung bereits geschaffen werden.

Integrierte Kreditprüfung

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C. Die Integration der Einzelkredit­ prüfung in die Gesamtbank­ planung und -Steuerung 1.

Überblick und Bedeutung

Im ersten Themenschwerpunkt dieser Arbeit wurden die Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung ausführlich dargestellt und kritisch gewürdigt. Als Ergebnis der damit abgehandelten Forschungsfrage 1 konnte festge­ stellt werden, daß ein Urteil über die Kreditwürdigkeit nicht auf Basis der isolierten Betrachtung einzelner - persönlicher oder wirtschaftlicher Merkmale eines potentiellen Kreditnehmers getroffen werden darf, son­ dern im Sinne einer integrierten Kreditbeurteilung sowohl qualitative als auch quantitative Elemente der Kreditwürdigkeit mit einzubeziehen hat.

Darüber hinaus wurde festgestellt, daß im Rahmen einer an den Unter­ nehmenszielen ausgerichteten Kreditpolitik neben der einzelfallbezogenen Kreditwürdigkeit noch weitere - gesamtbankbezogene - Einflußgrößen auf die Kreditvergabe eines Bankinstitutes einwirken. Inhaltlicher Schwer­ punkt der Forschungsfrage 2 soll nun die Untersuchung dieser Zusammenhänge zwischen der Einzelkreditprüfung und der Gesamtbank­ planung sein. Die dabei angestrebte Integration der Kreditwürdigkeitsprü­ fung in die Gesamtbankplanung und -Steuerung ist primär auf das Risiko­ management fokussiert. Zwar ergeben sich mit jeder Kreditentscheidung zugleich Auswirkungen auf die leistungswirtschaftliche Sphäre der Bank, z.B. auf das Aktiv-Passiv-Management oder die interne Ressourcensteue­ rung; diese Aspekte sollen aber nicht Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung sein. In diesem Kapitel stehen die gesamtbankorientierte Steuerung des Kreditrisikos und insbesondere die Nutzung von Diversifi­ kationseffekten im Vordergrund. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Gesamtbankplanung und Steuerung soll nachfolgend anhand der Entwicklung der internen und

132

Integrierte Kreditprüfung

externen Rahmenbedingungen des bankbetrieblichen Umfeldes und der Banken selbst aufgezeigt werden. Diese Rahmenbedingungen sind durch folgende Entwicklungstrends gekennzeichnet: □ Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt bankbetrieblicher Leistun­ gen.1 □ Steigender Wettbewerb zwischen den Instituten, sowie zunehmende Konkurrenz durch Non- und Near-Banks.2 □ Daraus resultierend tendenziell rückläufige Zinsmargen, wobei ande­ rerseits höhere Anforderungen an die Eigenmittelausstattung der Kre­ ditinstitute gestellt werden. Dies zwingt zur rentabilitätsorientierten Steuerung des Bankgeschäftes und zum optimalen Einsatz der Eigen­ kapital-, Sach- und Personalressourcen.3 □ Parallel hierzu ist eine zunehmende Geschwindigkeit des wirtschaftli­ chen Wandels zu verzeichnen, die u.a. mit kürzeren Produktlebens­ zyklen einhergeht.4 Hieraus ergeben sich für das langfristige Kreditge­ schäft steigende Risiken, da die Prognose der zukünftigen Bonität eines Kreditnehmers erschwert wird.5 □ Erhöhte innerbetriebliche Fixkostenbelastung durch den Zwang zum Einsatz neuer Techniken, insbesondere im EDV-Bereich.6

1

$ 4 5

6

Vgl. Knapp, T. (1988), S. 608. Aus diesem Zwang zu aktiverem Marketing resultie­ ren erhöhte Anforderungen an das Risikomanagement. Vgl. Juncker, K. (1988), S. 366. Unter Non- und Near-Banks sollen dabei Institutio­ nen subsumiert werden, die den Bankleistungen ähnliche Produkte anbieten, ohne selbst Bank zu sein. Zu nennen wären hier z. B. die Versicherungen, Leasinggesell­ schaften, oder die Absatzfinanzierungsaktivitäten des Handels. Vgl. Arbeitskreis < Informationswesen > des Ausschusses für Bilanzierung des Bundesverbandes deutscher Banken (1991), S. 26. Vgl. Kreim, E. (1988), S. 133. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 805. Für den Anstieg des Risikos kann die Entwicklung der Einzelwertberichtigungen als Indikator herangezogen werden. Waren 1980 von DM 1.000 Kreditgeschäft nur DM 2,80 einzelwertberichtigt, stieg diese Größe trotz rückläufiger Insolvenzzahlen - bis 1989 auf DM 12,20 an. Vgl. Köpf, G. (1992), S. 35. Im Zuge der jüngsten konjunkturellen und strukturellen Probleme ist auch für die Zukunft mit einem weiteren Ansteigen dieser Kennzahl zu rechnen. Vgl. Juncker, K. (1988), S. 367.

Integrierte Kreditprüfung

133

□ Steigende Betriebsgrößen und komplexitätsbedingte Führungspro­ bleme.7

Folge dieser Entwicklung der bankbetrieblichen Rahmenbedingungen war die Abkehr vom einseitigen Volumen- und Wachstumsdenken der 70er und frühen 80er Jahre hin zu einer verstärkt rentabilitätsorientierten Steuerung der Bank.8 Angesichts der zunehmend stagnierenden Märkte (der Osteffekt durch die neuen Bundesländern in den Jahren 1990-92 lenkte davon nur ab) stehen die Bankbetriebe heute vor dem Problem, ihre Unternehmenspolitik auf die sich verschärfende Dynamik der wirtschaft­ lichen, soziokulturellen, technologischen und politisch-legislativen Um­ welt einzustellen.9 Zugleich vermindert die deutlich gestiegene interne und externe Komple­ xität des Wirtschaftsgeschehens die Überschaubarkeit und Handhab­ barkeit des Planungsobjektes 'Gesamtbank'.10 Sie gilt es auf Basis einer konzeptionellen Gesamtsicht zu steuern und einzelne Teilpläne, wie z.B. das Kreditgeschäft, auf der Ebene der Gesamtbank zu koordinieren, um die Kräfte des Institutes konsequent auf die gewollten und in den Unter­ nehmensgrundsätzen fixierten Zielsetzungen auszurichten.11 Diese strategisch orientierte Unternehmensführung verlangt - insbesondere für das Teilsegment des Kreditgeschäftes - eine Festlegung zwischen den konkurrierenden Zielgrößen 'Rentabilität' und 'Risiko'.12 Aufbauend auf der Notwendigkeit der Gesamtbankplanung wird im ersten Teil dieses Kapitels neben einer Begriffsklärung das bankbetriebliche Zielsystem und seine konkrete Ausgestaltung für das Kreditgeschäft dargestellt. Das Zielsystem ist von grundlegender Bedeutung für die Unternehmenspolitik, da eine Steuerung die Definition der angestrebten Ziele voraussetzt, um daraus zielführende Handlungsalternativen ableiten zu können.13

Daran anschließend soll die Gesamtbankplanung in ihren Grundzügen dargestellt und ein Überblick über Planung und Controlling als Instru­ 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Abels, P./Klünder, W. (1981), S. 26. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 1. Vgl. Büschgen, H. E. (1983), S. 274. Vgl. Küspert, A. (1991), S. 425. Vgl. Kirsch, W./Grebenc, H. (1986), S. 13. Vgl. Hambücher, H. M. (1989), S. 29. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 808.

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mente der zielorientierten Unternehmensführung im Bankbetrieb gegeben werden. Die Planung der Kreditpolitik eines Bankinstitutes im Sinne eines Teilplanes der Gesamtbankplanung ist Gegenstand des vierten Abschnitts. Hier sollen die Möglichkeiten des Risikomanagements als Instrument zur Überlebenssicherung dargestellt und erläutert werden. Der Schwerpunkt des Kapitels wird auf der Darstellung der Möglichkeiten zur Steuerung der Kreditvergabe unter Einfluß gesamt­ bankbezogener Größen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der unter­ nehmenspolitischen Risikogrundsätze liegen. Dieses am Portfolio-Ansatz orientierte Vorgehen soll es dem Kreditinstitut ermöglichen, ein sowohl am Einzelkreditrisiko als auch an den Erfordernissen der Gesamtbank orientiertes Kreditmanagement zu verwirklichen. Neben dem grundlegenden Ansatz von Markowitz werden die auf den Faktor 'Praktikabilität' zielenden Index-Modelle erläutert. Mit demValue at RiskAnsatz wird dazu ein konkretes Anwendungsbeispiel der Modernen Portfolio-Theorie gegeben.

Darauf aufbauend wird ein integriertes Kreditprüfungssystem entwickelt, das den Einfluß der Portefeuille-Struktur der Bank bei jeder Kreditent­ scheidung berücksichtigt. Dieses System INTERRED (iNTEgriertes KREDitprüfungssystem) soll es dem Kreditinstitut erlauben, trotz dezentraler Kreditentscheidungspraxis die (zentralen) Portefeuille-Effekte im Fokus zu behalten, ohne zusätzlichen Datengewinnungsaufwand hervorzurufen. INTERRED zielt damit auf eine praxisnahe Lösung. Den Abschluß des Kapitels bildet eine kritische Würdigung der Chancen und Risiken dieses Vorgehens.

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2.

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Das bankbetriebliche Zielsystem

"Jede Steuerung setzt eine Vorstellung von den Zielen voraus, die erreicht werden sollen."14 Unter Ziel ist dabei ein für die Bank als erstrebenswert angesehener Zustand zu verstehen.15 Die Grundlage für unternehmens­ politische Maßnahmen bilden die spezifischen Zielsetzungen des Bank­ betriebes im Sinne eines Zielsystemes, das die Gesamtheit der Ziele und ihr Verhältnis untereinander widerspiegelt.16 Begrifflich abgegrenzt wird Unternehmenspolitik als "... die bewußte Gestaltung des Zusammenwir­ kens aller Elemente einer Unternehmung, um unter sich ständig verän­ dernden Umweltbedingungen die gesetzten Ziele zu erreichen."17 Diese Definition zeigt sehr deutlich die integrative Aufgabe der Unternehmens­ politik, da nur unter Berücksichtigung des Planungsobjektes 'Gesamtbank' ein kontrolliertes und zielorientiertes Entwickeln des Bankunternehmens gewährleistet wird. Zugleich zeigt diese Abgrenzung, daß die Kredit­ politik ein integraler Bestandteil der Unternehmenspolitik ist.

Als unternehmenspolitische Ziele wurden bereits im vorangegangenen Kapitel das Gewinnziel und das Sicherheitsziel angeführt. Neben diesen Zielen können noch viele weitere, wie z.B. Wachstum, Image, Marktanteil oder die Tiefe und Breite des Angebotsspektrums genannt werden.18 Üblicherweise verfolgen Kreditinstitute in ihrer Unternehmenspolitik mehrere dieser Ziele zugleich. Um dieses Bündel an - qualitativen oder quantitativen - Zielen operational und somit praktikabel zu ordnen, bedarf es eines Zielsystemes bzw. einer Zielkonzeption, die die einzelnen Ziele hierarchisch zueinander in Beziehung setzen und es damit den Mitar­ beitern ermöglichen, die Unternehmenspolitik des Kreditinstitutes operational nachvollziehen und mittragen zu können.19 Als Oberziel und zentrale Grundlage für die Geschäftstätigkeit eines Kre­ ditinstitutes wird - wie auch in der allgemeinen betriebwirtschaftlichen 14 15 16 17 18 19

Köllhofer, D. (1988b), S. 808. Vgl. Mertin, K. (1978), S. 240. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 808. Mattes, H./Zipf, R. (1988), S. 681. Vgl. Coenenberg, A. G./Günther, T. (1990), S. 461 f. Vgl. Fischer, O. (1978), S. 208 f.

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Literatur - die nachhaltige Sicherung der Existenz des Unternehmens angesehen.20 Dieses Ziel ist die notwendige Grundvoraussetzung für alle weiteren unternehmenspolitischen Ziele der Bank.21 Das wichtigste Ziel zur Gewährleistung des Unternehmensbestandes stellt das Gewinnziel dar,22 denn ohne die Erwirtschaftung auskömmlicher Gewinne stößt ein Kreditinstitut rasch an die Grenzen seines unterneh­ menspolitischen Spielraumes. So ist gemäß Grundsatz I des Bundesauf­ sichtsamtes für das Kreditwesen (BAK) die Kreditvergabe an die Eigen­ kapitalausstattung der Bank geknüpft, die entweder mittels der Selbst­ finanzierung aus thesaurierten Gewinnen oder über Einlagen/Kapitalerhöhungen seitens der Anteilseigner aufgebracht werden muß, wofür - um dieses für den Anleger attraktiv zu machen - ebenfalls die Gewinnerzie­ lung als Voraussetzung angesehen werden kann. Bankbetriebliches Wachstum setzt folglich zwingend die Gewinnerzielung voraus.23 Als Leitmaxime der Bankunternehmenspolitik wird somit das auf die Erzie­ lung von Gewinnen ausgerichtete 'Erwerbswirtschaftliche Prinzip' be­ trachtet. Dies impliziert die Frage nach dem angestrebten Anspruchs­ niveau der Gewinngröße.24 Oftmals wird - zumindest den privaten Banken - in der Literatur das Ziel einer Gewinnmaximierung unterstellt.25 In der Praxis läßt sich dieses Maximierungsziel aber i.d.R. nicht realisieren, da dem Kreditinstitut für die Maximierung weder alle Informationen über die relevanten Hand­ lungsalternativen noch über die künftigen Umweltzustände vorliegen.26 20 21 22

23

24 25 26

Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 1. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 809. Vgl. Hein, M. (1981), S. 101. Vgl. hierzu auch die Ergebnisse der empirischen Ziel­ forschung, z.B. in Kubicek, H. (1981), S. 460 f. Vgl. Mertin, K. (1978), S. 241 f. Das Gewinnstreben ist dabei selbstverständlich nicht auf die privatwirtschaftlichen Kreditinstitute beschränkt. Auch öffentlichrechtliche Banken und Kreditgenossenschaften benötigen zum Ausbau des Kreditge­ schäftes eine entsprechende Stärkung der Eigenmittel-Basis durch realisierte Ge­ winne, da das mögliche Volumen des risikotragenden Aktivgeschäfts über den Grundsatz I streng an die Eigenmittelausstattung gekoppelt ist. Daneben setzt auch die Verfolgung der sonstigen, nichtmonetären Ziele des Kreditinstituts eine ausrei­ chende Ertragskraft voraus. Vgl. Hein, M. (1981), S. 101 ff. Vgl. Mattes, H./Zipf, R. (1988), S. 685. Auch die Ergebnisse der empirischen Zielforschung bestätigen die Dominanz des Gewinnziels. Vgl. Kubicek, H. (1981), S. 460 f. Vgl. Mertin, K. (1978), S. 242.

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Unter dynamischen Gesichtspunkten ist zudem der Zeithorizont der Zielerreichung von Interesse.27 Zu berücksichtigen sind darüber hinaus auch die Nebenbedingungen der bankbetrieblichen Zielfunktion zur Gewinnmaximierung. Wie bereits zu Beginn von Kapitel B dargestellt wurde, ist - insbesondere im Kreditgeschäft - die Erzielung von Gewinnen zwangsläufig mit dem Eingehen von Risiken verbunden. Eine nachhaltige, langfristige Gewinnerzielung ist folglich nur in dem Maße möglich, wie unangemessene Risiken vermieden werden.28 Festgehalten werden kann somit, daß weniger eine Maximierung als vielmehr eine Optimierung des Gewinnzieles unter Nebenbedingungen als realistischer Zielerfüllungsgrad angesehen werden kann. Der Zielkonflikt zwischen dem Gewinnziel und dem Sicherheitsziel zeigt sich sehr prägnant an der potentiellen Inkaufnahme erhöhter Risiken bei einseitig auf Wachstum ausgerichteter Kreditgewährung. Durch den mit dem Volumendenken i.d.R. einhergehenden größeren Anteil von Kredit­ nehmern schlechterer Bonität lassen sich zwar kurzfristig höhere Zins­ erträge erzielen, langfristig können diese aber von Forderungsausfällen überkompensiert werden.29 Als weitere Nebenbedingung, die in einem Zielkonflikt zur Gewinnerzielung steht, ist diejederzeitige Aufrechterhal­ tung der Zahlungsfähigkeit zu beachten, zeigte es sich doch in der Ver­ gangenheit, daß für Liquiditätsschwierigkeiten im wesentlichen eingetre­ tene Erfolgsrisiken ausschlaggebend waren.30 Für das Zielsystem eines Kreditinstitutes bedeutet dies, daß das Streben nach Gewinn dort seine Grenzen findet, "... wo die Sicherheit und damit die Existenz der Unter­ nehmung gefährdet wird."31 Oberziel eines Kreditinstitutes kann es also nur sein, ein Optimum zwischen dem Gewinnziel und den dargestellten Nebenbedingungen zu finden; das Gewinnstreben ist als Optimierungsziel eingebettet in eine umfassende Zielkonzeption.32 Diese Zielkonzeption ist

27 28 29 30

31 32

Vgl. Schneider, D. (1990), S. 40 ff. Vgl. Mattes, H./Zipf, R. (1988), S. 687. Vgl. Mertin, K. (1978), S. 242 f. Vgl. Mattes, H./Zipf, R. (1988), S. 687. Neben den genannten Nebenbedingungen der bankbetrieblichen Zielfunktion sind selbstverständlich auch die aufsichtsrechtli­ chen Strukturanforderungen der Grundsätze I bis III zu berücksichtigen. Mattes, H./Zipf, R. (1988), S. 687. Vgl. Mertin, K. (1978), S. 255.

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- bezogen auf das Kreditgeschäft - in Abbildung C.l. anschaulich darge­ stellt. Die Gewährleistung des Oberziels der bankbetrieblichen Unternehmungs­ führung - die Unternehmenserhaltung - bedingt zwingend die Realisierung von Gewinnen. Daß diese nur unter dem Einfluß der Nebenbedingungen Sicherheit und Liquidität erfolgen kann, zeigt die Abbildung C.l. Diese Nebenbedingungen selbst werden beeinflußt durch die Grundsätze I bis III des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, die den Banken Standards für Kreditvergabe und Refinanzierung auferlegen. Daneben ist dargestellt, daß sich die Kreditgewährung an einem Optimum zwischen Kreditüberschuß und Kreditausfall ausrichten muß. Auf diese Weise werden die Opportunitätsverluste aus einer zu restriktiven Kreditvergabe­ politik (nicht genutzte Marktpotentiale) unter gleichzeitiger Berücksichti­ gung der Ertragschancen aus erfolgreich abgewickelten Kreditgeschäften in optimaler Weise berücksichtigt.

33

Büschgen nennt die in der Abbildung dargestellte Zielkonzeption die "klassische Triade bankgeschäftspolitischer Ziele"(Büschgen, H.E. (1992), S. 80).

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3.

139

Planung und Controlling im Bankbetrieb

3.1. Überblick Im folgenden Abschnitt soll ein Überblick über Planung und Controlling im Bankbetrieb gegeben werden. Wie bereits einführend geschildert wurde, hat sich das bankbetriebliche Umfeld in den letzten Jahren beträchtlich gewandelt. Tendenziell sinkende Margen bei gleichzeitig stei­ genden Risiken sind nur ein Aspekt dieser Entwicklung. Für das Bank­ management führt dies zu der Problematik, die zunehmend komplexere und unbeweglichere Bank an die sich verschärfende Dynamik der Umwelt anzupassen.34

Ausreichend für die Sicherung des Erfolges kann vor diesem bewegten Hintergrund nicht mehr die Extrapolation von Vergangenheitskonzepten in die Zukunft sein35; eine am Umfeld orientierte Unternehmensführung muß vielmehr versuchen, künftig zu erwartende Probleme und Chancen frühzeitig zu identifizieren und rechtzeitig gezielte Unternehmensent­ wicklungen einzuleiten.36 Diese aktive und gestalterische Verhaltens­ weise der Entscheidungsträger zur Sicherung der unternehmerischen Zukunft bringt der Begriff der Unternehmensplanung zum Ausdruck. Es ist nicht das Ziel der Planung "... Unvorhersehbares vorhersehbar zu machen, sondern das Vorhersehbare so gut wie möglich sichtbar zu machen und es in beherrschbaren Kategorien zu überprüfen."37 Wie in allen Unternehmungen vollziehen sich auch in Kreditinstituten tagtäglich eine Vielzahl zentraler und dezentraler Entscheidungsprozesse. Um die vorgegebenen Unternehmensziele mit einem möglichst hohem Zielerreichungsgrad verwirklichen zu können, müssen diese Entschei­ dungsprozesse gesteuert, koordiniert und kontrolliert werden. Da bankbe­ 34 35 36

37

Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 805. Vgl. Tanew-Iliitschew, G. (1982), S. 133. Vgl. Buchinger, G. (1981), S. 239. Hierzu bedarf es einer zeitnahen Bereitstellung von Kontrollinformationen, um möglichst bald korrigierende Maßnahmen einleiten zu können. Vgl. Büschgen, H. E. (1979), S. 104 bzw. die Ausführungen zum Con­ trolling. Hentze, J./Brose, P. (1985), S. 156.

140

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triebliche Entscheidungen i.d.R. unter Unsicherheit getroffen werden, muß es das Bestreben der Unternehmensleitung sein, durch eine möglichst zweckmäßige Informationsbeschaffung und -bereitstellung die Entschei­ dungsprobleme überschaubar und transparent zu machen.38 Verantwort­ lich hierfür ist das Controlling. Dessen Aufgabe ist die Unterstützung des Managements bei Wahrnehmung seiner Führungsaufgabe. Der Schwer­ punkt des Controllings liegt dabei auf den Kernbereichen der Koordina­ tion der Führungssubsysteme Planung und Kontrolle (Informationsver­ wendung) und auf der Informationsversorgung des Bankbetriebes, d.h. der Bereitstellung von zur zielorientierten Führung notwendigen Daten.39 Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen wird es sein, die Möglich­ keiten der bankbetrieblichen Planung und des bankbetrieblichen Con­ trollings allgemein und speziell im Kreditgeschäft aufzuzeigen.

3.2. Planung im Bankbetrieb 3.2.1. Grundlagen der Bankplanung und BegrifTsklärung " Bankbetriebliche Aktivitäten sind seit jeher durch ein kompliziertes System von mannigfaltigen Restriktionen, (...) Fremdeinflüssen und (...) Wechselwirkungen mit Elementen der Umwelt erschwert worden ... Den­ noch sind das in den letzten Jahren gewachsene und in Zukunft eher noch zunehmende Ausmaß der Komplexitätszunahme der gesamten ökonomi­ schen, soziokulturellen, technologischen und nicht zuletzt der politisch­ gesetzlichen Umsysteme einer Bank einerseits sowie deren ständig sich erhöhende Dynamik andererseits bislang keineswegs von allen Verant­ wortlichen in ihrer gesamten Tragweite erkannt und angemessen gewür­ digt worden. Gerade aber das Zusammenwirken von Komplexität und Dynamik belastet die Bankunternehmensführung (...) in zunehmendem Maße ,.."40 Um die Realisierung des Oberzieles eines Bankunternehmens, die lang­ fristige Existenzsicherung, gewährleisten zu können, muß sich die Ban­ 38 39 40

Vgl. Köllhofer, D. (1988a), S. 707. Zur Definition des Begriffs 'Unsicherheit' vgl. Kapitel C.4.2. Vgl. Horvath, P. (1986), S. 191. Büschgen, H. E. (1983), S. 274.

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kunternehmensführung frühzeitig auf diese Entwicklung einstellen. Das aktive, gedankliche Gestalten der künftigen Unternehmensentwicklung im Sinne einer systematischen, zukunftsorientierten Entscheidungsvorberei­ tung erfolgt dabei durch die Unternehmensplanung.41 Der Planungs­ begriff wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur vielfältig definiert. Für die Zwecke dieser Arbeit soll Planung als innovatives, zukunfts­ gerichtetes Denken definiert werden. Die Aufgabe der Planung ist es: □ zukünftige Unternehmenssituationen gedanklich vorwegzunehmen □ Unternehmensziele aufzuzeigen □ alternative Handlungsmöglichkeiten zu durchdenken □ Mittel zur Zielerreichung zu identifizieren.42

Planung umfaßt folglich sowohl die Zielbestimmung als auch die Festle­ gung der Mittel zur Realisierung dieser angestrebten Ziele; ihr wesentli­ ches Merkmal ist die Zukunftsorientierung 43 In den vergangenen Jahren hat sich die Unternehmensplanung von einer mehr buchhalterischen Pla­ nungsrechnung zu einem umfassenden integrierten Planungssystem ent­ wickelt, das vielfältige interne und externe Interdependenzen berücksich­ tigt. Grob können dabei die folgenden Phasen des Entwicklungsprozesses der Planung unterschieden werden: □ Vorschaurechnung

□ Budget- und Plankostenrechnung □ Funktionsbereichsbezogene Planung □ Langfristplanung □ Integrierte Gesamtunternehmensplanung □ Strategische Planungskonzepte □ Gesamtplanungssysteme mit Partialplanungsmodellen.44

In den nachfolgenden Ausführungen soll der Schwerpunkt auf der strate­ gischen Planung und ihrer Bedeutung für die operative Planung sowie auf der Gesamtbankplanung liegen. 41 42 43 44

Vgl. Hahn, D. (1981), S. 223. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 806. Vgl. Böcker, F. (1985), S. 137. Vgl. Hahn, D. (1981), S. 223.

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3.2.2. Strategische und operative Planung

Entsprechend dem Zeithorizont und ihrem Planungsgegenstand kann die Unternehmensplanung in die strategische und die operative Planung unterschieden werden. Die strategische Planung zielt auf die eher mittelbis langfristig erkennbaren Potentiale und Risiken der Geschäftstätigkeit; die operative Planung dagegen ist primär kurzfristig orientiert und setzt die strategische Planung in die Tagesarbeit um.45

Grundgedanke der strategischen Planungskonzeption ist das Bedürfnis der Unternehmung nach einer 'Überlebensplanung' im Sinne einer bewußten und systematischen Analyse zukünftiger (Erfolgs-) Chancen und Risi' ken.46 Die strategische Planung legt die grundsätzliche Entwicklungs­ richtung des Unternehmens sowie seine Unternehmensziele fest, wobei angesichts des eher langfristigen Planungshorizontes - die zum Planungs­ zeitpunkt gegebenen innerbetrieblichen Restriktionen und - wenn auch begrenzt - das Umsystem der Bank als beeinflußbar angesehen werden.47 "Die Bedeutung der strategischen Planung liegt primär darin, daß die viel­ fältigen dezentralen Entscheidungen im Unternehmen zu einer zukunfts­ bezogenen, zielorientierten und ausgewogenen Unternehmenspolitik zusammengefügt werden."48 Die strategische Planung erstreckt sich folg­ lich über das gesamte Kreditinstitut als Planungsobjekt und verknüpft die­ ses mit seiner Umwelt und deren Wandel.49 Sie ist als Bündel von Instru­ menten und Methoden zu verstehen, die darauf zielen, die künftig rele­ vanten Erfolgsfaktoren zu ermitteln und zur antizipativen Steuerung des Unternehmens umzusetzen.50 Später zu treffende Entscheidungen sollen dabei jedoch nicht antizipiert werden, sondern lediglich die zukünftig zu erwartenden Einflußgrößen auf die Unternehmensentwicklung schon heute identifiziert und somit der Entscheidungs- und Handlungsspielraum des Kreditinstitutes im Sinne einer flexiblen, rollierenden Planungskonzeption erweitert werden.51 45 46 47 48 49 50 51

Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 806. Vgl. Büschgen, H. E. (1983), S. 274. Vgl. Büschgen, H. E. (1979), S. 99. Koch, H. (1988), S. 1034. Vgl. Hentze, J./Brose, P. (1985), S. 414 f. Vgl. Coenenberg, A. G./Günther, T. (1990), S. 459. Vgl. Büschgen, H. E. (1983), S. 275.

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143

Strategische Entscheidungen betreffen folglich die grundsätzliche Aus­ richtung des Unternehmens und seiner Ressourcen auf die künftigen Anforderungen.52 Für sie können folgende Merkmale als charakteristisch angesehen werden: Strategische Entscheidungen ... □ dürfen aufgrund ihrer weitreichenden Auswirkungen nicht auf Basis kurzfristiger Trends und Perspektiven getroffen werden53 □ besitzen eine besondere Bedeutung für die künftige Vermögens- und Erfolgsentwicklung der Bank

O beziehen sich auf das Unternehmen als Ganzes und können somit nur aus dem Gesamtzusammenhang heraus getroffen werden

□ die Entscheidungskompetenz liegt dabei grundsätzlich auf der obersten Führungsebene und bedarf häufig der Zustimmung der Aufsichtsgre­ mien (Aufsichtsrat, Beirat oder Hauptversammlung).54 Die strategische Planung im Bankbetrieb muß auf die zwei wesentlichen Problembereiche fokussiert werden:

□ den Markt

□ den Betrieb

Der Marktbereich ist von der Unternehmensumwelt geprägt und ent­ scheidet über die Fähigkeit, vorhandene (oder neu zu weckende) Kunden­ bedürfnisse besser befriedigen zu können als der Wettbewerb. Die heuti­ gen Produkte und Märkte des Kreditinstitutes müssen auf ihr morgiges Erfolgspotential geprüft und neue Produkte oder Märkte mit Erfolgschan­ cen gefunden oder geschaffen werden.55 Diese Marktorientierung schränkt die Planungsfreiheit des Betriebsbereiches ein, der im wesent­ lichen von der Planung des Marktbereiches determiniert wird und die reibungslose Umsetzung der Marktplanung zu gewährleisten hat.56 Die Transformation der meist abstrakten strategischen Pläne für das Tagesgeschäft, also die Operationalisierung der Strategien in konkrete Handlungsanweisungen für die nachgelagerten Ebenen, ist die Aufgabe der operativen Planung. "Im Unterschied zur Strategie, die mit einem Kompaß vergleichbar ist, der die einzuschlagende Richtung angibt, ähnelt 52 53 54 55 56

Vgl. Buchinger, G. (1981), S. 240. Vgl. Abels, P./Klünder, W. (1981), S. 31. Vgl. Hahn, D. (1981), S. 223 f. Vgl. Thalacker, T. (1981), S. 343. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 812.

