Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftliche Entwicklung: Ein Beitrag zur Neuen Institutionenökonomik und zur Theorie von Douglass C. North [1 ed.] 9783428482740, 9783428082742


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German Pages 206 Year 1995

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Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftliche Entwicklung: Ein Beitrag zur Neuen Institutionenökonomik und zur Theorie von Douglass C. North [1 ed.]
 9783428482740, 9783428082742

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HORST LÖCHEL

Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftliche Entwicklung

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann t

Heft 444

Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftliche Entwicklung Ein Beitrag zur Neuen Institutionenökonomik und zur Theorie von Douglass C. North

Von

Horst Löchel

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Löchel, Horst: Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftliche Entwicklung : ein Beitrag zur neuen Institutionenökonomik und zur Theorie von Douglass C. North / von Horst Löchel. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 444) Zug!.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08274-5 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08274-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Meinen Eltern

Vorwort Als Altbundeskanzler Helmut Schmidt am 1. Juni 1994 in unserer Universität einen Vortrag hielt und dabei die ökonomische Katastrophe des heutigen Rußlands diskutierte, stellte er - ganz in der Tradition Schumpeters - fest, daß in Rußland der Typ des Unternehmers fehle. Wörtlich aus der Erinnerung zitiert sagte Schmidt: "Händler sind genug da in Moskau, aber keine Unternehmer."

Als sich auf Grund dieser Bemerkung im Auditorium so etwas wie anschwellende Unruhe einstellte, fügte er hinzu - wiederum wörtlich aus der Erinnerung zitiert - : "Händler produzieren doch nichts!"

In gewisser Weise ist mit dieser Anekdote der Horizont des vorliegenden Buches abgedeckt. Es geht um das - zugegebenermaßen nicht neue - Spannungsverhältnis zwischen der Verausgabung von Arbeit fur die Produktion von Waren einerseits und der Verausgabung von Arbeit für die Transaktionen dieser Waren, d.h. ihren Tausch andererseits. Dieses Spannungsverhältnis und seinen Einfluß auf den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung hat die ökonomische Theorie von je her interessiert. Es ist der große Verdienst des amerikanischen Wirtschaftshistorikers und letztjährigen Nobelpreisträgers der Wirtschaftswissenschaften, Douglass C. North, die Problematik von Produktionsund Transaktionsaktivitäten einerseits und von Produzenten und Intermediären andererseits wieder aufgegriffen und mit Mitteln der modemen Institutionentheorie fruchtbar gemacht zu haben. Als ich vor einigen Jahren begann, mich für die Northsche Theorie zu interessieren, konnte ich natürlich nicht ahnen, daß ich es mit den Arbeiten eines zukünftigen Nobelpreisträgers zu tun hatte. Auch in Fragen der Wissenschaftstheorie haben wir es eben mit Unsicherheiten und einer ungewissen Zukunft zu tun. Was mich an North faszinierte waren - offen gestanden - weniger seine wirtschaftshistorischen Ausführungen. Ich gewann beim Studium seiner Arbeiten rasch den Eindruck, daß sich - so weit ich das beurteilen kann - die europäischen Standards der wirtschaftshistorischen Forschung nicht vor den

Vorwort

8

amerikanischen zu verstecken brauchen. Was mich aber faszinierte, war die Verbindung von Wirtschaftsgeschichte und Wachstumstheorie: "Explaining economic growth" - heißt es programmatisch - "is perhaps history's central task.'d

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Diskussion des originellen Kerns der Northschen Theorie, nämlich den Zusammenhang von Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftlicher Entwicklung. Sie wurde in ähnlicher Form im Februar 1994 am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität als Dissertation eingereicht. Die Promotion erfolgte am 27. Juni 1994. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Gerd Fleischmann, der diese Arbeit mit großem Interesse unterstützte und dem ich wertvolle Anregungen verdanke. Zu danken habe ich auch meinem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Bertram Schefold, der diese Arbeit während ihrer gesamten Entstehungsgeschichte mit Rat und Tat verfolgte. Auch danke ich meinen Kollegen Yven Eisenmann, Dr. Thomas Heimer, Götz Müller und Rainer H. Rauschenberg für ihre unermüdliche Diskussions- und Hilfsbereitschaft und für die gute Arbeitsatmosphäre am Lehrstuhl für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, insbesondere Verkehrswissenschaft. Einen ganz besonderen Dank schulde ich meiner Familie, meinen Eltern, meiner Frau Karner und meinem Sohn Denis. Ihre unerschöpfliche Geduld und ihr Zuspruch gaben mir immer wieder neue Kraft und Hoffnung, ohne die diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Der Hans-Böckler-Stiftung danke ich für die großzügige finanzielle Unterstützung zu den Druckkosten dieser Arbeit. Rosbach v.d.H., im Oktober 1994 Horst Lächel

I

Wallis /North (1986), S. 123.

Inhaltsverzeichnis I.

Einleitung ................................................................................................................................. 13

1.

Limitieren Transaktionskosten das Wachstum von Volkswirtschaften? ........................... 13

2.

Gang der Untersuchung ..................................................................................................... 16

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie - eine Grundlagendiskussion ...................... .l9 I.

Theorie und Empirie ......................................................................................................... 22 a)

Was sind eigentlich Transaktionskosten? ................................................................... 22

b) Zur empirischen Relevanz von Transaktionskosten ................................................... 26 c) 2.

Der theoretische Charakter von Transaktionskosten .................................................. 30

Arbeitsteilung und Gleichgewicht ..................................................................................... 33 a)

Die Unvorteilhaftigkeit des Tauschs: Das partialanalytische Modell von Hirshleifer.................................................................................................................. .35

b) Ein Disput: Führen Transaktionskosten zu Pareto-ineffizienten Gleichgewichten? ................................................................................................................. 48

3.

c)

Die formale Struktur des Problems: Die Argumentation von Arrow ......................... 52

d)

Die wohlfahrtstheoretische Variante: Die Diskussion um das CoaseTheorem und die Lösung von Dahlman ..................................................................... 55

Effizienz und Institutionen ................................................................................................ 59 a)

Die Effizienz von Markt und Unternehmung: Das Coase-WilliamsonParadigma ................................................................................................................... 60

b) Die Effizienz von Verträgen: Die Vertragstheorie Cheungs ...................................... 68 c) 4.

Die Effizienz historischer Organisationsformen der Arbeit: Die historische Theorie Fenoalteas ............................................................................................. 75

Zusammenfassung: Von der Institutionenökonomik zur Wachstumstheorie .................... 81

111. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik ................................ 85 I.

Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung ........................................................................................................... 89 a)

Eigentumsrechte und Transaktionskosten .................................................................. 90

b) Wahlhandlungstheorie und Pfadabhängigkeit. ........................................................... 94 2.

Der wachstumstheoretische Kern: Steigende Transaktionskosten als Schranke der wirtschaftlichen Entwicklung .................................................................... 101 a)

Die Modifikation der Smithschen Wachstumstheorie ...... ........ ................................ 103

b) Ein historisches Stufen modell der Tauschformen .................................................... 108

10

Inhaltsverzeichnis c) Die Wallis-North-Studie ........................................................................................... 110 3.

Probleme der Northschen Theorie ................................................................................... 119 a) Eine fatale Gleichung: Transaktionskosten = Transaktionssektor ........................... 122 b) Eine Hypothese: Je größer der Transaktionssektor, um so höher die ProduktiviUlt von Transaktionsaktivitäten ..................................................................... 129 c) Eine Interpretation: Die Produktivitätsentwicklung von Produktionsund Transaktionssektor ............................................................................................ 134 d) Eine vergessene Variable: Der technische Fortschritt von Transaktionstechnologien ............................................................................................................ . 141 e) Eine Aufklärung: Die doppelte Perspektive über den Zusammenhang zwischen Institutionen und Transaktionskosten ....................................................... 144

4.

Zusammenfassung: Von der Wachstums- zur Strukturtheorie ....................................... .147

IV. Transaktionssektor und Strukturtheorie - eine empirische Studie ......... ............................. . 151 I.

Qualität und Quantität ..................................................................................................... 153 a) Die strukturtheoretische Interpretation der Wallis-North-Studie: Der Transaktionssektor als das Aggregat intermediärer Unternehmen ........................... 153 b) Der Transaktionssektor als Bestandteil der institutionellen Systematik des Statistischen Bundesamtes ................................................................................. 157 c) Die quantitative Bedeutung des Transaktionssektors: Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1990 ...................... ..................... 159

2.

Strukturwandel und Transaktionsdienstleistungen .......................................................... 166 a) Die Erklärungslücke der Drei-Sektoren-Hypothese ................................................. 167 b) Endnachfrage versus intermediäre Nachfrage: Die Vorleistungsnachfrage als Nachfrage nach Transaktionsdienstleistungen ........................................... 174

3. Zusammenfassung: Transaktionssektor und Transaktionskosten .................................... 180 V. Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftliche Entwicklung - ein Resümee ...... ........................................................................................................................... 182 Literaturverzeichnis ............................................................... .. ...................................................... 189

Verzeichnis der Tabellen, Figuren und Abbildungen Tab.

Die Entwicklung des Transaktionssektors in den USA von 1870 bis 1970 ................. 115

Tab.

2 Produktivitätsentwicklung der Sektoren in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1990 ................................................................................................ 138

Tab.

3 Entwicklung der Bruttowertschöpfung der Sektoren in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1990 ................................................................................... 161

Tab.

4 Anteil des primären, sekundären und tertiären Sektors an der Bruttowertschöpfung und den Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1990 ........................................................................................................ 168

Tab.

5 Verteilung der gesamten Nachfrage auf die Sektoren in der Bundesrepublik Deutschland 1965 und 1988 ........................................................................... 172

Tab.

6 Verteilung der Nachfragekomponenten auf die Sektoren in der Bundesrepublik Deutschland 1965 und 1988 ........................................................................... 173

Tab.

7 Vorleistungsmatrix der Bundesrepublik Deutschland aggregiert nach Sektoren 1965 und 1988 ..................................................................................................... 175

Tab.

8 Verteilung der Nachfrage innerhalb des tertiären Sektors auf Transaktionssektor und Nicht-Transaktionssektor in der Bundesrepublik Deutschland von 1965 und 1988 ....................................................................................................... 178

Tab.

9 Verteilung der Nachfragekomponenten auf Transaktionssektor und NichtTransaktionssektor in der Bundesrepublik Deutschland 1965 und 1988 ..................... 179

Fig.

Das partielle Gleichgewicht mit Transaktionskosten .................................................... .38

Fig.

2 Der eingeschränkte individuelle Entscheidungsraum ..................................................... 41

Fig.

3 Individuelles Produktions- und Konsumoptimum ohne Transaktionskosten ................ .43

Fig.

4 Individuelles Produktions- und Konsumoptimum mit Transaktionskosten .................... 45

Fig.

5 Pareto-effizienter Tausch mit Transaktionskosten ......................................................... 51

Fig.

6 Pareto-effizienter Nicht-Tausch mit Transaktionskosten ............................... ................ 52

Fig.

7 Die Wahl zwischen Markt und Unternehmung .............................................................. 65

Fig.

8 Die Wahl zwischen Arbeits- und Pachtvertrag ............................................................... 70

Fig.

9 Die Wachstumstheorie von Adam Smith ...................................................................... 104

Fig.

10 Die Northsche Modifikation der Smithschen Wachstumstheorie ............ .. ...... ............. 107

Fig.

II Die Northsche Stufentheorie der Tauschformen .............................................. ............. 109

Fig.

12 Der Transaktionssektor in der Wallis-North-Studie ..................................................... 113

Fig.

\3 Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung ............................................ I 18

12

Fig.

Verzeichnis der Tabellen, Figuren und Abbildungen 14 Disaggregation des tertillren Sektors in Transaktionssektor und Nicht-

Transaktionssektor ....................................................................................................... . 159

Abb.

Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung der Sektoren in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1990 ..................................................................... 163

Abb.

2 Entwicklung des Anteils der Bruttowertschöpfung des Transaktionssektors an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1990 .................................................................................. . 164

Abb.

3 Entwicklung des Anteils der Bruttowertschöpfung des Transaktionssektors sowie des privaten und des öffentlichen Nicht-Transaktionssektors an der realen Bruttowertschöpfung des tertillren Sektors in der Bundesrepublik Deutschland von 1960 bis 1990 .................................................................................. . 165

Abb.

4 Anteil der Vorleistungsnachfrage, der Endnachfrage und der öffentlichen Nachfrage an der realen Bruttowertschöpfung des tertillren Sektors in der Bundesrepublik Deutschland 1965 und 1988 ............................................................... 177

I. Einleitung 1. Limitieren Transaktionskosten

das Wachstum von Volkswirtschaften?

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Theorie des amerikanischen Wirtschaftshistorikers Douglass C. North auseinander. Eine solche Auseinandersetzung verlangt eine weitverzweigte Diskussion, die ausgehend von der Institutionenökonomik über die Wachstumstheorie schließlich zur Strukturanalyse gelangt. Das Zentrum der Diskussion bildet ein Problem der Wachstums- und Entwicklungstheorie. Ausgehend von Schumpeters "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" betont die dynamische Theorie die Bedeutung von Technologien und technologischen Innovationen für den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung. 1 Diese Perspektive vernachlässigt jedoch, daß der Einsatz fortgeschrittener Technologien und die hiermit einhergehenden Skalenerträge als Voraussetzung Märkte haben, deren Transaktionsvolumen hinreichend hoch ist. Das Argument von Adam Smith, "that the division of labour is limited by the extent of the market", findet keine Berücksichtigung? Dieses Problem greift die an Institutionen und Transaktionskosten orientierte Entwicklungstheorie aue Die vorliegende Arbeit versteht sich in diesem Rahmen als der Versuch, über einige grundlegende Zusammenhänge zwischen Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftlicher Entwicklung aufzuklären. Insbesondere soll geprüft werden, ob es zutreffend ist, daß Transaktionskosten das Wachstum von Volkswirtschaften limitieren. Dies jedenfalls ist eine der zentralen Behauptungen des amerikanischen Wirtschaftshistorikers und letztjährigen Nobelpreisträgers Douglass C. North: ,,( ... ) the cost oftransacting" - heißt es - "may have been as much a limiting factor on economic growth as transformation costS.,,4

I

Vgl. Schumpeter (1964 [1911]).

2

Smith (1976 [1776], S. 31).

3

Vgl. Löchel (1994).

4

WalIis I North (1986, S. 121).

14

I. Einleitung

Daß Kosten - welche auch immer - den materiellen Reichtum von Volkswirtschaften begrenzen, ist in jedem Falle richtig. Output ohne Input dieses ökonomische perpetuum mobile ist noch nicht erfunden. Es muß also soll die Behauptung von North gehaltvoll formulierbar sein - etwas Spezifisches im Charakter der Transaktionskosten geben, das diese in einem nicht trivialen Sinne das Wachstum von Volkswirtschaften beschränken läßt. Daß eine solche Spezifität bei North tatsächlich existiert, darauf verweist schon die komparative Formulierung "may have been as much a limiting factor ( ... ) as transformation costs." In der Tat: Folgt man North, sind Produktions- und Transaktionskosten durch etwas sehr Entscheidendes getrennt. Während nämlich die Produktionskosten in der langen Frist sinken, ist tUr die Transaktionskosten das Umgekehrte richtig: Volkswirtschaften - so North - sehen sich unter Umständen mit einem langfristigen Anstieg der Transaktionskosten konfrontiert. Diesen Anstieg erklärt die Northsche Theorie aus dem Wechselspiel zweier Faktoren: einerseits aus ineffizienten institutionellen Entwicklungspfaden und andererseits aus der dem Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung immanenten Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung. Wenn - so die zentrale Idee von North - ineffiziente institutionelle Entwicklungspfade nicht in der Lage sind, den mit der Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung notwendigerweise verbundenen Anstieg der Transaktionskosten zu stoppen, kommt es in der Folge zu einem trade-off zwischen Arbeitsteilung und Transaktionskosten. Steigende Transaktionskosten verhindern, daß Volkswirtschaften die "gains from trade", d.h. die produktiven Potenzen von Arbeitsteilung und Spezialisierung realisieren können. 5 Die Gültigkeit der Hypothese, daß Transaktionskosten das Wachstum von Volkswirtschaften limitieren, wird in dieser Arbeit bestritten. Dies nicht deswegen, weil es nicht wahr wäre, daß ein langfristiger Anstieg der Kosten Volkswirtschaften von einem Wachstumspfad in einen Stagnationspfad überruhrt. Unsere Begründung ist vielmehr, daß die dieser Behauptung zugrundeliegende Annahme langfristig steigender Transaktionskosten weder theoretisch begründet noch empirisch belegt werden kann. Die Widerlegung der Annahme steigender Transaktionskosten bedeutet nicht, daß zwischen Transaktionskosten und wirtschaftlicher Entwicklung kein Zusammenhang bestünde. Ein solcher besteht. Es handelt sich aber nicht um einen wachstumstheoretischen, sondern um einen strukturtheoretischen Zusammenhang. Auch die Northsche Theorie sieht diesen Zusammenhang, läßt jedoch offen, was

5

North (1984a, S. 7; 1987, S. 420; 1990, S. 27) sowie Wallis / North (1986, S. 120).

I. Limitieren Transaktionskosten das Wachstum von Volkswirtschaften?

15

dieser genau bedeutet, und betont die Dominanz der wachstumstheoretischen Interpretation gegenüber der strukturtheoretischen Deutung. Tatsächlich ist eine strukturtheoretische Deutung des Zusammenhangs von Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftlicher Entwicklung wesentlich fruchtbarer als eine wachstumstheoretische. Zum einen ist die Ausdifferenzierung und die überproportionale Expansion eines Transaktionssektors in entwickelten Volkswirtschaften ein institutioneller Wandel, der in dem Bemühen wurzelt, Transaktionskosten einzusparen. Zum anderen wurde die Expansion des tertiären Sektors durch das Wachstum des Transaktionssektors bestimmt. Der oben angedeutete Unterschied zwischen einer allgemeinen Theorie von North und einer wachstumstheoretischen Variante ließ schon vermuten, daß die Hypothese langfristig steigender, den Wachstumsprozeß von Volkswirtschaften limitierender Transaktionskosten nur ein - wenngleich ein zentrales Element der Northschen Theorie ist. Im ganzen läßt sich die Northsche Theorie verstehen als eine historisch fundierte Theorie langfristiger wirtschaftlicher Entwicklungen, in deren Zentrum Institutionen und institutioneller Wandel stehen. In der wissenschaftlichen Literatur und in der Öffentlichkeit wird der wirtschaftshistorische Aspekt von North der sogenannten "New Economic History" zugeordnet und der institutionelle Aspekt zur "Neuen Institutionenökonomik" gerechnet. 6 "New Economic History" und "Neue Institutionenökonomik" sind Theorien, die sich dadurch auszeichnen, daß sie die wahlhandlungstheoretische Orientierung der neoklassischen Theorie auf andere Forschungsgebiete - eben auf Wirtschaftsgeschichte und auf Institutionen - als die der traditionell üblichen Wert- und Verteilungstheorie übertragen. Ob es allerdings zutreffend ist, die Northsche Theorie als Teil dieser beiden übergeordneten Richtungen zu verstehen, muß noch als eine offene Frage gelten. In der Northschen Theorie hat seit Mitte der fünfziger Jahre bis heute ein fundamentaler Wandel stattgefunden. Ein Wandel, der North immer weiter von seinen Ursprüngen, d.h. von der neoklassischen Wahlhandlungstheorie entfernte: ,,( ... ) we have paid a big price for the uncritical acceptance of neoclassical theory" heißt es programmatisch im neuesten Buch. 7 Den Preis nämlich, ökonomische Entscheidungsmodelle als Erklärung für den in der historischen 6 Vgl. beispielsweise die Kommentare anläßlich der Nobelpreisverleihung an North: Blüthmann (1993), Booz (1993), Buchheim (1994), o.V. (1993a), O.V. (1993b) sowie Saugal Schütte (1993). Zur wirtschaftsgeschichtlichen Zuordnung vgl. die Aufsatzsammlung von Ransom I Sutch I Walton (1982) über North sowie North (1977, 1978) selbst und Hughes (1985) sowie Murphy (1985).

7

North (1990, S. 131).

16

I. Einleitung

Zeit zu beobachtenden institutionellen Wandel anzuwenden, obgleich diese Modelle der Komplexität und den konkreten Facetten dieses Wandels nicht gerecht geworden sind. 8 WeIche Alternative North vorschlägt und wie sich diese Alternative mit der wachstumstheoretischen Variante von North verbindet, bildet den zentralen Untersuchungsgegenstand der nachfolgenden Kapitel.

2. Gang der Untersuchung An der Northschen Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung interessiert uns insbesondere ihre auf steigenden Transaktionskosten fußende wachstumstheoretische Zuspitzung. Nun sind Transaktionskosten nicht nur Teil der Northschen Theorie. Seit den Coaseschen Pionierarbeiten "The Nature of the Firm" und "The Problem of Social Cost" sind Transaktionskosten fester Bestandteil der ökonomischen Theorie. 9 Allerdings ist die Integration von Transaktionskosten in die ökonomische Theorie nicht unumstritten geblieben. Buchanan beispielsweise sprach von "the irrelevance of transaction costs", Schneider von der "Unhaltbarkeit des Transaktionskostenansatzes".lo Bevor wir deshalb die Integration von Transaktionskosten in die Northsche Theorie untersuchen, soll der allgemeineren Frage nachgegangen werden, ob und wie Theorien, die das Konzept der Transaktionskosten enthalten, den Erklärungsgehalt der ökonomischen Theorie erhöhen. Im Zusammenhang mit dieser Frage werden wir im 11. Kapitel zunächst einige analytische Standards der Transaktionskostentheorie klären: die Definition von Transaktionskosten, ihre empirische Relevanz sowie ihren theoretischen Charakter, insbesondere in Abgrenzung zu Produktions- und Transportkosten. Sodann werden die beiden hauptsächlichen Methoden der Integration von Transaktionskosten in die ökonomische Theorie thematisiert: die Integration von Transaktionskosten in die Gleichgewichtstheorie sowie die Integration von Transaktionskosten in die Neue Institutionenökonomik. In beiden Integrationsmustern lassen sich Elemente finden, die Brücken zur Northschen Theorie herstellen. Mittels der K In der Nobelpreisrede heißt es: "Neoclassical theory is simply an inappropriate tool to anaIyze and prescribe policies that will induce development. ( ... ) In the analysis of economic per-

formance through time it contained two erroneous assumptions: (i) that institutions do not matter and (ii) that time does not matter." North (1994. S. 359). 9 10

Vgl. Coase (1937; 1960). Buchanan (1984, S. 9); Schneider (1985, S. 1237).

2. Gang der Untersuchung

17

Partialanalyse läßt sich zeigen, daß hinreichend hohe Transaktionskosten es rur individuelle Akteure unter Umständen unvorteilhaft machen können, arbeitsteilige Tauschbeziehungen einzugehen. Die Institutionenökonomik klärt dann auf über den Zusammenhang von Institutionen und Transaktionskosten. Institutionen sind ein Mittel, um Transaktionskosten einzusparen. Obwohl North seinen Beitrag als Teil der Neuen Institutionenökonomik versteht, sind doch grundlegende Unterschiede zwischen seiner Theorie und der Neuen Institutionenökonomik feststellbar. Wir untersuchen diese Unterschiede exemplarisch anhand der Effizienzdiskussion in der wirtschaftshistorischen Forschung. Zunächst wird am Schluß des 11. Kapitels am Beispiel der Produktionsweise der Sklaverei und der mittelalterlichen offenen Felderwirtschaft illustriert, wie Teile der "New Economic History" Transaktionskosten in die historische Forschung integrieren. Transaktionskosten dienen hier dazu, die Effizienz und die ökonomische Rationalität historischer Organisationsformen der Arbeit ex post zu belegen. Das III. Kapitel eröffnen wir dann mit dem Nachweis, daß North auf einem anderen Weg als die "New Economic History" Transaktionskosten in sein (wirtschaftshistorisches) Forschungsprogramm integriert. Im Vordergrund steht nicht die an Transaktionskosten orientierte Wahl von effizienten Institutionen, sondern die umgekehrte Frage, wie es erklärt werden kann, daß bestimmte Wirtschaftsgesellschaften über sehr lange Zeiträume stagnieren. Institutioneller Wandel ist in diesem Kontext keine an Transaktionskosten orientierte Wahlhandlung mehr, sondern eine pfadabhängige Entwicklung. Ausgehend von dieser Einsicht wird im IlI. Kapitel weiter gezeigt, wie North von der Wirtschaftsgeschichte über die Institutionenökonomik zur Wachstumstheorie gelangt. Die Northsche Wachstumstheorie versteht sich als eine explizite Modifikation der Smithschen Wachstumstheorie. Was North mit Smith verbindet, ist die Ansicht, daß die Entwicklung der Produktivität entscheidend ftlr die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft ist. Was North von Smith trennt, ist der Umstand, daß North den von Smith postulierten wachstumswirksamen Kreislauf von Arbeitsproduktivität, Pro-Kopf-Einkommen und Marktgröße unterbrochen sieht durch zu hohe Transaktionskosten. Transaktionskosten limitieren die Größe der Märkte, die Größe der Märkte wiederum limitiert das Niveau von Arbeitsteilung und Spezialisierung und das Niveau von Arbeitsteilung und Spezialisierung die Arbeitsproduktivität und damit die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft. Welches die theoretischen und empirischen Irrtümer sind, die die Northsche Theorie zu der Annahme langfristiger steigender, den Wachstumsprozeß von Volkswirtschaften limitierender

2 Löchel

18

I. Einleitung

Transaktionskosten fUhren, bestimmt schließlich den Gang der weiteren Diskussion im III. Kapitel. Im IV. Kapitel wird der Zusammenhang von Institutionen, Transaktionskosten und wirtschaftlicher Entwicklung aus einer anderen Perspektive als der von North vorgegebenen Wachstumstheorie betrachtet. Unser konkreter Ausgangspunkt ist ein Problem der Theorie des Strukturwandels, namentlich der Drei-Sektoren-Hypothese. Die Drei-Sektoren-Hypothese hat zwar richtig das überproportionale Wachstum des tertiären Sektors in entwickelten Volkswirtschaften vorhergesagt. Eine ihrer zentralen Begründungen hierfür - die Annahme nämlich, daß die Endnachfrage der privaten Haushalte nach Dienstleistungen überproportional zunehmen wird - muß andererseits als falsifiziert gelten. Die Frage ist daher, welche Alternativen existieren, um dennoch die beobachtbare überproportionale Expansion des tertiären Sektors zu erklären. Eine genauere empirische Untersuchung belegt, daß es im wesentlichen die Expansion der unternehmensbezogenen intermediären Nachfrage nach Transaktionsdienstleistungen des Transaktionssektors war, die die Expansion des tertiären Sektors bestimmte. Das V. Kapitel schließlich faßt die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Die zu beantwortende Frage lautet: Welchen Einfluß haben Institutionen und Transaktionskosten auf den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung?

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie - eine Grundlagendiskussion Transaktionskosten sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Forschungsprogramms der ökonomischen Theorie. Nicht nur in der Northschen, auch in anderen Theorien sind sie ein zentraler Untersuchungsgegenstand. I Wir wollen in diesem Kapitel den Stand der Forschung der Transaktionskostentheorie aufarbeiten, der Frage nachgehen, ob und wie Transaktionskosten den Erklärungsgehalt der ökonomischen Theorie erhöhen, und schließlich die Verbindungen zwischen der allgemeinen Integration von Transaktionskosten in die ökonomische Theorie und ihrer speziellen Integration in die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung aufzeigen. Die allgemeine Integration von Transaktionskosten in die ökonomische Theorie vollzog sich im wesentlichen auf zwei Wegen: Einerseits wurden Transaktionskosten in die Gleichgewichtstheorie aufgenommen, andererseits spielen sie in der Neuen Institutionenökonomik eine wichtige Rolle. 2 Die Gleichgewichtstheorie fragt, weIchen Einfluß Transaktionskosten auf die Existenz, die Stabilität und die Effizienz von Gleichgewichten haben. In der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie steht der von Foley (1970) geführte formale Beweis im Vordergrund, daß auch mit Transaktionskosten ein Gleichgewicht existiert, das den Ansprüchen eines allgemeinen Gleichgewichts vom Arrow-Debreu-Typ genügt. In der partialanalytisch orientierten Gleichgewichtstheorie dominiert demgegenüber der inhaltliche Gedanke, daß ein traditionelles Ergebnis der ökonomischen Theorie - die Vorteilhaftigkeit des Tauschs - nicht unter allen Umständen Gültigkeit haben muß. Hinreichend hohe Transaktionskosten - so das vor allem von Hirshleifer (1984) entwickelte Ergebnis - sind eine Restriktion, die rational handelnde ökonomische Einheiten davon abhalten können, arbeitsteilige Tauschbeziehungen einzugehen. Allgemeine Gleichgewichtstheorie und Partialanalyse mUnden in der I

Vgl. Bowman (1989).

Die Geldtheorie, in der naturgemäß Transaktionskosten von großer Bedeutung sind, behandeln wir als Teil der Institutionenökonomik. Geld ist eine ökonomische Institution, die in ihrer Funktion als Tauschmittel die Aufgabe hat, Transaktionskosten zu sparen. 2

20

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

gemeinsamen Frage, ob Transaktionskosten die Effizienz von Gleichgewichten verändern. Für die Neue Institutionenökonomik sind Transaktionskosten ein Mittel, um Institutionen in die ökonomische Theorie zurückzuholen. Um das Spezifische der Neuen Institutionenökonomik zu verstehen, muß man sich zunächst - eine Formulierung von Albert aufgreifend - das "institutionelle Vakuum" der neoklassischen Theorie in Erinnerung rufen. 3 Schon Walras sprach explizit davon, daß Institutionen "the relations between persons and persons" abbildeten, die ökonomische Theorie jedoch, wolle sie nicht "ethics", sondern "science" sein, aber nur "relations between persons and things" thematisieren dürfe. 4 Dieser Tradition der Trennung von Theorie und Institutionen ist die neoklassische Theorie bis Hicks in "Value and Capital" gefolgt. Soziale Institutionen - heißt es dort in der Einführung - seien im Rahmen einer von der Wirtschaftstheorie getrennten, deskriptiv orientierten Wirtschaftsgeschichte zu behandeln. 5 Die Neue Institutionenökonomik, als dessen Teil sich auch die Northsche Theorie versteht, hat mit dieser Tradition gebrochen. 6 Niemand hat dies so klar wie Eggertsson ausgesprochen. Die traditionelle Neoklassik - so Eggertsson - behandele Institutionen wie die Physik das Gravitationsgesetz. Von ihnen werde implizit ausgegangen, aber sie würden weder als exogene noch als endogene Variable in der Analyse berücksichtigt. Anders als das Gravitationsgesetz jedoch hätten Institutionen nicht nur einen Einfluß auf die ökonomischen Ergebnisse, sie veränderten sich auch in Zeit und Raum. Eine Theorie, die ohne Institutionen auskommt, - so der Schluß - müsse wesentliche Elemente der ökonomischen Realität unerklärt lassen. 7 Diese Kritik an der neoklassischen Theorie darf jedoch nicht mißverstanden werden. Die Neue Institutionenökonomik sieht sich keineswegs - wie man nach dem Gesagten leicht vermuten könnte - in der Tradition des "Alten Institutionalismus".8 Ganz im Gegenteil: Folgt man Coase, dem spiritus rector der J

Albert (\ 978, S. 81); vgl. auch Albert (\ 963).

4

Walras (\984 [1874], S. 63).

5

Vgl. Hicks (1946, S. 7).

h Vgl. die programmatischtn Aufsätze von Coase (\984, 1992, 1993a, I 993b), Furubotn (1990), Furubotn / Richter (\984, 1989, 1991, 1993), North (\986a, 1989), Richter (1990a, 1992, 1994) sowie Williamson (\ 990a).

7

Vgl. Eggertsson (\ 990, S. xi).

