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German Pages 150 Year 1977
Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Band 6
Staatliche Hilfe an Kirchen und kirchliche Institutionen in den Vereinigten Staaten von Amerika Ein Beitrag zur historischen Entwicklung und Gegenwartsproblematik des Verhältnisses von Staat und Kirche in den USA
Von
Michael Quaas
Duncker & Humblot · Berlin
MICHAEL
QUAAS
Staatliche Hilfe an Kirchen und kirchliche Institutionen in den Vereinigten Staaten von Amerika
Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Ernst Friesenhahn · Alexander Hollerbach · Jose! Isensee Hans Maier · Paul Mikat · Klaus Mörsdorf · Ulrich Scheuner
Band 6
Staatliche Hilfe an Kirchen und kirchliche Institutionen in den Vereinigten Staaten von Amerika Ein Beitrag zur historischen Entwicklung und Gegenwartsproblematik des Verhältnisses von Staat und Kirche in den USA
M i t e i n e m V o r w o r t von U l r i c h S c h e u n e r
Von Michael Quaas
D U N C K E R
&
H U M B L O T / B E R L I N
Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 04056 2
Meinen Eltern
Vorwort Eine eingehende Darstellung der Haltung der Vereinigten Staaten und ihrer Einzelstaaten zur Förderung kirchlicher Einrichtungen w i r d auch der deutschen Rechtslehre willkommen sein. I n neuerer Zeit haben sich mehrere Autoren wie Erwin Fischer 1 oder Wolf gang Keim 2, aber auch Gerichte wie der Hessische Staatsgerichtshof i n seinem Urteil zur Frage des Schulgebets 3 bei der Stellungnahme zu Rechtsfragen i m Verhältnis von Staat und Kirche i n der Bundesrepublik auf die amerikanische Rechtsprechung berufen, ohne freilich immer auf deren abweichende verfassungsrechtliche Grundlage und Grundkonzeption deutlich genug bedacht zu sein. Die Beziehung des Staates zu religiösen Fragen spielt i m Schulwesen, vor allem bei der Hilfe des Staates für religiöse Privatschulen eine wichtige Rolle. I n diesen Bereichen t r i t t die i n der amerikanischen Rechtsprechung herrschende Linie der Trennung von Staat und Kirche, die Trennungsmauer ( „ w a l l of separation") besonders hervor. Es besteht daher ein erhebliches Interesse daran, eine eingehende Untersuchung der amerikanischen Auffassung, wie sie sich maßgeblich namentlich i n der höchstrichterlichen Rechtsprechung darstellt, zu besitzen. Das vorliegende Buch wendet sich dem Problem der staatlichen finanziellen Hilfe für kirchliche Einrichtungen zu. Sie begegnet in der neueren amerikanischen Rechtsprechung dem Bedenken, daß sie die religiöse Neutralität des Staates, seine Fernhaltung von religiösen Fragen, verletze. Diese i n Einzelfragen umstrittene Rechtsprechung ist i n ihren Verzweigungen und i n den inneren Schwierigkeiten der Abgrenzung erlaubter von verbotener Förderung vor allem auch deshalb lehrreich, weil sie die Schwierigkeiten verdeutlicht, eine solche Grundlinie der Fernhaltung des Staates von religiösen Fragen praktisch i m einzelnen zu entwickeln und durchzuhalten. Es ist begrüßenswert, daß der Verfasser auch den historischen W u r zeln der Lehre von der Trennung (wall of separation) nachgegangen ist, welche bis auf Thomas Jefferson zurückweisen. Die Aufnahme 1 Erwin Fischer beruft sich ζ. B. i n seinem Buch: Trennung v o n Staat u n d Kirche, 2. Aufl., F r a n k f u r t a. M., B e r l i n 1971, S. 57 f ü r die von i h m säkular gedeutete Religionsfreiheit auf Miners v i l l e School District v. Gobitis 310 U.S. 586 (1940). 2 Wolfgang Keim, Schule u n d Religion, 2. Aufl., Hamburg 1969. 3 KirchE 7, S. 275 (Urteil v o m 27.10.1965). Das Gericht berief sich auf Engel v. Vitale 370 U.S. 421 (1962),
8
Vorwort
dieser Lehre durch die gegenwärtige Linie der Rechtsprechung hat sich freilich erst eine lange Zeit nach der Schaffung des ersten Amendment (1791) wie auch des 14. Amendment (1868) vollzogen. Der Gedanke einer strikten Trennung von Staat und Kirche setzte sich erst i n den letzten Jahrzehnten durch 4 , nachdem auch erst nach dem ersten Weltkrieg der Grundsatz der Geltung der Bundesgrundrechte i n den Einzelstaaten gemäß dem 14. Amendment der Bundesverfassung höchstrichterliche Anerkennung gefunden hatte 5 . Die seither sehr umfangreich gewordene Rechtsprechung zu Fragen der Interpretation der Religionsfreiheit ist übrigens, wie eine neuere Veröffentlichung nachgewiesen hat, i n hohem Maße auf die Bestrebungen einiger weniger einflußreicher Bürgerrechtsvereinigungen zurückzuführen, die gerade i n Fragen der Schule sehr aktiv waren und von denen wenigstens eine Organisation an drei Vierteln aller seit 1950 von oberen Gerichten entschiedenen Fällen zum Verhältnis von Staat und Kirche m i t ihrer Tendenz zur Betonung einer strikten Trennung beteiligt war 6 . Die Entwicklung der Rechtsprechung, die aus dem Prinzip der Trennung ein Verbot der Förderung religiöser Schulen und Einrichtungen ableitet, die aber andererseits nach einem beweglichen und die freie Initiative nicht unterdrückendem Maßstab sucht, ist i n dem vorliegenden Buch i n gründlicher und sorgfältiger Weise unter Hinzuziehung auch der Auseinandersetzungen i n der rechtlichen Literatur untersucht. Für den deutschen Leser des Buches w i r d es vor allem notwendig sein, sich klar die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Grundlagen vor Augen zu halten, von denen die amerikanischen Stellungnahmen i m Unterschied zur verfassungsrechtlichen Situation i n der Bundesrepublik ausgehen. I n den Vereinigten Staaten handelt es sich um die Auslegung einer sehr knappen Formel des ersten Zusatzartikels zur Verfassung aus dem Jahre 1791, wonach der Kongreß kein Gesetz über ein „establishment of religion" machen darf. Sie ist von der neueren Rechtsprechung i m Sinne eines Grundsatzes der Trennung gedeutet worden. I n der Bundesrepublik dagegen erfährt der i n A r t . 4 GG ausgesprochene Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit, den das Bundesverfassungsgericht i m Sinne einer weltanschaulichen Neutralität des Staates auslegt 7 , eine Ergänzung durch eine Reihe verfassungsrechtlicher Bestimmungen, die eine Verbindung des Staates 4 Zuerst i n Everson v. Board of Education 330 U.S. 1 (1947). Das entscheidende U r t e i l zur Inkorporation der Grundrechte des Bundes f ü r die Einzelstaaten gemäß dem 14. Amendment erging erst 1925: G i t l o w v. N e w Y o r k 268 U.S. 652. s. Henry J. Abraham, Freedom and the Court, New Y o r k 1967, S. 50 f., 176 f. β Frank J. Sorauf, The W a l l of Separation — The Constitutional Politics of Church and State, Princeton 1976, S. 59 ff. 7 s. BVerfGE 24, 236 (246); 33, 23 (28); 41, 29 (50). 5
Vorwort
zu religiösen Einrichtungen, vom Religionsunterricht i n den Schulen bis zur Gewährung des Besteuerungsrechts, festlegen und damit die Linie einer vollen Trennung nicht aufnehmen. Dieser grundlegende Unterschied i n der verfassungsrechtlichen Ausgangslage schließt daher eine einfache Übernahme von Grundsätzen der amerikanischen Rechtsprechung auf die Verhältnisse der Bundesrepublik aus. Es ist indes möglich, dieser Rechtsprechung, gerade wenn man ihren Ergebnissen so sorgsam nachgeht wie der Verfasser dieses Buches, die Vielfalt der Gesichtspunkte zu entnehmen, die bei einer Beurteilung staatlicher Hilfe an kirchliche Einrichtungen i m Bereich der Erziehung und Wohlfahrt auftreten und die eine differenzierte und verständnisvolle Behandlung der hier sich stellenden Fragen verlangen. Auch dieses Buch bestätigt die Erkenntnis, daß i n den so verzweigten Beziehungen des Staates zu weltanschaulichen Fragen die Aufstellung einer allgemeinen Grundlinie nicht ausreicht, u m die i n der praktischen Handhabung sich ergebenden Schwierigkeiten ohne Heranziehung weiterer feiner unterscheidender Maßstäbe zu bewältigen. Professor Dr. Ulrich
Scheuner
Vorbemerkung Die Untersuchung hat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. als Dissertation i m Sommersemester 1977 vorgelegen. Sie entstand i m wesentlichen i n den Jahren 1973 bis 1976, als ich aufgrund eines Fulbright-Stipendiums an der L a w School der University of Chicago/USA studieren durfte und anschließend m i t Hilfe eines Stipendiums nach dem Graduiertenförderungsgesetz die Arbeit abschließen konnte. Zur Drucklegung erfolgte eine geringfügige Überarbeitung. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Alexander Hollerbach, möchte ich für die wissenschaftliche und menschliche Unterstützung bei dieser Arbeit danken. Mein Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Gerhard Casper und Herrn Professor Philip B. Kurland für die anregende Betreuung während meines amerikanischen Studienaufenthaltes. Erwähnen möchte ich auch Herrn Professor Dr. Paul Heinrich Neuhaus, der stets für mich da war, wenn ich Rat oder Hilfe benötigte, sowie Herrn Professor Dr. Eike von Hippel, der während meiner Assistentenzeit bei i h m viel Verständnis für den Fortgang dieser Arbeit zeigte. Ganz besonders danken möchte ich an dieser Stelle auch meinen Freunden, Herrn Assessor Hans-Martin Niemeier und Herrn Dr. Ulrich Stürmer. Ihre K r i t i k und Aufmunterung trug wesentlich zum Gelingen der Untersuchung bei. Mein Dank gilt schließlich der Leitung der Evangelischen Kirche i m Rheinland und dem Kuratorium der wissenschaftlichen Gesellschaft i n Freiburg i. Br. für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses, sowie den Herausgebern der Reihe „Staatskirchenrechtliche Abhandlungen" und Herrn Professor Dr. J. Broermann für die Aufnahme dieser Arbeit i n das Verlagsprogramm. Hamburg, i m Oktober 1977 Dr. Michael Quaas, M. C. L.