144

Integrierte Kreditprüfung

der Aktionsplan (der operative Plan, Anni. d. Verf.) einer Landkarte mit genauen Marschanweisungen."57 Die operative Planung gibt also detaillierte Maßnahmen zur Erreichung konkreter, meist perioden­ bezogener Ziele für einen relativ kurzen Planungszeitraum von i.d.R. bis zu einem Jahr Reichweite vor. Während die strategische Planung der grundsätzlichen Gewinnung bzw. Sicherung von Erfolgsfaktoren dient, ist die Ausschöpfung dieser Potentiale Gegenstand der operativen Planung.58

Dimension

Strategischer Plan

Operativer Plan

Abstraktionsgrad

hoch

gering

Bezugszeit

tendenziell langfristig

tendenziell kurzfristig

Komplexität

hoch

mittel bis gering

Strukturierungs­ grad

unstrukturiert

strukturiert, vorge­ gebene Prozeduren

Art der Information

hohe Unsicherheit, qualitativ

geringe Unsicherheit, quantitativ

Kontrollierbarkeit

gering

hoch

Abbildung C.2:

Strategische und operative Planung59

Die Abbildung C.2 stellt die wesentlichen Merkmale der strategischen und der operativen Planung synoptisch gegenüber. In der Praxis ist zumeist zwischen der kurzfristigen, operativen Planung und der langfristigen, strategischen Planung eine Mittelfristplanung eingezogen. Diese erstreckt sich i.d.R. über einen Zeithorizont von 1-5 Jahren und konkretisiert die strategischen Zielrichtungen in einem ersten Schritt.6® 57 58 59 66

Hinterhuber, H. (1989), S. 184. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 276. Abb. in Anlehnung an Munari, S./Naumann, C. (1984), S. 373. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 806. Die Planungsfristigkeit hängt entscheidend von der Branche und der Art der Geschäftstätigkeit des Unternehmens ab. Während bei rohstoffnahen Unternehmungen der Planungszeitraum oft weit über 10 Jahre beträgt, erstreckt sich die strategische Planung bei konsumorientierten Unternehmen auf eine

Integrierte Kreditprüfung

145

3.2.3. Die Gesamtbankplanung

Als Aufgabe der strategischen Planung konnte die Fixierung der länger­ fristigen, die Gesamtbank betreffenden Zielsetzungen festgehalten werden. Ist die strategische Planung somit per se gesamtbankorientiert, müssen die operativen Teilpläne ebenfalls in dieses Globalsystem eingebunden werden. Bereits 1978 konstatierte Ludwig Poullain: "Die vielfach festzustellende Praxis, einzelne Teilprobleme einer Bank isoliert voneinander zu untersuchen und daher nicht optimalen Lösungen zuzuführen, wird den Anforderungen der Zukunft nicht mehr gerecht, da bereichsübergreifende Interdependenzen das bankbetriebliche Feld der Rentabilitäts- und Liquiditätsprobleme durchflechten und einen Entschei­ dungsvollzug auf der Basis eines totalen Managementsystems erfor dern."61 Grundlage der Gesamtbankplanung muß dabei die Festlegung und Verfol­ gung der langfristig leitenden Unternehmensziele und deren Operationali­ sierung in konkreten, aufeinander abgestimmten Zielvorstellungen sein.62 Während die langfristig orientierte Planung in der Lage sein kann, beste­ hende innerbetriebliche Restriktionen zu beseitigen, sind kurzfristige Pläne zur Anpassung an Engpässe gezwungen. Dieses "Ausgleichsgesetz der Planung", also die Orientierung aller Teilpläne am Minimumsektor des Bankbetriebes, darf allerdings nicht reaktiv zur Kenntnis genommen werden, sondern muß aktiv im Rahmen der Integration sämtlicher Teil­ pläne in eine Gesamtbankplanung optimiert werden.63 Abbildung C.3 stellt die Integrationsaufgabe anschaulich dar. Die generelle Zielplanung wird hier in Verbindung mit der strategischen und der operativen Planung in die Gesamtbankplanung im Sinne eines kybernetischen Prozesses ein­ gebunden. Kennzeichnend hierbei sind die Regelkreise zwischen den ein­ zelnen Planungsebenen, die sich im Rahmen der Gesamtbankplanung gegenseitig beeinflussen.

61 62 63

relativ kurze Zeitspanne von ca. 1 Jahr. Vgl. Coenenberg, A. G./Günther, T. (1990), S. 462. Poullain, L. (1978), S. 110. Vgl. Hambücher, H. M. (1989), S. 28 f. Vgl. Wöhe, G. (1986), S. 127

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Abbildung C.3:

Kybernetischer Prozeß der Gesamtbankplanung64

Bedingt durch die Komplexität des Unternehmensgeschehens ist meist eine Zerlegung der Gesamtbankplanung in hierarchisch geordnete Teil­ pläne erforderlich. Die Adjustierung der zumeist dezentral erstellten Teil­ pläne an den Gesamtplan kann dann simultan oder sukzessive erfolgen.65 Da die Simultanplanung des gesamten Unternehmensgeschehens ange­ sichts der Komplexität und der Datenfülle selbst mit anspruchsvollen Operations-Research-Methoden kaum möglich ist, werden die Teilpläne i.d.R. sukzessiv auf die generelle Zielplanung der Bank abgestimmt.66 Je nach Planungsphilosophie - top-down oder bottom-up - müssen die Teil­ pläne des Kreditinstitutes so koordiniert werden, daß die Erfüllung des bankbetrieblichen Zielsystemes optimiert wird. Diese Koordinations­ funktion ist Aufgabe des Controllings.67

64 65 66 67

Abb. in Anlehnung an Coenenberg, A.G./Günther, T. (1990), S. 460. Vgl. Schneeweiß, C. (1989), S. 567 f. Vgl. Poullain, L. (1978), S. 110. Vgl. Süchting, J. (1987a), S. 59.

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3.3. Controlling im Bankbetrieb 3.3.1. Grundlagen des Controllings und Begriffsklärung

In den vorangegangenen Ausführungen wurden bislang die generelle Ziel­ planung und die Grundzüge der strategischen und der operativen Planung dargestellt. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, daß es zur zielorien­ tierten Steuerung eines Bankunternehmens nicht ausreichen kann, ein­ zelne Teilaspekte isoliert zu betrachten, sondern es einer Integration und Koordination der Teilpläne im Sinne einer Gesamtbankplanung bedarf. Angesichts der Vielzahl von ertrags- und risikowirksamen Entscheidungs­ prozessen, die sich tagtäglich in Kreditinstituten vollziehen69, und den zunehmend dezentralen und komplexen Management- und Entschei­ dungssystemen70 ist es von besonderer Bedeutung für die Unternehmens­ führung, "... diese Prozesse zu steuern und deren Ergebnisse fortwährend zu kontrollieren, um die gesetzten Unternehmensziele mit einem hohen Zielerreichungsgrad verwirklichen zu können."71 Dieser Vorgang des Vergleichens und des regulierenden Eingreifens, der dazu dient Abwei­ chungen frühzeitig zu erkennen und dadurch Fehlentwicklungen bereits in der Anfangsphase entgegensteuern zu können, wird in der Literatur oft­ mals als 'Zwillingsfunktion der Planung' bezeichnet und ist der Gegen­ standsbereich des Controllings.72

Wie so viele betriebswirtschaftliche Termini wird auch der Begriff des Controllings in der Literatur nicht einheitlich benutzt.73 Analog zum Mar­ keting-Begriff kann Controlling sowohl im Sinne einer ManagementPhilosophie als auch im engeren Sinne definiert werden. Als Manage­ ment-Philosophie hat Controlling "... die konsequente Ausrichtung aller in einem Unternehmen zu treffenden Entscheidungen an einem Opti­ mierungskriterium zum Inhalt."74 Dieses Optimierungskriterium ist in der 68 69 70 71 72

73 74

Vgl. Reuter, J. F. (1979), S. 61 ff. Vgl. Knapp, T. (1988), S. 609. Vgl. Neuhof, B. (1986), S. 14. Köllhofer, D. (1988a), S. 706. Vgl. Böcker, F. (1985), S. 137. Die Verbindung zur Unternehmensplanung zeigt klar die vorgeschaltete, antizipative Aufgabe des Controllings. Vgl. hierzu auch Steinle, C. (1986), S. 9 f. Vgl. Reichmann, T. (1985), S. 888. Knapp, T. (1988), S. 608.

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Regel das Gewinnziel, das unter Berücksichtigung von Nebenbedingun­ gen wie z.B. Liquiditäts- oder Sicherheitserfordernissen optimiert werden soll. An diesem Oberziel müssen die bankbetrieblichen Teilpläne orien­ tiert werden, um einen möglichst hohen Gesamtnutzen sicherstellen zu können.75 Im engeren Sinne kann Controlling funktional definiert werden als die Unterstützung des Managements bei der Wahrnehmung seiner Führungs­ aufgabe durch Koordination von Planung und Kontrolle (Informations­ verwendung) und durch die Bereitstellung der hierzu erforderlichen Führungsinformationen.76 Als Führungs- und Führungsunterstützungs­ funktion beinhaltet diese Definition somit die informationelle Gewähr­ leistung zielorientierter Planung, Steuerung, Koordination und Über­ wachung des Unternehmensgeschehens.77 In Abbildung C.4 sind diese beiden Dimensionen des Bank-Controllings gegenüber gestellt. Konkret auf die bankbetriebliche Tätigkeit umgesetzt bedeutet diese Controlling-Sichtweise für das Zielsystem, daß □ die Rentabilität und damit das Gewinnziel im Mittelpunkt der Geschäftspolitik steht □ die Übernahme von Risiken nur in Abhängigkeit von den Gesamt­ ertrags- und somit Kompensationsmöglichkeiten erfolgen darf und auf ein für die Bank vertretbares Maß begrenzt werden muß.78

75

76

77 78

Vgl. Knapp, T. (1988), S. 608. Zum Zielsystem vgl. auch die Ausführungen unter C.2. Vgl. Horvath, P./Kieninger, M. (1987), S. 191. Angesichts der heute gegebenen Informationsflut, die oftmals eher zur Verunsicherung führt als entscheidungsunter­ stützend zu wirken, muß hierunter eine optimale Informationspolitik verstanden werden, die (nur) die richtige Information zur richtigen Zeit in der richtigen Form am richtigen Ort bereitstellt. Vgl. Pohl, M. (1989), S. 167. Ein maximaler Informationsumfang kann ökonomisch nicht sinnvoll sein. Vgl. Dorka, J. (1990), S. 19. Vgl. Hahn, D. (1989), S. 1137 f. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 3.

Integrierte Kreditprüfung

149

Bank-Controlling

steht gleichbedeutend für eine Managementkonzeption, die die betonte Ertragsorientierung zum tragenden Fundament erhebt

Abbildung C.4:

hat formal die Funktion der Unter­ stützung bankbetrieblicher Steue­ rungsprozesse durch systemati­ sches Informationsmanagement

Dimensionen des Bank-Controllings79

3.3.2. Operatives und strategisches Controlling

Ebenso wie die bereits dargestellten Formen der Planung kann auch das Controlling nach dem Zeitbezug unterschieden werden. Das operative Controlling ist kurzfristig orientiert mit einer Reichweite von i.d.R. einem Jahr. Es basiert zumeist auf Daten aus dem Rechnungswesen und der Kostenrechnung, wie Kosten, Gewinn oder Liquidität.80 Operative Planwerte werden regelmäßig mit den erreichten Ist-Werten verglichen, um so bei Planabweichungen regulierend einwirken zu können. Zusam­ men mit den Verfahren der Kosten- und Leistungsrechnung ist die opera­ tive Planung also integraler Bestandteil des operativen Controllings.81

Die Instrumentarien des operativen Controllings sind aufgrund ihres kurz­ fristigen Charakters für einen mehrjährigen Planungszeitraum weniger geeignet. Geschäftspolitische Entscheidungen, die mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sind, sollten daher weniger aufgrund kurzfristig gültiger Aussagen als vielmehr über einen längerfristigen Betrachtungs­ horizont bewertet werden.82 Ein reiner Periodenvergleich auf der Basis 79 80 81 82

Abb. in Anlehnung an Schierenbeck, H. (1991), S. 2. Vgl. Abels, P ./Klünder, W. (1981), S. 30. Vgl. Köllhofer, D. (1988b), S. 825 f. Vgl. Abels, P ./Klünder, W. (1981), S. 31. Gemäß dem bereits dargestellten Aus­ gleichsgesetz der Planung' bestimmen die Engpässe eines Unternehmens dessen Wachstum. Diesen Restriktionen ist somit im Rahmen der Unternehmensführung entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen, um durch frühzeitiges Erkennen künfti­

150

Integrierte Kreditprüfung

eines Fortschreibens von Vergangenheitsentwicklungen kann nicht genü­ gen.83 Die auf einer langfristigen Orientierung basierende Unternehmens­ steuerung ist Gegenstand des strategischen Controllings. Betrachtet wer­ den hier all diejenigen Faktoren, die die Erfolgspotentiale des Unterneh­ mens zu beeinflussen vermögen. Hierzu können traditionelle Größen wie der Cash Flow oder der Marktanteil, aber auch weniger leicht quantifizier­ bare Einflußfaktoren wie das Firmenimage, die Marktattraktivität oder die Wettbewerbsposition gezählt werden.84 Gerade für diese strategischen, oftmals qualitativen Ziele ist eine vorausschauende Steuerung notwendig, da die Gefährdung von Erfolgspotentialen, die für das künftige Überleben des Unternehmens am Markt ausschlaggebend sind, mit besonders negati­ ven Konsequenzen verbunden ist.85 Als Gegenstandsbereiche des strate­ gischen Controllings können in Anlehnung an Böcker unterschieden wer­ den: □ Kontrolle der Planungsgrundlagen: Laufende Überprüfung der Pla­ nungsprämissen der strategischen Planung sowohl im Hinblick auf die gegebenen unternehmensinternen Erfolgsfaktoren als auch bezogen auf die heutigen Umweltbedingungen.

□ Analyse des Wandels der Umweltbedingungen: Zur Früherkennung exogener Gefahren und Chancen müssen die gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen laufend überprüft und auf struktu­ relle Veränderungen hin beobachtet werden. Hieraus lassen sich für die Unternehmensführung wichtige Informationen zur Entwicklung des Marktpotentials und des zu erwartenden Marktwachstums ableiten.

83 $4 $5

ger Engpässe den Handlungsspielraum des Unternehmens zu gewährleisten. Vgl. Böcker, F. (1985), S. 67. Vgl. Abels, P ./Klünder, W. (1981), S. 30 f. Vgl. Munari, S./Naumann, C. (1984), S. 377. Vgl. Munari, S./Naumann, C. (1984), S. 377. Leider steht aber gerade das früh­ zeitige Gegenlenken in noch guten Zeiten oftmals vor einem Akzeptanzproblem, oder, um mit Krumnow zu sprechen: ’’Schönwetterperioden sind der größte Feind des Controlling, erst Not macht erfinderisch. Dies entspricht wohl dem Grundprinzip evolutiven Lernverhaltens." (Krumnow, J. (1991), S. 3). Diese dialektische Wechsel­ wirkung zwischen zunehmendem Problemlösungsdruck und entsprechenden Pro­ blemlösungen ist bei der Implementierung des Controlling-Gedankens zu berück­ sichtigen.

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151

□ Analyse der Entwicklung unternehmensinterner Erfolgsfaktoren: Untersuchungsgegenstand sind hier die unternehmensspezifischen, relativen Stärken und Schwächen, die die Marktstellung des Kreditin­ stitutes und somit seinen Marktanteil bestimmen.86

Ziel dieser Bemühungen ist es, aus der Vielzahl der unterschiedlichsten Markt- und Unternehmensinformationen die künftigen Chancen und Risi­ ken möglichst genau zu erkennen, um so die knappen Ressourcen in ziel­ führenden Strategien und Maßnahmen optimal einsetzen zu können.87 Im Kreditgeschäft kann Controlling im Sinne eines 'Kreditcontrollings' als Steuerung und Begrenzung des latenten Kreditausfallrisikos verstanden werden.88

86 87 88

Vgl. Böcker, F. (1985), S. 138 f. Vgl. Hambücher, H. M. (1989), S. 27. Vgl. Voss, G. (1994), S. 7.

152

4.

Integrierte Kreditprüfung

Risiko und bankbetriebliches Risikomanagement

4.1. Überblick und Bedeutung "Von jeher gehört die geschäftspolitisch bedingte Übernahme von Risiken zum Wesen einer Bank, bildet das Kriterium Sicherheit als Pendant des Risikos neben Rentabilität und Liquidität die dritte Komponente der klas­ sischen Triade bankgeschäftspolitischer Ziele."89

Angesichts der im Kreditgeschäft gegebenen Zwangsläufigkeit der Risi­ koübernahme muß es integraler Bestandteil der Geschäftspolitik eines Kreditinstitutes sein, die vielfältigen Risiken zu identifizieren, zu ana­ lysieren, zu bewerten und handzuhaben.90 Die stetig ansteigende Bedeu­ tung der bankbetrieblichen Risiken, insbesondere des Ausfallrisikos, macht die Risikosteuerung zur zentralen Managementaufgabe.91 Ertragsorientiertes Bankmanagement ist zwar primär auf die Rentabilitäts­ steuerung ausgerichtet, in Anbetracht der bei unternehmerischen Entscheidungen naturgemäß vorliegenden Unsicherheit über die zukünf­ tige Entwicklung muß das Bankmanagement folglich immer auch eine Risikosteuerung beinhalten.92 Oder, mit anderen Worten: "Ertragsorien­ tiertes Bankmanagement stellt somit die Integration von Rentabilitäts- und Risikosteuerung in einem aufeinander abgestimmten Dualen Steuerungs­ system dar."93 Dieses Konzept erlaubt es, eine zentrale Struktursteuerung auf Gesamtbankebene mit der dezentralen Marktsteuerung der operativen 89 90 91 92

93

Büschgen, H. E. (1992), S. 80. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum bankbetrieb­ lichen Zielsystem unter C.2. Vgl. Aber, J. (1996), S. 5. Vgl. Merbecks, A. (1994), S. 4. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 514. Ertragsorientiertes Bankmanagement und Risikomanagement schließen sich somit nicht gegenseitig aus, sondern sind notwen­ dige Ergänzungen. Das Risikomanagement konzentriert sich zwar primär auf die Gefahr einer Ertragseinbuße, es darf aber zugleich das Risiko als Chance nicht ver­ nachlässigen, da durch Identifikation, Verarbeitung und Bündelung von Risiken Ertragszuwächse realisiert werden können. Vgl. Jacob, H.-R./Warg, M./Westphal, E. (1995), S. 559. Schierenbeck, H. (1991), S. 514.

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Einheiten zu vereinen.94 Risikomanagement ist somit als Management­ funktion ein integraler, unverzichtbarer Bestandteil der Unternehmens­ politik.95

4.2. Risiko und Risikoarten im Bankbetrieb Versucht man, sich in der einschlägigen betriebswirtschaftlichen Literatur dem Risikobegriff zu nähern, sieht man sich sehr rasch von einer Fülle unterschiedlicher Definitionsmöglichkeiten konfrontiert, denen zumeist gemeinsam ist, daß als zentrales Element die Unsicherheit über den Ein­ tritt künftiger Ereignisse im Vordergrund steht.96 Während Büschgen von Risiko als Gefahr des möglichen Nichteintretens einer positiven Erfolgs­ erwartung spricht97, unterscheidet Jacob in latentes und virulentes Risi' ko.98 Das latente Risiko beinhaltet dabei die grundsätzliche, subjektiv begründete Risikohaftigkeit eines Handelns oder Unterlassens, das viru­ lente Risiko hingegen stellt auf die objektiv erkennbare Wahrscheinlich­ keit des Schadenseintrittes ab. Um sowohl die ursachenbezogenen als auch die wirkungsbezogenen Aspekte des Risikobegriffes zu berücksichtigen, soll der Systematisierung von Hölscher gefolgt werden. Ursachenbezogen definiert er Risiko als Resultante einer mit Unsicherheit über den künftigen Umweltzustand behafteten Entscheidung99 und folgt somit der in der mathematisch­ statistischen Entscheidungslehre gebräuchlichen Untergliederung mög­ licher Entscheidungssituationen in sichere, risikobehaftete und durch Ungewißheit gekennzeichnete Entscheidungen. Geht das Kreditinstitut von einwertigen Erwartungen über die künftige Entwicklung aus, spricht man von einer Entscheidung unter Sicherheit; es gibt nur einen, sicher eintretenden Umweltzustand.100 Neben diesem, in der betrieblichen

94 95 96 97 98 99 100

Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 25 ff. Vgl. Klingan, H. (1987), S. 35. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 11. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 259. Vgl. Jacob, A.-F. (1988), S. 6. Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 5. Vgl. Menges, G. (1974), S. 164 f.

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Praxis eher seltenen Extremfall der Sicherheit können noch zwei weitere Typen von Entscheidungssituationen unterschieden werden.

Unter Risiko erfolgt eine Entscheidung, wenn der künftig eintretende Umweltzustand zwar nicht bekannt ist, der Entscheidungsträger aber den verschiedenen möglichen Ergebnissen subjektive oder objektive Eintritts­ wahrscheinlichkeiten zuschreiben kann.101 Kennt der Entscheidungs­ träger zwar die möglichen Umweltzustände, kann aber für diese keine Eintrittswahrscheinlichkeiten angeben, wird von einer Entscheidung unter Ungewißheit gesprochen.102 Wirkungsbezogen definiert Hölscher Risiko als die Möglichkeit einer Zielverfehlung, d.h. als die Gefahr, daß die prinzipiell erwartete Sollvorstellung in der tatsächlichen Situation nicht realisiert werden kann.103 Die für einen Bankbetrieb üblichen Risiken können nach Erfolgs- und Liquiditätsrisiken unterschieden werden. Diese Abgrenzung folgt den bereits im Kapitel über das bankbetriebliche Zielsystem dargestellten Nebenbedingungen der Zielfunktion des Kreditinstitutes. Unter Erfolgs­ risiken können subsumiert werden:

□ Ausfallrisiken: das Ausfallrisiko als zentrales Kreditrisiko beinhaltet die Gefahr, daß ein Schuldner seinen eingegangenen Zahlungsver­ pflichtungen nicht mehr oder nur noch unzureichend nachkommt; es kann sowohl im Kreditgeschäft als auch im Effekteneigengeschäft des Kreditinstitutes auftreten.104 Neben dem reinen Kapitalverlust umfaßt das Ausfallrisiko auch die Minder- oder Unverzinslichkeit der Forde­ rungen bzw. Dividendenrückgänge oder -ausfälle.105 □ Besicherungsrisiken: in direktem Zusammenhang mit dem Ausfall­ risiko steht das auf das Kreditgeschäft bezogene Besicherungsrisiko. Es wird erst akut, wenn das Ausfallrisiko virulent geworden ist106 und

101 Vgl. Bamberg, G./Coenenberg, A. G. (1989), S. 17. In der Regel wird man Risiken objektive Wahrscheinlichkeiten erst ex-post zuschreiben können; ex-ante muß man sich meist mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten, also erfahrungsbedingten Progno­ sen, begnügen. Vgl. hierzu kritisch Baecker, D. (1992), S. 248 f. 102 Vgl. Menges, G. (1976), Sp. 1518. 103 Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 6. 104 Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 262. 105 Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 12. 106 Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 262.

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umfaßt die Gefahr, daß die dem Kreditinstitut eingeräumten Sicher­ heiten im Falle einer Verwertung nicht zur Ablösung der gesamten Forderungen ausreichen.107 □ Zinsänderungsrisiken: das Zinsänderungsrisiko basiert auf unter­ schiedlichen Zinselastizitäten der Aktiv- und Passivpositionen der Bankbilanz und hat seine Ursache in nicht laufzeitkongruent refinan­ zierten Aktiven, die bei einer Fehleinschätzung der Zinsentwicklung zu Schieflagen führen können.108 Angesichts der zunehmenden Vola­ tilität der Geld- und Kapitalmärkte und des wesentlich erhöhten Zins­ bewußtseins der Kunden hat die Bedeutung des Zinsänderungsrisikos in der Vergangenheit tendenziell zugenommen. Die Aussteuerung der Festzinsposition ist damit zu einer zwingenden Notwendigkeit gewor­ den.109 □ Länder- und Wechselkursrisiken: Das Länderrisiko bezieht sich sowohl auf politische als auch auf wirtschaftliche Gründe für das Aus­ bleiben von vereinbarten Kapitaltransferleistungen, z. B. durch unzu­ reichende Devisenverfügbarkeit oder Kapitalverkehrsbeschränkungen. Im Gegensatz zum Ausfallrisiko, das auf die Bonität eines einzelnen Schuldners abzielt, umfaßt das Länderrisiko die Bonität der den Schuldner umgebenden Volkswirtschaft.110 Wie das Zinsänderungs­ risiko hat auch das Wechselkursrisiko angesichts der gestiegenen Volatilitäten und der forcierten Internationalisierung der Wirtschaft in der Vergangenheit an Bedeutung gewonnen.111 Es umfaßt die Gefahr von Währungsparitätenänderungen, die dazu führen können, daß die nominale Vorteilhaftigkeit von Geschäftsabschlüssen durch Wechsel­ kursverluste beeinträchtigt oder im Extremfall überkompensiert wird.112 Neben den Erfolgsrisiken stellen Liquiditätsrisiken den zweiten wesent­ lichen Komplex der banktypischen Risiken dar. Sie umfassen diejenigen Risiken, die zu einer Gefährdung der Zahlungsfähigkeit des Kreditinstitu­ 107 108 109 110 111 112

Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 16. Vgl. Stockinger, J. (1991), S. 33 ff. Vgl. Stockinger, J. (1990), S. 990. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 262 f. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 263 . Vgl. Jacob, A.-F. (1988), S. 6.

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tes führen können, was zum einen aus zeitlich asynchronen Ein- und Aus­ zahlungsströmen (Fristigkeitsrisiken), zum anderen durch die liquiditäts­ wirksamen Konsequenzen schlagend gewordener Erfolgsrisiken hervor­ gerufen werden kann.113 Zu unterscheiden sind hier:

□ Terminrisiken: die Gefahr, daß formell vereinbarte Fristen im Aktiv­ oder Passivgeschäft nicht eingehalten werden (verspäteter Kapitalrück­ fluß bei Aktivpositionen, vorzeitiger Abruf bei den Passiven) mit der Folge von notwendigen Anpassungen des Liquiditätsstatus bzw. Liqui­ ditätsschieflagen wird durch das Terminrisiko beschrieben.114 a Refinanzierungsrisiken: das Refinanzierungsrisiko beinhaltet die aus der Fristentransformation bedingte Gefahr, daß bei kurzfristiger Refi­ nanzierung längerfristiger Aktivgeschäfte die Anschlußfinanzierung nicht dargestellt werden kann.115 Ergänzend zu diesen Risiken des sogenannten Wertbereichs eines Kredit­ institutes weist Stockinger auf die Risiken des Betriebsbereiches hin. Diese umfassen die Risiken aus der Abwicklung von Geschäftsvorfällen, wie z.B. Fehlbuchungen, Beraubung oder Personalverfehlungen, und sind nicht Gegenstand der Betrachtung.116 Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle, daß sich das Gesamtrisiko nicht aus der bloßen Addition der Ein­ zelrisikoarten zusammensetzt, sondern sich die Risikokomplexe aufgrund vielfältiger Interdependenzen mit ihren Wirkungen (teil-)kompensieren können. So wird sich z.B. in einer mit i.d.R. steigenden Zinsen einherge­ henden konjunkturellen Aufschwungphase das Zinsänderungsrisiko aus einer offenen aktivischen Festzinsposition erhöhen, während umgekehrt das Ausfallrisiko sinkt. Diese Diversifikationseffekte zwischen und inner­ halb der einzelnen Risikoarten müssen bei der Risikosteuerung Beachtung finden.117 Für den dieser Arbeit zugrunde liegenden Themenschwerpunkt des langfristigen Kreditgeschäftes mit mittelständischen Firmenkunden ist insbesondere das Ausfallrisiko und sein liquiditätsmäßiges Spiegelbild, das Terminrisiko, von Bedeutung, wenn man eine laufzeitkongruente 113 Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 31. 114 Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 262. Vgl. Stockinger, J. (1991), S. 44. 116 Vgl. Stockinger, J. (1991), S. 17. 117 Vgl. Süchting, J. (1987b), S. 687 f. Auf diesen Aspekt wird im nächsten Kapitel intensiv eingegangen werden.

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Refinanzierung unterstellt, wie sie im Firmenkreditgeschäft oftmals durch den Einsatz zweckgebundener öffentlicher Programmkredite gegeben ist. Dadurch können Zinsänderungs- und Refinanzierungsrisken ausgeschlos­ sen werden. Abgesehen von vereinzelten Währungkrediten dürfte das Länder- bzw. das Wechselkursrisiko für das inländische Kreditgeschäft einer Bank ebenfalls von untergeordneter Bedeutung sein. Für das Bankgeschäft als 'Geschäft mit dem Risiko'118 müssen die darge­ stellten Risiken identifiziert und gesteuert werden, was institutsseitig sowohl Risikobewußtsein als auch Risikotragfähigkeit voraussetzt.119 Die Einzelkreditprüfung kann dazu nicht ausreichen. Diese Aspekte sollen in der nachfolgenden Betrachtung des Risikomanagements näher betrachtet werden.

4.3. Risikomanagement und risikopolitische Maßnahmen "Während sich die Bankbetriebswirtschaft hinreichend mit Instrumenten zur Betriebskostensteuerung "bewaffnet" hat, während die Zinsspannenund Margenproblematik mit Kundenkalkulation nach der Marktzins­ methode oder die Portfoliomessung mit Hilfe des Barwertes hinreichend operationalisiert wurden, betreten die meisten Banken bei der Kompo­ nentensteuerung "Risiko" noch weitgehend Neuland. Es ist nicht so, daß es in der Vergangenheit keine Risikosteuerung gab. Jedoch erfolgte diese überwiegend einzelfall- oder segmentsbezogen. Heute steht dagegen eine Gesamtbankrisikosteuerung unter der Maßgabe einer Ertrags-, Kostenund Risikooptimierung stärker im Vordergrund."120 Um die Auswirkung der banktypischen Risiken auf den Ertrag oder die Liquidität eines Kreditinstitutes zu beschränken, müssen diese im Rahmen des Risikomanagements vollständig erfaßt, im Hinblick auf ihre Vertret­ barkeit und Tragfähigkeit geprüft und gesamtbank- sowie teilbereichs­ spezifisch gesteuert werden.121 Risikomanagement umfaßt sowohl die 118 119 120 121

Baecker, D. (1992), S. 245. Vgl. Stanley, T./Lajaunie, J./Roger, C. (1996), S. 60. Wieandt, P. (1993), S. 603. Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 216.

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Integrierte Kreditprüfung

Planung der Risikoposition der Bank als auch das Risiko-Controlling und soll als Oberbegriff für alle risikobezogenen Überlegungen und Handlun­ gen im weitesten Sinne verstanden werden.122 Es erstreckt sich über den gesamten Kreditprozeß von der Risikoidentifikation bis zur laufenden Kreditüberwachung.123 Dies ermöglicht der Unternehmensleitung: □ die wesentlichen Risiken besser erkennen und beurteilen zu können □ das als wesentlich erkannte Risikopotential mit geeigneten Instrumen­ ten und Strukturen handhaben zu können.124

Analog zur Definition des Risikobegriffes können auch die im Rahmen des Risikomanagements getroffenen Maßnahmen divergierende Ansatz­ punkte aufweisen. Zum einen kann versucht werden, das Eintreten von Risiken grundsätzlich zu verhindern (ursachenbezogene Risikopolitik), zum anderen können wirkungsbezogene Maßnahmen darauf zielen, die Folgen akut gewordener Risiken auf das Kreditinstitut zu verringern.125 Für das Risikomanagement ist dabei wichtig, daß die einzelnen Risi­ koarten i.d.R. nicht isoliert auftreten und somit nicht ausschließlich - wie bei der Einzelkreditprüfung - getrennt betrachtet werden dürfen.126 Die Beurteilung der Tragfähigkeit eingegangener Risikopositionen auf der Gesamtbankebene muß daher vom Gesamtrisiko ausgehen, "... denn, das, was im einzelnen Kreditfall noch akzeptabel ist, kann in der Gesamtheit der Kredite sich zu bedrohlichen Gesamtrisiken kumulieren."127 Auf­ grund des gesamtbankbezogen beschränkten Fokus der dezentralen Steuerungseinheiten muß eine zentrale Koordination der Kreditaktivitäten erfolgen.128 Ausgehend von der Unterscheidung in Ursachen- und Vgl. Büschgen, H. E. (1992), S. 80. Vgl. Bond, E. (1991), S. 22. Vgl. Koerner, U. (1989), S. 493. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 264 f. Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 2. Von Schimmeimann, W. (1987), S. 26. Zu beachten ist aber auch, daß das Gesamtrisiko aufgrund von Diversifikationseffekten unter die Summe der Einzelrisiken absinken kann. Die gezielte Nutzung dieser Effekte ist der Hauptzweck des in Kapi­ tel C.6. entwickelten Kreditprüfungssystems. 128 Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 27. Diese zentrale Abstimmung kann mit geeigneten DV-technischen Instrumenten auf dezentrale Einheiten verlagert werden. Dieser Weg wird mit dem in diesem Kapitel entwickelten, integrierten Kreditprüfungs­ system beschritten.