Unter "Altem Institutionalismus" werden hier der Amerikanische Institutionalismus und die Deutsche Historische Schule verstanden; vgl. Bromley (\ 989), Eisner (1986) sowie Hodgson K

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

21

Neuen Institutionenökonomik, so sind Amerikanischer Institutionalismus und Deutsche Historische Schule rein deskriptiv geblieben, haben sich nur auf die grundsätzliche Ablehnung der Neoklassik beschränkt und sind zu keiner positiven Theorie gelangt. 9 Die Neue Institutionenökonomik sei vielmehr als der Versuch zu verstehen, die Entstehung, den Wandel und die Wirkung von Institutionen mit Mitteln und Erkenntnissen der "standard economic theory" zu analysieren. lo Was hierunter zu verstehen ist, hat wiederum Eggertsson auf den Punkt gebracht. Die Neue Institutionenökonomik erweitere den "variable protective belt" der neoklassischen Theorie - eben um die Untersuchung von Institutionen -, lasse aber gleichzeitig ihren "invariable hard core", d.h. das entscheidungstheoretisch fundierte Wahlhandlungsmodell, unverändert. I I Es ist diese grundsätzliche Perspektive - Wahlhandlungstheorie einerseits und Institutionenökonomik andererseits -, die den spezifischen Gebrauch von Transaktionskosten in der Neuen Institutionenökonomik erklärt. Eine Analogie mag fur das Verständnis hilfreich sein. Wenn die Produktionstheorie mittels Produktionskosten die Substitution alternativer Produktionstechnologien erklärt, so erklärt mutatis mutandis die Neue Institutionenökonomik mittels Transaktionskosten die Wahl alternativer Institutionen. Mit anderen Worten: Transaktionskosten sind für die Neue Institutionenökonomik ein Instrument, um Institutionen fur ökonomische Wahlhandlungen zugänglich zu machen. Die generelle These dabei ist, daß Transaktionskosten ein Gradmesser sind, um die ökonomische Effizienz von Institutionen zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Verweis auf die Gleichgewichtstheorie und die Neue Institutionenökonomik sind die generellen Integrationsmuster von Transaktionskosten in die ökonomische Theorie an dieser Stelle hinreichend angedeutet. Die sich daraus ergebenden Fragen vertiefen wir im folgenden in vier Schritten. Zunächst werden Transaktionskosten definiert, ihre empirische Relevanz thematisiert und ihr

(1988); speziell zum Amerikanischen Institutionalismus vgl. Samuels (1987) und zur Deutschen Historischen Schule Schefold (1988) sowie Schinzinger (1987). 9 Nur die Klassische Politische Ökonomie, insbesondere Adam Smith, - so Co ase (1984) hätte über gehaltvolle institutionalistische Ansätze verftlgt; vgl. auch Hutchison (1984), auf den Coase (1984) sich hier kritisch bezieht. Zum institutionellen Gehalt von Smith vgl. beispielsweise Rosenberg (1960) sowie Stum (1990). 10

Coase (1984, S. 230).

Eggertsson (1990, S. 5). Die Frage, wo die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen Neuer Institutionenökonomik und neoklassischer Theorie liegen, wird nach wie vor kontrovers diskutiert; vgl. beispielsweise die jüngste Kontroverse zwischen Coase (l993c) und Posner (l993a, 1993b); dazu auch Williamson (1993a) und North (1993). 11

22

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

theoretischer Charakter geklärt. Im Rahmen der Gleichgewichtstheorie stehen so dann die Zusammenhänge von Transaktionskosten und Arbeitsteilung einerseits und Transaktionskosten und Effizienz andererseits im Vordergrund. Zum einen zeigen wir, daß bei hinreichend hohen Tauschkosten arbeitsteilige Tauschbeziehungen nicht zustande kommen werden; zum anderen machen wir plausibel, daß gegebene Transaktionskosten an der Effizienz von Gleichgewichten nichts ändern, unabhängig davon, ob die Gleichgewichte mit Transaktionskosten die formalen Voraussetzungen eines Pareto-Optimums erfüllen oder nicht. Schließlich rekonstruieren wir die Stellung von Transaktionskosten in der Neuen Institutionenökonomik. Wir zeigen, wie die Neue Institutionenökonomik mittels Transaktionskosten die Wahl zwischen Markt und Unternehmung, zwischen Arbeits- und Pachtvertrag sowie zwischen alternativen historischen Organisationsformen der Arbeit erklärt. Der vierte Teil des Kapitels faßt die Ergebnisse zusammen und stellt die Verbindung zur Northschen Theorie her. Obwohl North sich selbst als Teil der Neuen Institutionenökonomik versteht, ist seine Theorie nicht statisch und wahlhandlungstheoretisch orientiert, sondern dynamisch und evolutorisch angelegt.

1. Theorie und Empirie Ein generelles Thema leitet man gewöhnlich mit einer Definition der verwendeten Begriffe ein. Wir definieren Transaktionskosten als die Kosten des Austauschs von Verfügungsrechten an Gütern und Produktionsfaktoren. So dann interessiert uns dann die empirische Relevanz von Transaktionskosten. Schließlich fragen wir, welchen Charakter Transaktionskosten haben.

a) Was sind eigentlich Transaktionskosten?

Das Problem des Begriffs der Transaktionskosten ist nicht, daß er nicht definiert ist. 12 Das Problem ist vielmehr, daß Transaktionskosten sehr vielfältig definiert werden. North beispielsweise verwendet zwei Definitionen. Transaktionskosten seien einerseits die Informationskosten des Tauschs von Verfügungsrechten an Gütern und Produktionsfaktoren und andererseits diejenigen Kosten, die notwendig sind, um die produktiven Vorteile von Arbeitsteilung 12

Vgl. Brand (1990, S. 114-124) sowie Barteis (1990, S. 39).

I. Theorie und Empirie

23

und Spezialisierung - "the gains from trade" - durch Tausch zu realisieren. \3 Beide Definitionen sind insoweit kompatibel, als Transaktionskosten verstanden werden können als die Kosten arbeitsteiliger Tauschbeziehungen. Arbeitsteilung bedingt Tausch, und Tausch führt zu Transaktionskosten: "Transaction costs are the costs of specifying and enforcing the contracts that underlie exchange and therefore comprise aH the costs of political and economic organization that permit economies to capture the gains from trade.,,14

Eine andere bekannte Definition verwendet WiIliamson. Er charakterisiert Transaktionskosten als die Kosten ökonomischer Verträge. 15 Matthews hat diese Perspektive anschaulich formuliert: Während Produktionskosten die Kosten der Vertragsausführung darstellten, beschrieben Transaktionskosten die ex ante-Kosten für Entwurf und Verhandlung einer Vereinbarung sowie die ex post- Kosten ihrer Absicherung nach Vertragsschluß. 16 Im Unterschied zu North und Williamson wählt Arrow eine grundsätzlichere Definition. Transaktionskosten seien die Betriebskosten einer Volkswirtschaft - "the costs of running the economic system" -, vergleichbar mit den Organisationskosten einer einzelnen Unternehmung. 17 Während Technologien die Determinanten der Produktionskosten seien, bestimmten Institutionen die Transaktionskosten: "The distinction between transaction costs and production costs is that former can be varied by a change in the mode of resource aHocation, while the latter depend only on the technology and tastes, and would be the same in aH economic systems.,,18

Weitere gängige Definitionen haben Coase, Demsetz sowie Furubotn und Richter beigetragen. Coase spricht von den Kosten des Preismechanismus. 19 Demsetz versteht unter Transaktionskosten die Kosten der Internalisierung

13 North (1984, S. 7). Zur ersten Definition vgl. North (1990, S. 27), zur zweiten Wallis I North (1986, S. 96). 14

North (1984, S. 7).

15

Vgl. Williamson (I 990b, S. 22).

16

Vgl. Matthews (1986, S. 906).

17

Arrow (1983 [1969], S. 134).

Arrow (1983 [1969], S. 149). Ebenso Bössmann (1982, S. 665): "Die Trennlinie läßt sich dadurch finden, daß Produktionskosten auf die jeweils gegebene (Produktions-) Technologie zurUckzuflihren sind und daher in ökonomischen Systemen beliebiger Art in gleicher Höhe anfallen, während Transaktionskosten von der speziellen Form der Organisation ökonomischer Aktivitäten innerhalb einer bestimmten Volkswirtschaft abhängen." IK

19

Vgl. Coase (1937, S. 390) und Coase (1960, S. 2).

24

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

externer Effekte?O Furubotn und Richter schließlich definieren Transaktionskosten als die Kosten der Entstehung, des Wandels und des Gebrauchs von Institutionen. 21 Nun haben wir von der Wissenschaftstheorie gelernt, daß Diskussionen über Definitionen und Begriffe nicht sehr weit führen. 22 Inhalte, die über Begriffe transportiert werden, können nicht über Definitionen erschlossen werden. Vielmehr sind Definitionen beliebig setzbar. Der Inhalt eines Begriffs erschließt sich erst im Rahmen der theoretischen Kontexte, innerhalb derer er Verwendung findet. Insofern sind Definitionen allein eine Frage der Zweckmäßigkeit. Allerdings fuhrt die unterschiedliche Verwendung eines einheitlichen Begriffs auch zu Widersprüchen, die der Klärung bedürfen, soll der eigene Ansatz fruchtbar sein. Ein eindrucksvolles Beispiel eines solchen Widerspruchs findet sich im wohl bekanntesten angelsächsischen Wirtschaftslexikon der Gegenwart, dem "New Palgrave". Unter dem Stichwort "transaction costs" schreibt Niehans, daß in Planwirtschaften Transaktionskosten abwesend seien: "Transaction costs arise from the transfer of ownership or, more generally, of property rights. They are a concomitant of decentralized ownership rights, private property and exchange. In a collectivist economy with completely centralized decisionmaking they would be absent; administrative costs would take their place.".23

Bei Cheung hingegen heißt es unter dem Stichwort "economic organization and transaction costs", daß sie in solchen Wirtschaftssystemen prohibitiv hoch seien: "We therefore concJude that the poor economic performance of a communist state is attributable to the high transaction costs of operating that organization.,,24

Dieser Widerspruch läßt sich auflösen, erkennt man, daß Niehans unter Transaktionskosten nur die Kosten des Tauschs von Verfügungsrechten an Gütern und Produktionsfaktoren am Markt versteht, während Cheung unter Transaktionskosten auch die Kosten der internen Koordination innerhalb von 20

Vgl. Demsetz (1967, S. 348).

21

Vgl. Furubotn I Richter (1991, S. 8).

22 So beispielsweise Popper (1973, S. 338): "Man sollte stets die Diskussion von Begriffen meiden. Was uns wirklich interessiert, sind Tatsachenprobleme oder, mit anderen Worten, Probleme bezüglich Theorien und ihrer Wahrheit."

23 Niehans (1987, S. 676). 24 Cheung (1987, S. 57).

I. Theorie und Empirie

25

Organisationen erfaßt. 25 Dementsprechend schließt ersterer, daß es in Wirtschaftssystemen, in denen es keinen Markt gibt, auch keine Transaktionskosten geben kann, während letzterer auf die enormen Organisationskosten abzielt, die dann auftreten, wenn eine Zentralinstanz versucht, den Wirtschaftslauf zu steuern. Ob man unter Transaktionskosten - wie Niehans - nur die Kosten des über den Markt vermittelten Tauschs von VerfUgungsrechten zwischen selbständigen Wirtschafts einheiten versteht oder darüber hinaus - wie Cheung - auch die Kosten der internen Koordination innerhalb von Wirtschaftseinheiten, speziell Unternehmen, hängt zunächst ganz davon ab, welchen Geltungsbereich man dem Begriff der Transaktionen zubilligen möchte. Grundsätzlich zielt der Begriff der Transaktion auf die Transformation von Verfügungsrechten an Gütern und Produktions faktoren am Markt: "Transactions" - lesen wir schon bei Commons - "are not the 'exchange of commodities' but the alienation and the acquisition, between individuals, of the rights of property ...26

Folgt man diesem Begriff der Transaktion - und wir wollen dies in dieser Arbeit tun -, sind Transaktionskosten definiert als der monetär bewertete Ressourcenaufwand, der mit der rechtlichen Transformation, d.h. mit dem Tausch von Verfügungsrechten an Gütern und Produktions faktoren, verbunden ist. Eine solche Definition grenzt Transaktionskosten eindeutig von Produktions- und Transportkosten ab. Während Produktionskosten auf die physikalische Transformation von Inputs in Outputs abstellen und Transportkosten die räumliche Transformation von Gütern beinhalten, zielen Transaktionskosten auf die rechtliche Transformation. Transaktionskosten sind der Wert der Inputs zur Organisation von Transaktionen. Sie beinhalten die Kosten für Information, Bewertung und Kontrolle des Kaufs und Verkaufs von Verfügungsrechten an wirtschaftlichen Gütern. Die so definierten Transaktionskosten können nun sowohl als die Kosten des Markttauschs wie auch als die Kosten der Koordination innerhalb von Unternehmen verstanden werden. Dies deswegen, weil die Unternehmung selbst als ein "nexus of contracts" interpretiert werden kann. 27 Aus dieser Perspektive sind die internen Koordinations25 Überhaupt ist Cheung sehr freizügig mit seiner Definition. Transaktionskosten seien alle Kosten, die keine Produktionskosten sind: "In short, they comprise all those costs not directly incurred in the physicaI process ofproduction." Cheung (1987, S. 56). 26

Commons (1931, S. 652).

27 Eggertsson (1990, S. 193). Vgl. auch Alchian I Demsetz (1972), Cheung (1983), Jensen I Meckling (1976) sowie Wiggins (1991).

26

H. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

kosten nichts anderes als die Kosten der Kontrolle von Verträgen, die zuvor zwischen Tauschenden am Markt geschlossen wurden. Mit anderen Worten: Die Koordinationskosten von Unternehmen sind die Kontrollkosten der Erfüllung von Arbeitsverträgen und insofern Teil der Transaktionskosten, als sie Ressourcen darstellen, die für die rechtliche Transformation der Arbeitskraft aufgewendet werden müssen. Trotz dieser Gemeinsamkeit zwischen Transaktion und Koordination bleibt es sinnvoll, beide Aktivitäten auch in bezug auf die Transaktionskosten weiterhin zu unterscheiden. Von externen Transaktionskosten wollen wir im folgenden dann sprechen, wenn wir auf den Tausch von Verfügungsrechten zwischen selbständigen Wirtschaftseinheiten am Markt abstellen, und von internen Transaktionskosten, wenn damit Transaktionen im Sinne der Koordination des internen Unternehmensablaufs gemeint sind. 28

b) Zur empirischen Relevanz von Transaktionskosten

Eine Theorie kann nur dann gehaltvoll sein, wenn zumindest ein Teil ihrer Hypothesen einer empirischen Prüfung zugänglich gemacht werden kann. Es ist deswegen ein bedenkenswerter Einwand, wenn Kritiker der Transaktionskostentheorie immer wieder den Vorwurf erheben, daß selbst dann, wenn es gelänge, Transaktionskosten theoretisch eindeutig abzugrenzen und zu definieren, sie empirisch nicht erfaßt werden könnten. 29 Vertreter der Transaktionskostentheorie antworten auf diese Kritik zuweilen mit dem "great heuristic value" von Transaktionskosten. 3o Dieser zeige sich darin, daß das Bestehen 2K Der Unterschied zwischen externen und internen Transaktionskosten kann auch durch andere Begriffiichkeiten zum Ausdruck gebracht werden. Demsetz (1988) und Wieland (1993) beispielsweise bezeichnen die internen Transaktionskosten als "management costs". Bössmann (1982, S. 665) hat demgegenüber eine Klassifikation nach Koordinations-, Organisations- und Transaktionskosten vorgeschlagen: "Da dies rur die weitere Diskussion wesentlich ist, werden wir die Bezeichnung 'Koordinationskosten' als Oberbegriff verwenden, den Begriff 'Transaktionskosten' auf die Kosten der Koordination über Märkte beschränken und davon insbesondere 'Organisationskosten' als Kosten der im Rahmen einer Unternehmung erfolgenden ökonomischen Koordination unterscheiden."

29 So u.a. Buchanan (1984), Gäfgen (1984), Krüsselberg, H.G. (1986), Krüsselberg, U. (1992, S. 231-239), Schmidt (1992) sowie Schneider (1985). 30 "Whether measured or not, transaction costs have great heuristic value. lndeed, the concept of transaction costs is crucial to any acceptable interpretation of how a capitalist market economy actually functions. To see the truth of this judgement, it is only necessary to consider a world in

I. Theorie und Empirie

27

von ökonomischen Institutionen wie Geld, Unternehmen und Verträgen ohne Transaktionskosten nicht erklärt werden könne. Gäbe es nämlich keine Transaktionskosten - so das Argument -, wären ökonomische Institutionen obsolet, weil es gerade die Funktion von Institutionen sei, Transaktionskosten einzusparen. Die Existenz von Institutionen zeige also - so der Schluß -, daß Transaktionskosten empirisch signifikant sind, unabhängig davon, ob und wie sie gemessen werden können. Nun ist es sicherlich nicht zu bestreiten, daß ein enger Zusammenhang zwischen Transaktionskosten und Institutionen existiert. Nicht erst die Neue Institutionenökonomik hat diesen Zusammenhang herausgearbeitet. Insbesondere von der Theorie des Geldes haben wir gelernt, daß die Institution des Geldes in ihrer Funktion als Medium des Tauschs ein ökonomisches Instrument ist, um Transaktionskosten einzusparen. 31 Ein allgemeines Äquivalent reduziert im Vergleich zu einer NaturaItauschwirtschaft die Anzahl der zu bestimmenden relativen Preise und entbindet die Tauschenden darüber hinaus von der Notwendigkeit, eine doppelte Koinzidenz ihrer Tauschwünsche herzustellen. Andererseits muß aber auch bedacht werden, daß selbst dann, wenn wir davon ausgehen dürfen, daß der Schluß von Institutionen auf Transaktionskosten erlaubt ist, das Problem bleibt, daß die über die Existenz von Institutionen zum Ausdruck gebrachte allgemeine Signifikanz von Transaktionskosten noch nichts darüber aussagt, ob konkrete Hypothesen, die auf Basis der Transaktionskostentheorie behauptet werden, auch empirisch prütbar sind. Um zwei Beispiele zu nennen: Wenn Coase und WiIliamson die These aufstellen, daß die Entscheidung von Unternehmen über vertikale Integration oder vertikale Desintegration ceteris pari bus von der Höhe der Transaktionskosten abhängt, muß es möglich sein, diese These dadurch zu überprüfen, daß die Höhe der Transaktionskosten zumindest approximativ geschätzt wird. 32 Oder wenn North behauptet, Transaktionskosten seien ein limitierender Faktor wirtschaftlicher Entwicklung, muß gleichsam ein quantifizierbares Maß angegeben werden, weIches uns erlaubt, die diesem Schluß zugrunde liegende Hypothese

which transaction costs (... ) are zero. In such a "frictionless" world, even basic institutions ( ... ) become irrelevant. The abstract neoclassical model may have its uses but insofar as it ignores transaction costs it ignores a fundamental feature of reality. Thus, neither economic behavior nor institutional arrangements can be understood adequately without attention to transaction costs." Furubotn / Richter (1991, S. 11). 31

Vgl. beispielsweise Niehans (1971), Ostroy (1973) sowie Starr (1972).

J2

Vgl. Kapitel II.3.a.

28

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

steigender Transaktionskosten zu überprüfen. 33 Nur dann, wenn solche konkreten Falsifikationsversuche möglich sind, können wir wirklich von einer gehaltvollen Theorie sprechen, d.h. von einer Theorie, die auf die Erklärung der Realität zielt. 34 Tatsächlich sind auch Anstrengungen unternommen worden, Transaktionskosten konkret zu quantifizieren. Dabei lassen sich je nach Geltungsbereich, Methodik und empirischer Operationalisierung von Transaktionskosten drei Ebenen unterscheiden: einzelne Fallstudien, Messung von Transaktionsdimensionen auf mikroökonomischer Ebene, Gewichtung eines Transaktionssektors auf makroökonomischem Niveau und Deutung dessen Ressourcenverbrauchs als die aggregierten Transaktionskosten einer Volkswirtschaft. 35 Ein frühes Beispiel einer Fallstudie ist die Untersuchung von Demsetz (1968) über die Höhe der Transaktionskosten an der New Yorker Börse. Demsetz definiert Transaktionskosten als die Kauf- bzw. Verkaufskosten der gehandelten Vermögenstitel, vorzugsweise Aktien und festverzinslicher Wertpapiere. Ihre Höhe wird ermittelt als die Summe aus der Makler-Courtage "brokerage fee" und der Differenz "ask-bid spread" zwischen Ankaufs- (Geldkurs) und Verkaufspreis (Briefkurs) der gehandelten Papiere. Demsetz kann zeigen, daß im Durchschnitt 1,3 Prozent des Werts der gehandelten Titel Transaktionskosten sind. Allerdings zeigt die Studie auch - ein Umstand, der im Zusammenhang mit der Northschen Theorie wieder an Bedeutung gewinnen wird -, daß mit wachsendem Transaktionsvolumen selbstverständlich die Summe der Transaktionskosten steigt, die Transaktionskosten pro Transaktion jedoch sinken. Eine neuere Fallstudie berechnet nicht Transaktionskosten, sondern prognostiziert die Einsparung von Transaktionskosten, die mit der Etablierung einer einheitlichen Währung im Rahmen des gemeinsamen europäischen Marktes verbunden sein sollen. 36 Dabei wird insbesondere an den Wegfall von Umtauschkosten, den Wegfall der Kosten fur Informationsbeschaffung über zukünftige Wechselkursänderungen sowie an den Wegfall der Kosten der Absicherungen gegenüber Wechselkursrisiken gedacht. In der Summe beläuft sich die Prognose auf eine geschätzte Transaktionskostenersparnis zwischen 13,1 und 19,2 Milliarden ECU jährlich. Im Durchschnitt entspricht dies in etwa

33

Vgl. Kapitel 111.

"Ein empirisch-wissenschaftliches System muß an der Erfahrung scheitern können." Fleischmann (1966, S. 14); vgl. auch Kaldor (1972, S.1237). 34

35

Vgl. Hammes I Poser (1992).

36

Vgl. Emerson et al. (1991, S. 277-295).

I. Theorie und Empirie

29

einem Anteil von 0,4 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Gemeinschaft. Auf der mikroökonomischen Unternehmensebene scheitert eine direkte Messung von Transaktionskosten nach wie vor daran, daß das Instrument des betrieblichen Rechnungswesens sich weitgehend auf die Erfassung der Produktionskosten konzentriert, die entweder nach dem Verursachungs- oder nach dem Tragfahigkeitsprinzip den Produkten oder Produktgruppen zugeordnet werden. Transaktionskosten bleiben in der Regel ein unausgewiesener Teil der Gemeinkosten. Erst in jüngerer Zeit sind theoretische und empirische Konzepte entwickelt worden, die es erlauben sollen, Transaktionskosten auf der Unternehmensebene zu erfassen. 37 Die empirische Unternehmensforschung versucht diesen Mangel dadurch auszugleichen, daß sie nicht direkt Transaktionskosten, sondern indirekt beobachtbare Transaktionsdimensionen quantifiziert, um von diesen dann auf die Höhe der Transaktionskosten zu schließen. Eine solche Vorgehensweise folgt den theoretischen Vorgaben Williamsons, der - wie wir unter dem Punkt 11.3.a noch genauer sehen werden - einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Transaktionsdimensionen Spezifität, Unsicherheit sowie Häufigkeit und den Transaktionskosten unterstellt. Seine These ist: Je stärker die Ausprägung der Transaktionsdimensionen, um so höher die Transaktionskosten und vi ce versa. Hohe Spezifität, große Unsicherheit und oftmalige Wiederholung von Transaktionen fördern vertikale Integration, die Transaktionskosten spart. Die bisher vorliegenden Studien konnten diese These nicht falsifizieren. 38 So konnte Joskow (1985, 1987) in einer komparativen Untersuchung für amerikanische Energieversorgungsunternehmen belegen, daß identische Produktionsstufen in verschiedenen Unternehmen entweder unternehmens intern oder unternehmens extern abgewickelt wurden. In den ersten Fällen waren die Transaktionsdimensionen insbesondere die der Spezifität - tatsächlich jeweils deutlich stärker ausgeprägt als in den Fällen, in denen die betrachtete Produktionsstufe extern durchgeführt wurde. Ähnliche Resultate finden sich bei Teece (1976) über die vertikale Integration in der US-amerikanischen Erdölindustrie, in der Untersuchung von Klein, Crawford und Alchian (1978) in ausgewählten Unternehmen der Automobilindustrie der USA - deren Ergebnisse später von Masten, Meehan und Snyder (1989) bestätigt wurden - sowie in der Untersuchung von Masten

37 Vgl. insbesondere Albach (1988), Picot (1985, 1991), Picot! Schneider (1988) sowie Picot! Schneider / Laub (1989). 3M

Eine Übersicht vermittelt Perry (1988).

30

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

(1984) über die amerikanische Raumfahrtindustrie. Schließlich wurde die Theorie Williamsons auch durch Untersuchungen gestützt, die Picot in der Bundesrepublik Deutschland über die Leistungstiefe von Unternehmen, insbesondere des Handels, durchgeführt hat. 39 Einen anderen Weg, Transaktionskosten zu quantifizieren, haben Wallis und North (1986) gewählt. Wie im III. Kapitel noch ausführlich diskutiert werden wird, transformiert die Wallis-North-Studie den mikroökonomisch angelegten Begriff der Transaktionskosten auf die makroökonomische Ebene, indem der Wert des Outputs - konkret die Bruttowertschöpfung - eines noch näher zu bestimmenden Transaktionssektors als die Summe des Wertes der Inputs verstanden wird, die eine Volkswirtschaft insgesamt aufwenden muß, um ihre Transaktionen abzuwickeln. Mit anderen Worten: Der Output des Transaktionssektors wird interpretiert als die aggregierten Transaktionskosten einer Volkswirtschaft. Quantitativ zeigt die Studie, daß, ausgedrückt als prozentualer Anteil am gesamten Sozialprodukt der USA, die Bruttowertschöpfung des Transaktionssektors von 26,1 Prozent im Jahr 1870 auf 54,7 Prozent im Jahr 1970 gestiegen ist und damit gleichsam auch die über die gesamte Volkswirtschaft aggregierte Summe der Transaktionskosten.

c) Der theoretische Charakter von Transaktionskosten

Transaktionskosten wurden für die ökonomische Theorie insbesondere durch die Arbeiten von Coase, Williamson und North fruchtbar gemacht. Die Vorstellung von Transaktionskosten jedoch war schon in der Klassischen Politischen Ökonomie vorhanden, ohne daß diese über den strengen Begriff verfugte. Von Adam Smith wissen wir, daß er zwischen der Größe eines Marktes und den auf ihm herrschenden Tauschbedingungen einen signifikanten Zusammenhang sah. 40 Je schlechter die Tauschbedingungen, - Smith nennt das schottische Hochland - um so kleiner das Tauschvolumen und vice versa: "In the lone houses and very smaJl villages which are scattered about in so desert a country as the Highlands of Scotland, every farmer must be butcher, baker and brewer fOT his own family.,,41

39

Vgl. Picot (1986) sowie Kirchner / Picot (1987).

40

Vgl. Smith (1976 [1776], Kap. I.iii und Kap.l.iv).

41 Smith (I976 [1776], S. 255).

I. Theorie und Empirie

31

Als Determinanten der Tauschbedingungen und damit implizit der Transaktionskosten bezeichnet Smith die Transportbedingungen, die Entwicklung eines allgemeinen Äquivalents sowie geographische Gegebenheiten. Mutatis mutandis antizipiert Smith mit dieser Argumentation einen zentralen Gedanken der Northschen Theorie: Insofern Transaktionskosten die Marktgröße bestimmen und diese ihrerseits - vermittelt über Arbeitsteilung - die Produktivität der Produktion, haben Transaktionskosten einen mittelbaren Einfluß auf das Wachstum von Volkswirtschaften. Möglicherweise begrenzen zu hohe Transaktionskosten die Größe der Märkte und die Größe der Märkte ihrerseits das Niveau der Arbeitsteilung, was schließlich zurückwirkt auf die Produktivität und damit das Wachstum von Volkswirtschaften. 42 Auch Karl Marx war sich bewußt, daß Tauschvorgänge nicht reibungs- und friktions los vonstatten gehen. Vielmehr seien Zirkulationskosten erforderlich, um den Austausch der Waren zu organisieren. 43 Die Marxsche Konzeption ist vor allem deswegen interessant, weil sie über den theoretischen Charakter von Transaktionskosten bzw. Zirkulationskosten aufklärt. Unter Zirkulationskosten verstand Marx den Aufwand für Kaufen und Verkaufen, Transport und Vorratshaltung sowie Kalkulation und Verwaltung. Aufgrund seiner werttheoretischen Fixierung hielt Marx Zirkulationskosten für weniger wichtig als Produktionskosten. 44 Sie schafften "weder Wert noch Produkt", seien "unproduktive Arbeit" und gehörten zu den "faux frais der Produktion".45 Es fällt auf, daß Marx mit dieser Charakterisierung von Zirkulations- bzw. Transaktionskosten als "unproduktive Arbeit" auf die Position der Physiokraten um Quesnay zurückkehrt. 46 Schon Smith hingegen, der ebenfalls das Konzept der "unproduktiven Arbeit" gebrauchte, ging davon aus, daß die Kosten des Handels weit davon entfernt sind, unproduktiv zu sein. Handel - so Smith - sei für den Wohlstand der Nationen genauso so wichtig wie Landwirtschaft, Industrie und Handwerk. "Unproduktiv" sei nur jene Arbeit, die, wie beispielsweise persönliche Hausdienste, den Reichtum der Gesellschaft im ganzen

42

Vgl. Kapitel III.2.

43

Vgl. Marx. (1975 [1893], Kap. 6).

44

Zur Marx.schen Werttheorie und ihren Problemen vgl. beispielsweise Feess-Dörr (1989).

4;

Marx. (1975 [1893], S. 134).

"Les frais de ce commerce quoique necessaires, doivent etre regardes comme une depense onereuse, prelevee sur le revenu des proprietaires des terres." Quesnay (1966 [1759], S. 71). Zu der Diskussion um den Begriff der "unproduktiven Arbeit" in der Klassischen Politischen Ökonomie vgl. Dobb (1977, S. 70-75) sowie Montani (1987). 46

32

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

nicht erhöhten. 47 Ein weiterer erstaunlicher Punkt ist, daß es paradoxerweise Marx selbst ist, der den entscheidenden Hinweis gibt, warum Transaktionsaktivitäten nicht nur keine "unproduktive Arbeit" verkörpern, sondern ganz im Gegenteil sogar die gesellschaftliche Produktivität erhöhen. Transaktionsaktivitäten - so lesen wir - seien notwendiger Bestandteil des ökonomischen Reproduktionsprozesses. Die Transaktionsagenten, die die Transaktionen organisierten, produzierten mit ihren Aktivitäten zwar keine zusätzlichen physikalischen Warenmengen, wohl aber verminderten sie den Anteil an Arbeit, der in Zirkulationsaktivitäten gebunden sei: "Wir wollen ( ... ) annehmen" - heißt es bei Marx, das Argument illustrierend "dieser Agent zum Kaufen und Verkaufen sei ein Mann, der seine Arbeit verkauft. ( ... ) Er verrichtet eine notwendige Funktion, weil der Reproduktionsprozeß selbst unproduktive Funktionen einschließt. (... ) Sein Nutzen besteht nicht darin, eine unproduktive Funktion in eine produktive zu verwandeln oder unproduktive Arbeit in produktive. ( ... ) Sein Nutzen besteht vielmehr darin, daß ein geringerer Teil der Arbeitskraft und Arbeitszeit der Gesellschaft in dieser unproduktiven Funktion gebunden wird. ,,48

Einerseits spricht Marx also davon, daß Zirkulationskosten die Kosten "unproduktiver Arbeit" seien. Andererseits spricht er aber auch davon, daß die Aktivitäten von Transaktionsagenten die Produktivität der Gesamtwirtschaft erhöhten. Möglichweise läßt sich dieses Paradoxon auflösen, unterstellt man, daß Marx implizit zwei Fragen gleichzeitig diskutierte. Einerseits das Verhältnis zwischen Produktions- und Transaktionsaktivitäten und die Wirkung dieses Verhältnisses auf den materiellen Reichtum einer Nation und andererseits das Verhältnis zwischen Produzenten und Intermediären. Die These der "unproduktiven" Arbeit bezöge sich dann auf die erste Frage und meint, daß der materielle Reichtum einer Nation um so höher ist, je mehr Ressourcen ceteris paribus für Produktions- statt für Transaktionsaktivitäten eingesetzt werden. Die These der Produktivitätserhöhung hingegen ziele auf das Verhältnis von Produzenten und Intermediären. Sie läßt sich dann dahingehend interpretieren, daß die Tätigkeit von Transaktionsspezialisten die Produktivität einer Volkswirtschaft erhöht, weil Intermediäre produktiver als Produzenten Transaktionen • • 49 organISIeren. 47 ,,( ... ) I have c1assed artificers, manufactures and merchants, among the productice labourers, and menial servants among the barren or unproductive." Smith (1976, [1776], S. 675); vgl. auch Smith (1976 (1776), Kap. IV. ix). 4H

Marx (1975 [1893], S. 133-134).

49

Eine These, die die modeme betriebswirtschaftlichen Theorie teilt; vgl. GUmbel (1985).