Inhaltsverzeichnis Einführung
19 1. Teil Das 1. Amendment und seine rechtliche Entwicklung
1. Abschnitt:
25
Historischer H i n t e r g r u n d des 1. Amendment
25
A. Das Verhältnis v o n Staat u n d Kirche i n den englischen Kolonien v o n Nordamerika 25 I. Neuenglandstaaten
25
I I . Südstaaten
26
I I I . Mittlere Staaten
27
I V . Staaten ohne Staatskirchentum
27
V. Disetablierung der Staatskirchen
29
B. Die Aufnahme der kirchenpolitischen Bestimmungen i n die amerikanische Verfassung I. „no preference"- u n d „ w a l l of separation"-Theorie
30 30
I I . Rechtslage vor Einfügung der B i l l of Rights
31
I I I . Die Entstehungsgeschichte des Wortlauts des 1. Amendment
32
I V . Schlußfolgerung
34
C. Die Ansichten v o n James Madison u n d Thomas Jefferson
35
I. Der K a m p f i n V i r g i n i a
36
I I . Religionspolitische Hauptaussagen
38
1. James Madison
38
2. Thomas Jefferson
39
I I I . Schlußfolgerungen
41
D. Zusammenfassung 2. Abschnitt: Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court zur legung der establishment clause
42 Aus-
A. Die Anwendbarkeit des 1. Amendment auf die Praxis der Einzelstaaten
44 44
14
nsverzeichnis
Β . Die Rechtsprechung des Supreme Court
47
I. Everson u n d das „no aid"-Prinzip
47
I I . Die Aufweichung des starren „no aid"-Prinzips durch einen blen 3-Stufen-Test
flexi-
49
1. McCullom u n d Zorach
49
2. Schempp, A l l e n u n d Walz
51
I I I . Das Festhalten a m 3-Stufen-Test durch die neuere Rechtsprechung des U.S. Supreme Court
53
1. Lemon
53
2. V o n Nyquist bis Meek
54
C. Kritische Würdigung der Rechtsprechung des U.S. Supreme Court I. Gesamtschau
56 56
I I . Einzelanalyse des 3-Stufen-Test
60
1. „ Z w e c k " - K r i t e r i u m (1. Stufe)
60
2. „ E f f e k t " - K r i t e r i u m (2. Stufe) a) Religiöse Ausrichtung b) Trennbarkeit
61 62 62
3. „Übermäßige V e r s t r i c k u n g " - K r i t e r i u m (3. Stufe) a) „administrative entanglement" b) „political entanglement"
63 63 64
D. Zusammenfassung
66
3. Abschnitt: ment
69
Die Ansichten der L i t e r a t u r zur Auslegung des 1. A m e n d -
A. Separationstheorie
69
B. Neutralitätstheorie
70
I. K u r l a n d
70
I I . Katz
71
C. Kooperationstheorie
72
D. Zusammenfassende Würdigung
73
4. Abschnitt: Die Ansichten der Religionsgemeinschaften nungsprinzip
zum
Tren-
76
A. Protestantismus
77
B. Katholizismus
79
C. Judentum
83
D. Zusammenfassung
84
nsverzeichnis 2. Teil Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit staatlicher Hilfe an Kirchen und kirchlich gebundene Institutionen 1. Abschnitt:
Staatsleistungen auf dem Erziehungssektor
A. Historischer u n d gesellschaftspolitischer Hintergrund I. öffentliche u n d private Schulen i n historischer Perspektive
85 85 85 85
I I . Z u r Gegenwartslage kirchlicher Privatschulen
88
I I I . Hauptargumente f ü r u n d gegen staatliche Hilfe
89
B. Formen u n d Umfang staatlicher Hilfe I. Bundesgesetzgeberische Maßnahmen
92 92
1. Verfassungslage
92
2. Grund- u n d Sekundärschulen
93
3. Höheres Bildungswesen
94
4. Erwachsenenbildung
94
5. Steuererleichterungen
95
I I . Einzelstaatliche Maßnahmen 1. Verfassungslage
95 95
2. Formen staatlicher Hilfe
95
3. Umfang einzelstaatlicher Hilfe
96
4. Erziehungsgutschein
97
C. Verfassungsrechtliche Beurteilung
98
I. Pierce, der Grundsatz der Privatschulfreiheit u n d die free exercise clause I I . Cochran, Everson, A l l e n u n d die child benefit-Theorie 1. Cochran
99 103 103
2. Everson
104
3. A l l e n
104
4. K r i t i k
105
I I I . Everson u n d die „public function" -Theorie
106
I V . Zwischenergebnis
107
V. Lemon, Tilton, Nyquist, Meek u n d der 3-Stufen-Test 1. Lemon a) Charakter der Privatschulen b) N a t u r der Privatschulhilfe c) Resultierendes Verhältnis
108 108 109 109 109
16
nsverzeichnis 2. T i l t o n
110
3. Nyquist
111
4. Meek
112
5. Kritische Würdigung
113
V I . Schlußfolgerungen f ü r bestimmte Formen staatlicher H i l f e 2. Abschnitt:
Staatsleistungen auf dem Wohlfahrtssektor
116 119
A . Historischer u n d gesellschaftspolitischer Hintergrund
119
B. Bundesprogramme
121
I. Krankenhausbau I I . Armutsbekämpfung
121 121
C. Einzelstaatenprogramme
122
D. Verfassungsrechtliche Beurteilung
122
I. Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court
122
1. Bradfield v. Roberts
122
2. 3-Stufen-Test
123
I I . Schlußfolgerungen 3. Abschnitt:
124
Steuerprivilegien zugunsten der Kirchen
126
A. Historischer u n d gesellschaftspolitischer Hintergrund
126
B. Verfassungsrechtliche Beurteilung
128
I. Walz
129
I I . Würdigung
131
1. free exercise clause
131
2. establishment clause
132
Zusammenfassung
des 2. Teils
134
Literaturverzeichnis
136
Entscheidungsverzeichnis
144
Sachwortverzeichnis
147
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen a. A . Abs. A.B.A.J. aff'd. mem. A l b . L. Rev. AöR app. Ariz. L. Rev. Art. art. ausf. Bd. B.U.L.Rev. Buff.L.Rev. Calif. L. Rev. Case W. Res. L . Rev. cert. den. Ch. & St. Col. L . Rev. conc. op. Cong. Conn. B. J. Cornell L. Rev. De Paul L . Rev. diss. diss. op. Doc. DÖV Duke L. Rev. DVB1 Erg. et seq. F. 2d. F. Supp. Geo. L. J. G.G. Harv. L . Rev. HdbStKirchR h. M. H. R. i. d. F. i. e. i. V. m. J. JJ. J. Ch. & St. J. L a w and Educ. J. Pubi. L a w JUS K y . L. J. 2 Quaas
anderer Ansicht Absatz American B a r Association Journal affirmed memorandum A l b a n y L a w Review Archiv des öffentlichen Rechts (Neue Folge) appeal Arizona L a w Review Artikel article ausführlich Band Boston University L a w Review Buffalo L a w Review California L a w Review Case Western Reserve L a w Review certirorari denied Church and State Columbia L a w Review concurring opinion Congress Connecticut Bar Journal Cornell L a w Review De Paul L a w Review dissenting dissenting opinion Document Die öffentliche V e r w a l t u n g Duke L a w Review Deutsches Verwaltungsblatt Ergebnis et sequence Federal Reporter, Second Series Federal Supplement Georgetown L a w Journal Grundgesetz H a r v a r d L a w Review Handbuch des Staatskirchenrechts herrschende Meinung House of Representatives i n der Fassung i m einzelnen i n Verbindung m i t Justice (Bezeichnung eines Richter des Supreme Court) Justices Journal of Church and State Journal of L a w and Education Journal of Public L a w Juristische Schulung Kentucky L a w Journal
18
Abkürzungsverzeichnis
L a n d and Water L . Rev. = L a n d and Water L a w Review = L a w & Contem. Prob. L a w and Contemporary Problems = Marq. L . Rev. Marquette L a w Review = Mich. L. Rev. Michigan L a w Review = M i n n . L . Rev. Minnesota L a w Review = m. w. N w . m i t weiteren Nachweisen = Neue Juristische Wochenzeitschrift NJW = Northwestern University L a w Review N w . U. L. Rev. = Notre Dame L a w y e r Notr. D. L a w y . = N.Y. U. L. Rev. New Y o r k University L a w Review = Ohio State L a w Journal Ohio St. L . J. = Religion and the Public Order Rei. & Pubi. Order = Rutgers L a w Review Rutg. L. Rev. = Satz oder Seite S. = Session Sess. = Senate Document Sen. Doc. = Stanford L a w Review Stanf. L. Rev. = sub nomine sub nom. = Supreme Court Review S. Ct. Rev. = Tax L a w Review T a x L. Rev. = Tex. L. Rev. Texas L a w Review = The Catholic L a w y e r The Cath. L a w y . = U. Chi. L. Rev. University of Chicago L a w Review = United States Supreme Court Reports oder auch U.S. U n i t e d States = United States Code U.S.C. = v. versus = Verfasser Verf. = Va. L . Rev. V i r g i n i a L a w Review = Wash. L . Rev. Washington L a w Review = Wise. L . Rev. Wisconsin L a w Review = W.R.V. Weimarer Reichsverfassung = Yale L. J. Yale L a w Journal ZaöRV Zeitschrift f ü r ausländisches öffentliches Recht u n d Völkerrecht
Die amerikanischen Abkürzungen folgen den Empfehlungen des U n i f o r m System of Citation, 11. Aufl. 1967 (Ausg. 1970), herausgegeben von der H a r v a r d L a w Review Association, Cambridge, Mass.