122 123 124 125 126 127

Integrierte Kreditprüfung

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wirkungsbezogene bzw. einzelgeschäfts- und gesamtbankbezogene Maß­ nahmen sollen im folgenden die in Abbildung C.5 dargestellten risiko­ politischen Instrumente im Kreditgeschäft erläutert werden. einzelgeschä ftsbezogen

• Kreditwürdigkeitsprüfung

aktiv

passiv

•Risikoüber­ wälzung durch Besicherung

•risikoorien­ tierter Zins­ satz

•Risikolimitierung (Risikoabdurch Kreditgeltungs­ obergrenzen these)

Abbildung C.5:

gesamtgeschäftsbezogen • organisatorische, informatorische und personelle Gestaltung des Kreditge­ schäfts (Qualitätssicherung)

passiv Risikolimitie­ rung durch Struktur­ grundsätze

• offene und stille Reserven

• Stärkung der Ertragskraft

Risikostreuung (Diversifikation)

Risikopolitische Instrumente zur Steuerung des Aus­ fallrisikos im Kreditgeschäft129

Wie bereits geschildert, soll die ursachenbezogene Risikopolitik die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken reduzieren, also bereits vor Ein­ tritt eines Schadensfalles wirksam werden. Einzelgeschäftsbezogen kann dies durch die verbesserte Bonitätsbeurteilung der Kreditnehmer durch eine qualifiziertere Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgen.130 Dieser sehr wichtige Bereich wurde in der ersten Forschungsfrage ausführlich darge­ stellt. Die gesamtbankbezogenen Instrumente setzen im internen Bereich an der Reduktion von subjektivem Fehlverhalten an. Hierunter zu subsu­ mieren sind Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten der Kreditbear­ beiter, organisatorisch auf Risikovermeidung ausgelegte Arbeitsabläufe, wie z.B. einheitliche Dokumentationsverfahren oder Kompetenzregelun­ gen, sowie als drittes wesentliches Instrument die Kreditrevision.131 129 Abb. in Anlehnung an Schierenbeck, H. (1991), S. 668. 130 Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 668 ff. 131 Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 48 f.

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Integrierte Kreditprüfung

Die Konsequenzen eines Kreditausfalles auf das Bankunternehmen zu begrenzen ist die Aufgabe des wirkungsbezogenen Risikomanagements. Dieses beruht auf der Erkenntnis, daß die bankbetrieblichen Risiken nicht völlig eliminiert werden können, sondern vielmehr das Kreditinstitut bestrebt sein muß "... ein in den Risikokosten sich äußerndes optimales Risikoniveau zu erreichen, das die Gefahr, den Kundenstamm einzubüßen und die Chance, neue Kunden zu gewinnen, ebenso berücksichtigt wie die Chance, durch risikobehaftete Geschäfte höhere Erträge zu erzielen."132 Als aktives Instrument ist es auf die Minderung eines Verlustes ausge­ richtet, während es passiv der Verlustvorsorge durch frühzeitiges Bilden von Risikopuffern dient.133

Einzelkreditbezogen kann das Kreditinstitut als aktive Maßnahme versu­ chen, potentielle Verluste durch Risikoüberwälzung, Risikoteilung und Risikolimitierung zu vermeiden. Die Risikoüberwälzung umfaßt dabei die Stellung von Sicherheiten sowie die Möglichkeit einer Kredit­ versicherung. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, im Falle des Ausfalls eines Kreditnehmers die Verluste durch Befriedigung der Ansprüche aus den Sicherungsgegenständen bzw. durch Inanspruchnahme der Sicherungsgeber, wie z.B. von Bürgen, zu verringern.134 Auch die Risikoteilung zielt auf die Abwälzung des Ausfallrisikos auf Dritte, indem das Obligo herausgelegter Kredite durch Unterbeteiligungen oder Konsor­ tialgeschäfte auf mehrere Kreditgeber verteilt wird.135

Auf volumensmäßigen Engagementsobergrenzen für den jeweiligen Kun­ den in Abhängigkeit von dessen spezifischem Ausfallrisiko beruht die einzelgeschäftsbezogene Kreditlimitierung. Eine legislative Obergrenze findet die Kreditlimitierung in der Höchstkreditgrenze des § 13 KWG, die das Engagement bei einer Kreditnehmereinheit auf maximal 25% der haf­ tenden Eigenmittel begrenzt.136

132 133 134 135 136

Fischer, O. (1978), S. 227. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 669. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 265 ff. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 53. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 678. Im Zuge der Umsetzung der 5. KWG-Novelle wurde die Großkreditgrenze je Kreditnehmereinheit von 50 auf 25 % der haftenden Eigenmittel beschränkt. Vgl. hierzu Deutscher Bundestag (1994), S. 2 bzw. Deutsche Bundesbank (1996), S. 53.

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Als passive Maßnahme kann das Kreditinstitut darüber hinaus versuchen, ein höheres Kreditrisiko durch einen risikoorientierten Zinssatz zu kom­ pensieren. Hier ist allerdings anzumerken, daß ein Einbezug der Risiko­ kosten in den Zins in aller Regel nicht ausreichen kann, um Kapitalver­ luste zu decken. Geht man von einem Maximalverlust von 100% des ein­ gesetzten Kapitals aus, müßte das Kreditinstitut diese 100% über die Laufzeit des Kredites bis zum Ausfall kompensiert haben, was in der Pra­ xis sicherlich unrealistisch sein dürfte.137 Ebenfalls von Bedeutung ist die Riskolimitierung auf der Gesamtbank­ ebene. Durch Festsetzung von Obergrenzen wird das maximale Ausmaß der möglichen Risikokosten begrenzt. Hierzu werden nach dem Kriterium der voraussichtlichen Ausfallwahrscheinlichkeit möglichst homogene Risikoklassen gebildet und in ihrem Gesamtvolumen limitiert. Neben die­ ser geschäftspolitischen, internen Beschränkung fordert das Bundesauf­ sichtsamt (BAK) über den Grundsatz I eine Begrenzung des gesamten Kreditvolumens138 sowie in § 13 KWG (Begrenzung der Summe der 137 Vgl. hierzu detailliert Küllmer, H. (1975), S. 97 f. Der Aspekt der Risikoabgeltung wurde in der Literatur breit diskutiert. Grundsätzlich stehen sich hier zwei Thesen gegenüber. Die Risikoabgeltungsthese geht davon aus, daß Banken bereit sind, Ausfallrisiken im Kreditgeschäft solange zu übernehmen, soweit sie dafür einen Ausgleich in Form einer zusätzlichen Risikoprämie erhalten. Die Risikovermeidungsthese hingegen sieht Banken als risikoaverse Kreditgeber, die grundsätzlich nicht bereit sind, Ausfallrisiken zu tragen. Im Spannungsfeld dieser beiden Extreme hat sich in der Praxis die Risikonormierungsthese durchgesetzt. Sie basiert auf der Theorie rationalen Entscheidens und besagt, daß die Kreditinstitute nur bis zu einer vom Zinssatz unabhängigen Grenze bereit sind, Ausfallrisiken zu übernehmen. Wird dieses Limit überschritten, verweigern die Banken den Kreditwunsch auch dann, wenn der Zins eine zusätzliche Risikoprämie enthält. Vgl. Fischer, T. R. (1985), S. 268 ff. 138 Dieser Grundsatz besagt, daß Kredite und Beteiligungen eines Kreditinstituts das 12,5-fache der haftenden Eigenmittel nicht überschreiten dürfen. Je nach ihrem Risi­ kogehalt werden die Aktivpositionen mit 100, 70, 50, 20 oder 0 % berücksichtigt. Durch die sog. Cooke-Kommission der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) erfolgte eine risikoorientierte Ergänzung des Grundsatz I, indem die Aktiva eine detaillierte Risikogewichtung erhielten. Für das Bankmanagement ergibt sich daraus ein Anreiz, nicht nur auf die Eigenkapitalausstattung einer Bank, sondern zugleich auch auf die Struktur des Kreditportefeuilles einzuwirken. Vgl. Gjerde, 0./ Semmen, K. (1995), S. 1161. In einer Untersuchung für US-amerikanische Banken stellen Griswold et al. fest, daß der Cooke-Kapitalstandard allerdings in der Praxis nur wenig Einfluß auf die Kreditpolitik einer Bank zu haben scheint. Vgl. Griswold, M./Karels, G./Lavin, A. (1996), S. 49 ff.

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Großkredite) eine Begrenzung der sogenannten 'Klumpenrisiken' im Kre­ ditgeschäft.139

Folge der Kreditlimitierung ist die Streuung des Kreditportefeuilles auf eine Vielzahl von Kreditnehmern mit Engagementsgrößen unterhalb der Großkreditgrenze. Gemäß dem Grundsatz "not putting all eggs in one bas­ ket" verfolgt die Risikostreuung das Ziel, das Kreditportefeuille möglichst breit zu diversifizieren,140 um so eine Konzentration des Kreditrisikos auf wenige Einzelengagements zu vermeiden.141 Unter dem Begriff der Diversifikation soll dabei die Anlage in Vermögensgegenständen ver­ standen werden, die nicht vollständig positiv korrelieren, mit dem Ziel, das Gesamtrisiko gegenüber einer Einzelanlage zu verringern.142 Werden die Kredite folglich auf möglichst zahlreiche, in ihrer Eintrittswahrschein­ lichkeit voneinander unabhängige Risiken verteilt, zeigt sich, daß einer Risikoakkumulation wirksam begegnet werden kann.143

Im Kreditgeschäft mit mittelständischen Firmenkunden ist i.d.R. per se eine Risikostreuung gegeben, da die Kundenforderungen der Bank auf verhältnismäßig viele Kreditnehmer verteilt sind.144 Berücksichtigt wer­ den muß bei dieser Vorteilhaftigkeit der Diversifikation zugleich, daß mit der damit einhergehenden größeren Zahl kleinerer Kreditengagements tendenziell höhere Margen erzielt werden können. Auf der anderen Seite steigen dagegen die Verwaltungskosten der Kreditbetreuung durch die größere Zahl der Kreditnehmer an.145 Um so mehr ist deshalb ein metho­ discher Ansatz erforderlich, der eine effiziente Handhabung der Risiko­ streuung ermöglicht. Zur Diversifikation des Kreditportefeuilles bietet sich eine Streuung der Ausleihungen nach folgenden Kriterien an: □ Laufzeiten (kurz-, mittel- und langfristige Kredite) Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 678 f. Vgl. Honeck, G. (1987), S. 8 ff. Vgl. Arbeitskreis Tacke der Schmalenbach-Gesellschaft (1981), S. 695. Vgl. Dorka, J. (1990), S. 85. Vgl. Büschgen, H. E. (1989), S. 267. Dies gilt allerdings nicht für kleinere Institute, wo bereits mittelständische Unter­ nehmen die Höchstkreditgrenze erreichen können und somit eine ausreichende Risi­ kostreuung nicht zwingend gewährleistet ist. 145 Vgl. Lyons, D. (1994), S. 32. 139 140 J 4! 142 143 144

Integrierte Kreditprüfung

163

□ geographische Verteilung, z.B. nach Kontinenten, Ländern, Regionen □ Kreditnehmer-Gruppen, z.B. nach - Unternehmenszweck (öffentlich-rechtlich, privatwirtschaftlich) - Rechtsformen - Branchen - Unternehmensgrößen □ Kreditverwendung, z.B. nach Investitionskrediten, Im-/Exportfinanzierungen oder Überbrückungs-/Umschuldungs-/Stützungskrediten □ Kreditarten, z.B. Dispositionskredite, Avalkredite oder Fremdwäh­ rungskredite

□ Besicherung, z.B. Blankokredite oder Hypothekarkredite.146

Die strategischen Überlegung zur Kreditpolitik müssen von den gegebe­ nen Ertrags- und Risikokomponenten des Kreditportefeuilles ausgehen.147 Diese werden durch die obigen Segmentierungskriterien transparent und ermöglichen ein differenziertes Bild der eingegangenen Risiken.148 Wichtig ist dabei insbesondere die Identifikation der Risikokonzentratio­ nen im Kreditportefeuille, denn "... ignoring the correlations inherent in the loan portfolio leads to an underestimation of the overall portfolio risk by almost one-half."149 Für das Risikomanagement bedeutet dies, daß sich eine zielorientierte Risikosteuerung nicht ausschließlich am Einzelengagement orientieren darf, sondern die gesamten Risikostrukturen des Kreditportefeuilles mit in die Analyse, Bewertung und Steuerung einbezogen werden müssen.150 Der Kreditentscheider darf deshalb nicht ausschließlich am Einzelrisiko ansetzen, sondern hat stets auch das Kreditportefeuille mit in die Betrach­ tung einzubeziehen.151 Nur so kann auf Gesamtbankebene der optimale Weg zwischen Rendite (Kreditüberschuß) und Risiko gefunden werden. Vgl. Kern, M. (1987), S. 109 f. Vgl. Weiershäuser, E. (1985), S. 61. Vgl. Krakl, J./Leins, H./Nolte-Hellwig, K. U. (1991), S. 113. Kao, D.-L./Kallberg, J. G. (1994), S. 18. Ob die Höhe dieser Risikofehleinschätzung realistisch ist, muß in Teil D noch geprüft werden. 150 ygi König, H./Fritsch, J./Schmidt, P. (1981), S. 78. Hier wären zugleich auch alle Verbundrisiken über das reine Kreditgeschäft hinaus zu berücksichtigen, wie z.B. das Zinsänderungsrisiko. 151 Vgl. Kaufman, R. (1996), S. 40.

146 147 148 149

164

Integrierte Kreditprüfung

Hier zeigt sich sehr deutlich die dieser Arbeit zugrunde liegende Verbin­ dung zwischen der Einzelkreditprüfung und der Gesamtbankplanung und -Steuerung. Es muß aber zugleich festgehalten werden, daß die ursachen­ bezogene Risikopolitik das Primat vor der wirkungsbezogenen Risiko­ steuerung besitzen muß, denn die möglichen, zusätzlichen PortfolioEffekte können den Kapital- und Zinsverlust aus einer falschen Kreditge­ währung nicht kompensieren. Um im Sinne der Gesamtbank zu einer optimalen Risikostruktur zu gelan­ gen, kann es aber nicht ausreichen, einzig das bestehende Kreditportefeuille reaktiv zu analysieren; es ist vielmehr erforderlich, bereits auf die einzelnen Kreditentscheidungen aktiv regulierend einzuwirken, um auf der Makroebene 'Bank' die gewünschte Rendite-Risiko-Relation zu errei­ chen.152 Daraus leitet sich eine vorgeschaltete Funktion des Risikomana­ gements ab, das Einzelkreditentscheidungen nur im Rahmen übergeord­ neter Strukturziele der Bank zuläßt. Dieses angedachte, integrierte Risiko­ steuerungssystem kann darüber hinaus für Marketingzwecke genutzt wer­ den, indem zielorientierte Akquisitionshinweise für die Marktverantwort­ lichen zum Ausbau von aus Gesamtbanksicht wünschenswerten Engage­ ments gegeben werden.153 Neben der Diversifikation des Kreditvolumens kann durch die Trennung der Bankgeschäfte in die Sparten Kredit-, Aktien- und Rentengeschäft eine weitere Risikostreuung erzielt werden. Zudem bestehen ergänzende Möglichkeiten durch die weitere Differenzie­ rung in Teilsegmente, wie. z. B. das Privat- und das Firmenkunden­ geschäft.154

Schwerpunkt der nachfolgenden Ausführungen soll die Darstellung von Verfahren sein, die es dem Kreditinstitut erlauben, die Vorteilhaftigkeit von Einzelkrediten unter simultaner Berücksichtigung von Ertrags- und Risikodaten zu messen und zugleich die übergeordneten Interessen der Gesamtbank zu beachten, die sich aus den Strukturen des Kreditporte­ feuilles ergeben. Dazu wird zunächst ein Überblick über risikoorientierte 152 Vgl. von Schimmelmann, W. (1987), S. 25 f. Dies kann z. B. schon dadurch erfolgen, daß man an Unternehmen in Branchen, in denen man bereits stärker vertreten ist, höhere Bonitätsanforderungen stellt. Vgl. Arbeitskreis Tacke der Schmalenbach-Gesellschaft (1981), S. 695. 153 Vgl. Siewert, W. (1991), S. 278 f. 154 Vgl. Hölscher, R. (1987), S. 233.

Integrierte Kreditprüfung

165

Steuerungsinstrumente gegeben und dann der Lösungsbeitrag der Moder­ nen Portfolio Theorie untersucht.

4.4. Risikoorientierte Steuerungsinstrumente „Banking, when reduced to its basic essence, is simply a financial arbi­ trage. Money is obtained by paying a certain rate of interest and is redeployed at a higher interest rate.“155 Die Differenz zwischen dem für die Bank risikobehafteten Kreditzins und dem Zins einer sicheren Anla­ gemöglichkeit wird in der finanzwirtschaftlichen Terminologie als Risi­ koprämie bezeichnet.156 In diesem Kapitel soll untersucht werden, wel­ che Möglichkeiten der risikoorientierten Preisgestaltung im Kredit­ geschäft bestehen und wie daraus Steuerungsimpulse für das Kreditrisiko­ management abgeleitet werden können.

Die risikoorientierte Preisgestaltung zielt darauf ab, die in der Bank ent­ stehenden Risikokosten den einzelnen Krediten entsprechend ihres spezi­ fischen Risikogehaltes möglichst verursachungsgerecht zuzurechnen.157 Kunden mit schwächeren wirtschaftlichen Verhältnissen sollen so mit höheren Risikoprämien belastet werden, während die Kreditnehmer mit guten Bonitäten entsprechend entlastet werden. Diesem Grundsatz wider­ sprechend ist in der Praxis aber oftmals festzustellen, daß eine risikoorien­ tierte Preisgestaltung im Kreditgeschäft nur zu einem geringen Teil umge­ setzt ist.158 Die Folge des daraus resultierenden „Mispricing“ von Kredit­ risiken führt dazu, daß die guten Bonitäten mit zu hohen Risikoprämien belastet werden, womit gerade diesen Kunden ein Anreiz gegeben wird, das Kreditinstitut zu wechseln oder sich anderer Formen der Fremdfinan­ zierung, wie z.B. Commercial Paper oder Anleihen, zu bedienen.159 Schlechte Kreditkunden haben dagegen einen Anreiz, Kreditanträge bei diesem Institut zu stellen, da die von ihnen verursachten Risikokosten nur teilweise durch eine Risikoprämie zu bezahlen sind.

155 156 157 158 159

Bitner, J. (1992), S. 77. Vgl. Altman, E./McKinney, M. (1981), S. 16-5. Vgl. Ferrari, R. (1992), S. 42. Vgl. Foss, G. (1992), S. 36. Vgl. Maniktala, A. (1991), S. 27.

166

Integrierte Kreditprüfung

Die langfristige Konsequenz für die Bank ist eine dramatische Ver­ schlechterung der Bonität ihres Kreditportefeuilles, falls es ihr nicht gelingt, eine risikoorientierte Preispolitik zu implementieren und am Markt durchzusetzen. Dieser grundsätzlichen Aussage steht in der Kredit­ praxis entgegen, daß es nicht möglich sein wird, die erwarteten Ausfälle in voller Höhe in eine Risikoprämie zu transformieren.1*’® Erforderlich wäre wegen des generell ungleichen Chance-Risiko-Verhältnisses des Kreditgeschäftes eine Risikoprämie zwischen 0 und 100 %. Fälle ohne erkennbare Ausfallrisiken dürften überhaupt nicht mit Risikokosten belastet werden, während Engagements, bei denen ein Totalausfall binnen eines Jahres erwartet wird, in diesem Zeitraum mit einer Risikoprämie von mindestens 100 % zu belasten wären. Diese Erkenntnisse führen dazu, daß die Banken entsprechend der Risikonormierungsthese nur solange Kreditrisiken durch Risikoprämien kompensieren, bis ein definiertes Risikomaximum erreicht wird, das auch bei einer beliebig hohen Zusatzprämie nicht überschritten wird.161 Somit wird die Feststellung, daß gute Kunden zuviel und schwache Kunden zuwenig Risikoprämie bezahlen, nie ganz zu vermeiden sein.

Zur Bestimmung der Risikoprämie bestehen folgende, stichwortartig dar­ gestellte Vorgehensweisen: □ Normalisierte Ist-Risikokostenrechnung: hier werden die in der Vergangenheit entstandenen Risikokosten erfaßt und in einer Durch­ schnittsrechnung normalisiert. Die so für das gesamte Kreditporte­ feuille oder einzelne Segmente ermittelten Risikokosten stellen die zukünftig zu verrechnenden Risikoprämien dar.162 Problematisch an diesem technisch einfach durchführbaren Ansatz ist, daß die früheren Fehlentscheidungen der Bank über die vergangenheitsorientierten Risi­ kokosten auf zukünftige Kredite übertragen werden. Dieses Verfahren kann folglich wegen seiner nicht verursachungsgerechten Zurechnung der Risikoprämien nur eine erste Möglichkeit der Risikokostenkalku­ lation sein.

160 Vgl. Dorka, J. (1990), S. 172. 161 Vgl. Döhring, J. (1996), S. 109 f. 162 Vgl. Schierenbeck, H. (1995), S. 24.

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167

□ Standard-Marktrisikokostenmethode: dieser Ansatz abstrahiert von den institutsspezifischen Risikodaten, sondern verwendet analog zur Marktzinsmethode die am Kreditmarkt insgesamt auftretenden Aus­ falldaten, die sich z.B. aus der Insolvenzstatistik ableiten lassen. Hier­ durch wird ein Vergleich der internen Ist-Risikokosten der Bank mit den Standard-Risikokosten des Marktes möglich, der zur Beurteilung der Qualität der Risikopolitik herangezogen werden kann.163

□ Rating-gestützte Marktzins-Zuschlagsrechnung: bei diesem Ver­ fahren werden die im Rating zum Ausdruck kommenden Bonitäts­ beurteilungen zur Margendifferenzierung genutzt. Banken und Unter­ nehmen mit einem guten Rating müssen an Geld- und Kapitalmärkten niedrigere Risikoprämien bezahlen als schlechter geratete Firmen.164 Aus dem Rating können marktbezogene Kreditrisikozuschläge im Sinne einer Vergleichspreisbildung abgeleitet werden, indem die für die einzelnen Ratingklassen erhobenen Risikoprämien des Geld- und Kapitalmarktes auf die Kreditvergabe übertragen werden.165 Über die Nutzung bankinterner Risikoklassen können auch Risikoprämien für extern nicht geratete, kleinere Unternehmen abgeleitet werden.166 □ Optionspreistheoretisches Bewertungsmodell: die Rating-gestützten Verfahren geben allerdings keine Auskunft darüber, welcher Risiko­ aufschlag bei einem Kreditnehmer für Kredite unterschiedlicher Lauf­ zeit oder Tilgungsstruktur zu erheben ist. Eine effiziente Möglichkeit, diese Zahlungsströme zu berücksichtigen, bietet die Optionspreis­ theorie. In ihrem Kontext besitzt der Kreditnehmer eine Verkaufs­ option, die ihm das Recht gibt, im Konkursfall seine Firma an den Kre­ ditgeber zu übereignen, um sich damit als Gegenleistung schuldenfrei zu stellen. Dieser Put-Option steht die Bank als Stillhalter gegenüber, die sich ihrerseits nun am Markt absichern muß, indem sie einen Put auf den Firmenwert des Schuldners am Markt kauft, der ihr das Recht gibt, die Gesamtverschuldung des Unternehmens gegen dessen Fir­ menwert zu tauschen. Der Wert dieses Puts kann mit etablierten 163 Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 166 ff. sowie Kapitel C.5.3., wo dieser Ansatz näher erläutert wird. 164 Vgl. Schierenbeck, H. (1995), S. 25. 165 Vgl. hierzu McAllister, P./Mingo, J. (1994), S. 9. 166 Vgl. Groß, H./Knippschild, M. (1995), S. 98.

168

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Rechenverfahren, wie z.B. der Black & Scholes-Optionspreisformel, berechnet werden und stellt die vom Kreditinstitut anzusetzende Risi­ koprämie dar.167 Mit diesen Verfahren zur Bestimmung der Risikoprämie wird es ermög­ licht, Kredite hinsichtlich ihres Ertrag-Risiko-Verhältnisses zu bewerten und so eine risikogerechtere Konditionengestaltung zu verwirklichen.168 Neben diesen an der Schnittstelle zum Kunden ansetzenden Verfahren müssen nunmehr zugleich Wege aufgezeigt werden, die die Bank bei der internen Steuerung der Kreditrisiken unterstützen. Für dieses Risikocon­ trolling ist es erforderlich, Transparenz über die Risikosituation aller Bereiche der Bank zu schaffen. Voraussetzung hierzu ist eine Datenbasis, die es erlaubt, die Risiken der unterschiedlichen Geschäftsfelder ver­ gleichbar zu machen. Nur falls die Einzelrisiken, wie z.B. Marktrisiken oder Ausfallrisiken, in einer gemeinsamen Dimension gemessen werden, können sie miteinander verglichen und zum Gesamtrisiko der Bank ver­ dichtet werden.169

Eine optimale Allokation der Ressourcen setzt voraus, daß Geschäftsfelder mit höherem Risikopotential zugleich einen höheren Ertrag erwirtschaften als weniger riskante Aktivitäten.170 Als Pioniere moderner Risikomanagementsysteme, die diesen Zusammenhang berücksichtigen, gelten die amerikanischen Großbanken J. P. Morgan und Bankers Trust mit ihren „Value at Risk“ bzw. „RAROC“ genannten Verfahren.171 Beide Methoden zielen zunächst auf die Erfassung der Preisrisiken marktgängiger Finanzinstrumente, erlauben aber auch die Messung der Risiko- und Ertragsstrukturen anderer Geschäftsfelder. Wegen seiner engen Verbindung zur Modernen Portfolio Theorie wird der Value at Risk-Ansatz aus didaktischen Gründen erst im Laufe des nächsten Kapitels dargestellt, wenn die Grundlagen dieser Methodik erläutert wurden. 167 Vgl. Sievi, F./Taferner-Allmeier, I. (1996), S. 12 f. 168 Graphisch kann dieses Austauschverhältnis in einer zweidimensionalen Ertrag-Risi­ ko-Matrix dargestellt werden, die anschaulich Auskunft über die Struktur des Kre­ ditportefeuilles gibt. Vgl. hierzu Taylor, J. (1993), S. 33 f. 169 Vgl. Timmermann, M. (1995), S. 119. 170 Vgl. Groß, H./Knippschild, M. (1995), S. 100. 171 Vgl. o. V. (1996), S. 25.

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169

Der RAROC (Risk Adjusted Return On Capital) verknüpft risikoberei­ nigte Ergebnisgrößen mit dem durch die geschäftliche Aktivität gebunde­ nen Kapital. Hierzu wird das Bruttoergebnis beliebiger Geschäftspositio­ nen um deren Risikokosten reduziert und diese Nettoergebnisgröße auf das eingesetzte Kapital bezogen. Der RAROC gibt damit als Kennzahl an, welchen relativen Erfolg einzelne Bankaktivitäten in Relation zum knap­ pen Gut Kapital für die Bank realisieren.172 Hierdurch wird ein Vergleich sowohl zwischen organisatorischen Bereichen wie auch Produktsparten möglich. Daneben kann der RAROC auch dazu genutzt werden, bereits im Vorfeld eines Geschäftes einen Mindestwert für die risikoadjustierte Kapitalverzinsung durchzusetzen.173 Der RAROC eignet sich somit auch zur risikoorientierten Preisgestaltung im Kreditgeschäft. Eine ebenfalls auf dem eingesetzten Kapital aufbauende Kennzahl ist der RORAC (Return On Risk Adjusted Capital). Er unterscheidet sich vom RAROC dadurch, daß hier die Ergebnisgröße nicht zum Bruttokapital in Beziehung gesetzt wird, sondern eine risikoadjustierte Kapitalbasis genutzt wird. Dazu wird zuerst die für jede Risikoposition notwendige Eigenmittelunterlegung (Capital at Risk) ermittelt. Das Capital at Risk korreliert positiv mit dem zugrunde liegenden Risiko, d.h. von zwei volu­ mensgleichen Positionen ist diejenige risikoreicher, für die ein höheres Capital at Risk erforderlich ist. Setzt man dann die erzielten Ergebnisse in Relation zum benötigten Capital at Risk, erhält man die Kennzahl RORAC.174 Analog zum RAROC sind Geschäftsaktivitäten mit höherem RORAC-Wert denen mit einer niedrigeren Risikokapitalverzinsung vor­ zuziehen.175 Beide Kennzahlen, RAROC wie auch RORAC, betrachten Ertrag und Risiko einzelner Geschäfte in Bezug zum eingesetzten Kapital und erlau­ ben es somit, diese beiden Parameter auf eine einfache, prägnante Punkt­ größe zu verdichten. Damit kann sowohl die Vorteilhaftigkeit von Einzel­ geschäften gemessen werden wie auch ein Hinweis zur Preisbildung von risikobehafteten Geschäften gegeben werden. Wie die anderen, bereits dargestellten Risikokalkulationsverfahren basieren sie aber auch auf den 172 173 174 175

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Schierenbeck, H. (1995), S. 35. Yellen, J. (1996), ohne Seitenangabe. Schierenbeck, H. (1995), S. 32. Groß, H./Knippschild, M. (1995), S. 101.

170

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Risiken des Einzelgeschäfts, die sich innerhalb des Kreditportefeuilles verstärken oder reduzieren können. Je nach Einfluß eines Neukredits auf das Kreditportefeuille muß somit eine zusätzliche, positive oder negative Risikoprämie verlangt werden.176 Nunmehr müssen Wege gefunden wer­ den, wie die Erkenntnisse zur risikoorientierten Preisbildung zu einer Portefeuille-Betrachtung unter Berücksichtigung des Diversifikations­ effekte zusammengeführt werden können.

Integrierte Kreditprüfung

5.

171

Risikostreuung durch KreditportefeuilleManagement

5.1. Überblick und Bedeutung Das Kreditportefeuille-Management umfaßt die systematische Verwal­ tung, Überwachung und Steuerung des Kreditbestandes eines Bankinsti­ tutes.177 Für die Bank ergibt sich in diesem Zusammenhang die Aufgabe, ihre verfügbaren Aktivmittel zielgerichtet auf die verschiedenen Anla­ gemöglichkeiten zu diversifizieren. Als Erklärungsmodell betrachtet die finanzwirtschaftliche PortefeuilleTheorie das Gebiet der betriebswirtschaftlichen Finanzierungslehre, das sich mit der optimalen Allokation eines gegebenen Anlagebetrages auf unterschiedliche Anlagealternativen befaßt.178 In ihrem traditionellen Ansatz wird dabei versucht, das Investitionsportefeuille aus den 'besten' Anlagemöglichkeiten, gekennzeichnet durch die maximale Ertragserwar­ tung, zusammenzusetzen, wobei zwar der prognostizierte Gesamtertrag maximiert wird, Risikoaspekte aber nicht oder aber nur in intuitiver, nicht operationaler Form berücksichtigt werden.179 Das Anlagerisiko kann zwar schon allein durch die Streuung des Investitionsbudgets auf verschiedene Anlagealternativen gesenkt werden, was durch die Vielzahl der Kreditnehmer eines Bankinstitutes per se gegeben ist180; von einer expliziten Berücksichtigung des Rendite-Risiko-Verhältnisses und insbesondere der Verbundwirkungen zwischen der Vorteilhaftigkeit von Anlagealternativen kann bei dieser sogenannten 'naiven' Diversifikation keine Rede sein.

177 178 179 180

Vgl. Schmid, J./Tschesnok, J. (1985), S. 213. Vgl. Szegö, G. P. (1980), S. 1. Vgl. Witt, S. F./Dobbins, R. (1979), S. 4. Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 682. Die Streuung des Kreditportefeuilles ergibt sich zwangsläufig bereits aus den Anforderungen des § 13 Abs. 4 KWG, der eine Kredithöchstgrenze von 25 % der haftenden Eigenmittel definiert. Auf diesen Aspekt wurde bereits bei der Besprechung der risikopolitischen Maßnahmen in Kapitel C.4.3 eingegangen.