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

33

Die These, daß nur die materieIle Produktion produktiv sei und die immaterielle unproduktiv, berührt die Frage, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Produktions- und Transaktionskosten bestehen. 50 Tatsächlich unterscheiden sich Produktions- von Transaktionskosten dadurch, daß sich Produktionskosten im Preis materieIler Waren verkörpern, während sich Transaktionskosten im Preis von immaterieIlen Gütern zeigen. Mittels Produktionskosten werden Waren produziert, mittels Transaktionskosten dann der Kauf und Verkauf dieser Waren organisiert. Produktion und Transaktion sind also unterschiedliche Aktivitäten. Dieser Unterschied bedeutet aber andererseits nicht, daß Produktion und Tausch in einer hierarchischen Beziehung zueinander stünden. Vielmehr sind Produktion und Tausch komplementäre ökonomische Aktivitäten. Sie sind die zwei Seiten des ökonomischen Produktionsund Reproduktionsprozesses. Tausch setzt Produktion voraus, aber ohne Tausch auch keine arbeitsteilig organisierte Produktion. Insofern sind Transaktionskosten genausowenig "unproduktiv" wie Produktionskosten.

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht Mit der Definition von Transaktionskosten, ihrer empirischen Relevanz und ihrem theoretischen Charakter sind wesentliche Standards der Theorien, die mit Transaktionskosten argumentieren, aufgearbeitet worden. Nun interessiert die Integration von Transaktionskosten in die einzelnen Theorien. Wir beginnen mit der Gleichgewichtstheorie. Im Grunde genommen - darauf hat Wegehenkel (1981) aufmerksam gemacht - dürfte die Gleichgewichtstheorie gar keine Transaktionskosten kennen. Die Prämissen des voIlkommenen Wettbewerbs - wohl definierte Eigentumsrechte, atomistische Marktstruktur, homogenes Güterangebot und vollständige Information - stellen sicher, daß die Preise der Güter die Pläne von Anbietern und Nachfragern reibungslos koordinieren. Zusätzliche Ressourcen für die Organisation von Transaktionen, wie Informations- und Kommunikationsaktivitäten, werden nicht benötigt. Wenn im Gleichgewicht aber keine Transaktionskosten vorliegen - könnte man im Umkehrschluß folgern - sind Transaktionskosten ein Ungleichgewichtsphänomen:

50

Vgl. Marx (1975 [1893], Kap. 6)

3 Löchel

34

". Transaktionskosten und ökonomische Theorie

"Wenn man die These aufstellt, auf einem bestimmten potentiellen Markt wären die Transaktionskosten zu hoch, als daß er 'funktionieren' könnte, kommen als Transaktionskosten offenbar keine Kostentypen in Betracht, die im fiktiven Gleichgewicht anfallen würden. Denn die Existenz eines Gleichgewichts wäre unmittelbar der Beweis für die Koordinationskraft des betreffenden Marktes. (... ) Transaktionskosten sind im Kontext eines Marktsystems offenbar Kosten, die im Ungleichgewicht aufgewendet werden müssen, damit eine Tendenz zum Gleichgewicht entsteht, und die irrelevant würden, sollte das Gleichgewicht jemals eintreten.,,51

Einem solchen Schluß steht allerdings der von Foley geführte Nachweis gegenüber, daß auch mit Transaktionskosten ein allgemeines Gleichgewicht existiert, das dem von Arrow und Debreu (1954) entwickelten äquivalent ist. 52 Dieser Widerspruch - Transaktionskosten als notwendige Folge der Prämissen der Gleichgewichtstheorie einerseits und die Existenz eines allgemeinen Gleichgewichts mit Transaktionskosten unter den gleichen Prämissen andererseits - löst sich auf, berücksichtigt man den rein formalen Charakter der Gleichgewichtstheorie. Transaktionskosten werden von der Gleichgewichtstheorie analytisch integriert, ohne inhaltlich zu reflektieren, daß dies auf die Prämissen der Analyse zurückwirken muß. Das prägnanteste Beispiel hierfür ist wohl die Annahme vollkommener Information. Hätten die Akteure tatsächlich keine Informationsdefizite - wie auch die Gleichgewichtstheorie mit Transaktionskosten unterstellt -, benötigten sie auch keine Ressourcen, um ihre Transaktionen abzuwickeln. Wenn nämlich apriori jeder Alles über Alle weiß, ist es evident, daß Informations- und Kommunikationsaktivitäten des Tauschs von Verfügungsrechten überflüssig sind. So auch von Weizsäcker: "Indeed, what I want to say is that transaction costs are zero so long as only routine transactions take place which are identical to the corresponding transactions of the previous year. ( ... ) Transaction costs are relevant ( ... ) only if we live in a world of change.,,53

Wenn wir trotz dieser Erkenntnis mit dem partialanalytischen Modell von Hirshleifer ein Modell diskutieren, daß sowohl vollkommene Konkurrenz wie Transaktionskosten unterstellt, dann deshalb, weil es uns später helfen wird, die 51 Wegehenkel (1981, S. 19). 52 Vgl. Foley (\970) sowie Kurz (1974a; 1974b). Der Unterschied zwischen Foley und Kurz besteht darin, daß ersterer unterstellt, Transaktionen wUrden nur von eigenständigen Intermediären durchgeführt, während letzterer annimmt, daß die Haushalte selbst Uber die Transaktionstechnologien verfügen. An der Existenz und der Stabilität eines allgemeinen Gleichgewichts ändert diese unterschiedliche Vorgehensweise nichts; vgl. auch Richter (\ 990a, Kap. 3) sowie Ulph I Ulph (\ 975).

53

Von Weizsäcker (\991, S. 102); vgl. auch Streit! Wegner (1989; 1992).

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

35

Northsche Theorie besser zu verstehen. Hinreichend hohe Transaktionskosten - so zunächst die Erkenntnis der statischen Theorie - sind eine Restriktion, die rational handelnde Individuen davon abhalten kann, arbeitsteilige Tauschbeziehungen einzugehen. Die Integration von Transaktionskosten in die Gleichgewichtstheorie hat auch die Frage aufgeworfen, ob Gleichgewichte mit Transaktionskosten ebenso effizient sind wie Gleichgewichte ohne Transaktionskosten. Überraschenderweise gehen in diesem Punkt die Ansichten auseinander. Auch dies hängt im wesentlichen damit zusammen, daß aus formalen Eigenschaften auf inhaltliche Charakteristika geschlossen wird. Verläßt man hingegen den Boden rein formaler Überlegungen, so kann kein Zweifel bestehen, daß auch Gleichgewichte mit Transaktionskosten ebenso effizient sind wie Gleichgewichte ohne Transaktionskosten; es sei denn, daß die Höhe der Transaktionskosten den Akteuren im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht bekannt ist. Dann aber sind es nicht die Transaktionskosten, sondern die Unsicherheit über ihre Höhe, die eine Pareto-relevante Externalität verursachen können. Wir diskutieren zunächst den Zusammenhang von Transaktionskosten und Arbeitsteilung und untersuchen sodann die Effizienz von Gleichgewichten mit Transaktionskosten.

a) Die Unvorteilhaftigkeit des Tauschs: Das partialanalytische Modell von Hirshleifer

Ein wesentliches Merkmal wirtschaftlicher Entwicklung - wenn nicht gar ihre Voraussetzung - ist die Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung. Einerseits differenzieren sich selbständige wirtschaftliche Einheiten aus, andererseits Funktionen und Berufe innerhalb dieser Einheiten. Im ersten Fall handelt es sich typischerweise um die Ausdifferenzierung von Unternehmen, d.h. um horizontale Arbeitsteilung; im zweiten - der Ausdifferenzierung von Berufen - um funktionale Arbeitsteilung. 54 Grundsätzlich interpretiert die ökonomische Theorie die Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung als einen Ausdruck wirtschaftlichen Fortschritts. Für Adam Smith war Arbeitsteilung die Basis eines an Produktivitätsfortschritten orientierten Wachstumsprozesses. 55 David Ricardo begründete mit seiner Theorie der komparativen Kosten die Vorteilhaftigkeit von Arbeitsteilung im internationalen Han54

Vgl. Groenewegen (1987).

55

Vgl. Smith (1976 [1776). Kap. Li -l.iii).

36

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

del. 56 Nicholas Kaldor schließlich sah in der mit der modemen Industrie verbundenen Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung die Quelle steigender Skalenerträge. 57 Von einer solchen Sicht der Dinge gibt es in der ökonomischen Theorie nur eine Ausnahme. Dies ist die Thematisierung der Gefahr der Entfremdung der Produzenten von ihrem Produktionsgegenstand durch Arbeitsteilung und Spezialisierung. 58 Schon Adam Smith hatte diese Schwierigkeit vorhergesehen: Durch die Reduktion ursprünglich zusammengefaßter Tätigkeiten auf monotone Wiederholungen ein und desselben Arbeitsvorgangs stumpften die Arbeiter geistig und körperlich ab, was nicht nur ihrer Rolle als Staatsbürger abträglich sei, sondern auch der Arbeitsproduktivität entgegenwirke. Als Gegenmaßnahme schlug Smith den Ausbau des staatlichen Erziehungswesens vor, insbesondere seine Ausweitung auf die arbeitende Bevölkerung. 59 Karl Marx hat dann die Smithsche Problematisierung der Arbeitsteilung wieder aufgegriffen und radikalisiert. Arbeitsteilung ruhre nur in der kapitalistischen Produktionsweise zur Entfremdung, weil sich in ihr "alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters" vollzögen. 6o Ob die Gegensätze oder die Gemeinsamkeiten in der Beurteilung der Arbeitsteilung durch Smith und Marx überwiegen, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. 61 Abgesehen aber von dieser Thematik, wurde Arbeitsteilung und Spezialisierung ausnahmslos vorteilhaft eingeschätzt. Eine solche Sichtweise spiegelt die Vorstellung wider, daß horizontale wie funktionale Arbeitsteilung die Produktivität innerhalb des Produktionsprozesses erhöht und daher die Produktionskosten senkt. Arbeitsteilung und Spezialisierung lassen sich aber auch aus einer anderen Perspektive betrachten. Arbeitsteilung senkt nämlich nicht nur die Produktionskosten, Arbeitsteilung verursacht auch Transaktionskosten. Horizontale Arbeitsteilung regelt den Austausch zwischen selbständigen Wirtschaftseinheiten, funktionale Arbeitsteilung die Koordination innerhalb 56

Vgl. Ricardo (1951 [1821], Kap. 17).

Vgl. Kaldor (1972). Kaldor beruft sich aufYoung (1928), der die These steigender Skalenerträge in der von Sraffa (1986 [1925], 1926) initiierten Skalenertragsdebatte vertrat. Zur Skalenertragsdebatte vgl. KapiteIIlJ.a. 57

58

Vgl. beispielsweise Roncaglia (1987, Kap. 20) oder Samuelson (1981, S. 79).

59

Vgl. Smith (1976 [1776], S. 781-782).

60

Vgl. Marx (1975 [1890], S. 674).

61

Vgl. West (I964), Rosenberg (1965) und Hagemann (1990).

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

37

solcher Einheiten. Horizontale Arbeitsteilung verursacht also externe Transaktionskosten, während funktionale Arbeitsteilung zu internen Transaktionskosten führt. 62 Möglicherweise verursachen Arbeitsteilung und Spezialisierung solch hohe Transaktionskosten, daß sie unvorteilhaft werden, obwohl Arbeitsteilung und Spezialisierung weiterhin die Produktionskosten senken. Ein solches Resultat ist aus der Perspektive von Theorien, in denen Transaktionskosten abwesend sind, nicht zu akzeptieren. Es bedeutet nämlich, daß Tausch und Spezialisierung Nicht-Tausch und Nicht-Spezialisierung unterlegen sind. Ein traditionelles Ergebnis der ökonomischen Theorie würde somit in Frage gestellt. Wie es dennoch dazu kommen kann, soll im folgenden anhand des Modells von Hirshleifer diskutiert werden. 63 Die These ist: Hinreichend hohe Transaktionskosten machen arbeitsteilig organisierte Tauschbeziehungen für ökonomische Akteure unvorteilhaft. Hirshleifer geht von der einfachen Annahme aus, daß Transaktionskosten nur proportional zur ausgetauschten Menge anfallen. 64 In diesem Fall führen sie entweder dazu, daß die Gleichgewichtspreise der Güter steigen, oder aber zu einer Preisspaltung in Kauf- und Verkaufspreis. In beiden Fällen reduzieren Transaktionskosten - ganz in Analogie zu einer Stücksteuer - die ausgetauschten Mengen. 6s 62 Bezüglich des Zusammenhangs von funktionaler Arbeitsteilung und Transaktionskosten vgl. beispielsweise Holmstroml Tirole (\989) sowie Radner (1992). Bezüglich der horizontalen Arbeitsteilung greift Matthews (\ 986) auf das historische Beispiel der Ablösung der um die Familie zentrierten Produktion durch Manufakturen im Zuge des sich entwickelnden Kapitalismus zurück. Durch die Auflösung persönlicher Netzwerke und die Einfllhrung unpersönlicher Tauschbeziehungen hätte sich der Aufwand fllr Transaktionsaktivitäten enorm erhöht. 63 Vgl. Hirshleifer (\984, Kap. 13); vgl. auch Bössmann (1982) sowie Niehans (1987). Wenn wir von einem "Hirshleifer-Modell" sprechen, sollte dies nicht mit dem "Hirshleifer-Modell" verwechselt werden, das insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre Anwendung findet und als Widerlegung des Seperationstheorems von Fisher bekannt geworden ist; vgl. beispielsweise Breuer (\ 993). Dieses "Hirshleifer-Modell" bezieht sich auf Hirshleifer (1958), wo dieser zeigen konnte, daß das Ergebnis von Fisher - individuelle Konsum- und Investitionsentscheidungen sind unabhängig voneinander - nicht mehr gilt, wenn die Annahme eines uniformen Kapitalmarktzinses aufgegeben wird. Wir beziehen uns hier hingegen auf Hirshleifer (\ 984). 64 Hirshleifer berücksichtigt also nur variable und keine fixen Transaktionskosten. Der Grund fllr ein solches Vorgehen ist, daß fixe Kosten regelmäßig mit steigenden Skalenerträgen verbunden sind und diese mit nicht mehr eindeutigen Gleichgewichten. Zu den Problemen konkaver Transaktionstechnologien vgl. beispielsweise Heller (\ 972).

65 Genauso wie StUcksteuem - vgl. Andel (\ 983, S. 158-170) - haben proportionale Transaktionskosten neben dem Mengen- auch einen Preiseffekt. Grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen dem Preis- und dem Mengeneffekt abhängig von der Elastizität der Nachfrage bzw. der

38

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

p

N

A'

A

p'

pv

o~----------~----~--------------~

qT

q'

q

Figur I: Das partielle Gleichgewicht mit Transaktionskosten

Figur 1 systematisiert die Vorstellung von Hirshleifer. Sie zeigt gewöhnliche Angebots- (A) und Nachfragekurven (N) rur einen polypolistischen Markt im Rahmen eines Preis (p) -Mengen (q) -Diagramms. Die Einruhrung von Transaktionskosten kann nun einerseits durch eine Parallelverschiebung der Angebotskurve zum Ausdruck gebracht werden; beispielsweise von (A) auf (A'). In diesem Fall wird angenommen, daß Transaktionskosten die Kosten jeder Mengeneinheit des Outputs bei den Produzenten um einen bestimmten, Elastizität des Angebots. Für proportionale Transaktionskosten bedeutet dies: Ist die Nachfrage völlig unelastisch und das Angebot elastisch, erhöhen Transaktionskosten nur den Preis, haben aber keinen Mengeneffekt. Bei einer völlig elastischen Nachfrage hingegen bleibt der Preis konstant und Transaktionskosten haben nur eine Mengenwirkung. Ist umgekehrt das Angebot völlig elastisch und verläuft die Nachfragekurve nonnal, haben Transaktionskosten sowohl einen Preiswie einen Mengeneffekt: Der Gleichgewichtspreis steigt und die Menge sinkt. Bei einem völlig unelastischen Angebot schließlich bleiben trotz Transaktionskosten Preis und Menge konstant. In diesem Fall sind es ausschließlich die Unternehmen, die die Transaktionskosten über einen geringeren Gewinn zu tragen haben. Für nonnal verlaufende Nachfrage- und Angebotskurven wie in Figur 1 ist die Mengeneinschränkung von Transaktionskosten um so größer, je kleiner die Steigung von Nachfrage- und Angebotskurve, und die Preiserhöhung um so geringer, je kleiner die Steigung der Nachfragekurve und je größer die Steigung der Angebotskurve.

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

39

festen Betrag (t) erhöhen. Die Folge ist, daß der Gleichgewichtspreis ceteris pari bus von (p *) auf (pT) steigt und die ausgetauschte Menge von (q *) auf (qT) sinkt. 66 Transaktionskosten können andererseits aber auch zu einer Aufspaltung des einheitlichen Gleichgewichtspreises in Kauf- und Verkaufspreis ftihren. Dies wird dann der Fall sein, wenn, wie Hirshleifer annimmt, die Transaktionen von zwischen Unternehmen und Haushalten stehenden ökonomischen Einheiten durchgeftihrt werden. Statt der Produzenten verkaufen nun Intermediäre die Güter an die Haushalte. Transaktionskosten stellen nun nicht mehr eine Erhöhung der Grenzkosten der produzierenden Unternehmen dar, sondern sind das Entgelt, das die Intermediäre für ihre Transaktionsaktivitäten erhalten. Wenn wir von diesem Szenario ausgehen - Figur 1 zeigt dies -, so zerfällt der einheitliche Gleichgewichtspreis mit Transaktionskosten (pT) in einen niedrigeren Verkaufspreis (p v) und einen höheren Kaufpreis (pK). Die Verkäufer verkaufen ihre Güter an die Intermediäre zum Verkaufspreis (p v), die Käufer hingegen zahlen an die Intermediäre den Kaufpreis (pK). Die positive Preisdifferenz (pK _ Pv) entspricht den Transaktionskosten pro Mengeneinheit: K

V

t=p -p. Zwischen dem Gleichgewichtspreis ohne Transaktionskosten (p*), dem Gleichgewichtspreis mit Transaktionskosten (pT), dem Kauf- (pK) und dem Verkaufspreis (p v) existieren allgemeine Beziehungen, die ftir unsere Fragestellung von Relevanz sind. Erstens: Der Kaufpreis ist immer größer als der Verkaufspreis. Wäre dies anders, gäbe es entweder keine Transaktionskosten oder aber keine ökonomische Basis ftir das Bestehen von Intermediären: K> V p p.

Zweitens: Der Kaufpreis liegt oberhalb des Gleichgewichtspreises ohne Transaktionskosten und stimmt mit dem Gleichgewichtspreis mit Transaktionskosten überein; vorausgesetzt natürlich, daß in beiden Fällen gleich hohe Transaktionskosten vorliegen. Der Unterschied zwischen dem Kaufpreis (pK) 66 Die Transaktionskosten (t) pro Mengeneinheit sind im neuen Gleichgewicht (pT, qT) größer als die Differenz zwischen dem Gleichgewichtspreis mit Transaktionskosten (pT) und dem Gleichgewichtspreis ohne Transaktionskosten (p*). Dies hängt damit zusammen, daß unter der Annahme steigender Grenzkosten bei einer geringeren Menge auch die Grenzkosten geringer sind.

40

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

und dem Gleichgewichtspreis mit Transaktionskosten (pT) besteht nur darin, daß im ersten Fall bei den Intermediären und im zweiten bei den Produzenten die Transaktionskosten anfallen:

PK =pT >p *. Drittens: Der Verkaufspreis (p v) liegt unterhalb des Gleichgewichtspreises ohne Transaktionskosten (p *). Transaktionskosten reduzieren die ausgetauschte Menge. Die Grenzkosten der Menge (qT) sind geringer als die Grenzkosten der Menge (q*), weil - eine steigende Angebotskurve vorausgesetzt - unter der Bedingung steigender Grenzkosten produziert wird:

Aus der Perspektive eines Marktes fUhren Transaktionskosten zu einer Reduktion der ausgetauschten Mengen; im Beispiel von (q*) auf (qT). Aus der Perspektive eines individuellen Akteurs stellt sich diese Reduktion als eine Einschränkung der Wahlmöglichkeiten dar. Figur 2 zeigt die Wahlmöglichkeiten eines individuellen Akteurs im Rahmen einer Zwei-Güter-Welt (Q), Q2). Ausgehend von der Menge der Erstausstattung (q~, im Punkt (E) existieren ohne Transaktionskosten optimale Tauschmöglichkeiten auf der Budgetgeraden (B'B). Die Menge aller Tauschmöglichkeiten umfaßt den Raum, der durch die Punkte (OB'B) abgesteckt wird. Mit Transaktionskosten hingegen reduziert sich die Menge der Tauschmöglichkeiten auf (OT'ET). Es existieren nun zwei Tauschgeraden - (T'E) und (ET) -, die jeweils unterhalb der Tauschgeraden ohne Transaktionskosten liegen. Dieser Knick in der Tauschgeraden bringt die Preisdifferenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis und damit die Transaktionskosten zum Ausdruck. Dies kann man sich wie folgt klarmachen: Ausgehend von der Erstausstattung (q~, q~) bedeuten Bewegungen in nordwestliche Richtung, daß (QI) verkauft und (Q2) gekauft werden soll. Umgekehrt bedeuten Bewegungen ausgehend von (E) in südöstliche Richtung, daß (QI) gekauft und (Q2) verkauft werden soll. Nun wissen wir aus den vorangegangenen Überlegungen, daß Güter, deren Transaktionen über Intermediäre abgewickelt werden, unterschiedliche Preise haben, je nachdem ob sie ge- oder verkauft werden. Bewegungen in nordwestliche Richtung bedeuten also, daß der relative Preis (pi / p~) relevant ist: (QI) wird verkauft und (Q2) gekauft. Bewegungen in südöstliche Richtung hingegen begründen ein anderes Preis-

qD

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

41

verhältnis. Nun wird (QI) gekauft und (Q2) verkauft. Dementsprechend gilt das Preisverhältnis (p~ I p~). Auf der Budgetgeraden (ET) ist der relative Preis höher als auf der Budgetgeraden (T'E), weil hier der höhere Kaufpreis von (QI) - (PIK) - und der niedrige Verkaufspreis von (Q2) - (p/) - gilt, während auf der Geraden (T'E) der niedrigere Verkaufspreis von (QI) - (pn - und der höhere Kaufpreis von (Q2) - (p~) - ausschlaggebend sind. Die Budgetgerade (ET) verläuft mithin steiler als die Budgetgerade (T'E):

B'

T'

qE 2

qE I

T

B

Figur 2: Der eingeschränkte individuelle Entscheidungsraum

Unabhängig davon, welche der beiden Tauschgeraden mit Transaktionskosten betrachtet wird, verlaufen beide unterhalb der Budgetgeraden ohne Transaktionskosten: (T'E) verläuft flacher als (B'B), (TE) steiler. Der Grund ist folgender: Wie wir gesehen haben, ist auf der Geraden (T'E) der Verkaufspreis von (QI) - (pn - und der Kaufpreis von (Q2) - (p~) - relevant. Aus Gleichung (3) wissen wir, daß der Kaufpreis von (Q2) mit Transaktionskosten

42

H. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

niedriger ist als der Gleichgewichtspreis von (Q2) ohne Transaktionskosten. Gleichung (4) sagte uns umgekehrt, daß der Verkaufspreis von (Q\) niedriger ist als sein Gleichgewichtspreis ohne Transaktionskosten. Dementsprechend muß nordwestlich von (E) die Steigung der Tauschgeraden mit Transaktionskosten (T'E) flacher sein als die Steigung der Tauschgeraden ohne Transaktionskosten (BB), weil der relative Preis bei einem Verklmf von (Q\) und einem Kauf von (Q2) kleiner ist als der relative Preis ohne Transaktionskosten: v

1l 1l. p~

pz

Ausgehend von diesen grundsätzlichen Überlegungen läßt sich nun plausibel machen, warum hinreichend hohe Transaktionskosten eine Restriktion sein können, die ökonomische Akteure davon abhalten, arbeitsteilige Tauschbeziehungen einzugehen. Untersuchen wir zunächst die Bedingungen von NichtTausch in einer Welt ohne Transaktionskosten. Hier ist die Wahrscheinlichkeit, daß ökonomische Einheiten die Möglichkeit des Tauschs nicht wahrnehmen, verschwindend gering. Eine solche Möglichkeit setzt nämlich Präferenzen voraus, die genau mit dem übereinstimmen, was mit den eigenen Produktionsmöglichkeiten produziert werden kann. Betrachten wir zur Erläuterung einen Akteur, der sein Produktions- und Konsumoptimum in einer Zwei-GüterWelt (Q\>Q2) ohne Transaktionskosten bestimmt. Die Kurve (P'P) in Figur 3 beschreibe die Produktionsmöglichkeiten- bzw. Transformationskurve; die Gerade (B'B) bezeichne wiederum die Budget- bzw. Tauschgerade; (10) und (1\) sind Indifferenzkurven entsprechend der Präferenzordnung des Akteurs. Ein Produktionsoptimum ist erreicht, wenn die Steigungen von Transformationskurve (P'P) und Tauschgeraden (B'B) übereinstimmen. Die Grenzrate der

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

43

Transformation entspricht dann dem Preisverhältnis der beiden Güter. Anders beim Konsumoptimum: Dieses ist dann gegeben, wenn die Grenzrate der Substitution, d.h. die Steigung der Indifferenzkurven (10) oder (11), mit der Steigung der Tauschgeraden (B'B), d.h. dem Preisverhältnis, übereinstimmt. Im Rahmen eines solchen Modells ohne Transaktionskosten tauschen Akteure genau dann nicht, wenn das Produktions- und Konsumoptimum in einem Punkt zusammenfallen. Punkt (E) in Figur 3 zeigt einen solchen Punkt. Wir sehen sofort, daß dieser Punkt sehr spezielle Voraussetzungen hat. Der Akteur nimmt nämlich die Tauschmöglichkeiten nur deswegen nicht wahr, weil seine Güterpräferenz - zum Ausdruck gebracht durch die Indifferenzkurve (10) - derart ist, daß sie genau dem entspricht, was er gemäß seiner Produktionsmöglichkeiten produzieren kann. Mit anderen Worten: Produktions- und Konsumoptimum fallen genau dann zusammen, wenn die mit den Produktionsmöglichkeiten erreichbare Erstausstattung beibehalten wird.

P'

I

1

oL-------------------------l---~~

P

B

Figur 3: Individuelles Produktions- und Konsumoptimum ohne Transaktionskosten

Ein solches Arrangement kann aber nur Zufall sein. In der Regel werden von den Produktionsmöglichkeiten abweichende Güterpräferenzen existieren. Produktions- und Konsumoptimum fallen dann auseinander, weil arbeitsteilige Tauschbeziehungen die Situation ökonomischer Einheiten verbessern.

44

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Betrachten wir in Figur 3 die Indifferenzkurve (11)' Das Produktionsoptimum, und damit der Ausgangspunkt für den Tausch, ist weiterhin durch den Punkt (E) gegeben. Das Konsumoptimum hingegen verschiebt sich auf den Punkt (C). Hier tauscht der Akteur - ausgehend von (E) - (QI) gegen (Q2)' Dies bedeutet, daß er mehr Mengen von (QI) produziert als er entsprechend seiner Präferenzen wünscht. Die Differenz zwischen der Tauschgeraden (B'B) und der Transformationskurve (PIP) verstanden als der vertikale Abstand beider Kurven im Intervall nordwestlich von (E) - zeigt, daß diese Überschußproduktion von (QI) und der Tausch dieses Überschusses gegen (Q2) vorteilhafter ist als die Eigenproduktion der gewünschten Menge von (Q2)' Würde der Akteur anders handeln und die gewünschte Menge von (Q2) selbst produzieren, würde er relativ zum Punkt (C) nur inferiore Indifferenzkurven realisieren können. Ausgehend von (E) würde er sich dann nämlich in nordwestliche Richtung entlang der Transformationskurve (PIP) bewegen und damit nur Indifferenzkurven erreichen können, die unterhalb von (11) liegen. Völlig anders stellen sich die Dinge dar, werden Transaktionskosten in die Analyse integriert. Die subjektive Bedingung einer individuellen Präferenz, die genau mit dem zufrieden ist, was sie im Rahmen ihrer Produktionsmöglichkeiten erreichen kann, wird abgelöst durch eine objektive Restriktion. Nun gilt: Auch dann, wenn die Güterpräferenzen nicht mit dem Produktionsoptimum übereinstimmen, kann es vorteilhaft sein, nur für den Eigenbedarf zu produzieren. Anhand von Figur 4 lassen sich die Zusammenhänge erläutern. Die Kurve (PIP) beschreibt wiederum die Transformationskurve. Die Tauschgerade (B'B) wurde ergänzt durch die beiden Tauschgeraden (T'E) und (E'T) mit Transaktionskosten. Die Tauschgerade (T'E) beschreibt eine Situation, in der (QI) verkauft und (Q2) gekauft werden soll. Dementsprechend ist ihre Steigung bestimmt durch das Preisverhältnis der beiden Güter (pi / p~). Umgekehrt beschreibt die Tauschgerade (E'T) eine Situation, in der (QI) gekauft und (Q2) verkauft werden soll. Das gültige Preisverhältnis ist nun (p~ / pi ). Je nachdem von welcher Tauschgerade wir ausgehen, ist ein Produktionsoptimum nun entweder in Punkt (E) oder in Punkt (E') gegeben. Die Behauptung ist nun, daß es auf dem gesamten Kurvenabschnitt zwischen (E) und (E') fllr den individuellen Akteur nicht vorteilhaft ist zu tauschen und daß dieser Kurvenabschnitt um so größer wird, je höher die Transaktionskosten des Tauschs sind.

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

45

T' P'

oL---------------------------~~--~~

P T

B

Figur 4: Individuelles Produktions- und Konsumoptimum mit Transaktionskosten

Betrachten wir zunächst den Punkt (E). Wünscht der Akteur eine größere Menge von (Q2) und eine geringere Menge von (Q\), so bedeutet dies, daß er Güterpräferenzen hat, die nordwestlich von (E) liegen. Wie im Fall ohne Transaktionskosten zeigt der vertikale Abstand zwischen der Tauschgeraden (T'E) und der Transformationskurve in diesem Kurvenabschnitt, daß die Überschußproduktion von (Q\) und deren Tausch in (Q2) vorteilhafter ist als die Eigenproduktion der gewünschten Menge von (Q2)' Allerdings sehen wir auch, daß die Tauschgerade mit Transaktionskosten (T'E) in diesem Intervall eine geringere Steigung hat als die Tauschgerade (B'B) ohne Transaktionskosten. 67 Dies bedeutet, daß Tausch mit Transaktionskosten weniger vorteilhaft ist als ohne Transaktionskosten. Tausch verbessert zwar auch mit Transaktionskosten die Situation ökonomischer Einheiten im Vergleich zu einer Welt ohne Tauschmöglichkeiten; dieser Vorteil wird aber um so geringer, je höhere Transaktionskosten nötig sind, um den Tausch durchzuführen. Mutatis mutandis gilt das gleiche, betrachten wir Bewegungen in südöstlicher Richtung ausgehend von (E'). In diesem Fall wird, gemessen an den Güterpräferenzen, 67

Dies deshalb, weil der relative Preis mit Transaktionskosten (p ~ / p ~ ) bei einem Verkauf

von (Q,) und einem Kauf von (Q2) geringer ist als der relative Preis von (Q,) ohne Transaktionskosten (p, / P2); vgl. Ungleichung (6).