Einführung Die religionsrechtlichen Bestimmungen der amerikanischen Verfassung von 1789 sind vor allem i n dem ersten, i m Jahre 1791 i n K r a f t getretenen Zusatzartikel (Amendment) zur Unionsverfassung enthalten, i n dem es heißt: „Congress shall make no l a w respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof . . A "
Das 1. Amendment besteht damit aus zwei die Religion betreffenden Vorschriften, der „establishment clause" und der „free exercise clause". Beiden Bestimmungen geht es u m den Schutz der Religion i n deren Verhältnis zum Staat, sie unterscheiden sich aber i n ihrem Regelungsobjekt: Während sich die free exercise clause m i t dem individualrechtlichen und korporativen Bezug der Religionsfreiheit befaßt und den einzelnen wie religiöse Gemeinschaften vor zwangsweisen Eingriffen des Staates i n ihrem Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit schützt 2 , betrifft die establishment clause das institutionelle Verhältnis von Staat und Kirche, indem sie dem Gesetzgeber das Verbot eines „establishment of religion" auferlegt. Der Schwerpunkt der folgenden Untersuchung, die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit staatlicher Hilfe an Kirchen und kirchliche Institutionen wie Konfessionsschulen und kirchliche Krankenhäuser, richtet sich primär an die establishment clause. Sie schreibt nach traditionellem Verständnis eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche vor, m i t der Folge, daß staatliche Förderung von Religion und Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich verboten ist („no aid 1 „Der Kongreß soll k e i n Gesetz erlassen, das sich auf die Einführung einer Religion bezieht oder deren freie Ausübung beschränkt . . . " — eig. Übersetzung; zu weiteren Übersetzungsversuchen s. Keim, Schule u n d Religion, S. 18 i n Fn. 10: „Der Kongreß soll kein Gesetz erlassen, das sich auf religiöse Uberzeugungen u n d Einrichtungen bezieht oder die freie Ausübung der Religion b e s c h r ä n k t . . . " ; vgl. auch Murray, Kirche u n d Staat i n den USA, i n Forster (Hrsg.), Das Verhältnis von Kirche u n d Staat, S. 49, 51; Schiaich, Neutralität, S. 140 f.; daneben findet sich i n der amerikanischen Verfassung noch die Eidesklausel des A r t . V I § 3, s. u. S. 31. 2 Z u r individuellen Religionsfreiheit s. die Nachweise unten S. 47; zur korporativen Religionsfreiheit, die sich vor allem als Schutz des autonomen Bereichs der Kirchen darstellt, vgl. die neuere Entscheidung Presbyterian Church i n the United States v. M a r y Elizabeth Blue H u l l Memorial Presbyterian Church, 393 U.S. 440 (1969) u n d hierzu Haller, Supreme Court u n d Politik, S. 56 f.; Kauper, 1969 S. Ct. Rev. 347 - 378.
2*
20
Einführung
to religion") 3 . Die Feststellung, daß die amerikanische Verfassung eine Trennung des religiösen von dem politischen Gemeinwesen verlangt, ist jedoch für die Lösung der sich aus der Wirklichkeit der Verfassungsordnung ergebenden Probleme nicht ausreichend. Dem Charakter der amerikanischen Verfassung als einer „ l i v i n g constitution" entspricht vielmehr nur eine flexible und dynamische Interpretation i m Sinne einer Gesamtwürdigung der historisch gewachsenen politischen und, i m weitesten Sinne, sozialen Umstände 4 . Die dem Trennungsprinzip zugrunde liegende Wirklichkeit w i r d bestimmt durch eine religionsfreundliche Einstellung des amerikanischen Volkes, die sich auch i m staatlichen Leben auswirkt. Der Kongreß selbst, dem es nach der Verfassung verboten ist, religionsfördernd tätig zu werden, verabschiedete zahlreiche Gesetze, die offiziell die Existenz eines Gottes anerkennen: So lautet der nationale Wahlspruch „ I n God we trust" 5 , und ist seit dem Jahre 1865 auf alle Geldmünzen und Briefmarken zu prägen 6 ; 1952 forderte der Kongreß die Präsidenten auf, jedes Jahr einen nationalen Gebetstag festzusetzen 7, 1954 schließlich fügte er die Formel „under God" dem Flaggengruß hinzu 8 . Es amtieren ferner Geistliche i m Kongreß 9 und i n der Armee 1 0 , und der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten (U.S. Supreme Court) beginnt seit der Amtsperiode seines ersten Oberrichters (Chief Justice) John Marshall jede Sitzung m i t den Worten: "God save the United States and this Honorable Court 1 1 ." Die Reihe der Beispiele, die eine wohlwollende Haltung des amerikanischen Staates gegenüber der Religion ausdrücken, läßt sich beliebig fortsetzen 12 . Für unseren Zusammenhang genügt es festzuhalten, daß das Trennungsprinzip nur auf dem Hintergrund der allgemeinen Wertschätzung der Religion i m öffentlichen Leben der Vereinigten Staaten richtig verstanden werden kann. 3 Everson v. Board of Education 330 U.S. 1 (1947). 4 Vgl. neuestens Klette, JUS 76, 8 ff. s 36 U.S.C. § 186 (1968). β A c t of March 1865, 13 Stat. 517, 518. 7 36 U.S.C. § 185 (1968). 8 36 U.S.C. § 172 (1968). » Rule I I I , Senate Manual, S. Doc. Nr. 2, 87th Cong., 1st Sess. (1965); Rule V I I , Rules of the House of Representatives, H. R. Doc. Nr. 619, 87th Cong., 2nd Sess. (1963). 10 10 U.S.C. § 4 (1946), vgl. zur I n s t i t u t i o n der Militärgeistlichen auch Drinan, Religion, the Courts and Public Policy, S. 20 ff.; Stokes* , Church and State, Bd. 3, S. 110 ff. n Zorach ν. Clausen, 343 U.S. 306, 314 (1952). ι 2 Vgl. auf deutscher Seite z. B. Bewersdorf, die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court, S. 79 ff.; von Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 191 f.; Rothenbücher, Trennung, S. 135 ff.