172

Integrierte Kreditprüfung

Die vom amerikanischen Nobelpreisträger Harry M. Markowitz begrün­ dete 'Modern Portfolio Theory'181 versucht hingegen, die optimale Zusammensetzung eines Anlagedepots unter unmittelbarer Berücksichti­ gung des individuellen Risikos wie auch der Beziehungen zwischen den Einzelanlagen zu bestimmen.182 Formal kann diese Theorie auf alle Bereiche der betrieblichen Programmplanung unter Unsicherheit übertra­ gen werden.183

Charakteristisch für diesen Ansatz, der in seiner Ursprungsform auf dem Wertpapierallokationsproblem basiert, ist ein dreistufiges Vorgehen. Aus­ gehend von einer grundlegenden Analyse aller Anlagemöglichkeiten im Hinblick auf die Entscheidungsparameter 'Rendite' und 'Risiko' werden im zweiten Schritt die mit dem gegebenen Anlagebetrag möglichen Porte­ feuille-Zusammensetzungen anhand einer Effizienzregel bewertet. Diese Vorauswahl ist von der Risikoeinstellung des Entscheiders unabhängig; erst im dritten Schritt wird dann aus der Teilmenge der effizienten Porte­ feuilles das gemäß der individuellen Risiko-Nutzen-Funktion des Anle­ gers optimale Portefeuille ermittelt.184 Die Theorie der 'Portfolio Selection' basiert auf folgenden Grundannah­ men:

□ Ziel des Investors ist die Nutzenmaximierung am Ende eines einperiodigen Planungszeitraumes.

□ Die Anlageentscheidung fußt zweidimensional sowohl auf dem zu erwartenden Ertrag und als auch auf dem zu erwartenden Risiko einer Anlagealternative (Bernoulli-Prinzip). □ Als Risikomaß findet die Varianz der erwarteten Erträge Verwendung.

181 Vgl. Markowitz, H. M. (1952). Markowitz wurde für seine grundlegenden For­ schungsarbeiten zu diesem Thema im Jahr 1990 der Nobelpreis für Ökonomie ver­ liehen. 182 Vgl. Kruschwitz, L. (1987), S. 291. 183 Vgl. Pitz, K.-H. (1977), S. 6. 184 Die effizienten Portefeuilles haben damit für alle Investoren die gleiche Struktur und bestehen aus den gleichen Anlagealternativen. Daß nicht alle Anleger dann das glei­ che optimale Portefeuille realisieren, liegt an ihren unterschiedlichen RenditeRisiko-Bewertungen, die in ihrer Risikonutzenfunktion zum Ausdruck kommen. Vgl. Francis, J. C./Archer, S. H. (1979), S. 43 f.

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□ Dem Investor wird eine risikoaverse Grundeinstellung zugeschrieben, die sich darin äußert, daß er bei gegebenem Risiko die Anlagemöglich­ keit mit dem höchsten erwarteten Ertrag bzw. bei gegebener Ertrags­ chance die Anlage mit dem geringstem Risiko präferiert.185 Zusatzrisi­ ken werden folglich nur übernommen, falls sie mit zusätzlichen Erträ­ gen gekoppelt sind.186

Viele Banken setzen die Techniken der Modernen Portfolio-Theorie bereits für ihr Wertpapier-, Handels- oder Derivate-Geschäft ein.187 An dieser Stelle ist nun zu fragen, ob die obigen Annahmen auch auf den Themenschwerpunkt dieser Arbeit, das langfristige Kreditgeschäft, zutreffen. Während die Ziele der Nutzenmaximierung und der Risikoaver­ sion wohl keiner Diskussion bedürfen,188 müssen die weiteren Annahmen noch genauer diskutiert werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Entscheidungsstrukturen von Wertpapierinvestment und Kreditvergabe durch eine weitgehende Parallelität gekennzeichnet sind. Die Kreditver­ gabeentscheidung führt dazu, daß die Bank im Rahmen ihrer Risikotrans­ formationsaufgabe einen Teil des leistungswirtschaftlichen Risikos des Kreditnehmers übernimmt. Eine eben solche Risikotransformation wird auch durch eine direkte Beteiligung am Fremd- oder Eigenkapital eines Unternehmens, z.B. durch den Kauf von Obligationen oder Aktien, erreicht. Im Grundsatz weicht das Entscheidungskalkül im Investmentalso nicht von dem im Kreditbereich ab.189 Sowohl bei der Wertpapieranlage als auch bei der Kreditvergabe hat der Kapitalgeber grundsätzlich mit Kapitalverlusten zu rechnen. Bei der Wertpapieranlage äußern sich diese durch Buchverluste, Dividenden­ rückgänge oder echte Ausfälle beim Verkauf der Titel, falls deren Kurswert unter den Anschaffungspreis abgesunken ist. Korrespondierend zu Dividendenkürzungen ist im Kreditgeschäft mit unvollständiger Zinszahlungen zu rechnen. Kursverluste oder echte Kapitalausfälle finden in Tilgungs- oder Kapitalverzichten ihre Entsprechung. Zu konstatieren ist 186 Vgl. Winkelmann, M. (1984), S. 20 f. Diese Annahmen werden unter 5.2.2. ausführ­ lich diskutiert. 186 Vgl. Witt, R./Urrutia, J. (1981), S. 16-5. 187 Vgl. Lula, G. (1993), S. 17. 188 Vgl. Küllmer, H. (1975), S. 91. 189 Vgl. Kern, M. (1987), S. 201.

174

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an dieser Stelle allerdings, daß die Volatilität bei der Wertpapieranlage die des Kreditgeschäfts übersteigen dürfte.190 Im Gegenzug dazu handelt es sich bei den meisten Veränderungen von Börsenkursen für die Anleger primär um Buchverluste, die nicht realisiert werden müssen. Auch bei der Spannweite der möglichen Erträge ergeben sich Unterschiede. Bei einer Wertpapieranlage, insbesondere bei Aktien, ist in der Theorie ein nach oben unbegrenztes Kurspotential gegeben, während die Maximalerträge des Kreditgeschäfts meist im Vorfeld bereits definiert wurden.191 Im Kre­ ditgeschäft ergibt sich lediglich die Zusatzchance, künftig weitere ertrag­ reiche Geschäfte mit dem Kreditnehmer abschließen zu können.192 Zur Vermeidung von Kapitalverlusten steht dem Wertpapieranleger der Verkauf der Titel grundsätzlich jederzeit offen, selbst wenn es sich dabei um formal langlaufende Papiere handelt. Diese Flexibilität ist im Kredit­ geschäft nicht in dieser Form gegeben. Während bei tagesgeldnahen Geldhandelslinien kurzfristig eine Kapitalrückforderung möglich ist, zeichnet sich insbesondere das langfristige Kreditgeschäft durch eine ent­ sprechende Mittelbindung aus. Hier bestehen also Unterschiede zwischen Wertpapier- und Kreditanlage. Auch bei Betrachtung der Liquidations­ möglichkeiten zeigen sich die unterschiedlichen Bindungsdauern.193 Sehr wichtig ist zugleich auch die Frage der Datenbeschaffung. Für börsen­ notierte Wertpapiere stehen umfangreiche historische Kursdaten zur Verfügung, die auf elektronischem Weg in die Anlageentscheidung einfließen können. Kredite werden hingegen nicht auf transparenten Märkten gehandelt und unterliegen zugleich dem Bankgeheimnis, so daß 190 Hier schlagen sich „Kursverluste“ erst bei der Bildung von Einzelwert­ berichtigungen oder in Ausfällen nieder. Um im Kreditgeschäft eine annähernd gleiche Volatilität wie im Wertpapiergeschäft zu erzielen, müßten die einzelnen Positionen stündlich oder börsentäglich neu bewertet werden. 191 Vgl. Wieandt, P. (1993), S. 606. 192 Vgl. Dorka, J. (1990), S. 165. Über die Frage der Liquidation hinaus bestehen auch bei der Neuanlage von Portfo­ lio-Positionen Unterschiede. Können Wertpapiere bei ausreichend breitem Markt augenblicklich zugekauft werden, setzt ein Neuzugang im Kreditgeschäft bei den in Kapitel C.l dargestellten verschärften Wettbewerbsverhältnissen eine erfolgreiche Akquisition voraus. Während beim Wertpapierkauf somit der Anleger auf der Käu­ ferseite steht, agiert ein Kreditinstitut im Kreditgeschäft tendentiell eher auf der Ver­ käuferseite. In Anbetracht des beschriebenen Käufermarktes bankbetrieblicher Lei­ stungen kann folglich nicht davon ausgegangen werden, daß neue Kreditnehmer quasi auf Abruf zur Verfügung stehen.

Integrierte Kreditprüfung

175

ein Kreditinstitut nur auf selbst erhobene Daten zurückgreifen kann; für Neukunden müssen diese Daten gegebenenfalls erst aufwendig ermittelt werden. Ein Risikooptimierungsansatz für das Kreditgeschäft muß dem­ zufolge versuchen, einen möglichst geringen Datenbeschaffungsaufwand zu verursachen. Die vorgenannten Aspekte sind in Abbildung C.6 zusammengefaßt.

Grundsätzlich kann an dieser Stelle festgehalten werden, daß ein Bankkredit in gleicher Weise wie ein Wertpapier als Anlageproblem anzusehen ist. Unterschiede bestehen allerdings in der Flexibilität bei der Veränderung von Portfolio-Positionen.194 Über diesen Aspekt hinaus besteht der Hauptunterschied zwischen Kreditvergabe und Wertpapier­ anlage darin, daß die Banken im Kreditgeschäft als Intermediär zwischen Anleger und Kreditnehmer auftreten, während im Wertpapiergeschäft eine direkte Beziehung zwischen Wertpapieremittent und Wertpapier­ käufer besteht. Folglich kann ausgesagt werden, daß die Theorie der Portfolio Selection für das Entscheidungsfeld der KreditportefeuilleSteuerung grundsätzlich anwendbar ist.195 Im folgenden sollen zwei aufeinander aufbauende Vorgehensweisen zur Ermittlung eines optimalen Anlage-Portefeuilles sowie ein konkretes Anwendungsbeispiel der Modernen Portfolio-Theorie dargestellt werden.

194 Daraus ergeben sich Implikationen für die Portfolio-Revision. Während im Wert­ papiergeschäft tagtäglich ein optimales Portefeuille durch Zukauf neuer bzw. Ver­ kauf bestehender Titel realisiert werden könnte, ist dieses im Kreditgeschäft in dieser flexiblen Form nicht möglich. Als Folge sind somit im Kreditgeschäft nur suboptimale Portefeuille-Strukturen zu erwarten. 195 Vgl. Küllmer, H. (1975), S. 76 f.

176

Integrierte Kreditprüfung W ertpapieranlage

Gewinn­ potential

Bankkredit

Asymmetrisches RenditeSowohl Kursgewinne wie auch Kursverluste möglich. Risiko-Verhältnis ohne Möglichkeit, den verein­ barten Ertrag zu übertreffen.

Auswirkung Rückgang Wertpapierkurs von Kapital­ bis zum Totalverlust mög­ verlusten lich, Dividendenkürzung.

Unvollständige Kredittil­ gung und/oder unvollstän­ dige Zinszahlungen.

Vermeidung Verkauf der Wertpapiere in von Kapital­ Erwartung von Kursverlus­ verlusten ten; der tatsächlich reali­ sierte Verlust hängt von der Tiefe des Wertpapiermark­ tes und der Verbreitung der Verlusterwartung unter den Anlegern ab.

Veräußerung von voraus­ sichtlich notleidenden Kre­ diten auf einem Sekundär­ markt ist kaum möglich; das Kreditinstitut kann aber durch entsprechende Vor­ kehrungen bei der Aus­ handlung der Kreditkondi­ tionen (Sicherheiten, Kün­ digungsklauseln) mögliche Kapitalverluste begrenzen.

Liquidation

Verkauf, Lombardierung oder Pensionierung ist i.d.R. möglich.

unter bestimmten Voraus­ setzungen ist Verkauf, Lombardierung, Rediskon­ tierung, Pensionierung oder Kreditkündigung möglich.

Kosten der Datenbe­ schaffung

Umfangreiche historische Kursdaten elektronisch über die gesamte Markt­ breite verfügbar.

Bei bestehenden Kunden sind Bonitätsdaten manuell oder elektronisch verfügbar, bei Nichtkunden lediglich über Auskünfte beschaffbar.

Abbildung C.6:

Vergleich Werlpapier- und Kreditanlage196

196 Abbildung in Anlehnung an Kern, M. (1987), S. 207 bzw. Larr, P./Stampleman, A. (1993b), S. 27. Asarnow nennt weitere Unterschiede, die sich insbesondere auf die

Integrierte Kreditprüfung

177

5.2. Der Portfolio Selection - Ansatz nach Harry M. Markowitz 5.2.1. Vom Einzelkredit zum optimalen Portefeuille Ausgangspunkt des Vorgehens ist die Ermittlung des zu erwartenden Ertrags eines Kreditgeschäft. Läßt man steuerliche Aspekte außer Acht, ergibt sich der Ertrag des Kreditgeschäfts im einfachsten Fall aus dem Zinsüberschuß, wobei im Sinne einer cross-selling-Möglichkeit auch positive Absatzwirkungen auf andere Bank-Dienstleistungen berück­ sichtigt werden können.197

Angesichts der mehrwertigen Erwartungen über die künftig zu erwar­ tenden Umweltzustände, in diesem Fall aufgrund des Kreditrisikos, kann der Ertrag einer Anlagemöglichkeit nicht genau bestimmt werden; er muß als Ertragserwartungswert prognostiziert werden. Dieser ist definiert als mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten der Umweltzustände gewichteter Durchschnittsertrag einer Anlage.198 Im Kreditgeschäft tritt dabei im Vergleich zu einer Aktienanlage die Besonderheit auf, daß der maximale Ertrag i.d.R. vertraglich fixiert ist und in einem Großteil der Fälle auch eintritt; Abweichungen können nur nach unten im Falle eines Kreditausfalles auftreten.

Trotz gleicher Ertragserwartungswerte können sich Anlagealternativen in ihrem Risikoniveau unterscheiden. Um die risikoaverse Einstellung der Bank als 'konservativer' Kreditgeber zu berücksichtigen, muß das Anlage­ risiko in Form der Streuung der Ertragserwartungswerte mit ins Kalkül einbezogen werden.199 Als quantitatives, operationales Maß für das Risiko findet hier die Varianz Verwendung.200 Diese für den weiteren Fortgang grundlegenden Daten müssen vom Kreditinstitut im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung bestimmt werden. Für das Kreditportefeuille

197 198 199 200

Verantwortungszuweisung und die Transparenz von Erfolgen und Mißerfolgen erstrecken. Vgl. Asarnow, E. (1996), S. 18 ff. Vgl. hierzu auch Fischer, O. (1978), S. 227. Vgl. Kruschwitz, L. (1987), S. 292. Vgl. Küllmer, H. (1975), S. 91. Diese simultane Betrachtung ermöglicht dem Kreditinstitut ein Aussteuern der Kreditpolitik zwischen Ertrag und Risiko entsprechend seiner spezifischen Risikoeinstellung. vg] Harrington, D. (1983), S. 5 ff. Zur Eignung der Varianz als Risikomaß im Kre­ ditgeschäft wird noch ausführlich Stellung bezogen.

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der Bank als Aggregation aller herausgelegten Kredite läßt sich dann der erwartete Portefeuille-Ertrag als Durchschnitt der gewichteten Erwar­ tungswerte der Einzelkredite bestimmen.201

Aufgrund der unterschiedlichen Reaktionsverbundenheit von Unter­ nehmensentwicklungen reicht zur Ermittlung des Portefeuille-Risikos die Aggregation der einzelnen Varianzen nicht aus. In der Praxis läßt sich oftmals beobachten, daß sich Unternehmen einer Branche oder Region oftmals parallel entwickeln. Um diesen Zusammenhang zu operationa­ lisieren, kann das statistische Maß der Kovarianz benutzt werden.202 Das Portefeuille-Risiko setzt sich dann zusammen als gewogener Durchschnitt der Einzelrisiken, korrigiert jedoch um die in der Kovarianz zum Aus­ druck gebrachten Querverbindungen. Vollzieht sich die Entwicklung zweier Unternehmen völlig gleichläufig, entspricht das Gesamtrisiko dem Durchschnitt der Einzelkreditrisiken. Je geringer jedoch die Korrelation zwischen den einzelnen Krediten ist, desto größer wird die Risikoreduk­ tion durch Diversifikation.203 Bei der Auswahl der Entscheidungs­ alternativen kommt es somit nicht nur darauf an, Anlagen mit einem geringen Einzelrisiko zu finden, sondern zugleich auch solche Titel zu berücksichtigen, die zu den übrigen Portefeuille-Komponenten nur eine geringe Korrelation aufweisen.204 Die Kovarianz ist damit ein wichtiges Element des Portfolio-Managements.205 Die Abbildung C.7 stellt den Diversifikationseffekt der PortfolioSelection anschaulich am Beispiel zweier Anlagealternativen A und B dar. Der Fall einer völlig gleichförmigen Ertragsentwicklung der Investi­ tionen A und B ist gekennzeichnet durch einen Korrelationskoeffizienten r = + 1. Hier zeigt sich, daß sich das Portefeuille-Risiko aus dem gewo­ genen Durchschnitt der Einzelrisiken zusammensetzt. Je nach Aufteilung des Anlagebetrags auf die Alternativen A und/oder B ergibt sich eine Rendite-Risiko-Position, die auf der Verbindungsgeraden zwischen A und B liegt. Für alle anderen Fälle, wo eine nicht völlig gleichförmige Ent­ wicklung gegeben ist, d.h. für r < 1, zeigt Abbildung C.7, daß das Porte­ 201 202 203 204 205

Vgl. Kruschwitz, L. (1987), S. 304. Vgl. Buchner, R. (1981b), S. 317 ff. Vgl. Büschgen, H. E. (1971), S. 4 f. Vgl. Dorka, J. (1990), S. 87. Vgl. Larr, P./Stampleman, A. (1993a), S. 8.

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feuille-Risiko durch Diversifikation gesenkt werden kann. Im Extremfall einer völlig gegenläufigen Ertragsentwicklung (r = -1) kann das Portefeuille-Risiko sogar auf null abgesenkt werden.206 Diese völlige Risikoreduktion wird als Hedging bezeichnet.207

Aus diesen Ergebnissen kann festgehalten werden, daß das PortefeuilleRisiko maximal dem Durchschnitt der Einzelrisiken entspricht; je geringer die Korrelation zwischen den Anlagealternativen ist, desto größer wird der Risikodiversifikationseffekt durch die Portfolio-Diversifikation.

Abbildung C. 7:

Korrelation und Diversifikation208

Mit den beiden Parametern 'Portefeuille-Rendite' und 'Portefeuille-Risiko' kann nun mittels mathematisch-statistischer Simulationen eine Vielzahl von möglichen Portefeuille-Strukturen dargestellt werden. Aus diesen

206 Vgl. Sharpe, W. F. (1978), S. 80 ff. Das Portefeuille-Risiko sinkt dann auf null, wenn die Anteile der Anlagealternativen umgekehrt zur Größe ihrer Standard­ abweichung (Wurzel der Varianz) gewählt werden. Vgl. Süchting, J. (1985), S. 291. 207 Vgl. Birli,H. (1993), S. 115. 2°8 Abbildung in Anlehnung an Bellemore, D.H./Phillips, H.E./Ritchie, J.C. (1979), S. 165.

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möglichen Portefeuille-Kombinationen muß in einem zweiten Schritt die Teilmenge der effizienten Portefeuilles ermittelt werden.209

Abbildung C.8:

Mögliche und effiziente Kreditportefeuilles21°

Gemäß dem Markowitz-Kriterium ist ein Portefeuille dann effizient, wenn es kein anderes gibt, das einen gegebenen Ertragserwartungswert mit einem geringeren Risiko bzw. ein gegebenes Risikoniveau mit einem höheren Ertragserwartungswert ermöglicht.211 Abbildung C.8 stellt die aus zwei Krediten durch Variieren der Engagementsgröße formierbaren möglichen Portefeuilles anschaulich dar. Wie man sieht, sind die unter­ halb der 'Efficient Frontier' C liegenden Kombinationen ineffizient, da sie bei gleichem Risiko einen geringeren Ertrag als Portefeuilles oberhalb 209 Unter den möglichen Portefeuilles sind alle aus dem gegebenen Anlagebetrag dar­ stellbaren Portefeuille-Kombinationen zu verstehen. Vgl. Schmidt, R. H. (1986), S. 154. 210 Abb. in Anlehnung an Schmidt, R. H. (1986), S. 155. 211 Vgl. Kem, W. (1974), S. 344.

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von C realisieren.212 Portefeuilles, die sich im Bereich der Mitte der Efficient Frontier befinden, sind im Vergleich zu den Portefeuilles A und B, die jeweils nur aus einem Titel bestehen, im Regelfall gut diversifiziert.213

Aus der Teilmenge der effizienten Kreditportefeuilles wird das Kredit­ institut aber nur dasjenige zu realisieren versuchen, daß einen im Sinne der spezifischen Risikoeinstellung der Bank optimalen Nutzen erwarten läßt. Üblicherweise wird die Risikopräferenz im Form von Risiko­ indifferenzkurven dargestellt, die ein Austauschverhältnis zwischen Rendite und Risiko anschaulich aufzeigen.214

Abbildung C.9:

Optimales Kreditportefeuille2 J 5

212 Vgl. Schmidt, R. H. (1986), S. 155. Die in der Abbildung C.8 unterhalb von Punkt C liegenden Portefeuille-Kombinationen können deshalb aufgrund ihrer Ineffizienz von der weiteren Untersuchung ausgenommen werden. 213 Vgl. Vince, R. (1992), S. 41. 214 Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 283 ff. 215 Abb. in Anlehnung an Buchner, R. (1981a), S. 286.

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Wie man aus Abbildung C.9 erkennt, befindet sich das risikopolitische Optimum eines Kreditinstitutes dort, wo seine höchstgelegene Risiko­ indifferenzkurve die Kurve der effizienten Portefeuilles tangiert. Dieses Portefeuille optimiert den Nutzen der Bank aus dem Kreditgeschäft.216 Zudem zeigt die Abbildung sehr deutlich, daß neben der kreditnehmer­ bezogenen Einschätzung von Ertrags- und Risikoerwartung, also dem Ergebnis der klassischen Kreditwürdigkeitsprüfung, für die optimale Kreditpolitik auch:

□ die Risikoeinstellung des Kreditinstitutes □ die bisher im Kreditportefeuille enthaltenen Kreditnehmer-Strukturen

□ die geplante Geschäftsentwicklung dargestellt als verfügbares Porte­ feuille-Volumen der Bank eine wichtige Rolle spielen. Hieraus erkennt man die enge Verbindung zwischen Mikro- und Makroebene der Risikosteuerung. Der Kredit­ entscheidungsprozeß stellt folglich keine Einzelentscheidung mehr dar, sondern erstreckt sich auf die gesamten Auswirkungen eines Neukredits auf die Risikostrukturen des Portefeuilles.217 Für ein Kreditinstitut muß es deshalb von elementarem Interesse sein, diese Aspekte zur Optimierung des Risikonutzens zu berücksichtigen. 5.2.2. Kritische Würdigung der Portfolio Selection - Theorie

Die Theorie der Portfolio Selection nach Markowitz ist ein mathematisch­ statistischer Ansatz, der ein nach den Parametern Rendite und Risiko nutzenoptimales Anlageportefeuille zu bestimmen erlaubt. Es konnte gezeigt werden, daß das Gesamtrisiko des Kreditgeschäftes reduziert werden kann, wenn zwischen Kreditnehmern diversifiziert wird, deren Bonitätsentwicklung nicht völlig parallel verläuft.218 Dieser theoretischen Vorteilhaftigkeit stehen bei der praktischen Anwen­ dung diverse Problembereiche entgegen, die sich im wesentlichen aus den zugrunde liegenden Prämissen ergeben:

216 Vgl. Pitz, K. H. (1977), S. 51. f. 217 Vgl. Dorka, J. (1990), S. 87. 218 Vgl. Francis, J. C. (1986), S. 757.

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□ Das dargestellte Modell berücksichtigt nur einen, wenngleich auch wesentlichen Teilaspekt der Risikopolitik. Eine Optimierung der Risikoposition eines Kreditinstitutes müßte zugleich auch den Risiko­ verbund zwischen den einzelnen Geschäftssparten der Bank, wie z. B. zwischen Wertpapier- und Kreditgeschäft, berücksichtigen. Mit dem Kredit wird somit nur ein Teil des möglichen Gesamtrisikos einer Kundenverbindung abgedeckt.219 Folglich muß die Grundgesamtheit aller Anlagemöglichkeiten in das Optimierungskalkül einbezogen werden. Hier ist festzuhalten, daß sich die ausschließliche Fokus­ sierung auf das Kreditgeschäft aus der Themenstellung dieser Arbeit ergibt, die Ausweitung des Portfolio-Ansatzes auf alle risikobehafteten Anlagemöglichkeiten aber grundsätzlich möglich wäre. 220

□ Der Ansatz basiert auf einem einperiodigen Planungsmodell ohne Umschichtungs- und Transaktionskosten; der Faktor 'Zeit' findet keine Berücksichtigung. Gerade aber im langfristigen Kreditgeschäft stehen einer regelmäßigen Neuplanung des Kreditportefeuilles verbindliche Kreditzusagen entgegen, die eine Umschichtung verhindern.221 Folg­ lich kann abgesehen von der im Regelfall nicht gegebenen Erststruk­ turierung eines Kreditportefeuilles nur die Neukreditvergabe in Abhängigkeit vom Bestandsportefeuille optimiert werden, weshalb von insgesamt nur suboptimalen Ergebnissen ausgegangen werden muß. Das Kreditportefeuille kann also nur schrittweise im Zeitablauf dem Optimum angepaßt werden. Je länger der Planungszeitraum, d.h. je länger die durchschnittliche Kreditlaufzeit ist, desto schwerer wiegt angesichts der dynamischen Umwelt der Nachteil eines statischen Modellansatzes.222 Neben diesen modelltheoretischen Einschrän­

219 Vgl. Fabris, G. (1994), S. 29. 2211 Gefordert wird damit ein Gesamtplanungsmodell, das alle Geschäftsaktivitäten der Bank insgesamt umfaßt. Vgl. Kern, M. (1987), S. 212 f. 221 Dies gilt insbesondere für Blockkredite, die während ihrer Laufzeit keine Tilgungen besitzen und dann endfällig in einer Summe zurückbezahlt werden. Bei Tilgungs­ krediten wiegt dieser Kritikpunkt weniger schwer, da mit jeder Tilgungsrate die ver­ bleibende Valuta sinkt und somit Altkredite mit einer ständig geringeren Restvaluta in die Portfolio-Optimierung eingehen. 222 Vgl. Fuhrmann, W. (1980), S. 262 f. Fuhrmann spricht hier von einer 'semiefficient-frontier'. Neben dem geschilderten Problem beim Abbau von Engagements ist zu berücksichtigen, daß auch Neuengagements nicht wie im Wertpapiergeschäft

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kungen muß bei Portefeuille-Umstrukturierungen stets auch die Auswirkung auf das Image der Bank und die Kundenbindung beachtet werden. Eine Anpassung des Kreditportefeuilles kann aber im Einzel­ fall durch eine Risikoteilung, z.B. durch Konsortialgeschäfte, oder durch den Handel von Kreditrisiken, z. B. durch Asset-BackedSecurities, erfolgen.223

□ "Information is critical to portfolio management. It's diffcult to know where you must go if you don't know where you are. For many banks, deficient management information systems (MIS) are a significant impediment to controlling concentrations."224 Die Portfolio-Optimierung stellt erhebliche Ansprüche an die Datenqualität und -quantität. Um z.B. die Beziehungen zwischen den einzelnen Krediten darzustellen, müssen die paarweisen Kovarianzen berechnet werden. Dies führt zu einem exponentiell ansteigenden Datenbedarf. Für ein Portefeuille aus n Krediten werden 'A n (n-1) Kovarianzen benötigt; bei z.B. nur 1.000 Krediten im Gesamtbestand müssen bereits 499.500 Kovarianzen berechnet werden.225 Hierbei ist heutzutage weniger die gebundene Rechenkapazität von Bedeutung, sondern vielmehr die arbeitsintensive Bestimmung der Inputgrößen durch die Kredit­ bearbeiter.226 □ Unterstellt wurde implizit die beliebige Teilbarkeit der Kredit­ engagements innerhalb des Portefeuilles. In der Praxis zeigt es sich aber zumeist, daß ein Kreditwunsch zur Gänze bewilligt werden muß; quasi unlimitiert zur Verfügung stehen, sondern erst am Markt akquiriert werden müssen. 223 Asset-Backed-Securities beinhalten den Verkauf von Forderungen oder Forderungs­ paketen an Dritte. Die deutsche Bankenaufsicht hat bis zum Jahr 1997 den Handel mit diesem in den USA üblichen Instrument untersagt. Erst im Mai 1997 wurden Asset-Backed-Security-Transaktionen generell zugelassen, wobei dieser Handel unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Entlastung im Grundsatz I führen kann. Vgl. Börsenzeitung (1997) vom 21.05.1997, S. 1. Larr, P. (1992), S. 55. Der Bereich der Management-Informationssysteme ist Gegen­ stand des Teils D dieser Arbeit. 225 Vgl. Kruschwitz, L. (1987), S. 312 f. 226 Es ist folglich fraglich, ob die Portfolio Selection in dieser Form überhaupt in der Praxis angewandt werden kann, ohne daß Methoden gefunden werden, die eine effi­ ziente Datenbeschaffung erlauben. Die Bestimmung der Inputdaten könnte z.B. durch den Einsatz eines Expertensystems unterstützt werden. Vgl. hierzu Teil D, Kapitel 2.4.

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etwaigen Kreditkürzungen wird vom Kunden im Regelfall nur wenig Verständnis entgegengebracht werden, zumal diese Beschränkungen nicht aufgrund der individuellen Bonität erfolgen, sondern auf für den Kunden nicht nachvollziehbaren Gesamtbankstrukturen basieren. Hieraus sind schwerwiegende Auswirkungen auf die im Mittelpunkt des sog. 'relationship banking' stehende Kundenbindung zu erwar ten.227 Diese Problematik kann zwar ebenfalls durch die Syndizierung oder den Handel des Kredits entkräftet werden; es muß aber insgesamt festgestellt werden, daß im Kreditgeschäft keine beliebige Teilbarkeit der Kredite gegeben ist.228

□ Unberücksichtigt ist zudem die Beziehung zwischen Engagements­ größe und Rückzahlungswahrscheinlichkeit. "Nicht umsonst stehen die Banken (...) häufig vor der Alternative, ob sie einem (...) Kredit­ nehmer weitere Kreditzugeständnisse machen sollen oder nicht. Lehnt man ab, dann ist der Ausfall der bereits bestehenden Kreditforderung fast sicher. Akzeptiert man, dann kann eine genügend große Wahr­ scheinlichkeit dafür gegeben sein, daß der Schuldner den gesamten Kreditverpflichtungen nachkommt."229 Ins Kalkül muß folglich nicht der einzelne Kredit, sondern vielmehr die Kundenverbindung als Ganzes mit ihrer gesamten Rendite-Risiko-Struktur gezogen werden. Lawrence/Smith/Sanchez berichten von einer Untersuchung einer USamerikanischen Bank, die ergab, daß insbesondere größere Kredite höhere Ausfallwahrscheinlichkeiten besitzen.230 □ Das Kreditinstitut entscheidet risikoavers auf Basis des BernoulliPrinzips und somit nach den Entscheidungsparametern Mittelwert und Varianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Erträge. Diese Ent­ scheidungsregel läßt sich nur dann mit dem Ziel der Nutzenmaxi­ mierung vereinbaren, wenn die Erträge normalverteilt sind oder das Kreditinstitut eine quadratische Risikonutzenfunktion besitzt.231 Dieser Kritikpunkt ist von besonderer Bedeutung, da sich Fehler bei

227 228 229 230 231

Vgl. Kern, M. (1987), S. 218. Vgl. Dorka, J. (1990), S. 167. Küllmer, H. (1975), S. 93 f. Vgl. Lawrence, E./Smith, D./Sanchez, S. (1996), S. 58. Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 295.