46

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

zuviel (Q2) und zu wenig (Q,) produziert. Die Überschußproduktion von (Q2) ist aber lohnender als die Eigenproduktion von (Q,), weil sie das Erreichen von Indifferenzkurven erlaubt, die auf der Geraden (E'T) liegen. Im Vergleich zu einer Welt ohne Transaktionskosten ergibt sich wiederum, daß die Differenz der beiden Tauschgeraden - und damit die Vorteilhaftigkeit des Tauschs geringer ist als ohne Transaktionskosten. Nun deswegen, weil die Tauschgerade mit Transaktionskosten (E'T) in diesem Intervall eine größere Steigung hat als die Tauschgerade (BB') ohne Transaktionskosten. 68 Interessant ist nun die Frage, wie die Bedingungen sein müssen, damit Transaktionskosten nicht nur - wie bisher - die Vorteilhaftigkeit des Tauschs relativ zu einer Welt ohne Transaktionskosten reduzieren, sondern Tausch direkt unvorteilhaft wird. Eine solche Situation tritt erst dann ein, betrachten wir in Figur 4 entweder ausgehend von (E) Bewegungen in südöstlicher Richtung oder ausgehend von (E') Bewegungen in nordwestlicher Richtung. Im ersten Fall wird dann - relativ zur Anfangsausstattung - eine größere Menge von (Q,) und eine geringere Menge von (Q2) gewünscht; im zweiten Fall umgekehrt weniger (Q,) und mehr (Q2). In beiden Fällen haben wir es mit Güterpräferenzen zu tun, die im Intervall zwischen den Punkten (E) und (E') liegen. Wenn nun ausgehend von (E) mehr Mengeneinheiten von (Q,) und weniger von (Q2) gewünscht werden, ist der relative Preis (p~ / pi) und damit die Tauschgerade (E'T) relevant. Um eine solche Situation zum Ausdruck zu bringen, müssen wir uns eine von (E) ausgehende imaginäre Tauschgerade denken - die gestrichelte Linie in Figur 4 -, die parallel zur Tauschgeraden (E'T) verläuft. Wenn hingegen ausgehend von (E') mehr Mengeneinheiten von (Q2) und weniger Mengeneinheiten von (Q,) gewünscht werden, ist der relative Preis (p~ / p~ ) relevant. Dies entspricht der Steigung der Tauschgeraden (TE). Wir müssen uns also nun eine von (E') ausgehende Tauschgerade - die gepunktete Linie in Figur 4 - vorstellen, die die gleiche Steigung wie die Gerade (TE) aufweist. Formal ist es nun offensichtlich, warum bei Güterpräferenzen, die zwischen den Punkten (E) und (E') liegen, Produktionsautarkie vorteilhafter ist als das Eingehen von Tauschbeziehungen. Unabhängig davon nämlich, welcher relative Preis gültig ist, in jedem Fall liegt die relevante Tauschgerade - die gestrichelte bzw. die gepunktete Linie in Figur 4 - unterhalb der Transformationskurve. Würde der Akteur, statt in Eigenproduktion die gewünschte Men68 Bei einem Kauf von (Q,) und einem Verkauf von (Q2) ist der relative Preis mit Transaktionskosten (p ~ / p ~ ) höher als der Gleichgewichtspreis ohne Transaktionskosten (p, I P2)'

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

47

genkombination von (QI) und (Q2) herzustellen, diese eintauschen, könnte er nur inferiore Indifferenzkurven, d.h. Indifferenzkurven, die unterhalb der Transformationskurve liegen, erreichen. Inhaltlich bringt eine solche Situation zum Ausdruck, daß die Transaktionskosten derart hoch sind, daß sie die Vorteile arbeitsteiliger Tauschbeziehungen überkompensieren. Nehmen wir an um das Argument zu illustrieren -, das relevante Produktionsoptimum sei der Punkt (E). Nun wünsche das Individuum eine bestimmte Menge mehr von (QI)' Dies kann entweder dadurch geschehen, daß es für die gewünschte zusätzliche Menge von (QI) eine bestimmte Menge von (Q2) im Tausch aufgibt oder dadurch, daß es mehr (Ql) und weniger (Q2) produziert. Die Tatsache, daß die Transformationskurve zwischen den Punkten (E) und (E') oberhalb der relevanten Tauschgerade mit dem Preisverhältnis (p~ / pi) verläuft - die gestrichelte Linie in Figur 4 -, bedeutet nun nichts weiter, als daß im Fall des Tausches wegen der Transaktionskosten mehr Mengeneinheiten von (Q2) aufgegeben werden müßten, um die zusätzliche gewünschte Menge von (Ql) zu erhalten, als im Fall der Produktion. Mithin ist es vorteilhafter, die zusätzlich gewünschte Menge von (Ql) selbst zu produzieren, statt sie gegen (Q2) einzutauschen. Erst dann, wenn ausgehend von (E) in südöstlicher Richtung eine Güterkombination gewünscht wird, die jenseits von (E') liegt, wird es bei dem herrschenden Preisverhältnis (p~ / pi) wieder vorteilhaft, einen Überschuß von (Q2) gegen (Ql) zu tauschen. Um die gewünschte zusätzliche Menge von (Ql) zu erhalten, müssen jenseits von (E') in südöstlicher Richtung im Tausch weniger Einheiten von (Q2) aufgeben werden als bei Eigenproduktion. 69 Wenn unsere bisherigen Überlegungen richtig sind, daß nämlich im gesamten Streckenabschnitt zwischen den Punkten (E) und (E') Produktionsautarkie arbeitsteilig organisierten Tauschbeziehungen überlegen ist, dann muß es auch richtig sein, daß die Wahrscheinlichkeit, daß Produktionsautarkie Tausch vorgezogen wird, um so größer wird, je größer das Intervall zwischen (E) und (E') ist. Die Frage ist zunächst, wovon die Größe dieses Intervalls abhängt. Anhand von Figur 4 wir, daß die Steigungen der bei den Tauschgeraden (TE) und (E'T) die Größe des Intervalls bestimmen. Je unterschiedlicher ihre Steigungen, um so größer der Streckenabschnitt zwischen (E) und (E') und vice versa. Die Steigungen der beiden Tauschgeraden hängen ihrerseits wiederum von den jeweiligen relativen Preisen ab. Die Tauschgerade (TE) wird sehr flach bzw. sehr steil, wenn der relative Preis mit Transaktionskosten sehr niedrig bzw. sehr

69 Die analogen Überlegungen gelten, wenn ausgehend vom Punkt (E') unterstellt wird, es würden mehr Mengeneinheiten von (Q2) gewünscht.

48

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

hoch ist. Umgekehrt wird die Tauschgerade (E'T) sehr steil bzw. sehr flach, wenn der relative Preis mit Transaktionskosten sehr hoch bzw. sehr niedrig ist. Mit anderen Worten: Die Größe des Intervalls zwischen den Punkten (E) und (E') und damit die Wahrscheinlichkeit, daß Transaktionskosten Tauschbeziehungen verhindern, hängt also von der Differenz der die Steigungen der beiden Tauschgeraden (T'E) und (E'T) bestimmenden relativen Preise ab:

Die beiden relativen Preise - (p~ / p~ ) und (p~ / p~) - stehen offensichtlich in einem reziproken Verhältnis zueinander. Reziprok bedeutet hier, daß beim ersten relativen Preis (p~ /p~) der Verkaufspreis im Zähler und der Kaufpreis im Nenner steht, beim zweiten relativen Preis (p~ / p~ ) hingegen der Kaufpreis im Zähler und der Verkaufspreis im Nenner steht. Dementsprechend wird die Differenz beider relativer Preise um so größer sein, je größer die Preisdifferenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis. Die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis ist aber nichts anderes als die Höhe der Transaktionskosten. 70 Mithin bestimmt die Höhe der Transaktionskosten die Größe des Intervalls zwischen den Punkten (E) und (E'). Je höher die Transaktionskosten des Tauschs, um so wahrscheinlicher wird es, daß Nicht-Tausch Tausch ökonomisch überlegen ist.

b) Ein Disput: Führen Transaktionskosten zu Pareto-ineffizienten Gleichgewichten?

Die Integration von Transaktionskosten in die Gleichgewichtstheorie hat die Frage aufgeworfen, ob Gleichgewichte mit Transaktionskosten ebenso effizient sind wie Gleichgewichte ohne Transaktionskosten?71 In der Diskussion dieser Frage wurden drei Argumente vorgetragen, die darauf hinauslaufen, daß Transaktionskosten effiziente Gleichgewichte verhindern können. So behauptet Hahn (1971), daß Gleichgewichte mit Transaktionskosten ineffizient seien, 70

Vgl. die erste Gleichung (t = pK _ Pv) in diesem Kapitel.

Vgl. Eggertsson (1990, S. 101-124), Furubotn (1991), Niehans (1987) sowie Ulph I Ulph (1975). 71

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

49

weil sie ceteris paribus die Konsummöglichkeiten im Vergleich zu einer Welt ohne Transaktionskosten reduzierten. Arrow (1981) vertritt die Ansicht, daß die Effizienz von Gleichgewichten mit Transaktionskosten - im Unterschied zur Effizienz von Gleichgewichten ohne Transaktionskosten - auch von der Verteilung der Erstausstattungen abhänge, weil diese Verteilung mit so hohen Transaktionskosten verbunden sein könnte, daß Pareto-effiziente Tauschgleichgewichte nicht zustande kämen. 72 Schließlich hat Coase (1960) die These aufgestellt, daß Transaktionskosten Pareto-relevante Extemalitäten begründen. Wir wollen demgegenüber im folgenden plausibel machen, daß Gleichgewichte mit Transaktionskosten ebenso effizient sind wie Gleichgewichte ohne Transaktionskosten, wenngleich erstere ein geringeres Wohlfahrtsniveau realisieren als letztere. Selbst die Extremsituation des Nicht-Zustandekommens von Tausch und Markt interpretieren wir als Pareto-optimal, unabhängig davon, daß ein solches Gleichgewicht nicht die formalen Eigenschaften des Pareto-Kriteriums erfüllt. Positiv folgen wir damit Dahlman (1979), der zeigen konnte, daß Transaktionskosten dann und nur dann zu Ineffizienzen führen können, wenn ihre Höhe im Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt ist. Gegebene Transaktionskosten hingegen ändern an der Effizienz von Gleichgewichten nichts. Dem Argument von Hahn (1981) - Transaktionskosten führten zu Ineffizienzen, weil sie die Konsummöglichkeiten im Vergleich zu einer Welt ohne Transaktionskosten einschränkten - liegt ein ungewöhnlicher Effizienzbegriff und ein nicht erlaubter Vergleich zugrunde. Effizienz kann sich nicht darauf beziehen, daß ökonomische Einheiten in einer Welt mit Transaktionskosten schlechtere Positionen einnehmen als in einer Welt ohne Transaktionskosten. Effizienz im Sinne des Pareto-Kriteriums ist immer nur definiert in bezug auf Lösungen für eine gegebene Anfangsausstattung, nicht jedoch in bezug auf den Vergleich von Lösungen zweier verschiedener Anfangsausstattungen. 73 Insofern kann die Beurteilung von Gleichgewichten nur darauf abstellen, ob die Gleichgewichte in den jeweiligen Welten, d.h. einmal mit und einmal ohne Transaktionskosten, effizient sind. 72

Vgl. auch Kurz (1974c).

"Given two attainable states of an economy, the second is considered to be at least as desirable as the first if every consumer desires his consumption in the second state at least as much as his consumption in the first. An optimum is thus defined as an attainable state such that, within the limitations imposed by the consumption sets, the production sets, and the total resources of the economy, one cannot satisfY better the preferences of any consumer without satisfYing less weil those ofanother." Debreu (1959, S. 90). 73

4 Löchel

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

50

"The real question" - schreibt Niehans in diesem Zusammenhang - "is whether, with given initial allocation and given transaction technology, the resulting equilibrium could be improved upon by a Pareto-superior reallocation, even though this would again cost resources. In the absence of scale economies, the discussion has produced no reason why, in this sense, transaction costs should generally cause inefficiency.,,74

Stellen wir uns - zur Illustration des Arguments - eine reine Tauschwirtschaft vor, in der es zwei Haushalte (H 1) und (H 2) sowie zwei Güter (QI) und (Q2) gäbe. Im Unterschied zum Hirshleifer Modell wollen wir nUn annehmen, daß die Haushalte ihre Transaktionen direkt, d.h. ohne die Einschaltung VOn Intermediären, abwickeln. Dies hat zur Folge, daß sich Transaktionskosten nun nicht mehr in einer Differenz VOn Kauf- und Verkaufspreis zeigen, sondern darin, daß eine bestimmte Menge der Anfangsausstattung rur den Tausch selbst verbraucht werden muß. Transaktionskosten stellen einen Abzug Von den Anfangsausstattungen der beiden Haushalte dar. (t:) bezeichne die Güterrnenge, die der erste Haushalt rur die Organisation seiner Transaktionen von (QI) aufwenden muß; (t ~) die Gütermenge, die er rur die Transaktionen von (Q2) verwenden muß. Entsprechend lautet die Notation rur den zweiten Haushalt ( ti ) und (t;). Es liegt in der Natur VOn Transaktionskosten, daß diese nur dann anfallen, wenn auch getauscht wird. Ohne Transaktionskosten - das wissen wir aus der Allokationstheorie - verbessert Tausch die Position der Haushalte relativ zu ihrer Anfangsausstattung. 75 Mit Transaktionskosten hingegen muß gefragt werden, ob die Beibehaltung der Anfangsausstattung nicht vorteilhafter ist als der Tausch dieser Ressourcen. Das Edgeworth-Diagramm in Figur 5 bildet eine solche Problem struktur ab. 76 Punkt (C) entspricht der Anfangsausstattung des Haushaltes (H 1): (q:; q~); Punkt (B) der Anfangsausstattung des Haushaltes (H 2): (qi; q;). Unter der Bedingung, daß es zwischen den beiden Haushalten zu einem Austausch ihrer

74

Niehans (1987, S. 678).

75

Vgl. beispielsweise Sohmen (1976, Kap. 4).

76 Vgl. Hess (1983, Kap. 4). Da die Größe des Edgeworth-Diagramms in den Figuren 5 und 6 auf die reduzierten Anfangsausstattungen mit Transaktionskosten zugeschnitten ist, überschreitet die aggregierte Anfangsausstattung ohne Transaktionskosten die Größe des Diagramms. Mit anderen Worten: Die Punkte (8) und (C) fallen deswegen nicht wie gewöhnlich in einem Punkt zusammen, weil die aggregierte Anfangsausstattung beider Haushalte größer ist als die Mengen, die das Diagramm abbildet. Die Größe des zu den Punkten (8) und (C) passenden Diagramms schrumpft durch Transaktionskosten auf die Größe des zu Punkt (A) äquivalenten Diagramms.

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

51

Ressourcen kommt, reduzieren sich ihre jeweiligen Anfangsausstattung um (t:) bzw. (tD und (ti) bzw. (t;). Ein Teil der Ressourcen muß nun für die Transaktionen selbst verwendet werden und steht nicht mehr für die Allokation zur Verfügung. Punkt (A) zeigt das Resultat: Haushalt (H 1) stehen für den Tausch nur noch die Gütermengen (q: - t:; q~ - t~) zur Verfügung; Haushalt (H 2) verfügt noch über die Gütermengen (qi - ti; q; - t;). Wir sehen, daß trotz der Transaktionskosten Tausch die Position beider Haushalte relativ zu ihrer Anfangsausstattung verbessert. Je nachdem welches Preisverhältnis herrscht - zum Ausdruck gebracht durch die den Punkt (A) schneidende Tauschgerade -, erreichen beide Haushalte Indifferenzkurven, die innerhalb des Allokationskems liegen, d.h. innerhalb der schraffierten Fläche, die durch die Indifferenzkurven aufgespannt wird, welche durch die Anfangsausstattungen der beiden Haushalte, d.h. durch die Punkte (8) und (C), laufen. So erreichen beispielsweise beide Haushalte in Punkt (D) höhere Indifferenzkurven als in den Punkten (C) und (8). Es kann somit kein Zweifel bestehen, daß auch mit Transaktionskosten ein Pareto-effizientes Allokationsgleichgewicht existiert, völlig unabhängig davon, daß Transaktionskosten relativ zu einer Welt ohne Transaktionskosten einen Ressourcenverlust implizieren.

Figur 5: Pareto-effizienter Tausch mit Transaktionskosten

52

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

c) Die formale Struktur des Problems: Die Argumentation von Arrow

Allerdings kann es auch vorkommen - und hier setzt die Argumentation von Arrow (1981) an -, daß es für die Haushalte vorteilhaft wird, nicht zu tauschen. Dies wird dann der Fall sein, wenn die Transaktionskosten so hoch sind, daß Tausch den Übergang zu inferioren Indifferenzkurven impliziert. Figur 6 bildet eine solche Situation ab. Würde getauscht, reduzierte sich die Anfangsausstattung beider Haushalte auf die Dimensionen des Punktes (A). Die durch (A) laufenden Indifferenzkurven 0:) des ersten Haushaltes und O~) des zweiten Haushaltes haben ein solch niedriges Niveau relativ zur Erstausstattung, daß selbst das von (A) ausgehende Tauschoptimum (D) relativ zu (C) und (B) inferior ist. Haushalt (H 1) müßte von der Indifferenzkurve 0 ~) auf die Indifferenzkurve 0 ~) wechseln; Haushalt (H2) von der Indifferenzkurve 0;) auf die Indifferenzkurve 0;). Beide Haushalte würden sich durch Tausch offensichtlich schlechter stellen. Die Transaktionskosten des Tauschs sind höher als der damit verbundene Nutzengewinn.

\

"~[I

2

[I

3

[I

1

H1 Figur 6: Pareto-effizienter Nicht-Tausch mit Transaktionskosten

Die Schwierigkeit ist nun, wie eine solche Situation bewertet werden soll. Behalten nämlich beide Haushalte ihre Anfangsausstattungen bei, ist die formale Eigenschaft eines Pareto-Optimums in einer reinen Tauschwirtschaft nicht

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

53

mehr erfüllt. Die Punkte (B) und (C) liegen nicht auf der die Tangentialpunkte von Indifferenzkurven vereinigenden Kontraktkurve. Ist die Beibehaltung der Erstausstattungen deshalb Pareto-ineffizient? Ein solcher Schluß wird nahegelegt, wenn man wie Arrow argumentiert, daß die Pareto-Effizienz von Gleichgewichten mit Transaktionskosten auch von der Verteilung der Erstausstattung abhänge, weil diese, gegebene Transaktionstechnologien vorausgesetzt, die Höhe der Transaktionskosten bestimme. "ünce it is recognized" - schreibt Arrow - "that redistribution transfers are costly, the concept of Pareto efficiency needs rnodification to take account of losses during the redistribution process. Hence, whether a given allocation is Pareto-efficient or not will in general depend on the amount of transferring needed to achieve it and therefore on the initial distribution of endowrnents." 77

Übertragen wir die Argumentation von Arrow in eine Terminologie, die den hier verwendeten Schaubildern äquivalent ist, dann muß Arrow davon ausgehen, daß je weiter die Anfangsausstattungen der beiden Haushalte auseinanderliegen, um so höher auch die Transaktionskosten sind. Mit anderen Worten: Je weiter die Punkte (B) und (C) vom Punkt (A) entfernt liegen, um so mehr Gütermengen der Anfangsausstattungen müssen für die Organisation der Transaktionen selbst aufgewendet werden und stehen für den Tausch nicht mehr zur Verfügung. Die von Arrow postulierte Abhängigkeit eines Paretoeffizienten Gleichgewichts mit Transaktionskosten von der Verteilung der Erstausstattung der beiden Güter auf die beiden Haushalte zeigt sich nun darin, daß es von der Entfernung der Punkte (B) und (C) vom Punkt (A) abhängt, ob ein Gleichgewicht mit Transaktionskosten zustande kommt, das den formalen Eigenschaften eines Pareto-effizienten Gleichgewichts genügt. Wir sehen dies, vergleichen wir die in den Figuren 5 und 6. dargestellten Situationen. Im ersten Fall spannen die durch die Anfangsausstattung laufenden Indifferenzkurven einen Allokationskern auf, der die Menge aller Paretoeffizienten Gleichgewichte enthält. Dementsprechend konnte auch mit Transaktionskosten ein Pareto-effizientes Gleichgewichte gefunden werden. Anders 77 Arrow (1981, S. 74). So auch Ulph / Ulph (1975, S. 360): "The irnportant point, in connecti on with Pareto efficiency, is that it now has to be defined relative to both the transactions technology and the distribution of initial endowrnents. (Recall that in an Arrow-Debreu world, Pareto efficiency is defined relative to aggregate initial endowrnents.) This is not too surprising, for in considering Pareto efficiency we are concerned with all feasible allocations of resources, and in a world with transaction costs, what is feasible will depend both on the transaction technology and on the way resources are distributed arnong households at the start of the econorny. This has irnportant irnplications for welfare econornics (... )."

54

II. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

in Figur 6: Die durch die Punkte (B) und (C) laufenden Indifferenzkurven liegen nun so weit auseinander, daß kein Allokationskern mehr zustande kommt und eine Tangentiallösung dementsprechend verfehlt wird. Mit anderen Worten: Sobald die beiden durch die Anfangsausstattungen laufenden Indifferenzkurven keinen Allokationskern mehr aufspannen, verhindern Transaktionskosten, daß ein Pareto-effizientes Gleichgewicht zustande kommt. Eine solche Interpretation des Problems impliziert, daß Nicht-Tausch in jedem Fall Pareto-ineffizient ist. Betrachten wir aber Figur 6, so kann dies nicht richtig sein. Würde nämlich der Tangentialpunkt und damit ein Punkt auf der Kontraktkurve realisiert, stellten sich die Haushalte schlechter als bei Beibehaltung ihrer Erstausstattung: Punkt (D) ist relativ zu (B) und (C) inferior. Transaktionskosten haben die Verhältnisse offensichtlich umgekehrt. Würden die Haushalte tauschen, stellten sie sich schlechter als zuvor. Nicht Nicht-Tausch, sondern Tausch ist Pareto-ineffizient. So auch Eggertsson: "If the costs of transacting are so high that they prevent trading, the economic outcome will not be on the contract curve. In other words, the outcome is inefficient according to the traditional neoclassical model which abstracts from transaction costs. (... ) Ifthe transaction costs are higher than the gains from trade, it is indeed inefficient to move from (... ) to (... ) through interpersonal exchange." 78 Diese Paradoxie löst sich auf, erkennt man, daß die Argumentation von Arrow rein formal ist. Als Pareto-effizient werden nur solche Punkte zugelassen, die auch die formalen Eigenschaften der Pareto-Effizienz erfüllen. Inhaltlich jedoch kann kein Zweifel bestehen, daß Nicht-Tausch Pareto-effizient dann ist, wenn die durch die Anfangsausstattungen laufenden Indifferenzkurven keinen Allokationskern aufspannen. Betrachtet man das Problem aus der inhaltlichen Perspektive, wird es offensichtlich, daß auch mit Transaktionskosten die Effizienz von Gleichgewichten unabhängig von der ursprünglichen Verteilung der Güter auf die Haushalte ist, d.h. unabhängig davon, wie weit die Punkte (B) und (C) voneinander entfernt liegen. Die Verteilung der Erstausstattungen mit Transaktionskosten ist nur relevant für die Frage, ob Gleichgewichte mit Transaktionskosten auf der Kontraktkurve liegen oder nicht; nicht jedoch für die Frage, ob diese Gleichgewichte auch Pareto-effizient sind.

1K

Eggertsson (1990, S. 108).

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

55

d) Die wohlfahrtstheoretische Variante: Die Diskussion um das Coase-Theorem und die Lösung von Dahlman

Eine ähnliche Problem struktur wie die Diskussion der Argumente von Hahn und Arrow kennzeichnet auch die Diskussion des dritten eingangs erwähnten Arguments. Die auf Coase (1960) zurückgehende These ist, daß Transaktionskosten Pareto-relevante Externalitäten erklären. Eine Externalität bezeichnet das Auseinanderfallen von privaten und sozialen Kosten und damit eine Verletzung des Pareto-Kriteriums. 79 Die von Pigou vorgeschlagene Lösung dieses Problems ist bekannt: Negative externe Effekte werden mittels Steuern, positive externe Effekte via Subventionen internalisiert. 80 Im ersten Fall steigt der Preis und sinkt die gleichgewichtige Menge, im zweiten sinkt der Preis und steigt die gleichgewichtige Menge. So oder so fuhrt Internalisierung zu Paretoeffizienter Allokation. Gegen eine solche Argumentation hat Coase (1960) eingewandt, daß sie die üblichen Prämissen der Gleichgewichtstheorie teile und unterstelle, daß Transaktionskosten abwesend sind. Kann es aber - so seine Frage - ohne Transaktionskosten überhaupt zu einer Pareto-relevanten Externalität kommen? Die Antwort muß nein lauten. Ohne Transaktionskosten gibt es nämlich keine ökonomische Restriktion, die im Rahmen rationalen Verhaltens erklären könnte, warum die beteiligten Parteien nicht freiwillig durch Internalisierung eine Situation herstellen sollten, die Pareto-effizient ist und daher ihre Position im Vergleich zu Nicht-Internalisierung verbessert. Entscheidend war die Erkenntnis, daß externe Effekte reziproker Natur sind: "The traditional approach" - schreibt Coase, Pigou interpretierend - "has tended to obscure the nature of the choice that has to be made. The question is commonly thought of as one in which A inflicts harm on Band what has to be decided is: how should we restrain A? But this is wrong. We are dealing with a problem of a reciprocal nature. To avoid the harrn to B would inflict harrn on A. The real question that has to be decided is: should A be allowed to harrn B or should B be allowed to harm A?"SI

Aus dieser Perspektive kommt es zu einer Internalisierung externer Effekte, weil derjenige, der den Schaden eines negativen externen Effekts erfährt, ein Interesse hat, diesen Schaden so lange zu reduzieren, solange die Kosten, die er fllr die Reduktion zahlen muß, kleiner sind als der Nutzen der Reduktion. 79 Zum Konzept der Externalitäten vgl. beispielsweise Feess-Dörr (1991, S. 319-352), Mishan (1971) sowie Scitovsky (1954). KO

Vgl. Pigou (1962 [1920)).

KI

Co ase (1960, S. 2).

56

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Umgekehrt hat aber auch der Nutmießer eines negativen externen Effekts ein Interesse, diesen zu reduzieren, solange er eine Kompensationszahlung erhält, die höher ist als der Verlust aus seiner Reduktion der Externalität. Es ist nun oft gezeigt worden - und in der Literatur als Coase-Theorem bekannt geworden -, daß ohne Transaktionskosten ein Gleichgewichtspreis existiert, der die Grenzkosten der Internalisierung - den Nutzenverlust des Verursachers des negativen externen Effekts - und den Grenmutzen der Internalisierung - den Nutzengewinn des durch den negativen externen Effekt Geschädigten - in Übereinstimmung bringt. 82 Im Gleichgewicht ist die Diskrepanz zwischen sozialen und privaten Kosten verschwunden. Ohne Transaktionskosten - so der Schluß - internalisieren ökonomische Akteure Externalitäten über den Marktmechanismus. 83 Dieses Ergebnis hat zu weitreichenden und grundsätzlichen Kritiken am neoklassischen Effizienzkonzept geführt. Eine Theorie, so beispielsweise Stigler (1972), die von Transaktionskosten abstrahiere, könne nicht den Anspruch erheben, reale Probleme zu lösen. 84 Demsetz sieht sich darin bestätigt, daß das neoklassische Effizienzkonzept ein "nirvana approach" sei. 85 Eggertsson spricht davon, daß die neoklassiche Theorie Pareto-Effizienz nicht wirklich zeige, sondern über den Ausschluß von Transaktionskosten apriori definiere. 86 Furubotn (1991) schließlich sieht einen Widerspruch zwischen den K2 Als strenger Beweis findet sich das Coase-Theorem zuerst bei Stigler (1966). Zur Diskussion des Co ase-Theorems vgl. Cooter (1982; 1987), Eggertsson (1990, S. 101-116), JIIing (1992), Schumann (1984, S.373-382) sowie Veljanovski (1982). Coase selbst steht dieser Diskussion nach wie vor distanziert gegenüber; vgl. beispielsweise Coase (1988, S. 10-16 und S. 157-185). Die meist formale Diskussion - so Coase - verdränge seinen eigentlichen Erklärungsgegenstand. Er habe mit seinem Aufsatz aus dem Jahre 1960 nicht hauptsächlich zeigen wollen, welches die Eigenschaften einer fiktiven Welt ohne Transaktionskosten sind; vielmehr wollte er zeigen, warum es notwendig ist, Transaktionskosten in die Forschung zu integrieren. "My conclusion:" heißt es, die Nobelpreisrede zusammenfassend - "Iet us study the world of positive transaction costs." Coase (1992, S. 717). Xl ,,( ••. ) under perfect competition private and social costs will be equal." Stigler (1966, S. 113). Bei Coase (1960, S. 8) heißt es im Original: " ... the ultimate result (which maximizes the value of production) is independent of the legal system if the pricing system is assumed to work without cost." Co ase (1960, S. 8).

X4 "The world of zero transaction costs turns out to be as strange as the physical world would be without friction. Monopolies would be compensated to act like competitors, and insurance companies would not exist." Stigler (1972, S. 12).

x;

Demsetz (1969, S. I ).

X6 "The equilibrium outcome in a microeconomic model is Pareto efficient by definition." Eggertsson (1990, S. 23).

2. Arbeitsteilung und Gleichgewicht

57

Prämissen vollkommenen Wettbewerbs einerseits und nicht existierenden Transaktionskosten andererseits. Wären die Transaktionskosten Null - so sein Argument - könnte es keine vollkommene Konkurrenz geben, weil dann Absprachen zwischen den Marktteilnehmern kostenlos wären. Positiv enthalten solche Kritiken das Versprechen, daß durch die Einführung von Transaktionskosten die Effizienzanalyse gehaltvoll werde, weil nun ein Element existiere, daß nicht-effiziente Lösungen erklären kann, während die traditionelle Wohlfahrtstheorie solche Elemente mittels ihrer Prämissen ausschließe. Zu fragen ist aber, ob die Berücksichtigung von Transaktionskosten tatsächlich den Bestand Pareto-relevanter Externalitäten erklären kann. Es muß nämlich bedacht werden, daß Transaktionskosten nur die Restriktionen, nicht jedoch die Zielfunktionen verändern, unter denen Akteure ihre ökonomischen Handlungen maximieren. Rationales Handeln vorausgesetzt, führen unterschiedliche Restriktionen zwar zu unterschiedlichen Maxima, nicht jedoch dazu, daß das jeweilige Maximum verfehlt wird. Insofern kann es auch nicht richtig sein, daß Transaktionskosten Pareto-relevante Ineffizienzen erklären. Dazu wird es dann kommen, wenn Transaktionskosten auch die Handlungsebene berühren, d.h. zu Abweichungen von rationalem Handeln führen. Dahlman hat dieses Behauptung anhand eines Gedankenexperiments illustriert. 87 Stellen wir uns vor, ein individueller Akteur sei von einem negativen externen Effekt betroffen und stehe vor der Entscheidung, ob er in Verhandlungen über eine Reduktion der Externalität mit dessen Verursach er eintreten soll. Diese Entscheidung ist in einer Welt positiver Transaktionskosten ceteris paribus abhängig von dem Verhältnis zwischen den Transaktionskosten dieser Verhandlung einerseits und dem wie auch immer gemessenen Nutzen, der mit der Internalisierung des negativen externen Effekts realisiert werden kann, andererseits. Sind die Transaktionskosten dem Akteur im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt - wie die Diskussion um die Internalisierung externer Effekte unterstellt -, kann es bezüglich der Effizienz der Lösung keine Probleme geben. Sind die Transaktionskosten niedriger als der Nutzen, kommt es zu Verhandlung und zu einer Internalisierung der Externalität; sind sie hingegen höher, unterbleibt die Internalisierung. Auch die letzte Lösung - die Nicht-Internalisierung - ist offensichtlich Pareto-effizient. Würde nämlich die Externalität internalisiert, stellte sich der Akteur schlechter als bei Nicht-Internalisierung, weil die Transaktionskosten der Internalisierung höher sind als der Nutzen der Internalisierung. Es ist hier wie bei der Diskussion um das

K7

Vgl. Dahlman (1979) sowie auch Calabresi (1968).

58

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Edgeworth-Diagramm: Während dort Tausch bei hinreichend hohen Transaktionskosten ineffizient und Nicht-Tausch effizient war, ist nun Internalisierung inferior, Nicht-Internalisierung hingegen superior. Anders liegen die Dinge, wenn die Transaktionskosten im Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt sind. Nun ist folgende Unterscheidung zu treffen: Stellt sich die ex ante- Erwartung des Akteurs über die Höhe der Transaktionskosten ex post als richtig heraus, kann es wiederum keine Probleme bezüglich der Effizienz der getroffenen Entscheidung geben. Es ist so, als wären die Transaktionskosten bekannt gewesen. Stellt sich hingegen seine Erwartung als falsch heraus, kann es zum Bestand einer Pareto-relevanten Externalität kommen. Die Betonung liegt hier auf "kann", denn nicht jede Fehlentscheidung fUhrt zur Pareto-Ineffizienz. Nehmen wir an, der Akteur mache den Fehler, die Transaktionskosten zu niedrig einzuschätzen. In diesem Fall kommt es zu einer Internalisierung des negativen externen Effekts, obwohl die Transaktionskosten der Verhandlungen über die Internalisierung höher sind als der Gewinn derselben. Der Akteur stellt sich nach der Internalisierung schlechter als zuvor. Eine solche Situation ist aber nicht wirklich eine Pareto-relevante Externalität. Vielmehr kommt die Ineffizienz ja gerade dadurch zustande, daß der Entscheider die Externalität nicht bestehen läßt. Nicht die Externalität ist die Ursache der Ineffizienz, sondern die Fehlentscheidung, sie zu internalisieren. Wären die Transaktionskosten korrekt antizipiert worden, hätte die Internalisierung nicht stattgefunden. Zu einer Pareto-relevanten Extemalität kommt es erst dann, wenn die Transaktionskosten ex ante als zu hoch eingeschätzt wurden. Nun bleibt die Extemalität bestehen, obwohl ihre Internalisierung vorteilhaft gewesen wäre. Diese Lösung ist in der Tat Pareto-ineffizient. Aber selbst in diesem Fall sind die Ursachen der Ineffizienz nicht wirklich die Transaktionskosten, sondern die Unsicherheit über ihre Höhe. Der Entscheider kennt die Höhe der Transaktionskosten erst ex post. Er müßte sie aber schon ex ante kennen, um zu beurteilen, ob seine jeweilige Entscheidung effizient ist oder nicht. Zu beachten ist schließlich, daß die gesamte Diskussion fUr die Welt des vollkommenen Wettbewerbs gedacht wird. In einer solchen Welt herrscht streng genommen keine echte Unsicherheit im Sinne von Unwissenheit über zukünftige Ereignisse, sondern Risiko, das sich anhand von Eintrittswahrscheinlichkeitsverteilungen abbilden läßt. 88 Unter Risikobedingungen wird Information selbst zu einem knappen Gut, welches auf einem gesonderten KR

Vgl. Stigler (1961).