Einführung
Die dem amerikanischen System zuweilen unterschobene Modellvorstellung einer strengen, der Religion gegenüber indifferenten Trennung kirchlicher und staatlicher Ordnung 1 3 bedarf auch aus einem anderen Grunde einer Korrektur. Die Lebensfähigkeit des amerikanischen Gemeinwesens hängt seit den Tagen der ersten Einwanderer von der Eigeninitiative und dem Nachbarschaftsbewußtsein seiner Bürger ab. I m Bereich der Erziehung und der Wohlfahrtspflege trugen private, zumeist religiös motivierte Gruppen und Organisationen bis i n die Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Hauptlast der Verantwortung. Dies hat sich i n den letzten Jahrzehnten gewandelt, so daß heute schulische Erziehung und die Sorge u m die allgemeine Wohlfahrt „Staatsaufgaben" geworden sind. Dennoch w i l l und kann der amerikanische Staat nicht auf die hilfreiche Initiative privater, gemeinnütziger Institutionen verzichten. So erklärt sich vor allem der Bund immer häufiger dazu bereit, großzügige Finanzhilfe privaten Trägern zu leisten. Sofern diese jedoch, wie es i m privaten Erziehungsbereich die Regel ist, i n kirchlicher Regie betrieben werden, gerät die Subventionierungspraxis i n Konflikt mit dem der strengen Trennungsidee folgenden Verbot staatlicher Religionsförderung. Andererseits muß ein totaler Ausschluß kirchlicher Organisationen von staatlicher Hilfe als unzulässige Diskriminierung der Religion erscheinen. Nur eine Auslegung der establishment clause, die die weltliche und religiöse Bedeutung kirchlicher Praxis heute berücksichtigt, vermag diesem Dilemma beizukommen. Es zeigt sich erneut, daß auch i n einem Trennungssystem eine „fugenlose Abschottung" von staatlicher und religiöser Ordnung nicht möglich ist, da sich beide „ i n der Person des kirchenangehörigen Staatsbürgers begegnen" und der Förderung seines materiellen und geistig-sittlichen Wohls verpflichtet fühlen 1 4 . Die Frage, inwieweit das i n den Vereinigten Staaten herrschende, der Religion gegenüber wohlwollend eingestellte Trennungssystem eine inhaltlich begrenzte staatliche Unterstützung kirchlicher Institutionen i n bestimmten Bereichen zuläßt, beherrscht auch den Gang der Untersuchung. Ausgehend von dem historischen Hintergrund des 1. Amendments w i r d zunächst die rechtliche Entwicklung dieser Vorschrift, die für das Verständnis der Kontroverse u m die Zulässigkeit staatlicher Hilfe notwendig ist, dargestellt (l.Teil). Hierbei w i r d insbesondere die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court zur Auslegung der establishment clause analysiert und einer kritischen Würdigung unterworfen. is So w o h l Fischer, Trennung, S. 41; Keim, S. 34, 235. 14 So von Campenhausen, S. 76; Weber, Schule, Staat, i n Der Staat Bd. 8, S. 498; zu ähnlichen Problemen i n anderen Trennungssystemen vgl. neuestens von Lucius, Church and State i n South Africa, 6 S. Afr. I n t l . 88 (1975); u n d Metz, Staat und Kirche i n Frankreich, i n Essener Gespr., Bd. 6, S. 103.
22
Einführung
Das anfängliche Auf und Ab der Rechtsprechung und die zuweilen spürbare Konzeptionslosigkeit w i r d die oben ausgesprochene Vermutung bestätigen, „daß die Probleme des Verhältnisses von Staat und Kirche i n der Formel von der Trennung weniger ihre Lösung als ihre Wurzel haben" 1 6 . Die zur free exercise clause ergangene Rechtsprechung w i r d nicht behandelt, da sie einen grundsätzlich anderen Fragenkreis betrifft. Sofern jedoch, wie es mitunter i m 2. Teil der Fall ist, eine Legitimierung staatlicher Hilfe über die free exercise clause möglich erscheint, w i r d eben dort i m einzelnen darauf eingegangen werden. Schließlich werden am Ende des 1. Teils die Ansichten der Literatur und der Religionsgemeinschaften berücksichtigt, da deren Auffassungen nicht ohne Einfluß auf die Rechtsprechung, und damit die Festlegung des geltenden Verfassungsrechts, geblieben sind. I m 2. Teil der Untersuchung w i r d die Zulässigkeit staatlicher Unterstützung von Kirchen und kirchlich gebundenen Institutionen i m einzelnen behandelt. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier den Staatsleistungen auf dem Erziehungssektor, da deren Zweckmäßigkeit und verfassungsrechtliche Rechtfertigung die Gemüter stets aufs Neue bewegt, und i n den 50er und 60er Jahren zu heftigen Auseinandersetzungen nicht nur i n der juristischen, sondern auch der politischen Arena führte 1 6 . Staatliche Hilfe an kirchliche Wohlfahrtsträger, die anschließend diskutiert wird, bietet demgegenüber weitaus weniger Konfliktstoff. Problematischer wiederum ist die Rechtslage hinsichtlich der den Kirchen gewährten „negativen Staatsleistungen", nämlich Steuerprivilegien verschiedenster A r t 1 7 . I h r Vorhandensein bekräftigt erneut den besonderen Status, den die Religion i m öffentlichen Leben der Vereinigten Staaten genießt 18 . Andererseits stellt diese Form indirekter Unterstützung ein konsequentes, am Verbot der Religionsförderung ausgerichtetes Trennungsdenken vor kaum lösbare dogmatische Schwierigkeiten 19 . Es ist nicht das Anliegen dieser Arbeit, i m Wege der Rechtsvergleichung die Übernahme des vielfach als Modell empfundenen Verhältnisses von Staat und Kirche i n den USA, oder auch nur Teile desSo treffend Schiaich, Neutralität, S. 144. !6 Linde, Zeitgemäße Reform, D Ö V 69, 305 spricht i n diesem Zusammenhang zu Recht v o n einer „der strittigsten Fragen der amerikanischen P o l i t i k " ; abschwächend hingegen Schiaich, Neutralität, S. 150. 17 So die deutsche Terminologie, vgl. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, S.167. is Rothenbücher, Trennung, S. 169. i» Vgl. van Alstyne , 20 Ohio St. J. 461 (1959): "One of the most pervasive and f i r m l y established anomalies i n American l a w is the permissibility of subsidization of religious institutions through t a x exemtions i n a legal order constitutionally committed to separation of church and state."
Einführung selben, f ü r die staatskirchenrechtliche O r d n u n g d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d z u e m p f e h l e n . D a v o r m u ß schon aus m e t h o d o l o g i s c h e n G r ü n d e n g e w a r n t w e r d e n , da a u f g r u n d d e r ganz a n d e r e n verfassungsr e c h t l i c h e n Ausgangslage u n d d e r u n t e r s c h i e d l i c h e n R e c h t s t r a d i t i o n e n eine spezifische V e r g l e i c h b a r k e i t 2 0 d e r d e n R e c h t s o r d n u n g e n g e m e i n samen P r o b l e m e 2 1 i n d e r Regel a b z u l e h n e n sein w i r d 2 2 . So h a t sich u n t e r d e r H e r r s c h a f t des deutschen Grundgesetzes k e i n allgemeines, d e r a m e r i k a n i s c h e n Rechtslage vergleichbares T r e n n u n g s p r i n z i p d u r c h g e setzt, das als A u s g a n g s p u n k t u n d M a ß s t a b d e r V e r f a s s u n g s i n t e r p r e t a t i o n f ü r die sich i m S t a a t - K i r c h e n - B e r e i c h s t e l l e n d e n P r o b l e m e z u g e l t e n h ä t t e 2 3 . E b e n s o w e n i g k a n n d e m deutschen Verfassungsrecht e i n 20 Das Erfordernis einer spezifischen Vergleichbarkeit der den Rechtsordnungen gemeinsamen Probleme als Voraussetzung f ü r die Zulässigkeit rechtsvergleichender Folgerungen verlangt die f ü r den Bereich des P r i v a t rechts entwickelte Theorie der „funktionellen Rechtsvergleichung", vgl. statt vieler Constantinescou, Rechtsvergleichung, Bd. 2, S. 101 ; Rheinstein, Einführung, S. 27 ff.; Zweigert / Kötz, Einführung, Bd. 1, S. 29 f.; es spricht jedoch nichts dagegen, dieses K r i t e r i u m auch i m öffentlichen Recht anzuwenden, vgl. Krüger, Verfassungsvergleichung i n 1972 Verfassung u n d Recht i n Übersee, S. 5 ff.; Mössner, Rechtsvergleichung AöR Bd. 99, 193 ff. (1974); v. Münch, 1973 ZaöRV S. 33 ff.; zu früheren Versuchen einer rechtsvergleichenden Methode i m öffentlichen Recht vgl. die 3 Referate von Kaiser, Strebel u n d Bernhardt i n ZaöRV Bd. 24 (1964) S. 391 - 452. 