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der Schätzung des Risikos als Inputgröße auf die Ergebnisqualität des weiteren Vorgehens auswirken.232

Aus der Verwendung der Varianz folgen zwei Problembereiche. Problem der Varianz ist es zum einen, daß sie sowohl erwünschte positive als auch unerwünschte negative Abweichungen vom Ertrags-Erwartungswert gleich bewertet, obwohl aus Sicht des Ausfallrisikos nur die Unterschreitung der Ertragsgröße von Bedeutung ist.233 Für das Kreditgeschäft ist dieser Kritikpunkt allerdings relativ unproblematisch, da ein Über­ schreiten des kalkulierten Ertrags in der Praxis eher selten ist^34 und somit die Varianz nur die Volatilität nach unten im Sinne potentieller Vermögensverluste messen kann.235 Zum anderen kann die Varianz zur Beschreibung des Risikos bereits bei geringer Schiefe der Wahrscheinlichkeitsverteilung nur mit Informa­ tionsverlusten angewandt werden. Betrachtet man die Renditeverteilung im Kreditgeschäft, so zeigt sich eine asymmetrische Wahrscheinlich­ keitsverteilung.236 Im Gegensatz zu einer Normalverteilung, deren „Glockenform“ einen in beide Richtungen symmetrisch um den Mittel­ wert streuenden Verlauf besitzt, ähnelt die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Rendite einer Kreditvergabe der in Abbildung C.10 dargestellten Form einer halbierten Normalverteilung.

Im weit überwiegenden Fall wird das Kreditgeschäft vereinbarungsgemäß abgewickelt werden. Ein Überschreiten des Planertrages wird dabei in der Praxis kaum vorkommen.237 Kreditausfälle, also Renditen links vom Mittelwert E(Rj), können zwar vom Betrag her gesehen deutlich höher sein als der Ertrag des Geschäftes bei vereinbarungsgemäßem Ablauf, 232 Vgl. Kao, D.-L./Kallberg, J. (1994), S. 20. 233 Vgl. Stevenson, R. A./Jennings, E. H. (1976), S. 241. 234 Von Sonderfällen wie z.B. Kreditkonstruktionen mit 'equity-kicker' oder ähnlichen Ergebnisbeteiligungen soll abgesehen werden. 235 Keppler weist zurecht darauf hin, daß Risiko nicht als Volatilität, sondern vielmehr als Vermögensverlust definiert werden muß. Damit wird eine Überschreitung des kalkulierten Ertrags nicht als Risiko betrachtet. Vgl. Keppler, M. (1990), S. 610. 236 Vgl. Bennett, P. (1984), S. 156. 237 Dies könnte z.B. dann vorkommen, wenn ein Kreditinstitut einen über den tatsächli­ chen Kosten liegenden Zusatzertrag aus Verzugszinsen realisieren kann oder in Hochzinsphasen ein niederverzinslicher Kredit abgelöst wird, dessen Refinanzierung dann zu einer höheren Marge wieder herausgelegt werden kann.

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werden aber nur sehr selten auftreten. Daraus folgt, daß die Wahrschein­ lichkeit eines Kreditverlustes pj wesentlich geringer ist als die der plan­ mäßigen Rückzahlung des Kredits. Diese Verteilung ist in Abbildung C.10 anschaulich dargestellt. Sie zeigt, daß die Wahrscheinlichkeits­ verteilung zwar asymmetrisch verläuft, aber weitgehend mit einer auf negative Abweichungen vom Mittelwert normierten Normalverteilung übereinstimmt.

Abbildung C.10: Normalverteilung und Verteilung der Erträge eines Kreditgeschäftes238

Für die Anwendung der p-ö-Regel folgt daraus, daß die Varianz als Risikomaß differenziert zu bewerten ist. Einerseits ist positiv anzumerken, daß durch die Varianz Risiko im Kreditgeschäft lediglich als Unter­ schreiten, weniger aber als Überschreiten des Planertrages gemessen wird. Kritisch ist aber, daß sie in Anbetracht des Verlaufs der in Abbildung C.10 dargestellten Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Kredits das Kreditrisiko nicht zutreffend abbildet. Eine Lösung könnte hier durch die Einführung eines zusätzlichen statistischen Maßes zur Abbildung der Schiefe einer Verteilung herbeigeführt werden, die das Modell aber erheblich verkomplizieren würde, ohne daß die grundsätzlichere Frage nach der Qualität der Wahrscheinlichkeitsverteilungen gelöst wäre.239 23$ Abbildung analog zu Pitz, K. H. (1977), S. 99. 239 Vgl. Kern, M. (1987), S. 214 ff. Zu denken wäre hier z.B. an die Semivarianz, die nur die Abweichungen unterhalb eines definierten Bezugspunktes mißt oder an den

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Diese Verfeinerung erscheint deshalb nicht sinnvoll, solange die Ertrags­ und Risikodaten nicht mit hinreichender Sicherheit und Genauigkeit aus dem Kreditprozeß hervorgehen.240 Fehler bei der Bestimmung der Varianz haben zudem für die Ergebnisqualität des Ansatzes nur eine begrenzte Bedeutung, da die Varianzen in der Formel zur Berechnung des Portfolio-Risikos mit zunehmender Zahl der Portefeuille-Bestandteile hinter den Einfluß der Korrelationen zurücktreten.241 Chopra/Ziemba stellen anhand einer empirischen Untersuchung fest, daß sich Fehler bei der Bestimmung des Ertragserwartungswertes eines Portefeuilles auf die Ergebnisqualität um das Elffache stärker auswirken als Fehler bei der Ermittlung der Varianz und zwanzigmal stärker als falsch geschätzte Kovarianzen.242

Neben dem Problem einer korrekten Verarbeitung der Risiko- und Ertragsdaten muß deshalb die ebenso wichtige Frage nach der Daten­ herkunft gestellt werden. Es ist wenig hilfreich, mit exakten mathe­ matisch-statistischen Verfahren Verarbeitungsfunktionen, wie z. B. die Portfolio-Risikoermittlung, durchzuführen, wenn die zugrunde liegenden Daten - die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Krediterträge - lediglich grob geschätzt werden können. Dieses Datengewinnungsproblem wird im folgenden noch zu lösen sein. Wie gezeigt werden konnte, stehen der praktischen Anwendung der Port­ folio Selection einige Probleme entgegen, die in erster Linie auf den restriktiven Prämissen und auf der Eignung der Varianz als Risikomaß

Fisher'schen Schiefekoeffizienten. Vgl. dazu Dziedzina, M. (1987), S. 19 ff. bzw. Bitz, M. (1981), S. 58. Eine weitere Verbesserung ermöglichen GARCH-Modelle (Generalized Autoregressive Conditional Heteroskedasticity) zur Beschreibung der Varianz von Renditen, die sich insbesondere dazu eignen, die zeitlichen Schwan­ kungen der Ausgangsdaten in der Varianz zu berücksichtigen. Vgl. Geyer, A. (1994), S. 202 ff. 240 Vgl. Pitz, K. H. (1977), S. 163. 241 Vgl. Pitz, K. H. (1977), S. 37 bzw. Kapitel C.6.4.3.1 zur Bestimmung des Porte­ feuille-Risikos. 242 Ursächlich hierfür ist, daß die Varianzen und Kovarianzen üblicherweise aus der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Erträge abgeleitet werden, die zugleich die Grundlage für die Ermittlung des Ertragserwartungswertes bildet. Während sich Pro­ gnosefehler direkt im Ertragserwartungswert niederschlagen, finden sie in die Vari­ anz nur über die veränderte Schwankung der Erträge, d.h. also das Delta, Eingang. Vgl. Chopra, V./Ziemba, W. (1993), S. 9.

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basieren243. Wesentlicher Vorteil dieses Ansatzes ist es, daß er es ermög­ licht, sowohl Risiko als auch Ertrag gleichgewichtig im Entscheidungs­ kalkül zu berücksichtigen und somit eine systematische Beschäftigung mit dem Risiko unter Quantifizierung der erwarteten Ergebnisse und Impon­ derabilien erfolgt.244 Erst dies ermöglicht eine integrierte, ganzheitliche Steuerung von Einzelgeschäft und Kreditportfolio. Damit geht dieser Ansatz - trotz bestehender modelltheoretischer Bedenken - weit über die beobachtbare Kreditentscheidungspraxis hinaus.245 Deshalb soll abschließend festgehalten werden: "Trotzdem können aus der Struktur der Portfolio Selection Theorie Ansätze zur Fundierung strategischer Ertrags­ und Risikoentscheidungen gewonnen werden ..,"246

Auf dieser prinzipiellen Vorteilhaftigkeit aufbauend, soll im nächsten Abschnitt mit den Index-Modellen eine praxisorientierte Modifikation der Portfolio Selection dargestellt und auf ihre Eignung hin geprüft werden.

5.3. Der Lösungsansatz der Index-Modelle Zur Ermittlung der Input-Daten der Portfolio Selection existieren zwei grundlegende Ansätze. Der erste Ansatz, das Grundmodell von Marko­ witz, basiert auf den paarweisen Kovarianzen der Anlagealternativen und wurde bereits dargestellt. Diese Vorgehensweise wird um so aufwendiger, je größer die Zahl der in die Analyse einbezogenen Alternativen ist.247 Beobachtet man die Kursentwicklung an den Wertpapierbörsen, so läßt sich oftmals feststellen, daß ein großer Teil der Kursveränderungen einzelner Wertpapiere der allgemeinen Marktentwicklung folgt.248 Diese für die Börsen charakteristische Trendentwicklung kann sowohl für das Konjunkturbild der gesamten Volkswirtschaft als auch für die Entwick­ lung von Unternehmen innerhalb einer Branche erkannt werden. 243 Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 682. 244 Vgl. Drayß, E.-L. (1990), S. 566. 245 Wie sich später noch herausstellen wird, ergeben sich bei der praktischen Anwendung dennoch Probleme bei der Ermittlung der Input-Daten, die eine Modifikation des Ansatzes erforderlich machen. 246 Kern, M. (1987), S. 224. 247 Vgl. Priewasser, E. (1992), S. 244. 248 Vgl. Hayes, D. A./Baumann, W. S. (1976), S. 375 f.

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An diesem Sachverhalt knüpfen die von William F. Sharpe in den 70er Jahren entwickelten Indexmodelle als vereinfachter Ansatz zur Ermittlung der Input-Daten an249, indem sie anstelle der für den Markowitz-Ansatz benötigten paarweisen Korrelationen zwischen den Anlagemöglichkeiten eine Beziehung zwischen Unternehmensentwicklung und einem (SingleIndex-Modell) oder mehreren (Multi-Index-Modell) übergeordneten Indizes herstellen 250 Die Aufgabe des Index ist es, die allgemeine Markt­ bewegung zu erfassen, die wiederum als wesentliche Einflußgröße auf die Entwicklung der Einzelwerte gesehen wird.251 Die Beziehung zwischen Einzelwert und Index wird in Form einer Regressionsfunktion dargestellt. Durch diese indirekte Messung der Reaktionsverbundenheit können erhebliche Einsparungen sowohl beim Datenbedarf als auch beim Rechenaufwand erzielt werden.252 Abbildung C.ll vergleicht die Vorgehensweise des Markowitz- und des Sharpe-Ansatzes am Beispiel von 5 Anlagealternativen. Als mögliche Referenzgrößen zur Darstellung der Unternehmens­ entwicklung werden in der Literatur insbesondere folgende Indizes genannt:

□ das Bruttosozialprodukt

□ das Pro-Kopf-Einkommen □ der Dow Jones Industrial Index (30 Industrie-Aktien) □ der Standard & Poor's Index (500 Aktien aus verschiedenen Branchen).253

Für die Bundesrepublik Deutschland sind insbesondere auch folgende Indizes interessant:

O der Deutsche Aktienindex DAX (30 Werte) □ der Composite DAX (CDAX), der den Kursverlauf aller an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelten Titel widerspiegelt

249 250 251 252 253

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Sharpe, W. F. (1970). Philippatos, G. C. (1976), Sp. 1450. Birli, H. (1993), S. 133. Buchner, R. (1981a), S. 290. Sharpe, W. F. (1970), S. 119.

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□ die Branchenindizes des CDAX, wie z.B. der CDAX Automobil, der CDAX Chemie, CDAX Eisen und Stahl oder der CDAX Kreditinstitute □ der DAX 100, ermittelt aus den Kursverläufen von 100 ausgewählten deutschen Aktien.254 Index

Markowitz

Abbildung C.ll:

Sharpe

Vergleich Markowitz- und Sharpe-Ansatz

Im Kreditgeschäft steht das Ausfallrisiko im Vordergrund, das im Regelfall aus dem Fallieren eines Unternehmens resultiert. Hier bietet sich deshalb vor allem eine Indexierung auf Basis der Insolvenzstatistik und der darin eingeschlossenen Brancheninsolvenzzahlen an.255

Abbildung C.12 stellt die Beziehung zwischen der Entwicklung eines Kreditnehmers und der Entwicklung des Index als Regressionsgerade dar. Die Rendite des Kredits ergibt sich in der Abbildung aus einer kredit­ spezifischen Komponente (aß und einer Index-abhängigen Komponente (bj • I).256 Je steiler die Gerade verläuft, d.h. je größer das bj ist, desto sensitiver reagiert das Unternehmen auf Änderungen des Indizes.

254 Vgl. o.V. (1994), ohne Seitenangabe. 255 Vgl. hierzu auch Brakensiek, T. (1991), S. 194 ff. Dieser Gedanke wird bei der Ent­ wicklung des integrierten Kreditprüfungssystems interred weiter fortgeführt wer­ den. Generell konnte in empirischen Untersuchungen festgestellt werden, daß spezi­ fische Indices, wie z. B. ein Aktienindex, allgemeinen ökonomischen Indizes bei der Darstellung der Korrelationen überlegen sind. Vgl. Birli, H. (1993), S. 133. 256 Vgl. Francis, J. C./Archer, S. H. (1979), S. 127.

192

Abbildung C.12:

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Beziehung zwischen Unternehmen und Index257

Am Beispiel der Abbildung C.12 erkennt man mittels der IndexDarstellung, daß das Gesamtrisiko eines Kreditnehmers als Kombination eines allgemeinen, indexabhängigen Risikoteiles und eines individuellen, kreditnehmerspezifischen Risikoteiles (q) aufgefaßt werden kann.258 Das allgemeine Risiko wird auch als systematisches Risiko bezeichnet und resultiert aus der Korrelation des gewählten Index mit dem Gesamt' markt.259 In der Störgröße q kommt das unsystematische, kreditnehmer­ spezifische Risiko zum Ausdruck; im Verhältnis zum Index kann durch Diversifikation noch Risiko abgebaut werden.260 Das systematische Risiko bleibt dagegen selbst in einem gut diversifizierten Portefeuille zurück.261

252 Abb. in Anlehnung an Sharpe, W. F. (1970), S. 120. 258 vg| Winkelmann, M. (1984), S. 25. Das Bonitätsrisiko eines Kreditnehmers ist somit als Summe von inner- und außerbetrieblichen, d.h. mikro- und makroökono­ mischen Teilrisiken aufzufassen. Vgl. hierzu Hertenstein, K.-H./Reuter, A. (1985), S. 362. 259 Vgl. Hecker, G. (1974), S. 57 f. 260 Vgl. Büschgen, H. E. (1969), S. 23 f. 261 Vgl. Milde, H. (1992), S. 317.

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193

Die Index-Modelle umfassen Single-Index- und Multi-Index-Ansätze. Im Single-Index-Modell von Sharpe wird der funktionale Zusammenhang zwischen Unternehmens- und Indexentwicklung im Form einer Einfach­ regression ermittelt. Die Unternehmen werden hier nur zu einem über­ geordneten Index, z.B. dem DAX, in Beziehung gesetzt.262 Aufgrund der vereinfachten Darstellung der Beziehung zwischen den Kreditnehmern wird so zwar einerseits der Informations- und Rechenbedarf drastisch reduziert,263 wegen der Beziehung zu nur einem Index besteht aber zugleich die Gefahr, daß wesentliche Informationen verloren gehen, da der Index die Entwicklung des Einzelwerts nicht völlig beschreiben kann. Hierdurch steigt die Wahrscheinlichkeit, das exakte Portefeuille-Optimum zu verfehlen, an.264

Multi-Index-Modelle sind darauf ausgerichtet, weitere Einflußfaktoren in das Portefeuille-Modell zu integrieren.263 Eine differenziertere Analyse wird dadurch erreicht, daß die im Portefeuille vorhandenen Kreditnehmer zuerst anhand von Segmentierungskriterien, wie z. B. Branchen oder Regionen, gruppiert werden. Über gruppenspezifische Indizes werden die Einzelwerte dann nur innerhalb dieser Bereiche in Beziehung gesetzt. Die zwischengeordneten Indizes werden dann in einem dritten Schritt wieder zu einem Referenzindex verdichtet. Diesen mehrstufigen Weg beschreiten die Multi-Index-Modelle, indem sie die Single-Index-Methode nur inner­ halb relativ homogener Klassen anwenden.266

Nach der Art und Weise, wie die Indexstruktur aufgebaut ist, kann zwischen zwei Grundformen der Multi-Index-Modelle differenziert werden.267 Die Kovarianz-Variante verwendet eine Single-IndexBeziehung innerhalb der Titel einzelner Branchen oder Klassen. Diese werden dann über die Kovarianzen der Branchen untereinander zum 262 Vgl. Priewasser, E. (1992), S. 244. 263 Der Markowitz-Ansatz benötigt für die Portfolio-Optimierung insgesamt 2 n + '/z n ( n - 1 ) Daten. Das Single-Index-Modell erlaubt eine Reduzierung des Datenbedarfs auf 3 n + 2 Daten. Bei beispielsweise n = 1.000 Krediten stehen den erforderlichen 501.500 Daten des Markowitz-Modells 3.002 Daten im Single-Index-Fall gegenüber, was einen Rückgang des Datenbedarfs um 99,4 % bedeutet. Vgl. Buchner, R. (1981a), S. 293 f. 264 Vgl. Hansmann, K.-W. (1980), S. 44 ff. 265 Vgl. Birli, H. (199), S. 141. 266 Vgl. Schneider, G. (1970), S. 63 f. 267 Vgl. Wohlfahrt, K. (1984), S. 92 f.

194

Integrierte Kreditprüfung

Gesamtindex verdichtet. Damit basiert die Kovarianz-Variante auf ihrer unteren Stufe auf dem Sharpe-Ansatz; die zweite Stufe verwendet wiederum die paarweisen Kovarianzen zwischen den Branchen analog zum Markowitz-Modell. Die Kovarianz-Variante stellt somit eine Synthese zwischen Ein-Index-Modell und der Portfolio Selection von Markowitz dar.268 Die Diagonal-Variante nutzt dagegen eine durch­ gängige Index-Hierarchie, da nicht nur innerhalb der Branchen, sondern auch zwischen ihnen jeweils ein Ein-Index-Ansatz gewählt wird. Dadurch erfordern sie einen besonders geringen Rechenaufwand, ohne daß die Gefahr der Informationsverluste wesentlich ansteigt.269 Die Multi-IndexModelle stellen somit einen Kompromiß zwischen dem relativ groben Single-Index-Modell und der Portfolio Selection dar, die jeden Kreditnehmer als eine Art eigener Index betrachtet.270 Ein von Brakensiek in 1991 veröffentlichter, auf den Index-Modellen basierender Ansatz soll im folgenden kurz dargestellt werden.271 Ziel seiner Untersuchung ist es, marktdeduzierte Risikokosten im Rahmen der Steuerung des Risikoergebnisses zu ermitteln.272 Im Gegensatz zu den intern berechneten Standard-Risikokosten, die einen verursachungs­ gerechten Zusammenhang zwischen den Kreditnehmern als Risikoquelle und den Kreditausfällen als Risikowirkung herstellen sollen, versucht Brakensiek, auf externe Marktdaten zurückzugreifen. Hierdurch soll ein objektiver Vergleich zwischen der institutsspezifischen Risikosituation und den am Markt üblichen Risiken ermöglicht werden.273 Der Grundgedanke dieser Überlegungen ist es, daß alle Kreditausfälle, die ein Kreditinstitut zu verkraften hat, eine Teilmenge der Bonitätsprobleme des

268 Vgl. Büschgen, H. E. (1969), S. 31. 269 Vgl. Neuhaus, W. (1969), S. 809. 270 Auf den Index-Modellen baut das Capital Asset Pricing Model (CAPM) auf, indem in das Investitionskalkül eine sichere Anlagemöglichkeit einbezogen wird Als Ergebnis zeigt sich, daß - unter der Voraussetzung eines vollkommenen Kapital­ marktes - alle Anleger unabhängig von ihrer Risikoeinstellung ein identisches risiko­ behaftetes Portefeuille halten; die individuelle Risikoneigung des Investors kommt nur noch im Anteil der sicheren Anlage am Gesamtportefeuille zum Ausdruck. Vgl. Latane, H. A/Tuttle, D. L./Jones, C. P. (1975), S. 586 ff. 'm Vgl. Brakensiek, T. (1991). 272 Vgl. Schierenbeck, H. (1995), S. 24. 273 Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 166.

Integrierte Kreditprüfung

195

Marktes insgesamt darstellen.274 Konzeptionell versucht Brakensiek damit, die Gedanken der Marktzinsmethode auf die Risikokosten-Thema­ tik zu übertragen.275 Brakensiek verwendet als marktorientierte Referenzgröße zur Messung des Ausfallrisikos die Insolvenzentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland der Jahre 1978 bis 1989. In einem mehrstufigen Vorgehen werden zuerst die Kreditnehmer anhand Branche und Unternehmensgröße segmentiert. Für die einzelnen Branchen werden dann bonitätsbedingte Krisenquoten als Quotient der Brancheninsolvenzen und der Zahl der Unternehmen innerhalb der Branchen gebildet.276 Diese marktdeduzierten Krisenquoten werden dann zum Vergleich mit den institutsspezifischen Ausfalldaten genutzt.277

Differenziert man die Gesamtinsolvenzentwicklung nach Branchen, zeigt sich, daß aufgrund des nicht vollkommen parallelen Insolvenzverlaufes einzelner Branchen im Verhältnis zur gesamten Insolvenzentwicklung Raum für Diversifikationsstrategien verbleibt. Von dieser Grundaussage ausgehend, ermittelt Brakensiek für jede vom Statistischen Bundesamt erfaßte Branche drei statistische Kennzahlen.278 Diese sind in Abbildung C.13 dargestellt. Das Maß der Volatilität gibt die durchschnittliche Schwankung der jährlichen Insolvenzzahlen der Branche gegenüber dem Vorjahr wieder. Die Korrelation als normiertes Maß der Kovarianz zeigt dabei den Grad der Gleichförmigkeit zwischen der Branchenentwicklung und dem Gesamtinsolvenzindex.279 Während die Korrelation Auskunft 274 Vgl. Schierenbeck, H. (1995), S. 25. 275 Vgl. Wieandt, P (1993), S. 608 276 Einen ähnlichen Ansatz zur Ermittlung branchenbezogener Risikokosten wählen Stanley, T./ Roger, C./Lajaunie, J. (1995) für den US-amerikanischen Markt. 277 Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 182 ff. 278 Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 687. Obwohl zwischen der historischen Insolvenzentwicklung und den künftigen Bonitätsproblemen eines Kreditnehmers nur ein gro­ ber, lediglich Trendaussagen ermöglichender Zusammenhang besteht, wurde dieser Indikator aus pragmatischen Gründen dennoch gewählt. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 191 ff. 279 vg| Brakensiek, T. (1991), S. 201 ff. Der Wert der Korrelation ist auf das Intervall von +1 bis -1 normiert. Ist das Vorzeichen positiv, verläuft die Entwicklung zwi­ schen Branche und Volkswirtschaft parallel; im Extremfall einer Korrelation von +1 sogar völlig gleichgerichtet. Ein negativer Wert hingegen symbolisiert ein entgegen­ gesetztes Verhalten. Vgl. Schmidt, R. H. (1986), S.149.

196

Integrierte Kreditprüfung

über eine tendenziell gleichlaufende Bewegungsrichtung gibt, trifft der Beta-Faktor eine Aussage über das Maß der Intensität dieser Bewegung.280

Die Kenntnis der Korrelation zwischen den einzelnen Branchen und der gesamten Insolvenzentwicklung kann nun für Diversifikationsüber­ legungen nutzbar gemacht werden. Branchen, deren Korrelations­ koeffizient nahe bei +1 liegt, die sich also im Durchschnitt parallel mit den Insolvenzen entwickeln, müssen dabei besondere Beachtung finden, da sie das Portefeuille-Risiko besonders stark beeinflussen. Je höher dabei zugleich der Wert des Betas liegt, desto intensiver ist die Reaktion dieser Branche und damit der Anstieg der Ausfallwahrscheinlichkeit auf einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Insolvenzzahlen.281 Um diese Überlegungen bei Kreditentscheidungen berücksichtigen zu können, ist es erforderlich, die Branchenanalyse bis auf die Unter­ nehmensebene zu verfeinern. Damit wird es möglich, die Kreditnehmer selbst, ihre Branchen und das Gesamtportefeuille bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen.282 Mit diesem Ansatz kann dann die Kreditvergabe an einzelne Kreditnehmer aus Gesamtbanksicht gesteuert werden.

280 Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 203. Ein Beta > 1, wie z.B. beim Baugewerbe zu ver­ zeichnen ist, zeigt eine intensivere Reaktion auf insolvenzbestimmende Einfluß­ größen als der Durchschnitt aller im Index enthaltenen Unternehmen. Werte von < 1 zeigen eine gedämpfte Reaktion. 281 Vgl. Schierenbeck, H. (1991), S. 689 f. 282 Brakensiek nutzt die Brancheninsolvenzanalyse lediglich zur Ermittlung von marktorientierten Risikokosten für die Kalkulation im Kreditgeschäft. Die Ermittlung Portfolio-orientierter Diversifikationseffekte stand nicht im Fokus seiner Überlegungen. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 190 ff.

Integrierte Kreditprüfung

Branche

(Werte von 1978-1989)

197

Volatilität

Kor­

Beta-

(in %)

relation

Faktor

Index

18,10

1,0000

1,0000

Handwerk (über alle Branchen)

27,45

0,9341

1,4163

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

21,77

0,9671

1,1628

100,38

0,2042

1,1321

Verarbeitendes Gewerbe (gesamt)

16,21

0,9478

0,8486

- Chemische Industrie

28,32

0,6622

1,4018

- Herstellung von Kunststoff- und Gummiwaren

26,24

0,6329

0,9173

- Gewinnung von Steinen, Erden etc.

25,43

0,8851

1,6724

- Metallerzeugung und -bearbeitung

34,81

0,8498

1,6339

Energie- und Wasserversorgung, Bergbau

- Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau

14,47

0,5933

0,4743

- E-Technik, Büromasch. u. a.; Foto und Film

17,91

0,8068

0,7982

- Holz-, Papier- und Druckgewerbe

22,43

0,9132

1,1317

- Leder-, Textil- und Bekleidungsgewerbe

18,90

0,6687

0,6983

- Ernährungsgewerbe, Tabakverarbeitung

22,32

0,6176

0,7613

Baugewerbe (gesamt)

22,21

0,9658

1,1846

- Bauhauptgewerbe

22,28

0,9072

1,1164

- Ausbaugewerbe

27,61

0,9363

1,4282

Handel (gesamt)

17,85

0,9694

0,9558

- Großhandel

15,16

0,9590

0,8032

- Handelsvermittlung

23,59

0,6089

0,7932

- Einzelhandel

20,28

0,9653

1,0815

Verkehr

17,56

0,8879

0,8610

Banken

46,06

0,2313

0,5887

Dienstleistungsgewerbe (incl. Freiberufler)

19,30

0,9728

1.0372

Abbildung C.13:

Statistische Kennzahlen zur Insolvenzentwicklung283

283 Abbildung in Anlehnung an Schierenbeck, H. (1991), S. 687.

198

Integrierte Kreditprüfung

5.4. Der Value at Risk-Ansatz - RiskMetrics und CreditMetrics Wegen seiner engen Beziehung zur Modernen Portfolio-Theorie wurde der Value at Risk als risikoorientiertes Steuerungsinstrument in Kapitel 4.4. nicht dargestellt. Der Value at Risk (VaR) ist eine Meßgröße für den potentiellen Kapitalverlust, den ein Investor aus Einzelpositionen oder Portefeuilles erleiden kann. Er gibt das in einer Währungseinheit ausgedrückte Verlustpotential der Risikopositionen bei der Annahme von verschiedenen Umweltzuständen an, die mit Eintrittswahrscheinlichkeiten versehen sind.284 Das Value at Risk-Prinzip hat sich schnell als Standard zur Messung von Marktrisiken im Investmentgeschäft durchgesetzt, was insbesondere durch seine Berücksichtigung in den Vorschlägen der Basler Kommission der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und in der Kapitalädequanzrichtlinie der Europäischen Kommission dokumentiert wird.285

Das Value at Risk-Konzept basiert ebenso wie die Moderne PortfolioTheorie und die Portfolio Selection von Markowitz auf den Wahrschein­ lichkeitsverteilungen von Ertragsverläufen.286 Die zur Ermittlung des Value at Risk erforderlichen Daten können bei börsengehandelten Anlagen durch die Verwendung historischer Kursverläufe generiert werden. Für diese Zwecke wird von der amerikanischen Investment-Bank J. P. Morgan die Datenbank RiskMetrics zur Verfügung gestellt, die eine umfassende Information über Aktien-, Anleihe- und Währungskurse und deren historische Volatilitäten und Korrelationen ermöglicht.287 Ein anderer Weg besteht darin, diese Daten durch zukunftsorientierte Simu­ lationen zu ermitteln. Dazu werden in einem ersten Schritt die relevanten makroökonomischen Einflußgrößen auf die Risikoposition der Bank identifiziert. In einem zweiten Schritt werden die zukünftig erwarteten Veränderungen dieser Risikoparameter prognostiziert, um dann mit einer Sensitivitätsbetrachtung die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Risikoposition zu bestimmen. Auf dieser Basis können die für die 284 285 286 287

Vgl. Littlejohn, G. (1995), S. 9 f. Vgl. Jakobsen, S. (1995), S. 185. Vgl. Groß, H./Knippschild, M. (1995), S. 87. Vgl. Talmar, S. (1994), S. 91.

Integrierte Kreditprüfung

Portfolio-Betrachtung erforderlichen Mittelwerte, Varianzen Korrelationen der einzelnen Anlagen errechnet werden.288

199

und

Mit den vergangenheits- oder zukunftsorientierten Parametern wird es somit ermöglicht, die Risikoposition des Portefeuilles insgesamt unter Berücksichtigung der Diversifikationseffekte zu ermitteln. Damit erlaubt das Value at Risk-Konzept nicht nur die einfache Aggregation von Einzel­ risiken, sondern berücksichtigt zugleich die risikoreduzierenden Effekte der Portfolio Selection. Von dieser unterscheidet sich der Value at RiskAnsatz methodologisch primär dadurch, daß das Datenbeschaffungs­ problem für das Segment börsennotierter Anlagemöglichkeiten gelöst ist, solange man sich auf die Verwendung vergangenheitsbezogener Werte begnügt. Durch die von J. P. Morgan über das Internet frei zugängliche RiskMetrics-Datenbank kann der Portfolio-Optimierungsprozeß einfach und durchgängig DV-unterstützt durchgeführt werden.289 Ungelöst bleibt aber die Frage nach der Zulässigkeit der Übertragung vergangener Kurs­ verläufe auf Entscheidungen der Zukunft. Zu beachten ist zudem, daß für diesen Ansatz alle Kritikpunkte der Portfolio Selection gegenüber uneingeschränkt gelten. Zugleich ist festzustellen, daß RiskMetrics und dadurch das Value at Risk-Konzept keine vollständige Risikoerfassung bietet. So wurden die dieser Arbeit zugrunde liegenden Ausfallrisiken bislang nicht in RiskMetrics berücksichtigt.290 Somit konnte RiskMetrics lediglich die Leistungs­ fähigkeit der Modernen Portfolio-Theorie unterstreichen, ohne für das Kreditgeschäft neue Möglichkeiten zu bieten.