3. Effizienz und Institutionen

59

Markt gehandelt wird. Für einen Entscheider ist also die Infonnation über das Verhältnis des Nutzens einer Internalisierung und der dazu nötigen Transaktionskosten jederzeit kautbar. Insofern kann es im Grunde genommen bei Risiko nicht zu einer Fehlentscheidung kommen, wie im Fall der echten Unsicherheit.

3. Effizienz und Institutionen Neben der Gleichgewichtstheorie war es insbesondere die Institutionenökonomik, in der Transaktionskosten ihre Bedeutung für die ökonomische Theorie entfaltet haben. Es läßt sich sogar sagen, daß die Integration von Transaktionskosten in die Institutionenökonomik einen größeren Stellenwert hatte als ihre Integration in die Gleichgewichtstheorie. Dies deshalb, weil die Verbindung von Transaktionskosten und Institutionenökonomik eine neue Richtung innerhalb der ökonomischen Theorie geschaffen hat, die heute unter dem Namen "Neue Institutionenökonomik" bekannt ist. Die Neue Institutionenökonomik läßt sich verstehen als eine Verbindung von (neoklassischer) Wahlhandlungstheorie und Institutionenökonomik. Ihr zentraler Untersuchungsgegenstand ist die ökonomische Effizienz von Institutionen. Transaktionskosten sind in diesem Rahmen Mittel zum Zweck. Mit ihrer Hilfe sollen Institutionen für die ökonomische Theorie operationalisiert werden. Dies bedeutet: Die Neue Institutionenökonomik erweitert mittels Transaktionskosten das Anwendungsgebiet des ökonomischen Effizienzbegriffs auf wirtschaftlich relevante Institutionen. Wie dies im konkreten geschieht, diskutieren wir im folgenden anhand dreier paradigmatischer Forschungsfelder der Neuen Institutionenökonomik: der Unternehmenstheorie, der Vertragstheorie sowie schließlich der historischen Theorie. Dabei wollen wir zeigen, daß trotz der Heterogenität dieser Forschungsgebiete eine gemeinsame theoretische Struktur existiert. Diese Struktur besteht darin, daß einerseits behauptet wird, daß die traditionelle (neoklassische) Theorie ohne Transaktionskosten reale Institutionen oder Organisationen nicht erklären kann bzw., versucht sie es, sich in Widersprüche verwickelt. Andererseits - so dann das positive Versprechen der Neuen Institutionenökonomik - sei das Transaktionskostenkalkül in der Lage, die Wahl alternativer Institutionen zu erklären. Die Essenz der jeweiligen Überlegungen ist schließlich, daß Institutionen, die, beurteilt man sie allein nach den traditionellen Kriterien, als ineffizient interpretiert wurden, tatsächlich, berücksichtigt man Transaktionskosten, effizient sind.

60

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

a) Die Effizienz von Markt und Unternehmung: Das Coase-Williamson-Paradigma

In seinem Aufsatz" The Nature of the Firm" aus dem Jahre 1937 hat Coase die These aufgestellt, daß die ökonomischen Institutionen Markt und Unternehmung alternative Koordinationsformen seien89 • Unternehmen hätten die Funktion, Transaktionskosten einzusparen9o • Die zeitgenössische Theorie interpretiert die These von Coase durchweg existenzialistisch. Co ase habe mit dem Transaktionskostenkalkül eine Antwort auf die Frage gegeben, warum in Marktwirtschaften Unternehmen entstünden und nicht alle Transaktionen über den Markt abgewickelt würden. 91 Gegen eine solche Interpretation haben Alchian und Demsetz (1972) frühzeitig Bedenken angemeldet. Die Unternehmung allein als eine Organisation zur Einsparung von Transaktionskosten zu begreifen übersehe - so Alchian und Demsetz -, daß Unternehmen Einzelproduzenten grundsätzlich überlegen seien, weil erstere die Vorteile funktionaler Arbeitsteilung nutzen können, letztere aber nicht. 92 Nicht die Einsparung von Transaktionskosten - so Alchian und Demsetz weiter - erkläre das Entstehen von Unternehmen, sondern die produktionstechnische Überlegenheit von Team- gegenüber Einzelproduktion. Nur dann - so schließlich ihr Schluß -, wenn die internen Transaktionskosten, die mit dem Übergang von Einzelzu Teamproduktion verbunden sind, den relativen Produktionskostenvorteil von Teamproduktion überkompensierten, würden Transaktionskosten zu einem entscheidenden Handlungsparameter rur die Frage der Existenz von Unternehmen. Tatsächlich ging es Coase in seinem Aufsatz auch nicht allein um die allgemeine Frage, warum Unternehmen entstehen. Vielmehr war er an einem konkreteren, damals sehr aktuellen theoretischen Problem interessiert, nämlich an der Bestimmung der optimalen Betriebsgröße von Unternehmen: "The approach which has just been sketched would appear to offer an advantage in that it is possible to give a scientific meaning to what is meant by saying that a finn gets larger or smaller. ,,93

X9

"It is c1earthat these are alternative methods ofco-ordinating." Co ase (1937, S. 388).

"The main reason why it is profitable to establish a firm would seem to be that there is a cost ofusing the price mechanism." Coase (1937, S. 390). 90

91

Vgl. beispielsweise Bössmann (1981), Cheung (1983; 1987) sowie Picot (1992).

Vgl. Alchian / Demsetz (1972). Alchian (1993) hat den Einwand jüngst erneuert. Vgl. auch Demsetz (1987) sowie McNulty (1984). 92

93

Coase (1937, S. 393).

3. Effizienz und Institutionen

61

Um diese Aussage zu verstehen, muß man sich kurz den dogmengeschichtlichen Hintergrund der damaligen Zeit in Erinnerung rufen. Marshall hatte die langfristige optimale Betriebsgröße von Unternehmen durch diejenige Produktionskapazität bestimmt, bei der Durchschnittskosten und Marktpreis übereinstimmen. 94 Diese Lösung - so das Ergebnis der von Sraffa initiierten Skalenertragsdebatte - ist aber widersprüchlich, weil Marshall bei der Bestimmung seiner "representative firm" unterstellen muß, daß Wettbewerbsbedingungen mit unterschiedlichen Ertragsgesetzen, d.h. mit unterschiedlichen Verläufen der Durchschnittskostenkurve, verträglich sind. 95 Während aber steigende Durchschnittskosten die Existenz eines aus der Perspektive der Unternehmung nur begrenzt vorhandenen Faktors voraussetzen - was unter Wettbewerbsbedingungen unmöglich ist -, implizieren fallende Durchschnittskosten, daß die Expansion eines Unternehmens erst dann gestoppt wird, wenn sie den gesamten Markt erobert hat, d.h. von einem Polypolisten zu einem Monopolisten geworden ist. 96 So oder so: Eine eindeutige optimale Betriebsgröße im Sinne eines langfristigen Gleichgewichts von Durchschnittskosten und Marktpreis ist unter den marshallianischen Bedingungen nicht bestimmbar. Coase ging das Problem der optimalen Betriebsgröße von einer anderen Seite als Sraffa an. Er sah die optimale Betriebsgröße bestimmt durch die Transaktionskosten. Eine Unternehmung - so Coase - würde solange expandieren, solange die externen Transaktionskosten, d.h. die Kosten des Gebrauchs des Preismechanismus, höher sind als die internen Transaktionskosten, d.h. die Kosten der hierarchischen Koordination: "The point has been made in the previous paragraph that a firm will tend to expand until the costs of organising an extra transaction within the firm become equal to the costs of carrying out the same transacting by means of an exchange on the open market or the costs of organising in another firm.,,97

94

Vgl. Marshall (1982 [1920], Buch V).

95 Marshall (1982 [1920], S. 287). Zur Skalenertragsdebatte vgl. das Symposium des Economic Journal (1930), Schefold (1976, S. 133-152) sowie Sraffa (1986 [1925],1926). 96 Auch der von Marshall (1982 [1920], S. 208-221 und Appendix H) eingefilhrte Begriff der externen Skalenerträge, d.h. Erträge, die sich aus dem Output der Gesamtindustrie und nicht der einzelnen Unternehmung ergeben, filhrt aus diesem Dilemma nicht heraus. Unter den Bedingungen polypolistischer Märkte ist ex definitione der Anteil der einzelnen Unternehmung am Gesamtoutput einer Industrie so gering, daß sie nur wenig von den Kostenvorteilen der Gesamtindustrie profitieren kann; vgl. auch Schefold / Weihrauch (1987). 97

Coase (1937, S. 395).

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

62

Ihre optimale Betriebsgröße hat eine Unternehmung ceteris paribus also genau dann erreicht, wenn die Grenzrate der Substitution zwischen externen und internen Transaktionskosten den Wert Eins annimmt. Ob dies eine angemessene Lösung des Problems der Bestimmung der optimalen Betriebsgröße ist, soll hier nicht weiter vertieft werden. Evident ist aber, daß Marshall und Sraffa einerseits und Coase andererseits auf unterschiedlichen Ebenen argumentieren. Das Coasesche Argument könnte erst dann als eine immanente Lösung der Skalenertragsdebatte interpretiert werden, wenn gezeigt werden könnte, daß Transaktionskosten den von Marshall angenommenen U-förmigen Verlauf der Durchschnittskosten bedingen. Zumindest für den steigenden Abschnitt der Durchschnittskostenkurve erscheint es nicht unplausibel, daß ab einer gewissen Unternehmensgröße die Kosten überproportional im Verhältnis zur Produktionsmenge wachsen, weil die internen Transaktionskosten überdurchschnittlich ansteigen. 98 Steigende Durchschnittskosten stünden in diesem Fall nicht im Widerspruch zu Wettbewerbsbedingungen. Es ist die Komplexitätserhöhung unternehmensinterner Abläufe und nicht - wie bei Marshall - die Existenz eines nur begrenzt vorhandenen Faktors, die die Durchschnittskosten steigen läßt. Die sich an Coase anschließende Diskussion konzentrierte sich aber auf eine andere Frage: Was waren die Determinanten der Transaktionskosten bei Coase? Ohne eine konkrete Bestimmung der Transaktionskosten läuft die Coasesche Argumentation nämlich Gefahr, einer Tautologie aufzusitzen. 99 Jede Koordinationsform kann retrospektiv als effizient im Sinne minimaler Transaktionskosten gedeutet werden; allein aufgrund der Tatsache, daß sie sich real durchgesetzt hat. Gehaltvoll wird der Coasesche Ansatz aber erst, wenn Transaktionskosten unabhängig von ihrem Erklärungsgegenstand, also unabhängig von der Entscheidung zwischen Markt und Unternehmung, bestimmt werden. Was der Coaseschen Theorie fehlte, waren die Determinanten der Transaktionskosten. Es war insbesondere Williamson, der sich dieser Aufgabe gestellt hat. Williamsons Ausgangspunkt war die Beobachtung einer zunehmenden Unternehmenskonzentration in entwickelten Volkswirtschaften, speziell in den USA. 100 Dieser Prozeß - so Williamson - könne nicht allein 9" Interessanterweise deutet Marshall selbst immer wieder an, daß es nicht die Produktionskosten sind, die steigen, wenn eine Unternehmung expandiert, sondern die Kosten der internen Organisation; vgl. Marshall (1982 [1920] Buch IV, Kap. VIII - XIII). 99

Vgl. Bössmann (1981) sowie Williamson (1979).

Zur Interpretation von Williamson vgl. beispielsweise Baumol (1986) sowie Alchian I Woodward (1987; 1988). 100

3. Effizienz und Institutionen

63

unter Wettbewerbsgesichtspunkten beurteilt werden. 101 Vielmehr mUsse berUcksichtigt werden, daß vertikale Integration auch auf steigende (externe) Transaktionskosten zurilckzufiihren sei. Unternehmenskonzentration sei nicht hauptsächlich ein Mittel, um Wettbewerb zu beschränken, sondern diene der Einsparung von Transaktionskosten. Vertikale Integration mUsse positiv und nicht negativ beurteilt werden. Anders als Coase macht Williamson Transaktionskosten abhängig von den Dimensionen der den Transaktionskosten zugrundeliegenden Transaktionen: der Spezifität von Transaktionen, der Unsicherheit von Transaktionen, schließlich der Häufigkeit von Transaktionen. 102 Die Dimension der Spezifität zielt darauf ab, daß Transaktionen regelmäßig spezifische Investitionen, wie beispielsweise spezielle Maschinen aber auch spezielles Wissen verlangen, deren Wert in anderen Verwendungen gering ist. Spezifität kann als eine spezielle Variante des allgemeinen Konzepts der Faktormobilität und der Quasirenten interpretiert werden. 103 Unspezifische bzw. vollständig mobile Faktoren sind jederzeit ohne Wertverlust anders verwendbar. Sie enthalten dementsprechend auch nicht die Möglichkeit, Quasirenten zu erzielen. Anders bei spezifischen bzw. immobilen Faktoren: Sie können nur in ganz bestimmten Aktivitäten eingesetzt werden. Ihre Opportunitätskosten sind dementsprechend gering; im Grenzfall vollkommener Spezifität sogar Null. Je höher daher die Spezifität eines Faktors, um so größer seine potentielle Quasirente. In der Theorie von Williamson findet sich der Zusammenhang von Spezifität einerseits und Quasirente andererseits in der Erkenntnis wieder, daß über die Spezifität einer Transaktion die Vertragsbeziehung der Transaktionspartner zum Ausdruck gebracht werden kann. Je spezifischer nämlich der Charakter der betrachteten Transaktionen, um so größer auch die Abhängigkeit zwischen den Transaktionspartnem. Williamson spricht in diesem Zusammenhang von einer "fundamentalen Transformation", um zum Ausdruck zu bringen, daß spezifische Transaktionen eher der Verhandlungssituation eines bilateralen Monopols denn der Situation des polypolistischen Wettbewerbs entsprechen. 104 Dementsprechend werden der Spezifitätsgrad einer Transaktion und ihre Transaktionskosten positiv korreliert sein. Je höher der Spezifitätsgrad, um so größer auch die Transaktionskosten. 101

Vgl. Williamson (1975; 1987).

102

Vgl. Williamson (1992b, S. 59-72).

103

Vgl. beispielsweise Klein I Crawford I Alchian (1978).

104

Williamson (l992b, S. 70).

64

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Auch zwischen der zweiten Dimension von Transaktionen - ihrer Unsicherheit - und der Höhe der Transaktionskosten sieht Williamson einen positiven Zusammenhang. 105 Unter Unsicherheit versteht Williamson zum einen asymmetrische Informationsverteilung. Dies meint, daß die Transaktionspartner über einen ungleichen Informationsstand beim Abschluß und bei der Durchführung von Verträgen verfügen. 106 Die zweite Ausprägung der Dimension der Unsicherheit ist opportunistisches Verhalten: Vertragspartner versuchen, ihre Interessen auch mit Arglist und Täuschung durchzusetzen. 107 Unsicherheit wird schließlich durch die begrenzte Rationalität der Transaktionspartner beim Abschluß von Verträgen bedingt. Obwohl die Akteure die Absicht haben, rational zu verhandeln, können sie dieses Ziel dennoch verfehlen, weil ihrer intendierten Rationalität kognitive Grenzen gesetzt sind. l08 Mit der Dimension der Häufigkeit - die dritte Dimension von Transaktionen mißt Williamson schließlich die Anzahl der wiederkehrenden Transaktionen zwischen den gleichen Partnern. Hier ist es wie bei der Dimension der Spezifität: Je häufiger ein und dieselbe Transaktion zwischen den gleichen Transaktionspartnern durchgeführt wird, um so spezifischer ist auch Leistungsbeziehung zwischen den betreffenden Transaktionspartnern und dementsprechend um so höher sind die Transaktionskosten der betrachteten Transaktion. 109 Ausgehend von dieser Bestimmung der Dimensionen von Transaktionen ist Williamsons These nun, daß es von der Ausprägung dieser Dimensionen, insbesondere von der Ausprägung der Dimension der Spezifität abhängt, ob eine gegebene Transaktion über den Markt abgewickelt wird oder aber ob das entsprechende Transaktionsobjekt innerhalb des Unternehmens selbst produziert wird. Hohe Spezifität, hohe Unsicherheit und hohe Häufigkeit fördern vertikale Integration, weil die interne Erstellung des Transaktionsobjekts geringere Kosten verursacht als die externe Beschaffung über den Markt. 110 Figur 7 veranschaulicht die dahinter liegende Argumentation für den Fall, daß die Transaktionskosten nur vom Spezifitätsgrad abhängen. I I I

105

Vgl. Williamson (l992b, S. 64-68).

Insbesondere Akerlof(1970) hat asymmetrische Informationsverteilungen rur die ökonomische Theorie fruchtbar gemacht. 106

107

Vgl. Williamson (1981, S. 1545).

IOK

Vgl. beispielsweise Selten (1990).

109

Vgl. Williamson (1992b, S. 69).

110

Vgl. beispielsweise Williamson (1988; 1990b).

111

Vgl. Williamson (1984).

3. Effizienz und Institutionen

65

dP dT

dP

o

S

Figur 7: Die Wahl zwischen Markt und Unternehmung

Auf den Achsen sind der Spezifitätsgrad (s) und die dazugehörigen Werte der Produktions- und Transaktionskostendifferenz (dP) bzw. (dT) abgetragen. Die Kurve (dT) bringt die Differenz zwischen internen (TI) und externen Transaktionskosten (TE), d.h. zwischen den Kosten unternehmensinterner und marktlicher Koordination, in Abhängigkeit vom Spezifitätsgrad (s) zum Ausdruck: dT (s) = TI (s) - TE (s). Der zum Ursprung konkave Verlauf der (dT)-Kurve zeigt, daß Spezifitätsgrad und (externe) Transaktionskosten positiv korreliert sind: Je kleiner der Spezifitätsgrad, um so geringer die Marktkosten und vice versa. Wir sehen, daß bis zu einem Spezifitätsgrad (s < SI) die externen Transaktionskosten kleiner sind als die internen, woraus seinerseits folgt, daß die entsprechende Transaktion über den Markt abgewickelt wird und vertikale Integration unterbleibt: dT (s) = TI (s) - TE (s) > 0 5 Löchel

TI (s) > TE (s).

66

II. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Erst jenseits von (s.) wird die interne Erstellung des betrachteten Transaktionsobjekts in bezug auf die Transaktionskosten kostengünstiger als die externe Beschaffung über den Markt:

Orientierte sich die Unternehmung in ihrer Entscheidung über Eigen- oder Fremdbezug nur an den Transaktionskosten, beginge sie den Fehler, die unterschiedlichen Produktionsbedingungen von Lieferant und Unternehmung außer acht zu lassen. Analog zur Transaktionskostendifferenz (dT) ist die Produktionskostendifferenz (dP) rur gegebene Produktionstechnologien definiert als die Differenz zwischen den Produktionskosten des Unternehmens bei EigenersteIlung (PI) des Transaktionsobjekts und den Produktionskosten des Zulieferers bei Fremdbezug (PE): dP (s) = PI (s) - PE (s). Am zum Ursprung konvexen Verlauf der (dP)-Kurve sehen wir, daß unterstellt wird, daß die Produktionskostendifferenz zwischen Unternehmen und Lieferant um so kleiner ist, je höher der Spezifitätsgrad (s). Das ist inhaltlich auch plausibel. Je unspezifischer nämlich das Transaktionsobjekt, um so höher die potentielle Nachfrage, die ein Lieferant auf sich vereinigen kann. Unspezifische Investitionen begünstigen also Skalenerträge auf Seite der Lieferanten. Mit zunehmendem Spezifitätsgrad schwindet dieser Vorteil. Für das Unternehmen entscheidungsrelevant ist allein die die Produktionsund Transaktionskostendifferenz vereinigende (dT+dP)-Kurve. Sie summiert die Transaktions- und Produktionskostendifferenz in Abhängigkeit vom Spezifitätsgrad (s) auf: dT (s) + dP (s) = TI (s) - TE (s) + PI (s) - PE (s). Wir sehen, daß die (dT+dP)-Kurve bei einem Spezifitätsgrad (s = S2), den Wert Null annimmt. Dies bedeutet, daß rur Spezifitätsgrade zwischen (s.) und (S2) der Transaktionskostenvorteil unternehmensinterner Koordination durch den Produktionskostenvorteil des Zulieferers überkompensiert wird. Marktkoordination bleibt in diesem Intervall vorteilhaft, weil die Summe der internen

3. Effizienz und Institutionen

67

Transaktions- und Produktionskosten des betreffenden Transaktionsobjekts größer ist als die Summe der externen Transaktions- und Produktionskosten: dT (s) + dP (s) > 0

dT (s) > - dP (s)

T, (s) - TE (s) > - (P, (s) - PE (s»

T, (s) + P, (s) > TE (s) + PE (s).

Erst ab einem Spezifitätsgrad, der jenseits von (S2) liegt, wird es für Unternehmen vorteilhaft, EigenersteIlung statt Fremdbezug zu wählen: dT (s) + dP (s) < 0

~

T, (s) + PI (s) < TE + PE (s).

Auf eine solche Art und Weise erklärt Williamson die Entscheidungen von Unternehmen zwischen vertikaler Integration und vertikaler Desintegration und beantwortet damit auch indirekt die Frage nach der optimalen Betriebsgröße von Unternehmen rur eine gegebene Anzahl von Transaktionen. Coase wie Williamson interpretieren ihre Theorie der Unternehmung als eine Alternative zur neoklassischen Vorstellung der Unternehmung als Produktionsfunktion. "2 Eine solche Deutung des Coase-Williamson-Paradigmas ist nicht unwidersprochen geblieben.' J3 Zum einen wird eingewandt, daß die auf Transaktionskosten fußende Theorie der Unternehmung den organisatorischen und institutionellen Aspekt von Unternehmen genauso behandelt wie die neoklassische Theorie den technologischen Aspekt der Unternehmung. Coase und Williamson betonen die Minimierung der Transaktionskosten, die neoklassische Theorie demgegenüber die Minimierung der Produktionskosten. Beide unterschieden sich nur dadurch, daß erstere auch Produktionskosten berücksichtigen, während die neoklassische Theorie Transaktionskosten nicht kennt. Zum anderen wird kritisiert, daß das vorgeführte Transaktionskostenkalkül als der mit Elementen aus der Organisations- und Rechtstheorie angereicherte Kern einer

112

Vgl. Beyer (1993, Kap. 2) sowie Williamson (I990a).

Vgl. beispielsweise Dunn (1992), Greiner / Hanusch (1993), Juul Foss (1993), KrUsselberg H.G. (1986), KrUsselberg U. (1992, Kap. V.), Leipold (1985, 1987), Schmidtchen (1989) sowie Schneider (1985). 113

68

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

allgemeinen Theorie der Unternehmung interpretiert wird. 114 Dem wird entgegengehalten, daß dies bei weitem die Leistungsfiihigkeit der Transaktionskostentheorie übersteige, weil im Rahmen des Co ase-Williamson-Paradigmas Transaktionskosten allein auf statische Entscheidungssituationen zugeschnitten bleiben. "Unsere Skepsis" - heißt es beispielsweise bei Krüsselberg - "gründet sich dabei nicht zuletzt auf die Feststellung, daß hier ein statischer Ansatz zur Erläuterung einer Fragestellung herangezogen wird, die eines dynamischen Theorieansatzes bedarf, der als Bezugsrahmen die von Unternehmen geschaffenen Wettbewerbsvorteile wählt.,,115

In der Tat: Indem das Coase-Williamson-Paradigma der Institution des Marktes die Institution der Unternehmung entgegenhält, d.h. Markt und Unternehmung als Alternative begreift, thematisiert es - ganz in der Tradition der statischen Wahlhandlungstheorie - Substitution statt Innovation, Anpassung statt Wettbewerb, Kostenminimierung statt neue Gewinnmöglichkeiten. Insofern muß es noch als eine ganz offene Frage gelten, ob eine solche Theorie der Unternehmung in der Lage sein kann, den Kern einer allgemeinen Theorie von Unternehmen abzugeben. Dies wird besonders dann fraglich, wenn Unternehmen in eine marktwirtschaftliehe und damit dynamische Umwelt eingebettet sind, weil in einer solchen Umwelt - das haben wir von Schumpeter und Heuß gelernt - Unternehmen langfristig nur dann erfolgreich sein können, wenn ihnen innovatives Verhalten immanent ist. 116

b) Die Effizienz von Verträgen: Die Vertragstheorie Cheungs

Es kann nicht überraschen, daß Transaktionskosten insbesondere für die Institution des Vertrags fruchtbar gemacht wurden. Die Alternative zu einer rein preisgesteuerten Allokation ohne Transaktionskosten ist die kostenwirksame Aushandlung von Verträgen, die mehr Dimensionen als nur den Preis der 114

Williamson (1993a) hat dies jüngst wieder betont.

115

Krüsselberg U. (1992, S. 177).

116 Vgl. Heuß (1965) und Schumpeter (1964 [1911]). Schmidt (1992, S. 1857) bestreitet sogar, daß Transaktionskosten geeignet sind, ihr ureigenes Problem - die Wahl zwischen Markt und Hierarchie - zu erklären: "Diese und weitere Einwände gegen den unklaren Begriff der Transaktionskosten sind so gravierend, daß die Transaktionskosten weder als Entscheidungskriterium noch als Erklärungsgrund filr die Existenz und Ausgestaltung von institutionellen Gegebenheiten geeignet sind."

3. Effizienz und Institutionen

69

zu tauschenden Güter besitzen. 117 Wir wollen im folgenden die auf Transaktionskosten fußende Vertragstheorie am Beispiel der Wahl alternativer Vertragstypen in der Landwirtschaft diskutieren. Dieses Forschungsgebiet, das insbesondere von den Arbeiten Cheungs geprägt ist, hat den Vorteil, daß seine modelltheoretischen Hypothesen mit beobachtbaren Tatsachen konfrontiert werden können. llg Ausgangspunkt der Diskussion ist das Problem, welchen Vertragstyp Grundbesitzer wählen sollen, um das Renteneinkommen aus der Bearbeitung ihres Landes zu maximieren. Grundsätzlich haben Grundbesitzer zwei vertragliche Möglichkeiten, um ihren Grund und Boden bestellen zu lassen. Entweder sie schließen Arbeitsverträge mit Lohnarbeitern oder aber Pachtverträge mit Pächtern. Im letzten Fall sind wiederum zwei Varianten möglich. Einerseits kann eine fixe Rente vereinbart werden. Dies bedeutet, daß der Pächter dem Grundbesitzer einen festen Betrag als Rente zahlen muß, unabhängig vom Ernteergebnis. Andererseits ist es jedoch auch möglich, daß Grundbesitzer und Pächter Ernteteilung und damit eine Rentrate vereinbaren, die die Höhe der Rente abhängig macht vom Ertrag des Landes. Traditionell argumentiert die (neoklassische) Theorie ohne Transaktionskosten, daß Arbeitsverträge effizienter als Pachtverträge sind und innerhalb der Pachtverträge die fixe Rente der Ernteteilung überlegen iSt. 119 Für die beiden Extreme - Arbeitsvertrag und Ernteteilung - läßt sich anhand von Figur 8 der dahinter liegende Gedankengang demonstrieren. 120 Auf den Achsen sind die eingesetzten Arbeitsmengen (L) und die Grenzerträge (GE) dieser Arbeitsmengen auf einem gegebenem Stück Land abgetragen. Wie ftlr neoklassische Modelle üblich werden sinkende Grenzerträge unterstellt. Eine solche Voraussetzung ist nicht zwingend. Vielmehr muß sie bedeuten, daß die optimale Bearbeitung des Bodens schon überschritten ist. Ein rational handelnder Grundbesitzer oder Pächter wird nämlich auf einem gegebenem Stück Land mit homogener Qualität nur eine solche Kombination 117

Vgl. Markl (1990, S. 2).

118

Vgl. Cheung (1968, 1969a, 1969b).

Vgl. beispielsweise Johnson (1950). Auch Smith (1976 [1776], Kap. IIl.ii) und Marshall (1982 [1920], S. 534-548) waren dieser Ansicht. Allerdings beurteilten sie nicht das Verhältnis zwischen Arbeits- und Pachtvertrag, sondern allein die beiden Varianten der Pachtverträge. Fixe Rente sei Ernteteilung vorzuziehen - so ihr Argument -, weil Ernteteilung eine geringere Motivation zur Kultivierung des Landes durch die Pächter enthalte. Bei Ernteteilung flUIt nämlich ein Teil der Ertragserhöhung als Rente an die Grundbesitzer, während sie bei fixer Rente zu einer Erhöhung der Profite der Pächter fllhrt. 119

120

Vgl. Cheung (1968) sowie Eggertsson (1990, S. 223-231).

70

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

von Arbeit und Boden wählen, die den höchsten Durchschnittsertrag abwirft. In diesem Fall sind Grenz- und Durchschnittserträge gleich. Erst dann, wenn die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten größer ist als diejenige Angebotsmenge, die mit einem optimalen Verhältnis von Arbeit und Boden produziert werden kann, wird es dazu kommen, daß der Durchschnittsertrag sinkt. Die vorgestellte Entscheidungssituation ist also nur sinnvoll zu interpretieren fiir Situationen, in denen entweder eine Intensivierung eines schon optimal und vollständig bebauten Bodens stattfindet oder aber eine Extensivierung auf schlechtere Böden vorgenommen wird. 121 GE

w

O~------------~--------~------------~----~L

Figur 8: Die Wahl zwischen Arbeits- und Pachtvertrag

Schließt der Grundbesitzer unter solchen Bedingungen nun Arbeitsverträge, so maximiert er seine Rente, wenn er (LI) Arbeitseinheiten beschäftigt, denn hier stimmen exogene Lohnrate (w) und Grenzertrag (GEI) überein. Der produzierte Output verteilt sich vollständig auf Löhne und Rente. Die Landarbeiter erhalten eine Lohnsumme von (wL I = A+B+C); die Grundbesitzer eine Rente, die den Flächen (D+E+F) entspricht. Daß bei Ernteteilung der Pächter in Abhängigkeit vom produzierten Output einen prozentualen Teil des Ernteertrags an den Grundbesitzer zahlen muß, kann modellimmanent dadurch zum 121

Vgl. Schefold (1976, S. 135-137).