21 Auch i n der deutschen Staatskirchenrechtsliteratur findet die Frage staatlicher Hilfe an Kirchen u n d ihre Institutionen vermehrte Aufmerksamkeit, vgl. neuerdings Brauns, Staatsleistungen an die Kirchen u n d ihre Ablösung (1970); Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen u n d Religionsgemeinschaften i n HdbStKirchR Bd. 2, S. 51 ff. (1975); Kewenig, Das G r u n d gesetz u n d die staatliche Förderung der Religionsgemeinschaften i n Essener Gespräche, Bd. 6, S. 9 ff. (1972); s. ferner zu „negativen Staatsleistungen" speziell Brauns, S. 55 ff.; Held, Die kleinen öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften, S. 92 ff.; Hollerbach, Das Staatskirchenrecht i n der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 92 (1967), S. 123 f. m i t Verweis auf B V e r f G E19, I f f . ; zur Frage der Zulässigkeit staatlicher Hilfe f ü r kirchliche Schulen s. Maunz, Die staatliche Subventionierung freier Schulen i n Essener Gespräche, Bd. 9, S. 63 ff. ; grundlegend zum Problem staatlicher Religionsförderung i n prinzipieller u n d methodologischer Hinsicht s. schließlich Martin Hechel, Staat — Kirche — Kunst, Tübingen 1968. 22 Verfehlt daher der direkte Rekurs auf das amerikanische Recht durch das U r t e i l des hessischen Staatsgerichtshofs hinsichtlich der Zulässigkeit eines Schulgebets, Hess. S t G H U r t e i l v o m 27.10.1965, abgedruckt i n N J W 66, 31 (33); dieser Gefahr unterliegt auch zuweilen Keim, Schule u n d Religion (1969), vgl. dazu die K r i t i k v o n Weber, Schule, Staat i n Der Staat, Bd. 8, S. 494; u n d Schiaich, Neutralität, S. 140 i n Fn. 47; ebenso w i e hier von Campenhausen, Staatskirchenrecht S. 266 f. (Fn. 800) \Listl, Grundrecht der Religionsfreiheit, S. 18 i n Fn. 52 u n d S. 23 i n Fn. 17; Schiaich, S. 215; zu Recht weist jedoch ders., S. 140, 152 auf die erstaunlichen Parallelen i n der wissenschaftlichen Argumentation i n den beiden Ländern trotz abweichender Verfassungslage hin. 23 Z w a r finden sich, w i e das Verbot institutioneller Verbindung von Staat und Kirche i n A r t . 140 G.G. i. V. m. A r t . 137 Abs. 1 W.R.V. zeigt, Trennungsvorstellungen i m Grundgesetz v e r w i r k l i c h t . Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines grundsätzlich geltenden, die staatskirchenrechtliche Ordnung der B R D ganz oder überwiegend beherrschenden Trennungsprin-
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Einführung
generelles V e r b o t staatlicher R e l i g i o n s f ö r d e r u n g e n t n o m m e n w e r d e n 2 4 , z u m a l sich das Grundgesetz i n b e s t i m m t e n G e b i e t e n selbst f ü r d i e Z u l ä s s i g k e i t staatlicher U n t e r s t ü t z u n g s m a ß n a h m e n a u s s p r i c h t 2 5 . Schließl i c h v e r h i n d e r t auch die unterschiedliche S t e l l u n g d e r K i r c h e n i n der G e s a m t r e c h t s o r d n u n g d e r b e i d e n L ä n d e r 2 6 u n d d i e verschiedene S t r u k t u r des k i r c h l i c h e n L e b e n s 2 7 eine schematische Ü b e r t r a g u n g d e r a u f a m e r i k a n i s c h e m B o d e n gewachsenen L ö s u n g e n . D i e folgende U n t e r suchung w i r d sich d a h e r a u f d i e D a r s t e l l u n g u n d D i s k u s s i o n des a m e r i k a n i s c h e n Rechts beschränken, a l l e r d i n g s m i t d e m a l l g e m e i n e r e n Z i e l , d a m i t b e i s p i e l h a f t e i n i g e der S c h w i e r i g k e i t e n aufzuzeigen, d e n e n sich die V e r w i r k l i c h u n g einer T r e n n u n g v o n S t a a t u n d K i r c h e h e u t e ausgesetzt sieht.
zips, vgl. z.B. Listi , Grundrecht der Religionsfreiheit, S. 9 m. w. N w . u n d S. 17; Müller / Pierroth, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, S. 75 ff. (79) ; Maunz i n Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz A r t . 140, Rdn. 52 und A r t . 140/Art. 137 W.R.V. Rdn. 6; i m Erg. ebenso Hollerbach, Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, i n HdbStKirchR Bd. 1, S. 215 (258); Scheuner, Das System der Beziehungen v o n Staat u n d Kirche i m Grundgesetz, i n HdbStKirchR Bd. 1, S. 6, 62; Schiaich, Neutralität, S. 182 ff., 214 f.; a. A . z.B. Fischer, Trennung, S. 53, 177 f. 24 So Isensee, S. 89; Kewenig, S. 28; Listi, Grundrecht der Religionsfreiheit, S. 8 f. m. w . N w . ; Marré, Das kirchliche Besteuerungsrecht, i n HdbStKirchR Bd. 2, S. 5; Müller / Pier roth, S. 79; Scheuner, S. 67; a. A . w o h l Brauns, S. 136 i n Fn. 15; Bull, Die Staatsauf gaben nach dem Grundgesetz, S. 365. 25 Als „begünstigende Einzelgewährleistungen" (Hollerbach, i n H d b StKirchR Bd. 1 S. 254) sind hier vor allem zu nennen: die Z u b i l l i g u n g der Korporationsqualität (Art. 140 G.G. i. V. m. A r t . 137 Abs. 5 W.R.V.), die Verleihung des Besteuerungsrechts f ü r öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften (Art. 140 G.G. i. V. m. 137 Abs. 6 W.R.V.), die Ablösung der Staatsleistungen (Art. 140 G.G. i . V . m . A r t . 138 Abs. 1 W.R.V.), die Kirchengutsgarantie des A r t . 140 G.G. i . V . m . A r t . 138 Abs. 2 W.R.V. ; das Recht i n Heer, Krankenhäusern, Strafanstalten u n d sonstigen öffentlichen Anstalten religiöse Handlungen vorzunehmen (Art. 140 i. V. m. A r t . 141 W.R.V.) u n d die Garantie des Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach (Art. 7 Abs. 3 S. 1 G.G.); vgl. zu den einzelnen Privilegien z.B. Brauns, S. 104ff.; Held, S. 79 ff. 26 Zutreffend z. B. Müller / Pierroth, S. 79, die darauf hinweisen, daß von einem Trennungssystem n u r dort gesprochen werden kann, „ w o der Staat sich nicht n u r unter das Gebot weltanschaulicher Neutralität stellt u n d sich m i t einer Staatsreligion, bzw. Staatskirche nicht identifiziert, sondern w o er zugleich die Kirche nicht als öffentlich-rechtliche K r a f t anerkennt u n d sie u n d i h r Recht deswegen i n den Status privater Vereinigungen u n d privaten Vereinssatzungsrechts verweist". Dieses f ü r die U S A typische System lasse sich am Staatskirchenrecht der B R D nicht studieren. 27 Vgl. dazu besonders Liermann, Z R G 84 Kan. A b t . 53 (1967) S. 135, 148 ff.