Im Mai 1997 veröffentlichte J. P. Morgan mit CreditMetrics eine wesentliche Ergänzung des Ansatzes, indem er nunmehr auch auf die Erfassung von Kreditrisiken ausgeweitet wurde.291 Ausgangspunkt für die Entwicklung waren die nachfolgenden Kritikpunkte am Einsatz der Modernen Portfolio Theorie im Kreditgeschäft: 288 vg| R0|fes> B./Schierenbeck, H. (1997), S. 36 f. Die Datenbeschaffungskosten die­ ses Vorgehens sind allerdings erheblich. 289 Vgl. Jakobsen, S. (1995), S. 185. 290 Vgl. Rolfes, B./Schierenbeck, H (1997), S. 40. 291 Die vollständige Dokumentation der Methodologie samt einer Sammlung von histo­ rischen Ausgangsdaten stellt J. P. Morgan kostenlos im Internet zur Verfügung. Die Adresse lautet: http://www.jpmorgan.com.

200

Integrierte Kreditprüfung

□ Wegen des asymmetrischen Verlaufs der Wahrscheinlichkeits­ verteilung des Kreditertrags sind zur Beschreibung des Kurvenverlaufs mehr Informationen erforderlich, als mit dem Mittelwert und der Varianz abgedeckt werden können. Die Varianz eignet sich somit nur wenig als Risikomaß. □ Für die Generierung der Ausgangsdaten der Portfolio-Betrachtung, insbesondere der Korrelationen, sind aussagefähige und einfach verfügbare Datenbasen erforderlich.292

Mit CreditMetrics versucht J. P. Morgan ein Verfahren zu entwickeln, das an diesen Problembereichen ansetzt und es erlaubt, die Risiko- und Ertragsverhältnisse des Kreditportefeuilles auf eine einfache Value at Risk-Punktgröße zu verdichten. Als Ziele des Modells werden genannt: □ Schaffung einer Benchmark zur einheitlichen Messung und Steuerung von Kreditrisiken unterschiedlicher Finanzierungsinstrumente, wie z. B. von Darlehen, Kreditlinien, Anleihen oder Swaps.

□ Erhöhung der Risikotransparenz, die zu einer aktiveren Beschäftigung mit dem Risiko und damit auch zu neuen Instrumenten der Risiko­ absicherung, wie z. B. zu handelbaren Kreditderivaten, führen soll. □ Forcierung einer künftig verstärkt risikoorientierten Eigenmittelunter­ legung des Kreditgeschäftes durch die Bankenaufsicht.293 Risiko wird innerhalb des CreditMetrics-Systems in einer „mark-tomarket“-Umgebung bewertet, die sich in einer Veränderung des Value at Risk ausdrückt. Für die verschiedenen Kreditformen werden dabei ent­ sprechend ihrer Verfügbarkeit unterschiedliche Ausgangsdaten verwen­ det. So kann z. B. das Kreditrisiko als Veränderung des Ratings eines Kredits definiert werden. Vom Anwender müssen für diesen Fall einer­ seits die Wahrscheinlichkeiten der Rating-Veränderungen bestimmt werden, zum anderen muß deren Einfluß auf den Kreditertrag geschätzt werden. Auf Basis dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung können sowohl der Mittelwert wie auch die Standardabweichung des Kredits berechnet werden.294 292 Vgl. J. P. Morgan (1997), S. 6. 293 Vgl. o. V. (1997), S. 20. 294 Vgl. J. P. Morgan (1997), S. 20 f.

Integrierte Kreditprüfung

201

Zur Bestimmung der Korrelationen zwischen den PortefeuilleBestandteilen werden von CreditMetrics ebenfalls verschiedene Vorgehensweisen angeboten:

□ Korrelationen auf Basis von Rating-Veränderungen.

□ Korrelationen auf Basis von Veränderungen der Risikoprämien von Anleihen. □ Einheitliche Korrelationen für Unternehmen einer Branche oder eines Landes.

□ Korrelationen auf Basis der Veränderung des Aktienkurses.295 Die marktbezogenen Informationen zu Anleihen- oder Aktienkursen liegen jedoch - insbesondere in Deutschland - nur bei einer verhältnis­ mäßig geringen Zahl von Kreditnehmern vor. Die Nutzung der RatingVeränderungen kann, wie von J. P. Morgan angedacht, auf externen Daten der Rating-Agenturen basieren, zugleich könnten aber auch bankinterne Bonitierungssysteme genutzt werden, wie es im noch zu entwickelnden INTEKRED-System geschehen wird. Als Voraussetzung muß aber sichergestellt sein, daß sich Veränderungen im Kreditrisiko zeitnah im Rating niederschlagen. Für die Verwendung einheitlicher Korrelationswerte innerhalb von Branchen oder Ländern liefert J. P. Morgan die entsprechenden Korrelationsdaten, auf die Nutzung des Diversifikationseffektes innerhalb dieser Segmente muß auf dieser Basis aber verzichtet werden. Mit den dadurch generierten Ausgangsdaten errechnet J. P. Morgan unter Verwendung der Modernen Portfolio Theorie die Standardabweichung des Kreditportefeuilles sowie den „Percentile Level“ des Portefeuilles, der eine Aussage darüber trifft, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Ertrag des Portefeuilles wieweit von seinem Mittelwert abweicht. Aus dem Vergleich des Portfolio-Risikos vor und nach einem Neukredit kann eine Aussage über das Portefeuille-orientierte Risiko, d.h. über den risikosenkenden oder risikosteigernden Effekt des Neukredits getroffen werden. Das von J. P. Morgan entwickelte CreditMetrics stellt ein Verfahren dar, das eine grundsätzliche Anwendungsmöglichkeit der Modernen Portfolio 295 Vgl. J. P. Morgan (1997), S. 24.

202

Integrierte Kreditprüfung

Theorie im Kreditgeschäft zeigt. Positiv zu würdigen ist, daß das Verfahren die Diversifikationseffekte aus der Korrelation der Einzelwerte innerhalb des Kreditportefeuilles explizit in die Risikobewertung einbezieht. Letztlich basiert der Ansatz aber unverändert auf einem Mittelwert-Varianz-Modell. Zwar wurde von J. P. Morgan die unzu­ reichende Abdeckung der Kreditertragsfunktion durch dieses statistische Maß erkannt, außer den zusätzlichen Informationen zur Streuung der Ertragsverteilung wird aber kein grundlegend anderes Vorgehen verwirklicht. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Portfolio-Theorie ist die Lösung des Datenbeschaffungsproblems. J. P. Morgan bedient sich hier zum einen, wie auch im Grundmodell von Markowitz vorgesehen, historischer Daten über die Kursverläufe von Aktien und Anleihen. Hier ist zunächst zu fragen, ob es zulässig ist, diese Vergangenheitswerte auf die Betrachtung zukünftiger Kredite zu übertragen. In Anbetracht der zunehmend schnelleren Veränderung des ökonomischen Umfelds gewinnt es an Bedeutung, diese Entwicklungen auch durch die Verwendung zukunftsorientierter Daten abzubilden. Mit dem alternativ vorge­ schlagenen Verfahren auf Basis der Ratingveränderungen wäre eine Los­ lösung von der vergangenheitsbezogenen Betrachtung möglich. Zu klären ist aber, inwieweit die in CreditMetrics hier vorgesehene Ermittlung kompletter Wahrscheinlichkeitsverteilungen durch die Kreditentscheider realistisch ist. Diese müßten prognostizieren, mit welcher Wahr­ scheinlichkeit sich das Rating eines Kreditnehmers verändert und darauf basierend die Auswirkungen der Ratingveränderungen auf das Kredit­ risiko quantifizieren. Zunächst ist bei diesem Vorgehen fraglich, ob die dadurch erreichte Datenqualität dem hohen Niveau der Modernen Portfolio Theorie genügt. Zum anderen verursacht dieses Vorgehen trotz des von J. P. Morgan bereitgestellten Instrumentariums erhebliche Datenbeschaffungskosten in Form von Personalaufwand.

Letztlich ist also festzuhalten, daß mit dem CreditMetrics-Verfahren das Problem der Datenbeschaffung der Portfolio-Theorie nicht wesentlich gelöst werden konnte. Für die nun folgende Entwicklung des INTEKREDSystems eignet sich dieser Ansatz somit nur bedingt.

Integrierte Kreditprüfung

6.

203

Die Integration von Einzelkreditprüfung und Gesamtportefeuillebetrachtung im Kreditgeschäft - das integrierte Kredit­ prüfungssystem INTERRED

6.1. Vorbemerkung Im bisherigen Verlauf dieser Arbeit wurden zuerst die Verfahren der Einzelkreditprüfung dargestellt und darauf aufbauend die Möglichkeiten des gesamtbankbezogenen Risikomanagements entwickelt. Ohne vertieft auf mathematisch-statistische Details eingegangen zu sein, konnte gezeigt werden, daß sich eine zielorientierte Risikosteuerung nicht ausschließlich am Einzelengagement orientieren darf, sondern die gesamten Risiko­ strukturen des Kreditportefeuilles mit in die Analyse, Bewertung und Steuerung der Risikoposition der Bank einbezogen werden müssen.

Es konnte deutlich gemacht werden, daß sich mittels geeigneter Methoden zur Auswahl von Kreditnehmern eine gezielte Verringerung des Gesamt­ kreditrisikos realisieren läßt. Als Diversifikationsmerkmale wurden dabei insbesondere die Kreditgrößenklasse, die Branchenzugehörigkeit, die vereinbarte Kreditlaufzeit, die Sicherstellung oder regionale Aspekte in Erwägung gezogen. Auf Basis der angestrebten Portfolio-Optimierung erhält die aus Gesamtbanksicht optimale Gestaltung der Kreditwürdig­ keitsprüfung die in Abbildung C.14 dargestellte Struktur, die sowohl die operative Entscheidungsebene wie auch die Portefeuille-Ebene berück­ sichtigt.1 Die Abbildung gibt somit eine erste Zusammenfassung der bisherigen Arbeit wieder.

Ausgehend von der Gesamtbankplanung, die die grundlegende Opera­ tionalisierung des bankbetrieblichen Zielsystems nach Rentabilität, Liquidität und Sicherheit bestimmt, wird das von der Bank angestrebte Rendite-Risiko-Niveau, formuliert als Risikonutzenfunktion abgeleitet. Dieser Aspekt wurde in Teil C bereits dargestellt. Parallel zu der Soll­ größe für die Portfolio-Struktur ergeben sich aus dem Bestandsporte­ 1

Vgl. Waugh, F. (1995), S. 28.

204

Integrierte Kreditprüfung

feuille die realisierten Ist-Strukturen differenziert nach Kreditgrößen­ klassen und -laufzeiten, Branchen und nach der regionalen Verteilung. Diese Bestandsgrößen der Kreditportefeuillestruktur fließen als IstZustand in die Kreditportefeuille-Optimierung ein und wurden ebenfalls in Teil C dieser Arbeit besprochen. Die übergeordneten Gesamt­ bankstrukturen sind für die Einzelkreditprüfung als vorgegebenes Datum anzusehen. Sie prüft die Bonität des Kreditnehmers und trifft ein Urteil über seine individuelle Kreditwürdigkeit als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Kreditgewährung.

Nur wenn die Einzelkreditprüfung zu einem positiven Votum gelangt, darf der Kreditantrag weiter verfolgt werden.2 Angesichts des asym­ metrischen Chance-Risiko-Verhältnisses im Kreditgeschäft, wo einem möglichen Kreditertrag ein ungleich größeres potentielles Ausfallvolumen gegenübersteht, stellt das positive Ergebnis der Einzelkreditprüfung das erste Selektionskriterium bei der Auswahl der Kreditnehmer dar. Aus dieser Teilmenge der geeigneten Kreditnehmer kann dann die gesamt­ bankoptimale Struktur ermittelt werden. Die ursachenbezogene Risiko­ politik hat somit grundsätzlich Vorrang vor der wirkungsbezogenen Risikopolitik.3 Neben der Bestimmung der persönlichen Kreditwürdigkeit müssen von der Kreditwürdigkeitsprüfung die erforderlichen Daten zur Kreditportefeuille-Optimierung, wie die Risikostruktur oder die Korre­ lation zwischen den Kreditnehmern, bereitgestellt werden. Ebenso in das Kalkül einbezogen werden muß als zweite Dimension der Rendite-/ Risiko-Optimierung die Ertragskomponente. Da das Kreditrisiko auch von den eingeräumten Sicherheiten abhängt, müssen auch diese in der Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden.4

2 3 4

Vgl. Dorka, J. (1990), S. 202 f. Vgl. hierzu auch die Ausführungen unter Kapitel C.4.3. Bislang wurde die Bedeutung der Sicherheiten für die Kreditgewährung bewußt nicht näher betrachtet, um die wirtschaftliche Bonität des Kreditnehmers besonders intensiv zu analysieren. Bei der Steuerung der Gesamtrisikoposition der Bank kann aber auf den risikoreduzierenden Einfluß der Sicherheiten nicht verzichtet werden.

Abbildung C. 14:

i

Integrierte Kreditprüfung

I

W

Einzelkreditrisiko

T

'



Ertrag

!■■■■

des Neukredits

Kreditsicherheiten

------------------------------------

I

w

i

Bonität







(UnternehmensBeurteilung)

,

(UnternehmerBeurteilung)

'

Wirtschaftliche Bonität



Kreditwürdigkeitsprüfung

Persönliche

_____

« ------------

iditä ,

LZ

Li ----------

W

[jG ^am tbankrisiko)

Sicherheit

I

>

_ _ _

Struktur

Kreditportefeuille-Optimierung

w

I Soll-Portefeuille

feuilleStruktur

Ist Porte-

———

Risikostruktur I———

I gegebene Rendite-/

- Sicherheiten

Regionen Branchen

* Laufzeiten

.

'

_ Größenk,assen

differenziert nach;

Bestandskreditportefeuille

i

▼ ___________________ ▼ ____________________ T

--------

I

,

|

Risikonutzenfunktion (geplante Rendite-ZRisikostruktur)

Ertragsdaten

Risiko-und

--------

Rentabilität



Operationalisierung des bankbetrieblichen Zielssystems

i

Gesamtbankplanung

Integrierte Kreditprüfung 205

206

Integrierte Kreditprüfung

Mit der in Abbildung C.14 dargestellten Struktur der integrierten Kreditprüfung kann analysiert werden, ob ein beantragter Kredit auch aus Gesamtbanksicht vertretbar bzw. erwünscht ist. Sollte die Entscheidung eine Kreditgewährung rechtfertigen und wird der Kredit auch tatsächlich valutiert, gehen seine Daten in das Bestandsportefeuille ein. Wird ein ablehnender Entscheid getroffen, so kann das Verfahren auf Basis verbesserter Inputgrößen (z.B. mit einer höheren Marge oder zusätzlichen Sicherheiten) nochmals durchlaufen werden. In der Praxis wird es für das Kreditinstitut allerdings erforderlich sein, dieses Instrument derwirkungsbezogenen Risikopolitik sehr sensibel zu handhaben. Insbesondere bei ablehnenden Kreditvoten, deren Ursache nicht aus der einzelwirtschaft­ lichen Ebene des Kreditnachsuchenden, sondern aus den gegebenen Gesamtbankstrukturen entspringt, ist die Entscheidung für Außenstehende nur sehr schwer nachvollziehbar. Abhilfe kann hierbei aber über stille Syndizierungen bzw. Unterbeteiligungen oder durch den Handel von Kreditrisiken am Markt geschaffen werden.5

Im folgenden sollen nun diese Erkenntnisse in ein Modell der Kredit­ entscheidung umgesetzt werden, das einzelkreditbezogene und kredit­ portefeuillespezifische Einflußgrößen simultan berücksichtigt. Die Haupt­ ziele dieses Systems sind die Darstellung des kreditspezifischen Diversi­ fikationseffektes, die Unterstützung einer dezentralen Entscheidungs­ praxis und der Versuch, möglichst mit den im Kreditprozeß generierten Daten auszukommen. Das integrierte Kreditprüfungssystem INTERRED wird dabei zunächst eine Einzelkreditentscheidung simulieren. Hierzu sollen in INTERRED die in Teil B als wichtig erkannten Indikatoren bewertet und zu einem Urteil über die wirtschaftliche Bonität gewichtet werden. Bei der Wahl der Einzelindikatoren wird dabei pragmatisch ein modifiziertes, bei einer Spezialbank für das langfristige Firmenkredit­ geschäft gebräuchliches Risikoanalyse- und -bewertungssystem zugrunde gelegt, dessen Erstellung der Verfasser dieser Arbeit aus der Nähe beobachten konnte.6 Durch eigene empirische Arbeit könnte und müßte

Vgl. Wieandt, P. (1993), S. 608. Zu den Asset-Backed-Securities vgl. Kapitel C.5.2.2. Vgl. Braunsfeld, F./Richter, U. (1996), S. 775 ff. Allerdings wurde die Terminologie an die in Kapitel B genutzten Begriffe angepaßt sowie die Gewichtungsfaktoren modifiziert. Dies war insbesondere deshalb erforderlich, weil im Regelfall die von

Integrierte Kreditprüfung

207

dieses System sowohl hinsichtlich der Beurteilungskriterien als auch hinsichtlich des Gewichtungsschemas weiter verfeinert werden; da dieser Teilaspekt aber nur die Grundlage für die Darstellung des Kredit­ portefeuille-Effektes bildet, soll darauf verzichtet werden.7 Für die Entwicklung von INTERRED ist an dieser Stelle weniger das Verfahren der Einzelkreditprüfung von Bedeutung, sondern vielmehr die Verarbeitung deren Ergebnisse hinsichtlich der Bonität und die Bereitstellung der für die Portfolio-Analyse benötigten Ausgangsdaten. Um das Modell nicht unnötig zu komplizieren, werden die zugrunde liegenden Kreditarten zudem auf endfällige Blockdarlehen beschränkt.8

Das Ergebnis der Einzelkreditprüfung ist ein Urteil über die wirt­ schaftliche Bonität des Kreditantragstellers. Neben dieser spielt gerade im langfristigen Kreditgeschäft, das mit Kreditlaufzeiten einhergeht, die sich oftmals über einen Konjunkturzyklus erstrecken, die Stellung von Kreditsicherheiten eine wichtige Rolle.9 Bei der Risikobeurteilung eines Kreditengagements muß deshalb auch die Besicherung berücksichtigt werden. Hierzu erfolgt in INTERRED eine Ermittlung der Sicherheiten­ werte und des sich daraus ergebenden Blankorisikoanteils des Neukredits. Dieses Vorgehen wird aber nur in seinen Grundzügen skizziert, da die Stellung von Sicherheiten für die zu entwickelnde Modellstruktur nicht von primärer Bedeutung ist. Für den „echten“ Praxiseinsatz muß diese vereinfachte Sicherheitenbewertung ebenfalls erweitert werden bzw. in ein vorhandenes Sicherheiten-Informationssystem der Bank integriert werden. Darauf aufbauend wird die Kreditentscheidung in eine PortfolioOptimierung einfließen, die ebenso wie der bereits dargestellte Ansatz

7

8

9

den Kreditinstituten genutzten Kennzahlen und ihre Gewichtung im Krediturteil aus nachvollziehbaren Gründen nicht veröffentlicht werden. Diese Vorgehensweise bei der Entwicklung von interred besitzt zwei Vorteile. Zum einen kann der Bereich der Einzelkreditprüfung so relativ anschaulich und übersichtlich dargestellt werden, wohl wissend, daß es sich dabei nur um einen Ver­ fahrensvorschlag, d.h. um einen Prototyp, handelt. Zum anderen kann an dieser Stelle das bei einem Kreditinstitut im Praxiseinsatz befindliche, reale System ein­ gebunden werden. Vgl. zu Blockkrediten Krüger, W. (1988), S. 281. Die Beschränkung auf Block­ kredite, die am Ende der vereinbarten Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen sind, erspart nachfolgend die Berücksichtigung komplizierter Tilgungsstrukturen, wie z. B bei Annuitätenkrediten, die für das dargestellte Ziel der INTEKRED-Implementierung ohne Bedeutung sind. Vgl. Heim, E. (1984), S. 660.

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Integrierte Kreditprüfung

von Brakensiek auf Brancheninsolvenzhäufigkeiten basieren soll.10 Dabei liegt das Augenmerk weniger auf einer passiven Analyse des Kreditporte­ feuilles nach einzelnen Deskriptoren, wie z.B. der Bonitäts- oder Bran­ chenstruktur, wie sie heute Stand der Technik ist, sondern vielmehr auf der aktiven Steuerung des Kreditportefeuilles durch dessen direkten Einfluß auf einzelne Kreditentscheidungen. In dieser Hinsicht unter­ scheidet sich INTERRED von den heute gebräuchlichen, einzelkredit­ orientierten Beurteilungssystemen. Die Analysebereiche von INTERRED sind in Abbildung C.15 dargestellt. Die Grundstruktur des Kreditprüfungssystems INTERRED umfaßt dabei die in Kapitel B nach dem „Prinzip der Zusammenschau“ hergeleiteten quantitativen und qualitativen Faktoren. Diese werden pragmatisch zu je 50 % in die Beurteilung der Bonität einbezogen. Damit ist sichergestellt, daß sowohl die weitgehend objektivierbare Vergangenheit (quantitative Faktoren bzw. Hard Facts) als auch die deutlich subjektiveren, qualitativen Einflußfaktoren (Soft Facts), die wesentlich die Zukunft des Unternehmens bestimmen, hinreichend berücksichtigt werden. Ausgehend von 3 Kennzahlen zur quantitativen Jahresabschlußanalyse wird ein automatisiertes Urteil über die quantitativen Faktoren getroffen, das gleichgewichtig um die qualitativen Kriterien „Unternehmensführung“ und „Produkt-Markt-Konzept“ zur Gesamtbeurteilung der wirtschaft­ lichen Bonität komplettiert wird.11 Unter Berücksichtigung der Sicherheiten wird dann eine Vorentscheidung auf Basis des isoliert betrachteten Einzelkredits gefällt, deren Risiko- und Ertragsdaten in der Folge - zusammen mit den Branchenkorrelationen - in die Kreditporte­ feuille-Optimierung eingehen. Die einzelnen Komponenten der in Abbil­ dung C.15 dargestellten Struktur des Kreditentscheidungsprozesses werden in Laufe dieses Kapitels noch detailliert beschrieben.

Neben dem Oberziel der Portfolio-Optimierung verfolgt INTERRED zwei weitere Zielsetzungen. Zum einen soll INTERRED dem Kreditinstitut erlauben, in Übereinstimmung mit den heute beobachtbaren Dezentrali­ sierungsbestrebungen Kreditentscheidungen nicht nur am Ort der Kredit­ bearbeitung zu treffen, sondern zugleich auch diese Einzelentscheidungen 10 11

Vgl. hierzu Rapitel C.5.3. Vgl. Braunsfeld, F./Richter, U. (1996), S. 777 f.

Integrierte Kreditprüfung

209

aktiv mit den Gesamtbankerfordernissen abzustimmen. Damit ist auch dezentral eine Gesamtsicht der Risikostrukturen der Bank gegeben, was es ermöglicht, dezentralen Kreditabteilungen erweiterte Entscheidungs­ kompetenzen zuzuweisen.12 | Sicherheiten | 50 %

Gewichtung

Wirtschaftliche Bonität

Einzclkreditvorentschcidung

50 %

Risiko- / Ertrags­ daten

Unternehmens­ rührung

PortfolioOptimierung / Kreditentscheidung

- Unternehmer­ beurteilung - Führungsorganisation

Produkt-/MarktKonzept - Produktions­ programm - Wettbewerb - Branche - Technologie

Abbildung C.15:

Korrelation

Grundstruktur des Kreditprüfungssystems INTEKRED13

Zum anderen wird die Akzeptanz eines Portfolio-Optimierungssystems stark von seiner Benutzerfreundlichkeit abhängen. Um hier den Kredit12

13

Die Frage der Kompetenzzuweisung ist allerdings nur ein Nebeneffekt des INTEKRED-Systems. Die Einrichtung einer Kreditentscheidungszentrale wird oft damit begründet, daß die Zentrale eine höhere Entscheidungsqualität realisieren kann, da hier wegen der größeren Fallzahl umfangreichere Erfahrungen und ein Gesamtüberblick über das Kreditportefeuille gegeben sind. Insbesondere letztere Kenntnisse stehen mit dem Einsatz des INTEKRED-Systems auch den dezentralen Abteilungen zur Verfügung. Die einzelnen Analysebereiche des INTEKRED-Systems werden im weiteren Verlauf des Kapitels noch dezidiert dargestellt.

210

Integrierte Kreditprüfung

Bearbeiter in möglichst hohem Maße zu entlasten, soll INTEKRED nur die bei der Kreditwürdigkeitsprüfung ohnehin zu ermittelnden Daten benötigen. Nachfolgend werden nun die einzelnen Analysebereiche des Kreditprüfungssystems entwickelt.

6.2. Die Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität Die Ermittlung der wirtschaftlichen Bonität eines Kreditnehmers ist das Hauptziel der Kreditwürdigkeitsprüfung. Sie trifft Aussagen über die bisherige Entwicklung, über den Status Quo und über die prognostizierten zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens und erstreckt sich dabei auf qualitative und quantitative Methoden der Unter­ nehmensanalyse. Dieses grundlegende Themengebiet wurde in Kapitel B ausführlich besprochen. Das Fazit dieses Kapitels war, daß es kein Verfahren gibt, das alleine eine zuverlässige Beurteilung von Unter­ nehmen ermöglicht, sondern vielmehr erst eine Zusammenschau mehrerer Analysebereiche zu einer aus Risikosicht akzeptablen Bonitierung führt. In INTEKRED wird diese Zusammenschau durch die Untersuchungs­ bereiche ‘Hard Facts’ (quantitative Faktoren der Kreditwürdigkeit) und ‘Soft Facts’ (qualitative Faktoren der Kreditwürdigkeit) realisiert. Diese Teilaufgaben werden zusammengefaßt und zu einem Gesamturteil über die wirtschaftliche Bonität des Unternehmens verdichtet.

Anzumerken ist vorab, daß dieser Analysebereich des Systems nur in seiner Grundstruktur dargestellt werden soll. Der Fokus der nach­ folgenden Ausführungen zur Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität liegt weniger auf der Entwicklung eines neuen Systems zur Einzel­ kreditbeurteilung, sondern vielmehr auf der Gewinnung der zur PortfolioOptimierung erforderlichen Inputdaten für Rendite und Risiko. Da die Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität ein Kernbestandteil der Er­ mittlung des Kreditrisikos ist, soll sie dennoch in vereinfachter Form dargestellt werden. Das weitere Vorgehen, das die Analyse der wirtschaftlichen Bonität in die Bewertung der Hard und Soft Facts differenziert, ist grundsätzlich geeignet, das Prinzip der Zusammenschau in der Kreditprüfung zu demonstrieren. Für den Praxiseinsatz wäre es natürlich erforderlich, die

Integrierte Kreditprüfung

211

nur beispielhaft und verkürzt wiedergegebenen Analysebereiche der wirtschaftlichen Bonität auszubauen.14 Für die Entwicklung des INTEKRED-Modells sind diese Fragen allerdings nicht von primärem Interesse, weshalb die nachfolgende Vereinfachung zulässig sein dürfte.

6.2.1. Die Beurteilung der Hard Facts Die Hard Facts sind quantitative Bewertungsindikatoren, die eine Unternehmensbeurteilung auf Basis weitgehend gesicherter Daten, wie zum Beispiel dem Jahresabschluß, ermöglichen. Hierzu bedienen sie sich des verhältnismäßig objektiven Rechenwerks des Kundenunternehmens.15 Die einzelnen Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung auf Basis quan­ titativer Informationen sind in Abbildung B.6 dargestellt. Sie umfassen im Schwerpunkt die Jahresabschlußanalyse, die Analyse der Finanzplanung sowie die Kontenanalyse. Diese Instrumente können dabei manuell oder mittels automatisierter, mathematisch-statistischer Verfahren, wie z.B. der Diskriminanzanalyse oder künstlich neuronaler Netze, angewandt werden.

Die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der quantitativen Kreditwürdig­ keitsprüfung wurden bereits in Kapitel B.2.4.2 erläutert. Dort zeigte es sich, daß es keine betriebswirtschaftliche Theorie der Jahresabschluß­ analyse gibt, was zur Folge hat, daß über die Auswahl und Interpretation der Analysekennzahlen keine durchgängig einheitliche Meinung besteht. Für die Bewertung der Hard Facts in INTEKRED sollen 3 aussagefähige Kennzahlen genutzt werden:16 □ die Eigenkapitalquote □ die Gesamtkapitalrendite □ der dynamische Verschuldungsgrad.17

Diese Kennzahlen erlauben eine erste Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens. Mit der Eigenkapitalquote kann die Bilanz14 15 16

17

In Kapitel B wurden umfangreiche Empfehlungen zum geeigneten Aufbau der Kreditwürdigkeitsprüfung gegeben. Vgl. hierzu auch Kapitel B.2.4. Diese Kennzahlen bilden deshalb oftmals auch die Grundlage empirisch ermittelter Diskriminanzfunktionen und erlauben hier regelmäßig Trefferquoten von über 75 %. Vgl. Leker, J. (1994), S. 168 f. bzw. Kapitel B.2.4.2.3 Vgl. Braunsfeld, F./Richter, U. (1996), S. 777.

212

Integrierte Kreditprüfung

Struktur und damit die finanzwirtschaftliche Stabilität eines Unternehmens eingeschätzt werden.18 Die Gesamtkapitalrendite trifft ein Urteil über die Ertragskraft eines Unternehmens.19 Der Verschuldungsgrad betrachtet die finanzwirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens.20 Auf Basis dieser relativ einfachen Kennzahlen kann somit die Vermögens-, die Ertrags­ und die Finanzlage bewertet werden. Damit können die Konkursgründe Illiquidität, Erfolglosigkeit und Überschuldung analytisch erfaßt werden. In Abbildung C.16 ist die Bewertung der Hard Facts anhand der oben genannten Kennzahlen dargestellt. Je nach Ausprägung des Kennzahlen­ werts wird eine Bonitätsnote zwischen ‘1’ (besonders gut) und ‘5’ (beson­ ders schlecht) zugeordnet. Die Bewertung der Hard Facts kann dabei automatisiert ohne zusätzliche Einbindung der Kreditbearbeiter durch eine Schnittstelle mit der Bilanzdatenbank des Kreditinstituts erfolgen. Um zu einem Gesamturteil für die Hard Facts zu gelangen, müssen die 3 Teilbeurteilungen für die Eigenmittelquote, die Gesamtkapitalrendite und für den dynamischen Verschuldungsgrad verdichtet werden. Dieses er­ folgt in der Praxis zumeist über eine aus einer Diskriminanzanalyse abge­ leitete Kennzahlengewichtung; in INTEKRED wird hier lediglich das arith­ metische Mittel aus den Kennzahlenwerten gebildet.21

18

19

20

21

Die Eigenkapitalquote ist definiert als Quotient zwischen der bilanziellen Eigen­ kapitalausstattung und dem Gesamtkapital, d.h. also der Bilanzsumme des Unter­ nehmens. Vgl. hierzu Kapitel B.2.4.2.1.2. bzw. Gieske, F. (1988), S. 731. Zur Abgrenzung des Eigenkapital-Begriffs insbesondere bei unterschiedlichen Rechts­ formen vgl. Probst, H. (1982), S. 123 ff. Die Gesamtkapitalrendite wurde in Kapitel B.2.4.2.1.4. definiert und gibt die durch­ schnittliche Verzinsung des im Unternehmen eingesetzten Kapitals unabhängig von seiner Finanzierungsstruktur wieder. Der dynamische Verschuldungsgrad basiert auf dem Cash flow und trifft eine Aus­ sage über die Selbstfinanzierungskraft. Vgl. Chmielewicz, K. (1982c), S. 432 f bzw. Kapitel B.2.4.2.1.4. Vgl. zur Verdichtung von Kennzahlen im Rahmen der Bonitätsanalyse Kapitel B.2.4.2.3.