3. Effizienz und Institutionen

71

Ausdruck gebracht werden, daß wir uns die für den Pächter entscheidungsrelevante Grenzertragskurve (GE2) flacher denken als die für den Grundbesitzer entscheidungsrelevante Grenzertragskurve (GEI)' Die Differenz beider Kurven wird durch die Höhe der Rentrate (r) bestimmt, die angibt, welchen Teil pro Mengeneinheiten Output der Pächter an den Grundbesitzer als Rente zu zahlen hat:

Die Grenzertragskurve (GE 2) schneidet bei einer niedrigeren Arbeitsmenge als die Grenzertragskurve (GEI) die Lohngerade (w). Dementsprechend wird der Pächter bei Ernteteilung nur einen Arbeitseinsatz von (L2) Einheiten wählen. Es ist nun offensichtlich, warum die Theorie ohne Transaktionskosten davon ausgeht, daß sich die Grundbesitzer bei Pachtverträgen auf Basis von Ernteteilung schlechter stellen als bei Arbeitsverträgen auf Basis von Löhnen. Bei Arbeitsverträgen betrug die Rente (D+E+F). Bei Ernteteilung hingegen reduziert sie sich um (D+F) auf die Fläche (E). Ein Teil der ursprünglichen Rente, nämlich die Fläche (D), ist nun Einkommen des Pächters. Der andere Teil des Verlustes, die Fläche (F), bringt einen direkten Verlust an Output zum Ausdruck. Dieser entsteht, weil bei Pachtverträgen auf Basis von Ernteteilung weniger Arbeitskräfte beschäftigt werden als bei Arbeitsverträgen. Der produzierte Output sinkt um (B+C+F) auf (A+D+E). Gegen diese - traditionell übliche Schlußfolgerung - hat Cheung (1968) nun eingewandt, daß sie unter ihren Prämissen theoretisch nicht konsistent und darüber hinaus empirisch wenig stichhaltig ist. Die Lösung bei Ernteteilung die Arbeitsmenge (L 2) - kann kein Gleichgewicht darstellen, weil das Modell keine Auskunft darüber enthält, warum rational handelnde Grundbesitzer Vertragstypen wählen sollten, die sie schlechter stellen als alternative Vertragstypen. Wenn, wie unterstellt, Vertragsfreiheit existiert und auch die sonstigen Standardprämissen gewährleistet sind - namentlich keine Transaktionskosten und keine Unsicherheit existieren -, gibt es auch keinen Grund, der uns erklären könnte, warum die Grundbesitzer einen Teil ihrer Rente an die Pächter abtreten sollten. Es ist hier wie bei der Coaseschen Kritik der Pigouschen Internalisierungslösung externer Effekte: Die Prämissen des Modells schließen die Problemstellung aus, die mit seiner Hilfe eigentlich gelöst werden sollte. Nimmt man die modelJimmanenten Prämissen hingegen ernst - so Cheung -, müssen Grundbesitzer bei Lohnverträgen und Pachtverträgen auf

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

72

Basis von Ernteteilung gleichgestellt sein, weil ohne Transaktionskosten unterschiedliche institutionelle Arrangements zu den gleichen Ergebnissen führen: "One important extension of the Coase Theorems states that, if all costs of transactions are zero, the use of resources will be similar no matter how production and exchange activities are arranged. This implies that in the absence of transaction costs, alternative institutional or organizational arrangements would Erovide no basic for choice and hence could not be interpreted by economic theory.,,1 2

Cheung zeigt dies, indem er für das Szenario der Ernteteilung annimmt, daß zwischen Grundbesitzer und Pächter ein Arbeitseinsatz von (LI) Einheiten sowie eine neue Rentrate (r') vertraglich festgeschrieben wird, die die Flächen (C) und (D) zur Übereinstimmung bringt. Die neue - nicht eingezeichnete Grenzertragskurve (GE 2') wird im Vergleich zu der in Figur 8 enthaltenen also flacher verlaufen, was bedeutet, daß die neue Rentrate (r') höher ist als die von der in Figur 8 ausgegangen wird. Entscheidend ist nun, daß eine derartige Anpassung der Logik des Modells folgt und die beiden Vertragstypen äquivalent macht. Der Gesamtoutput ist bei Arbeitsverträgen und Ernteteilung gleich (A+B+C+D+E+F); ebenso die Rente. Bei Arbeitsverträgen betrug sie (D+E+F), bei Ernteteilung (C+E+F), welche, wegen der Bedingung: (C) = (D), übereinstimmende Flächen sind. Schließlich stimmt die Lohnsumme bei Arbeitsverträgen (A+B+C) mit dem Pachteinkommen bei Ernteteilung (A+B+D) überein. Allerdings ist auch die Lösung von Cheung nicht unproblematisch. Sie thematisiert nämlich nicht, daß die neue Lohnrate (w') bei seinem Szenario niedriger sein muß als die Lohnrate (w), von der in Figur 8 ausgegangen wird. Die Ursache ist evident. Wenn der Pächter tatsächlich vertraglich verpflichtet ist, einen Arbeitseinsatz von (LI) Einheiten zu wählen, und gleichzeitig seine relativ zu (GEI) und (GE2) flacher verlaufende Grenzertragskurve (GE 2') relevant ist, muß auch die Lohnrate sinken, nämlich auf das Niveau des Schnittpunkts von Grenzertragskurve des Pächters mit der Arbeitsmenge (LI)' Insofern ist die Lösung von Cheung ein Umverteilungsszenario. Während sich nämlich die Grundbesitzer bei Ernteteilung im Vergleich zu Arbeitsverträgen bezüglich ihrer Rente schadlos halten, indem sie die Rentrate erhöhen, sichern sich die Pächter ihr Einkommen dadurch, daß sie die Lohnrate senken. Dieses Problem bleibt bei Cheung und der ihm nachfolgenden Literatur, wie beispielsweise Eggertsson oder McCloskey, unbemerkt, weil die Kategorie eines Produktionsüberschusses, entsprechend der Grenzproduktivitätstheorie

122

Cheung (1987, S. 55).

3. Effizienz und Institutionen

73

der Verteilung, keine Rolle spielt. 123 Vielmehr wird der Pächter wie ein Lohnarbeiter behandelt und behauptet, daß das Arbeitseinkommen bei Arbeitsverträgen - also die Fläche (A+B+C) - dem Pachteinkommen bei Ernteteilung auf Basis eines gleich großen Arbeitseinsatzes - nämlich (A+B+D) - entspricht. Formal ist das natürlich immer dann korrekt, wenn, wie Cheung voraussetzt, eine Rentrate (r') existiert, die die Flächen (C) und (D) in Übereinstimmung bringt. Inhaltlich jedoch muß gefragt werden, ob nicht die Voraussetzung, daß drei unterschiedliche ökonomische Agenten am Werk sind, nämlich Grundbesitzer, Pächter und Arbeiter, nicht auch drei Einkommenskategorien, nämlich Rente, Profit und Löhne, verlangt. 124 Bejaht man dies, so verwickelt sich nicht nur die traditionelle Lösung in Widersprüche, auch die von Cheung steht dann vor dem Problem, daß die Annahme, daß nur Rente und Löhne existieren, weil der Pächter keinen Profit, sondern Lohn erhält, streng genommen bedeutet, daß die ökonomische Kategorie des Pächters obsolet wird. Jenseits solcher modellimmanenter Schwierigkeiten bleibt das Problem, wie die in der Realität anzutreffenden Pachtverträge auf Basis einer Rentrate erklärt werden können. Für die traditionelle Perspektive ohne Transaktionskosten bleibt entweder nur die mit rationalem Handeln unverträgliche Antwort, daß Grundbesitzer ineffiziente Vertragsabschlüsse wählen, oder aber berücksichtigt man die Modifikation der traditionellen Perspektive durch Cheung - es muß kontrafaktisch behauptet werden, daß Grundbesitzer zwischen Arbeitsverträgen und Ernteteilung indifferent sind. Cheung hat diese Widersprüche aufgelöst, indem er aus der Untersuchung der Entwicklung der asiatischen Landwirtschaft in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts die Hypothese entwickelte, daß die unterschiedlichen Vertragstypen ihre Ursachen in unterschiedlichen Ernterisiken einerseits und unterschiedlich hohen Transaktionskosten der einzelnen Vertragstypen andererseits haben: "(00') the choice of contractual arrangement is made so as to maximize the gain from risk dispersion subject to the constraint oftransaction costs.'d25

123

Vgl. Eggertsson (1990, S. 223-231) sowie McCloseky (1985, S. 487-494).

Für die Klassische Politische Ökonomie bestand hieran kein Zweifel: "The produce of the earth - all that is derived from its surface by the united application of labour, machinery, and capital, is divided among three c1asses of the community ... under the names rent, profit, and wages ... To determine the laws which regulate distribution, is the principal problem in Political Economy." Ricardo (1951 [1821], S. 5). 124

125

Cheung (1969b, S. 25).

74

II. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Diese Hypothese begründet Cheung damit, daß das Ertragsrisiko landwirtschaftlicher Produktion im Vergleich zur industriellen Produktion wegen des Einflusses natürlicher Gegebenheiten relativ hoch ist. Um diese Ertragsunsicherheit zu begrenzen, können sowohl Grundbesitzer wie Pächter ein Interesse an Pachtverträgen auf Basis von Ernteteilung entwickeln. Bei Ernteteilung wird das Risiko auf Grundbesitzer und Pächter gestreut, während es bei Arbeitsverträgen allein auf den Grundbesitzern und bei Pachtverträgen auf Basis einer fixen Rente ausschließlich auf den Pächtern lastet. Dem Vorteil der Risikostreuung steht allerdings der Nachteil vergleichsweise hoher Transaktionskosten gegenüber. Pachtverträge auf Basis von Ernteteilung verlangen Verträge, die in Aushandlung, Inhalt und Durchsetzung deutlich komplexer sind als Arbeitsverträge und Pachtverträge auf Basis einer fixen Rente. Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil die Vereinbarung einer Rentrate nicht nur verlangt, daß deren Höhe festgelegt wird, hinzu kommt, daß auch der Ertrag gemessen werden muß, um die jeweiligen Anteile, die an den Pächter und an den Grundbesitzer fallen, zu quantifizieren. Risikostreuung und Transaktionskosten - so der Schluß Cheungs - stehen also in einem Substitutionsverhältnis. Die relativ hohen Transaktionskosten, die mit Ernteverteilungsverträgen verbunden sind, werden nur dann hingenommen werden, wenn auch das Ertragsrisiko relativ hoch ist. Ist umgekehrt das Ertragsrisiko relativ gering, werden Arbeits- oder Pachtverträge auf Basis einer fixen Rente zum Zuge kommen. Ein solches Substitutionsverhältnis kann Cheung rur Asien in den Jahren 1900 bis 1950 tatsächlich belegen. 126 Das markanteste Beispiel ist wohl die Beobachtung, daß Ernteteilung insbesondere in der risikobelasteten Weizenproduktion dominiert, während in der von der Umwelt weit weniger abhängigen Reisproduktion überwiegend Arbeitsverträge bzw. Pachtverträge auf Basis einer fixen Rente geschlossen wurden. 127 Allerdings ist die Allgemeingültigkeit der Hypothese Cheungs angezweifelt worden. 128 So hat beispielsweise Reid die Hypothese explizit anhand der amerikanischen Südstaaten im Jahre 1910 getestet. 129 Sein Ergebnis: Obwohl das

126

Vgl. Cheung (1969a, Kap. 5, Kap. 7, 1969b).

127 .. In

China, share tenancy is reportedly more frequent in the wheat region than in the rice region." Cheung (1969b, S. 28). 128 Vgl. die Übersicht über die entsprechenden Diskussionen bei Allen / Lueck (1992) sowie bei Otsuka / Chuma / Hayami (1992). 129

Vgl. Reid (1973; 1977).

3. Effizienz und Institutionen

75

Ertragsrisiko der Baumwollproduktion vergleichsweise gering ist, vereinbarten die Grundbesitzer Ernteteilung. Dies bedeutet, daß im Gegensatz zu Cheungs Hypothese ein Vertragstyp mit hohen Transaktionskosten bei niedrigerem Ertragsrisiko gewählt wurde. Reid erklärt dieses Phänomen dadurch, daß die Wahl alternativer Verträge nicht hauptsächlich von Ernterisiko und Transaktionskosten abhänge, sondern von den Kenntnissen der Pächter, auf die die Grundbesitzer angewiesen sind. Die Grundbesitzer - so Reid - verzichteten durch Ernteteilungsverträge nur scheinbar auf einen Teil ihrer Rente. Durch den Rückgriff auf die Erfahrung der Pächter konnten sie auf ihren Feldern nämlich einen Output erzielen, den sie bei Bewirtschaftung in eigener Regie nicht erreicht hätten.

c) Die Effizienz historischer Organisationsformen der Arbeit: Die historische Theorie Fenoalteas

Die Unternehmens- und Vertragstheorie hat gezeigt, daß Transaktionskosten genutzt werden können, um die Entscheidung zwischen alternativen, gegebenen Institutionen wie Märkten, Unternehmen und Verträgen zu erklären. Die an Transaktionskosten orientierten wirtschaftsgeschichtlichen Arbeiten machen sich diese Perspektive insofern zunutze, als sie spezifische Organ isationsformen der Produktion als Substitute für den über den Markt vermittelten Tausch begreifen. Deutlicher noch als im Coase-Williamson-Paradigma oder in der Vertragstheorie von Cheung tritt in den historischen Analysen hervor, daß Transaktionskosten ein Chiffre, ein heuristisches Hilfsmittel sind, um die hinter den Organisationen und Institutionen liegende ökonomische Logik aufzudecken. Neben North, mit dessen wirtschaftshistorischer Theorie wir das nachfolgende Kapitel einleiten, war es insbesondere Fenoaltea (1976, 1984), der Transaktionskosten rur die wirtschaftsgeschichtliche Forschung fruchtbar gemacht hat. Am Beispiel der Sklaverei und der feudalen offenen Felderwirtschaft sollen die Zusammenhänge im folgenden exemplarisch diskutiert werden. Sklaverei ist eine Produktionsweise, die auf der Herrschaft über und der Ausbeutung von Menschen beruht. Die Erklärung ihres Aufstiegs und ihres Niedergangs im antiken römischen Reich und in den amerikanischen Südstaaten ist nach wie vor ein umstrittenes Problem. 130 Domar (1970) hat die 130

Engennan {I 986) vennittelt einen Einblick in den Stand der Forschung.

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11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

bekannte These aufgestellt, daß in agrarischen Gesellschaften Sklaverei als Produktionsweise nur dann vorherrschend werden kann, wenn das Verhältnis zwischen der kultivierbaren Landtläche und den verfiigbaren Arbeitskräften sehr hoch ist. Wenn nämlich - so sein Argument - viel freies Land existiert und im Verhältnis dazu wenig Arbeitskräfte, werden nicht-arbeitende Grundbesitzer versuchen, die Arbeitskräfte an sich zu binden, damit diese nicht als selbständige Bauern ihren Lebensunterhalt sicherstellen. 13 I Einen anderen Ansatzpunkt wählt die Transaktionskostentheorie.1 32 Sie kritisiert zunächst die an der Grenzproduktivitätstheorie orientierte Analyse. Diese komme zu dem kontrafaktischen Ergebnis, daß Sklaverei ökonomisch langfristig keine überlebensfahige Produktionsweise sein könne. Sklaven - so das Argument der Grenzproduktivitätstheoretiker - würden nicht nur nicht nach ihrem Grenzprodukt entlohnt, sondern das von ihnen produzierte Grenzprodukt sei auch noch geringer als das freier Lohnarbeiter. 133 Nicht nur moralisch - so der Schluß dieses Arguments -, sondern auch materiell ist Lohnarbeit Sklavenarbeit überlegen. Die Grenzproduktivitätstheoretiker übersehen jedoch so nun der Einwand der Transaktionskostentheoretiker -, daß es nicht unter allen Bedingungen richtig ist, daß Sklaven eine geringere Produktivität als Lohnarbeiter aufweisen. Ganz im Gegenteil konnten beispielsweise Fogel und Engerman (1977) empirisch fiir die Sklavenarbeit auf den Baumwollplantagen der amerikanischen Südstaaten belegen, daß die durchschnittliche Produktivität der Sklaven deutlich höher war als die von Lohnarbeitern in vergleichbaren Tätigkeiten. Dementsprechend sei die Abschaffung der Sklaverei - so auch die Konsequenz von Barzel, Fogel und North - nicht hauptsächlich ökonomisch, sondern politisch-ethisch motiviert gewesen. 134

131 ,,( ... ) the strong version of this hypothesis ... asserts that of the three elements of an agricultural structure relevant here - free land, free peasants, and non-working landowners - any two elements but never all three can exist simultaneously." Domar (1970, S. 21). Allerdings kann diese Argumentation auch zur Begründung der Leibeigenschaft verwandt werden: "Ob Sklaverei oder Leibeigenschaft herauskommt, kann aufgrund dieses Arguments noch nicht gesagt werden; neben historischen Vorbedingungen (etwa schon vorhandener Sklavenhandel), mag die Natur der zu leistenden Arbeit eine Rolle spielen (unterschiedliche Arbeitsorganisationen im Ackerbau und in den Baumwollplantagen). Domars leitendes Beispiel war die Feudalisierung Osteuropas, die in der beginnenden Neuzeit einsetzte und die aus freien Bauern Leibeigene machte." Schefold (1992, S.22).

132

Vgl. Eggertsson (1990, S. 203-213).

133

Vgl. beispielsweise Bergstrom (1971).

134

Vgl. Barzel (1977), Fogel (1989) sowie North (1990, S. 85).

3. Effizienz und Institutionen

77

"A major institution al change that by itself cannot be entirely accounted for by a change in relative prices and in which ideas matters" - heißt es beispielsweise bei North - "was the consequence of the growing abhorrence on the part of civilized human beings of one person owning another and therefore the rise of the antislavery movement throughout the world. Clearly, as we have learned in the tremendous scholarly controversy over the nature of slavery in the United States, this institution was still profitable at the time of the Civil War. ( ... ) it was the intellectual power of the antislavery movement per se that enabled politicians to exploit the issue ( ... ).'''35

Konzentrieren wir uns allein auf die materielle Seite des Problems und lassen moralisch-ethische Gesichtspunkte beiseite - was angesichts des unmenschlichen Charakters des Systems der Sklavenarbeit nicht gerade leicht fällt -, so kann mittels Transaktionskosten tatsächlich plausibel gemacht werden, daß es von der Natur des Produktionsprozesses und der mit ihr verbundenen spezifischen Form der Arbeitsorganisation abhängt, ob Sklaverei ökonomisch eine im Vergleich zur Lohnarbeit inferiore oder superiore Produktionsweise ist. Am klarsten hat dies Fenoaltea (1984) herausgearbeitet. Das ökonomische Hauptproblem von Sklavenarbeit - so Fenoalteas Ausgangspunkt - ist der extrem hohe Entfremdungsgrad der Arbeit. Dies meint, daß es in der Natur der Sklaverei liegt, daß der Eigenantrieb zur produktiven Tätigkeit für Sklaven wesentlich geringer ist als für Lohnarbeiter. Eine gleich hohe oder gar höhere Produktivität als Lohnarbeit kann Sklaverei dementsprechend um so eher erreichen, je mehr es den Sklavenbesitzern gelingt, Arbeitszwang auszuüben. Allerdings setzt Arbeitszwang ein umfassendes Überwachungssystem der Arbeit der Sklaven voraus. Transaktionskosten sind nun eine Hilfskonstruktion, um die Aufwendigkeit eines solchen System des Arbeitszwangs in ökonomischen Kategorien zum Ausdruck zu bringen. Die These ist: Je weniger Ressourcen aufgewendet werden müssen, um den Arbeitszwang sicherzustellen, um so größer wird der wirtschaftliche Vorteil der Produktionsweise der Sklaverei relativ zu der der Lohnarbeit. Die Aufwendigkeit des Überwachungssystems macht Fenoaltea abhängig von der Arbeitsintensität des betrachteten Produktionsprozesses. Je arbeitsintensiver ein Produktionsprozeß, um so geringer die Transaktionskosten der Überwachung der Sklavenarbeit und vice versa. Historisch stützt sich diese Argumentation auf eine komparative Perspektive der Sklaverei im römischen Reich einerseits und in den amerikanischen Südstaaten andererseits. Zwei Beispiele müssen hier genügen. Im römischen Reich wurden Sklaven insbesondere in der Getreideproduktion, dem Bergbau und dem Anbau von Oliven und Wein 13S

North (1990, S. 85).

78

11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

eingesetzt. Während es sich bei der Getreideproduktion und dem Bergbau um relativ arbeitsintensive Produktionen handelte, liegt es in der Natur des Olivenund Weinanbaus, daß dieser weit weniger arbeitsintensiv betrieben werden mußte. Ein Überwachungssystem, das mit annehmbaren Transaktionskosten verbunden ist, war dementsprechend langfristig nur in der Getreideproduktion und im Bergbau möglich. Die Durchsetzung eines sorgfiiltigen Umgangs mit den Wein- und Olivenbäumen hingegen wäre darauf hinausgelaufen, daß die Anzahl der Sklaven der ihrer Aufseher entsprochen hätte. Tatsächlich kann Fenoaltea (1984) belegen, daß die Auflösungserscheinungen der Sklaverei im römischen Reich zunächst den Wein- und Olivenanbau erfaßten, während die Sklaverei in der Getreideproduktion und im Bergbau zeitlich viel länger vorherrschend war und in bestimmten Gebieten bis weit ins Mittelalter praktiziert wurde. 136 Sein zweites Beispiel stützt Fenoaltea auf die Tatsache, daß die Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten sehr zählebig war. Bekanntlich bedurfte es eines blutigen Bürgerkriegs, um sie zu beseitigen. Eine ökonomische Erklärung im Sinne der Transaktionskostentheorie ist, daß sich in den Südstaaten die Sklavenarbeit auf die Baumwollplantagen konzentrierte. Durch die arbeitsintensive, auf körperliche Mühen aufbauende Natur dieser Produktion war es den Plantagenbesitzern mit relativ geringen Transaktionskosten, d.h. mit einem relativ einfachen Überwachungssystem möglich, eine relativ hohe Produktivität zu erzielen. Exogene, d.h. politische Kräfte waren nötig, um die Sklaverei abzuschaffen, weil die immanent ökonomischen Kräfte das System stützten. Eine andere Form der Arbeitsorganisation, um deren Erklärung sich die Transaktionskostentheorie besonders bemüht hat, ist die mittelalterliche sogenannte offene Felderwirtschaft, die etwa vom 9. bis zum 17. Jahrhundert die Arbeitsorganisation in der Landwirtschaft Englands und großen Teilen Mitteleuropas beherrschte. 13 ? Soziale und ökonomische Grundeinheit dieses Anbausystems war das bäuerliche Dorf. Um das Dorf herum lagen uneingezäunte Felder, die in Ackerland und Nicht-Ackerland eingeteilt waren. Das Ackerland war seinerseits in über alle Felder verstreut liegende Parzellen bzw. Landstreifen unterteilt, die während der Zeit zwischen Saat und Ernte individuell und privat von den einzelnen Bauernhaushalten bearbeitet wurden. Außerhalb dieses Zeitraums wurden die Parzellen kollektiv durch das Dorf zur

136

Vgl. Fenoaltea (1984, S. 643-653).

Zur Beschreibung der offenen Felderwirtschaft vgl. beispielsweise Bauer / Matis (1989, S. 69-77), Dahlman (1980) sowie Hoffinann (1975). 137

3. Effizienz und Institutionen

79

Viehweidung genutzt. Das Ackerland wechselte also die Eigentumsfonn: Einmal war es Privatbesitz einzelner Bauernhaushalte, ein anderes Mal Kollektiveigentum des bäuerlichen Dorfes. Dieser Eigentumswechsel wurde gemeinschaftlich durch das Dorf kontrolliert, wobei in der Regel diejenigen Bauern, die mehr Land besaßen, auch ein größeres Gewicht bei der Entscheidung über die Bestellung der Felder hatten. Wenngleich das gesamte Land streng genommen nur eine Ausleihe des Lehnsherren darstellte, der hierauf seine an ihn abzuruhrende Fron begründete, befand es sich doch de facto im Eigentum des Dorfes bzw. im Eigentum der einzelnen Bauernhaushalte. Produziert wurde zunächst nach dem System der Zwei-Felderwirtschaft, später nach dem der Drei-Felderwirtschaft, d.h. die Parzellen wurden abwechselnd für die Brache, die Herbstsaat (Weizen, Roggen, Gerste) und die Frühlingssaat (Hafer und Hülsenfrüchte) genutzt. Die wirtschaftshistorische Forschung hat sich nun gefragt, warum die Bauern ihre jeweiligen Parzellen nicht zu einem Stück zusammenlegten, um so die produktionstechnischen Schwierigkeiten zu venneiden, die mit Parzellenwirtschaft verbunden sind: Die Bearbeitung verstreut liegender Parzellen kostet unnötig viel Zeit; die Wanderung von Parzelle zu Parzelle ist mit enonnen negativen externen Effekten verbunden; durch die Zersplitterung des Landes können Verbund- und Skaleneffekte nicht genutzt werden; darüber hinaus kommt es durch die gemeinschaftliche Nutzung des Brachlandes bei der Viehweidung regelmäßig zu einer Überbeanspruchung des Bodens. Eine solche Frage liegt auch deswegen nahe, weil wir wissen, daß das mittelalterliche Dorf Züge einer genossenschaftlich organisierten Gemeinschaft trug. 138 Insofern erscheint eine kollektive Absprache über eine Neuordnung der Landverhältnisse jenseits der feudalen Besitzverhältnisse im Bereich des Möglichen gewesen zu sein. Eine gängige Hypothese rur dieses Problem ist - sie findet sich beispielsweise bei McCloskey (1976) -, daß die Bauern risikoavers gewesen seien. Mit guten Gründen hätten sie deswegen davon abgesehen, ihre Parzellen zusammenzulegen. Eine Zusammenlegung hätte nämlich bedeutet, daß die Produktvielfalt für den einzelnen Bauernhaushalt abnimmt, weil ein Stück Land nur schwer gleichzeitig für die Herbst- und rur die Frühlingssaat bzw. zur Brache eingesetzt werden kann. Würde das Feld aber nur mit einer Frucht I3K "Die Gemeinde regelt Flurordnung und Nutzungsrechte der einzelnen Dorfbewohner. Der einzelne Dorfbewohner ist darUber hinaus in seinem ganzen gesellschaftlichen Dasein untrennbar mit der Gemeinde verknUpft." Bauer / Matis (1989, S. 75).

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11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

bestellt, hätten Mißernten eine verheerende Wirkung gehabt. Darüber hinaus lagen die Felder geographisch unterschiedlich, beispielsweise an einem Hang oder in einer Ebene bzw. auf der Nord- oder Südseite des Dorfes. So wurden sie von klimatische Unregelmäßigkeiten - Sturm, Überschwemmungen, Trockenheit u.s.f. - unterschiedlich getroffen. Eine zusammenhängende Fläche hingegen hätte diesen Vorteil zunichte gemacht. Wenn es also richtig ist - so der Schluß dieser Argumentation -, daß die Bauern risikoavers gewesen sind, kann die Bewirtschaftung von zerstreut liegenden Parzellen trotz der damit verbundenen Ineffizienzen vorteilhaft gewesen sein. Die Varianz des jährlichen Durchschnittsertrags wurde mittels Produktdiversifikation und der Ausnutzung unterschiedlicher klimatischer Bedingungen relativ gering gehalten und damit die Ernährung der Familie und des Dorfes sichergestellt. Gegen diese Hypothese hat Fenoaltea eingewandt, daß sie die Möglichkeit von Vorratsbildung über~ehe. 139 Gegen Mißernten konnten sich die Bauern eben auch dadurch schützen, daß sie einen Teil des ihnen verbliebenen Surplus sparten und nicht konsumierten. Tatsächlich belegt Fenoaltea anhand vieler Beispiele und Quellen, daß die landwirtschaftliche Produktion des Mittelalters, zumindest im Mittelmeerraum, auf Vorratsbildung zugeschnitten war. Risikoaversion war daher nicht die entscheidende Variable rür die Wahl der Arbeitsorganisation, sondern diejenige für die Entscheidung zwischen Sparen und Konsum. 140 Die Institution der offenen Felderwirtschaft hat deswegen so lange vorgeherrscht, weil - so Fenoaltea - damit simultan eine effiziente Allokation der Arbeitskräfte des Dorfes auf die ihr zur Verfügung stehenden Felder hergestellt wurde. In der Zeit während Saat und Ernte wurden die Moti139 Vgl. Fenoaltea (1976). In diesem Zusammenhang steht auch eine Kritik Fenoalteas an der Behauptung von North I Thomas (1971), daß die Teilung in Herren- und Bauernland einem Vertrag zwischen Bauern und Grundherren entspreche. Die Bauern - so North und Thomas bewirtschafteten das Land der Herren und genossen dafilr Schutz durch diese. Fenoaltea (1975) und später Field (1981) bezweifeln diesen Zusammenhang, insbesondere wegen der offensichtlichen machtpolitischen Verhältnissen, auf denen die mittelalterliche Fron fußte. North (1988, Kap. 10) hat auf Grund dieser Einwände seine Auffassung über die Erklärung der Eigentumsverhältnisse im Mittelalter später erheblich modifiziert.

140 Vgl. Fenoaltea (1976). In der Diskussion zwischen McCloskey und Fenoaltea versuchte McCloskey (1977), seine Argumentation dadurch zu retten, indem er Opportunitätskosten der Lagerhaltung einführte und behauptete, daß diese, wegen der hohen Zinsen im Mittelalter, zu hoch gewesen wären, um Lagerhaltung, d.h. Vorratsbildung, lohnend zu machen. Dies bleibt jedoch ein theoretisches Konstrukt, wie Fenoaltea (1977) in seiner Antwort zeigen kann, weil Lagerhaltung tatsächlich stattfand und die Bauern sich bei ihrer Vorratsbildung nicht am Zins filr Geld und Kapital orientierten.

4. Zusammenfassung: Von der Institutionenökonomik zur Wachstumstheorie

81

vationsvorteile von Privateigentum genutzt, dazwischen, während der Viehweidung, die Vorteile von Massenproduktion. Wären hingegen die Parzellen zusammengelegt worden, hätte dies zu einer zeitlichen und räumlichen Neuverteilung der Arbeitskräfte des Dorfes geruhrt. Insbesondere wäre es notwendig geworden, daß Bauern wechselseitig Beschäftigungsverhältnisse eingehen, weil der einzelne Bauemhaushalt nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die nun zusammenhängende Fläche allein nach dem System der Drei-Felderwirtschaft optimal zu bestellen. Eine solche Reallokation der Arbeit - so Fenoaltea wäre mit prohibitiv hohen Transaktionskosten verbunden gewesen, insbesondere deswegen, weil die historische Erfahrung eines auf Angebot und Nachfrage aufbauenden Arbeitsmarktes völlig fehlte. Beispielsweise war es den Bauern fremd, andere Bauern auf ihrem Land zu beschäftigten und deren Arbeit zu kontrollieren. Mithin war die offene Felderwirtschaft - so der Schluß - ein Substitut rur das Fehlen eines auf Angebot und Nachfrage aufbauenden Arbeitsmarktes. Die Institution der offenen Felderwirtschaft war effizient, weil sie die Transaktionskosten vermied, die mit einer Reallokation der Arbeit bei einem anderen Anbausystem verbunden gewesen wären: "The key to scattering (00') is to be found in the transaction costs of purchasing or exchanging labor: once these are taken into account, diversification is seen to increase output by increasing the scope for useful self-employment and for economically sm all and stable teams of hired hands, and the open field can be justified by the simple desire to maximize agriculture productivity.'''41

4. Zusammenfassung: Von der Institutionenökonomik zur Wachstumstheorie In diesem Kapitel haben wir den Stand der Forschung der Transaktionskostentheorie aufgearbeitet. Insbesondere interessierte uns die Frage, ob und wie Transaktionskosten den Erklärungsgehalt der ökonomischen Theorie erhöhen. Um diese Frage zu klären, diskutierten wir im ersten Teil des Kapitels zunächst einige theoretische Standards, die rur das Verständnis der Integration von Transaktionskosten in die ökonomische Theorie notwendig sind. So machten wir plausibel, daß sich Transaktionskosten als die monetär bewerteten Inputs der Organisation von Transaktionen, d.h. des Kaufs und Verkaufs von Verrugungsrechten an Gütern und Produktionsfaktoren, definieren lassen. 141 Fenoaltea (1976, S. 149). 6 Löchel

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11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Ausgehend von dieser Definition konnten wir anhand der empirischen Forschung zeigen, daß Transaktionskosten bisher nur in einzelnen Fallstudien quantitativ belegt werden konnten, während sie im allgemeinen auf der mikroökonomischen Unternehmensebene weitestgehend nur indirekt Ober die von Williamson vorgeschlagenen Transaktionsdimensionen gemessen werden. Die Diskussion, welche empirische und theoretische Relevanz demgegenOber die makroökonomisch angelegte Untersuchung von Wallis und North für die Entwicklung der über die Volkswirtschaft der USA aggregierten Transaktionskosten hat, haben wir uns für das folgenden Kapitel aufgespart. Schließlich gehört es auch zu den Standards der Transaktionskostentheorie, eine Vorstellung davon zu entwickeln, welchen spezifischen Charakter Transaktionskosten, namentlich in Abgrenzung zu Produktionskosten, haben. Die in der Klassischen Politischen Ökonomie, insbesondere bei Marx in diesem Zusammenhang angelegte Dichotomie zwischen "unproduktiver" und "produktiver Arbeit" erwies sich hier als wenig fruchtbar. Allerdings zeigte uns diese Dichotomie, wie Transaktionskosten von Produktionskosten zu unterscheiden sind. Der Unterschied besteht darin, daß Transaktionskosten ein immaterielles Produkt - nämlich die Organisation von Transaktionen - als Ursache haben, während Produktionskosten bei der Herstellung eines materiellen Produktes entstehen. Ausgehend von den theoretischen Standards diskutierten wir im zweiten Teil des Kapitels die Integration von Transaktionskosten in die Gleichgewichtstheorie, insbesondere in die Partialanalyse. Drei Ergebnisse waren zentral: Erstens: Gleichgewichtstheorie und Transaktionskosten stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Werden Transaktionskosten berücksichtigt, kann die Prämisse des vollkommenen Wettbewerbs streng genommen nicht mehr aufrechterhalten werden. Wird die Unterstellung vollkommenen Wettbewerbs aber aufgeben, sind eindeutige Gleichgewichte - mit oder ohne Transaktionskosten - nicht mehr zu erreichen. Die Gleichgewichtstheorie umgeht dieses Problem, indem sie Transaktionskosten formal integriert, ohne inhaltlich zu reflektieren, daß dies auch auf die anderen Prämissen des Gleichgewichtsmodells zurückwirken muß. Zweitens: Akzeptiert man dieses Vorgehen, ergab sich, daß Transaktionskosten, sind sie hinreichend hoch, Arbeitsteilung und Tausch für ökonomische Einheiten unvorteilhaft machen können. Ein Resultat, das insbesondere für die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung noch an Bedeutung gewinnen wird. Drittens: Es wurde begründet, daß Transaktionskosten, unabhängig davon, ob sie Tausch verhindern oder nicht, an der Effizienz ökonomischer Handlungen, die unter den Prämissen der Gleichgewichtstheorie stehen, nichts ändern. Gleichgewichte mit Transak-

4. Zusammenfassung: Von der Institutionenökonomik zur Wachstumstheorie

83

tionskosten sind genauso Pareto-optimal wie Gleichgewichte ohne Transaktionskosten. Der Unterschied beider Gleichgewichte ist nur, daß Gleichgewichte mit Transaktionskosten ein im Vergleich zu Gleichgewichten ohne Transaktionskosten geringeres Wohlfahrtsniveau zulassen. Ein Teil der zur Verfügung stehenden Ressourcen muß für die Organisationen der Transaktionen selbst verwendet werden. Als positives Resultat ergab sich, daß Transaktionskosten dann und nur dann zu Pareto-ineffizienten Gleichgewichten führen können, wenn sie nicht auf der Restriktionenebene, sondern auf der Handlungsebene angesiedelt sind, beispielsweise dadurch - um an das Gedankenexperiment von Dahlman zu erinnern -, daß im Entscheidungszeitpunkt Unsicherheit über die Höhe der Transaktionskosten besteht und es deshalb gemessen an rationalem Handeln - zu inferioren Entscheidungen kommt. Die Effizienzdiskussion prägte auch den dritten Teil des Kapitels, in dem wir die Integration von Transaktionskosten in die Neue Institutionenökonomik aufarbeiteten. Wir konnten plausibel machen, daß sich die Neue Institutionenökonomik verstehen läßt als eine Verbindung von (neoklassischer) Wahlhandlungstheorie und Institutionenökonomik. Transaktionskosten sind aus dieser Perspektive ein Mittel, um die Wahl und die Effizienz institutioneller Arrangements zu erklären: Sei es, wie im Coase-Williamson-Paradigma, die Wahl zwischen Markt und Unternehmen; sei es, wie in der Vertragstheorie Cheungs, die Wahl zwischen Arbeits- und Pachtvertrag; oder sei es, wie schließlich in der Theorie Fenoalteas, die Wahl verschiedener historischer Formen der Arbeitsorganisation. Die Probleme einer solchen Perspektive zeigten sich jeweils darin, daß sie nur auf statische Entscheidungssituationen zugeschnitten bleiben, und eine Thematisierung dynamischer und evolutorischer Entwicklungen nicht zulassen. Dieses Problem bildet nun den Ausgangspunkt des nachfolgenden Kapitels. Mit der Verbindung von Institutionen und Wahlhandlungstheorie knüpft die Neue Institutionenökonomik an die vertragstheoretisch orientierte institutionalistische Tradition an. 142 Diese Tradition, die in Buchanan (1975) wohl ihren bekanntesten zeitgenössischen Vertreter gefunden hat, behandelt Institutionen und institutionellen Wandel als das Ergebnis planvoller, intentionaler individueller Handlungen. Gewählt werden jeweils solche Institutionen - so die These -, die ökonomisch effizient sind, d.h. solche Institutionen, die die Transaktionskosten minimieren. Dieser Idee konstruierter Institutionen kann die auf die schottische Moralphilosophie von 142 Zu den verschiedenen Traditionen institutionalistischer Theorien und ihrer Relevanz rur die ökonomische Theorie vgl. beispielsweise Dietl (1993, Kap. 2), Gafgen (1983), Knight (1992), Vanberg (1983), Radnitzky (1984) sowie Witt (1988).