1. T E I L
Das 1. Amendment u n d seine rechtliche Entwicklung 2. Abschnitt Historischer Hintergrund des 1. Amendment A. Das Verhältnis von Staat und Kirche in den englischen Kolonien von Nordamerika Das i n der establishment clause des 1. Amendment von 17911 verfassungsrechtlich verankerte Prinzip einer Trennung von Staat und Kirche kann nicht auf eine langjährige Erfahrung i n den Gründerkolonien zurückgreifen 2 . I m Gegenteil: I n den meisten der dreizehn englischen Kolonien von Nordamerika fand sich ein strenges Staatskirchentum verwirklicht, m i t eben den gleichen diskriminierenden Konsequenzen, derentwegen viele der Einwanderer das englische Mutterland verlassen hatten 3 . Erst i m erneuten Kampf gegen etablierte Staatskirchenregimente wuchs die Idee einer Trennung von staatlicher und kirchlicher Macht. I. Neuenglandstaaten
I n den Neuenglandstaaten 4 Massachusetts, Plymouth 5 , Connecticut und New Hampshire erhoben die Puritaner den calvinistischen Kon1
"Congress shall make no l a w respecting an establishment of religion . . . " Z u m folgenden vgl. Antieau, Freedom, S. 1 ff.; Beth, The American Theorie, S. 33 ff.; Blau, Cornerstones, S. 31 ff.; Hägermann, Die Erklärungen der Menschenrechte, S. 28 ff.; Levy, Judgements, S. 191 ff.; Morgan, The Supreme Court, S. 11 ff.; Pfeffer, Church, State, S. 71 ff.; Rothenbücher, Trennung, S. 28 ff.; Stokes, Church and State, Bd. 1, S. 151 ff.; Torpey, Judicial Doctrines, S. 3 ff. ; weitere bibliographische Nachweise finden sich bei Dargo, Roots of the Republic, S. 169 - 171. 3 Vgl. Schwartz, B i l l of Rights, Bd. 1, S. 90: " I t is an unfortunate fact of history that w h e n some of the very groups which had been most strongly persecuted b y the established Church of England found themselves i n control of Colonial governments, they immediately turned f r o m oppressed into oppressors so far as those of other religious beliefs were concerned." 4 M i t Ausnahme v o n Rhode Island, vgl. dazu unten 1. Teil, 1. Abschn., Α., I V . 5 Die Kolonie P l y m o u t h wurde i m Jahre 1620 von den P i l g r i m Fathers gegründet u n d i m Jahre 1691 m i t Massachusetts vereinigt, s. Hofstadter, The United States, S. 40. 2
26
1. Teil,
.Abschn.: Geschichte des 1. Amendment
gregationalismus zur Staatskirche und errichteten theokratische Systeme mehr oder minder scharfer Ausprägung 6 . Der Unterhalt der kongregationalistischen Kirche wurde vom Staat bestritten. Kirchliche und staatliche Macht vereinigte sich zu einem großen Teil i n den Händen des Klerus, der über die Einhaltung der zugunsten des puritanischen Bekenntnisses bestehenden Gesetze wachte. Fernbleiben vom Gottesdienst stand ebenso unter Strafe wie das Leugnen puritanischer Glaubensinhalte. Zur blutigen Verfolgung religiöser Dissidenten, vornehmlich der Quäker, kam es vor allem i n Massachusetts. Wenn auch mit der Zeit abgeschwächt, so wurden doch die Grundzüge dieser staatskirchlichen Systeme i n den Neuenglandstaaten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts beibehalten. Zu einer Auflösung des Staatskirchentums kam es i n Connecticut erst i m Jahre 1818, i n New Hampshire i m Jahre 1819, und i n Massachusetts i m Jahre 18337. I I . Südstaaten
I n den Südstaaten Virginia, Nord- und Süd Carolina bestand eine ähnliche kirchenpolitische Lage; hier führte die englische Krone die Church of England 8 als Staatskirche ein 9 . Sitz kirchlicher und staatlicher Autorität blieb — i m Gegensatz zu den Neuenglandstaaten — das Mutterland. Die anglikanische Kirche i n Virginia besaß somit zu keiner Zeit einen eigenen Bischof, ihre Führung unterstand vielmehr dem Bischof von London. Dies trug m i t dazu bei, daß der Autoritätsverfall der etablierten Staatskirchen i n den Südstaaten u m fast ein halbes Jahrhundert eher einsetzte als i n den Neuenglandstaaten 10 . Ein weiterer Unterschied zu den Nordstaaten bestand darin, daß — anders als etwa i n Massachusetts — i n Virginia nicht die Kirche den Staat, sondern der Staat die Kirche kontrollierte 1 1 . I n der Hand des Governor als Vertreter der englischen Krone vereinigte sich weltliche und kirchliche Befehlsgewalt 12 . Die anglikanische Kirche als Staatskirche hielt sich i n den Südstaaten bis zum Jahre 177613. 6
Während i n Massachusetts u n d P l y m o u t h eine strenge, dem „Gottesstaat Calvins" vergleichbare Theokratie herrschte, t r u g das kirchenpolitische System von Connecticut u n d New Hampshire tolerantere Züge: so w a r z.B. i n diesen Staaten die Ausübung der bürgerlichen Rechte v o m religiösen Bekenntnis unabhängig, s. Rothenbücher, S. 122. 7 Levy , Judgements, S. 198 m. w . N w . 8 Sie wurde später von den Amerikanern als Episcopal Church bezeichnet, Morgan, The Supreme Court, S. 18. 9 Das Staatskirchentum i n V i r g i n i a wurde durch Freibriefe Jacobs I von 1606 u n d 1609 errichtet, Rothenbücher S. 122 f.; zur rechtlichen Ausgestaltung der Staatskirche i n V i r g i n i a vgl. ausf. Zipperer, Thomas Jeffersons Act, S. 6 ff. 10 Stokes , Church and State, Bd. 1, S. 165. n Pfeffer , Church, State, S. 77; Stokes , Church and State, Bd. 1, S. 164.
Α. Kolonialzeit
27
I I I . Mittlere Staaten
Die kirchenpolitischen Verhältnisse i n den mittleren Kolonien New York, Maryland, New Jersey und Georgia waren aufgrund der zunehmend heterogenen Glaubensbevölkerung starken Veränderungen unterworfen. So war i n New Amsterdam, dem späteren New York, unter Peter Stuyvesant zunächst die holländisch reformierte Kirche die Staatskirche. Die Eroberung der Kolonie durch England i m Jahre 1664 beendete diesen Zustand. Die gleichzeitig erlassenen „Duke L a w s " 1 4 begründeten jedoch nun nicht die ausschließliche Herrschaft der anglikanischen Kirche, vielmehr errichteten sie ein System mehrerer Staatskirchen („multiple establishments"), demzufolge alle Kirchen protestantischen Glaubens, Anglikaner wie Reformierte, Presbyterianer wie Kongregationalisten, die staatlichen Privilegien i n Anspruch nehmen konnten. New York wurde damit der erste Staat der Weltgeschichte, i n dem mehrere gleichberechtigte Staatskirchen existierten, wobei das Oberhaupt des Staates zugleich das Oberhaupt aller zugelassenen Kirchen war 1 5 . Die Kolonie Maryland, von John Calvert, dem späteren Lord Baltimore, zunächst als Zufluchtstätte für Katholiken gegründet 16 , änderte ebenso infolge der starken Einwanderung und Zunahme protestantischer Ansiedler mehrfach ihren religiösen Charakter 1 7 . Die Episcopal Church regierte seit 1692 zunächst unbeschränkt, verlor jedoch dann ihre Stellung durch die Verfassung von 1776, die „multiple establishments" zuließ 18 . Eine ähnliche Entwicklung verlief i n den Kolonien Georgia und New Jersey 19 . I V . Staaten ohne Staatskirchentum
Nur die Kolonien Rhode Island, Pennsylvania und Delaware haben zu keiner Zeit ihres Bestehens ein Staatskirchentum gekannt. Rhode Island verdient die größte Beachtung, weil i n dieser Kolonie die zu 12 Häufig k a m es daher auch zu Machtkämpfen zwischen dem i n V i r g i n i a residierenden Governor u n d dem Bischof von London, was zu einer weiteren Schwächung der Stellung der anglikanischen Staatskirche beitrug, vgl. Zipperer, Thomas Jeffersons Act, S. 2. !» Morgan, The Supreme Court, S. 18. 14 Vgl. hierzu i. e. Levy, Judgements, S. 191 f. is Pfeffer, Church, State, S. 79 f. 16 Hof stadter, The United States, S. 37. 17 Hervorzuheben ist, daß M a r y l a n d m i t dem Toleration A c t von 1649 (abgedruckt bei Schwartz, B i l l of Rights, Bd. 1, S. 91 - 94) als erste amerikanische Kolonie die Freiheit des religiösen Bekenntnisses anerkannte. is Levy, Judgements, S. 198. ι» s. hierzu ders., S. 199; Pfeffer, Church, State, S. 80.
28
1. Teil,
.Abschn.: Geschichte des 1. Amendment
jener Zeit w o h l radikalsten Vorstellungen z u m Verhältnis v o n Staat u n d K i r c h e d u r c h i h r e n G r ü n d e r Roger Williams (1603 - 1682) v e r w i r k licht w u r d e n 2 0 . Nach seiner Ä c h t u n g i n Massachusetts (1636) beschloß Williams in P r o v i d e n c e eine H e i m s t a t t f ü r B a p t i s t e n , Q u ä k e r u n d andere N o n k o n f o r m i s t e n zu errichten. I m J a h r e 1663 gelang es i h m , der englischen K r o n e eine C h a r t a 2 1 a b z u g e w i n n e n , w e l c h e bestätigte, daß die S i e d l e r v o n R h o d e I s l a n d beabsichtigen „to hold f o r t h a livelle experiment that a most flourishing c i v i l state may best be maintained . . . w i t h f u l l libertie i n religious concernments" 2 2 . Williams v e r h a l f d a m i t i n seinem Staat d e n P r i n z i p i e n v o l l e r R e l i g i o n s f r e i h e i t u n d gegenseitiger U n a b h ä n g i g k e i t v o n S t a a t u n d K i r c h e z u m D u r c h b r u c h , u n d z w a r 150 J a h r e b e v o r diese I d e e n i h r e n W e g i n die a m e r i k a n i s c h e V e r f a s s u n g fanden. M i t seinen S c h r i f t e n , die e r s t r a n g i g e G e l t u n g i n der Geschichte des T r e n n u n g s p r i n z i p s b e a n s p r u c h e n 2 3 , t r u g e r w e s e n t l i c h z u m G e l i n g e n des „ l i v e l i e e x p e r i m e n t s " bei. Seine Geistesh a l t u n g u n d Ü b e r z e u g u n g s k r a f t k o m m t besonders d e u t l i c h i n e i n e m B r i e f an die S t a d t P r o v i d e n c e aus d e m J a h r e 1654 z u m A u s d r u c k , w o r i n es h e i ß t : "There goes many a ship to sea, w i t h many hundred souls i n one ship, whose weal and woe is common, and is a true picture of a commonwealth, or a human combination or society. I t hath fallen out sometimes, that both papists and protestants, Jews and Turks, may be embarked i n one ship; upon which supposai I affirm, that a l l the l i b e r t y of conscience, that ever I pleaded for, turns upon these t w o hinges — that none of the papists, protestants, Jews or Turks, be forced to come to the ship's prayers or worship, nor compelled f r o m their o w n particular prayers or worship, if they practice any. I further add, that I never denied, that notwithstanding this liberty, the commander of this ship ought to command the ship's course, yea, and also command that justice, peace and sobriety, be kept and practiced, both among the seamen and a l l the passengers 24 ."