Integrierte Kreditprüfung

Abbildung C.16:

213

Bewertung der Hard Facts22

Neben der statischen Momentbetrachtung spielt für die Beurteilung der Bonität auch der Entwicklungstrend des Unternehmens eine wichtige Rolle. INTEKRED bewertet deshalb nicht nur den letzten Jahresabschluß, sondern führt eine Zeitreihenanalyse der letzten 3 Jahre durch, was in der Abbildung durch die dreidimensionale Struktur angedeutet wird. Das Bonitätsurteil der einzelnen Jahre sowie über den Betrachtungszeitraum insgesamt findet bei der Portfolio-Optimierung weitere Verwendung. Die 22

Die in Abbildung C.16 dargestellte Auswahl der Kennzahlen sowie die Zuordnung der Kennzahlenwerte zu Bonitätsstufen ist in interred nur beispielhaft dargestellt und dem bereits angesprochenen, empirisch erstellten Bonitätsbewertungssystem einer Spezialbank entnommen. Vgl. dazu im Überblick Braunsfeld, F./Richter, U. (1996), S. 775 ff. Die dritte Dimension der Grafik steht für den mehrjährigen Betrachtungszeitraum.

214

Integrierte Kreditprüfung

Zuordnung der Kennzahlenausprägungen zu Bonitätsnoten ist in INTEKRED ebenso beispielhaft dargestellt wie die Verdichtung der drei Kennzahlen zu einem Gesamturteil über die Hard Facts. Diese Vor­ gehensweise ermöglicht eine einfache Beurteilung des Jahresabschlusses als Grundlage der Kreditprüfung.23

6.2.2. Die Beurteilung der Soft Facts Die Analyse der Hard Facts ermöglicht ein erstes Urteil über die Bonität eines Unternehmens. Da sie aber auf Vergangenheitsdaten beruht, muß dieser Analyseteil um die zukunftsorientierten bzw. zukunftsbestimmen­ den Einflußfaktoren ergänzt werden. Es zeigt sich immer wieder, daß Krisenanzeichen im Absatz-, Produktions- oder Managementbereich eines Unternehmens bereits zu einem Zeitpunkt erkannt werden können, zu dem die Folgen einer Fehlentwicklung noch keinen erkennbaren Niederschlag im Jahresabschluß des Unternehmens gefunden haben.24 Zur Früh­ erkennung von Kreditrisiken müssen diese Indikatoren der Unter­ nehmensentwicklung deshalb besonders gewürdigt werden. Als besonders wichtig für die Zukunftschancen eines Unternehmens wurden dabei in Kapitel B.2.4.3 erkannt:

□ die Unternehmensführung □ das Produktionsprogramm □ die Wettbewerbssituation □ die Branchenentwicklung

□ der technologische Stand.25

23

24 25

Für den praktischen Einsatz wäre diese Komponente aber auszubauen. Zu klären ist hier insbesondere, ob die 3 ausgewählten Kennzahlen, die in Abbildung C.16 dar­ gestellten Bonitätszuordnungen sowie die Verdichtung der Bonitätsteilnoten über die Durchschnittsbildung ein aussagefähiges Urteil über die Unternehmensbonität ermöglichen. In diesem Zusammenhang wäre auch zu prüfen, ob die Verwendung von einheitlichen Kennzahlennoten über alle Branchen hinweg zu auskömmlichen Ergebnissen führt, da z.B. die Eigenkapitalquote maßgeblich von der Branchen­ zugehörigkeit des Unternehmens bestimmt wird. Vgl. dazu auch Kapitel B.2.4.2.1.2. Vgl. Heim, E./Kuhn, W. (1987), S. 24. Ebenfalls als wichtig wurde in Kapitel B die Organisation des Unternehmens bewertet. Als integrierendes Element soll die Organisation bei den Soft Facts des

Integrierte Kreditprüfung

215

Die Beurteilung dieser 'Soft Facts' in INTEKRED wird nachfolgend dar­ gestellt, wobei eine Modifikation dahingehend erfolgen soll, daß ent­ sprechend der risikoaversen Grundeinstellung der Kreditinstitute negative Einzelbewertungen überdurchschnittliches Gewicht erhalten. Für den hoffentlich in der Praxis vorherrschenden Fall von Bonitätsstufen besser als '5' wird aus den Teilnoten ein einfaches arithmetisches Mittel gebildet. Ist jedoch eine Kennzahl mit '5' bewertet, geht dieser Wert zweifach in die Durchschnittsbildung ein. Dies führt zu einer tendenziell strengen Gewichtung negativer Soft Facts und entspricht der vorsichtigen Risiko­ politik der Kreditinstitute.26

6.2.2.1. Die Beurteilung der Unternehmensführung

Bereits in Kapitel B.2.3 dieser Arbeit konnte festgestellt werden, daß unternehmerisches Fehlverhalten die zentrale Ursache von Unter­ nehmenskrisen darstellt. Die Beurteilung der Unternehmensführung besitzt deshalb besonderes Gewicht innerhalb des Systems der Kredit­ würdigkeitsprüfung. In INTEKRED fließt die Unternehmensführung zweifach in die Bewertung der Soft Facts ein. Zum einen als klassische Unternehmerbeurteilung, wo die Fähigkeiten und Eigenschaften der handelnden Personen analysiert und beurteilt werden, und zum anderen als Betrachtung der Führungsorganisation. Hier geht es um die Struktur der Entscheidungsfindung innerhalb eines Unternehmens und es werden Aspekte wie z.B. eine qualifizierte zweite Führungsebene, das Planungsund Controllingsystem oder die Installation eines Aufsichtsrates bewertet. Zur Beurteilung der Unternehmerpersönlichkeit bedient sich INTEKRED des als Ergebnis des Kapitels B.2.3 erstellten Beurteilungsbogens für die Unternehmensleitung.27 Der Checklisten-Charakter des Beurteilungs­

26

27

INTEKRED-Systems nicht separat dargestellt werden. Ihre Beurteilung ist implizit in den anderen Kriterien, insbesondere bei der Führungsorganisation enthalten. Damit wird verhindert, daß sehr schlechte Teilbeurteilungen durch sehr gute Benotungen in anderen Bereichen kompensiert werden. Das oben dargestellte Verfahren, negative Teilurteile stärker zu gewichten, hätte natürlich auch bei den Hard Facts eingesetzt werden können. Da dort aber ein DV-gestütztes Bonitierungs­ system genutzt wird, dessen Ergebnisse und Eingruppierungen empirisch ermittelt wurden, soll dieses Vorgehen nur beispielhaft für die Soft Facts umgesetzt werden. Dieser Beurteilungsbogen ist in Abbildung B.5 dargestellt.

216

Integrierte Kreditprüfung

bogens fordert die Kreditbearbeiter zu einer systematischen Beschäf­ tigung mit dem Eigenschaftsprofi! der Unternehmensleitung auf und gewährleistet, daß wichtige Einzelgesichtspunkte abgefragt werden.28 In INTEKRED erfolgt die Auswertung des Polaritätenprofils analog zu den Hard Facts durch die Bildung eines arithmetischen Mittels der Einzelnoten, wobei auch hier negative Einzelurteile besonders gewichtet werden.29 Grundsätzlich könnte an dieser Stelle ein Abgleich des Eigenschaftsprofils mittels Verfahren der Mustererkennung mit den Ergebnissen der empirischen Studie zur Unternehmerbeurteilung, die Prof. v. Stein erstellte, erfolgen, um die Nähe eines Unternehmers zu einem der 7 krisengefährdeten Managertypen zu ermitteln. Für die Zwecke von INTEKRED soll dieser Beurteilungsteil aber ebenfalls bei einem pragmatischen Modus verbleiben. Die Unternehmerbeurteilung konzentriert sich aber nur auf den per­ sönlichen Teil der Unternehmensführung. Neben diesem, zweifellos sehr wichtigen Aspekt spielt in der Praxis aber auch die eigentliche Führungs­ organisation eine wichtige Rolle für die Effizienz der Unternehmens­ leitung. Hier sind z.B. zu nennen: □ die Führungsstruktur innerhalb des Managements und seiner Ebenen

□ ergänzende Führungs- und Kontrollsysteme, wie z.B. Aufsichts- oder Beiräte.

So kann z.B. eine qualifizierte zweite Führungsebene, die im Wege der Delegation mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet ist, eine ins­ gesamt positive Beurteilung der Unternehmensführung sicherstellen. Auch kann die Nachfolgeproblematik in ihrer Bedeutung reduziert werden, wenn Führungsaufgaben nicht monozentrisch auf einzelne Personen zulaufen.30 Daneben spielt für die Beurteilung der Unter­ nehmensführung die Ausgestaltung der eigentlichen Management-Auf­ gaben eine wichtige Rolle. Hier sind die Teilfunktionen Ziele setzen, Planung, Realisierung und Kontrolle zu nennen,31 die Bestandteil des Unternehmenskonzeptes bzw. der Unternehmensstrategie sind. Die Ana28 29 30 31

Vgl. Kohls, H./Marciwiak, K. (1987), S. 473. Auch hier fließt deshalb die Note '5' zweifach in das Gesamturteil ein. Vgl. Kapitel B.2.3. Vgl. hierzu Abbildung B.4.

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217

lyse dieser Managementfunktionen erlaubt ein indirektes Urteil über die Qualität der Unternehmensleitung.

Auf dieser Erkenntnis basiert das Teilmodul 'Führungsorganisation' in INTEKRED. Anhand der nachfolgenden Merkmalstabelle werden die Beurteilungskriterien vom Kreditbearbeiter bewertet und vom System zu einem Gesamturteil verdichtet, indem aus den 3 Teilbeurteilungen die Gesamtnote als arithmetisches Mittel errechnet wird, wobei die bereits dargestellte, risikoaverse Gewichtung der Note ‘5’ erfolgt. In Abbildung C.17 sind diese Analysebereiche in einer Beurteilungstabelle anschaulich dargestellt. Die in der ersten Spalte angeführten Teilsegmente ‘Führungs­ struktur’, ‘Planung und Controlling’ sowie ‘Unternehmenskonzept und Strategie’ entsprechen den oben dargestellten Beurteilungsbereichen. Die Klassifizierungsmerkmale für die Ausprägung der Bonitätsnoten sind abermals dem Kreditbeurteilungssystem der Spezialbank entnommen. Entsprechend der beim Unternehmen beobachteten Merkmalsaus­ prägungen werden Bonitätsnoten zwischen 1 (sehr gut) und 5 (schlecht) zugeordnet. Die Bonitätsstufe 3 stellt den Durchschnitt dar und ist nicht mit einer Merkmalsbeschreibung versehen. Zugleich kann diese Bonitätsstufe genutzt werden, wenn zum Beurteilungskriterium (noch) keine Informationen verfügbar sind. INTEKRED deckt somit den in der Praxis wegen seiner Subjektivität oftmals vernachlässigten Bereich der Unternehmensführung mehrdimen­ sional ab. Zum einen erfolgt dies kausal über die Analyse des Eigen­ schaftsprofils des Unternehmers, zum anderen über die Bewertung der Führungsstruktur des Unternehmens und zum dritten symptomatisch über die Abfrage der Managementfunktionen Planung und Controlling sowie des Unternehmenskonzeptes. Auf diese Weise kann zwar die für den Erfolg eines Unternehmens so wichtige Qualität der Unternehmens­ führung auch in INTEKRED nicht völlig objektiviert beurteilt werden; die Bewertung erfolgt aber systematisch und erstreckt sich über ein weites Spektrum wichtiger Einzelindikatoren.

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Integrierte Kreditprüfung

Manage­ ment: Führungs­ struktur

Manage­ ment: Planung und Con­ trolling

Unter­ nehmens­ konzept/ -Strategie

1

2

4

5

Breite Führungs­ struktur sowohl auf oberster als auch auf zweiter Ebene.

Unterstützung durch breit ange­ legte zweite Ebene.

Zwei-AugenBetrieb, unzu­ reichende Nach­ folgeregelung.

Einzelkämpfer, hohes Alter und keine Nachfolge­ regelung.

Qualifizierter Aufsichtsrat/ Beirat mit Ein­ fluß. Koordinierte langfristige Investitions- und Finanzierungs­ entscheidungen, Investitions­ planung.

Qualifizierter Aufsichtsrat/ Beirat mit ge­ ringem Einfluß. Investitions­ entscheidungen unter Zugriff auf freie Zahlungsmittelreserven, Investitions­ planung.

Ohne externe Kontroll- und Beratungsorgane.

Kurz-, mittelund langfristige Finanzplanung.

Kurzfristige und zumeist grobe mittel- und langfristige Finanzplanung.

Keine Planung Oberflächliche Grobplanung des bzw. häufige Fehl prognosen. Finanzbedarfs mit ’Über­ raschungen’.

Umfassende Kostenrechnung mit Vor- und Nachkalkulation. Gezielte, lang­ fristig ausge­ richtete Strategie zur Erschließung neuer Märkte und/oder zum Ausbau der be­ stehenden Markt­ position.

Aussagefähige Kostenrechnung.

Grobe Kosten­ rechnung mit wenig Aussage­ kraft Kurzfristig ange­ legte Anpas­ sungsmaßnah­ men, die keine dauerhafte Wir­ kung ver­ sprechen.

Abbildung C.l 7:

32

Strategien zum Ausbau der be­ stehenden Markt­ position oder Erschließung neuer Märkte.

3

Investitionsent­ scheidungen unter Zugriff auf zusätzliche Zah­ lungsmittel­ reserven, Investi­ tionsentschei­ dungen aus Marktzwang.

Investitionsent­ scheidungen in Abhängigkeit von den Finan­ zierungsmög­ lichkeiten, In­ vestitionsstau.

Keine aussage­ kräftige Kosten­ rechnung. Fehlende oder unplausible Un­ ternehmensstra­ tegie.

Soft Facts - Beurteilung der Führungsorganisation32

Die Beschreibung der Merkmalsausprägungen und ihre Zuordnung zu Bonitätsnoten entstammen dem bereits geschilderten Bonitierungssystem einer Spezialbank im

Integrierte Kreditprüfung

219

6.2.2.2. Die Beurteilung des Produkt-Markt-Konzepts Neben der Bewertung der Unternehmensführung nimmt die Analyse der leistungswirtschaftlichen Sphäre innerhalb der Soft Facts breiten Raum ein. Sie umfaßt die Analyse des Produktionsprogramms, der Wett­ bewerbsposition, der Branchenentwicklung und des technologischen Stands der Produktion. Diese Aspekte wurden in Kapitel B.2.4.3.3 aus­ führlich erläutert. Die dort dargestellten Analyseansätze sollen für die beispielhaften Zwecke von INTEKRED auf einige besonders prägnante Fragestellungen verdichtet werden.

Abbildung C.18 enthält die in INTEKRED genutzten Indikatoren für die Analyse des Produkt-Markt-Konzepts des Unternehmens. Sie umfassen das Produktionsprogramm des Unternehmens, den Lebenszyklus der her­ gestellten Produkte, die Wettbewerbsposition auf den Absatz- und Be­ schaffungsmärkten sowie die prognostizierte Branchenentwicklung. Des weiteren wird der technologische Stand der Produktion analysiert. Abgefragt werden somit für die Unternehmenszukunft außerordentlich wichtigen Indikatoren, wie z.B. die Innovationskraft durch Forschung und Entwicklung, das Produktmix und seine Ausgewogenheit über die Lebenszyklen hinweg, die Marktstrukturen im Spannungsfeld zwischen Monopol und Polypol, die Struktur der maßgeblichen Abnehmer oder das bisherige oder zukünftig zu erwartende Marktwachstum. Anzumerken ist, daß sich die Beurteilungskriterien primär an einem Betrieb des Ver­ arbeitenden Gewerbes orientieren. Für ein Handels- oder Dienst­ leistungsunternehmen wäre die Modifikation der Beurteilungskriterien mit deren strategischen Erfolgsfaktoren geboten.

Die Bewertungen für diese Teilsegmente werden zu einem Gesamturteil verdichtet, indem die Beurteilungskomponenten über die Merkmals­ kriterien mit Bonitätsnoten versehen werden, die dann über die modifizierte Mittelwertbildung zusammenfaßt werden. Bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Bonität innerhalb von INTEKRED wurde angestrebt, zum einen die in Kapitel B erarbeiteten Erkenntnisse möglichst umfassend einzubinden. Insbesondere auf die Beurteilung der Unternehmensführung wurde starkes Gewicht gelegt. Zum anderen sollte die Beurteilung der Firmenkundengeschäft. Vgl. hierzu im Überblick Braunsfeld, F./Richter, U. (1996), S. 778.

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wirtschaftlichen Bonität möglichst praktikabel handhabbar sein, was sowohl durch die Datenübernahme aus der Bilanzdatei bei den Hard Facts als auch durch die detaillierte Vorgabe von Beurteilungskriterien und Bewertungsrastern für die Soft Facts erreicht werden konnte. INTEKRED entspricht damit im Zusammenspiel von Hard und Soft Facts der in Kapitel B geforderten Zusammenschau der Einzelindikatoren bei der Kreditwürdigkeitsprüfung. Zu beachten ist aber, daß dieser grundlegende Teil des Systems, der später die Basis für die Portfolio-Optimierung bildet, nur beispielhaften Charakter haben kann. Sowohl die Auswahl als auch die Gewichtung der einzelnen Beurteilungskriterien hat subjektiven Charakter. Hier flossen einerseits die Inhalte eines in der Praxis genutzten, verkürzt wieder­ gegebenen (Vor-)Bonitierungssystems ein, andererseits wurden die Beur­ teilungsbereiche verhältnismäßig simpel über die Mittelwertbildung verdichtet. Da der Fokus von INTEKRED als Verfahren der integrierten Kreditwürdigkeitsprüfung weniger auf der präzisen und empirisch fundierten Strukturierung der Einzelkreditprüfung liegt, sondern vielmehr darauf aufbaut und deren Ergebnisse weiterverarbeitet, wiegt dieser Mangel für die Zwecke dieser Arbeit wohl weniger schwer. Für die Praxis ist allerdings zu fordern, daß sowohl die Indikatorenauswahl als auch deren Gewichtung auf empirisch abgesicherten Daten beruhen. Während dies bei den dargestellten, qualitativen Kriterien der Fall ist, wäre die Ermittlung der quantitativen Bonitätskriterien auszubauen. Hierzu könn­ ten die in der Praxis gebräuchlichen Diskriminanzanalyse- und Experten­ systeme zur Bilanzbeurteilung genutzt werden.33. Für das darauf auf­ bauende Modell zur Kreditportefeuille-Steuerung ist dieser Aspekt von untergeordneter Bedeutung, aber gedanklich zu berücksichtigen.

33

Beispiele für empirisch fundierte Kreditbeurteilungssysteme wurden in Kapitel B ausführlich dargestellt.

Integrierte Kreditprüfung

Produk­ tionspro­ gramm

Wett­ bewerbs­ situation

1

2

F & E über­ durchschnittlich, ausgewogenes Produktportfolio von alten und neuen Produkten mit hohem Bekanntheits­ grad, erhebliches Innovations­ potential. Langfristig ohne erkennbare Roh­ stoffprobleme.

F & E im norma­ len Rahmen, aus­ gewogene Pro­ duktpalette mit erkennbaren Pro­ duktinnovatio­ nen. Marktmacht auf der Beschaf­ fungsseite.

Monopolistischer Marktmacht auf Anbieter (auch der Absatzseite, unter Berück­ hohe Marktein­ sichtigung sub­ trittsbarrieren, stitutiver Produk­ keine erkennbare te), geschlosse­ Substitutions­ ner Markt, Mar­ konkurrenz, par­ ktführer. Breite tiell Marktführer. Kundenstruktur Breite Kunden­ über mehrere un­ struktur. abhängige Be­ reiche. Branchen­ Überdurch­ Wachsender entwicklung schnittlich wach­ Markt, konsender Markt, stante/steigende minimale Ab­ Absatzpreise. satzrisiken, Preissteigerungs­ möglichkeiten. Technolo­ Modernste Tech­ Investitionen der gischer nologie, voll Vergangenheit Stand integrierte Ferti­ sichern den gungssteuerung Stand der Tech­ vom Auftrag bis nik, im wesent­ lichen voll in­ zum Versand, PPS, CIM. tegrierte Ferti­ gungssteuerung.

3

221 4

5

F & E unter­ durchschnittlich, vornehmlich ‘Abprodukte’ ohne erkennbare Produktinnovationen.Folgt dem Markt (Nachah­ mer) oder deut­ liches Schwerge­ wicht auf modeoder trendabhän­ gigen Produkten. Enger Beschaf­ fungsmarkt (we­ nig Lieferanten). Polypolistische Marktstruktur, geringe Eintritts­ barrieren, deut­ liche Substitu­ tionskonkurrenz, Marktabhängig­ keit, keine Mar­ ktführerschaft. Schwankende Branchenabhän­ gigkeit. Rückläufiger Markt, sinkendes Preisniveau.

Keine erkennbare F & E, ‘Ge­ mischtwaren’ ohne Profil. Enger Beschaf­ fungsmarkt mit Auslandsrisiken.

Teilweise ver­ alteter Ma­ schinenpark oder ‘zu moderne’ maschinelle Aus­ stattung mit un­ produktivem Produktionsfluß.

Marktmacht auf der Abnehmer­ seite, hohe Sub­ stitutionskon­ kurrenz. Massen­ produkt ohne wesentliche Wertschöpfung. Abhängigkeit von wenigen Abnehmern.

Sterbender Markt.

Veralteter Ma­ schinenpark, keine Produk­ tionslogistik, Arbeit nach Dringlichkeit.

Abbildung C.18: Soft Facts - Beurteilung des Produkt-Markt-Konzepts34 $4

Die in Abbildung C.18 dargestellte Merkmalstabelle stammt ebenfalls aus dem Kreditbeurteilungssystem der Spezialbank. Vgl. hierzu im Überblick Braunsfeld, F./Richter, U. (1996), S. 778. Zur Interpretation des Tabellenaufbaus vgl. Abbildung C.17.

222

Integrierte Kreditprüfung

6.3. Die Bewertung der Sicherheiten Die wirtschaftliche Bonität trifft eine Aussage über die Zukunfts­ aussichten eines Unternehmen. Da es sich dabei selbstverständlich nur um eine mehr oder weniger gut fundierte Prognose handeln kann und gerade das langfristige Kreditgeschäft, dessen Laufzeit sich im Regelfall über einen Konjunkturzyklus erstreckt, mit besonderen Risiken verbunden ist, besitzen Sicherheiten für die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe eine wichtige (Ergänzungs-)Rolle.35 Sicherheiten dürfen zwar eine unzureichende wirtschaftliche Bonität nicht völlig kompensieren; sie können aber selbstverständlich auch bei guten Adressen das Kreditrisiko reduzieren. Für die Bewertung des Kredit­ risikos sind deshalb die begebenen Sicherheiten zu berücksichtigen.36 In INTEKRED werden deshalb dem Neukredit die für ihn eingeräumten Sicherheiten gegenübergestellt und der Blankoanteil des Neukredits ermittelt. Daneben stellt das System zur Information über den Kredit­ nehmer das Gesamtengagement den gesamten Sicherungswerten gegenüber. Damit kann der absolute Risikogehalt des Kundenengage­ ments eingeschätzt werden.

In Abbildung C.19 ist dieses Vorgehen anschaulich dargestellt. Unab­ hängig von der bisherigen Besicherungsposition wird der Neukredit den für ihn eingeräumten Sicherheiten gegenübergestellt. Nachrichtlich wird zudem die Gesamtsicherheitenposition des Kreditnehmers dargestellt. Grundsätzlich wäre auch eine Zuordnung des Gesamtengagements und der Sicherheiten zu überlegen. Dies hätte aber den Nachteil, daß die Sicherheitenstrukturen der einzelnen Kredite immer dann zu ändern wären, wenn ein anderer Kredit oder eine Sicherheit ausläuft. Durch die Zuordnung der Sicherheiten direkt zu den einzelnen Krediten wird ein differenzierteres Bild über die Risikoposition der Kredite möglich, was besonders dann sinnvoll ist, wenn nicht für alle Kredite eines Kreditnehmers dieselben Sicherheiten haften. Ein Beispiel hierfür ist die Blankogewährung eines Kontokorrentkredits bei gleichzeitiger Grund35 36

Vgl. Heim, E. (1984), S. 660. Die Sicherheiten wurden in Kapitel B bewußt nicht besprochen, um den Schwerpunkt einer Kreditprüfung auf die Zukunft des Unternehmens und weniger auf die Bewertung der Sicherheiten zu legen.

Integrierte Kreditprüfung

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schuldbesicherung eines langfristigen Kredits. Sollte der Neukreditantrag bewilligt werden, gehen seine Volumens- und Sicherheitendaten in die entsprechenden Datenbanken ein. Dieses ist mit den gestrichelten Pfeilen dargestellt. Die Bewertungsansätze für die Sicherheiten sollten dabei aus Gründen der Dateneinmalerfassung aus dem bestehenden Sicherheiten­ informationssystem der Bank übernommen werden. Dieser Aspekt ist in Abbildung C. 19 ebenfalls berücksichtigt.37

KreditInformations­ system

Sicherheiten­ informations­ system

Abbildung C.19:

Bewertung der Sicherheiten

Zur Sicherheitenbewertung selbst wird auf die einschlägige Literatur, z.B. Stannigel, H./Kremer, E./Weyers, G. (1984), verwiesen.

224

Integrierte Kreditprüfung

6.4. Die Kreditportefeuille - Optimierung Die Kreditportefeuille-Optimierung stellt den Hauptteil des Kredit­ prüfungssystems INTEKRED dar. Sie basiert auf den Ergebnissen der Einzelkreditprüfung und integriert deren grundsätzliche Kreditvorent­ scheidung in das Kreditportefeuille der Bank. Damit wird es für die Kompetenzträger möglich, neben den spezifischen Werten für Ertrag und Risiko des Kreditnehmers auch zugleich den Einfluß der Entscheidung auf die übergeordneten Strukturen des Kreditportefeuilles zu beachten.38 Das System INTEKRED versucht dabei als oberste Maxime, ohne weiteren Datenerhebungsaufwand seitens der Anwender auszukommen. Für die interne Akzeptanz eines solchen Portfolio-Optimierungssystems wird es sehr wichtig sein, die Nutzer möglichst wenig durch zusätzliche Infor­ mationsbeschaffung zu beanspruchen. Das Bankgeschäft ist darüber hinaus auch als Informationswettbewerb zu betrachten.39 Je weniger Informationen ein Institut zur Erbringung seiner Dienstleistung vom Kunden benötigt, desto besser positioniert es sich im Wettbewerb. Hier geht es allerdings nicht darum, keine oder unzureichende Informationen für die Kreditwürdigkeitsprüfung einzuholen, sondern vielmehr um die Vermeidung zusätzlichen Informationsbedarfs ohne direkten Kunden­ nutzen. Um dieses Ziel realisieren zu können, soll die bei der Kredit­ würdigkeitsprüfung ermittelte wirtschaftliche Bonität weiter als Risiko­ maß für die Kreditportefeuille-Optimierung verwendet werden. Die Kreditportefeuille-Optimierung umfaßt die 3 Teilbereiche:

□ die Bestimmung der Risikonutzenfunktion des Kreditinstituts, d.h. der Bewertungsfunktion für die Portfolio-Performance

□ die Bestimmung der Input-Daten der Portfolio-Berechnung, d.h. der Werte für Ertrag, Risiko und Risikoverbund des Einzelkredits □ die Durchführung der Portfolio-Optimierung und die Bestimmung des Risikonutzens für die Bank.

Diese Teilbereiche müssen von INTEKRED neben der Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität und der Sicherheiten als zentraler Bestandteil des 38 39

Dadurch wird eine gesamtbankoptimale Kreditentscheidung an dezentralen Stellen ermöglicht. Vgl. Krakl, J./Nolte-Hellwig, K.U. (1990), S. 626.

Integrierte Kreditprüfung

225

Systems abgedeckt werden und sollen deshalb im folgenden besonders ausführlich beschrieben werden. 6.4.1. Die Risikonutzenfunktion Grundlegend für die Würdigung der Ergebnisse der PortfolioOptimierung ist eine Präferenzregel, die eine Bewertung der ver­ schiedenen, effizienten Portefeuille-Kombinationen ermöglicht.40 Eine der Hauptaufgaben der Bankplanung ist die Operationalisierung des bankbetrieblichen Zielsystems, das sich üblicherweise aus Rentabilitäts-, Liquiditäts- und Sicherheitszielen zusammensetzt. Unter der Voraus­ setzung einer fristenkongruenten Refinanzierung kann ein Liquiditäts­ risiko aus einem Kredit weitgehend ausgeschlossen werden; die PortfolioBetrachtung erstreckt sich somit zweidimensional auf die 'verbleibenden' Ziele Rentabilität und Risiko.41 Um die knappen Ressourcen eines Kredit­ instituts effizient einzusetzen, gilt es, eine Präferenzregel im Form einer Risikonutzenfunktion zu finden, die ein Austauschverhältnis zwischen diesen beiden, im Regelfall komplementären Zielgrößen widerspiegelt. Sie trifft eine Aussage darüber, wieviel Einheiten Mehrertrag ein Kredit­ institut fordert, um eine zusätzliche Risikoeinheit zu übernehmen. Grundsätzlich wurde bereits in Kapitel C.5.2. festgestellt, daß Kredit­ institute risikoaverse Entscheidungsstrukturen besitzen, d.h. zusätzliche Risiken nur dann übernehmen, wenn eine zusätzliche Risikoprämie realisiert werden kann. Diese Risikoabfindungsthese findet allerdings eine Begrenzung durch die Risikonormierungsthese, die besagt, daß die Kre­ ditinstitute nur bis zu einer vom Zinssatz unabhängigen Grenze bereit sind, Ausfallrisiken zu tragen.42 Ursächlich für die Risikonormierungs­ these ist das asymmetrische Chance-Risiko-Verhältnis des Kreditge­ schäfts, wo einem gegebenen Kreditertrag ein erheblich größeres Verlust­ potential gegenübersteht. Zusatzrisiken werden deshalb nur übernommen, wenn damit ein zusätzlicher Ertrag einher geht.43 Erwartet die Bank den 40

41 42 43

Vgl. hierzu auch Kapitel B.4.2.1 bzw. Abbildung C.8 zu den effizienten Porte­ feuilles. Ein Liquiditätsrisiko kann bei laufzeitkongruenter Refinanzierung allenfalls bei Zahlungsverzug oder Ausfall des Kredites insgesamt entstehen. Vgl. Döhring, J. (1996), S. 109 f. Vgl. Witt, R./Urrutia, J. (1981), S. 16-5.

Integrierte Kreditprüfung

226

Ausfall eines Kredits binnen eines Jahres, hätte dies zur Folge, daß eine Risikoprämie von mindestens 100 % im Zinssatz zu berücksichtigen wäre. Da diese theoretische Betrachtung am Markt nicht durchsetzbar ist, ergibt sich zwingend ein definiertes Risikomaximum, das nicht mehr überschritten wird. Wird dieses maximale Risikoniveau erreicht, lehnen Kreditinstitute einen Kreditwunsch auch bei weiterer Steigerung der Risikoprämie ab. Graphisch dargestellt besitzen Kreditinstitute damit die in Abbildung C.20 dargestellte Risikoeinstellung.

Abbildung C.20:

Risikoaverse Nutzenfunktion44

Abbildung C.20 zeigt, daß die Risikonutzenindifferenzkurven bis I3 bei steigendem Risiko eine überdurchschnittlich anwachsende Risikoprämie erfordern, um den Risikonutzen auf einem konstanten Niveau zu halten. Ein definiertes Risikomaximum Ro wird aber auf keinen Fall über­ 44

Abbildung in Anlehnung an Buchner, R. (1981a), S. 284.