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11. Transaktionskosten und ökonomische Theorie

Hume, Ferguson und Smith zurückgehende evolutorische Tradition gegenübergestellt werden. Für die Evolutionstheoretiker, die in der Wien er Schule der Nationalökonomie, insbesondere im Werk Hajeks, prominente Fortsetzer gefunden haben, sind Institutionen und institutioneller Wandel das spontane, d.h. nicht beabsichtigte Ergebnis individueller Handlungen. Welche Wirkungen Institutionen - so ihre These - auf ökonomische Ergebnisse haben, ist a priori nicht Bestandteil des Wissens wirtschaftlicher Einheiten. Für das Verständnis der Northschen Theorie sind diese bei den Konzepte nun insofern relevant, als in der Northschen Theorie - anders als bei der wahlhandlungstheoretischen Deutung von Institutionen - nicht mehr die Substitution von Institutionen, sondern - wie in der evolutorischen Tradition - deren dynamische Entwicklung in der historischen Zeit im Zentrum der Analyse steht. Darüber hinaus verfUgt die Northsche Theorie auch über ein anderes Integrationsmuster als die Neue Institutionenökonomik, um Transaktionskosten für die ökonomische Theorie fruchtbar zu machen. Fragt die Neue Institutionenökonomik hauptsächlich danach, wie die Bedingungen sein müssen, damit Institutionen effizient sind, steht bei North das umgekehrte Problem im Vordergrund: Warum sind die in der Realität zu beobachtenden Institutionen regelmäßig nicht mit den Bedingungen ökonomischer Effizienz, namentlich minimaler Transaktionskosten, vereinbar? Dieser doppelte Perspektivenwechsel mündet schließlich in einen Wechsel des Untersuchungsgegenstandes. Untersucht wird nicht mehr das statische Verhältnis von Institutionen und Transaktionskosten, untersucht wird vielmehr, welchen Einfluß die Entwicklung der Transaktionskosten auf das Wachstum von Volkswirtschaften hat. Die Integration von Transaktionskosten in die Institutionenökonomik ist hierfür nur ein notwendiger Zwischenschritt. Über die Bestimmung der Entwicklung der Transaktionskosten gewinnen Institutionen Einfluß auf den Wachstumsprozeß.

111. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik Anknüpfend an die von Schumpeter ausgehende Tradition, betont die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung vor allem die Bedeutung von Technologien und technologischen Innovationen rur den Wachstumsprozeß von Volkswirtschaften in der historischen Zeit.! Auch die Northsche Theorie ist eine Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie setzt die Schwerpunkte aber anders. Nicht technologische, sondern institutionelle Entwicklungen bestimmen hier die Erklärungszusammenhänge. Institutionen und institutioneller Wandel sind in der Northschen Theorie die Determinanten des Prozesses der wirtschaftlichen Entwicklung. Einerseits prägen sie die Verhaltensmuster ökonomischer Akteure, andererseits bestimmen sie die Höhe der Transaktionskosten. Noch in einer anderen Hinsicht unterscheidet sich die Northsche Theorie von der traditionellen Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. North thematisiert nicht hauptsächlich wirtschaftliche Entwicklung, sondern umgekehrt wirtschaftliche Nicht-Entwicklung. Die Northsche Theorie fragt nach den Ursachen langfristiger wirtschaftlicher Stagnation. Dabei entwickelt North eine ganz ähnliche Idee, wie wir sie schon bei Veblen, dem Begründer des Amerikanischen Institutionalismus, oder bei Olson, dem Theoretiker des kollektiven Handeins, finden. Während Veblen die wirtschaftliche Entwicklung durch Institutionen gebremst sah, die die Dynamik des technologischen Fortschritts konterkarieren indem sie tradierte Werte verkörpern, und Olson von einer "institutionellen Sklerose" als Ursache des Niedergangs von Volkswirtschaften spricht, sieht North in ineffizienten institutionellen Entwicklungspfaden die Erklärung der Stagnation von Volkswirtschaften? Als ineffiziente institutionelle Entwicklungspfade charakterisiert North Entwicklungspfade, die das Wachstum von Volkswirtschaften bremsen. Dies sind einerseits Entwicklungspfade, bei denen sich Institutionen ausbreiten, die unproduktives Verhalten I Vgl. beispielsweise Dosi et al. (1988), Nelson / Winter (1982) sowie Schumpeter (1964 [1911]). 2

Vgl. Olson (1985, S. XII; 1968) sowie Veblen (1898).

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III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

fördern, und andererseits Entwicklungspfade, die mit hohen Transaktionskosten des Tauschs und der Koordination verbunden sind. Es ist dieser letzte Gesichtspunkt - die Abhängigkeit der Transaktionskosten von den Institutionen -, auf den die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung letztlich zuläuft. Ineffiziente institutionelle Entwicklungspfade - so das Argument - seien nicht in der Lage, den dem Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung immanenten Anstieg der Transaktionskosten aufzuhalten. Steigende Transaktionskosten aber - so dann der Schluß - limitierten das Wachstum von Volkswirtschaften. Zunächst ist grundsätzlich zu fragen, welcher Zusammenhang zwischen dem Wachstum von Volkswirtschaften einerseits und der Entwicklung der Kosten andererseits besteht. Aus der Perspektive einer Volkswirtschaft im ganzen sind steigende Transaktionskosten selbst Teil des Wachstums. Sie bringen ein wachsendes Beschäftigungsniveau und ein steigendes Sozialprodukt zum Ausdruck. Denken wir an "Le Grand Espoir du XXe Siecle" von Fourastie (1949). Die vergleichsweise geringe Produktivitätsentwicklung des tertiären Sektors, also der Anstieg der relativen Preise der Güter dieses Sektors, wurde von Fourastie und anderen Theoretikern der Drei-Sektoren-Hypothese als ursächlich für dessen überproportionales Beschäftigungswachstum angesehen. Sollen deshalb steigende Transaktionskosten mit dem Wachstum von Volkswirtschaften negativ korreliert sein, muß North die Volkswirtschaft wie eine Unternehmung betrachten. Die Idee muß also sein, daß steigende Transaktionskosten, vermittelt über den nationalen und internationalen Wettbewerb im Absatz, d.h. in der Nachfrage nach den Produkten der betrachteten Unternehmung bzw. den Waren der entsprechenden Volkswirtschaft, eine Schranke finden. Mit anderen Worten: Steigende Transaktionskosten können dann das Wachstum von Volkswirtschaften limitieren, wenn sie zu komparativen Kostennachteilen fUhren, die ihrerseits die Nachfrage beschränken. Es kann nun kein Zweifel bestehen, daß ein solcher Prozeß das Wachstum von Volkswirtschaften beeinträchtigt, möglicherweise sogar zum Stillstand bringen kann. Dies wird insbesondere dann sehr wahrscheinlich, wenn der komparative Kostennachteil ein langfristiger ist. Wenn wir deswegen im folgenden behaupten, daß die Konklusion der Northschen Theorie - Transaktionskosten limitieren das Wachstum von Volkswirtschaften - im wesentlichen fehl geht, dann nicht deshalb, weil es nicht richtig wäre, daß langfristig steigende Kosten zu wirtschaftlicher Stagnation führen, sondern deshalb, weil die der Konklusion zugrunde liegende Hypothese eines langfristigen Anstiegs der wachstumsrelevanten Transaktionskosten weder theoretisch begründet noch

III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

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empirisch belegt werden kann. Fünf Gesichtspunkte stehen dabei im Vordergrund. Erstens: Die von North intendierte Gleichsetzung der Entwicklung der Größe eines noch genauer zu bestimmenden Transaktionssektors mit der Entwicklung der Transaktionskosten ist unzulässig. Die Northsche Theorie benötigt, um ihre Hypothese einer den Wachstumsprozeß von Volkswirtschaften limitierenden Wirkung von Transaktionskosten zu begründen, den Anstieg durchschnittlicher Transaktionskosten. Die Northsche Empirie jedoch mißt den langfristigen Anstieg der totalen Kosten. In welchem Verhältnis beide Kostentypen stehen, kann apriori nicht gesagt werden. Als gesicherte Erkenntnis muß jedoch gelten, daß ein Anstieg der totalen Kosten nicht notwendigerweise impliziert, daß auch die durchschnittlichen Kosten gestiegen sind. Zweitens: Es gibt gute Argumente für die Annahme, daß der Zusammenhang zwischen der Größe des Transaktionssektors und der Entwicklung der Produktivität von Transaktionsaktivitäten genau entgegengesetzt zu demjenigen ist, den die Northsche Theorie behauptet. Eine mit der Zeit zunehmende Größe des Transaktionssektors läßt eine steigende Produktivität von Transaktionsaktivitäten vermuten und damit sinkende Transaktionskosten. Wäre dies anders, gäbe es keine ökonomische Basis für die zu beobachtende strukturelle Ausdifferenzierung und überproportionale Expansion eines Transaktionssektors in entwickelten Volkswirtschaften. Drittens: Ausgehend von der Überlegung, daß die Entwicklung der durchschnittlichen Transaktionskosten im Rahmen eines Zwei-Sektoren-Modells approximativ der Entwicklung der Produktivität des Transaktionssektors entspricht, kann belegt werden, daß die Produktivität des Transaktionssektors wie die Produktivität jedes anderen Sektors auch - langfristig gestiegen ist. Dies ist ein eindeutiger empirischer Indikator dafür, daß auch die durchschnittlichen Transaktionskosten langfristig gesunken sein müssen. Damit kann die Hypothese eines langfristigen Anstiegs der wachstumsrelevanten Transaktionskosten zumindest für den zugrundegelegten Beobachtungszeitraum als falsifiziert gelten. Die Entwicklungen von durchschnittlichen Produktionskosten und durchschnittlichen Transaktionskosten unterscheiden sich nicht dadurch - wie die Northsche Theorie nahelegt -, daß erstere sinken, während letztere steigen, sondern dadurch, daß die Produktionskosten rascher als die Transaktionskosten sinken. Viertens: Die bei den Kostentypen, die die Northsche Theorie behandelt durchschnittliche und totale Kosten -, finden ihre Entsprechung in einer

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III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

doppelten Perspektive über den Zusammenhang von Institutionen und Transaktionskosten. Theoretisch begreift North Institutionen als die Determinanten der Transaktionskosten. Diese Perspektive stellt auf die Produktivität von Transaktionsaktivitäten und damit implizit auf durchschnittliche Transaktionskosten ab. Anders in der Northschen Empirie: Hier wird der monetär bewertete Aufwand rur die Errichtung, die Nutzung und den Wandel von Institutionen als Transaktionskosten interpretiert und damit aggregierte Kosten betrachtet. Jeweils rur sich genommen, sind beide Perspektiven plausibel. Zusammen jedoch, sind Theorie und Empirie nicht kompatibel. Fünftens: Die Hypothese eines langfristigen Anstiegs der Transaktionskosten ist nicht nur deswegen problematisch, weil die empirischen und die theoretischen Maßeinheiten der Northschen Theorie nicht übereinstimmen. Hinzu kommt, daß die Northsche Theorie ein entscheidendes Element der Erklärung der langfristigen Entwicklung der Transaktionskosten nicht enthält. Transaktionstechnologien als einer der wichtigsten Bestimmungsfaktoren der Produktivität von Transaktionsaktivitäten werden in der Northschen Theorie nicht thematisiert. Dies hängt möglicherweise mit einem übergeordneten Erklärungsziel von North zusammen, der Vorstellung nämlich, daß Institutionen und institutioneller Wandel rur den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung bedeutsamer sind als Technologien und technologischer Fortschritt. Um eine Theorie zu kritisieren, muß man sie zuerst verstehen. Im ersten Teil des Kapitels rekonstruieren wir deshalb zunächst die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Dabei machen wir plausibel, wie North von der wirtschaftshistorischen Forschung ausgehend über die Institutionenökonomik schließlich zur Wachstums- und Entwicklungstheorie gelangt. Im zweiten Teil des Kapitels diskutieren wir den wachstumstheoretischen Kern der Northschen Theorie genauer. Es wird gezeigt, wie North theoretisch zu der Hypothese steigender Transaktionskosten kommt und wie er diese Hypothese empirisch überprüft. Im dritten Teil des Kapitels werden die Probleme der Northschen Theorie und Empirie aufgearbeitet und Wege ihrer Lösung diskutiert. Den Ausgangspunkt bilden dabei die Schwierigkeiten, die dann auftreten, wird die Hypothese langfristig steigender Transaktionskosten ernst genommen. Der vierte Teil des Kapitels schließlich faßt die Northsche Theorie und die Kritik an ihr zusammen und verweist darauf - das nächste Kapitel einleitend -, daß die von North diskutierten Zusammenhänge von Institutionen, Transaktionssektor und wirtschaftlicher Entwicklung nicht nur einer wachstumstheoretischen, sondern auch einer strukturtheoretischen Deutung zugänglich sind.

I. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel

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1. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung Douglass C. North ist Wirtschaftshistoriker. 3 Die Erforschung der Wirtschaftsgeschichte ist ftIr ihn aber kein Selbstzweck. Vielmehr habe Wirtschaftsgeschichte die Frage aufzuklären, was langfristig erfolgreiche von langfristig weniger erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklungen unterscheidet. 4 "Explaining economic growth" - heißt es programmatisch - "is perhaps history's central task. ,,5

Indem sich die wirtschaftshistorische Forschung dieser Aufgabe stellt, müsse sie sich gleichzeitig - so North weiter - von der Vorstellung befreien, daß technologischer Wandel der Schlüssel wirtschaftlicher Entwicklung sei. "Economic historians have focused on technological change as the source of growth" - heißt es schon in einer frühen Arbeit - "but the development of institutional arrangements (... and ... ) more efficient economic organization is surely as important a part ofthe growth ofthe Western World as it is the development oftechnology, and it is time it received equal attention".6

Wachstum - so das allgemeine Resultat von North Funktion der Institutionen einer Volkswirtschaft:

ist vielmehr eine

,,( ... ) institutions (... ) are the underlying determinant of the long-run performance of economies. If we are ever to construct a dynamic theory of change - something missing in mainstream economics and only very imperfectly dealt with in Marxian theory - it must be built on a model of institutional change." 7

3 Zur Interpretation der wirtschaftshistorischen Arbeiten von North vgl. die von Ransom / Sutch / Walton (1982) herausgegebenen Aufsatzsammlung, insbesondere den Aufsatz von Sutch (1982). 4 "The central puzzle ofhuman history is to account for the widely divergent paths of historical change. How have societies diverged? What accounts for their widely disparate performance characteristics? ( ... ) What explains the divergence? And perhaps equally important, what conditions either lead to further divergence or produce convergence?" North (1990, S. 6-7).

5 Wallis I North (1986, S. 123). Schon die erste wirtschaftshistorische Publikation von North aus dem Jahre 1955 zielt auf die Erklärung von Wachstumsprozessen und ist bezeichnenderweise mit "Location Theory and Regional Economic Growth" betitelt; vgl. North (1955). Vgl. auch die programmatischen Aufsätze von North (1971; 1977; 1978) über die Bedeutung und die Aufgaben wirtschaftshistorischer Forschung. 6

North (1971, S. 119-120); vgl. auch North (1968; 1989a).

7

North (1990, S. 107).

90

111. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

Selbstverständlich ist diese Erkenntnis fUr die ökonomische Theorie keine neue oder gar revolutionäre Einsicht. Kein Theoretiker, der die Grenzen der statischen Theorie schon einmal verlassen hat, wird ernsthaft Einwände erheben gegen die Behauptung, daß Institutionen und institutioneller Wandel unerläßliche Bedingungen wirtschaftlicher Entwicklung sind. Schon Schumpeter, der Begründer der modemen Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, führte den von ihm prophezeiten Niedergang der kapitalistischen Produktionsweise auf "the destruction of the institutional framework" zurück. 8 Die eigentlich interessante Frage ist nicht, ob Institutionen den Wachstumsprozeß von Volkswirtschaften beeinflussen, die entscheidende Frage ist vielmehr, wie sie das tun.

a) Eigentumsrechte und Transaktionskosten

Für North sind zwei Argumente ausschlaggebend, um die besondere Bedeutung von Institutionen fUr den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung zu betonen. 9 Das erste Argument lautet: Institutionen verkörpern Motive und Anreize fUr wirtschaftliches Verhalten. Dies meint, daß unterschiedliche Institutionen zu unterschiedlichen Ergebnissen fUhren, weil sie unterschiedliche Verhaltensweisen fordern. lO Institutionen beispielsweise, die nicht die Einkommensentstehung fördern, sondern nur deren Verteilung regeln, sind fUr North paradigmatische Institutionen der Stagnation 11 Mit dieser Sicht der Dinge teilt North eine Perspektive, wie wir sie insbesondere in der Theorie der Property-Rights finden. 12 Die zentrale These ist hier, daß exklusives Eigentum zu ökonomisch besseren Ergebnissen fUhrt als kollektives Eigentum. \3 Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang beiK

Schumpeter (1942, S. 139).

"My theory of institutions is constructed from a theory of human behaviour combined with a theory ofthe costs oftransacting." North (1990, S. 27). 9

10 "Institutions provide the incentive structure of an economy; as that structure evolves, it shapes the direction ofeconomic change towards growth, stagnation or decline." North (1991, S. 97).

11

Vgl. North (1990, S. 78).

Zur Property Rights-Theorie vgl. beispielsweise Alchian / Demsetz (1973), Gäfgen (1984) sowie den von SchUller (1983) herausgegebenen Sammelband und die Arbeitstagung des Vereins fllr Socialpolitik aus dem Jahre 1983, die bei Neumann (1984) dokumentiert ist. 12

13 Vgl. beispielsweise de Alessi (1980), Eggertsson (1990, Kap. 11), Furubotn / Pejovich (1972,1974) sowie Torstensson.

1. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel

91

spielsweise Demsetz (1967), der behauptet hat, daß Gemeineigentum an einem begrenzt vorhandenen Produktionsfaktor zu Externalitäten in Form der Überbeanspruchung dieser Ressource führt. Wenn die Nutzung eines Produktionsfaktors - so sein Argument - nicht eigentumsrechtlich begrenzt ist, d.h. sich nicht in Privateigentum befindet, komme es zu einer Inanspruchnahme des Produktionsfaktors, die jenseits eines effizienten Gebrauchs liege. Historischer Hintergrund dieser Argumentation ist die Transformation von Gemein- zu Privateigentum bei den Indianern Nordamerikas zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich jagten die Ureinwohner Amerikas nur für ihren eigenen Konsum, d.h. tUr den Konsum ihrer Stämme, in denen sie lebten. Das Land und damit die Jagdgebiete befanden sich im Gemeineigentum der einzelnen Stämme. Durch die allmähliche Kommerzialisierung des Pelzhandels in der beginnenden Neuzeit und die damit einhergehende steigende Nachfrage nach Bibern spezialisierten sich die indianischen Jäger auf den Biberfang. Der anhaltende Nachfrageüberschuß flihrte rasch zu einer Aufzehrung der Biberbestände durch Überjagen. Privatisierung der Jagdgebiete - so nun die These von Demsetz (1967) - war eine institutionelle Problemlösungsstrategie, die diese Ineffizienzen beseitigen sollte. McManus (1972) hat aufgrund eigener empirischer Untersuchungen jedoch festgestellt, daß trotz Privatisierung Überjagung weiter stattfand. Dies würde bedeuten, daß Privateigentum die ökonomische Effizienz nicht erhöht hat, jedenfalls nicht in dem von Demsetz intendierten Sinne. Der zweite Einwand von McManus ist möglicherweise aber noch bedeutsamer. Es waren nämlich nicht die Indianer, die die Privatisierung betrieben, sondern die Pelzhändler. Der Übergang von Gemein- zu Privateigentum war also uno actu begleitet von einem Eigentumswechsel zugunsten der Pelzhändler. Ein Umverteilungsgesichtspunkt von Ressourcen und materiellem Reichtum, der bei Demsetz's Erklärung der Transformation von Gemein- zu Privateigentum keine Beachtung findet. Eine ähnliche Argumentationsfigur finden wir auch bei Cheung (1970). Wie Demsetz verallgemeinert auch Cheung eine empirische Gegebenheit. Warming hatte zu Beginn des Jahrhunderts die Wirkung von Gemeineigentum in der dänischen Fischerei untersucht. 14 Er hielt sie für wenig effizient. Cheung knüpft hieran an und versucht, die Ursache der Ineffizienzen theoretisch aufzuklären. Die Idee dabei ist, daß bei gemeinschaftlicher Nutzung einer nicht reproduzierbaren Ressource die Akteure sich am Durchschnittsertrag und nicht - wie das auf die kurze Frist zielende marginalistische Effizienzkriterium

14

Vgl. Anderson (1983), Anderson / Sutinen (1984) sowie Gordon (1954).

92

IJI. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung -

eine Kritik

"Grenzkosten gleich Grenzerlös" es verlangt - am Grenzertrag orientieren. Trotzdem handeln die Akteure unter den gegebenen institutionellen Bedingungen rational. Bei Gemeineigentum - so Cheung - interessiere den Einzelnen nämlich nur der auf ihn fallende Output und nicht, daß er mit seinen Aktivitäten - vorausgesetzt es liegen sinkende Grenzerträge vor - auch die Produktivität der schon produzierenden intramarginalen Arbeitseinheiten senkt. Die Inanspruchnahme der Ressource kommt bei Gemeineigentum erst dann zum Stillstand, wenn der Durchschnittsertrag gleich den Grenzkosten ist. Bei sinkenden Erträgen impliziert dies ein Grenzprodukt, das unterhalb der Grenzkosten liegt und deshalb jenseits des Produktionsoptimums. 15 Alchian (1965) betonte in der Diskussion über die ökonomische Effizienz verschiedener Eigentumsformen noch einen anderen Gesichtspunkt. Seine These ist, daß Gemeineigentum systematisch "free-rider"-Verhalten fördere. 16 Wenn eine von (n) Personen - so sein Argument - ihre Arbeitsanstrengungen reduziert, müssen bei Gemeineigentum alle, die am Produktionsergebnis gleichberechtigt partizipieren, die Folgen in Form eines geringeren Outputs tragen. Das Wohlergehen dessen, der weniger arbeitet, hängt hingegen zu (n-I) von den Anstrengungen der anderen ab. Mit anderen Worten: Bei Gemeineigentum muß der Einzelne anders als bei Privateigentum nicht vollständig die Folgen seines Handeins tragen. Er kann seine Arbeitsanstrengungen um mehr reduzieren, als er dadurch Einkommensverlust erleidet. Ein Teil seines Einkommens wird durch die Arbeit der Anderen alimentiert. Umgekehrt: Diejenigen, die genausoviel arbeiten wie zuvor, erhalten weniger Einkommen, obwohl sie ihre Arbeitsanstrengungen nicht reduziert haben. Die Institution des Gemeineigentums - so der Schluß - belohnt Trittbrettfahrer. North wählt einen historischen Bezug in der Diskussion um die wirtschaftliche Ergiebigkeit unterschiedlicher Eigentumsrechte. Das entscheidende - so 15 Eine zusammenfassende und anschauliche Modelldiskussion dieses Problems findet sich bei Eggertsson (1990, S. 84-91). Allerdings wird weder bei Cheung noch bei Eggertsson explizit gemacht, daß der Aussagegehalt des Modells sehr restriktiven Bedingungen unterworfen ist. Einerseits: Nur wenn sinkende Erträge unterstellt werden, flIhrt Gemeineigentum zu anderen Ergebnissen als Privateigentum. Für konstante Erträge hingegen sind die Ergebnisse beider Eigentumsformen äquivalent. Bei steigenden Erträgen ist sogar - folgt man der Logik des Modells Gemeineigentum Privateigentum überlegen. Andererseits: Wenn das Modell aber nur Gültigkeit flIr sinkende Erträge beanspruchen kann, impliziert dies entweder das Vorhandensein einer natürlichen Ressource oder aber eine Analyse, die sich auf die kurze Frist beschränkt. Im ersten Fall hätte das Modell nur flIr Produktionsweisen Gültigkeit, die nicht industriell sind; im zweiten gerät es in Widerspruch zum langfristigen Charakter institutioneller Analysen.

16

Vgl. Alchian (1965; 1950), Meyer (1983, S. 24-31) sowie Siegenthaler (1989).

I. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel

93

North - an der neolithischen Revolution sei nicht der Wechsel von Produktionsmethode und Produktionsgegenstand, d.h. der Übergang von herumziehenden und jagenden Horden zu seßhaften Bauern gewesen, sondern die mit diesem Übergang verbundene Herausbildung von exklusivem Eigentum allmählich seßhaft werdender Jäger an Grund und Boden. Erst dieser Wechsel der Eigentumsform sei der eigentlich wichtige Schritt zur Erhöhung wirtschaftlicher Effizienz gewesen. Generell gelte - so der Northsche Schluß -, daß die Motive und Anreize, die das Privateigentum auf das Verhalten ökonomischer Einheiten ausübe, die Quellen des raschen Fortschritts der materiellen Produktion seit der neolithischen Revolution gewesen seien. 17 Das zweite Argument, mit dem North - neben der Anreizstruktur - die Bedeutung von Institutionen für das Wachstum von Volkswirtschaften begründet, betrifft die Transaktionskosten: "The most important message one with profound implications for restructuring economic theory, is that when it is costly to transact, institutions matter.,,18

Einerseits bestimmten die Institutionen "the structure for exchange,,19; andererseits determinierten sie in dieser Funktion "how costly it is to make the exchange. ,,20 Ineffizient sind deshalb nicht nur Institutionen, die unproduktives Verhalten fOrdern, ineffizient sind auch solche Institutionen, die mit höheren Transaktionskosten als andere Institutionen verbunden sind?1 Umgekehrt sind

17 "Die Erste Wirtschaftliche Revolution war nicht deshalb eine Revolution, weil sie die hauptsächliche Wirtschaftstätigkeit des Menschen vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft verlagerte. Sie war eine Revolution, weil dieser Übergang rur den Menschen eine ganz grundlegende Verschiebung der Anreizstruktur bewirkte. Die Anreizänderung ist in der Verschiedenheit der Eigentumsrechte in den beiden Systemen begründet. Wenn die Subsistenzmittel im Gemeineigentum stehen, so gibt es wenig Anreiz zum Erlernen einer besseren Technik oder zum Erwerb gröBeren Wissens. Im Gegenteil: Exklusive Eigentumsrechte, die dem Eigentümer etwas einbringen, bieten einen unmittelbaren Anreiz zur Erhöhung von Effizienz und Produktivität bzw. - allgemeiner gesprochen - zum Erwerb größeren Wissens und zur Aneignung neuer Verfahren. Eben diese Anreizveränderung erklärt den raschen Fortschritt, den die Menschheit in den letzten 10.000 Jahren im Unterschied zu ihrer langsamen Entwicklung in der langen Zeit des primitiven Jagens und Sammelns davor verzeichnete." North (1981, S. 93); vgl. auch North I Thomas (1977). IH

North(1990,S.12).

19

North (1990, S. 34).

20

North (1990, S. 62).

"Economic markets are frequently very imperfect, beset by high transaction costs." North (1993, S. 18). Im gleichen Aufsatz heißt es auch: "There is no implication that the institutions are efficient (in the sense of providing low cost transacting)." North (1993, S. 16). Und an anderer 21

94

III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

nur solche institutionelle Entwicklungspfade effizient, die die Transaktionskosten senken. Als historisches Beispiel rur einen effizienten Entwicklungspfad wählt North die Entwicklung des Fernhandels im frühkapitalistischen Europa. Die Institutionalisierung von Mengen- und Wertstandards, die Etablierung spezifisch kaufmännischer Austauschbeziehungen wie Wechsel- und Diskontierungsmethode, die Herausbildung von Handelskontoren, die Transformation von Unsicherheit in Risiko durch die Einrichtung eines Versicherungswesens, schließlich die staatliche Garantie der Handelsgesetze - all dies seien institutionelle Innovationen gewesen, die die Transaktionskosten gesenkt hätten und so eine Ausdehnung des Transaktionsvolumens begünstigt hätten?2

b) Wahlhandlungstheorie und Pfadabhängigkeit

Betrachtet man beide Argumente, die North zur Begründung der Bedeutung von Institutionen rur den Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung anruhrt Anreizstruktur einerseits und Transaktionskosten andererseits -, könnte man vermuten, daß North den gleichen theoretischen Ansatz verfolgt wie die im vorangegangenen Kapitel diskutierte Neue Institutionenökonomik. Dies wäre jedoch ein zu voreiliger und ein zu undifferenzierter Schluß. Tatsächlich ist bei North eine werkimmanente Entwicklung festzustellen, die die Northsche Theorie zunehmend von den theoretischen Strukturen der statischen Wahlhandlungstheorie entfernt. North hat diese Entwicklung selbst beschrieben. Am Beispiel der Effizienz ökonomischer Institutionen läßt sie sich am besten verständlich machen?3 In der Neuen Institutionenökonomik - wir sahen dies an den Beispielen der Unternehmens-, der Vertrags- sowie der historischen Theorie - war die Wahl und der Wandel von Institutionen mehr oder minder eine einfache NutzenKosten-Analyse?4 Gewählt - so die Behauptung - würden jeweils effiziente, d.h. Transaktionskosten minimierende Institutionen. Gegen eine solche Sicht der Dinge hat sich insbesondere in der historischen Forschung Widerspruch Stelle lesen wir: "The major role of institutions in a society is to reduce uncertainty by establishing a stable (but not necessarily eflicient) structure to human interaction." North (1990, S. 6). 22

Vgl. North (1990, S. 125-130; 1991).

23

Vgl. North (1990, Kap. 1 und Kap. 3; 1993).

24

Vgl. Kapitel 11.3, Binger I Hoffinann (1989) sowie Myhrman (1989).

I. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel

95

geregt. Aber auch Evolutionstheoretiker wie Nooteboom oder Streit und Wegner sowie Ordoliberale wie Hermann-Pillath haben Einwände gegen eine wahlhandlungstheoretische Deutung von Transaktionskosten geltend gemacht. 2S Die Einwände der Evolutionstheoretiker richten sich vor allem gegen jene Ansätze, die mittels Transaktionskosten nicht nur institutionelle Substitution, sondern auch institutionelle Innovation zu erklären versuchen. 26 Eine Erklärung des institutionellen Wandels mittels des Transaktionskostenkalküls sei jedoch nicht möglich - so der Einwand -, weil Transaktionskosten, die die Wahl alternativer Institutionen erklären sollen, den Charakter von gegebenen Opportunitätskosten haben müssen. Die Transaktionskosten neuer Institutionen hingegen könnten den Akteuren ex definitione nicht bekannt sein. Wären sie ihnen nämlich bekannt, handelte es sich nicht um institutionelle Innovationen, sondern um institutionelle Substitution. Insofern könnten Transaktionskosten auch kein Parameter der Wahl neuer Institutionen und damit des institutionellen Wandels sein. Bestenfalls seien Transaktionskosten Teil eines evolutorischen Prozesses, bei dem sich unter bestimmten Bedingungen diejenigen Institutionen langfristig durchsetzten, die in bezug auf Transaktionskosten anderen Institutionen überlegen sind: "Der Transaktionskostenbegriff führt also, soweit er auf die Evolution vollständiger Regelwerke und deren konstitutive Elemente angewendet wird, in einen logischen Zirkel hinein. Der eigentliche Grund für diesen Zirkel liegt darin, daß zwei unterschiedliche Ebenen der Anwendung des Kostenbegriffs konfundiert werden, nämlich die Ebene systemimmanenter individueller Entscheidungen nach Maßgabe eines Opportunitätskostenkalküls mit der Ebene des Regelwerkes, das diese Entscheidung steuert und das zu keinem Zeitpunkt Gegenstand individueller Wahlhandlungen sein kanno ,,27

Die Einwände in der wirtschaftshistorischen Forschung gegen die Verwendung des ökonomischen Effizienzkonzepts und damit explizit und implizit auch gegen die Verwendung des Transaktionskostenkalküls zur Erklärung historischer Wirtschaftsgesellschaften richten sich noch auf einen anderen Punkt. Wie gehaltvoll kann es sein - so der als Frage formulierte Kern des Einwands -, das aus der Betrachtung wettbewerblich organisierter Marktwirtschaften gewonnene Effizienzkonzept zur Erklärung historischer Produktionsweisen zu verwenden, die ihrerseits von Markt und Wettbewerb weit 25

Vgl. Nooteboom (1992), Streit! Wegner (1989; 1992) sowie Hermann-Pillath (1991).

Für eine solch wahlhandlungstheoretische Deutung des institutionellen Wandels vgl. beispielsweise Wallis (1989) oder Schweizer (1993). 26

27

Herrmann-Pillath (1991, S. 35).

96

III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

entfernt sind?28 So hat beispielsweise schon Popper davor gewarnt, in der historischen Forschung zu generalisieren; das jeweils historisch Spezifische ginge dabei verloren: "Diese Auffassung der Geschichte macht klar, warum so viele Erforscher der Geschichte und ihrer Methoden behaupten, daß sie an besonderen Ereignissen interessiert sind und nicht an sogenannten 'historischen Gesetzen'. Denn nach unserer Auffassung kann es keine historischen Gesetze geben. Die Generalisation gehört einfach einem anderem Interessensgebiet an, und dieses ist scharf vom Interesse an spezifischen Ereignissen und an ihrer kausalen Erklärung zu unterscheiden, worin die Aufgabe der Geschichte besteht. ,,29

Borchardt spricht in diesem Zusammenhang davon, daß die Effizienzperspektive der an Transaktionskosten und Property-Rights orientierten Wirtschaftsgeschichte letztlich auf der ahistorischen und empirisch nicht belegbaren Annahme beruhe, daß alles, was war, auch ökonomisch rational gewesen sei: "Es soll nicht bestritten werden, daß die Argumentation hier wie in anderen Fällen vielfach vernünftig klingt. Aber es besteht die Gefahr, daß man alle beobachtbaren Zustände schließlich als Erweis ihrer relativen Vorteilhaftigkeit und alle beobachtbaren Änderungen als Beweis vorheriger Ungleichgewichte ansieht. So wird dann ex post aus der Tatsache der Veränderung auf die vorhergehende Diskrepanz von Grenznutzen und Grenzkosten geschlossen, ohne daß hierfür wirklich ein vom zu Erklärenden unabhängiger Beweis erbracht worden ist. Das liefe auf nichts anderes hinaus als auf die Unterstellung, daß alles, was einmal bestanden hat, im ökonomischen Sinne auch "vernünftig" war, und alles was sich änderte, "unvernünftig" geworden ist und die Geschichte keine weiteren Alternativen bereitgehalten hat.,,30

Heuß hat in seiner Abschiedsvorlesung einen ähnlich gelagerten Gedanken vorgetragen. Die Ökonomen verlören mehr und mehr die Einsicht, daß Geschichte - auch und gerade Wirtschaftsgeschichte - sich nicht darauf reduzieren könne, modeme Nutzen-Kosten-Abwägungen in die Vergangenheit

28 Schon Lowe (1984, Kap. III) hat darauf aufinerksarn gemacht, daß selbst innerhalb entwickelter Marktwirtschaften ungebundener Wettbewerb, d.h. ein uneingeschränktes Wirken der Marktkräfte, wie ihn die Wahlhandlungs- und die Wohlfahrtstheorie unterstellen, nur in der sogenannten Laissez-faire-Phase, d.h. von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des I. Weltkriegs geherrscht hat. In diesem Zusammenhang steht auch, daß wir bei Polanyi (1979, Kap. 11) die Auffassung finden, daß sich Marktwirtschaften von historisch vorangegangenen Produktionsweisen dadurch unterschieden, daß in ersteren die Gesellschaft in die Wirtschaft und in letzteren umgekehrt die Wirtschaft in die Gesellschaft eingebettet war. Insofern können fur jene nicht die gleichen 'ökonomische Gesetze' vermutet werden wie rur diese. 29

Popper (1975 [1958], S. 326).

30

Borchardt (1977, S. 154).

I. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel

97

zu projezieren. Vielmehr müsse wieder die Einsicht geweckt werden, daß Wirtschaftsgeschichte auch von anderen als von ökonomischen Kräften bestimmt sei: ,,(Es) verstärkt sich der Eindruck von einer mehr und mehr abhanden kommenden Kenntnis, daß die Ideengeschichte der Menschen eine der Selbstinterpretation ist und nicht - wie gewisse Nationalökonomen meinen - stets ökonomisch orientiert sein muß. Die Frage der Religionsfreiheit hat im 16. und 17. Jahrhundert die Menschen mehr beschäftigt und engagiert als eine etwaige Handels- und Gewerbefreiheit. Falls man nicht auf den abenteuerlichen Gedanken kommt, eine Theorie der Ideenschöpfung aufzustellen, bleibt rur eine weitere Behandlung nur die Frage, wie eine gewonnene Einsicht oder Idee verbreitet werden kann, um dann im geistigen Besitz der Allgemeinheit praktisch verwirklicht zu werden. Letzten Endes besteht unser Beruf aus nichts anderem.,,31

Schefold schließlich hat darauf aufmerksam gemacht, daß historische Formen der Arbeit auch einer sozialen Logik folgten, die nicht notwendigerweise mit der ökonomischen Logik übereinstimmen müsse: "Wir haben aber nicht nur Modelle, die wirtschaftliche Verhaltensweisen beschreiben, die vom üblichen Verständnis der Nutzen- und Gewinnmaximierung abweichen, sondern wir haben durchaus Anlaß zu vermuten, daß unter gewissen Bedingungen eine soziale Logik das wirtschaftliche Kalkül verletzt.,,32

Auch in der Northschen Theorie spiegeln sich solche Einwände wider. 33 Zum einen - so North - sei das allokative Effizienzkriterium nur ein statisches Konzept; die Integration von Institutionen in die Wirtschaftsgeschichte verlange aber eine dynamische Perspektive. 34 Zum anderen könne die Verhaltenshypothese der Nutzenmaximierung und damit auch die These, daß sich jeweils die effiziente, d.h. Transaktionskosten minimierende Institutionen durchsetze, weder an historischen noch an zeitgenössischen Tatsachen belegt werden. 3s Schließlich seien auch die Präferenzen ökonomischer Akteure in der historischen Zeit weit weniger stabil als alle Ansätze unterstellen, die auf der Wahlhandlungstheorie fußen. 36 Das allgemeine Resultat seiner Einwände läßt North dann in der Erkenntnis münden, daß die Prämissen des (neoklassischen) Effizienzkonzeptes so restriktiv seien, daß eine an ihr orientierte Wirtschafts31 HeuB (1991, S. 119). 32

Schefold (1992, S. 22); vgl. auch Schefold (1988).

33 Vgl. insbesondere North (1990, Kap. 3 und Kap. 14; 1993). 34

Vgl. North (1990, S. 80-81) sowie SchUtte (1994).

35

Vgl. North (1990, S. 17).

36

Vgl. North (1990, S. 17 und S. 84-86).

7 Löchel

98

111. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

geschichte schwerlich in der Lage sei, die Entwicklung der Institutionen in der historischen Zeit empirisch gehaltvoll zu analysieren: "The c1iometric contribution was the application of a systematic body of theory neoc1assical theory - to history. ( ... ) However, we have paid a big price for the uncritical acceptance of neoc1assical theory. ,,37

Den Preis nämlich, ökonomische Entscheidungsmodelle zugrundezulegen, die den Mustern des historischen Wandels von Institutionen nicht gerecht werden: "It is one thing to assurne that individuals act rationally in the sense that the term is used to express in expected utility theory when they go to the supermarket ( ... ); it is quite another thing to make the assumption when individuals confront the complicated choices involved in making decisions about the polity and the economy that shape institutional change. ,,38

Eine solche Perspektive war nicht immer Bestandteil des Northschen Werkes. 39 In seinen beiden ersten großen wirtschaftshistorischen Arbeiten "Institutional Change and American Economic Growth" und" The Rise of the Western World: A New Economic History" - ist North gemeinsam mit Davis bzw. mit Thomas noch uneingeschränkt der Idee gefolgt, daß der beobachtbare historische Wandel der Institutionen in den USA und Westeuropa tatsächlich dem ökonomischen Effizienzkriterium gefolgt sei. 40 Anders in "Structure and Change in Economic History": Ineffiziente institutionelle Entwicklungen werden nun zugelassen. 41 Allerdings blieb theoretisch noch weit gehend offen, was die Ursachen hierfür sind. Die Antwort findet sich in "Institutions, Institutional Change and Economic Performance".42 Institutioneller Wandel - so die These - ist pfadabhängig. 43 Dies bedeutet, daß institutionelle Entwick37 North (1990, S. 131). "Although the systematic application of price theory to economic history was a major contribution" - heißt es an der gleichen Stelle weiter - "neoclassical theory is concemed with the allocation of resources at a moment of time, a devastatingly limiting feature to historians whose central question is to account for change over time. Moreover, the allocation was assumed to occur in a frictionless world, that is, one in which institutions either did not exist or did not matter." North (1990, S. 131); vgl. auch North (1990, Kap. 14).

38

North (1993, S. 13); vgl. auch Denzau I North (1994).

39

Vgl. die Interpretation des Werkes von North durch North (1990, Kap. I) selbst.

40

Vgl. Davis I North (1970; 1971) sowie North I Thomas (1970; 1973).

41

Vgl. North (1981).

42

Vgl. North (1990) sowie Hermann-Pillath (1992).

43

Vgl. North (1989b; 1990, Kap. 11).

1. Die allgemeine Theorie: Institutioneller Wandel

99

lungspfade nicht umstandslos verlassen werden können - wie die Wahlhandlungstheorie unterstellt -, auch dann nicht, wenn es sich um ineffiziente Entwicklungen handelt. Institutioneller Wandel ist vielmehr ein evolutorischer Prozeß, in dem das Neue nicht unabhängig vom Alten entsteht: "Path dependence means that history matterS.,,44

Die generelle Idee, daß Entwicklungen pfadabhängig sind, kommt ursprünglich aus der Technologieforschung, speziell denjenigen Ansätzen, die die Dynamik nicht-linearer Systeme untersuchen. 45 Für die ökonomische Theorie leistete Arthur hier die Pionierarbeit. 46 Er konnte streng zeigen, daß Technologien, die aufgrund von Netzwerkeffekten, d.h. in Abhängigkeit von ihrem Ausbreitungsgrad, steigende Skalenerträge aufweisen, in sogenannte "lock-ins" geraten können. Dies bedeutet, daß es bei alternativen Technologien vorkommen kann, daß sich die ökonomisch inferiore Technologie durchsetzt. 47 Die Ursache dafür ist, daß die superiore Technologie nie einen solchen Marktanteil gewinnt, der es ihr ermöglichen würde, ihre Überlegenheit gegenüber der alternativen und inferioren Technologie geltend zu machen. Die Skalenerträge der superioren Technologie können nicht voll realisiert werden; ihr Ausbreitungsgrad bleibt zu gering. Unter solchen Bedingungen kann es dazu kommen, daß es für die potentiellen Nutzer der Technologie weiterhin vorteilhaft bleibt, die stärker verbreitete inferiore Technologie zu verwenden, obwohl es, hätte die superiore Technologie den gleichen Ausbreitungsgrad wie die inferiore, vorteilhafter wäre, sie statt der inferioren Technologie zu benutzen. Mutatis mutandis überträgt North diesen Gedanken nun auf die Institutionentheorie. Eine solche Analogiebildung ist plausibel, weil die Theorie der nicht-linearen Dynamik in der Technologieforschung steht und flillt mit der Voraussetzung, daß der Ertrag einer Technologie nicht nur von ihrem individuellem Gebrauch, sondern auch davon abhängt, wieviel andere Einheiten sie auch noch benutzen. In der Tat: Skalenerträge aufgrund des Ausbreitungsgrads bzw. auf Grund von Netzwerkeffekten zielen darauf ab, daß der Ertrag einer 44

North (1990, S. 100).

Zum Konzept der nicht-linearen Dynamik vgl. beispielsweise Weidlich und Braun (1992); flIr seine Anwendung in der Technikgeneseforschung vgl. Heimer (1993, S. 139-158). Vor allem in der evolutorischen Ökonomik fand das Konzept der nicht-linearen Dynamik rasche Verbreitung; vgl. Witt (1992). 4S

46

Vgl. Arthur (1988, 1989).

Ein prominentes und oft zitiertes Beispiel hierfllr ist die Entwicklung der Schreibmaschinentastatur; vgl. David (1985). 47

100

III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

Technologie wesentlich durch die Anzahl ihrer Nutzer bestimmt wird. Für Institutionen - so der Northsche Gedanke - gelte dieser Charakter aber noch weit mehr als rür Technologien. 48 Anders als Technologien sind Institutionen a priori Ergebnis kollektiver Handlungen. Ihre Vorteilhaftigkeit ist eine Funktion der Anzahl der Akteure, die sie benutzen. Insofern hat institutioneller Wandel noch mehr als technologischer Wandel den Charakter eines pfadabhängigen Prozesses: "Indeed, all four of Arthur's self-reinforcing mechanisms apply ( ... ). There are large initial set-up costs when institutions are created ( ... ). There are significant leaming effects for organizations that arise in consequence of the opportunity set provided by the institutional framework ( ... ). There will be coordination effects directly via contracts ( ... ). Adaptive expectations occur because increased prevalence of contracting based on a specific institution will reduce uncertainties about the permanence of that rule. In short, the interdependent web of an institution al matrix produce massive increasing returns. ,,49

Für North ist am Konzept der Pfadabhängigkeit zweierlei entscheidend. Zum einen, daß sich mit seiner Hilfe langfristige ineffiziente institutionelle Entwicklungen erklären lassen. Ein Beispiel hierrur ist die Diskussion über die divergenten institutionellen Entwicklungen im mittelalterlichen Spanien einerseits und im mittelalterlichen England andererseits. 50 Diese Entwicklungen und die sich daraus ergebenden institutionellen Entwicklungspfade sieht North als die Wurzeln, die ihrerseits rur die ökonomischen Divergenzen zwischen dem neuzeitlichen Südamerika einerseits und dem neuzeitlichen Nordamerika andererseits verantwortlich sind. Der von England ausgehende und die nordamerikanische Entwicklung prägende institutionelle Entwicklungspfad - so North - sei weitestgehend ein effizienter gewesen, während der spanische Entwick-

48 Im deutschsprachigen Raum hatte dies schon Witt (1988) gezeigt. Er charakterisiert das, was Arthur als Netzwerkeffekt von Technologien bzw. North als Netzwerkeffekt von Institutionen bezeichnet, als "Häufigkeitsabhängigkeitseffekt". Die individuelle Wahrscheinlichkeit - so die Wittsche Hypothese - über die Annahme einer Institution hänge ceteris pari bus davon ab, wieviele Akteure im Zeitpunkt der individuellen Entscheidung die Institution schon angenommen haben. Witt kann zeigen, daß, je nachdem welchen Ertragsverlauf die Institution aufWeist, institutioneller Wandel entweder ein spontaner oder aber ein intentionaler Prozeß ist. 49 North (1990, S. 95). Das Konzept der Pfadabhängigkeit bedeutet nicht, daß North über keine handlungstheoretische Fundierung seiner Theorie des institutionellen Wandels verfllgt. Vielmehr sieht er in den politischen und wirtschaftlichen Organisationen die handelnden Akteure. Solche Organisationen versuchten, daß institutionelle Regelwerk einer Gesellschaft zu ihren Gunsten zu ändern; vgl. North (1990, Kap. 9). 50

Vgl. North (1990, Kap. 12).

2. Der wachstumstheoretische Kern: Steigende Transaktionskosten als Schranke

101

lungspfad, der das heutige Lateinamerika prägte, weitestgehend unproduktives Verhalten und hohe Transaktionskosten gefördert hätte. Der zweite Gesichtspunkt, der North am Konzept der Pfadabhängigkeit interessiert, ist der Umstand, daß ineffiziente institutionelle Entwicklungspfade die Möglichkeit eröffnen, Transaktionskosten einzufilhren, die das Wachstum von Volkswirtschaften behindern. Namentlich dadurch, daß sie das Ausmaß arbeitsteiliger Tauschbeziehungen beschränken. "The path-dependent pattern of history in some cases resulted in stable exchange patterns that did not evolve".51 Und: "The evolution of more complex social frameworks will not occur if such institutional structures cannot reduce the associated uncertainties. ,,52

Die Frage ist: Welche Eigenschaften müssen Transaktionskosten haben, damit sie ein solches Resultat verursachen? Die Antwort auf diese Frage ist gleichsam das gesuchte Verbindungsstück zwischen der allgemeinen Theorie von North und ihrer wachstumstheoretischen Variante.

2. Der wachstumstheoretische Kern: Steigende Transaktionskosten als Schranke der wirtschaftlichen Entwicklung Kern der Northschen Wachstumstheorie ist die Behauptung einer limitierenden Wirkung von Transaktionskosten filr das Wachstum von Volkswirtschaften: ,,( ... ) the costs of transacting may have been as much a Iimiting factor on economic growth as transformation costs".53

North begründet diese These mit einem langfristigen Anstieg der Transaktionskosten. Dieser Anstieg der Transaktionskosten wurzelt nicht nur in ineffizienten institutionellen Entwicklungspfaden. In gewisser Weise ist filr North noch wichtiger die Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung, die dem Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung immanent ist. 54 So lesen wir bei Matthews, die Northsche Theorie interpretierend: 51 North (1990, S. 118). 52 North (1987, S. 421). 53 Vgl. Wallis/North(l986,S.122undS.121). 54

Ebenso Becker / Murphy (1992).

102

III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

"Douglass North has argued that progressive increase in the division of labour has produced an enormous increase in transaction costs. (... ) The natural interpretation of North's contention is that innovation has been biased (in the Hicksian sense) in the direction of being production-cost-saving: our skills in dealing with things have improved more than our skills in dealing with people.,,55

Die dahinter liegende Idee von North ist, daß die Verbreitung horizontaler Arbeitsteilung die externen Transaktionskosten, d.h. die Kosten des Tauschs erhöht, während die Ausbreitung funktionaler Arbeitsteilung die internen Transaktionskosten, d.h. die Kosten der Koordination steigen läße6 "As the gains from trade that arise from specialization and division of labor result in more and more complex forms of political and economic organization, the resource costs of capturing those gains from trade will increase. ,,57

Als Resultat dieser Entwicklung sieht North eine Art Dialektik zwischen Arbeitsteilung und Transaktionskosten. Einerseits sind Transaktionskosten eine Folge der Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung; andererseits ab einem bestimmten Punkt der Entwicklung - gleichsam ihre Schranke. Um einen berühmten Satz von Karl Marx abzuwandeln: Die Arbeitsteilung produziert mit dem Anstieg der Transaktionskosten ein Gesetz, das ihrer eigenen Entwicklung entgegentritt. 58 Dieser Rekurs auf Marx ist keine Wortspielerei. Nicht ohne Grund nimmt North immer wieder positiv Bezug auf bestimmte Teile der Marxschen Theorie. "The relationship between the productive forces" - heißt es beispielsweise an einer Stelle - "and the institutional structure of the society - what Marx called the rela55

Matthews (1986, S. 903).

Wie in den Kapiteln 11.1.a und 1I.2.a erwähnt, bezieht sich horizontale Arbeitsteilung auf die Ausdifferenzierung von Tätigkeiten zwischen selbständigen Wirtschaftseinheiten, während unter funktionaler Arbeitsteilung die Ausdifferenzierung von Tätigkeiten verstanden wird, die innerhalb solcher Einheiten, speziell innerhalb von Unternehmen, vorgenommen werden. Horizontale Arbeitsteilung und Spezialisierung bezieht sich also auf den Tausch, funktionale Arbeitsteilung und Spezialisierung auf Koordination. 56

57 North (I 984a, S. 11). 5R Marx (1973 [1894], S.268) selbst hatte den von ihm sogenannten "tendenziellen Fall der Profitrate" vor Augen: "Die Schranke der kapitalistischen Produktionsweise tritt hervor: Darin, daß die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit im Fall der Profitrate ein Gesetz erzeugt, das ihrer eigenen Entwicklung auf einen gewissen Punkt feindlichst gegenübertritt und daher beständig durch Krisen überwunden werden muß." Zur Kritik dieses "Gesetzes" vgl. beispielsweise Robinson (1987, S. 56-62).

2. Der wachstumstheoretische Kern: Steigende Transaktionskosten als Schranke

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tions of production - then becomes the critical factor in the success of economies through time. ,,59

In der Tat: Das bei North angelegte Verhältnis von wirtschaftlicher Entwicklung und Institutionen kann relativ problemlos als eine Art Dialektik - so der Kern der Marxschen Entwicklungstheorie - von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen gedeutet werden. 60 Während Marx soziale Umwälzungen und damit institutionellen Wandel immer dann prognostizierte, wenn die Produktionsverhältnisse zu einer Schranke der Entfaltung der Produktivkräfte werden, sind es bei North die Institutionen und die von ihnen ausgehende Anreizstruktur und Transaktionskosten, die die wirtschaftliche Entwicklung f6rdern oder limitieren. 61 Wie dies im einzelnen geschieht, wird im folgenden anhand zweier theoretischer Modelle und einer empirischen Untersuchung diskutiert.

a) Die Modifikation der Smithschen Wachstumstheorie

Das erste theoretische Modell ist die Northsche Modifikation der Smithschen Wachstumstheorie. Adam Smith hatte eine Theorie des wirtschaftlichen Wachstums, die auf der Idee eines sich auf permanent höherem Niveau reproduzierenden Kreislaufes beruht. 62 Betrachten wir Figur 10. Ausgangs- und Endpunkt der Smithschen Wachstums- und Akkumulationstheorie ist die funktionale Arbeitsteilung innerhalb wirtschaftlicher Einheiten, speziell Unternehmen, und die horizontale Spezialisierung zwischen solchen Einheiten. Arbeitsteilung und Spezialisierung begriff Smith als eine entscheidende Determinante tUr das Niveau der Arbeitsproduktivität, d.h. die Menge des ProKopf-Outputs. Eine Verteilung des Sozialprodukts in Rente, Profit und Löhne

59

North (1986b, S. 58).

Zu dieser Interpretation von Marx vgl. beispielsweise Habermas (1982); zu den Gemeinsamkeiten von North und Marx vgl. Leipold (1988, S. 13-27). 60

61 Angesichts der diametral entgegengesetzten wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen ist es grundsätzlich überraschend, wie positiv die Neue Institutionenökonomik die Marxsche Theorie zuweilen interpretiert. Zu dieser Diskussion vgl. beispielsweise Dorman (1991), Heijdra I Lowenberg I Mallick (1988) sowie Pejovich (1982).

62 Vgl. Smith (1976 [1776], Kap. Li - Kap. Liii). Zur Interpretation der Smithschen Wachstumstheorie siehe beispielsweise die analytische Darstellung bei Krelle (1985, S.33-34) sowie Roncaglia (1987, S. 33-37) und die verbalen Zusammenfassungen bei Gehrke (1990) sowie SylosLabini (1976).

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III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

vorausgesetzt, bestimmt die Arbeitsproduktivität ihrerseits das reale Pro-KopfEinkommen. Dieses wiederum hat einen Einfluß auf die effektive Nachfrage, oder wie Smith es ausdrückte, auf die Größe der Märkte. Und damit schließt sich der Kreis: Indem Arbeitsteilung die Produktivität erhöht, erhöht sie gleichsam das reale Pro-Kopf-Einkommen, das - schlägt es sich in effektiver Nachfrage nieder - zu einer Vergrößerung der Märkte führt, die ihrerseits wiederum einen Anstoß bilden, um das Niveau von Arbeitsteilung und Spezialisierung zu erhöhen. Größe der Märkte (effektive Nachfrage)

Arbeitsteilung und Spezialisierung

reales Pro-KopfEinkommen

~

r-Ar-beits-produ-ktiv--'""

~

Figur 9: Die Wachstumstheorie von Adam Smith

Eine Möglichkeit, die diesen Kreislauf zerstört, ist die Nicht-Gültigkeit des Sayschen Theorems. 63 Eine durch Arbeitsteilung bewirkte Erhöhung des Einkommens wirkt nämlich nur dann auf die Produktion zurück, wenn sie auch nachfragewirksam wird. Smith selbst brachte dies durch die Erkenntnis zum Ausdruck, daß der Grad von Arbeitsteilung und Spezialisierung durch die Marktgröße bestimmt sei: "That the Division ofLabour is limited by the Extent of the Market", heißt eine bekannte Kapitelüberschrift in den "Wealth of Nations,,64. Konkret hatte Smith das schottische Hochland vor Augen. Die

63

Das Theorem lautet: "Supply creates its own demand". Sowell (\987, S. 249).

Smith (1976 [1776], S. 31). Weiter heißt es: "As it is the power of exchanging that gives occasion to the division of labour, so the extent of this division must always be Iimited by the extent of the power, or, in other words, by the extent of the market. When the market is very smalI, no person can have any encouragement to dedicate himself entirely to one employment, for want ofthe power to exchange all that surplus part ofthe produce ofhis own labour, which is over 64

2. Der wachstumstheoretische Kern: Steigende Transaktionskosten als Schranke

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natürlichen Gegebenheiten, insbesondere die Transportbedingungen, seien hier derart, daß ein gemeinsamer Markt mit einer hinreichenden Anzahl von Anbietern und Nachfragern nur schwer zustande kommen könne. 65 Verallgemeinern wir diese Überlegung, so ist die Gültigkeit eines sich beständig auf höherem Niveau reproduzierenden wachstumswirksamen Kreislaufs in der Tat an die Voraussetzung gebunden, daß jedes zusätzliche Angebot sich auch seine dazugehörige Nachfrage schafft. Die Gültigkeit des Theorems von Say ist aber nicht selbstevident. Von Keynes haben wir gelernt, daß die mögliche Nachfrage nicht mit der effektiven Nachfrage übereinstimmen muß. 66 Vielmehr entwickeln gerade modeme Volkswirtschaften die Tendenz, daß ein beständig wachsender Teil des Einkommens nicht konsumiert, sondern gespart wird und die Nettoinvestitionen nicht hinreichend sind, um die so zwischen Einkommen und Nachfrage entstehende Lücke auszufüllen. Hält aber die Expansion der Nachfrage nicht Schritt mit der Expansion des Einkommens, unterbleibt die nachfragebedingte Stimulation für eine weitere Ausdehnung der Arbeitsteilung. Die Northsche Theorie kommt nun zu den gleichen Konsequenzen, allerdings mit einem anderen Argument. 67 Horizontale und funktionale Arbeitsteilung - so weit stimmt North mit Smith überein - sind die Quellen, wie North es ausdrückt, der "gains from trade".6s Unter den "gains from trade" versteht North das, was Smith unter sinkenden Produktionskosten bzw. einer steigenden Produktivität in Verbindung mit Arbeitsteilung und Spezialisierung verstand: "Econornics and theories of econornic growth revolve around the gains from trade arising from specialization and division of labor. Productivity increase comes from increasing the efficiency ofthe inputs in the transformation process.,,69

and above his own consumption, for such parts of the produce of other men's labour as he has occasion for." Smith (\776/1976, S. 31). Insbesondere Stigler (\951) hat die Bedeutung dieses Theorems von Smith rur die ökonomische Theorie herausgearbeitet; vgl. auch von Weizsäcker (1991) sowie Wieland (1992; 1993). 65 "In the (... ) the Highlands of Scotland, every farmer must be butcher, baker and brewer for his own farnily." Smith (1976 [I776], S. 31). 66 Vgl. Keynes (1973 [1936]). Zur Interpretation von Keynes vgl. beispielsweise Samuelson (1946) und Schefold (1981).

67

Vgl. North (\ 984a; 1987; 1990, Kap. 4) sowie Wallis 1North (1986).

6K

Vgl. North (198430 S. 7; 1987, S. 420; 1990, S. 27) sowie Wallis 1 North (1986, S. 120).

69

Wallis INorth (1986, S. 120-121).

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III. Die Northsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung - eine Kritik

Allerdings - so nun der Northsche Einwand - übersehe Smith, daß die Vorteile der Arbeitsteilung nur durch Tausch bzw. Koordination realisiert werden könnten, d.h. durch Aktivitäten, die mit Transaktionskosten verbunden sind: "But such gains are only realized through exchange, and traditionally economic theory has assumed that exchange is costless." 70

Wenn es aber richtig ist - so schließlich die Northsche Konklusion -, daß eine Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung die Transaktionskosten erhöht, so muß es auch richtig sein, daß Transaktionskosten ein limitierender Faktor fiir das Wachstum von Volkswirtschaften sind. 71 Eine solche Konsequenz könne nur dann verhindert werden, wenn institutioneller Wandel stattfinde, der die Transaktionskosten hinreichend senke: "The development of specialized banking, finance, trade, and other transaction functions are the necessary requirements for enhancing productivity, and so is the role of govemment in specifying and enforcing a system ofproperty rights."n.

Ohne solchen institutionellen Wandel jedoch, werden die Transaktionskosten mit Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung steigen und über kurz oder lang zu einer Schranke einer weiteren Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung und damit auch zu einer Schranke des Wachstumsprozesses von Volkswirtschaften werden: "Until economic organizations developed to lower the costs of exchange" - lautet die Hypothese - "we could not reap the advantage of ever greater specialization.,,73

Figur 10 faßt die Argumentation von North zusammen. Die Vorstellung ist, daß Arbeitsteilung und Spezialisierung einen doppelten Effekt auf die Kosten bzw. die Produktivität haben. Einerseits senken Arbeitsteilung und Spezialisierung via technischen Fortschritt und einer damit verbundenen Erhöhung der Arbeitsproduktivität die Produktionskosten. Andererseits aber erhöhen sie die Transaktionskosten durch eine über die Komplexitätszunahme externer und interner Transaktionen vennittelte Senkung der Produktivität von Transaktionsaktivitäten. Die Folge ist, daß über kurz oder lang institutioneller Wandel 70 Wallis/North (1986, S. 121). 71

Vgl. Wallis / North (1986, S. 121).

72

North / Wallis (1986, S. 120-121).

73 Wallis / North (1986, S. 121). Diese These hat North auch an anderen Stellen fonnuliert; vgl. beispielsweise North (1984a, S. 11; 1984b, S. 256-257; 1987, S. 419-420; 1990, S. 27-28).

2. Der wachsturnstheoretische Kern: Steigende Transaktionskosten als Schranke

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stattfinden muß, der die institutionalisierten Tauschmodi an die neue durch die Ausdehnung von Arbeitsteilung und Spezialisierung bedingte Komplexität des Tauschs anpaßt. Institutioneller Fortschritt muß neben technischen Fortschritt treten, damit der Vorteil sinkender Produktionskosten nicht durch den Nachteil steigender Transaktionskosten aufgezehrt wird und langfristig die Verbreitung von Arbeitsteilung und Spezialisierung produktiv bleibt.

Arbeitsteilung und Spezialisierung