20 Vgl. Jellinek, Die E r k l ä r u n g der Menschen- u n d Bürgerrechte, S. 46 ff.; Pfeffer, Church, State, S. 84 ff.; Rothenbücher, Trennung, S. 32 ff.; Zipperer, Thomas Jeffersons Act, S. 233 ff. 2 1 Abgedruckt bei Schwartz , B i l l of Rights, Bd. 1, S. 96 ff. 22 zit. bei Pfeffer, Church, State, S. 85. 23 Insbesondere seine gegen den Puritaner John Cotton, einem Verteidiger des Staatskirchentums i n Massachusetts, gerichtete, 1644 i n London erschienene Streitschrift „The bloudy tenet of persecution for cause of conscience discussed", abgedruckt bei Blau, Cornerstones, S. 36 ff., vgl. dazu Rothenbücher S. 32 ff. 24 zit. bei Pfeffer, Church, State, S. 86; hierzu kommentiert Beth, American Theory, S. 75 f.: "William's idea that the ship of state cannot be Christian, b u t only the people aboard the ship, and that governance of the ship w i l l be legitimate whether or not i t is framed i n Christian terms, can be echoed by many a devout Christian."
Α. Kolonialzeit
29
Während i n Rhode Island die verschiedensten religiösen Sekten Zuflucht fanden, war Pennsylvania nach der Bestimmung ihres Gründers William Penn (1644 - 1718) von Beginn an die Heimstatt einer bestimmten Denomination, der Quäker, zu deren Glaubensbekenntnis die Forderung nach religiöser Freiheit gehörte. M i t aus diesem Grund blieb Pennsylvania, wie auch das später davon abgetrennte Delaware (1702), ohne Staatskirchen 25 . V. Disetablierung der Staatskirchen
I n den Kolonien, welche Staatskirchensysteme nach englischem bzw. originär amerikanischem Muster hatten, kam es i n der Zeit von 1776 bis 1833 zur allmählichen Disetablierung der kolonialen Staatskirchen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren die verschiedensten Gründe, auf die hier i m einzelnen nicht eingegangen werden kann 2 6 . Von großer Bedeutung war sowohl die Vielzahl der inzwischen entstandenen religiösen Gruppen und Sekten, die sich über dogmatische Streitfragen ständig weiterspalteten, als auch der erstaunlich hohe Anteil von Siedlern, die sich trotz vorhandener Religiosität keiner der bestehenden Religionsgemeinschaften anschließen wollten 2 7 . E i n Grundbestand an religiöser Toleranz unter den Siedlern wurde daher zu einem „unentrinnbaren Gebot des Zusammenlebens" 28 . Daneben stritt für die Forderung nach Beseitigung staatlich verordneter Kirchenpflichten vielerorts der Haß der Kolonialisten auf die englische Krone und die Church of England. Erheblicher Einfluß auf die Separationsbewegung schließlich kommt den Vertretern der geistigen Hauptströmungen jener Zeit zu, wie John Locke und der Natur rechtslehre 29 , Jonathan Edwards und Georg Whitefield und der „großen Erweckungsbewegung" 3 0 , Thomas Paine und Thomas Jefferson und dem aufgeklärten Rationalismus 31 , sowie den oben erwähnten Roger Williams und William Penn. 25 Pfeffer, Church, State, S. 88 ff., Rothenbücher, Trennung, 124 f.; Stokes , Church and State, Bd. 1, S. 168 f., 206 ff. se Vgl. dazu Pfeffer, Church, State, S. 91 ff.; Rothenbücher, Trennung, S. 128 ff.; Stokes , Church and State, S. 222 ff.; hinsichtlich der Entwicklung i n V i r g i n i a s. u. 1. Teil, 1. Abschn., C., I. 27 M a n schätzt, daß u m 1770 n u r etwa 4 °/o der Bevölkerung kirchenmitgliedschaftlich organisiert war, Pfeffer, S. 95. 28 Steinberger, Konzeption u n d Grenzen, S. 199. 2 o Vgl. dazu Pfeffer, Church, State, S. 101 ff.; Zipperer, Thomas Jefferson Act, S. 239 ff. so ausf. dazu Hof stadter, The United States, S. 88 ff.; Dargo, Roots of the Republic, S. 31 m. w . N w . »1 Z u Th. Jefferson s.u. S. 39ff.; zu Th. Paine s. z.B. Stokes, Church and State, Bd. 1, S. 318 ff.
30
1. Teil, 1. Abschn.: Geschichte des 1. Amendment
Während sich i n den Einzelstaaten der Prozeß der Disetablierung vollzog, verlieh man auf Bundesebene durch das 1. Amendment dem Grundsatz einer Trennung von Staat und Kirche Verfassungsrang.
B. Die Aufnahme der kirchenpolitischen Bestimmungen in die amerikanische Verfassung I . „no preference"- und „wall of separation"-Theorie
Das 1. Amendment beginnt in seinen Eingangsworten m i t der Klausel „Congress shall make no law respecting an establishment of religion". Von Beginn an standen sich i n der amerikanischen Rechtslehre zwei — miteinander unvereinbare — Theorien gegenüber, die u m die wahre Intention der Verfassungsväter (founding fathers) bei der Formulierung dieser Klausel stritten 3 2 . Die eine, enge Auslegung behauptet, die establishment clause wolle eine staatliche Bevorzugung oder Förderung einer bestimmten Religion oder Religionsgemeinschaft verbieten. Hingegen sei es dem Staat nicht verwehrt, alle Religionen gleichermaßen zu unterstützen (sog. „no preference"-Theorie) 33 . Die andere, weite Auslegung dagegen sieht i n der establishment clause das Verbot jeder rechtlichen Verbindung des Staates m i t einer oder allen Religionen verwirklicht, m i t h i n sei auch eine gleichmäßige, allen Religionen zukommende Unterstützung durch den Staat unzulässig (sog. „ w a l l of separation"-Theorie) 34 . Beide Theo32
Welcher Stellenwert der subjektiven, auf den W i l l e n des Gesetzgebers abstellenden Auslegung i m Bereich der Verfassungsinterpretation zukommt, ist i n der amerikanischen Rechtslehre nicht abschließend geklärt, scheint i h r aber auch kein, der deutschen Diskussion vergleichbares Problem zu sein. Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court neigt i n den letzten 2 J a h r zehnten verstärkt einer pragmatisch-teleologischen Interpretationsmethode zu, u n d macht sich historische u n d grammatische Argumente je nach Sachlage zunutze. Eine Ubersicht über die Auslegungsprinzipien i m amerikanischen Verfassungsrecht, die zugleich die Schwierigkeit ihrer Anwendung i m Einzelf a l l aufzeigt, gibt Willoughby, Constitutional Law, S. 42 ff. m. w . N w . ; vgl. auch Bewersdorf, Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court, S. 87 f.; Carstens, Grundgedanken, S. 251 ff.; Rottschaefer, Handbook, S. 16 - 19. 33 I m 19. Jahrhundert w u r d e die no preference Theorie insbesondere von Joseph Story (Commentaries on the Constitution of the United States, 2 vols, 2nd ed., vol. 1, S. 593 ff. Boston 1851) u n d Thomas Cooley (The General Principles of Constitutional L a w i n the United States of America, 3rd ed., Boston 1898, S. 224f.) vertreten. Heute folgt i h r z.B. noch Bayer, ZaöRV Bd. 24 (1964) S. 201, 255; Corwin, 14 L a w & Contem. Prob. S. 3 ff. (1949); Fahy, 14 L a w & Contem. Prob. 73 ff. (1949); Meiklejohn, 14 L a w & Contem. Prob. 61 ff. (1949); O'Neill, Religion and Education, (1949). Vgl. auch Keim, S. 19 f.; Schiaich, Neutralität, S. 148 f.; Zipperer, S. 84 ff. 34 Die „ w a l l of separation" -Formel stammt v o n Th. Jefferson, s. u. 1. Teil, 1. Abschn., C. II., 2. A u f w i n d erhielt diese Theorie durch die Entscheidung Everson v. Board of Education, 330 U.S. 1 (1947), k a n n jedoch insgesamt
Β . Entstehungsgeschichte
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rien verweisen als Stütze für die Richtigkeit ihrer These vornehmlich auf die Entstehungsgeschichte der establishment clause 35 , ziehen jedoch aus den vorhandenen Materialien unterschiedliche Schlußfolgerungen. I I . Rechtslage vor Einfügung der Bill of Rights