Integrierte Kreditprüfung

227

schritten. Gemäß den Grundannahmen der Portfolio-Theorie liegt der Risikonutzenfunktion der Bank das Bernoulli-Prinzip zugrunde.45 Es besagt, daß sich der Nutzen U einer Kreditmöglichkeit aus dessen Ertrags­ und Risikoerwartung (E bzw. R) ergibt.46

Formal kann das Bernoulli-Prinzip als funktionaler Zusammenhang wie folgt dargestellt werden:

U = f(E,R)

für E ... Ertrag des Kreditgeschäfts R ... Risiko des Kreditgeschäfts

Ein Beispiel für eine lineare, risikoaverse Nutzenfunktion (mit a < 0) ist z.B. die Formel — E + a * R für R < Ro U= ~ 0 für R a Ro.

Die Formel zeigt, daß der Risikonutzen U bei Erreichen des Risiko­ maximums Ro auf null absinkt. Für alle Fälle mit R < Ro gilt, daß sich der Risikonutzen aus dem Kreditertrag zusammensetzt, der um das mit dem Faktor a multiplizierte Kreditrisiko vermindert wird. Die Risikonutzen­ funktion ermöglicht es dem Kreditinstitut, die Dimensionen „Risiko“ und „Ertrag“ in einer Kenngröße, dem Risikonutzen, zusammenzufassen. Dieses erlaubt eine Reihung der Kredite über ihren Risikonutzen hinweg, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn das Kreditportefeuille auf der Gesamtbankebene optimiert werden soll und das Kreditvergabe­ volumen den Engpaß darstellt. Bei den heute in der Bankpraxis gebräuchlichen, risikoorientierten Kalkulationsverfahren, die in einer Gesamtbetrachtung Kreditertrag und Kreditrisiko simultan berück­ sichtigen, ist eine solche Risikonutzenbewertung bereits integriert.47 Die Frage des Risikonutzens wird deshalb bei der Umsetzung des Modells über den risikoorientierten Zinssatz implizit integriert. Bei einzelnen Kreditentscheidungen genügt es damit, den Einfluß des Diversifi­ kationseffektes auf den Risikogehalt des Kredits zu betrachten. 45 46

47

Vgl. zu dieser Annahme auch Kapitel C.5.2.1. Der Definition der Meßgrößen für Ertrag und Risiko ist im nächsten Kapitel breiter Raum gewidmet. Vgl. hierzu die Ausführungen zur risikoorientierten Preisbildung im Kreditgeschäft in Kapitel C.4.4.

228

Integrierte Kreditprüfung

6.4.2. Die Bestimmung der Ertrags- und Risikodaten der Kredite

Ziel von INTEKRED ist die Risikodiversifikation des Kreditportefeuilles. Als Hauptrisiko des Kreditgeschäftes konnte in Kapitel C das Adressen­ ausfallrisiko ermittelt werden, das im wesentlichen aus dem Konkurs oder Vergleich des Kreditnehmers resultiert. Die Portfolio-Optimierung des Systems INTEKRED soll deshalb auf einem Ansatz basieren, der die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen insgesamt wie auch der Bran­ cheninsolvenzen betrachtet.48 Bei der klassischen Portfolio-Optimierung, wie sie in Kapitel C.5.2. vorgestellt wurde, sind die Entscheidungs­ parameter der Anlageentscheidung durch den Mittelwert und die Varianz der als bekannt vorausgesetzten Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Erträge des Kreditgeschäfts repräsentiert.49 Dieses Vorgehen setzt allerdings mehrere Prämissen voraus, die bereits ausführlich besprochen wurden. Zu allererst beziehen sich die Einwände auf die Tauglichkeit der Varianz als Risikomaß. Hierzu wurde in Kapitel C.5.2.2. festgestellt, daß es sich bei der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Erträge eines Kreditgeschäft nicht um eine Normalverteilung handelt; der Ertragsverlauf sich aber einer auf negative Abweichungen vom Mittelwert normierten Normalverteilung annähert. Die Varianz der Erträge wurde folglich als kritisches, nur begrenzt aussagefähiges Maß zur Risiko­ beurteilung bewertet. Neben diesem grundsätzlichen Kritikpunkt steht bei der Anwendung der Varianz als Entscheidungskriterium aber insbesondere die Frage der Praktikabilität im Vordergrund. Es wäre bei diesem Ansatz erforderlich, daß für jeden Kredit eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des Ertrags­ verlaufs bestimmt würde.50 Außer dem wahrscheinlichsten Fall der 48

49 50

Vgl. hierzu auch Kapitel C.5.3. Zu beachten ist allerdings, daß Insolvenz und Vergleich nicht alle Arten von Leistungsstörungen im Kreditgeschäft erfassen. Außergerichtliche Vergleichsverfahren oder stille Bereinigungen von Unter­ nehmenskrisen können ebenfalls zu Kreditausfällen bei Banken führen, werden aber in der Insolvenzstatistik nicht erfaßt. Vgl. Brakensiek, T. (1991), S. 191 ff. Die Eig­ nung von Insolvenz und Vergleich als Krisenindikatoren wird später noch eingehend analysiert werden. Vgl. Dorka, J. (1990), S. 154 f. Eine Alternative zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen wäre die Ermittlung des Kreditrisikos auf Basis der Vergangenheitsentwicklung. Damit wäre es aber nicht möglich, dem Charakter der Kreditwürdigkeitsprüfung als Mittel zur

Integrierte Kreditprüfung

229

vereinbarungsgemäßen Rückzahlung müßten für alle anderen möglichen Umweltzustände, wie z.B. Zins- oder Tilgungsverzug, Eintrittswahr­ scheinlichkeiten ermittelt sowie die Auswirkungen dieser Leistungs­ störungen quantifiziert werden. Um Beziehungen zwischen den Kredit­ nehmern mittels der Kovarianzen darstellen zu können, bedarf es zudem der Betrachtung einheitlicher Umweltzustände über die gesamten einge­ räumten Kredite hinweg. Es ist damit erforderlich, alle für das Fallieren von Unternehmen potentiell in Frage kommenden Umweltbedingungen abzudecken, was in der Praxis bedeutet, daß eine quasi ins Unendliche reichende Anzahl an Umweltzuständen mit vom Kreditbearbeiter bestimmten, subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten und deren Aus­ wirkungen auf den Kreditertrag zu versehen wäre.51 Dorka stellt hier fest, daß „... der Kreditentscheider ... keine Wahrscheinlichkeiten für einen möglichen Ausfall quantifizieren kann.“52 Daneben ist zu berück­ sichtigen, daß durch die Schätzung der Wahrscheinlichkeitsverteilungen erhebliche Datenbeschaffungskosten entstehen würden 53 Dieses Vorgehen steht damit in einem starken Kontrast zu dem Ziel des INTEKRED-Systems, eine praktikable Steuerung des Kreditportefeuilles zu erlauben. Auch wenn letztendlich in der Praxis wohl von den Kredit­ bearbeitern Wahrscheinlichkeitsverteilungen für den Kreditverlauf ermittelt würden, wäre die Datenqualität erheblich in Frage zu stellen. Während die immanente Subjektivität der Kreditwürdigkeitsprüfung durch eine Vielzahl von Instrumenten eine Objektivierung erfährt, würde mit diesem Vorgehen ein zweites, weitaus weniger objektiv lösbares Problem bei der Kreditentscheidung geschaffen.54 Ein praktikabler Ansatz muß deshalb versuchen, die in hohem Maße subjektiv geprägten Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu vermeiden und statt dessen andere

51

52 53 54

Bestimmung der zukünftigen Bonität zu entsprechen, weshalb dieser Ansatz nicht zielführend ist. Wie die Ausführungen zu Kapitel B zeigten, ist die Prognose der künftigen Bonität eines Unternehmens schwer genug und mit hoher Unsicherheit behaftet. Eine ungleich höhere Belastung wäre es, hierfür Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu ermitteln. Dorka, J. (1990), S. 172. Vgl. Bennett, P. (1984), S. 167. Ein Ansatz, der nachfolgend nicht weiter betrachtet wird, könnte die computergestützte Bestimmung der Entscheidungsparameter durch Expertensysteme oder neuronale Netze sein. Vgl. hierzu Lahl, B./ Schmidt, G. (1990), S. 64 ff.

230

Integrierte Kreditprüfung

Daten zur Bestimmung des Kreditrisikos aus Gesamtbanksicht heran­ zuziehen.55 Hier muß INTEKRED somit zwangsläufig vom klassischen Ansatz der Portefeuille-Optimierung abweichen.

Für die Abbildung des Kreditertrags im INTEKRED-System steht eine Reihe von Meßgrößen zur Verfügung. Als Entscheidungsparameter für die Rendite wird im Markowitz-Modell der Erwartungswert des Kredit­ ertrags genutzt, der sich aus dessen Wahrscheinlichkeitsverteilung ergibt. Neben diesem Ertragsmaß können auch andere Ergebnisgrößen, wie z. B. Brutto- oder Nettokreditüberschuß, diese jeweils in absouten Größen oder als abdiskontierte Barwerte, genutzt werden.56 INTEKRED verwendet hier den nominal zu erwartenden Bruttokreditüberschuß57, welcher sich als Produkt aus Kredithöhe, der mittleren Laufzeit und der Zinsmarge errechnet.58 Der Bruttokreditüberschuß wird im Regelfall zwar über dem Ertrags­ erwartungswert liegen; vor dem Hintergrund der Erkenntnis, daß die weit überwiegende Zahl der Kreditengagements vereinbarungsgemäß verläuft,

55

56

57 58

Wie diese Ausführungen zeigen, ist eines der Haupthindernisse bei der praktischen Anwendung der Portefeuille-Theorie das immense Informationsproblem. Diese zentrale Problematik wird in portfoliotheoretischen Ansätzen zumeist ausge­ klammert, indem die Daten als bekannt vorausgesetzt werden oder als ein dem Modell vorgelagertes Problem angesehen werden. Vgl. hierzu Bösl, K. (1993), S. 61. Um ein Portfolio-Optimierungsmodell anwendbar zu machen, führt somit kein Weg an einer Modifikation der Datenbasis vorbei. Der Nettokreditüberschuß errechnet sich nach den direkten und indirekten Kosten des Kredits bestehend aus Risiko-, Eigenkapital- und Verwaltungskosten des Kreditinstituts. Als Beispiel kann hier der RAROC angeführt werden. Vgl. zum Barwertkonzept Rolfes, B./Hassels, M. (1994), S. 337 ff. Grundsätzlich kommt es bei der Modellierung des INTEKRED-Systems weniger auf die Wahl des Ertragsindikators an, der Fokus liegt vielmehr bei der Darstellung der Risikostrukturen. Die Berechnung des Kreditüberschusses ist auf die Prämisse einer laufzeitkongruenten Refinanzierung abgestellt, indem die Zinsmarge, d.h. die Differenz zwischen Kredit- und Refinanzierungszins, als Ertragskriterium herangezogen wird. Je nach der konkreten Refinanzierung des Kreditinstituts kann der Kredit aber auch einen zusätzlichen Ertragsbeitrag durch Fristentransformation erzielen, der sich in der Gewinn- und Verlustrechnung des Kreditinstituts niederschlägt. Für die kalku­ latorischen Zwecke von interred wird allerdings eine kongruente Refinanzierung unterstellt. Gegebenenfalls müßte das System auf einen anderen Ertragsindikator umgestellt werden.

Integrierte Kreditprüfung

231

stellt er eine gute und insbesondere praktikable Annäherung an den Erwartungswert dar.59

Im Markowitz-Modell wird die Risikoerwartung aus der Wahrschein­ lichkeitsverteilung des Kreditertrags abgeleitet. Risiko wird hier über die Meßgröße Varianz als gewichtete Abweichung der künftigen Kredit­ erträge vom Mittelwert definiert. Aus dem modifizierten Ertragsmaß folgt, daß die Varianz in INTEKRED nicht genutzt werden kann, da sie die als unrealistisch bewerteten Wahrscheinlichkeitsverteilungen erfordert. Zudem wäre die Varianz mit der Problematik verbunden, daß sie die bei der Einzelkreditprüfung gebräuchlichen Risikomeßgrößen um eine weitere, nur wenig transparente Meßgröße für die Portfolio-Optimierung ergänzen würde. Für INTEKRED muß deshalb ein Risikomaß gefunden werden, das einerseits ein objektive Risikomessung erlaubt, andererseits aber auch in den Portfolio-Optimierungsansatz integriert werden kann. Letzteres bedingt, daß dieses Risikomaß durchgängig sowohl für die Einzelkreditprüfung wie auch für die weiterführenden INTEKREDÜberlegungen verwendbar ist. Hier ist in allererster Linie an die in Kapitel C.6.2 ermittelte wirt­ schaftliche Bonität zu denken.60 Sie wird als Ergebnis der Kreditwürdig­ keitsprüfung auf objektivierter Basis ermittelt und ruft für den Kredit­ bearbeiter keinen zusätzlichen Informationsbeschaffungsaufwand hervor. Während im Wertpapiergeschäft das Risiko durch die Volatilität gemessen wird, wird sie im Kreditgeschäft durch die Bonität ersetzt.61 Der Hauptvorteil der Verwendung der wirtschaftlichen Bonität ist die konsistente Nutzung dieser Meßgröße über den gesamten Prozeß der

59

60 61

Kreditüberschuß und Ertragserwartungswert werden nur im Fall von Leistungs­ störungen deutlich voneinander abweichen. Zu berücksichtigen ist bei letzterem Parameter aber, daß es sich um eine A-Priori-Schätzgröße handelt. Vgl. hierzu die Darstellung in Abbildung C.10. Dort zeigte sich, daß die Ertragsverteilung im Kreditgeschäft einer halbierten Normalverteilung ähnelt, wobei der Ertrags­ erwartungswert nur wenig unterhalb des Kreditüberschusses liegt, wenn der Kredit aus Risikosicht überhaupt tragbar ist. In allen nachfolgenden Berechnungsformeln ist deshalb als Risikomaß anstelle der Varianz der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Krediterträge die wirtschaftliche Bonität zu verwenden. Vgl. Fabris, G. (1994), S. 27.

232

Integrierte Kreditprüfung

Kreditprüfung hinweg.62 Über ihre zeitliche Entwicklung können auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Krediten abgebildet und die zur Portfolio-Optimierung erforderlichen Korrelationen berechnet werden. In INTEKRED wird deshalb als Risikomaß nicht die von der Daten­ beschaffung her problematische Varianz genutzt, sondern die ohnehin ermittelte wirtschaftiche Bonität weiter verwendet. Zu beachten ist dabei allerdings, daß die wirtschaftliche Bonität aufgrund ihrer Berechnungs­ weise nur gedämpft auf Veränderungen reagiert. So werden die Hard Facts über ihr Bewertungsschema zu den nicht weiter differenzierten Noten 1-5 verdichtet, so daß kleinere Veränderungen der Kennzahlen nicht zu Bonitierungsänderungen führen müssen. Die auf dieser Basis ermittelten Korrelationen geben somit nur einen vergröberten Zusammen­ hang zwischen den Kreditnehmern wieder.

Die Umsetzung der Modellmodifikationen wird nachfolgend dargestellt. Auf Basis der Kreditvaluta, der Bruttozinsmarge und der Laufzeit des (Block-)Kredits wird der Bruttokreditüberschuß nach der Formel Bruttokreditüberschuß = Kreditvaluta • Bruttozinsmarge • Laufzeit

ermittelt.63 Aus der Sicherheitenbewertung werden die korrespon­ dierenden Sicherheitenwerte und der verbleibende Blankoanteil des Kredits übernommen. In Verbindung mit der wirtschaftlichen Bonität kann dann die durchschnittliche Bonitätsstruktur des Neukredits berechnet werden. Zu berücksichtigen ist dabei, daß Mängel bei der wirtschaftlichen Bonität durch die Stellung von Sicherheiten kompensiert werden können. Unterstellt man eine sachgerechte Sicherheitenbewertung, die auch mögliche Verwertungskosten einbezieht, bedeutet dies, daß für den besicherten Teil des Kredits ein geringeres Risiko besteht. In INTEKRED 62

63

Die Alternative wäre die Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität als Risikomaß der Kreditwürdigkeitsprüfung und die zusätzliche, inkonsistente Nutzung eines zweiten Risikomaßes, der Varianz, für die Portfolio-Optimierung. Wie einführend bereits abgegrenzt wurde, findet hier eine Beschränkung auf Block­ kredite statt. Der Einbau von Tilgungsstrukturen wäre selbstverständlich möglich, würde aber diesen ersten Teil des INTEKRED-Systems verkomplizieren. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß Tilgungskredite einen positiven Einfluß auf die Ergebnisqualität des INTEKRED-Ansatzes hätten, da hier der Nachteil der statischen Portfolio-Opti­ mierung wegen der durch Tilgungen im Zeitablauf zurückgehenden Kreditvaluta an Bedeutung verliert.

Integrierte Kreditprüfung

233

wird deshalb zwischen dem besicherten und dem unbesicherten Kreditteil differenziert:

□ der unbesicherte Teilbetrag des Neukredits weist ein Ausfallrisiko entsprechend der wirtschaftlichen Bonität des Unternehmens auf; folglich wird für ihn auch die diesbezügliche Bonitierung über­ nommen. □ der besicherte Teilbetrag hat bei konservativer Sicherheitenbewertung ein gegen ‘0’ tendierendes Ausfallrisiko, wenngleich auch eine Leistungsstörung zu Mehraufwand bei der Verwertung von Sicher­ heiten führen kann. Die Risikoreduktion durch Sicherheiten wird bei der Bonitierung dahingehend berücksichtigt, daß für den besicherten Kreditteil die Bonitätsbeurteilung um eine Stufe verbessert wird.64

Aus den Teilbonitäten für den Blankokreditteil und den besicherten Kreditteil wird dann die durchschnittliche Bonitätsnote für den Kredit insgesamt als gewogenes Mittel errechnet. Damit kann ein praktikabler Weg aufgezeigt werden, wie das INTEKRED-System die Inputdaten ‘Kreditertrag’ und ‘Kreditrisiko’, d.h. konkret den Bruttokreditüberschuß und die Durchschnittsbonität, ohne zusätzliche Inanspruchnahme des Kreditbearbeiters generiert.

In Abbildung C.21 ist die Ermittlung der Inputdaten für Ertrag und Risiko beispielhaft dargestellt. Hier fließen die Basisdaten des Kredits (Betrag, Marge, Laufzeit), die Kreditsicherheiten und die wirtschaftliche Bonität zusammen.

64

Diese fiktive Annahme führt in der Folge zu einer wunschgemäßen Bevorzugung besicherter Kredite. Unter der Prämisse einer vorsichtigen Sicherheitenbewertung müßte die Risikoklassifikation des besicherten Kreditteils eigentlich auf ‘1’ geändert werden. Da aber selbst im Hypothekenbankgeschäft Bewertungsgutachten nicht immer die tatsächlichen Gegebenheiten bei der Verwertung widerspiegeln und zudem jede Sicherheitenverwertung neben dem Mehraufwand auch zu Image­ schäden für das Kreditinstitut führen kann, wäre ein solches Steuerungssignal aber unpassend. Die Verbesserung der Bonität bei besicherten Krediten um nur eine Stufe hingegen verhindert somit einerseits, daß reine ‘Pfandleihgeschäfte’ getätigt werden. Andererseits werden durch diesen Modus aber auch wirtschaftlich schwache Fälle mit guter Besicherung noch darstellbar, indem eine Bonitätsverbesserung von ‘5’ auf ‘4’ erfolgt.

234

Integrierte Kreditprüfung

Bruttokreditüberschuß: 50.000 DM

Bruttozinsmarge: Valuta: Laufzeit:

1,0 % 1.000 TDM 5 Jahre

Wirtschaftliche Bonität:

Blankoanteil:

200 TDM

Neue Sicherheiten:

800 TDM

3,1

_______________

Durchschnitts­ bonität:

Bonitätsstruktur Neukredit:

Blankokreditteil: Sicherheitenansatz:

Abbildung C.21:

6.4.3.

200 TDM 800 TDM

Bonität 3,1 Bonität 2,1

2,3

Ermittlung der Ertrags- und Risiko-Daten 65

Die Bestimmung der Ertrags- und Risikodaten des Kreditportefeuilles

6.4.3.I. Modelltheoretische Überlegungen Bei der Bestimmung der Ertrags- und Risikodaten des Kreditportefeuilles wird es sich gemäß den Erkenntnissen der Portfolio-Theorie zeigen, daß das Gesamtrisiko des Portefeuilles nicht dem Durchschnitt der Einzel­ risiken entspricht, sondern im Regelfall Risiko durch die Nutzung von Diversifikationseffekten abgebaut werden kann. Zur Berechnung dieses

65

Abbildung C.21 zeigt exemplarisch den Fall eines Neukredits über DM 1 Mio. und einer Laufzeit von 5 Jahren. Als Zinsmarge wurde 1 % angenommen. Hieraus errechnet sich ein Bruttokreditüberschuß von TDM 50. Aus dem Sicherheitenteil intekreds fließt ein, daß für den Neukredit Sicherheiten im Wert von TDM 800 gestellt werden. Aus der Bestimmung der wirtschaftlichen Bonität des Kredit­ nehmers wird zugleich die dort ermittelte Note von 3,1 übernommen. Für den Blankokreditteil von TDM 200 ergibt sich somit ebenfalls eine Bonität von 3,1; der durch Sicherheiten gedeckte Kreditteil von TDM 800 wird zugleich mit einer um eine Note verbesserten Bonität, d.h. also mit der Note 2,1 versehen. Hieraus errech­ net sich dann die Durchschnittsbonität des Neukredits von 2,3 als gewogenes Mittel (0,2-3,1+0,8-2,1).

Integrierte Kreditprüfung

235

Diversifikationseffektes wurden bereits im Kapitel C.5 zwei aufeinander aufbauende Ansätze vorgestellt. Dabei wurde zum einen das Grundmodell der Portfolio-Optimierung nach Harry M. Markowitz betrachtet. Der Grundgedanke dieses Modells beruht bekanntlich auf der aktiven Nutzung von Diversifikationseffekten, die sich immer dann ergeben, wenn sich zwei Anlagealternativen nicht völlig gleichförmig entwickeln. Neben Erwartungswert und Varianz als Ertrags­ und Risikomaß erfordert dieser Ansatz allerdings die paarweise Ermittlung der Korrelationen zwischen den einzelnen PortefeuilleBestandteilen.

Der daraus resultierende, exponentiell ansteigende Datenbedarf des Markowitz-Modells führte in Kapitel C.5.2. dazu, die Index-Modelle als praktikableren Ansatz vorzustellen. Sie stellen den Reaktionsverbund zwischen Investitionsalternativen indirekt dar, indem sie über die Nutzung einer Indexgröße bzw. eines Indexsystems als Intermediär nicht mehr die Beziehungen zwischen den Unternehmen selbst messen, sondern zwischen Unternehmen und einer übergeordneten Indexreihe. Hieraus kann dann in einem zweiten Schritt wieder die Korrelation zwischen den Unternehmen selbst abgeleitet werden. Diese Vorgehensweise erlaubt es, teuere Rechenzeit bei der Portfolio-Optimierung einzusparen.

Bei der Modellierung des INTEKRED-Systems als Index-Modell ist aber zu beachten: □ der mit der Reduktion des Datenbedarfs einhergehende Nachteil der Index-Modelle, das Betrachtungsfeld nur vergröbert abzubilden und durch die Zwischenschaltung der Index-Ebenen auf Informationen zu verzichten. Daraus ergibt sich die Gefahr, das exakte Optimum zu verfehlen und so neben dem Bonitätsrisiko ein weiteres, system­ immanentes Risikofeld zu schaffen.66

□ die generelle Eignung der Index-Modelle, mit den bei der Kreditwürdigkeitsprüfung generierten Informationen auszukommen. Die Eingangsdaten der Portfolio-Optimierung in INTEKRED sollen bekanntlich nicht Wahrscheinlichkeitsverteilungen, sondern Maße wie der Kreditüberschuß oder die wirtschaftliche Bonität des Unter­ 66

Vgl. Kapitel C.5.3.

236

Integrierte Kreditprüfung

nehmens sein. Die Indexmodelle leiten ihre Daten dagegen regelmäßig aus den Varianzen der Wahrscheinlichkeitsverteilungen ab, die im Kreditgeschäft für die Darstellung des Zusammenhangs zwischen einzelnen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen. Die IndexModelle erlauben es somit nicht, das Kreditrisiko auf Basis der bei der Kreditwürdigkeitsprüfung ermittelten wirtschaftlichen Bonität zu definieren. Die Modellierung des INTEKRED-Systems soll deshalb auf einem modifizierten Markowitz-Modell aufbauen, das es erlaubt, die bisherige, weitgehend objektivierte und praktikable Vorgehensweise fortzuführen. In Anlehnung an die Index-Modelle wird INTEKRED aber zur Reduzierung des Datenbedarfs auf ein mehrstufiges Verfahren zurückgreifen, das die Insolvenzentwicklung insgesamt und die Brancheninsolvenzen im beson­ deren als Datenquelle nutzt.67 In Abbildung C.22 ist die Struktur dieses Modells dargestellt. Die einzelnen Kredite einer Branche werden über deren Bonitäten zu den Branchenbonitäten verdichtet, aus denen sich dann die Bonität des Kreditportefeuilles ergibt. Während das MarkowitzGrundmodell aber auf der Kenntnis der paarweisen Kovarianzen zwischen den einzelnen Krediten aufbaut und für jeden neu hinzukommenden Kredit die Kovarianz zu allen anderen, bereits im Portefeuille enthaltenen Darlehen berechnen muß, erlaubt es der in Abbildung C.22 dargestellte Aufbau des INTEKRED-Modells, den Datenbedarf signifikant zu reduzieren. Am Beispiel eines Portefeuilles bestehend aus n = 50.000 Krediten soll der Datenreduzierungseffekt des modifizierten Markowitz-Modells aus Abbildung C.22 verdeutlicht werden:

67

Berücksichtigt man die hohe Leistungsfähigkeit moderner Rechenanlagen und daß das INTEKRED-System mit den bestehenden Daten auskommt, so ist an dieser Stelle anzumerken, daß das Mengenproblem bei der Spezialbank, von der die Grund­ struktur der Einzelkreditprüfung übernommen wurde, mit rd. 10.000 Kreditnehmern und ca. 50.000 Einzelkrediten nur begrenzte Relevanz besitzt.

Integrierte Kreditprüfung

237

Bonität des Kredit­ portefeuilles

Bonität des Branchen­ portefeuilles

Unternehmens­ bonität

Abbildung C.22:

Dreistufiger Modellansatz von INTEKRED

□ der Markowitz-Ansatz benötigt ^-(n(n-l)) = ^-50.000(50.000-1) = 1,25 Mrd. Kovarianz-Daten zu den einzelnen Krediten.68 Plastisch kann dieser Datenbedarf in einer Grenzwertbetrachtung dargestellt werden. Für jeden neu in das Portefeuille eingestellten Kredit ergibt sich ein Grenzdatenbedarf von (n - 1) Kovarianzen. Bei diesem Bei­ spiel würde die Ausweitung des Portefeuilles um einen weiteren Kre­ dit, d.h. also von n = 50.000 auf n = 50.001, zusätzlich 50.000 Ko­ varianz-Daten benötigen. □ gliedert man das INTEKRED-Modell in insgesamt nur 10 gleich große Branchen, so werden für jede der Branchen (n = 5.000) jeweils ^•5.000(5.000-1) = 12.497.500 Kovarianzen benötigt. Zur Darstellung der Beziehungen zwischen den 10 Branchen untereinander erfordert dieser Ansatz zusätzlich noch ^-10(10-1) = 45 Daten. Insgesamt beläuft sich der Datenbedarf dieser Vorgehensweise damit auf 124.975.045 Kovarianzen, womit die Anzahl gegenüber dem Grund­ modell bereits um den Faktor ‘10’ reduziert werden konnte. Ein zusätzlicher Kredit ruft hier nur noch einen Grenzdatenbedarf von 5.000 Kovarianzen hervor. 68

Vgl. Kruschwitz, L. (1987), S. 312 f. Die genaue Zahl beläuft sich auf 1.249.975.000 Kovarianzen.

Integrierte Kreditprüfung

238

□ bei weiterer Untergliederung der 10 Branchen in jeweils 10 Unter­ branchen (mit je n = 500) beträgt der Datenbedarf nur noch je 100 mal **-500(500-1) = 100-124.750 = 12.475.000 Kovarianzen für die einzelnen Unternehmen innerhalb der Unterbranchen je 10 mal **-10(10-1) = 10-45 = 450 Kovarianzen für die einzelnen Unterbranchen innerhalb der Branchen

*

*•10(10-1) = 45 Kovarianzen für die einzelnen Branchen.

Insgesamt werden hier nur noch 12.475.495 Kovarianz-Daten benötigt; für einen zusätzlichen Kredit wären lediglich 500 weitere Kovarianzen erforderlich. Im Vergleich zum Markowitz-Grundmodell erreicht der dreistufige INTEKRED-Ansatz durch das Gliederungssystem in je 10 Haupt- und weitere jeweils 10 Unterbranchen bei diesem Beispiel eine Reduzierung des Datenbedarfs im Verhältnis von ca. 1:100; er stellt damit eine prakti­ kable Alternative zu den Index-Modellen dar.69 Weiterer Vorteil dieser Segmentierung ist die damit automatisch einhergehende Auswertung der Risiko- und Ertragsstrukturen einzelner Branchen.

In Kapitel C.6.4.2 wurde dargestellt, wie das INTEKRED-System die Werte für Ertrag und Risiko eines einzelnen Kredits ermittelt. Neben diesen beiden Entscheidungsparametern spielt für die KreditportefeuilleOptimierung der Risikoverbund zwischen den Krediten die zentrale Rolle. Nur mit dessen Berücksichtigung kann die tatsächliche, weil um Diversifikationseffekte bereinigte Ertrags- und Risikostruktur des Kreditportefeuilles hergeleitet werden. Der Ertrag des Kreditportefeuilles Epp der Bank errechnet sich - analog zum Grundmodell von Markowitz - aus der Addition der Kreditüber­ schüsse der einzelnen Kredite E; nach der Formel:70 Epp ~

69

70

Der aufgezeigte Ansatz stellt letztlich einen auf Kovarianzen basierenden IndexModell-Ansatz dar. Zur Kovarianz-Variante der Index-Modells vgl. BUschgen, H. E. (1969), S. 31 bzw. Kapitel C.5.3. Vgl. hieizu Kruschwitz, L. (1987), S. 304.

Integrierte Kreditprüfung

Epp Ei

für:

239

... Bruttokreditüberschuß des Portefeuilles ... Bruttokreditüberschuß des Kredits i.

Bei der Berechnung des Portefeuille-Risikos muß der Diversifikations­ effekt berücksichtigt werden. Er resultiert bekanntlich aus der nicht vollständigen Korrelation zwischen den im Portefeuille enthaltenen Einzelkrediten und wird im Markowitz-Modell durch den Korrelations­ koeffizienten bzw. die Kovarianz gemessen. Die Formel für das Porte­ feuille-Risiko Rpf auf Basis der Kovarianz lautet:71

^'2 2 KOVij Xj, Xj Rpp

für:

... Kovarianz zwischen den Krediten Krediten i und j ... Anteile der Kredite i und j am Portefeuille ... Wirtschaftliche Bonität /Varianz des Kreditportefeuilles.

Nach Substitution der Kovarianz KOVjj durch den Korrelations­ koeffizienten rjj gemäß dem funktionalen Zusammenhang: _

KOV,

KOV.. bzw.

mit

Si-Sj

Standardabweichung S/ = Ri... wirtschaftliche Bonität/ Varianz des Kredits i

lautet die Formel für das Portfolio-Risiko:72

RPF

n

n

i-1

j-1

= S 2 x'

____ Xi

r‘i

Am Beispiel eines Portefeuilles aus 2 Einzelkrediten soll der Risikoreduzierungseffekt durch die Diversifikation anschaulich dargestellt werden. Für n = 2 Kredite ergibt sich aus der obigen Formel für das Portefeuille-Risiko:

71 72

Vgl. Sharpe, W. F. (1978), S. 80. Vgl. Kruschwitz, L. (1987), S. 296.

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240

2

2