Weder der von den Vertretern aller Kolonien i m Jahre 1774 gebildete Kontinentalkongress, noch die verfassungsgebende Versammlung von Philadelphia aus dem Jahre 1787 haben eine Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche für nötig erachtet 36 . So enthält die am 17. 9.1787 i n K r a f t getretene Unionsverfassung — abgesehen von der Eidesklausel des A r t . V I § 3, wonach es verboten ist, als Voraussetzung für die Bekleidung eines öffentlichen Amts die Zugehörigkeit zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis zu verlangen 3 7 — keine Bestimmung, die sich m i t Fragen der Religion und der Stellung der Kirchen i m politischen Gemeinwesen befaßt. Der Grund hierfür liegt i n der Tatsache, daß man nach damals vorherrschender Auffassung den nationalen Gesetz- und Verfassungsgeber hinsichtlich der Schaffung solcher Regelungen für inkompetent hielt. Der Vorschlag zur Einfügung eines Grundrechtskataloges (Bill of Rights), der notwendigerweise auch die Stellung der Religion und der Religionsgemeinschaften behandelt hätte, wurde von Georg Mason i n Philadelphia erst am Schluß der Beratungen eingebracht und einstimmig abgelehnt 38 . Alexander Hamilton hielt die Schaffung einer B i l l of Rights nicht nur für unnötig, sondern sogar gefährlich: sie würde Beschränkungen auf Rechte enthalten, die dem Bund durch die verfassungsgebende Versammlung nicht delegiert wurden, und aus diesem Grunde nur dem nicht als durch die Rechtsprechung vertreten angesehen werden, s. u. 1. Teil, 2. Abschn., B . I I . Sehr nahe k o m m t sie jedoch der strengen Separationstheorie, s. u. 1. Teil, 3. Abschn., A . Vgl. zu i h r ferner Zipper er, S. 88 ff. 35 Daneben suchen sie ihre Rechtfertigung i n den Äußerungen Madisons u n d Jeffersons, s.u. 1. Teil, 1. Abschn., C. I I . u n d sonstigen Anhaltspunkten, auf die hier i n der Breite nicht eingegangen werden kann, vgl. dazu BeWersdorf, S. 74 ff.; Zipper er, S. 83 ff. 3β Zur Entstehungsgeschichte der Unionsverfassung allgemein s. Loewenstein, Verfassungsrecht u n d Verfassungspraxis, S. 6 ff.; Oppen-Rundstedt, Federalist, S. 15 ff.; speziell für das Verhältnis Kirche — Staat Levy, Judgements, S. 171 ff.; Pfeffer, Church, State, S. 119 ff. 37 A r t . V I §3 U.S. Const, lautet: „ . . . b u t no religious Test shall ever be required as a Qualification to any Office or public Trust under the United States" (übers.: „ . . . jedoch soll keine die Religionszugehörigkeit betreffende Prüfung jemals als Voraussetzung f ü r irgendein A m t oder öffentliche V e r trauensstellung i n den Vereinigten Staaten verlangt werden"), vgl. zu dieser Bestimmung Pfeffer, Church, State, S. 252 ff.; Stokes, Church and State, Bd. 3, S. 143 ff.; Zipper er S. 47 f.; zur Verfassungsmäßigkeit eines einzelstaatlich geforderten Religionseides s. Torcaso v. Watkins 367 U.S. 488 (1961). se s. z. B. Stokes, Church and State, Bd. 1, S. 537 f.
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1. Teil, 1. Abschn.: Geschichte des 1. Amendment
Vorwand, daß mehr Rechte als tatsächlich übertragen delegiert worden seien, Zugkraft verleihen: "For w h y declare that things shall not be done which there is no power to do 3 9 ?" Deutlicher noch formulierte James Madison seine ablehnende Haltung, als er die Inkompetenz des Bundes i m Bereich der Religion i n den berühmten Satz faßte: "There is not a shadow of right i n the general government to intermeddle w i t h religion 4 0 ." Bekanntlich machten jedoch sechs Staaten, unter ihnen die einflußreichen New York, Virginia und Massachusetts, die Ratifikation der vorgeschlagenen Verfassung von der Hinzufügung einer B i l l of Rights abhängig, so daß sich der erste Kongreß gezwungen sah, einen Grundrechtskatalog zu erstellen, der als die ersten 10 der heutigen 26 Amendments am 15.12.1791 i n K r a f t trat. A u f diese Weise kam es m i t dem 1. Amendment doch noch zu einer bundesrechtlichen Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Ι Π . Die Entstehungsgeschichte des Wortlauts des 1. Amendment
A m 8. Juni 1789, während der 1. Sitzung des ersten Kongresses, erinnerte James Madison i n seiner Eigenschaft als Leader des House of Representatives die Abgeordneten an ihre Pflicht, einen Grundrechtskatalog auszuarbeiten 41 . Unter den von i h m eingebrachten Vorschlägen zur Fassung einer Religionsklausel befand sich auch folgende Bestimmung: "The c i v i l rights of none shall be abridged on account of religious beliefs or worship, nor shall any national religion be established, nor shall the f u l l and equal rights of conscience be i n any manner, or on any pretext, infringed. No State shall violate the equal rights of conscience . . . 4 2 . "
Die Vertreter der no preference Theorie sehen nun i n diesem Formulierungsvorschlag, vor allem i n den Worten „nor shall any national religion be established" einen Beweis ihrer These, daß m i t dem 1. Amendment lediglich das Verbot einer Staatskirche, bzw. einer staatlich bevorzugten Kirche intendiert worden sei 43 . Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß m i t dem Wort „national" nur ein Hinweis auf 30 A. Hamilton i n Federalist Nr. 84, i n Wright, Federalist, S. 535. 40 zit. bei Levy S. 219, i n Fn. 16 m. w. N w . zu Stellungnahmen anderer Vertreter der Constitutional Convention. 41 Z u m folgenden s. bes. Bewersdorf, Die Rechtsprechung des U.S. Supreme Court, S. 61 ff.; Levy , Judgements, S. 179 ff.; Pfeffer, Church, State, S. 161 ff. u n d Stokes , Church and State, S. 538 ff. 42 zit. bei Levy , Judgements, S. 179; Schwartz, B i l l of Rights, Bd. 2 S. 1026; Stokes, Church and State, Bd. 1, S. 541. 43 Corwin , 14 L a w & Contem. Prob. 11 (1949); Fahy, 14 L a w & Contem. Prob. 79 (1949); Murray, 14 L a w & Contem. Prob. 41 (1949) u n d O'Neill , Religion and Education, S. 103.
Β . Entstehungsgeschichte
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die Inkompetenz der neu errichteten nationalen Regierungsgewalt i n Fragen der Religion gegeben werden sollte 4 4 . Für diese Interpretation spricht ferner, daß i n dem sich anschließenden zweiten Satz des Vorschlages („No State shall . . . " ) ausdrücklich auf die Machtbeschränkungen der Einzelstaaten eingegangen w i r d 4 5 , m i t h i n der erste Teil der Formulierung nur eine den Bund betreffende Erklärung darstellt. Madisons Vorschlag wurde einem Sonderausschuß des Repräsentantenhauses, dem Madison selbst angehörte, zur Beratung überwiesen, der daraufhin folgende, verkürzte Fassung zur Annahme vorlegte: "No religion shall be established b y law, nor shall the equal rights of conscience be i n f r i n g e d 4 6 . "
Dieser Entwurf fand vielfache K r i t i k i n der Plenardebatte vom 15. 8. 178947. I m Verlauf der Diskussion kam es zu der dritten, von dem Abgeordneten Samuel Livermore eingebrachten, Version, die aufgrund ihres breiten Wortlautes für die w a l l of separation Theorie zu sprechen scheint: "Congress shall make no l a w touching religion, or infringing the rights of conscience 48 ."
Da dieser Vorschlag jedoch nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit des Repräsentantenhauses erhielt, mußte erneut beraten werden. Die schließlich vom Haus verabschiedete und dem Senat zur Entscheidung vorgelegte Fassung 49 stammt aus der Feder des Abgeordneten Fisher Arnes aus Massachusetts: "Congress shall make no l a w establishing religion, or to prevent the free exercise thereof, or to infringe the rights of conscience 50 ."
Die Mitglieder des Senats lehnten den Vorschlag des Hauses ab und einigten sich nach geheimer Beratung auf folgenden Wortlaut: "Congress shall make no l a w establishing articles of f a i t h or a mode of worship, or prohibiting the free exercise of r e l i g i o n 5 1 . " 44
s. o. bei Fn. 39 u n d 40. So zu Recht Levy , Judgements, S. 179. 4